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EX LIBR.IS
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SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER
LIBRARY
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ZEITSCHRIFT
FÜR
HYGIENE
UND
HERAUSGEGEBEN
VON
Prof. Dr. C. FLÜGGE, und Prof. Dr. G. GAFFKY,
«*H. MEDIZIN ALRAT UND DIREKTOR OKU. OBEKMRDIZINALRAT UND DIREKTOR
HTOIKNI8CUKN INSTITUTS DBB DES INSTITUTS FÜR INFRKTIONBKRANKHElTKf
UNIVERSITÄT BERLIN, ZU BERLIN.
NEUNDNDSECHZIflSTEB BAND.
MIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT. UND ACHT TAFELN.
LEIPZIG
VERLAG VON VEIT & COMP.
1911
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Druck tou Metzger Je Wittig in Leipzig.
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Inhalt.
Seite
L Schwarz und Aumann, Über Trink Wasserbehandlung mit ultravioletten
Strahlen. 1
Jos. Koch und Stutzer, Zur Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae 17
K. Stutze*, Die einfachste Färbungsmethode des Negrisehen Körperchens . 25
M. Bullt, Über die therapeutische Wirkung des Chloroforms bei der Typhus¬
infektion .29
Horhimakh, Beitrag zur Frage über die Bakteriendurchlässigkeit der Schleim¬
haut des Magendarmkanals.39
L. Schwarz und Aumank, Weitere Mitteilung über die Behandlung von Trink-
wasser mit ultravioletten Strahlen.68
C. Nibhwo, Ein Beitrag zur vergleichenden Untersuchung der Paratyphus B-
und Mäusetyphusbazillen.92
Rudolf Nkumann, Zur Kenntnis der Immunität bei experimenteller Trypano¬
someninfektion .109
Arth. Korpf- Pbtrrskh, Oesundheitsgefährdung durch die Auspuffgase der
Automobile.135
Wilhelm Hallwachs, Über Komplementbindungsversuche mit dem Serum
lapinisierter Kaninchen.149
R- Rrichehbach, Die Absterbeordnung der Bakterien und ihre Bedeutung für
Theorie und Praxis der Desinfektion.171
B« v. Frnyvessy und L. Dirkes, Ist das gebackene Brot steril?.223
Willum Leeds, Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie.225
Rühr, Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche.243
Theodor Altschül, Die geistige Ermüdung der Schuljugend. Ermüdungs¬
messungen und ihre historische Entwicklung.267
Riobn Frabnkel und Haks Much (unter teilweiser Mitwirkung von S. Starke),
Über experimentelle Cholezystitis, zugleich ein Beitrag zur Pathogenität
des Bact paratypbi B. (Hierzu Taf. I.).342
^Uwnn, Mikrobiologische Erfahrungen bei den epidemischen Darmerkrankungen
des Schutzgebietes Kiautschou und der Provinz Schantung in den Jahren
1907 bis 1911.376
^ Babe«, Bemerkungen über „Atypische Wutfälle“.397
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1
2 tft»
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IV
Inhalt.
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Seit«
L. Kandiba, Zur Frage von der ätiologischen Bedeutung der choleraähnlichen
Vibrionen.405
Josef Koch, Über die Bedeutung und Tätigkeit des großen Netzes bei der
peritonealen Infektion. (Hierzu Taf. II u. III.).417
Josbf Koch, Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien, das Verhalten
des Knochenmarkes und die Veränderungen der Knochen, insbesondere der
Epiphysen, bei Infektionskrankheiten. Mit Bemerkungen zur Theorie der
Rachitis. (Hierzu Taf. IV—VIII.) . . -.436
Wilhelm Spät, Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaufimmunserums . 463
Ludwig Bittrr, Über das Absterben von Bakterien auf den wichtigeren
Metallen und Baumaterialien .... -. 483
P. Schmidt, Studien über das Wesen der Wasser mann sehen Reaktion . . . 513
Erich Hesse, Das Berkefeldfilter zum Nachweis von Bakterien im Wasser . . 522
M. Taute, Experimentelle Studien über die Beziehungen der Glossina morsitans
zur Schlafkrankheit. 553
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[Aus dem Staatlichen Hygienischen Institut zu Hamburg.]
(Direktor: Prof. Dr. Dunbar. AbteilungsVorsteher: Prof. Dr. Kister.)
Über
Trink Wasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen.
Von
Dr. L. Schwarz und Oberarzt Dr. Aumann.
Die Frage der Sterilisierung von Trinkwasser mit ultravioletten
Strahlen ist in Frankreich eingehend behandelt worden; vor allem haben
die Untersuchungen Courmonts und Nogiers 1 , sowie ihrer Mitarbeiter
sehr günstige Ergebnisse gezeitigt. In Deutschland waren zur Zeit des
Beginns unserer Versuche Nachprüfungen von anderer Seite noch nicht
veröffentlicht, und so hielten wir es für erwünscht, durch eigene Ver¬
suche die Einwirkung ultravioletter Strahlen auf den Keimgehalt des
Wassers festzustellen.
Auf die geschichtliche Entwicklung, sowie auf die Physik der ultra¬
violetten Strahlen wollen wir dabei nur insoweit eingehen, als es zum
Verständnis der gesamten Versuche notwendig erscheint. Die wichtigsten
darauf bezüglichen Punkte finden sich bei Deelemann 2 , der auch ein
ziemlich umfassendes Literaturverzeichnis beigefügt hat, aufgeführt.
1 Courmont u. Nogier, Revue d’hygiene. 1910. Nr. 4 u. 6.
1 Deelemann, Die Trinkwassersterilisation mittels ultravioletter Strahlen usw.
Deutsche militär■ äretl. Zeitschrift. 1910. XXXIX. Jahrg. Hft. 11. S. 409.
Zeitachr. £ Hygiene. LXIX 1
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2
L. Schwarz und Aumann:
Zur Verfügung stand uns eine von der Quarzlampengesellschaft
Hanau hergestellte Quecksilberdampfquarzlampe, die uns mit dem gläsernen
Sterilisierungsgefäß von Hm. Direktor Pollatschek in Wilhelmsburg
freundlichst für unsere Versuche überlassen war. Das Licht wird hierbei
in einem Sterilisationsbrenner mit doppeltem Quarzmantel (siehe Abbildung)
zum Brennen unter Flüssigkeit, einem sogenannten Unterwasserbrenner,
erzeugt. Die Länge des Lichtbogens beträgt etwa 6 cm , der benötigte
Strom beträgt 4 Ampere und etwa 80 Volt, die unter Vorschaltung eines
Eisenwiderstandes der elektrischen Leitung entnommen werden. Die Licht¬
stärke beträgt etwa 1200 Kerzen.
Sterilisationsbrenner mit doppeltem Quarziuautel.
Auf die ausführlichen und genau zu beachtenden Verhaltungs- und
Vorsichtsmaßregeln müssen wir noch kurz eingehen, da sie bei einer
Einführung der Apparate in die Praxis von Wichtigkeit sind und auch
bei anderen Apparaten, die mit ultravioletten Strahlen arbeiten, gegebenen¬
falls zu berücksichtigen sein würden.
Die hier benutzte Lampe darf niemals ohne Wasserumspülung in
Betrieb gesetzt werden, da der Brenner sonst sofort zerstört wird. Nach
unseren Erfahrungen sollte nach Möglichkeit die Zündung auch nur bei
fließendem Wasser erfolgen, da anderenfalls schon innerhalb weniger Se¬
kunden eine zu starke Erhitzung stattfinden kann. Es ist zur Genüge
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Über Trinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 3
bekannt, daß bereits ganz kurz dauernde Einwirkung der ultravioletten
Strahlen äußerst schmerzhafte Entzündungen der Augen hervorrufen kann.
Als Schutz beim Arbeiten mit diesem gläsernen Apparat genügt an¬
geblich das Tragen einer die Augen nach allen Richtungen bedeckenden
farbigen Brille. 1
Bei der elektrischen Installation ist in den Netzanschluß für die Lampe
eine Schmelzsicherung von 10 Ampere, sowie ein Regulierwiderstand, der
zugleich mitgeliefert wird, vorzuschalten. Da falsche Stromrichtung
eine sofortige Zerstörung des Leuchtkörpers zur Folge hat, so
ist vor Inbetriebsetzungen eine genaue Feststellung der Po¬
larität der Zuleitungsdrähte unerläßlich. Die Feststellung ge¬
schieht bekanntlich in der Weise, daß die beiden Pole der Zuleitung auf
angefeuchtetes Polreagenspapier in etwa 1 cm Abstand aufgedrückt werden:
der Minuspol erzeugt eine Rotfärbung des Polpapiers, an dem Pluspol
tritt keine Färbung des Papiers auf. Bei irgend welchen Änderungen an
der Leitung ist aus obigem Grunde jedesmal unmittelbar an den Klemmen
des Brenners die richtige Polung durch Polreagenspapier nachzuprüfen.
Die gleiche Prüfung ist beim Einschalten der Lampe nochmals unmittelbar
au den Klemmen des Brenners vorzunehmen. Die anfängliche Stromstärke
von etwa 10 Ampere geht in 2 bis 5 Minuten auf die normale von
4 Ampöre bei 80 Volt zurück. Geringe Variationen um einige Zehntel
Ampere sind je nach der Temperatur und der Bewegung des zu behan¬
delnden Wassers festzustellen, jedoch ohne Einfluß auf den Effekt der
Bestrahlung. Die Lampe wird, in der Weise eingeschaltet, daß die be¬
sonders kenntlich gemachte Anodenseite des Brenners langsam angehoben
wird (etwa 5 cm ) bis der Brenner aufleuchtet. Darauf wird die Anode
wieder langsam in die Ruhelage hinuntergelassen. Die Kathodenseite
darf keinesfalls zum Einschalten angehoben werden.
Dem zu untersuchenden Wasser setzten wir in einem eisernen Be¬
hälter von etwa 200 Liter Fassungsvermögen unter gutem Durchmischen
die Aufschwemmung mit Testbakterien zu. Von dem Behälter führte ein
mit Einstellschraube versehener Gummischlauch zum Sterilisationsgefäß,
das bei einer Länge von 20 cm , einer Breite von 8*5 cra und einer Höhe
von 8gemessen bis zur Mitte des Ausflusses einen nutzbaren Fassungs-
ranm von etwa 1800 cm hatte. Die größte Strecke der Wasserschicht, die
1 A. Bieber weist in einer inzwischen erschienenen Mitteilung — Deutsche
med. Wochenschrift , 1911, Nr. 6, S. 645 — daraufhin, daß dieser Schutz nicht genüge.
Ultraviolette Strahlen von weniger als 300/ia werden allerdings durch Glas ab-
gcblendet, dagegen treten die Strahlen von 400 bis 300 utt ungehindert hindurch
and können somit Schädigungen des inneren Auges veranlassen.
1 *
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L. Schwarz und Aumann:
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die Strahlen während der Behandlung zn durchdringen haben, beträgt
dabei ungefähr 6 cm .
Unsere Versuche begannen wir zunäohst damit, daß wir festzustellen
suchten, bei welcher kürzesten Bestrahlungsdauer überhaupt eine völlige
Sterilisierung zu erreichen war.
Das Glasgefäß wurde gründlich gereinigt, an den Wasserein- und
austrittsöffnungen mittels Korkpfropfen verschlossen und mit völlig klarem
Leitungswasser gefüllt. Wir setzten eine sorgfältig filtrierte Aufschwem¬
mung von einer Ose Leuchtvibrionen in Leitungswasser hinzu und mischten
gut durch. 1 Dann wurde der Strom eingeschaltet und das ultraviolette
Licht gelangte unter Wechsel der Bestrahlungsdaner bei den verschie¬
denen Versuchen zur Einwirkung auf das infizierte Wasser. Die bei dieser
Bestrahlung nicht fließenden Wassers erzielten Ergebnisse sind in nach¬
folgender Tabelle I zusammengestellt.
Tabelle I.
Test*
bakterien
Bestrahlungs-
j dauer
Keimzahl 1 ccm
Rohwasser beh. Wasser
Anreicherung
10 ccln | 200 cc “
Leucht¬
1
Sek.
2000
1800
+
i +
vibrionen
3
ff
1800
1800
+
+
5
ff
2000
700
+
+
10
ff
2100
15
+
+
15
ff
1950
• 8
+
+
20
ff
2200
0
+
+
25
ff
1 2250
0
o
0
30
ff
I 1800
0
0
0
Eine längere Bestrahlungsdauer als 80 Sekunden konnten wir nicht
versuchen, da das Wasser zu sehr erwärmt wurde und die Gefahr bestand,
daß die Lampe durch nicht genügende Kühlung geschädigt und das
gläserne Sterilisationsgefaß zerspringen würde.
Nach einer Bestrahlung von etwa 20 Sekunden machte sich ein
deutlicher Ozongeruch bemerkbar.
1 Bei Herstellung von Aufschwemmungen der verschiedenen Testbakterien
beobachteten wir als selbstverständlich die Forderungen, die Nogier (Technique de
rinfection artificielle de l'eau etc. Comptes rendus de la Socidte de hiologie . 1911.
T. LXX. Nr. 1. p. 7) als unerläßlich hervorgehoben hat: eine Kultur wird leicht
abgeschwemmt unter Vermeidung der Mitnahme von Teilchen des Nährbodens, da¬
nach sorgfältige Filtration dieser Aufschwemmung. Das zu sterilisierende Wasser
muß vollständig klar sein und darf keine Suspensionen enthalten.
Anmerkung zu den Tabellen, -f- = Wachstum. 0 = steril.
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Cbeb Turxg wa sserb ehan dluxg mit ultravioletten Strahlen. 5
Des weiteren stellten wir fest, in. welcher kürzesten Zeit bei den von
uns gewählten Ausflußgeschwindigkeiten von 1 und 2 Liter pro Minute,
entsprechend ßO.bzw. 12Q Liter pro Stunde, ein Wasserteilcben von der
Eintrittsstelle zur Austrittsstelle gelangt Höhere Ausflußgeschwindigkeiten
wandten wir nicht an, da wir in Vorversuchen ungünstige Sterilisierungs¬
ergebnisse bei größerer Geschwindigkeit erzielt hatten. Noch geringere
Ausflußgeschwindigkeiten erschienen uns nicht zweckmäßig, da wir dann
eine so geringe Ergiebigkeit erhielten, daß eine praktische Verwendung
doch ausgeschlossen wäre.
Wir stellten nun die Versuche derartig an, daß wir den Inhalt des
eisernen Behälters, sowie des Verbindungsscblauches mit Fluoreszein stark
grün färbten. Der Absperrhahn wurde dann plötzlich geöffnet und die
Zeit, bis das grüngefärbte Wasser zur Ausflußöffnung gelangte, genau
bestimmt. Als kürzeste Zeit ergab sich bei einer Ausflußgeschwindigkeit
von 2 Litern pro Minute 3 Sekunden, bei 1 Liter pro Minute 6 Sekunden.
Die gleichen Zeiten erzielten wir durch Kontrollversuche mit Leucht-
vibrioncn und Colibakterien.
Wir konnten demnach bei unseren Versuchen mit einer Mindest¬
bestrahlungsdauer von 3 bzw. 6 Sekunden rechnen.
Nach dem Ergebnis unserer ersten Versuche hatten wir bereits ge¬
sehen, daß zur Erzielung eines tatsächlich keimfreien Wassers eine Be¬
strahlungsdauer von etwa 25 bis 30 Sekunden erforderlich war. Diese
Ersuche waren, wie schon bemerkt, nur mit nichtfließendem Wasser an-
gestellt, wenn auch durch das Einschalten der Lampe eine allerdings
genüge Bewegung hervorgerufen wird. Das Ergebnis würde voraussicht¬
lich ein weitaus besseres gewesen sein, wenn dieser Versuch bei bewegtem
Nasser ausgeführt worden wäre. Eine solche Anordnung war jedoch aus
äußeren Gründen nicht möglich.
Aber auch so sind die Unterschiede in der scheinbar notwendigen
Behandlungsdauer und der praktisch möglichen Bestrablungsdauer (25 bis
30 Sekunden gegenüber 3 bis 6 Sekunden) sehr erhebliche. Wir standen
daher zunächst, und wohl mit Recht, dem Gedanken einer Verwendungs¬
möglichkeit dieses Verfahrens für die Praxis sehr skeptisch gegenüber.
Unsere Versuche fielen jedoch günstiger als erwartet aus.
Wir stellten bei unseren weiteren Versuchen die Wassergeschwindig¬
keit so ein, daß wir bei einer stündlichen Wasserlieferung von 120 Litern
mit einer Bestrahlungsdauer von etwa 3 Sekunden für das einzelne
Wasserteilchen rechnen konnten. Während der Dauer der einzelnen Ver¬
suche nahm die Zeit der Bestrahlungsdauer stets etwas zu, wenn auch
nur sehr gering, da mit geringer werdendem Druck die Durchfluß-
gnschwindigkeit etwas abnahm.
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L. Schwarz und Auhann:
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Die Menge der zugesetzten Testbakterien war bei unseren Versuchen
zunächst ungefähr stets die gleiche. Wir nahmen vier gut bewachsene
Agarröhrchen (18 h Vibrionen, Coli, 40 h Sporenbildner von 20 Minuten
Resistenz, Prodigiosus, Violaceus), die mit Leitungswasser abgeschwemmt
und sorgfältig filtriert wurden.
Die Ergebnisse dieser Versuche .sind in Tabelle II zusammeogestellt:
Tabelle II.
Test*
Wasser-
Ein-
Temperatur
bakterien
menge in
einer Std.
Wirkungs-
Zeit
; Rohwasserj w b a ^; r
Keimzahl in 1 •“*
Rohwasser
I. Versuch
Leucht-
120 Liter
3 Sekunden
8°
10-5°
100 000
vibrionen
»*
10*5
1»
>>
»
11.0
i
99
n
»>
1 11*0
99
»>
i»
li-0
99
»»
»*
99
| 11-0
99
II. Versuch
Bacterium
120 Liter
3 Sekunden
8-2°
10-0°
75 000
coli
i»
99
8-2
10-0
80 000
99
99
8-2
10-0
80 000
l(
99
8-2
10-0
80 000
99
8-2
10-0
80 000
99
99
9-0
10*5
70000
III.
Versuch
Bacterium
120 Liter
3 Sekunden
7-5°
9-2°
150 000
prodigios.
»*
>»
7*5
9-2
200 000
99
99
7-5
9-2
170 000
99
99
1 7-5
9-2
170 000
tt
\
99
8*0
9-5
160 000
99
99
8-0
9-5
160 000
IV.
Versuch
Sporenbildner
120 Liter
3 Sekunden
10°
12°
3000
von 20 Min.
3200
Resistenz
3200
gegen 1 2 3
” i
M
ff
strömenden ,
l " 1
M
99
n
1 3200
Wasserdampf
99 1
99
99
”
1 3100
3000
50
45
12
17
20
14
63
35
25
40
69
7
4
7
•>
12
8
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1
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2
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ÜBER TRINEWASSERBEHANDLUNG MIT ULTRAVIOLETTEN STRAHLEN. 7
Das Ergebnis war also eine außerordentliche Keimverminderung in
amtlichen Fällen und ist in Anbetracht der enorm hohen Keimzahlen,
mit denen wir zuerst arbeiteten, als überraschend günstig zu bezeichnen.
Da wir jedoch niemals ein absolut keimfreies Wasser erhielten, so wählten
vir eine Bestrahlungsdauer von 6 Sekunden, die allerdings nur auf Kosten
der stündlichen Wasserlieferungsmenge zu erzielen war (60 Liter pro
Stunde). Die Mengen der zugesetzten Testbakterien blieben hierbei un¬
gefähr die gleichen:
Tabelle III.
Wasser- Ein-
T?>tbakterien menge in wirkungs-
einer Std. zeit
Temperatur j
Roh- I beh.
wasser | Wasser
V. Versuch.
Leucht-
Vibrionen
60 Liter 6 Sekunden
ft
8 - 0 °
8-0
8-5
8-5
8-5
8-5
10-5° j
t»
f*
>*
•*
Keimzahl
in l ee “
Anreicherung
Roh- 1
wasser
1 beh.
Wasser !
10 cc “
1
200 ccm
25 000
0
+
+
75 000
1 i
+
' +
60 000
0
0
! +
60 000
1 i
0
+
60 000 |
2 '
0
+
70 000
0
0
0
VI. Versuch.
Bacterium
60 Liter
6 Sekunden
7-5°
9-0°
50 000 |
0
+
+
coli
tt
i ”
7-8
9-0
60 000
0
0
0
>t
8*0
9-3
45 000
1
+
+
t*
1 ft
8-0
9-3
45 000 |
2
0
+
ft
tt
8*0
9-3
55 000 1
1
0
+
f*
tt
8-0
9.3
55 000
0
0
0
VII. Versuch.
Bacterium
60 Liter
6 Sekunden
7-0°
8*7°
60 00O
1
0
+
prodigios.
tt
tt
7-2
8-8 |
60 000
1
+
4-
t»
!
8*0
10-0
70 000
0
0
0
tt
.. i
7‘9 |
10-0 i
70 000
0
0
0
1 »»
tt
7-9
9-9
65 000
2
+
+
tt
tt
7-6
9-5
65 000
0
1 0
i +
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Tabelle III. (Fortsetzung.)
I
I Wasser-
Ein-
Temperatur j
Keimzahl
in 1 ec«
Testbakterien' menge in
einer Std.
wirkungs-
zeit
Roh- beh. 1
Roh- beh.
wasser Wasser
wasser Wasser
VIII. Versuch.
Sporen bildner
60 Liter
6 Sekunden
O
O
©
12*0°
3000
Ton 20 Min.
•»
9-7
11-0
3500
Resistenz
»»
99
9-7
11.0
3500
M
?•
9-6
10-9
3200
99
99
9-5
11-0
2900
»»
1
9-9
11-4
t
3400
Anreicherung
10““ 200 ccm
0 0
+ +
+ +
0 0
0 0
+ +
Sämtliche Platten und Anreicherungen wurden bei allen Versuchen mehrere Tage
beobachtet.
Die Ergebnisse sind, wie aus Tabelle III ersichtlich ist, günstiger
als bei unseren ersten Versuchen, wenn auch nur in der Minderzahl der
Versuche ein absolut keimfreies Wasser erzielt werden konnte.
Weiterhin suchten wir festzustellen, welche Resultate sich bei ent¬
sprechend geringeren Keimzahlen, wie wir sie bereits bei den Versuchen
mit Sporenbildnern benutzt hatten, ergeben würden. Dadurch glaubten
wir uns auch möglichst den Bedingungen zu nähern, wie sie bei einer
Einführung der Apparate in die tägliche Praxis unter im allgemeinen
günstigen Wasserverhältnissen gegeben sein würden. Dabei erzielten wir
unzweifelhaft günstigere Resultate.
Tabelle IV.
Wasser-
Ein-
Testbakterien
menge in
wirkungs-
1
einer Std.
zeit
Temperatur
Roh- beh.
wasser Wasser
Keimzahl
in l ccm
Roh- beh.
wasser Wasser
Anreicherung
10 cc “ 200 ccm
IX. Versuch
Leucht¬
' 120 Liter
3 Sekunden
8*0°
10-5 0
3100 1
0
0
+
vibrionen
»•
8-2
10-4
2000
0
0
+
1
i
99
7.9
9*0 |
3050
u
0
+
!
99
8-1
9.9 j
3200 :
0
0
0
! „
99
7 • 5
1 9-2
3700
0
0
+
99
*9
1
7*5
9-2
!
4000
0
0
0
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Über Trinkwassebbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 9
Tabelle IV. (Fortsetzung.)
Wasser-
Ein*
t
Temperatur |
Keimzahl
in 1 com
menge in
i einer Std.
wirkunge-
zeit
Roh* 1 beh.
| w&sser [Wasser
Roh- I beh.
wasser 'Wasser 1
Anreicherung
10 00011 200 ccm
Versuch.
Bacterium
coli
Bacterium
prodigios.
3 Sekunden
8*1°
9-8°
3060
0
+
»
8-2
10-0
4000
1
+
11
7-9
9-0
2500
0
+
11
7-5
9*0
2100
0
0
11
7*6
9-2
3000
1
+
11
XI.
7*2 | 8-9
Versuch.
2900
0
0
8 Sekunden
7-5°
9-2°
1900
0
0
11
7*4
8-8
2100
0
0
11
7*6
9.3
3000
0
0
11
7*0
8-7
2500
0
0
11
6*9
8-4
2800
0
0
11
XII.
6-8 | 8-2
Versuch.
2000 i
0
0
8 Sekunden
7-2°
9-0°
1000
9
>*
7.5
9.3
1100
8 i
7.5
9-3
1100
16
7-6
9.4
1000
4
I
' 1
7-6
9-5
1000
2
1
” |
7-6
9*5
1000
3
1
i
Die gleichen Versuche wiederholten wir daun nochmals bei einer
rahlungsdauer von 6 Sekunden.
Tabelle V.
XIII. Versuch.
Leucht-
60 Liter
6 Sekunden
7-2°
8-9°
2100
0
0
Vibrionen
11
11
7-4
9-2
2000
0
0
11
11
7-0
9*0
1800
0
0
11
ii
6-8
8-7
1700
0
0
11
11
6-9
8-4
2000
0
0
11
11
7-2
9-1
1900
0
0
XIV. Versuch.
60 Liter
6 Sekunden
6*9°
8-7°
1700
0
+
11
11
6-9
8-5
1900
0
+
1 ”
11
7-0
9-0
2050
0
0
tj 1 »
11
7-1
9-1
1970
1
+
11
11
6-8
8-8
1890
1
+
11
11
7-2
9-0
2000
0
0
Difitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
10
L. Schwarz und Aumakx:
Tabelle V. (Fortsetzung.)
1
Testbakterien |j
lj
• i
Wasser- Ein- . Temperatur
menge in wirkungs-1
einer Std.f zeit ; b®* 1 *
1 i wasser Wasser
Keim
in 1
Roh¬
wasser
zahl
[ ccm
beh.
Wasser
i
Anreicherang
,
10"“ 200 ccm
XV. Versuch.
Bacterium
60 Liter
6 Sekunden
7-0°
8.7°
1500
0
0
0
prodigios. \
yy
1
yy
7-5
9*2 j
1900
1
+
4-
yy
yy
7-2
9-0 i
|
1850
1
4
4-
yy
yy
8*0
9-7 1
1800
o
+
-4
1
yy
yy
81
10-0 |
1790
o
0 1
0
yy
yy
8-0
9-9
1820
1 i
+ 1
4-
XVI. Versuch.
60 Liter
6 Sekunden! 6*9°
8-1°
1200
5
n
» 6-9
8-1
1200
7
»
„ i 7-1
9-0
1100
6
ji
1 7-1
9-0
1100
4
.. [ 7-3
9-i
1000
1
yy
* 7-3
i
9-1 1
I
i ;
1000
3 1
£
Zunächst sehen wir bei einem Vergleich dieser Ergebnisse, daß die
Resultate auch bei einer längeren Einwirkungsdauer (6 Sekunden) der
ultravioletten Strahlen nicht entsprechend günstiger sind als bei einer
kürzeren (3 Sekunden).
Des weiteren fanden wir aber auch bei diesen verhältnismäßig günstigen
Versuchsanordnungen nicht eine durchaus gleichmäßige Einwirkung der
ultravioletten Strahlen. Neben absolut keimfreien Wasserproben erhielten
wir immer solche, die, wenn auch nur in ganz geringen Mengen, Keime
enthielten.
Aus den bisherigen Versuchen dürfte wohl schon hervorgehen, daß
neben der Dauer der Bestrahlung und einer ausgiebigen Bewegung des
zu behandelnden Wassers die Zahl der im Wasser befindlichen Keime eine
erhebliche Rolle spielt.
Wir gingen daher dazu über, die Wirkung der ultravioletten Strahlen
auf keimarmes Wasser festzustellen. Der Apparat wurde direkt an die
Wasserleitung aDgeschlossen. Der Keimgehalt des Hamburger Leitungs¬
wassers betrug während unserer Versuche im Durchschnitt 5 bis 7 Keime
pro Kubikzentimeter. Nach Entnahme einer Rohwasserprobe schalteten wir
den Strom ein und prüften dann wieder bei verschiedener Bestrahlungs¬
dauer. Die Ergebnisse finden sich in Tabelle VI.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Cbeb Tbinkwassebbehandlung mit ultbavioletten Stbahlen. 11
Tabelle VI.
1
Leitungs* ;
wasser
Wasser-
menge in
einer Std.
Ein-
wirknngs-
zeit
Keimzahl
Roh- | bell,
wasser | Wasser
Anreicherung
10 cc “ |200 ec “
Temperatur
Roh- beli.
wasser Wasser
XVII. Versuch.
60 Liter
6 Sekunden
1
0
o
0
12-5°
13-0°
n
77
5
0
0
+
12*0
18*1
n
77
6
0
0
0
12*0
13« l
77
6
0
0
0
11-9
12-8
„
:7
5
0
0
0
10-5
11.7
77
5
0
0
+
10-5
11-7
XVIII. Versuch.
120 Liter
2 Sekunden
- 8
0
0
0
12-8°
13-9°
tt
&
0
0
0
12-8
13-9
tr
7
0
0
0
12-7
14-0
77
77
8
0
0
0
13*0
15-0
77
77
8
0
0
0
13-1
14-9
77
77
6
2
+
+
13-1
14-9
XIX. Versuch.
i
240 Liter
1'/, Sek.
7
0
i 0
! o
8-9°
i 9-4°
77
77
6
1
; +
+
f 9-0
9*5
77
77
6
0
0
1 0
! 9*2
9-9
77
7
0
0
0
, 9-5
9-4
77
77
8
0
0
0
8-7
9-1
77
5
1
+
i +
1
i 8 - 9
9*4
i
Im ganzen wurde also ein günstiges, wenn auch nicht gerade gleich¬
mäßiges Resultat erzielt. Die guten Ergebnisse bei einer Bestrahlungs¬
dauer von nur l 1 /, Sekunden sind wohl in erster Linie auf die durch
den stärkeren Druck bewirkte ausgiebige Bewegung und Durchmischung
des Wassers zurückzuführen, abgesehen von dem günstigen Umstand des
sehr niedrigen Keimgehaltes überhaupt.
Des Interesses wegen suchten wir noch festzustellen, ob die bisherigen
immerhin günstigen Ergebnisse stark beeinträchtigt würden, wenn wir auf
Filtration des Testmaterials verzichteten. Da wir bei einer Bestrahlungs-
dauer von 3 Sekunden nach unseren früheren Versuchen annehmen
» durften, daß wir nicht sehr günstige Ergebnisse erzielen würden, so prüften
*ir nur bei einer Bestrahlungsdauer von 6 Sekunden. Aus dem gleichen
Grunde prüften wir auch nur mit geringem Zusatz von Testmaterial. Die
Unterschiede gegenüber unseren bisherigen Ergebnissen sind, wie aus
Tabelle VII hervorgeht, durchaus nicht so wesentlich, wie wir eigentlich
nach den Angaben in der Literatur hätten erwarten sollen.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
12
L. Sch w abz und Atlmann
Tabelle VII.
Testbakterien
Wasser¬
menge in
einer Std.
Ein¬
wirkungs¬
zeit
i
Temperatur
Rohwasser w ^ r
Keimzah
Rohwasser
1 in 1 ccm
beh.
Wasser
XX.
Versuch,
Leucht-
60 Liter
6 Sekunden
8*5°
10-2°
4000
3
Vibrionen
i
n
8-5
10*4
3700
4
n
8-6
10-5
3900
2
7-2
9-2
2750
5
n
7-5
9-5
3000
7
ii
7-0
9-0
3300
11
XXI.
Versuch
.
Bacterium
60 Liter
6 Sekunden
6-9*
8.5*
2100
6
coli
ii
i»
7-0
9-0
3000
4
ii
ii
7-0
9-0
3500
5
ii
ii
6-7
8-8
4200
9
ii
ii
6-8
8-2
, 3300
8
M
ii
7-3
9-0
3000
12
XXII
. Versuch.
Bacterium
60 Liter
6 Sekunden
7*5°
9*4°
1 2900
7
prodigios.
ii
7-4
9-0
| 3100
6
!
n
11
7*4
9-2
3700
15
ii
11
8-0
10-0 I
4000
9
i **
11
7-9
: 9 ’ 8
3850
12
■
>»
11
6-8
8-7
3600
7
ii
6-9
8-5
3050
8
XXUI. Versuch.
Sporenbildner
60 Liter
6 Sekunden'
6.8°
8*5°
4000
4
von 20 Min.
11
V
7-2
9-0
3700
7
Resistenz
11
11
7-0
9-0
3500
9
11
11
7-5
9-5
2900
8
11
11
8-0
10-0
3000
5
i
11 1
” 1
7-8
9*8 i
3100
10
Schließlich setzten wir noch bei einem weiteren Versuch auf etwa
200 Liter Wasser 200 ccm Abwasser zu. Das Abwasser wurde durch
Filtration durch ein. Papierfilter nur von den gröbsten Bestandteilen
befreit, eine völlige Klärung dadurch nicht erzielt. Die Wasser-Abwasser¬
mischung war klar.
Difitized by Gougle
Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
£beb Trinkwassebbkhandluno mit ultravioletten Stbahlen. 13
Wasser-
Ein-
Temperatur
Keimzahl in 1 **■
Testbakterien || menge in
i einer Std.
wirkungs-
zeit
Rohwasser
beb.
Wasser
Rohwasser
.
beh.
Wasser
XXIV. Versuch.
Abwasser 60 Liter
6 Sekunden
7-0°
8-8°
1200
2
»
7-0
8*8
1200
1
»
*>
7-0
8-8
1200
2
»
7*5
9-0
1500 ;
8
>>
7-5
9-0
1500
1
i
»»
>>
7-5
9-0
1500
l
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen, die sich, wie wir bemerken
wollen, auf dies eine von uns geprüfte Modell, sowie auf Wasser von der
chemischen Zusammensetzung des Hamburger Leitungswassers erstreckten,
sind folgende:
Bei Bestrahlung von sehr keimhaltigem Wasser mit ultraviolettem
Licht tritt innerhalb weniger Sekunden eine außerordentlich starke Keim-
verminderung ein. Bei längerer Bestrahlungsdauer, die in praxi nach Zahl,
Resistenz und Art der abzutötenden Keime gewählt werden müßte, ist in
rielen Fällen ein steriles Wasser zu erhalten. Der Apparat liefert jedoch
bei seiner jetzigen Konstruktion zu ungleichmäßige Ergebnisse, um als
Ersatz für die gewöhnlichen Wassersterilisationsverfahren, wie sie bisher
besonders in Krankenhäusern, wissenschaftlichen Instituten usw. in Ge¬
brauch sind und sich auch durchaus bewährt haben, in Betracht zu
kommen. Vorläufig jedenfalls können wir die Sterilisierung von Wasser
mit ultraviolettem Licht weder als „sicherer“ noch „einfacher“ bezeichnen
und wir glauben, jetzt schon sagen zu können, daß bei der Versorgung
selbst kleinerer Orte mit Trinkwasser die Behandlung des Wassers mit
ultraviolettem Licht die bisher üblichen Verfahren wohl kaum im weiteren
Umfange verdrängen wird, zumal eine Vorklärung oder Filtration durch
geeignete Filter zur Sicherstellung der Lieferung einwandfreien Wassers
als Vorbehandlung unerläßlich erscheint.
Über die Betriebskosten in der Praxis gibt eine inzwischen von
Grimm und Weldert 1 erschienene Arbeit eingehend Aufschluß.
Die Ergebnisse unserer Versuche haben gezeigt, daß der Sterilisations¬
erfolg im wesentlichen von dem Keimgehalt des Rohwassers abhängig ist,
und zwar dürfte die Keimzahl höchstens etwa zwischen 500 bis 2000 Keimen
pro Kubikzentimeter schwanken. Eine Abtötung dieser Keimmenge müßte
1 Grimm u. Weldert, Mitteilungen aus der Kgl. Früf’ungsanst. f. Wasser¬
versorgung u. Abvoasserbeseitigung. 1911. Hft. 14. S. 85.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
14
L. Schwabz und Aumann:
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aber sicher verlangt werden, da wir an Sterilisationsverfahren ganz andere
Anforderungen zu stellen haben, als an die Leistungen der im Gro߬
betriebe gebräuchlichen Sandfilter.
Die Trinkwassersterilisation mittels der ultravioletten Strahlen kann
dagegen bei fortschreitender Technik wohlberufen erscheinen, in einfacherer
W eise die Aufgabe zu lösen, Truppen vor allen Dingen im Felde mit
Trinkwasser zu versorgen, das sicher frei von pathogenen Keimen s< in
muß. De eie mann 1 hat zu diesem Zwecke einen fahrbaren Trinkwasser-
bereiter entworfen. Als Sterilisationsgefäße verwendet er zwei von No gier
modifizierte Apparate, mit einer Minutenleistung von 10 Liter (600 Liter
pro h.) pro Lampe, eine Leistung, die wohl als ausreichend zu betrachten
ist, da die zurzeit Verwendung findenden fahrbaren Trinkwasserbereiter
eine durchschnittliche Stundenleistung von 500 Litern haben.
Praktische Versuche sind mit dem zunächst nur theoretisch konstruierten
Trinkwasserbereiter noch nicht bekannt geworden. Über die Wirksamkeit
der Lampen nach der Nogierschen Modifikation können wir kein Urteil
abgeben, da wir nicht mit ihnen gearbeitet haben. Wir wollen nur mit
einigen Worten auf die Art der zur Verwendung gelangenden Filter eingehen,
da uns dieser Punkt bei der praktischen Nutzbarmachung der ultravioletten
Strahlen für die Wasserversorgung nächst der Verbesserung der Lampe
selbst der wichtigste zu sein scheint. Deelemann schaltet bei seinem
Trinkwasserbereiter nach einem der Vorreinigung dienenden Grobfilter,
das unerläßlich ist, zwei Feinfilter ein und zwar wählt er Berkefeldfilter
„als zweckmäßig, weil diese leicht, dauerhaft und ergiebig sind und neben
einer sehr guten Reinigung auch sehr leicht Bedienung und Ersatz der
unbrauchbar gewordenen Filterkerzen gewährleisten“. 2
Unserer Meinung nach dürften jedoch im Ernstfälle nur solche Triuk-
wasserbereiter Verwendung finden, die nicht mit so subtilen Einrichtungen
ausgestattet sind, wie sie gerade die Berkefeldfilter — genau wie alle
anderen Filterkerzen — darstellen.
Auf die Zerbrechlichkeit brauchen wir nicht weiter einzugeheu, da
dieser Nachteil genügend bekannt sein dürfte.
Die Ergiebigkeit der Berkefeldfilter ist allerdings innerhalb der ersten
24 Stunden wohl ausreichend, ebenso wie ihre Leistungsfähigkeit in bak¬
teriologischem Sinne. Dann aber befriedigen sie weder meist bezüglich
des bakteriologischen Ergebnisses noch der Liefermenge. Selbst bei Ver-
1 A. a. O.
* Deelemann hat nach einer während der Drucklegung erschienenen Mit¬
teilung — Deutsche miHtiir-ärztl. Zeitschrift, 1911, Nr. 6, S. 247 — diese Feinfilter
ausgeschaltet, da „es sich hei neueren Versuchen herausgestellt hat, daß .... ein
Feinfilter nur Widerstand für den Betrieb bietet.“
Gck igle
Original frum
UNIVERS1TY OF CALIFORNIA
ÜBER TBINKWA88ERBEHANDLÜNG MIT ULTRAVIOLETTEN STRAHLEN. 15
wendung von absolut klarem Wasser scheiden sich aus diesem Bestandteile
auf und in der Filtersubstanz ab, so daß innerhalb kurzer Zeit das
Durchpumpen immer schwerer und in gleichem Maße die Ergiebigkeit
geringer wird.
Eine Reinigung der Filterkerzen müßte also, um eine ausreichende
Leistung sicberzustellen, mindestens einen um den anderen Tag erfolgen,
ein Verlangen, das im Ernstfälle doch wohl öfters auf Schwierigkeiten
stoßen dürfte.
Ein Versagen der Filter in bakteriologischer Beziehung würde aller¬
dings nicht von besonderer Bedeutung sein, da zur sicheren Abtötung
pathogener Keime das Wasser noch der Einwirkung der ultravioletten
Strahlen ausgesetzt wird.
Bei dem fahrbaren Armeetrinkwasserbereiter (Modell 1909 l ) ist aus
den oben erwähnten Gründen auch wieder von der Anwendung von Berke-
feldfiltern und ähnlichen Filterkerzen gänzlich abgesehen worden. Eine
Einführung der erwähnten Filter können wir nach unseren Erfahrungen
nicht als Verbesserung betrachten.
Als Grobfilter würden wir die Verwendung der von der Sukrofilter-
uud Wiisserreinigungsgesellschaft-Berlin vertriebenen Sukrofilter vorschlagen.
Das Wasser, das der Behandlung mit ultravioletten Strahlen unterworfen
werden soll, braucht nur die eine Forderung zu erfüllen, daß es vollständig
klar ist. Den bakteriologischen Anforderungen, die an Trinkwasser gestellt
werden, braucht es nicht zu entsprechen, da ja sonst die Behandlung mit
ultravioletten Strahlen überflüssig ist. Schon die von Barr 3 in unserem
Institut an einem kleinen Modell eines Sukrofilters ausgeführten Unter¬
suchungen haben ergeben, .,daß diese Filter wohl geeignet sind, ein Wasser
von Verunreinigungen mancher Art zu befreien und dabei auch eine nicht
unerhebliche Herabsetzung der im Rohwasser enthaltenen Keime zu be¬
wirken.“ Versuche mit einem großen Modell, das als Vorklärer für die
Zwecke der Beschaffung von Trinkwasser im Felde in Betracht kommen
könnte, sind von Hilgermann 3 angestellt worden. Das Filter ist
..quantitativ außerordentlich leistungsfähig. Die Klarheit des Filtrats war
im Gegensatz zu dem sehr trüben schmutzigen Rohwasser (Rheinwasser)
einwandfrei.“
1 Hoffmann u. Kutscher, Zur Trinkwasserversorgung der Truppen ira Felde.
Berliner klin. Wochenschrift. 1910. Nr. 21. S. 1137.
1 Barr, Versuche mit einem Sukrofilter. Gesundheitx-Liijenieur. 1910. Nr. 25.
S. 461.
1 Hilgermann, Untersuchungen über die Leistungsfähigkeit der Sukrofilter.
Ebenda. 1911. Nr. 10. S. ISS.
Digitizetf by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16 L. Schwarz und Aumann: Über Trinkwasserbehandlung üsw.
Schlußsätze.
1. Schon durch kurz dauernde Behandlung mit ultraviolettem Licht
wird die Keimzahl selbst sehr keimhaltiger Wässer erheblich herabgesetzt
Auch die Dauerformen der Sporenbildner werden in gleicher Weise be¬
einflußt.
2. Das Sterilisationsergebnis ist, klares Rohwasser vorausgesetzt, ab¬
hängig von dem Keimgehalt des Rohwassers, der ausgiebigen Durch¬
wirbelung des Wassers während der Bestrahlung, sowie von der Be¬
strahlungsdauer.
3. Mit dem Apparat Type U. 110 (100 bis 120 Volt, 4 Ampere)
läßt sich unter den von uns gewählten Versuchsbedingungen bei Benutzung
eines nicht sehr keimhaltigen klaren Wassers (500 bis 2000 Keime pro
Kubikzentimeter) ein für praktische Zwecke in den meisten Fällen hin¬
reichendes Trinkwasser in einer Menge von 60 Litern pro Stunde erzielen.
Sehr keimreiches bzw. nicht klares Wasser müßte einer geeigneten
Vorbehandlung unterzogen werden.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem Eönigl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin]
(Direktor: Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaffky)
Zur
Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae.
Von
Prof. Dr. Jos. Koch, und Dr. Stutzer (Moskau).
Mitglied des Instituts.
Der Madurafuß oder das Mycetoma pedis ist bekanntlich eine im
Orient öfter vorkommende chronische Erkrankung des Fußes, die durch
eine Streptothriiart, Streptothrix Madurae, verursacht wird; viel seltener
befallt die Erkrankung Hände und Kiefer. Der Name rührt von der
Java gegenüberliegenden Insel Madura her, auf der die Erkrankung
häufig beobachtet wird.
NachBockenheimer (1), der eine vorzügliche Abbildung eines Madura-
fußes wiedergibt, beginnt die chronische Erkrankung gewöhnlich mit einer
wenig schmerzhaften Anschwellung der Fußsohle; im weiteren Verlaufe
bilden sich dann zahlreiche, viel verzweigte Fisteln, die sich bis auf
den Knochen verfolgen lassen. Durch die Granulations- und Schwielen¬
bildungen, die mit Aktinomykose große Ähnlichkeit haben, werden Weich¬
teile, Knochen und Gelenke zerstört. In dem dünnflüssigen, übelriechen¬
den Eiter finden sich hellgelbliche und schwärzliche Pilzrasen, ähnlich
wie bei der Strahlenpilzerkrankung. Je nach dem Aussehen der Pilz-
kömchen unterscheidet man eine weiße, rote und schwarze Varietät.
Kulturen von Streptothrix Madurae hat zuerst Vincent im Jahre 1894
aus Geweben des Fußes eines Patienten mit „Madurafuß“ erhalten.
Außer Vincent haben diese Streptothrix noch Babes, Petruschky,
Boyce und Surveyor u. a. erforscht. Die Verschiedenheit der Angaben,
Zeitachr. L Hygiene. LXIX
Digitized by Gougle
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
18
Jos. Koch und Stutzeb:
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die wir in den Beschreibungen der Streptothrix Madurae bei den oben¬
genannten Autoren finden, hat uns veranlaßt, eine Neuuntersuchung der
Kulturen dieses Pilzes zu unternehmen. Hr. Dr. Avad hatte uns in
liebenswürdiger Weise Glyzerinagarkulturen von Streptothrix Madurae im
Januar 1911 aus Kairo gesandt. Die nachfolgenden Ausführungen be¬
schränken sich auf das Verhalten dieses uns überlassenen Stammes.
Die Überimpfung auf verschiedene Nährböden hatte zuerst nicht ganz
befriedigende Resultate ergeben. Auf den meisten Nährböden wurde zwar
ein Wachstum erzielt, aber ein sehr langsames und meistenteils sehr
spärliches. Es ist uns gelungen, die Ursache dieses Verhaltens festzustellen.
Es zeigte sich nämlich, daß das Wachstumsoptimum der uns zur Ver¬
fügung stehenden Streptrothrix Madurae nicht bei 37° C lag (Vincent),
sondern bedeutend niedriger bei 16 bis 22° C. Bei den weiteren Unter¬
suchungen wurden daher die Serien der Nährböden stets in zwei Hälften
geteilt, wobei die eine Hälfte im Schrank bei Zimmertemperatur nicht
über 22° C auf bewahrt wurde, während die andere Hälfte in den Brut¬
schrank von 37° C kam.
Unsere Kulturen der Streptothrix Madurae weisen auf den verschie¬
denen Nährböden folgende Eigenschaften auf. Von den üblichen, in der
bakteriologischen Praxis angewandten flüssigen Nährböden wird ein be¬
friedigendes Wachstum bei einer Temperatur nicht über 22° C in Pepton-
wasser erhalten. Schon einige Tage nach der Impfung entwickeln sich
einzelne Kolonien bis zum Durchmesser von 2 bis 3 mm . Allmählich ver¬
mehrt sich die Anzahl der Kolonien, besonders rasch bei täglichem
stärkerem Umschütteln; nach 2 bis 3 Wochen bedecken sie mit dünner
Schicht den ganzen Boden des Reagensglases oder des Erlenmeyerkölbchens.
Ein Teil der Kolonien haftet an den Wänden des Gefäßes, ein anderer
Teil entwickelt sich freischwebend. Die Dimensionen der Kolonien über¬
steigen nicht 3 bis 4 mm im Durchmesser. Ihre Gestalt ist halbkugelförmig
bei den festsitzenden und nahezu kugelförmig bei den freiwachsenden.
Sie sind von weißer Färbung, mit flockigen und halbdurchsichtigen
strahligen Rändern.
Bei 37° C ist das Wachstum in Peptonwasser bedeutend geringer.
In einigen der geimpften Kolben wurde bei 37° mit Peptonwasser über¬
haupt kein Wachstum erzielt.
Am meisten eignete sich zur Kultivierung unserer Kultur der Strepto¬
thrix Madurae Bouillon mit ungeronnenem Pferdeserum (1 Teil
Serum auf 3 Teile Bouillon, d. h. der Nährboden, der im Laboratorium
von J. Koch für Streptokokken angewandt wird). Bei Zimmertemperatur
ist das Wachstum der Streptothrix Madurae auf diesem Nährboden mehr
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zcr Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae. 19
als befriedigend. Nach 5 bis 7 Tagen schon erhält man eine üppige
Kultur. Wenn das Gefäß .mit der Kultur keinen Erschütterungen aus¬
gesetzt wird, so bildet sich ein weißliches lockeres Häutchen, das sich
leicht senkt und dessen Bänder an den Wänden des Gefäßes festhaften.
Das Wachstum vollzieht sich sowohl auf der Oberfläche, als auch am
Boden des Gefäßes. Der flockige Niederschlag ist dabei bedeutend lockerer
und reichlicher als im Peptonwasser.
Von Interesse ist, daß auf demselben Nährboden bei 37° gar kein
Wachstum stattfindet. Die geimpften Flocken der Streptothrix Madurae
weisen nicht nur keine Entwicklung auf, sondern werden sogar kleiner
und zerfallen.
In Bouillon wächst Streptothrix Madurae am Boden und an den
Wänden des Gefäßes. Der Charakter der Kolonien ist dem in Pepton¬
wasser ähnlich, das Wachstum ist hier aber geringer.
Das Hinzufügen von 1 bis 2 Prozent Traubenzucker verbessert die
Entwicklungsbedingungen des Pilzes nicht. Bemerkt sei nur, daß es
manchmal gelingt, in Bouillon mit Traubenzucker einzelne sehr große,
weiche und flockige Kolonien von halbkugelförmiger Gestalt zu erhalten.
In Milch wächst Streptothrix Madurae am Boden des Reagensglases
gut. Die Milch gerinnt nach 2 bis 3 Tagen, aber das Kaseingerinnsel
verflüssigt sich allmählich, so daß-nach Verlauf von ungefähr 4 bis
6 Wochen der Nährboden durchsichtig wird.
Die Lackmusmolke (Petruschky) verändert ihre Farbe nicht.
Das Wachstum geschieht am Boden in Form eines flockigen Nieder¬
schlages. Eine Temperatur über 22° hemmt das Wachstum.
Barsiekows Nährböden mit Trauben- und Milchzucker werden nicht
verändert.
Auf Grund des Verhaltens unserer Kultur der Streptothrix Madurae
zu den oben erwähnten Nährböden darf man schließen, daß der unter¬
suchte Stamm ein peptonisierendes Ferment ausscheidet, das Milchkasein
auflöst. Alle übrigen biologischen Merkmale sind negativer Natur: Traubeu-
und Milchzucker werden nicht zersetzt, reduzierende Eigenschaften sind
nicht vorhanden, Säuren oder Basen werden nicht abgeschieden.
Auf festen Nährböden entwickelt sich Streptothrix Madurae bei
16 bis 22 °C bedeutend schneller und üppiger als bei 37°. Von den
festen Nährböden ergibt das beste Wachstum geronnenes, defibri-
niertes Pferdeblut. Nach 5 bis 6 Tagen erhält man eine gut ent¬
wickelte Kultur, die weit schneller wächst als die Kulturen auf Glyzerin
oder auf einfachem Agar.
Alle Nährböden haben folgende Eigenschaften der Streptothrix Madurae-
Kultur gemeinsam. Das Wachstum ist vun mittlerer Geschwindigkeit.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
20
Jos. Koch und Stutzer:
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Gut entwickelte Kulturen erhält man bei günstigen Bedingungen (Nähr¬
boden und Temperatur) nach 5 bis 10 Tagen. Die Kolonien, die isoliert
auf der Oberfläche liegen, haben die Form von weißen, später leicht ge¬
bräunten Kreisen, die fest am Nährboden haften. Man kann sie nur
entfernen, indem man eine Schicht des Nährbodens mitnimmt. Sie er¬
scheinen wie eingedrückt in die Oberfläche des Nährbodens. Die nahe
aneinander liegenden Kolonien verschmelzen zu einer ununterbrochenen
festen Membran von wellenförmiger und glänzender Oberfläche. Die alten
Kulturen nehmen eine bräunliche Färbung an. Ihre Oberfläche wird matt.
Auf einem Nährboden, der aus Vs defibriniertem Pferdeblut
und */s Nähragar besteht, entwickelt sich unsere Kultur fast ebenso
gut und rasch als auf geronnenem Pferdeblut. Nach der Ansicht einzelner
Autoren eignet sich geronnenes Blutserum für die Kultivierung von
Streptothrix Madurae nicht, da darin kein Wachstum erreicht wird. Indes
entwickelt sich die zu unserer V erfügung stehende Kultur auf dem Serum
durchaus befriedigend; dabei löst sie das Serum nach und nach auf. Der
Peptonisierungsprozeß geht rascher bei 37° vor sich und vollzieht sich
langsamer bei 16 bis 22°.
Das Wachstum der Streptothrix Madurae wird durch ge¬
steigerte Alkaleszenz des Nährbodens besonders begünstigt.
Stark alkalischer Agar, wie er für die Kultur von Choleravibrionen an¬
gewandt wird, ist zugleich ein vorzüglicher Nährboden für Streptothrix
Madurae. Die Wachstumsgeschwindigkeit auf diesem Agar tritt hinter
dem Wachstum auf geronnenem Pferdeblut nicht zurück.
Glyzerinagar ist für Kultivierung von Streptothrix Madurae geeignet,
steht aber hinter dem obengenannten Nährboden bedeutend zurück.
Das Hinzufügen von Aszitesflüssigkeit zum Agar fördert einigermaßen
das Wachstum von Streptothrix Madurae, die Kulturen bleiben jedoch
dabei zart und entwickeln sich verhältnismäßig schwach.
Gewöhnlicher Nähragar ist für diesen Pilz relativ wenig brauchbar.
Streptothrix Madurae wächst zwar darauf, aber nur sehr schwach und
langsam im Vergleich mit den obengenannten Nährböden. Das Hinzu¬
fügen von Traubenzucker verringert noch mehr seine Brauchbarkeit.
Das Wachstum auf Kartoffel ist langsam.
Gelatine wird sehr langsam verflüssigt. Zuerst bildet sich ein
Trichter, dann entsteht oben eine ganze Schicht peptouisierter Gelatine.
Die flockige Kultur der Streptothrix Madurae befindet sich an der Grenze
zwischen dem flüssigen und dem festen Nährboden. Die Fähigkeit der
Streptothrix Madurae, Gelatine zu verflüssigen, wurde auch von Petruschky
beobachtet. Vincent verneint jedoch diese Eigenschaft.
Gck igle
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Zur Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae. 21
Die beschriebenen Beobachtungen ermöglichen folgende Schlüsse:
1. Das Wachstumsoptimum unseres Stammes der Streptothrix Madurae
liegt zwischen 16 bis 22° C.
2. Von den flüssigen Nährböden sind für die Kultivierung des Pilzes
am geeignetsten Bouillon mit Blutserum und Peptonwasser.
3. Von den festen Nährböden ergibt das beste Wachstum geronnenes
defibriniertes Pferdeblut, Pferdeblutagar und stark alkalischer Agar.
Fig. l.
lOOOfache Vergrößerung. Verästelte Mycelfäden einer 24 Tage alten Kultur aus dem
Kondenswasser eines Löfflerserumröhrchens. Einzelne Fäden zeigen Zerfall in spören-
ähnliche Elemente, sind aber wohl absterbende Fasern, deren chromatinreichere
Stellen den Farbstoff festgehalten haben. Grampräparat.
Nach einem Mikrophotogramm vom Hm. Prof. Zettnow.
4. Bei der Kultur der Streptothrix Madurae bildet sich ein peptoni-
sierendes Ferment, das Milchkasein, Gelatine und geronnenes Pferdeserum
auflöst.
Morphologie. Die Kultur der Streptothrix Madurae stellt ein Mycel
dar, das aus sehr feinen Fäden mit einem Durchmesser von höchstens
0-3 bis 0*5 mm besteht. Ein kleiner Pilzrasen zeigt ein Geflecht feiner
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22
Jos. Koch und Stutzer:
verästelter Fäden, die im Centrum einen unentwirrbaren Knäuel mit
lockerem Rande bilden. Die Fasern der Streptothrix weisen echte Ver¬
zweigungen auf, die senkrecht zu den Mutterfäden verlaufen. Der senk¬
rechte Abgang der Verzweigungen wird nur bei den jungen Mycelien
beobachtet; in den alten Mycelien geht er verloren. Die Fasern der
Streptothrix Madurae zerfallen an vielen Stellen in Gebilde (s. Fig. 1), die
eine runde oder ovale Form haben. Ihr Querschnitt übertrifft gewöhnlich
nicht den Durchmesser der Faser selbst.
Fig. 2.
Aus einer 4 Wochen alten Kultur auf stark alkalischem Agar. Fäden und stäbchen-
artige Pilzelemente von verschiedener Länge. Färbung nach Gram.
Nach einem Mikrophotogramm vom Hrn. Prof. Zettnow.
Man könnte bei erster Betrachtung geneigt sein, sie für Sporen zu
halten, doch spricht nach unserer Ansicht dagegen, daß in den Kulturen
von flüssigen und festen Nährböden stark lichtbrechende Gebilde, die man
für Sporen des Pilzes halten könnte, nicht zu finden sind; auch bei der
Betrachtung der Fäden im hängenden Tropfen ist nichts zu sehen, was
man als Sporen deuten könnte. Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier
um absterbende Fäden, deren chromatinreichere Stellen den Farbstoff
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Z üb Biologie und Morphologie leb Stbeptothbix Madubae. 23
festhalten, während die anderen Teile sich bereits entfärbt haben. Die
Fäden des Mycels in den Kulturen sind im allgemeinen von gleichmäßiger
Dicke und bilden keine stärkeren Verdickungen an den Enden oder An¬
schwellungen in ihrem Verlauf, wie sie Vincent an den Drusen der
Streptothrix Madurae im erkrankten Gewebe beschrieben hat.
Zu den charakteristischen Merkmalen unserer Kultur scheint eine
ungewöhnliche Zähigkeit und Festigkeit ihrer Fasern zu gehören. Auf
festen Nährböden bildet der Pilz ein dichtes Mycel von lederartiger Kon¬
sistenz; um ein gutes Ausstrichpräparat von einer Kultur zu erhalten,
maß mau sie zwischen zwei Objektträgern energisch zerdrücken, aber
trotzdem bleibt der größte Teil der Fasern intakt. An Kulturen, die auf
stark alkalischem, auf Pferdeblut- und Glyzerinagar gezüchtet waren,
beobachteten wir jedoch außer den typischen verästelten langen Mycel-
fäden auch noch bazillenähnliche, kürzere und längere Pilzelemente, die
an die stäbchenförmigen diphtheroiden Formen des Aktinomycespilzes
erinnern (s. Fig. 2).
Streptothrix Madurae wird gefärbt nach Gram.
Der Farbstoff wird sehr gut festgehalten, so daß man bei einem ge¬
nügenden Grade von Differenzierung Präparate erhält, die nichts zu
wünschen übrig lassen.
Ziehls verdünntes Fuchsin färbt die Fäden gut Alle übrigen Farb¬
stoffe ergeben Resultate, die hinter Gram Zurückbleiben.
Für Versuchstiere (Warmblüter) erwiesen sich unsere Kulturen
der Streptothrix Madurae als nicht pathogen. Wir infizierten Mäuse,
Hatten, Meerschweinchen und Kaninchen subkutan, intraperitoneal und
intravenös. Ein Teil der Tiere ging allerdings ein (Giftwirkung?), aber
Obduktion und mikroskopische Untersuchung haben keine krankhaften
Veränderungen infolge Streptothrixinfektion feststellen können. Dieser
negative Befund stimmt mit den Versuchsresultaten von Vincent, No¬
card, Babes u. a. überein.
Da sich ein wachstumhemmender Einfluß der Temperatur von 37°
auf die Streptothrix Madurae feststellen ließ, entstand die Frage, ob nicht
Kaltblüter empfindlicher für die Infektion waren. In der Tat kann bei
subkutaner Impfung von Fröschen ein pathologischer Prozeß hervorgerufen
werden. Wurde die Impfung in den Schenkel vorgenommen, so entstand
daselbst eine bedeutende Anschwellung. Die Erkrankung verläuft sehr
langsam. Zurzeit sind diese Versuche noch nicht abgeschlossen. Von den
geimpften vier Fröschen starb nach 3 Wochen einer, bei den anderen be¬
steht der Tumor im Schenkel weiter. Bei der mikroskopischen Unter¬
suchung des toten Frosches fand sich folgendes: im Unterhautzellgewebe
des Fußes sind zahlreiche Mycelrasen zu sehen, die durchaus das Bild
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24 Jos. Koch u. Stutzeb: Zub Biologie und Mobphologie usw.
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von Drosen darbieten, aber keine kolbigen Yerdioknngen der strahlig an¬
geordneten Pilzfäden der Peripherie aufweisen. Zahlreiche Mycelfäden
liegen auch isoliert und durchsetzen in geringer Entfernung vom Haupt¬
herde das intermuskuläre Bindegewebe. Der erkrankte Abschnitt des
Unterhautzellgewebes ist reichlich mit Leukozyten infiltriert. In der um¬
gebenden Muskulatur finden sich Hämorrhagien. Die inneren Organe
sind vollkommen normal. Die Erkrankung zeigt bis jetzt also einen rein
lokalen Charakter.
Literatur.
Bockenheimer, Archiv f. klin. Chirurgie. Bd. XC. — Kanthak, Madura-
fuss. Transactions of Patholog. Society . London 1892. — Gemy et Vincent, Soc .
fran$aise de dermatologie et de syphilographie. 1892. — H. Vincent, fitude sur le
parasite du „pied de Madora“. Annales de TInstitut Pasteur. 1894. T. VIIL Nr. 3.
— J. Petruschky, Die pathogenen Trichomyceten. Handbuch von Kolle and
Wassermann. Bd. II. S. 839. — V. Bahes, Der Madurafuß. Ebenda . Bd. III.
S. 454.
Go^ 'gle
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[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin.]
(Direktor: Geh. Oberraed.-Rat Prof. Dr. Gaffky.)
(Laboratorium: Prof. Dr. J. Koch.)
Die einfachste
Färbnngsmethode des Negri sehen Körperchens.
Von
Dr. M. Stutzer.
Es ist bekannt, daß die alkalische Lösung des Methylenblaus außer
dem blaufärbenden auch noch einen violettfärbenden Bestandteil enthält
Nach Bernthsen resultiert als rotes Produkt bei der Zersetzung des
Methylenblaus unter der Einwirkung von Alkalien ein Methylenazur und
ein Methylen violett. Bei der gewöhnlichen Färbung mit Löfflers Me¬
thylenblau verbleibt im Präparat fast ausschließlich eine blaue Farbe,
röhrend die violette hei der weiteren Behandlung ausgelaugt wird. Dieser
^ngel wird durch die Differenzierung des Präparates, nach der Färbung
röt Löfflerschem Blau, durch Tannin beseitigt. Eine derartige Methode
’wde von Nicolle zur Färbung von Bakterien vorgeschlagen. Nicolle
färbt mit Löfflers verdünntem Methylenblau und differenziert mit einer
10 prozentigen Tanninlösung. Durch eine geringe Variation dieser Methode
habe ich sehr schöne Resultate bei der Färbung der Negrischen Körper¬
ten erzielt.
^Die Technik der Färbung ist folgende:
1. Ein Paraffinschnitt wird, wie gewöhnlich, durch Xylol, Alkohol
aod Wasser geführt;
2. er wird hierauf 5 bis 15 Minuten lang mit Löfflers Methylen¬
blau gefärbt, welches in destilliertem Wasser bis zur Durchsichtigkeit im
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26
M. Stutzeb:
Probierglas gelöst worden ist. Es empfiehlt sich, lieber intensiver, als
nur schwach zu färben;
Auf der Zeichnung ist eine Stelle aus dem Ammonshorn abgebildet, das von
einem an Straßenwut gestorbenen Hunde stammt und mit Löfflers Methylen¬
blau und nachfolgender Differenzierung mit 1 prozentiger Tanninlösung gefärbt war.
Eine Ganglienzelle unten rechts enthält drei Negri sehe Körperchen, von denen zwei
als kleine Pünktchen mit hellem Hof erscheinen. In derselben Zelle ein größeres
Negrisches Körperchen mit einem scheinbaren dichteren Kern im Zentrum, der
mit symmetrisch angeordneten „chromatoiden Granulationen“ kreisförmig umgeben
ist. Die übrigen Ganglienzellen enthalten in ihrem Protoplasma größere Negrische
Körperchen, in denen die Innenkörper deutlich zu sehen sind.
3. dann wird mit einer 1 prozentigen Tanniniösung differenziert. Die
Dauer der Behandlung mit Tannin hängt von der Intensität der Färbung
und der Schnittstärke ab. Schnitte in der Stärke von 4 u dürfen nicht
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Die einfachste Fäbbongsmbthodb des Nbgeischen Köbpebohens. 27
Hoger als 1 bis 2 Minuten in der Lösung bleiben; dickere bis 5 Minuten.
Das Fortschreiten der Differenzierung muß bei schwacher Vergrößerung
unter dem Mikroskop beobachtet werden. Sobald sich die Kernumrisse
der Nervenzellen deutlich zeigen, wird das Präparat aus der Tanninlösung
herausgenommen, mit Wasser abgespölt, mit Löschpapier abgetrocknet,
rasch durch absoluten Alkohol und Xylol geführt und in Kanadabalsam
eingebettet.
Die Negrischen Körperchen werden rötlich-violett, die Nervenzellen
blau gefärbt Bei genügender Behandlung mit Tannin treten die Einzel¬
heiten der Struktur der Negrischen Körperchen mit überraschender
Deutlichkeit zutage.
Während bei der Borrelschen Färbung, welche Negri bei seinen
letzten Versuchen über den Tollwutparasiten (Romanowsky-Färbung und
Differenzierung mit Tannin) anwandte, sich sämtliche Einschlüsse der
Negrischen Körperchen einförmig azurblau färben, gestattet das Methylen¬
blau, bei nachträglicher Behandlung mit Tannin, diese Einschlüsse in
zwei Gruppen zu teilen: 1. in solche, die sich blau und 2. in solche, die
sich mit Methylenazur färben. Die blaue Farbe wirkt nur auf größere
Einschlüsse und zwar auf diejenigen, welche Negri als Parasitenkern
bezeichnet. Meistens enthält das Negri sehe Körperchen nur einen ein¬
zigen derartigen „Kern“. Violett färben sich die kleineren „chromatolden
Granulierungen“ (Williams-Lowden).
Der beschriebenen Methode nähert sich die Färbung nach v. Krogh.
Sie besteht in der Färbung mit polychromem Methylenblau, Beizung mit
Chromsäure und der weiteren Behandlung mit 5 prozentiger Tanninlösung.
Diese Methode ist in manchen Fällen unersetzlich, z. B. bei der Färbung
der „kokkenartigen Gebilde“ bei Tollwut, die von Jos. Koch beschrieben
wurden. Jedoch ist diese Methode etwas zu kräftig für die Färbung der
Negrischen Körperchen. Trotz der ziemlich langen Einwirkung von
5 prozentiger Tanninlösung treten die Einzelheiten der inneren Struktur
der Negrischen Körperchen nicht mit solcher Deutlichkeit hervor, wie
bei der einfachen Färbung mit Methylenblau und Tanninbehandlung.
Die gegenwärtig vielfach angewandte Methode nach Lentz (Eosin-
Xethylenblau) zur Färbung der Negrischen Körperchen, gibt bei einer
gewissen Übung gute Resultate; trotzdem wage ich es, die Färbung mit
Löfflerschem Blau, nebst Tanninbehandlung, aus folgenden Gründen
Torzuschlagen:
1. ist die Technik dieser Färbung sehr einfach,
2. wird mit ihr der wirkliche Aufbau des Körperchens sichtbar gemacht,
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28
M< Stutzeb: Die einfachste Fäbbünusmethode usw.
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3. wegen der deutlichen Sichtbarkeit der Struktureinzelheiten der
Negrischen Körperchen können dieselben mit niohts anderem verwechselt
werden. Es genügt zur sicheren Diagnose die Auffindung eines einzigen
Körperchens.
Literatur.
M. Nicolle, Annalen de l f Institut Pasteur . 1892. T. VL p. 783. — Laveran
et Mesnil, Paris 1904. p. 10—11. — Bernthsen, Liebigs Annalen . Bd. CCXXX
nnd CCLL — J. Koch, Diese Zeitschrift . Bd. LXVL — v. Krogh, Centralblatt
für Bakteriologie . Bd. LVIII.
Gck igle
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[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.]
(Direktors Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaffky.)
(Abteilnngsyorsteher: Prof. Dr. Lentz.)
Über die therapeutische Wirkung des Chloroforms
bei der Typhusinfektion.
Von
Dr. M. BuUy.
Auf der vierten Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie in
Berlin (1910) berichtete Conradi 1 * 3 über Versuche, durch die er eine
keimtötende Wirkung des Chloroforms auf Typhusbazillen im Tierkörper
erwiesen zu haben glaubte. Er ging bei seinen Versuchen von der Vor¬
stellung aus, daß gewisse lipoidlösliche Narcotica durch ihre starke Lösungs¬
affinität zu den Zellipoiden imstande wären, in die Bakterien und Körper¬
zellen hineinzudringen und so durch Abtötung der Bazillen eine Heilung
des Organismus herbeizuführen. Die größte Schwierigkeit lag dabei darin,
die Leber- und Gallengänge von den Typhusbazillen zu säubern, von
welchen aus diese in die Gallenblase hineingeschwemmt werden, wo sie
in der Galle einen günstigen Nährboden finden, und von wo aus sie in
den Darm gelangen. Wie nämlich Dörr®, Lentz und Hoffmann 8 ,
Chiarolanza 4 * und E. Blumenthal 8 gezeigt haben, gelangen die
Typhusbazillen aus der Blutbahn in der Leber in die Gallengänge und
aus diesen mit der Galle in die Gallenblase. Blumenthal erwähnt auch
1 ZeiUchr. f. Immunitätsforschung u. experim. Therapie. 1910. Bd. VII. S. 156.
* Dörr, CentraVblatt für Bakteriologie. Abtl. I. Orig.-Bd. XXXIX. S. 624.
3 Lentz, Bericht Über den XIV. intern. Kongreß für Hygiene u. Demographie.
Bd.ll. S. 73.
4 Chiarolanza, Diese Zeitschrift. 1909. Bd. LXII. S. 11.
3 Blnmenthal, Centralblatt für Bakteriologie. 1910. Orig.-Bd. LV. S. 341.
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30
M. Bully:
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bereits in seiner Arbeit, daß es vielleicht möglich wäre, durch ein Des-
infizienz die Typhusbazillen in den Gallengängen zu vernichten, nnd da¬
durch die Typhusbekämpfung bedeutend zu erleichtern.
Auf Veranlassung von Prof. Lentz habe ich die Versuche Conradis
einer Nachprüfung unterzogen. Inzwischen wurden auch im Kaiserlichen
Gesundheitsamte die Angaben Conradis nachgeprüft, worüber Hailer
und Rimpau* berichteten.
Bei unseren Versuchen hielten wir uns streng an die Angaben von
Conradi. Eine Öse einer 24 ständigen Typhusagarkultur — es wurde
immer derselbe Stamm (151) benutzt — wurde in 1 fCm physiologischer
Kochsalzlösung aufgeschwemmt und dem Kaninchen in die Ohrvene inji¬
ziert, und zwar kam auf l k & Körpergewicht 1 “ m einer solchen Typhus¬
kochsalzaufschwemmung. Die Tiere wurden vor der Infektion und nach
dem Exitus genau gewogen. Die Behandlung mit dem Chloroform ge¬
schah bei unseren Versuchen nur rektal und es wurde gemäß den An¬
gaben Conradis frisches Chloroform „Anschütz“ in einem Gemenge von
2*5 Teilen Milch und 2 Teilen Rahm in einem Verhältnis 1:10 durch
intensives Schütteln gelöst. Die Kaninchen wurden nun in Bauchlage
auf ein Operationsbrett festgeschnallt und ihnen dann vorsichtig ein
weicher Nelathonkatheter in das Rektum eingeführt. Mittels einer 5 ccm
fassenden Pravazspritze gossen wir langsam das Chloroformmilchgemenge
(0-5 ccm Chloroform + 4*5 com Rahmmilch) in den Mastdarm ein. Der
Katheter wurde dann nach 10 Minuten langsam herausgezogen. In
wenigen Fällen flössen einige Tropfen nach. Von einer Abklemmung
des Mastdarmes sahen wir ab, da wir den Verlust einiger weniger Tropfen
der Chloroformmilch im Verhältnis zu der injizierten Menge (5 ocm = etwa
100 Tropfen) vernachlässigen zu dürfen glaubten. Bei den von uns be¬
handelten 54 Tieren konnten wir nur bei einem Kaninchen eine starke.
Injektion der Därme nach weisen, und dies bei einem Tiere, welchem wir
0-8 ccm Chloroform versuchsweise infundierten.
Die Behandlung der Kaninchen geschah täglich, und zwar bis zu
10 Tagen. Dann wurden die Behandelten entweder am Tage nach der
letzten Einverleibung des Chloroformrahmgemisches oder 2 bis 8 Tage
später durch Nackenschlag getötet und seziert. In derselben Weise wurden
auch die Unbehandelten getötet. Unter sterilen Kautelen nahm ich Herz,
Milz und Gallenblase heraus und strich mehrere Ösen aus diesen Organen
auf Drigalski-Conradi-Platten aus. Diese kamen darauf 24 Stunden in
einen 37°-Brutofen. Die typhusverdächtigen blauen Kolonien wurden
dann mit einem Typhusserum in einer Verdünnung 1:100 auf ihre
2 Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt. 1911. lid. XXXVI.
Gck igle
Original fro-m
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Therapeut. Wirkung des Chloroforms bei d. Typhüsinfektion. 31
Versuch I.
a) Mit Chloroform behandelte Tiere.
n 6x0*5 2000 1910 21. VI. 24. VI. 30. VI. | — J—j —|—J
b) Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolliere).
l.M. Nr.
Gramm-Gewicht!
vor der Infektion
Gramm-Gewicht
nach Exitus
! Tag der
Typhus¬
infektion
Getötet
Spontan
einge¬
gangen
Typhu
bazille
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| .2 | N
|£ 1
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n-
s in
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Bemerkungen
1 1 1300
1160
14. VL
20. VI.
Ty.
Ty.
Ty.
Milz vergrößert. Galle
eitrig
2 1500
1230
99
—
20. VI.
Ty.
Ty.
Ty*
desgl.
3 1700
1580
99
—
27. VI.
—
4 1C50
1700
99
28. VI.
—
Ty.
—
—
Milz stark vergrößert
5 1750 i
1650
99
28. VI.
—
—
—
—
6 1700
I
1700
”
28. VI.
Ty.
—
Milz stark vergrößert.
Galle eitrig
1 2050
1800
99
29. VI.
—
Ty.
—
—
Galle eitrig
8 1900
1720
»9
29. VI.
—
—
— 1
—
Milz vergrößert
9 2300
2150
99
30. VI.
—
Ty.
— i
—
desgl.
10 1560
1420
99
30. VI. —
Versuch I
A.
—
—
desgl.
11 2012
1900
21. VI. 1
28. VI.
—
Ty.
Ty.
Ty.
desgl.
12 2020
1870
29. VI.
—
Ty.
—
- 1
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32
M. Bully:
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Agglutinabilität untersucht. Zweifelhafte Kolonien wurden auf den
üblichen Testnährböden identifiziert und bezüglich ihres agglutinatorischen
Verhaltens austitriert.
Im ganzen wurden 102 Kaninchen mit Typhusbazillen infiziert.
Davon gingen vor Beginn der Behandlung 20 Tiere ein und scheiden
damit für die Beurteilung unserer Versuche aus. Sie wurden daher in
die Tabellen nicht aufgenommen. Von den übrig gebliebenen 82 Kanin¬
chen wurden 42 Tiere mit Chloroform behandelt, die anderen 40 dienten
als Kontrolliere. Über diese Versuche geben die Tabellen I bis IV
Auskunft.
Zu Versuch I wurden 20 Tiere verwendet. 10 Kaninchen wurden
mit Chloroform behandelt, 10 Tiere dienten als Kontrolltiere. (Voraus¬
schicken möchten wir, daß, wie aus den Tabellen zu ersehen ist, einige
Tiere noch nach Beendigung der Behandlung 2 bis 3 Tage am Leben
gelassen wurden, um zu sehen, ob nicht einige Bazillen, die durch das
Chloroform vielleicht nur geschwächt wurden, sich nach Beendigung der
Behandlung wieder erholen und doch noch weiter entwickeln konnten.)
Von den behandelten Tieren gingen vier vor Beendigung des Versuches
spontan ein. Davon zeigte ein Tier, das zweimal mit 0*5 Chloro¬
form behandelt worden war, nur in der Galle Typhusbazillen. Bei den
anderen drei Tieren, die 3- bis 6 mal 0*5 ccm Chloroform erhalten
hatten, erwiesen sich alle Organe als steril. Die übrigen sechs Kaninchen,
die 10mal mit 0-5 ccm Chloroform behandelt worden waren, zeigten in
keinem Organe Typhusbazillen. Von den Kontrollieren gingen drei Tiere
vor Beendigung des Versuches spontan ein. Zwei Tiere, die 6 Tage nach
der Infektion ad exitum kamen, wiesen in allen untersuchten Organen
Typhusbazillen auf, bei dem dritten, das 13 Tage nach der Infektion
einging, konnten keine Typhusbazillen nachgewiesen werden. Von den
bis zum Abschluß der Behandlung am Leben gebliebenen Kaninchen
wurden zwei mit Chloroform behandelte und drei Kontrolltiere am Tage
nach dem Abschluß der Behandlung, zwei unbehandelte 1 Tag und zwei
behandelte und zwei unbehandelte 2 Tage später getötet. Während bei
keinem der behandelten Tiere Typhusbazillen nachzuweisen waren, wiesen
vier der Kontrollen, uud zwar von den am 28. VI. getöteten zwei, von
den an den beiden folgenden Tagen getöteten je ein Tier Typhusbazillen
in der Galle auf. Es enthielten also von den mit Chloroform behandelten
Tieren 1 = 10 Prozent, von den Kontrollieren 6 = 60 Prozent Typhus¬
bazillen, frei von letzteren waren während der Behandlung 9 Behandelte
= 90 Prozent, ohne Behandlung 4 = 40 Prozent.
Anschließend an diesen Versuch wurden 7 Tage später noch vier
Tiere infiziert, davon ging ein Tier noch vor Beginn der Behandlung ein.
Gck igle
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Thebapeut. Wirkung des Chloroforms bei d. Typhusinfektion. 83
Versuch II.
a) Mit Chloroform behandelte Tiere.
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2 8x0*5 1800 j 1650- „ „ |
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4 9x0-5 2020 1960
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14. VIII. — — — Milz vergröß.
19. VIII. - | —
19. VIII. Ty.-Milz vergröß.,
Galle eitrig
21. VIII. Ty. Ty. Ty. Galle eitrig,
Milz vergröß.
21. VIII.
23. VIII.!
25. VIII.
25. VIII.
27. VIII.
Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolliere).
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Milz vergrößert, Galle
eitrig
Milz vergrößert
desgl.
des gl.
f. Hygiene. LXIX
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Google
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34
M. Bully:
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Von den übrig gebliebenen drei Tieren wurde das eine 6mal behandelt;
seine Organe waren bazillenfrei. Die anderen beiden als Kontrollen
dienenden Kaninchen wiesen nach 7 und 8 Tagen Typhusbazillen auf.
Für Versuch II wurden 19 Tiere benutzt. Davon gingen zwei Tiere
einen Tag vor Beginn der Behandlung ein und scheiden somit aus. "Von
den neun behandelten Kaninchen ging ein Tier, das 4mal mit 0*5 ecm
Chloroform behandelt worden war, spontan ein. Dieses Tier zeigte in
keinem der untersuchten Organe Typhusbazillen. Zwei Tiere, die 8 mal
mit 0-5 ccm Chloroform behandelt worden waren, kamen ebenfalls spontan
ad exitum. Die Organe des einen Tieres waren bazillenfrei, das zweite
Kaninchen wies dagegen in der Galle Typhusbazillen auf. Ein Tier, das eine
vollständige Behandlung durchgemacht hatte, ging 2 Tage nach Abschluß
der Behandlung ebenfalls spontan ein; dieses enthielt in allen unter¬
suchten Organen Typhusbazillen. Getötet wurden nach 9 maliger Be¬
handlung fünf Kaninchen. Sie erwiesen sich in allen Organen bazillen-
frei. Von den acht Kontrolltieren ging nur ein Tier 6 Tage nach der
Infektion vor Beendigung des Versuches ein. Aus der Galle, Milz und
Herzblut dieses Tieres konnten Typhusbazillen gezüchtet werden. Korre¬
spondierend zu den 8- und 9 mal behandelten, spontan eingegangenen
Tieren wurden drei Kontrolltiere getötet. Nur das eine, 11 Tage nach
der Infektion getötete Tier zeigte in Galle und Milz Typhusbazillen. Die
noch übrigen vier Kontrolltiere wurden mit den behandelten Kaninchen
korrespondierend getötet. Ihre Organe waren ebenso wie die der be¬
handelten Kaninchen vollständig frei von Typhusbazillen. Insgesamt
wurden also in diesem Versuch neun Tiere behandelt; von diesen waren
zwei Tiere = 22 Prozent noch mit Typhusbazillen infiziert, die anderen
= 78 Prozent waren bazilleufrei. Von den acht Kontrolltieren waren
ebenfalls nur 2 = 25 Prozent mit Typhusbazillen infiziert, während
6 = 75 Prozent spontan bazillenfrei geworden waren.
Für den Versuch III wurden 30 Tiere verwendet. Bei 10 von diesen
wurde am 10. IX. mit der Behandlung augefangen; sie gingen jedoch
alle zwischen dem 11. IX. und 15. IX. an Seuche eiu; zwei von diesen
Tieren waren bazillenfrei, alle anderen Tiere zeigten in allen Organen
Typhusbazillen. Ebenso ging ein unbehandeltes Tier am 15. IX. an der
Seuche, außerdem noch drei Tiere, 5, 18 und 20 Tage nach der Infektion
eiu, von denen die beiden letzteren bereits frei von Typhusbazillen waren.
Diese 14 Tiere mußten wir folglicherweise ausscheiden. Von den übrig
gebliebenen 16 Tieren behandelten wir 8 Kaninchen, und zwar begannen
wir mit der Behandlung am 28. IX., also 20 Tage nach der Typhus-
infektiou. Ein 5mal mit 0*5 ocm behandeltes Tier ging spontan eiu uud
erwies sich in allen Organen steril. Alle übrigen 7 Kaninchen wurden
Go^ 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Thebapeüt. Wirkung des Chloroforms bei d. Typhusinfektion. 35
Versuch III.
a) Mit Chloroform behandelte Tiere.
U
2 0.5
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8
Gramm-Gewicht bei
Begiu d* Behiadhng
Gramm-Gewicht am
Ende der Behandlung
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Typhusinfektion
Anfangstag
der Behandlung
Getötet
nach Beendigung
der Behandlung
Spontan eingegangen
Typhus¬
bazillen¬
nachweis in
Bemerkungen
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8. IX.
28. IX.
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b) Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolliere).
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i
Bemerkungen
Milz vergrößert
desgl.
Galle körnig
Milz vergrößert
Milz vergrößert, Galle
körnig
3*
Digitized by Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
36
M. Bully:
Digitized by
29 Tage nach der Infektion, nachdem sie 8mal mit 0*5 ccm Chloroform
behandelt worden waren, getötet und seziert. Bei keinem dieser Tiere
konnten in irgend einem Organ Typhusbazillen nachgewiesen werden. Die
am Leben gebliebenen 8 Kontrolltiere wurden korrespondierend mit den
behandelten Kaninchen am 6. X. getötet, also ebenfalls 29 Tage nach
der Infektion. Es zeigten Ton diesen Tieren vier noch in der Galle
Typhusbazillen, die übrigen Tier waren in allen Organen bazillenfrei. Die
behandelten acht Tiere waren also sämtlich frei von Typhusbazillen, also
100 Prozent. Bei den Konfrontieren waren je 4 » 50 Prozent mit
Typhusbazillen infiziert bzw. bazillenfrei.
Am 13. X. wurden für den vierten Versuch 29 Tiere infiziert, von
diesen wurden 14 Tiere behandelt, und zwar wurde bei 10 Kaninchen
5 Tage und bei 4 Tieren 25 Tage nach der Infektion mit der Behand¬
lung begonnen. Von den 15 Konfrontieren gingen 6 Kaninchen vor
Beginn der Behandlung 1 bis 3 Tage nach der Infektion ein und sind
demzufolge in den Tabellen nicht aufgenommen worden. Von den be¬
handelten Kaninchen zeigten zwei in der Galle Typhusbazillen; das
eine von diesen war nach einer 5 maligen Behandlung mit 0*5 ecni
Chloroform, das andere, das als einziges jedesmal 0-8 ccm Chloroform er¬
halten hatte, nach einer 6 maligen Behandlung spontan eingegangen. Es
waren also von den behandelten Kaninchen 12 = 86 Prozent bazillenfrei
und 2 Tiere = 14 Prozent trotz der Behandlung mit Bazillen behaftet.
Von den Kontrolltieren ging ein Tier 21 Tage nach der Infektion ein
und wies in der Galle und in der Milz Typhusbazillen auf. Außerdem
zeigten 2 Tiere 12 Tage und 1 Kaninchen 25 Tage nach der Infektion
in der Gallenblase Typhusbazillen. Es waren also von den 9 Kontroll¬
tieren 44-4 Prozent noch mit Typhusbazillen infiziert, während 5 Tiere
= 45*6 Prozent spontan bazillenfrei geworden waren. Nehmen wir da¬
gegen jede der beiden Gruppen, bei deren einen die Behandlung am
18. X., bei der anderen am 7. XI. begann, mit den ihnen entsprechenden
Kontrolltieren für sich, so wiesen in Gruppe 1 von den behandelten
9 Tieren noch 2 = 22 Prozent Typhusbazillen auf, während 7 = 88 Pro¬
zent frei waren, von den Kontrollen hatten 3 = 75 Prozent noch Typhus¬
bazillen, 1=25 Prozent keine; in der 2. Gruppe waren sämtliche be¬
handelten Kaninchen frei, von den fünf unbehandelten 4 = 80 Prozent,
während nur 1 = 20 Prozent noch Typhusbazillen aufwies.
Betrachten wir nun sämtliche behandelten und unbehandelten Tiere, so
können wir folgende Schlußfolgerungen ziehen: Von 42 behandelten Ka¬
ninchen wiesen 5 Tiere, also 15 Prozent Typhusbazillen auf. Es waren
also 85 Prozent bazillenfrei. Von den uubehandelteu 40 Kontrolltieren
waren mit Typhusbazillen infiziert 19 Tiere, also 48 Prozent. Es waren
also 52 Prozent spontan bazillenfrei geworden.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Teebapect. Wibkung des Chlobobobms bei d. Typhcsinfektion. 37
Versuch IV.
a) Mit Chloroform behandelte Tiere.
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Typhus¬
bazillen- i
Dachweis ,
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w , SS , *
Bemerkungen
i 4x0-5 2800 2680 13. X. 18. X. — j 22. X. Ty
2 6x0-8 1900 1900 „ „ I — 24. X. Ty. — -
3 7x0-5
4 7x0-5
5 7x0-5
6 7x0-5
7 7x0*5
S 7x0-5
9 7x0*5
10 7x0-5
11 5x0-5
12 7x0*5
13 7x0*5
14 7x0*5
, 26.X. | -
XI. — 12. XI.
, i 6 . xi. — ;
Galle eitrig, Milz ver¬
größert
Gallenblase schmutzig¬
grau, Galle körnig,
Darm injiziert
25. X. ---
Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolltiere).
| J j Tag der
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Typhus- Getötet einge*
i 5 'S infektion ; gangen
! X CS o n
| Typhus*
c _, bäzillen-
^ n nachweis in
Bemerkungen
1 2400
2 2so0
3 2200
4 1!*00
5 2900
6 2400
" 2500
8 2200
9 1700
2230 13. X.
2460
2250
1710
- | Ty. -
- Ty. -
5. XI. Tv. Tv.
Galle eitrig
Galle eitrig
Galle eitrig, Milz stark
vergrößert
Milz vergrößert
Galle eitrig
Milz vergrößert
Digitized fr.
Google
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
38 M. Bully: Therapeut. Wirkung des Chloroforms usw.
Digitized by
Schalten wir bei allen vier Versuchen die spontan eingegangenen
Tiere aus, unter denen sich auch ein Tier befindet (vgl. Versuch II),
das erst 2 Tage nach Abschluß einer 9 maligen Behandlung mit 0-5 ccm
Chloroform einging, so kommen wir zu folgendem Resultat. Es wurden
30 Tiere 7-, 8-, 9- und 10 mal mit 0• 5 ccra Chloroform behandelt. Bei
keinem von diesen Kaninchen konnten in irgend einem der untersuchten
Organe Typhusbazillen nachgewiesen werden. Es waren also 100 Prozent
dieser Tiere bazillenfrei. Von den 30 Konfrontieren waren 40 Prozent der
Kaninchen infiziert, also 60 Prozent auch ohne Behandlung bazillenfrei.
Erwähnen möchte ich noch, daß die Galle in den meisten Fällen,
in welchen sich Typhusbazillen in ihr fanden, eitrig war und die Gallen¬
blase dann schon äußerlich eine schmutzig-grüne oder weißliche Ver¬
färbung zeigte. Ebenso war in einer großen Zahl sowohl der behandelten
als auch der unbehandelten Tiere, und zwar unabhängig von einem Be¬
fund von Typhusbazillen, bei den betreffenden Kaninchen die Milz ver¬
größert.
Unsere Versuche lehren also in annähernder Übereinstimmung mit
den aus dem Gesundheitsamt veröffentlichten Resultaten, daß nach der
künstlichen Infektion von Kaninchen mit Typhusbazillen ein recht erheb¬
licher Prozentsatz (60 Prozent) der Tiere schon spontan die Bazillen
wieder verlieren kann, daß aber dieser Prozeß durch die Einwirkung des
Chloroforms doch anscheinend begünstigt wird. Wenn sonach die von
Conradi, Hailer und Rimpau und auch von uns an Kaninchen er¬
zielten Resultate die von Conradi ausgesprochene Hoffnung, daß die
Chloroformbehandlung imstande sein könnte, Typhusbazillenträger von
ihren Infektionskeimen zu befreien, gerechtfertigt erscheinen mag, so hat
doch ein Versuch am Menschen diese Erwartung nicht bestätigt, wie der
nachstehend mitgeteilte Versuch zeigt. Zwei chronische Typhusbazillen¬
träger, bei denen seit Jahren im Stuhle konstant Typhusbazillen nach¬
gewiesen werden konnten, und die im Rudolf-Virchow-Krankenhaus zu
Berlin (Abtl. Prof. Jochmann) aufgenommen waren, um womöglich
durch eine geeignete Behandlung von ihren Typhusbazillen befreit zu
werden, wurden, nachdem bereits eine ganze Reihe anderer Mittel bei
ihnen nicht zu dem gewünschten Ziele geführt hatte, mit aufsteigenden
Dosen von Chloroform behandelt. Sie erhielten das Chloroform in Dosen
von 0*5 ccm in Geloduratkapseln per os bis zu vier Kapseln täglich
20 Tage lang. Eine dauernde Verminderung oder gar ein Verschwinden
der Typhusbazillen in ihrem Stuhle konnte jedoch nicht erzielt werden.
Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin.]
(Direktor: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Flügge.)
Beitrag zur Frage über die Bakteriendurchlässigkeit
der Schleimhaut des Magendarmkanals.
Von
Stabsarzt Hornemann,
kommandiert zum Institut.
Die Frage der Bakteriendurchlässigkeit der Schleimhaut des Intestinal-
traktus ist noch nicht ein wandsfrei entschieden. Bei den zahlreichen
Fehlerquellen der Untersuchungsmethoden nnd den Schwierigkeiten, die
sich einer richtigen Deutung der gewonnenen experimentellen Ergebnisse
entgegenstellen, ist das wohl erklärlich, trotzdem eine große Zahl wissen¬
schaftlicher Arbeiten die Lösung der Frage herbeizuführen suchte. Ich
möchte in der vorliegenden Arbeit nicht die gesamte einschlägige Literatur
aufzählen, sondern beschränke mich bezüglich der älteren Literatur auf
die ausführlichen Zusammenstellungen in den Arbeiten von Neisser 1 ,
Opitz*, Marcus 8 , sowie auf die kritische Zusammenstellung von Schott 4 ,
der auf Grund seines reichen experimentellen und klinischen Materials
keine Berechtigung zu der Annahme zu haben glaubt, „daß pathogene
oder nichtpathogene Bakterien die Wand des gesunden Mageudarmkanals
durchwandern können“.
1 M. Neisser, Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 12.
* E. Opitz, Ebenda. Bd. XXIX. S. 505.
8 Marcus, Zeitschrift für Heilkunde. 1899. S. 427. — Wiener kl ui. Wochen-
tchrift. 1901. S. 11.
* Schott, Centralblatt für Bakteriologie. I. Orig. 1901. Bd. XXIX. S. 239
und 291.
Digitized by Gouole
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
40
Hornemann:
Digitized by
Nur über einige Arbeiten, die nach jener Zeit erschienen sind, möchte
ich kurz berichten. Klimenko 1 , der seine Versuche an Hunden, Meer¬
schweinchen und Kaninchen anstellte, kommt zu dem Resultat, daß die
unverletzte Darmwand vollkommen gesunder Tiere für Mikroorganismen
undurchgängig ist und daß eine Durchwanderung durch die gesunde,
unverletzte Darmwand nur bei kranken Tieren stattfindet. Er betont
aber, daß vollkommen gesunde Tiere sehr selten sind, und daß schon die
geringste pathologische Schädigung des tierischen Gesamtorganismus oder
eine unbedeutende Verletzung der Darmmukosa zur Bakteriendurchwande-
rung genügt. Er erblickt in den Mesenterialdrüsen Schutzvorrichtungen,
die das Eindringen der Mikroorganismen in die Blutbahn verhindern
sollen.
Santi Rindone 2 berichtet, daß schwere und unheilbare Verletzungen
der serösen Haut und der Muskelmembran den Darm für die Keime nicht
durchgängig machen, daß aber ähnliche Verletzungen der Schleimhaut
das Durchdringen der Keime in die Gekrösedrüsen und in die Blutbahn
gestatten.
Ficker 3 fand bei seinen sorgfältigen Untersuchungen, daß eine
Durchwanderung saprophytischer Keime (ProdigioSus), die er in großen
Mengen mit der Nahrung an die Tiere verfütterte, bei 3 von 8 aus¬
gewachsenen Kaninchen stattgefunden hatte; bei ausgewachsenen Hunden
und Katzen wurde sie nicht beobachtet. Es verhalten sich also die Tier¬
gattungen in dieser Beziehung ganz verschieden. Außer dem Einfluß der
Gattung kommt in hohem Grade der Einfluß des Alters in Betracht; bei
säugenden Kaninchen, Hunden und Katzen fand ein Durchtritt der ver¬
fütterten Keime innerhalb der Verdauungszeit fast regelmäßig statt, so daß
sie im Blut und in den Organen nachweisbar waren. Es ist Fickers Ver¬
dienst, durch quantitative Experimente festgestellt zu haben, daß sich die
Magendarmwand jugendlicher Tiere bezüglich ihrer Bakteriendurchlässig¬
keit anders verhält, als die der ausgewachsenen.
Durch weitere Arbeiten wies Ficker nach, daß sich bei erwachsenen
Kaninchen, Hunden, Katzen, Mäusen und Ratten verfütterte saprophytische
und im Darm heimische Bakterien in Lymph- und Blutbahn und den
inneren Organen zeigten, wenn er die Tiere längere Zeit hungern oder
die Hunde in der Tretmühle laufen ließ.
1 Klimenko, Diese Zeitschrift. 1904. Bd. XLV1II. S. 6T.
s Santi Rindone, Riforma med. 1905. Nr. 18.
» M. Ficker, Archiv für Hygiene. Bd. UI. S. 179. - Bd. LIV. S. 354. -
Bd. LV1I. S. 56.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Bakteeiendubchlässigkeit des Dabms.
41
Die Ergebnisse Fickers bezüglich des Einflusses des Hungers auf
die Keimdurchlässigkeit des Darmes und seiner Drüsen konnte Moro 1
bestätigen.
Hilgermann 2 * wies in Schnittserien nach, daß verfütterte Blind¬
schleichen - Tuberkulosebazillen beim ganz jungen Kaninchen in großen
Mengen durch die Darmschleimhaut hindurchdringen; in viel geringerer
Zahl beim jungen Meerschweinchen.
Im Gegensatz zu den Untersuchungsergebnissen von Behrings 8
konnte Uffenheimer 4 * feststellen, daß der Darm junger Meerschweinchen
nicht für Milzbrandbazillen durchgängig ist, desgleichen auch nicht für
Tetragenus und Prodigiosus. Dagegen konnte er die Durchgängigkeit der
Darmwand alter wie junger Meerschweinchen für Tuberkelbazillen bestä¬
tigen. Er will bei dem Durchgang der Tuberkelbazillen nie eine Reizung
der Schleimhaut gesehen haben. Er nimmt deshalb an, daß der Durch¬
gang dieser Bazillen sehr rasch nach der Fütterung erfolgt. Durch
Schnitte gelang ihm der Nachweis der Tuberkelbazillen in den Epithel¬
zellen und ihren Interstitien. Im übrigen konnte er die Fick er sehen
Versuche bestätigen, indem es ihm gelang, verfütterte Prodigiosuskeime
im Blut und in den Organen besonders junger Kaninchen, des öfteren
aber auch älterer Kaninchen wiederzufinden.
In einer späteren Arbeit macht derselbe Autor darauf aufmerksam,
daß Keime, die per Klysma Kaninchen ein verleibt waren, durch Darm,
Magen und Ösophagus in den Rachenraum und von hier durch Aspiration
in die Trachea und in die Lungen gelangen können, indem sie entgegen
der Peristaltik hinaufsteigen. Er betont ausdrücklich, daß diese Möglich¬
keit der Bakterienwanderung bei Beurteilung experimenteller Befunde in
Betracht zu ziehen ist, weil sie leicht zu Fehlschlüssen bezüglich der
Durchgängigkeit der Darmwand verleiten kann.
Selter 6 kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Schluß,
daß die intakte Darmwand für Bakterien nicht ganz undurchlässig ist,
daß diese aber in den Mesenterialdrüsen zurückgehalten werden, und daß
deshalb Leber, Milz, Niere und Blut normalerweise keimfrei sind.
Ungefähr dieselben Ergebnisse teilt Rogozinski 6 mit. Durch Ver¬
suche, die er in der Mehrzahl an Hunden und vereinzelt auch an Katzen
1 Moro, Archiv für Kinderheilkunde . 1906. 43. S. 340.
* Hilgermann, Archiv für Hygiene. 1905. Bd. L1Y. S. 335.
8 v. Behring, Hft. 8 seiner Beiträge.
4 Uffenheimer, Archiv für Hygiene. 1906. Bd. LV. S. 1. — Deutsche med.
Wochenschrift. 1906. S. 1851.
* Selter, Diese Zeitschrift. 1906. Bd. LIV. S. 363.
6 K. Rogozifiski, Bulletin de V academie des Sciences de Cracovie. Fevrier 1902.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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7
42 Hoenemann:
anstellte, konnte er nacliweisen, daß bei 21 unter 26 dieser Tiere das
Bact. coli in den Mesenterialdrüsen vorhanden war. Nach Verfütterung
des B. prodigiosus, kieliensis, mycoides an sieben Hunde fand er bei fünf
von diesen Tieren die Keime in den Mesenterialdrüsen mittels des Kultur¬
verfahrens wieder; dagegen konnte er einen Durchgang durch diese Drüsen
nicht konstatieren.
Altana Giuseppe 1 verfütterte pathogene und saprophytische Keime
an ausgewachsene und neugeborene Meerschweinchen und fand, daß die
Magen- und Darmschleimhaut den Keimen einen absoluten Widerstand
entgegensetzt, und daß in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen
ausgewachsenen und neugeborenen Meerschweinchen besteht. Die Wider¬
standskraft der Magendarmwand sei aber nur unter normalen und physio¬
logischen Verhältnissen vorhanden. Nur einige Keime scheinen eine Ab¬
weichung von dieser Regel darzustellen. Den Grund hierfür erblickt der
Forscher in besonderen spezifischen Eigenschaften der betreffenden Arten,
nämlich Veranlassung mikroskopischer Verletzungen der Schleimhaut oder
Herabsetzung der lokalen oder allgemeinen Widerstandsfähigkeit des Orga¬
nismus. Zu dieser Art von Keimen scheint besonders der Tuberkelbacillus
zu gehören.
Zahlreiche Arbeiten beschäftigen sich ausschließlich mit dem Tuberkel¬
bacillus. Von diesen möchte ich nur die Versuche von Schlossmann
und Engel 2 an laparotomierten jungen Meerschweinchen erwähnen, die
positiven Ausschlag gaben; während eine Wiederholung der Versuche
durch Strassner 3 in fehlerfreierer Versuchsanordnung zu dem entgegen¬
gesetzten Resultat führte. Auch Oberwarth und Rabinowitsch 4 * machten
ihre Versuche an operierten Tieren (Ferkeln); es ist wohl mit Recht gegen
diese Versuche der Einwaud erhoben, daß ein positiver Ausfall für nor¬
male Verhältnisse nichts beweise.
Demgegenüber sprechen sich Takeya und Dold 6 neuerdings gegen
die Auffassung aus, daß ein Durchtritt von Tuberkelbazillen durch die
Darmschleimhaut ohne tuberkulöse Veränderungen der letzteren stattfinde.
Sie bestreiten auch eine anstandslose Passage der Bazillen durch die
regionären Lymphdrüsen. Beim Vorhandensein einer Mesenterialdrüsen¬
tuberkulose sei stets eine Darmtuberkulose nachzuweisen, auch wenn die
1 Altana Giuseppe, Rivista d'Igiene e Sanita Publica. 1908. T. XIX. Nr. 19.
p. 581.
2 Schlossmann u. Engel, Deutsche med . Wochenschrift . 1906. S. 1075.
3 Strassner, Münchener med. Wochenschrift . 1907. S. 1774.
4 Oberwarth u. liabinowitsch, Berliner klin. Wochenschrift 1908. S. 298.
3 Takeya u. Dold. Arbeiten a. d. pathol. Institut Tübingen. Bd. VI. S. 710.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Bakteriendubchlässigkeit des Darms.
43
I Darm wand makroskopisch normal erscheine; ebenso würden bei nachweis¬
licher Darmtuberkulose auch in den anscheinend intakten Mesenterial¬
drüsen Tuberkelbazillen gefunden.
Indem ich eine Reihe von anderen Arbeiten übergehe, weil sie für
| die speziell von mir behandelten Fragen ohne Belang sind, habe ich nur
' noch über eine Versuchsreihe zu berichten, die Hr. Dr. Ballin in dem
I Breslauer hygienischen Institut unter der Leitung von Hm. Geheimrat
i C. Flügge vor einigen Jahren angestellt hat, die aber aus äußeren
Gründen nicht abgeschlossen werden konnte, und zu deren Ergänzung
nnd Abschluß meine eigenen Versuche unternommen sind.
Dr. Ballin benutzte zu seinen Untersuchungen nur junge Tiere:
Hunde, Ziegen, Kaninchen und Meerschweinchen. Zweimal untersuchte
er auch sein eigenes Blut, nachdem er eine Frodigiosusaufschwemmung
in sterilisierter Milch genossen hatte. Ein Teil der jungen Versuchstiere
wurde ohne vorherige Darreichung bestimmter Bakterienemulsionen per os
getötet und verarbeitet. Die Tötung erfolgte 2 bis 4 Stunden nach der
letzten Nahrungsaufnahme. Einer zweiten Gruppe von Versuchstieren
verabreichte Dr. Ballin eine Aufschwemmung körperfremder, aber un¬
schädlicher und leicht erkennbarer Mikroorganismen per os. Bei den
jungen Kaninchen und Meerschweinchen bediente er sich durchweg der
Sondenfütterung. Aus seinen protokollarischen Aufzeichnungen ist er¬
sichtlich, daß er sich der Fehlerquellen, welche dieser Einverleibungs-
j methode anhaften, wohl bewußt war. Wenn er trotzdem dieselbe benutzte,
1 so tat er es von dem Gedanken aus, daß auch andere Fütterungsmethoden
| bei jungen Tieren Veranlassung zu erheblichen Fehlerquellen bieten können.
J Es sei nur an die Verwendung von Saugfläschchen bei jungen Kaninchen
1 erinnert: die jungen Tiere verschlucken sich sehr leicht hierbei, was eine
Aspiration der Keime in die Lunge und von da aus — wie aus Fickers
I Untersuchungen bekannt ist — eine Verschleppung der Keime durch
den Lymph- und Blutstrom auch in andere Organe zur Folge haben
kann. Die Sondenfütterung hat den Vorzug der genauen Dosierung der
zn verfütternden Keimmengen, andererseits aber den großen Nachteil,
daß leicht in der zarten Rachen-, Ösophagus- und Magenschleimhaut der
jungen Tiere Läsionen gesetzt werden, durch die den Keimen Gelegenheit
geschaffen wird, direkt in die Blutbahn zu kommen. Auch ist ein nicht¬
gewolltes Einführen der Sonde in die Luftröhre oder ein Abstreifen von
Material am Kehlkopfeingang leicht möglich. Diese Punkte müssen bei
der Bewertung der Resultate berücksichtigt werden. Die jungen Ziegen
und Hunde tranken die Keime mit Milch.
Zur Verfütterung gelangten Prodigiosuskeime zugleich mit einer nicht
pathogenen Staphylokokkenart.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
44
Hobnemann:
Digitized by
In den vier ersten Versuchen ohne Bakterienverfütterung wurde die
Tötung und Sektion der Tiere sowie die Verarbeitung der Organe in
demselben Raum ausgeführt, ein Umstand, der aus naheliegenden Gründen
große Verunreinigungsmöglichkeiten der Kulturen in sich schloß. Bei
allen übrigen Versuchen wurden die genannten Manipulationen in ge¬
trennten, wenig betretenen Zimmern vorgenommen.
Die Tötung der Tiere erfolgte durch Nackenschlag. Die Tiere wurden
in den ersten Versuchen abgebalgt. Es zeigte sich aber hierbei, daß
beim Abziehen des Felles die Bauchorgane gedrückt und dadurch künst¬
liche Läsionen geschaffen werden können, weshalb bei den späteren Ver¬
suchen darauf verzichtet wurde. Nach der Tötung wurden die Tiere mit
Sublimat und Alkohol abgewaschen und dann auf ein mit Sublimat be¬
feuchtetes Brett gespannt. Es folgte nochmaliges Abspülen des Tieres
mit Alkohol und die Eröffnung der Bauchhöhle mit Instrumenten, die
durch Kochen sterilisiert waren. Die Organstücke wurden in trocken
sterilisierten Reibschalen zerrieben; ein Teil der einzelnen Organstücke
wurde mit verflüssigtem Agar und Gelatine gemischt und zu Platten aus¬
gegossen, der Rest in Gefäße mit Nährbouillon verimpft. Die Nährböden
wurden 5 Tage beobachtet. Zeigten die Bouillonröhrchen Bakterien¬
wachstum, so wurde ihr Inhalt zwecks Erkennung der Keimarten
auf Agarplatten verimpft, und mehrere Verdünungsplatten angelegt.
Untersucht wurden in allen Fällen Leber und Milz, in einigen Fällen
auch Blut und Mensenterialdrüsen. Außerdem wurden Agarplatten
während des Versuches offen neben den Kadavern aufgestellt und so lange
offen gehalten, bis die Verarbeitung der Tiere erledigt war. Zeigten Luft-
und Organplatten die gleichen Bakterienarten, so wurden letztere als aus
der Luft stammend, angesehen.
Versuchsreihe I.
Bailins Versuche an jungen Tieren ohne Verfütteruug körperfremder
Bakterien.
1. Meerschweinchen, 14 Tage alt, Gewicht 130 * nn , 2 Stunden nach
der letzten Nahrungsaufnahme durch Nackenschlag getötet. Fell wird ab¬
gezogen, Instrumente durch Kochen sterilisiert.
Resultat: Kulturen von Leber, Milz und Blut Kokkenwachstum an der
Oberfläche; die mit Blinddarminhalt außerdem Colibazillen.
2. Meerschweinchen, 14 Tage alt, Gewicht 130 ?rm , von demselben Wurf
wie das vorige, ebenfalls 2 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme
durch Nackenschlag getötet. Technik dieselbe wie im vorigen Versuch.
Resultat: Leber und Milz Kokkenwachstum an der Oberfläche; Blut
steril: Blinddarminhalt Kokken- und Coliwachstum.
Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Baktebienduechlässigkeit des Dabms.
45
3. Meerschweinchen, 10 Tage alt, Gewicht 110 ff™, 2 Stunden nach
dem Absetzen von der Mutter durch Nackenschlag getötet, vorsichtig abge¬
zogen. Technik dieselbe wie in den vorigen Versuchen.
Resultat: 1 Gelatineplatte mit Leber zeigt 3 oberflächliche Kolonien
Kokken* und 1 oberflächliche Kolonie kurze Stäbchen, 1 Agarplatte von
Leber 2 oberflächliche Kolonien Kokken. 1 Gelatineplatte von Milz zeigt
ebenfalls 2 Kolonien Kokken an der Oberfläche. Sämtliche Bouillon¬
röhrchen steril. Blinddarminhalt zahlreiche Kolonien von Kokken und
kurzen Stäbchen.
4. Meerschweinchen, 3 Tage alt, Gewicht 70 ff™, in derselben Weise
wie die vorigen behandelt.
Resultat: 1 Agarplatte von Leber zeigt 1 oberflächliche Kokkenkolonie;
1 Agarplatte von Milz 4 oberflächliche Kokkenkolonien. Sämtliche andere
Kulturen steril. Blinddarminhalt reichliche Stäbchen-, vereinzelte Kokken¬
kolonien.
5. Meerschweinchen, 12 Tage alt, Gewicht 130 ff™, in derselben Weise
wie die vorigen behandelt.
Resultat: Sämtliche Bouillon-, Agar- und Gelatinekulturen steril Darm¬
inhalt meist Stäbchen, vereinzelt Kokken.
6. Kaninchen, 3 Wochen alt. 165 ff™, wie die vorigen behandelt.
Resultat: Alle Kulturen steril. Danninhalt reichliches Stäbchen- und
vereinzeltes Kokkenwachstum.
7. Kaninchen, 22 Tage alt, Gewicht 185 ff™, 2 Stunden nach der letzten
Nahrungsaufnahme durch Nackenschlag getötet.
Resultat: 1 Agarplatte von Milz enthält eine oberflächliche Kokken¬
kolonie, alle übrigen Röhrchen steril. Blinddarminhalt reichliches Coli- und
Kokkenwachstum.
8. Ziege, 21 Tage alt, Gewicht 4230 ff™, mit sterilisierter Büchsenmilch
gefüttert, 4 Stunden nach dem letzten Trinken getötet.
Resultat: Kulturen mit Blut, Leber, Milz und Mesenterialdrüsen steril;
Blinddarminhalt reichlich Coli, vereinzelt Kokken.
9. Hund, 5 Wochen alt, Gewicht 2650 ff™, mit steriler Milch gefüttert,
4 Stunden darnach durch Strangulation getötet.
Resultat: Leber, Milz, Blut steril, Darminhalt meist Coli.
In den ersten vier Versuchen ohne Einverleibung bestimmter Bak¬
terien durch Verfütterung fällt die verhältnismäßig große Anzahl ober¬
flächlich gewachsener Kokkenkolonien auf. Sie sind wohl alle als zufällige
Verunreinigungen anzusprechen und stammen zum weitaus größten Teil,
wenn nicht ganz und gar, aus der Luft des Operationszimmers. Diese
Annahme ist um so berechtigter, als Sektion der Tiere sowie die weitere
Verarbeitung derselben in einem Raum geschah, der häufig betreten wurde,
so daß ein Aufwirbeln von Staub, Tierhaaren usw. und somit auch Kokken
sehr leicht möglich war. Andere Untersucher (Klimenko) machten ähn¬
liche Erfahrungen, wenn sie für die Versuche nur einen Raum verwendeten.
Auch die oberflächliche Lagerung der fraglichen Kokkenkolonien spricht
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Hornemann:
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für Luftverunreinigungen, namentlich aber der Umstand, daß auch die
Luftkontrollplatten reichliches Wachstum von Kokken zeigten. In gleicher
Weise ist die oberflächliche Kokkenkolonie auf der Milzplatte in Versuch 7
zu bewerten.
Bei allen anderen Versuchen, auch bei denen mit Bakterienverfütterung,
wurde die Tötung der Versuchstiere und die Verarbeitung ihrer Organe
in getrennten Räumen vorgenommen. Hier blieben die mit Organteilen
beimpften Röhrchen und Platten stets steril. Ohne Frage spielt wohl
auch das allmähliche Erlernen der spezifischen, für diese Versuche er¬
forderlichen Technik bei dem Fehlen von Verunreinigungen in den
späteren Versuchen eine nicht unwichtige Rolle.
Leider wurden nur in einem Falle (Versucht) die Mesenterial¬
drüsen untersucht; sie erwiesen sich als frei von Keimen.
Das Gesamtresultat dieser Untersuchungsreihe ist somit das, daß in
den verarbeiteten Organen niemals Keime nachgewiesen werden konnten.
Versuchsreihe II.
Ballins Versuche an jungen Tieren mit Verfütterung körperfremder
Bakterien.
1. Ziege, 4 Wochen alt, Gewicht 3950 grra , erhält eine Aufschwemmung
von Prodigiosus und nicht pathogenem Staphylococcus albus in 1 / 2 Liter
sterilisierter Milch zu trinken. Menge der Keime: je 1 Drigalski-Schale
2 Tage alter Agarkultur. Nach 4 Stunden getötet.
Resultat: Blut, Leber, Milz, Mesenterialdrüsen steril. Blinddarminhalt
reichlich Staphylokokken und Prodigiosus.
2. Hund, 6 Wochen alt, Gewicht 2600 f?rm , trinkt in ca. */« Liter steri¬
lisierter Milch je 1 Drigalski-Schale 2 Tage alter Agarkulturen Prodigiosus
und Staphylococcus albus (nicht pathogen); wird nach 4 Stunden getötet.
Resultat: Blut, Leber, Milz, Mesenterialdrüsen steril; im Blinddarm¬
inhalt reichlich die verfütterten Keime.
3. Meerschweinchen, 12 Tage alt, Gewicht 120 prm , erhält mittels
Sondenfütterung 10 ccm einer dicken Aufschwemmung von Prodigiosus und
der nicht pathogenen Staphylokokkenart in Milch. Tötung nach 1 '/ 2 Stunden.
Resultat: Leber, Milz, Prodigiosus positiv. Blinddarminhalt reichlich
positiv. Mesenterialdrüsen nicht untersucht.
4. Kaninchen, 14 Tage alt, Gewicht 125 grm , erhält ebenfalls mittels
Sondenfütterung I0 ccm einer dicken Aufschwemmung von Prodigiosus und
Staphylococcus albus in Milch. Tötung nach 2 Stunden.
Resultat: Leber, Milz steril; Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus,
weniger Kokken. Mesenterialdrüsen nicht untersucht.
5. Meerschweinchen, 10 Tage alt, Gewicht 125 s™, bekommt mittels
Sondenfütterung 5 ccin einer Aufschwemmung von Prodigiosus und Staphylo¬
coccus albus in Milch, und zwar je 1 / 2 Schriigagarröhrchen. Tötung nach
2 Stunden.
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Bakteriendurchlässigkeit des Darms.
47
Resultat: Leber, Milz steril. Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus.
Mesenterialdrüsen nicht untersucht.
6. Kaninchen, 15 Tage alt, Gewicht 165 grm , erhält mittels Sonden¬
fütterung I0 ccm Milch mit je 1 Schrägagarkultur Prodigiosus und Staphylo-
coccus albus. Tötung nach 2*/* Stunden. Beim Abpräparieren des Felles
riü das Bauchfell in der Lebergegend ein.
Resultat: Leber, Milz steril; Blinddarminhalt Prodigiosus und Kokken
positiv. Mesenterialdrüsen nicht untersucht.
7. Meerschweinchen, 12 Tage alt, Gewicht 110 srm , erhält mittels Sonden¬
fütterung je 1 Schrägagarkultur von Prodigiosus und Staphylococcus albus
in 10 ccm sterilisierter Milch. Tötung nach 4 1 / a Stunden.
Resultat: Leber, Milz steril; im Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus
nnd Kokken.
8. Kaninchen, 15 Tage alt, Gewicht 170 gnn , erhält mittels Sondenfütte¬
rung I0 com Milch mit 2 Schrägagarkulturen Prodigiosus und 1 Schrägagar¬
kultur Slaphylococcus albus. Tötung nach 4 1 / 2 Stunden.
Resultat: Leber, Milz steril; im Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus,
weniger Kokken.
9. Versuch am Menschen: Nach Neutralisation des Magensaftes durch
1 Teelöffel Natr. bicarb. trank Dr. Ballin 1 / 2 Liter sterilisierter Milch mit
drei 2 Tage alten, bei 22 0 gewachsenen Prodigiosus-Schrägagarkulturen.
2 Stunden später sterile Entnahme von 10 ccm Blut aus der Ellenbogenvene.
Resultat: Sämtliche Agarplatten und Bouillongefäße, mit je 0 • 5 ccm Blut
beimpft, steril. Auf Fäces-Kontrollplatten reichlich Prodigiosus.
10. Zweiter Versuch am Menschen: wie der vorige, nur werden
5 Agarkulturen in */i Liter Milch genossen.
Resultat: Sämtliche Agarplatten und Bouillonröhrchen steril; aufFäces-
und Milchkontrollplatten reichlich Prodigiosus.
Wie die Versuche der ersten Versuchsreihe, zeigen auch die der
zweiten ein eindeutiges Resultat; in Leber und Milz 1 jungen Ziege,
1 jungen Hundes, 2 juDger Meerschweinchen, 3 junger Kaninchen, denen
eine Aufschwemmung von Prodigiosus zugleich mit nicht pathogenen
Staphylokokken per os mittels Sonde einverleibt wurde, konnten diese
Keime niemals nachgewiesen werden. In Versuch 1 und 2 wurden auch
die Mesenterialdrüsen untersucht und ebenfalls steril befunden. Nur
Versuch 3 fällt mit seinem Resultat aus dem Rahmen der übrigen Er¬
gebnisse heraus. Es zeigt sich hier Prodigiosus - Wachstum, in Röhrchen
und auf Platten, die mit Leber und Milz des jungen Meerschweinchens
geimpft sind. Nach den Angaben des Protokolls ist anzunehmen, daß
diese Keime aus den betretlenden Organen stammen. Es möge hier
genügen, diese Tatsache festzustellen; ich komme später auf den Versuch
zurück.
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Hoknemann:
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Die zwei Versuche am Menschen ergaben kein Wachstum von Pro-
digiosuskeimen in den mit dem Blute der Versuchsperson angelegten Kul¬
turen, obwohl die Versuchsperson, namentlich beim zweiten Versuch, an
leichter Enteritis litt.
Meine eigenen, auf Anregung von Hrn. Geheimrat C. Flügge an-
gestellten Untersuchungen sollten in die Lücke eingreifen, welche Ballins
Versuche offenbar noch gelassen hatten. Ballin hatte nur mit sapro-
phytischen Bakterien gearbeitet, während es sehr wohl möglich ist, daß
pathogene und halbpathogene Bakterien sich wesentlich anders verhalten
und sich leichter einen Weg durch die Darmwand bahnen.
Von pathogenen Keimen verwandte ich den Milzbrandbacillus, zum
Teil auch Milzbrandsporen, letzteres in der Erwägung, daß vielleicht die
Milzbrandbazillen durch die Salzsäure des Magensaftes derartig nachteilig
beeinflußt würden, daß nur ein Teil der verfütterten Keime für den Durch¬
tritt durch die Darmwand in Frage käme. Die Sporen werden ja be¬
kanntlich von der Magensäure so gut wie nicht angegriffen. Der Milz¬
brandbacillus besitzt ferner den Vorzug einer leichten Erkennbarkeit seiner
Kolonien. Von den halbpathogenen Keimen benutzte ich den Bacillus
des Schweinerotlaufs, der im Gegensatz zu dem großen Milzbrandbacillus
sich durch besondere Kleinheit auszeichnet und auch noch um ein Be¬
trächtliches schlanker und zierlicher ist als der Prodigiosuskeim.
Als Versuchstiere benutzte ich Kaninchen und Meerschweinchen, und
zwar alte und junge. Die Einverleibung der Bakterien geschah so, daß
sie dem Futter beigemengt wurden. Als Futter wurden ausschließlich
geschabte Mohrrüben verwandt. Die Menge dieses Mohrrübenbreies wurde
dem Alter und Größe der Tiere entsprechend, genommen. Wenn ich die
Tiere vor dem Fressen 10 bis 12 Stunden hatte hungern lassen, wurde
das Futter regelmäßig vollständig gefressen, so daß ich die gefressene
Bakterienmenge genau kannte.
Die Tötung erfolgte abweichend von Dr. Ballins Methode 4 bis
13 Stunden nach der Fütterung. Ein längerer Zeitraum zwischen Fütte¬
rung und Tötung wurde deshalb gewählt, weil ich mich des öfteren über¬
zeugen konnte, daß bei Tötung in kürzerer Zeit nach der Fütterung der
Dünndarm noch vollständig leer und beinahe steril war, während der
noch gänzlich gefüllte Magen die verfütterten Keime in großen Mengen
enthielt. Auch der Dickdarminhalt war alsdann noch vollständig frei von
den verfütterten Mikroorganismen. Es war also ein Auftreten der Keime
in den Drüsen und Organen dieser Tiere von vornherein ziemlich aus¬
geschlossen, da sie ja mit der Schleimhaut des Dünndarms als des Teiles
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Bakteeiendubchlässigkeit des Daums.
49
*
| des Yerdauungstraktus, in dem nach Fickers Untersuchungen derDurch-
| tritt am häufigsten stattfindet, noch nicht in Berührung gekommen waren.
Die Tötung der Tiere erfolgte durch Nackenschlag, in einzelnen Fällen
durch Strangulation. Auf eine Abbalgung der Tiere wurde aus oben an¬
geführten Gründen grundsätzlich verzichtet. Die Methodik wählte ich in
einzelnen Punkten abweichend von der Ballinschen: nach Entfernung
der Haare von Hals, Brust und Bauch wurden die Tiere in toto (nur
Maul und Nase ragten aus der Flüssigkeit hervor) in eine 1 promillige
Sublimatlösung für die Dauer einer 1 / 4 Stunde gelegt und sorgfältig damit
gewaschen. Der Kopf wurde in ein mit Alcoholus absolutus befeuchtetes
Tuch geschlagen. Die Aufspannung der Tiere erfolgte auf Sektionsbrettern
und mit Firiernadeln, die ebenfalls einer gehörigen Waschung mit Sublimat
unterzogen waren. Fütterung, Tötung und Sektion der Tiere wurden
stets von verschiedenen Personen ausgeführt, ebenso war es nach den
Erfahrungen früherer Untersucher selbstverständlich, daß diese drei Mani¬
pulationen in drei vollständig voneinander getrennten Bäumen vor sich
gingen. Speziell geschah die Sektion in einem Baume, der sonst fast
gar nicht betreten wurde. Der noch von Sublimat feuchte Kadaver wurde
nun mehrmals mit Alcoholus absolutus übergossen, dann wurde er ganz
und gar mit einem ausgekochten Leinentuch überdeckt. Das Tuch zeigte
über der Brust und dem Bauch des Tieres einen Einschnitt, der die Er¬
öffnung des Kadavers ermöglichte. Nach nochmaligem Übergießen des
Tieres mit Alcoholus absolutus wurden die Bauchdecken mittels Instru¬
menten eröffnet, die teils durch */* ständiges Kochen, teils durch trockene
flitze im Eeagensglase sterilisiert waren. Vor dem jedesmaligen Gebrauch
derselben wurden sie außerdem noch in der Flamme ausgeglüht. Selbst¬
verständlich standen für jedes Organ besondere Instrumente zur Verfügung.
Oie Organe kamen gesondert in sterile Beibschalen, in denen sie in ge-
' nügender Weise zerkleinert wurden. Die Drüsen wurden mittels der
Scheere zerschnitten. Sodann gelangten die präparierten Organe mittels
steriler Pinzetten in die Nährsubstrate.
Als Nährmedien wurden bei allen Versuchen Bouillon als Anreiche¬
rungsflüssigkeit, außerdem Agar- und Gelatineplatten verwendet. Die Organe
der Tiere wurden fast stets vollständig verarbeitet, nur bei den größeren
Versuchstieren begnügte ich mich mit der Verimpfung eines größeren
Teiles der Organe. Es wurde besonders Kücksicht darauf genommen,
daß zur möglichsten Verdünnung etwaiger wachstumshemmender Stoffe
in den Organen die Quantität des Nährmaterials zu der des Orgauteils
in richtigem Verhältnis stand. Das Blut entnahm ich entweder direkt
dem Herzen oder ich saugte mit Hilfe einer sterilen Pravazschen Spritze
aus der großen Hohlvene ein genügendes Quantum auf, lim es sodann
Zeitschr. £ Hygiene. LXIX 4
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Hoknemann:
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iu die Nährsubstrate zu bringen. Die beimpften Agarplatten wurden
5 Tage lang bei 87°, die Gelatineplatten 8 Tage lang bei Zimmer¬
temperatur beobachtet. Die Bouillongefäße kamen für 4 Tage in den
Brutschrank von 37°; sodann wurden aus allen, auch wenn sie makro¬
skopisch kein Wachstum erkennen ließen, je drei Platinösen auf Agar-
platten gebracht, mit Drigalski-Spatel darauf verrieben und zwei Verdün¬
nungen angelegt. Die Platten wurden 3 bis 4 Tage bei 37° auf bewahrt.
Auf diese Weise konnten auch spärliche Mengen der verfütterten Keime
in der Regel erkannt werden. In zweifelhaften Fällen schritt ich zur
Impfung weißer Mäuse, indem ich den Tieren von der infizierten Bouillon
0-25 ccm intraperitoneal injizierte oder von fraglichen Agar- bzw. Gelatine¬
kolonien eine angemessene Menge in einer Hauttasche verrieb. Bei den
Versuchen mit Rotlaufbazillen wurde die Mäuseimpfung grundsätzlich zu
Hilfe genommen, weil ich mir der Schwierigkeit der Identifizierung dieser
Keime auf der Agar- und Gelafcineplatte bewußt war. Ich konnte so um
so mehr auf die Erkennung auch spärlicher Rotlauf bazillen rechnen, als
ich einen Stamm benutzte, der in einer Menge von 0*01 ccm einer 24 stän¬
digen Bouillonkultur eine Maus bei intraperitonealer Injektion in spätestens
2 Tagen tötete und der durch Meerschweinchenpassage in seiner Virulenz
nicht beeinträchtigt wurde.
Ich glaube, daß bei Befolgung dieser Versuchsanordnung es wohl
möglich sein mußte, die übergetretenen Keime auch in den spärlichen
Mengen, mit denen man in der Mehrzahl der Versuche wohl rechnen
mußte, mit einiger Sicherheit nachzuweisen.
Um vor Luftverunreinigungen gesichert zu sein, stellte ich während
der Sektion um das Sektionsbrett herum geöffnete Agar- und Gelatine-
platten auf, die während der Dauer der ganzen Manipulationen geöffnet
blieben. Es ist mir niemals möglich gewesen, die verfütterten Keime
oder spezifische Darmbakterien auf den Luftplatten nachzuweisen: die an¬
gewandten Vorsichtsmaßregeln genügten also wohl, um eine Verunreinigung-
der Luft und der Kulturen auszuschließen.
Versuchsreihe III.
Versuche an ausgewachsenen Tieren.
1. Kaninchen, Gewicht 2750 s™, erhält in Mohrrübenbrei 1 / l 24 Stunden
alte Schrägagarkultur Milzbrandbazillen. Frißt gut auf. Tötung nach
4 Stunden.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lungen steril; Dünn¬
darm leer; keine Milzbrandbazillen nachzuweisen, auch nicht im Blinddarm.
2. Kaninchen, Gewicht 2290 grra , bekommt in Mohrrübenbrei 2 24 Stunden
alte Kulturen Milzbrandbazillen. Frißt gut auf. Tötung nach 7 Stunden
durch Nackenschlag.
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Baktekiexdurchlässigkeit des Darms.
51
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge steril. Blinddarm-
iiikalt Milzbrandbazillen + .
3. Kaninchen, Gewicht 2260 grm , Fütterung mit 2 24 Stunden alten
Milzbrandschrägagarkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden
durch Nackenschlag.
Resultat: Sämtliche Blut- und Organkulturen steril. Blinddarminhalt
Milzbrand + .
4. Kaninchen, Gewicht 2360 grn \ erhält 6 24 Stunden alte Schrägagar-
kulruren Milzbrandbazillen in Mohrrübenbrei. Frißt gut auf. Tötung nach
12 Stunden durch Nackenschlag.
Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen kein Milzbrand. Blind-
darminlialt Milzbrand +. 2 Lungenröhrchen enthalten Staphylokokken und
Heubazillen.
5. Kaninchen, Gewicht 2680 grm , erhält 6 24 Stunden alte Schrägagar¬
kulturen Milzbrandbazillen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 1 / 8 Stunden
durch Nackenschlag.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge Milzbrand nega¬
tiv. Blinddarminhalt zeigt reichlich Milzbrand. 1 Drüsenbouillonrührchen
enthält plumpe, kurze, mäßig bewegliche Stäbchen und 2 Lungenröhrchen
Kokken und Heubazillen.
6. Kaninchen, Gewicht 2100 * rm , erhält 6 24 Stunden alte Schrägagar¬
kulturen von Milzbrand in Mohrrübenbrei. Tötung 12 1 /2 Stunden später
durch Strangulation.
Resultat: Sämtliche Blut- und Organkulturen steril. Blinddarminhalt
reichlich Milzbrand.
7. Kaninchen, Gewicht 2370 grm , erhält 6 Schrägagarkulturen von Milz¬
brandsporen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 11 Stunden durch Strangulation.
Resultat: Sämtliche Blut- und Organkulturen steril. Blinddarminhalt
Milzbrand + .
8. Meerschweinchen, Gewicht 240 grm , erhält in Mohrrübenbrei 2
24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach 4 Stunden.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge frei von Milz¬
brand; Dünndarm leer. Schleim enthält ganz vereinzelt Ileubazillen. Magen
stark gefüllt, im Inhalt reichlich Milzbrand.
9. Meerschweinchen, Gewicht 255 grm , erhält in Mohrrübenbrei zwei
24 Stunden alte Kulturen Milzbrandbazillen. Tötung nach b l j 2 Stunden
durch Strangulation.
Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen steril; Magen stark gefüllt,
enthalt reichlich Milzbrand. Dünndarm leer, Blinddarm frei von Milzbrand.
10. Meerschweinchen, Gewicht 270 grm , erhält in Mohrrübenbrei 6 Kul¬
turen (24 Stunden alt) Milzbrandbazillen. Tötung nach 12 Stunden durch
Sackensehlag.
Resultat: Mesenterialdrüsen, Blut, Lungen Milzbrand +, ebenfalls Milz¬
brand reichlich im Blinddarmin halt.
11. Meerschweinchen, Gewicht 285 grm , erhält in Mohrrübenbrei sechs
24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach 12 Stunden
durch Strangulation.
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Hobnemann:
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Resultat: Mesenterialdrüsen Milzbrand +> desgleichen reichlich im
Blinddarminhalt.
12. Meerschweinchen, Gewicht 295 grm , erhält 6 Milzbrandsporenkulturen
in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden.
Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen, auch Danninhalt, Milz¬
brand -f.
13. Meerschweinchen, Gewicht 276 grm , erhält 3 24 Stunden alte Milz¬
brandschrägagarkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden.
Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen frei von Milzbrand;
2 Lungenröhrchen Staphylokokken. Blinddarminhalt Milzbrand + .
14. Meerschweinchen, Gewicht 265 grm , erhält 4 Sporenkulturen Milz¬
brand in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden durch Strangulation.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Milzbrand.
Blinddarminhalt Milzbrand +.
15. Meerschweinchen, Gewicht 280 gTm , frißt in Mohrrttbenbrei 10 Kul¬
turen 24 Stunden alter Milzbrandbazillen. Tötung nach 12 Stunden durch
Nackenschlag.
Resultat: Milz, Drüsen, Leber, Blut Milzbrand 0; 8 Drüsenröhrchen
enthalten Coli, 1 Lungenröhrchen Staphylokokken und Milzbrand. Blind¬
darminhalt Milzbrand +.
16. Meerschweinchen, Gewicht 280 grm , frißt in Mohrrübenbrei zehn
48 Stunden alte Bouillonkulturen Rotlaufbazillen. Tötung nach 12 Stunden.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Rotlauf.
Blinddarminhalt Rotlauf +.
17. Meerschweinchen, Gewicht 245 grm , frißt in Mohrrübenbrei zehn
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkulturen. Tötung nach 13 Stunden.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge Rotlauf 0; Lunge
enthält Diplokokken. Blinddarminhalt Rotlauf -f.
Von diesen Versuchen sind zunächst Nr. 1, 8 und 9 beachtenswert.
Sie zeigen, daß bei einer Tötung 4 bis 5 1 j t Stunden nach der Fütterung
die verfütterten Keime im Darm nicht nachgewiesen werden konnten,
während sie im stark gefüllten Magen reichlich vorhanden waren. Eben
diese bereits oben erwähnte Beobachtung veranlaßte mich, die Tötung der
Tiere erst längere Zeit, 7 bis 13 Stunden, nach der Fütterung vorzu¬
nehmen.
Des weiteren ist hervorzuheben, daß bei Versuch Nr. 4 und 5 je zwei
Luugenröhrchen Staphylokokken und Heubazillen, bei Versuch Nr. 13 zwei
Lungenröhrchen Staphylokokken, bei Versuch Nr. 15 ein Lungenröhrchen
Staphylokokken und Milzbrand und außerdem bei Versuch Nr. 5 ein und
bei Versuch Nr. 15 drei Drüsenröhrchen Bacterium coli enthielten. Das
Vorhandensein von Staphylokokken, Heu- und auch Milzbrandbazillen in
den Lungen dieser Versuchstiere allein ist am zwanglosesten mit der
Annahme zu erklären, daß bei diesen durch Nackenschlag getöteten Tieren
infolge forcierter Atembewegungen während der Tötung eine Aspiration
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Baktebiendurchlässigkeit bes Darms.
53
der gefundenen Keime bis in die feineren Bronchien stattgefnnden hat.
Daß das möglich ist, hat Nenninger 1 bewiesen, indem er feststellte, daß
die vertieften Atemzüge in der Agone keimhaltige Tröpfchen aus dem
Bachen loszulösen and in die Lungen zu bringen vermögen. Wenn bei¬
spielsweise bei Versuch Nr. 15 die Milzbrandbazillen wirklich aus dem
Magendarmkanal stammten, so wäre schwer einzusehen, warum sie nicht
auch im Blut und in anderen Organen aufzufinden waren. Beim alleinigen
Vorhandensein solcher Keime in den Lungen ist in erster Linie an eine
Aspiration zu denken, eine Ansicht, die durch Versuche von Oettinger 2
bestätigt wird. Derselbe stellte fest, daß Bazillen, die in den kleinen
Kreislauf gelangen, nur zum kleinsten Teil in den Lungen zurückgehalten
werden. Die meisten passieren die Lungenkapillaren und werden erst in
den eigentlichen Abfangorganen, Milz und Leber, zurückgehalten. Ein
alleiniger Befund von Bakterien in den Lungen spricht deshalb gegen ein
Hineingelangen derselben auf hämatogenem Wege und vielmehr für eine
direkte Aspiration. Die Untersuchung von Leber und Milz schützt bei
Versuchen über den Keimtransport zu den Lungen geradezu also vor einem
leicht zu Täuschungen Anlaß gebenden Versuchsfehler.
Es bleiben übrig die Drüsenröhrchen mit Bacterium coli bei Versuch
Nr. 5 und 15. Darmwürmer waren bei diesen Versuchen nicht zu sehen,
ebenso waren irgend welche makroskopisch sichtbaren pathologischen Zu¬
stände der Darmschleimhaut nicht zu erkennen. Bezüglich dieses Befundes
schließe ich mich der Argumentation Fickers an, der ähnliche Befunde
bei seinen Untersuchungen feststellen konnte. Mit ihm glaube ich, daß
das Hineingelangen dieser Keime in die Mesenterialdrüsen nicht während
der Verdauung des Milzbrandfutters, sondern vielleicht schon früher statt¬
gefunden hat. Hätte während des Versuches ein Durchtritt von Coli-
bazillen durch die Darmschleimhaut stattgefunden, wäre also die Schleimhaut
nicht keimdicht gewesen, so ist nicht recht einzusehen, warum nicht auch
von den reichlich im Darminhalt vorhandenen Milzbrandbazillen einige
hindurchgetreten wären. Vielleicht hat also für die Zeit des Versuches
eine vollständige Keimdichtigkeit der Darmwand Vorgelegen, dagegen waren
früher pathologische Zustände vorhanden, die keine sichtbaren Verände¬
rungen hinterließen.
Ferner bedarf Versuch Nr. 12 einer näheren Erklärung: Bei den dort
in allen Organen und im Blut nachgewiesenen Milzbrandbazillen handelt
es sich offenbar um Verunreinigung von außen. Irrtümlicherweise hatte
ich in diesem Versuche zum Bedecken des Tieres ein Tuch verwendet,
1 Nenninger, Diese Zeitschrift. Bd. XXXVIII. S. 94.
1 Oettinger, Ebenda. Bd. LX. S. 557.
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Hobnemjlnn :
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das früher zu einem Versuche mit Milzbrandbazillen benutzt war, und
Milzbrandsporen in reichlicher Menge enthielt, wie sich durch nachträg¬
liche Untersuchung feststellen ließ. Der Versuch ist daher auszuschalten.
Dagegen wurden in einwandfreier Weise bei Versuch Nr. 10 Milzbrand¬
bazillen in Mesenterialdrüsen, Blut und Lunge und bei Versuch Nr. 11
in den Mesenterialdrüsen nachgewiesen. Ich möchte hier nur dieses
auffallende Ergebnis feststellen, um später noch eingehender darauf zurück¬
zukommen.
Bei den mit Rotlaufbazillen gefütterten Tieren konnten diese Keime
niemals im Blut oder den inneren Organen nachgewiesen werden.
Versuchsreihe IV.
Versuche an jungen Tieren.
1. Meerschweinchen, 10 Tage alt, Gewicht 115 grm , frißt eine 24 Stunden
alte Milzbrandschrägagarkultur in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden
durch Nackenschlag.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Milzbrand;
1 Drüsenröhrchen enthält Coli und Staphylokokken, 2 Lungenröhrchen
Staphylokokken. Blinddarminhalt Milzbrand +.
2. Meerschweinchen, 4 Wochen alt, Gewicht 145 grm , erhält in Mohr¬
rübenbrei vier 24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach
12 Stunden durch Nackenschlag.
Resultat: 1 Drüsenagarplatte Milzbrand +; desgleichen reichlich im
Blinddarminhalt.
3. Meerschweinchen, 14 Tage alt, Gewicht 125 grm , frißt eine 24 Stunden
alte Milzbrandschrägagarkultur in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden.
Resultat: Mesenterialdrüsen Milzbrand +; 1 Lungenröhrchen enthält
Staphylokokken. Blinddarminhalt Milzbrand +.
4. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 135 grra , frißt in Mohr¬
rübenbrei zwei 24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach
12 Stunden.
Resultat: Mesenterialdrüsen, Milzbrand und Bact. coli +, desgleichen
reichlich im Blinddarminhalt.
5. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 140 grm , erhält zwei
24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung
nach 8 Stunden.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Milzbrand;
Blinddarminhalt Milzbrand +.
6. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 130 gTra , bekommt eine
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkultur in Mohrrübenbrei zu fressen. Tötung
nach 12 Stunden.
Resultat: Sämtliche Organ- und Blutgefäße kein Rotlauf. Blinddarm¬
inhalt Rotlauf 4-.
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Bakteriendcrchlässigkeit des Darms.
55
7. Meerschweinchen, 4 Wochen alt. Gewicht 150 • Irm , frißt 3 Bouillon¬
kulturen (48 Stunden alt) Rotlaufbazillen in Mohrrübenbrei. Tötung nach
8 Stunden.
Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen kein Rotlauf. Blinddann-
inhalt Rotlauf + .
8. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 135 s rm , bekommt vier
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkulturen in Mohrrübenbrei zu fressen. Tötung
nach 12 Stunden.
Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Rotlauf;
Blinddarminhalt Rotlauf + .
9. Meerschweinchen, 4 Wochen alt, Gewicht l45 ?rm , erhält sechs
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung nach
12 Stunden.
Resultat: Lunge Rotlauf +, desgleichen Blinddarminhalt.
Auch bei diesen Versuchen an jungen Tieren zeigt sich in zwei
Lungenröhrchen des Versuches Nr. 1 und in einem solchen Röhrchen des
Versuches Nr. 3 Staphylokokkenwachstum. Außerdem enthält ein Drüsen-
rOhrchen des Versuches Nr. 1 Staphylokokken und Colibakterien. Bezüg¬
lich dieser Befunde gilt das Gleiche, was ich betreffs der ähnlichen Be¬
funde bei ausgewachsenen Tieren gesagt habe.
Ferner geht aus den Untersuchungen hervor, daß bei Versuch Nr. 2,
3 und 4 die Mesenterialdrüsen Milzbrand enthielten, und daß in den
Drusen des Versuches Nr. 4 außerdem noch Colibazillen nachgewiesen
werden konnten. Auch auf diese Befunde komme ich wie auf die posi¬
tiven Befunde an ausgewachsenen Tieren später eingehender zurück.
Die verfütterten Rotlaufbazillen konnten auch bei diesen jungen
Tieren weder im Blut noch in den Organen wiedergefunden werden. Nur
in Versuch Nr. 9 wurden in der Lunge des jungen Meerschweinchens
Rotlaufbazillen festgestellt. Auch hier handelt es sich, wie bei früheren
Versuchen, im Hinblick auf den alleinigen Befund der verfütterten Ba¬
zillen in den Lungen, zweifellos um Aspiration während der Tötung.
Fasse ich die gewonnenen Resultate kurz zusammen, so ergibt sich
folgendes:
1. Bei jungen Tieren — Meerschweinchen, Kaninchen, Ziege, Hund
— konnten Keime, insbesondere Vertreter der Darmflora, 2 bzw. 4 Stunden
uach der letzten Nahrungsaufnahme in Leber, Milz, Blut und Mesenterial¬
drusen niemals nachgewiesen werden.
2. Nach Verfütterung von Prodigiosuskeimen zugleich mit nicht
pathogenen Staphylokokken an junge Kaninchen, junge Meerschweinchen,
einen jungen Hund und eine junge Ziege konnten diese Keime in Leber,
Milz und auch den Mesenterialdrüsen der Tiere niemals aufgefunden
werden.
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3. Nach Verabreichung von Prodigiosuskeimen an einen erwachsenen
Menschen erwies sich das Blut dieser Versuchsperson 2 Stunden nach
Genuß der Keime steril.
4 . Nach Verfütterung von Schweinerotlaufbazillen an ausgewachsene
und junge Meerschweinchen wurden die Keime in Leber, Milz, Blut,
Mesenterialdrüsen niemals und nur einmal in der Lunge (Aspiration)
eines 4 Wochen alten Meerschweinchens wiedergefunden.
5. Bei der Verfütterung von Milzbrandbazillen bzw. -sporen an 7 aus¬
gewachsene Kaninchen, 8 ausgewachsene Meerschweinchen und 5 junge
Meerschweinchen konnten die Keime bei einem ausgewachsenen Meer¬
schweinchen in den Mesenterialdrüsen, Blut und Lunge, bei einem anderen
in den Mesenterialdrüsen, bei einem dritten in der Lunge (Aspiration)
und bei drei jungen Meerschweinchen in Mesenterialdrüsen wiedergefundeu
werden.
Als Ergebnis dieser Versuche glaube ich den Satz aufstellen zu dürfen:
ein Durchtritt von Mikroorganismen durch die Darmwand findet unter
physiologischen', durchaus normalen Verhältnissen bei Kaninchen,
Meerschweinchen und Ziegen nicht statt. Das zeigen die Versuche
Bailins; ferner die negativen Colibefunde in meinen Versuchen sowohl
an erwachsenen wie an jungen Tieren. Ich befinde mich mit diesem Satz
in Übereinstimmung mit Neisser und Opitz (s. oben), welche beide auf
Grund ihrer Versuchsergebnisse die Durchgängigkeit der normalen Darm-
wand für Darmbakterien bestreiten.
Eine völlig entgegengesetzte Ansicht vertreten Porcher und Desou-
bry, 1 zum Teil Rogozinsky (s. oben) und Selter (s. oben). Die fran¬
zösischen Forscher glauben auf Grund ihrer Untersuchungsergebnisse die
stetige Auwesenheit großer Mengen Bakterien im Chylus und Blute des
in Fettverdauung begriffenen normalen Tieres annehmen zu müssen.
Daß diese Arbeit und die aus ihr gezogenen Folgerungen einer
strengeren Kritik nicht standhalten, hat bereits Opitz dargelegt. Auch
spätere Autoren schließen sich im wesentlichen dieser Beurteilung an.
Mit Recht betonen Klimenko und Ficker, daß die Arbeit von Porcher
und Desoubry wohl unter dem Einflüsse der Lehre von dem Durchtritt
emulgierten Fettes durch das Darmepithel zustande gekommen ist, einer
Lehre, die bekanntlich in letzter Zeit von der größten Mehrzahl der
früheren Anhänger wieder fallen gelassen ist.
Auch Rogozinski erkennt das häufige Vorkommen von Darmbak¬
terien im Chylus und Blut des normalen Tieres keineswegs an, behauptet
1 Porcher u. Desoubry, Compt. rend. de la Soc. biolog. 1S95. p. 104 u. 344.
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Baktebiendubchlässigkeit BES Dabms.
57
aber seinerseits, daß die Resorption von Darmbakterien stets und normaler*
weise erfolge, daß aber die Mesenterialdrüsen die Darmbakterien vor dem
Einbruch in die Blutbahn aufzuhalten vermögen. Rogozinski operierte
zumeist an Hunden, nur ein paarmal an Katzen. Seine Methodik und
Technik scheinen mir einwandfrei. Wohl zu bedenken ist aber, daß nach
Fickers Versuchen gewisse besondere Bedingungen den Durchtritt von
Dannbakterien durch die Darmwand zu begünstigen scheinen, wie längeres
Hungern, starkes Arbeiten der Tiere usw. Vielleicht benutzte Rogozinski 1
aufgefangene Tiere, die ähnlichen Schädigungen, besonders dem Hungern,
Tor den Versuchen ausgesetzt gewesen sein konnten, so daß die gefundenen
Bakterien auf eine frühere Invasion in die Drüsen zur Zeit des Hungers
zurückzuführen sind. Rogozinskis Arbeit fällt ja in eine Zeit, in der
man an derartige Fehlerquellen noch gar nicht denken konnte.
Auch Selter benutzte zu seinen Versuchen Hunde; seine Ergebnisse
sind daher mit meinen an Kaninchen und Meerschweinchen angestellten
Versuchen nicht direkt vergleichbar. Vielleicht hat er übrigens auch Tiere
benutzt, die zu Versuchszwecken nicht als einwandfrei gelten können.
Ich glaube, daß man trotz dieser gegenteiligen Resultate daran fest-
halten muß, daß der normale tierische Organismus im allgemeinen über Ein¬
richtungen verfügt, die ihn befähigen, einer Invasion von Darmbakterien
erfolgreich zu widerstehen. Dahin gehört zunächst die Peristaltik; sie
Termag wenigstens indirekt insofern einen Einfluß auf die Darmflora aus¬
zuüben, als sie die Bakterien zwingt, Ortsveränderungen mit ganz
verschiedenen Säure- bzw. Alkaleszenzgraden des Chymus durchzumachen.
Ferner ist der Dünndarm, also gerade der Teil des Darmes, in welchem
am leichtesten ein Bakteriendurchtritt erfolgt, unter gewöhnlichen Um¬
ständen meist vollständig bakterienfrei, weil er über wirksame bakterizide
Kräfte verfügt, die von der lebenden Dünndarmschleimhaut ausgeheu.
Drittens zeigen die Untersuchungen Uffenheimers 2 , daß der Alexin¬
gehalt des Blutes in letzter Linie entscheidet, ob Bakterien die Darm¬
wand passieren, in das Blut übergehen uud sich dort halten können. Ist
doch nach seinen Feststellungen die Darmwand eines ausgewachsenen
Kaninchens, dem sein Alexin durch Injektion von Ziegenblutkörperchen
genommen ist, für Prodigiosuskeime durchgängig, während die normalen
Kaninchen keinen Durchtritt dieser Mikroben zeigen.
Man könnte einwenden, daß ein Durchtritt von Bakterien durch das
Schleimhautepithel sehr wohl erfolgen könne, daß aber diese Bakterien
an einer Stelle, die nahe der Durchtrittsstelle gelegen ist, vermehruugs-
1 A. a. 0.
1 Uffenlieimer, Münchener med. Wochenschrift. 1907. I. S. 9S1.
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unfähig gemacht werden, so daß deshalb ihr kultureller Nachweis mi߬
lingen muß. Von Bizzozero 1 , Bibbert 2 , Manfredi 3 sind bekanntlich
in den Lymphfollikeln des Processus vermiformis und des Sacculus rotundus
beim normalen Kaninchen Bakterien gefunden worden, und Manfredi
hat diese Bakterien nicht züchten können. Wenn dieser letzte Umstand
auf einer Entwicklungshemmung der betreffenden Bakterien beruhen würde,
so wären damit die negativen Resultate der kulturellen Blut-, Lymph-
und Organuntersuchungen vollauf erklärt. Man müßte dann also an¬
nehmen, daß vielleicht in der Epithelzelle oder in den Lymphfollikeln
die in der Darmwand enthaltenen Bakterien geschädigt und entwicklungs¬
unfähig gemacht werden. Aber in der Literatur finden sich doch zu
wenig Angaben von positiven Bakterienbefunden in der Darmwand unter
physiologischen Verhältnissen; und Manfredis Untersuchungen beziehen
sich nur auf Kaninchen.
Noch ein anderer Ein wand wäre möglich, nämlich daß die entwick¬
lungshemmende bzw. auf lösende Kraft erst einsetzt, nachdem die Mikro¬
organismen bereits in die Chylus- und Lymphgefäße des Darmes oder in
die Lymphdrüsen oder sogar erst jenseits dieser, zwischen ihnen und der
Eintrittsstelle des Chylus ins Blut vorgedrungen sind (Ficker); auch an
eine Summation der in den einzelnen Stadien wirkenden entwicklungs¬
hemmenden Kräfte könnte gedacht werden. Dagegen sprechen aber u. a.
die Versuche Bogozinskis, der in Ergänzung seiner durch das Kultur¬
verfahren erhaltenen Resultate die Mesenterialdrüsen auch mikroskopisch
in Schnitten untersuchte. Bei den meist negativen Befunden, die er auf
diese Weise wohl wegen der Schwierigkeit des Auffindens der ja nur ver¬
einzelt vorhandenen Keime erhielt, kam er auf den Gedanken, die etwaigen
in den Drüsen vorhandenen Keime erst in Bouillon anzureichem. Dabei
stellte es sich heraus, daß nach 4stündigem Verweilen der Drüsen in
Bouillon bei 37° in denselben durch Schnittpräparate hier und da ganze
Anhäufungen von mitunter ganz verschiedenen Mikroorganismen nach¬
zuweisen waren. Hieraus geht deutlich hervor, daß die in den Drüsen
vorhandenen Keime sowohl auf dem Wege hierher wie in den Drüsen
selbst eine erhebliche Entwicklungsfähigkeit sich bewahrt haben. Auch
sollte man meinen, daß bei einer stetigen oder wenigstens häufigen An¬
wesenheit von Bakterien in Darmwand, Drüsen usw. der Körper die
Bildung spezifischer Abwehrmittel durch die Anwesenheit von bakteriziden
und agglutinierenden Substanzen im Blut zu erkennen geben würde.
1 Bizzozero, Centralblatt f. med. Wissetisch. 1885. S. SOI.
2 Ribhert, Deutsche med . Wochenschrift . 1885. S. 197.
3 Manfredi, Baum gartens Jahresbuch. 1886. S. 376.
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BaKTERIENDURCU LÄSSIGKEIT DES DaRMS.
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V.>n solchen Substanzen dem häufigsten Darmbewohner, dem Bact. coli,
i. B. gegenüber besitzt aber das normale Blut nur verschwindend geringe
Mengen, die in keiner "Weise als der Ausdruck einer spezifischen Gegen-
i-istung des Körpers gedeutet werden können.
Ich glaube daher nicht, daß durch jene Einwände die Annahme der
physiologischen Bakterienundurchlässigkeit der normalen Darmwand er¬
schüttert werden kann. Wohl aber ist zuzugeben, daß in praxi wahr¬
scheinlich gar nicht so selten durch irgendwelche Zufällig¬
keiten im Darm Verhältnisse geschaffen werden, die sich von
ien physiologischen entfernen, und daß solche Zufälligkeiten
auch die Funktionsfähigkeit einzelner Teile der Darmwand
derart beeinträchtigen können, daß sie ihre Undurchlässigkeit
vorübergehend einbüßen. Zunächst ist hier an pathologisch veränderte
•Stellen der Darmwand zu denken, die mikroskopisch Läsionen erkennen
lassen: Hyperämie und Desquamation oder Epithellockerung der Darm¬
mukosa, kleine Verletzungen, wie sie besonders durch Darmwürmer, die
man ja häufig bei Tieren findet, verursacht werden können. Ferner ist
an Beizung der Darmschleimhaut durch ungewöhnliche Nahrungsmittel
zu denken, z. B. Tiermilch bei Pflanzenfressern. Die Veranlassung zur
endogenen Infektion kann in solchen Fällen der veränderte Darmiuhalt
bilden, der gewissen Darmbakterien als guter Nährboden dient und ihre
Verbreitung in andere Darmabschnitte befördert. Ficker stellte fest,
äaß bei hungernden Tieren ein Hinaufsteigen der Bakterien aus dem
Dickdarm in den sonst meist bakterienfreien Dünndarm stattfindet, eine
Erscheinung, die auch Moro bei schweren Verdauungsstörungen der
Säuglinge beobachtet haben will, und in der er einen direkten Hinweis
auf die vermehrte Aggressivität der Darmbakterien sieht.
Durch die Untersuchungen von Ficker ist ferner erwiesen, daß bei
länger währender Nahruugsentziehuug und unter dem Einfluß der Er¬
schöpfung Keime aus dem Darmlumen ins Körperinnere hineingelangen
können und daß eine Kombination von Nahrungsentziehung und Ermüdung
den Übertritt von Darmbakterien außerordentlich begünstigt. Durch
Hunger und Erschöpfung wird die Funktion der Verdauungsdrüsen ge¬
schädigt, die Peristaltik vermindert; speziell der Hunger veranlaßt eine
erhebliche Desquamation des Schleimhautepithels. Man wird daher nicht
fehlgehen, diese auf einer Infirmität der Einzelzelle beruhenden Momente
als die Hauptursachen eines Bakterienübertritts zu betrachten.
Diese Annahme, daß kleinste Läsionen der Darmschleimhaut den Ein¬
tritt von Keimen gestatten, kontrastiert allerdings mit den Ansichten, die
Neisser 1 in seiner Arbeit auf Grund seiner experimentellen Ergebnisse
1 Siehe Nr. 1.
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ausspricht. Er stellte fest, daß die Darmschleimhaut von Kaninchen, Meer¬
schweinchen usw., auch wenn sie künstlich geschädigt wird, für Bakterien
undurchlässig bleibt. Als epithelschädigende Mittel verfütterte er unter
anderem Krotonöl und Fluornatrium. Es lag mir daran, nachzuprüfen, ob
hier vielleicht in der Yersuchsanordnung Fehlerquellen vorhanden waren, die
zu so auffälligen Resultaten führen konnten. Ich verfütterte Fluornatrium per
Sonde in verschiedenen Mengen zugleich mit drei 24 Stunden alten Schräg*-
agarkulturen vonBacterium coli an ausgewachsene Meerschweinchen. Gleich¬
zeitig erhielten Kontrolliere Colikulturen allein.
Die Versuche ergaben folgendes:
1. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 350 s™, erhält 5 ccm einer
0*2°/ 0 igen Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen, vorher die Auf¬
schwemmung von 3 Schrägagarkulturen Coli. Tötung nach 13 Stunden.
Resultat: Magen und Darm zeigen keine Veränderung. Leber, Milz,
Drüsen, Blut frei von Coli. Lungen Coli + . Blinddarminhalt reichlich Coli.
2. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 400 grra , erhält 3 Colikul¬
turen und 5 ccm einer 0.4 °/ 0 igen Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen.
Tötung nach 13 Stunden.
Resultat: Magen und Darm zeigen geringe Rötung. Leber, Lunge, Blut,
Drüsen, Milz frei von Coli. Blinddarminhalt reichlich Coli.
3. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 380 grm , erhält ebenfalls
3 Colikulturen und 5 ccm einer 0*4°/ 0 igen Fl. Na.-Lösung. Tötung nach
13 Stunden.
Resultat: Magen und Darm zeigen geringe Rötung, Mesenterialdrüsen
Coli +. Lunge, Leber, Milz, Blut Coli O. Blinddarminhalt Coli reichlich.
4. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 390 grra , erhält drei Coli¬
kulturen und 0.025 * rm Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen. Tötung
nach 12 Stunden.
Resultat: Magen und Darm zeigen ziemlich starke Rötung. Lungen,
Blut, Mesenterialdrüsen Coli +, ebenfalls reichlich im Blinddarminhalt.
Leber, Milz Coli O.
5. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 370^“, erhält 3 Colikul¬
turen und 0 • 03 ^ Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen. Tötung nach
I 2 V 2 Sünden.
Resultat: Magen und Darm ziemlich stark gerötet. Lunge und Drüsen
Coli +; Leber, Blut, Milz Coli O. Blinddarminhalt reichlich Coli.
6. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 405 ? rm , erhält 3 Colikul¬
turen und 0*04 fr 1 ™ Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen.
Resultat: Das Tier wird 6 Stunden nach der Fütterung tot aufgefunden.
Magen und Darm zeigen starke Rötung.
7. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 410 ^ rra , erhält 3 Colikul¬
turen ohne Fl. Na.-Lösung. Tötung nach 13 Stunden.
Resultat: Lungen Coli +, ebenso reichlich Blinddarminhalt; sonst 0.
Magen und Darm normal.
8. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 360 grm , erhält 3 Colikul¬
turen per Sonde in den Magen ohne Fl. Na.-Lösung. Tötung nach 13 Stunden.
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Bakteriendürchlässigkeit des Darms.
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Resultat: Magen und Dann normal: Leber, Lunge, Blut, Drüsen, Milz
Coli O. Blinddarminhalt reichlich Coli.
Ans diesen Versuchen geht hervor, daß 0*01 Rral Fl. Na. einen Bak¬
terien dorchtritt nicht bewirkt, dagegen Dosen von 0*02—0*03 srm fast
regelmäßig einen solchen ermöglichen. 0 • 04 prm Fl. Na. töteten das Tier
in kurzer Zeit.
Ich muß daher annehmen, daß M. Neisser vielleicht entweder zu kleine
Dosen Fluornatrium verfüttert hat, oder daß die Versuchsanordnung, durch
welche ein Eliminieren aller zufälligen Verunreinigungen bewirkt werden
sollte» auch die Versuchsbakterien mitbetroffen hat. Für eine zweifellos lädierte
Darmschleimhaut wird man einen Bakteriendurchtritt trotz der Neissersclien
Versuche für wahrscheinlich halten müssen.
Übrigens zeigt sich auch bei diesen Versuchen wieder, wie relativ häufig
durch Sondenfütterung ein verleibte Bakterien in den Lungen der Versuchs¬
tiere nachgewiesen werden können.
Auch solche Darmzustände wird man als abweichend vom physio¬
logischen bezeichnen dürfen, die unter dem Einfluß einer experimentellen
Verabreichung sehr großer Dosen angeblich gänzlich harmloser, tat¬
sächlich aber doch toxischer Bakterien entstehen. Dahin gehört z. B. der
Bac. prodigiosus, der, in kleinen Mengen genossen, meist reaktionslos den
Verdauungskanal passiert, aber in großen Mengen durch gewisse Stoff¬
wechselprodukte und beim Absterben frei werdende Endotoxine Darm¬
reizung veranlassen kann. Gelegentlich anderer Versuche worden im
hiesigen Institut bei Versuchstieren, die große Mengen Prodigiosus per 09
erhalten hatten, Hyperämie der Dannschleimhaut und kleine Ekchymosen
in der Tat beobachtet; und wie oben erwähnt, löste auch bei Dr. Ballin
der reichliche Genuß von Prodigiosus leichte Enteritissymptome aus. 1 Viel¬
leicht können sogar eingeführte Bakterien durch die veränderten Lebens¬
bedingungen im Darm zur Bildung neuer, das Epithel schädigender Stoff¬
wechselprodukte augeregt werden (Klimenko). Beim Experimentieren
mit sehr großen Mengen körperfremder Bakterien wird es sich daher
schwer einwandfrei entscheiden lassen, ob eine ganz normale Darm wand
Vorgelegen hat oder nicht. Jedenfalls sprechen vereinzelte positive Versuchs¬
befunde nicht ohne weiteres für physiologische Durchlässigkeit der Darm¬
wand, während allerdings negative Piesultate für eine physiologische
l'ndurchlässigkeit als beweisend angesehen werden können, falls die
Versuchstechnik keine Fehler zuläßt, durch die der negative Befand auch
in anderer Weise erklärt werden kann.
Wenn zwischen den Ballinschen Versuchen und anderen einwand¬
freien Versuchsreihen, wie z. B. denen von Ficker, gerade bezüglich des
Prodigiosus Differenzen zutage treten, der Art, daß z. B. Ballin selbst
1 Genauere Mitteilungen über die Gifte des B. prodigiosus machte E. Klein,
C’eniralblatt für Bakteriologie , 1893 und Bertarelli, Ebenda. 1903.
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bei jungen Tieren nur negative Resultate hatte, so liegt dies vermutlich
daran, daß erstens die Mengen der verfütterten Keime differierten (die
ungefähren Angaben über die Anzahl der verwendeten Kulturröhrchen
lassen sehr starke Schwankungen der Zahl zu); und daß zweitens die
Toxizität der Prodigiosusstämme verschieden war.
Gehen wir von den saprophy tischen Keimen zu den halbpathogene n
und pathogenen über, so ist in meinen Versuchen zunächst auffallend,
daß gerade die von mir absichtlich gewählte kleinste Sorte halb pathogener
Bakterien, die Rotlaufbazillen, nur negative Resultate ergaben. Vielleicht
haben sie unter den ihnen fremden Verhältnissen keine Toxine gebildet;
vielleicht war auch ihre Zahl zu gering, oder ihre Neigung, längere Fäden
zu bilden, störend. Die sogenannten „Massenkulturen“ dieser Bazillen
sind vermutlich mit anderen Massenkulturen in bezug auf die Zahl der
freien Einzelindividnen schwer vergleichbar.
Anders liegt die Sache bezüglich pathogener Bakterien, speziell virulenter
Milzbrand bazillen. Ein einfach mechanischer Durchtritt durch die Darm¬
wand innerhalb weniger Stunden nach der Aufnahme scheint allerdings
auch hier nicht möglich zu sein. Beiausgewachsenen Kaninchen gelang
es mir niemals, die verfütterten Bazillen im Blut und den Organen
wiederzufinden. Aber bei einem ausgewachsenen Meerschweinchen zeigten
sich die Bazillen in den Mesenterialdrüsen, Blut und Lunge, bei einem
anderen nur in den Mesenterialdrüsen. In den letzten Fällen wird man
geringfügige pathologische Änderungen der Darmschleimhaut kaum als
alleinige Ursache ansehen dürfen; und sicher nicht in den Fällen — 3 von
5 Versuchstieren —, wo junge Tiere gefüttert waren und also in der
Mehrzahl der Versuche in den Mesenterialdrüsen Milzbrand aufwiesen.
Dies Ergebnis scheint zunächst weder den früher von Behring ge¬
wonnenen Resultaten, noch denen von Uffenheimer zu entsprechen.
Behring fand, daß Meerschweinchen im Alter bis zu 8 Tagen bei
Fütterung mit virulenten sporenfreien Milzbrandbazillen in Milch ebenso
schnell an Milzbrand starben, wie nach der sonst üblichen Infektions-
methode, und daß nach Verfütterung abgeschwächter Milzbrandbazillen
an neugeborene Meerschweinchen das Blut bazillenhaltig war, ohne daß
die Versuchstiere hinterher zugrunde gingen. Uffenheimer dagegen
berichtet, daß auch die Verfütterung sehr großer Mengen von Milzbrand¬
bazillen in 25 Versuchen ohne jeglichen Nachteil für das neugeborene
Meerschweinchen vertragen wurde; während drei andere Tiere, die mit
sporenhaltigem Material gefüttert wurden, an typischem Milzbrand starben.
Uffenheimer macht hierfür allerdings nicht den Sporengehalt der Kultur,
sondern kleine Verletzungen verantwortlich, die bei der Fütterung mög¬
licherweise vorgekommeu seien.
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Baktebiendubchlässigkeit des Daems.
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Ich möchte glauben, daß der Sporengehalt bei derartigen Versuchen
doch von ausschlaggebender Bedeutung ist, und daß auch meine relativ
häufigen positiven Resultate darauf zurückzuführen sind, daß in meinen
Kulturen widerstandsfähige Sporen vorhanden waren. Nebenher mag auch
noch die Virulenz des Stammes in Betracht kommen; der von mir be¬
nutzte war stark virulent, er tötete bei subkut. Impfung eine Maus in
24 Stunden, ein Meerschweinchen in etwa 2 Tagen.
Derartigen pathogenen Keimen, insbesondere in Sporenform, ist es
offenbar möglich, sich selbst einen Weg durch die Darmwand zu bahnen.
Lagern sie längere Zeit in einer Schleimhautfalte, so werden sie eine ge¬
wisse Vermehrung leisten, und vermöge ihrer Stoffwechselprodukte die
Darmepithelzellen schädigen, mit denen sie in Berührung sind, und das
Epithel mindestens in einen Zustand versetzen, daß es dem Durchgang
keinen Widerstand mehr entgegensetzt. Besonders leicht wird dieser
Prozeß sich an solchen Epithelzellen abspielen, die schon an und für sich
einen- locus minoris resistentiae bilden: solche, die im Absterben begriffen
und ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen sind, oder auch die ganz jungen
Zellen, die eben für abgestoßene als Ersatz eingerückt sind (Ficker).
Insofern wird auch hier der Zufall eine gewisse Rolle spielen, und es ist
ohne weiteres verständlich, wenn nicht alle in der gleichen Weise behan¬
delten Tiere gleich reagieren.
Noch eine andere Möglichkeit für die Beförderung pathogener Keime
darf wohl nicht ganz unberücksichtigt bleiben, nämlich die durch die Leuko¬
zyten. Infolge der Reizwirkung, die die Parasiten zweifellos auszuüben
vermögen, werden die Leukozyten vielleicht in erhöhtem Maße, als es ge¬
wöhnlich der Fall ist, veranlaßt, in das Darmlumen hindurchzutreten, um
ihrer Aufgabe, die Eindringlinge in sich aufzunehmen und unschädlich
zu machen, gerecht zu werden. Walz 1 und andere Autoren glauben,
daß eine Rückwanderung der Leukozyten oder wenigstens eines Teiles
derselben aus dem Dannlumen in und durch die Schleimhaut stattfinde,
1 so daß dann diese zurückwandernden Leukozyten Milzbrandbazillen trans¬
portieren könnten. Solange letztere sich in den Leukozyten befinden,
hört ihre zellschädigende und infizierende Wirkung natürlich auf. Die
! beladenen Leukozyten können bis in die regionären Lymphdrüsen oder
sogar noch weiter durch den Lymphstrom transportiert werden. Fallen
sie den Bazillen zum Opfer, so werden letztere wieder frei und können
dort, wo sie liegen bleiben, von neuem schädigend oder infizierend wirken.
Ich habe mich bemüht, einige Beweise für die Richtigkeit dieser hypo-
; thetischen Annahme beizubringen. Fertigte ich aus dem Dünndarm-
1 Walz, Arbeiten a. d . yathol. Institut Tübingen. Bd. VI. S. 244.
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schleim eines normalen Meerschweinchens unmittelbar nach der Tötung
mikroskopische Präparate an und färbte sie mit Löfflers Methylenblau,
so konnte ich nur höchst selten polymorphkernige Leukozyten nachweisen.
Das Bild änderte sich dagegen, wenn dem Tier mit der letzten Nahrungs¬
aufnahme Milzbrandbazillen in großen Mengen (6 Schrägagarkulturen)
verfüttert wurden. Hier ließen die mikroskopischen Präparate eine be¬
deutend größere Anzahl polymorphkerniger Leukozyten erkennen, ein Be¬
fund, der auf eine vermehrte Durchwanderung der Leukozyten in das
Darmlumen schließen läßt.
Ich versuchte auch, durch eine große Anzahl Schnittserien im Darm¬
epithel selbst Leukozyten, womöglich solche, die Milzbrandbazillen in sich
aufgenommen hatten, nachzuweisen. Die wenigen Leukozyten, die ich im
Epithel erkennen konnte, lassen indes Deutungen in obigem Sinne nicht
zu. Solche mit gefressenen Milzbrandbazillen habe ich niemals finden
können. Ich kann einstweilen also nur die Möglichkeit eines solchen
Invasionsmodus betonen.
Für die Weiterwanderung der Milzbrandbazillen in den Lymphstrom
ist aktive Vorwärtsbewegung auszuschließen, da der Bacillus unbeweglich
ist. Ein Durchwachsen — das nach entsprechender Zeit selbstverständlich
sowohl in die Blut* wie in die Lymphbahn erfolgen kann — wird in
den 12 Stunden, die zwischen Fütterung und Tötung der Tiere liegen,
schwerlich stattfinden, zumal Uffenheimer sogar nach 17 3 / 4 Stunden
einen solchen Durchtrittsmodus nicht beobachten konnte. Am wahr¬
scheinlichsten ist es vielmehr, daß die Bazillen zunächst durch Resorption
weitergelangen. Zur Erklärung der erleichterten Einwanderung in jugend¬
liche Individuen weist Ficker daraufhin, daß im jugendlichen Magen¬
darmkanal intensivste Resorptionstätigkeit herrscht, erheblich Btärker als
beim Erwachsenen.
Ist die Passage durch die Darmwand beendet, so walten die Lymph-
drüsen ihres Amtes und halten zunächst die Mikroben zurück. Eine
rasche Weiterwanderung habe ich nur einmal bei einem ausgewachsenen
Meerschweinchen beobachtet, bei dem ich nach 12 Stunden die Para¬
siten auch im Blut und in der Lunge nachweisen konnte; bei allen
übrigen Versuchstieren mit positivem Befunde gelangten die Bazillen
innerhalb der in meinen Versuchen eingehaltenen Fristen nur bis in die
Drüsen. Diese Ergebnisse stimmen mit denen Rogozinskis und Kli-
meukos vollkommen überein. Daß virulente Milzbrandbazillen schließlich
in den Drüsen proliferieren und nach einiger Zeit in die Blutbahn ein-
dringen können, ist aus früheren Beobachtungen bekannt.
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Bakteriendurchlässigkeit des Darms.
Ü5
Es bedarf kaum einer besonderen Betonung, daß die geschilderten
experimentellen Untersuchungen mit natürlichen Verhältnissen in
keiner Weise verglichen werden können. In praxi wird es, insbesondere
beim Menschen, nie Vorkommen, daß so ungeheure Mengen pathogener
Keime auf einmal verschluckt werden.
Überhaupt wird man nur mit größter Vorsicht die an Versuchstieren
gewonnenen Ergebnisse über Darmdurchgängigkeit auf den Menschen
übertragen dürfen. Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, daß schon
die verschiedenen Gattungen von Versuchstieren die größten Differenzen
bei sonst gleich angeordneten Versuchen gezeigt haben, daß Hunde sich
anders verhalten wie Kaninchen und diese anders wie Meerschweinchen.
Des weiteren hatten das Alter der Tiere und ihr sonstiger Gesundheits¬
zustand erheblichsten Einfluß.
Am- Menschen sind experimentell nur die 2 Ergebnisse ge¬
wonnen, die ich in der vorliegenden Arbeit mitgeteilt habe, die Selbst¬
versuche Ballins. Sie ergeben nach reichlicher Prodigiosusaufuahme ein
Fehlen dieser Keime in allen untersuchten Blutproben.
Aber außerdem liegt noch eine große Reihe von Blutuntersuchuugen
am Menschen, gesunden und kranken, erwachsenen und jugendlichen vor,
die schließlich auch ohne experimentelle Bakterieuzufuhr ein gewisses Ur¬
teil über die Darmdurchgängigkeit beim Menschen gestatten.
Abgesehen von den zahlreichen Blutuntersuchungen auf Typhus-,
Tuberkelbazillen usw., die eine Anwesenheit von Darmbakterien fast immer
vermissen ließen, hat neuerdings zunächst Strauch 1 über 2000 Leichen¬
blutuntersuchungen berichtet, die er im Eppendorfer Krankenhaus angestellt
hat. Von diesen 2000 Leichen hatten 998 steriles Blut. Es handelt sich
hier besonders um Patienten, die an chronischen, nicht infektiösen Erkran¬
kungen gestorben waren. Hier erwies sich das Blut auch stets frei von
Bact.coli. Aber auch bei den Leichen mit keimhaltigem Blut beliefen sich die
Colibefunde auf nur 13*2°/ 0 und auch hier handelt es sich gewöhnlich um
Erkrankungen, die sich insbesondere in der Bauchhöhle abspielten, und
da wieder in erster Linie um Peritonitis und die mannigfaltigen Affek¬
tionen des Magendarmkanals. Bei Kindern und älteren Erwachsenen
waren die Colibefunde im Blute häufiger als bei den übrigen Personen.
Mit Recht führt Strauch diese Erscheinung auf die in diesem Lebens¬
alter oft vorkommenden gastrointestinalen Störungen bzw. auf maligne
Neubildungen der Unterleibsorgane zurück. Also nur bei pathologi¬
schen Affektionen des Magendarmkanals finden wir typische Darmbewohner
im Blutstrom. Das seltene Einbrechen dieses Erregers in die Blutbahn
1 Strauch. Diese Zeitschrift. Ed. LXY. S. 18S.
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX j
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ist auch andern Forschern aufgefallen und findet meines Erachtens damit
die natürlichste Erklärung, daß unter gewöhnlichen, normalen Verhält¬
nissen ein Durchtritt dieser Mikroben durch die Darmwand nicht statt¬
findet, bzw. daß die Keime in den Mesenterialdrüsen zurückgehalten
werden.
Auch bei Kindern scheint ein physiologischer Durchtritt von Darm¬
bakterien nicht stattzufinden. Czerny und Moser 1 untersuchten von
80 lebenden magendarmgesunden Kindern 60 mal das Blut und fanden
es stets steril; bei 11 dyspeptischen Säuglingen hatten sie einmal einen
positiven Blutbefund, während bei 15 Kindern mit Gastroenteritis 12 mal
Bakterien im Blut gefunden wurden. Die Forscher glauben an eine Ein¬
wanderung der Bakterien aus dem erkrankten Darm und halten daher
die Gastroenteritis für eine Allgemeininfektion.
Slawyk* berichtet über bakteriologische Blutuntersuchungen an
infektiös erkrankten Kindern. Es zeigte sich, daß unter den positiven
Befunden (36*5°/ 0 ) kein einziges Mal Bact. coli vorhanden war. Als
Eingangspforte für die im Blute gefundenen Mikroben (besonders Strepto¬
kokken und Staphylokokken) bezeichnet er in erster Linie die Mundhöhle,
dann die Lungen und zuletzt den Darm, aber er setzt ausdrücklich hin¬
zu, „wenn ulzerös-enteritische Prozesse sich entwickeln, wie dies im Kindes¬
alter sehr oft vorkommt. Der Zusammenhang von pyämischen Prozessen
mit Enteritis ist ja bekannt, ebenso, daß in einer Reihe von Dickdarm¬
entzündungen Streptokokken eine ätiologische Rolle spielen.“ Auch dieser
Autor nimmt also stillschweigend an, daß der Darm, solange er gesund
ist, überhaupt nicht oder wenigstens außerordentlich selten die Eingangs¬
pforte für die im Blut gefundenen Mikroben darstellt.
Schließlich möchte ich noch die Befunde von Moro 3 erwähnen.
Dieser Forscher fand bei atrophischen Säuglingen häufig saprophytische
Bakterien im Blut und nimmt an, daß dieselben aus dem Darm stammen.
Mit Recht, glaube ich, erklärt er sich diese Befunde dadurch, daß er
ähnliche Befunde des Darmepithels bei diesen Kindern annimmt, wie er
sie (ebenso wie Ficker) bei hungernden Tieren nachgewiesen hat. Er
nimmt au, daß sich der atrophische Säugling in einer Art Hungerzustand
befindet und daß sein Dünndarm eine beträchtliche Desquamation oder
eine Ernährungsstörung des Epithels und eine dadurch bedingte Beein¬
trächtigung der Leistungsfähigkeit desselben aufweist, und daß hierdurch
der Bakteriendurchtritt ermöglicht wird.
1 Czerny und Moser, Jahrbuch für Kinderheilkunde. 1894. Bd. XXXVIII.
S. 430.
’ Slawyk, Ebenda. N. F. Bd. LIII. S. 505.
s A. a. 0.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Baktebiendubchlässigkeit des Daems.
67
Ich glaube, daß die Somme dieser Feststellungen am Menschen nns
gestattet, die Folgerungen, die wir für die Darmdurchgängigkeit aus den
Experimenten an Tieren ableiteten, in vollem Umfang auch auf den
Menschen zu übertragen.
Zusammenfassung:
1. Ein physiologischer Bakteriendurchtritt durch die normale Darm-
vand erwachsener Menschen, ausgewachsener Kaninchen und Meer¬
schweinchen sowie junger Hunde, Ziegen, Kaninchen und Meerschweinchen
findet nicht statt.
2. Nur bei pathologisch veränderter Darmwand kann ein solcher be¬
obachtet werden; allerdings auch dann, wenn die Veränderung nur sehr
geringfügig ist.
3. Milzbrandbazillen treten zuweilen bei ausgewachsenen, häufig bei
jungen Meerschweinchen durch die Darm wand hindurch, wenn große
Mengen dieser Mikroben verfüttert werden.
4. Die durch den Darm hindurchgetretenen Keime werden unter
normalen Verhältnissen in der Regel in den Mesenterialdrüsen eine Zeit¬
lang oder dauernd (bei Saprophyten) zurückgehalten.
5. Zahlreiche Blutuntersuchungen am Menschen weisen überein¬
stimmend darauf hin, daß nur bei krankhaften Veränderungen der Darm¬
schleimhaut ein Vordringen von Darmbakterien in die Blutbahn er¬
folgen kann.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized by
[Aus dem Staatlichen Hygienischen Institut zu Hamburg.]
(Direktor: Prof. Dr. Dunbar. AbteilungsVorsteher: Prof. Dr. Kister.)
Weitere Mitteilung über die Behandlung von Trink -
wasser mit ultravioletten Strahlen.
Von
Dr. L. Schwarz und Oberarzt Dr. Aumann.
In unserer ersten Mitteilung „Über Trinkwasserbehandlung mit ultra¬
violetten Strahlen“ 1 brachten wir zum Ausdruck, daß bei der Nutzbar¬
machung dieses Verfahrens auf eine längere Bestrahlungsdauer sowie auf
eine ausgiebige Bewegung des Wassers während der Behandlung besonderer
Wert zu legen sei. Dabei setzten wir voraus, daß nur absolut klares und
nicht zu keimhaltiges Rohwasser (bis zu 2000 Keime pro Kubikzentimeter)
zur Verwendung gelange.
Es war daher für uns von um so größerem Interesse, einen Apparat auf
seine Brauchbarkeit zu prüfen, der, wie der von der Westinghouse Cooper
Hewitt Gesellschaft in den Handel gebrachte 2 , obige Forderungen erfüllt.
Auf unseren Wunsch stellte uns die genannte Gesellschaft ihren Wasser¬
sterilisator Type B2 für Versuchszwecke in dankenswerter Weise bereit¬
willigst zur Verfügung. Dieser Wassersterilisator (s. Figg. 1 und 2) ist ein
zylinderförmiger, aus weißemailliertem Eisen hergestellter Behälter, in dem
der Sterilisationsbrenner — eine Quecksilberquarzlampe — oberhalb des zu
behandelnden Wassers hängend angebracht ist. Diese „freie Strahlung“
soll gegenüber den Unterwasserbrennern mehrere Vorteile haben, da bei
letzteren die Lampe einmal durch das vorbeiströmende Wasser stark ab¬
gekühlt und dadurch der Nutzeffekt herabgesetzt wird, des weiteren durch
1 Schwarz u. Aumann, Diese Zeitschrift. 1911. Bd. LXIX. Heft 1. S. 1.
* v. Recklinghausen, Industrielle Wassersterilisation mit ultraviolettem Licht.
Gesuiulh.-Inq. 1911. XXXIV. Jahrg. Nr. 9. S. 166. — Die Entkeimung des Trink¬
wassers. Wasser und Gas. 1911. I. Jahrg. Nr. 10. S. 277.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
L Schwarz ukd At tman n: Übeb Trinkwasserbehakdlung üsw. 69
die mit der Zeit aas dem Wasser auf der Lampenoberfläche abgeschiedenen
Salze and organischen Bestandteile die ultravioletten Strahlen in ihrer
Wirkung gehemmt werden.
Das Wasser wird durch im Innern des Apparates konzentrisch an*
gebrachte kegelförmige Scheidewände gezwungen, einen vorgeschriebenen
Weg zurückzulegen. Hierdurch wird eine ausgiebige Durchwirbelung des
zu behandelnden Wassers hervorgerufen; zugleich wird auch die Dauer
Fig. 1. Fig. 2.
Westinghou8e*SterilisatorTypeB2. Durchschnitt, Schaltung und Weg des Wassers.
A Begulierhahn u. Wasserzufluß. A. Regulierhahn und Wasserzufluß.
Blu.IL Entleerungshähne. BI u. IL Entleerungshähne.
BIII. Abfluß d. sterilis. Wassers. BIII. Abfluß des sterilisierten Wassers.
der Bestrahlung im Vergleich zu dem von uns zuerst geprüften Apparat
erheblich verlängert, da infolge der eingebauten Zwischenwände die Durch-
flußzeit vermehrt wird.
Auch für diesen Apparat gelten im großen und ganzen die gleichen
Verhaltungs- und Vorsichtsmaßregeln, wie wir sie bereits früher ausführlich
dargelegt haben, so daß wir auf diese hier nicht weiter einzugehen
brauchen. Wir möchten jedoch noch einmal darauf hinweisen, daß damit
zu rechnen ist, daß das an dem Apparat angebrachte blaue Glasfenster
feinen absol uten Schutz für die Augen darstellt. 1
1 Bieber, Deutsche med. Wochenschrift. 1911. Nr. 6. S. 645; vgl. aber auch
Vogt, Med. Klinik. 1911. Nr. 20. S. 783.
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
70
L. Schwaez und Aumann:
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Die zur Benatznng gelangende Lampe soll einen Strom von 37 2 bis
4 Amp. 110 Volt erfordern. Mittels des von der Gesellschaft mit ge¬
lieferten Vorschaltwiderstandes ist der Strom so zu regulieren, daß
20 Minuten nach Inbetriebsetzung die Spannung 75 Volt beträgt. Da za
hohe Spannung den Brenner gebrauchsunfähig, zu niedrige Spannung
(nach unseren Untersuchungen eine Spannung unter 59 bis 60 Volt) da¬
gegen die Sterilisationswirkung erheblich beeinträchtigt, so ist die unter
Umständen ziemlich zeitraubende Einstellung des Widerstandes genau vor¬
zunehmen, zumal außerdem nach einer Angabe der Firma auch be¬
sonderer Wert darauf zu legen ist, daß die erforderliche Spannung
von 75 Volt erst 20 Minuten nach Inbetriebsetzung erreicht wird. Wir
werden auf diese physikalischen Fragen später noch genauer eingeben
müssen.
Die Leistungsfähigkeit des Apparates soll bis zu 600 Liter sterilen
Wassers pro Stunde betragen, also eine für manche Zwecke durchaus aus¬
reichende Wassermenge. Ferner befindet sich in der Gebrauchsanweisung
folgende Angabe: „Nach Verlauf von 2 Minuten enthält das heraus¬
laufende Wasser keine pathogenen Mikroben mehr, es ist also gebrauchs¬
fertig. Will man vollkommen sterilisiertes Wasser haben, so lasse man
etwa 10 bis 20 Minuten verstreichen, ehe man das Wasser herausläßt
bzw. benutzt, da erst nach Verlauf dieser Zeit der Brenner seine normale
Leuchtkraft bzw. sein Sterilisationstermögen erreicht.“ Damit wird unserer
Meinung nach zum Ausdruck gebracht, daß die ultravioletten Strahlen
elektiv auf die pathogenen Mikroorganismen gegenüber den gewöhnlichen
Wasserbakterien einwirken, eine Behauptung, die wir durch unsere Ver¬
suche in keiner Weise haben bestätigen können; wir haben im Gegenteil
fast stets feststellen können, daß in erster Linie die Wasserbakterien ge¬
schädigt wurden und erst in zweiter Linie die von uns gewählten Test¬
bakterien, wobei allerdings die Resistenz der einzelnen Bakterienarten eine
große Rolle spielte. Es werden also Keime, die ungefähr die gleiche
Resistenz wie die gewöhnlichen Wasserbakterien haben, in gleicher Weise
wie diese abgetötet, resistentere Keime erst nach längerer Bestrahlungs¬
dauer. Für weniger resistente Bakterien würde naturgemäß der um¬
gekehrte Fall gelten. Nach Verlauf von 2 Minuten sind bei unseren
Versuchen in keinem Falle die von uns gewählten Testbakterien sämtlich
abgetötet.
Auf dem Apparat selbst ist nochmals vermerkt, daß das Wasser erst
nach 10 Minuten Brenndauer zu benutzen ist. Nach jedesmaligem Ge¬
brauch ist der Behälter mittelst der beiden Abflußhähne „gründlich zu
entleeren“ und, wie wir nach unseren Erfahrungen hinzufügen wollen,
gründlich durch Bürste und rückläufige Spülung zu reinigen.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über Trinkwasserbehandlüng mit ultravioletten Strahlen. 71
Eiue unerläßliche Voraussetzung bei Benutzung des Apparates ist,
daß nur vollkommen klares Wasser der Behandlung unterworfen wird.
Zur ausreichenden Klärung kann bei trüben Wässern unter Umständen
eine Vorbehandlung durch Sandfilter genügen; andere Wässer müßten
durch umständlichere Verfahren wie z. B. Zusatz von Aluminiumsulfat,
Permanganat usw. vorgereinigt werden. Diese Schwierigkeit wäre wohl
auch besonders bei einer Einführung der fahrbaren Trinkwasserbereiter für
die Zwecke der Versorgung der Truppe im Felde 1 mit einwandfreiem
Wasser in Betracht zu ziehen, wenn man nicht auf kleinere Filter z. B.
Sucrofilter, wie sie hier in Frage kommen können, zurückgreifen will.
A.
I.
Die Versuchsordnung war bei der Prüfung dieses Apparates im all
gemeinen die gleiche, wie wir sie bei unseren früheren Untersuchungen 2
gewählt hatten.
Nachdem wir, wie es erforderlich ist, durch Regulierung des Stell¬
hahns den Wasserzufluß so eingestellt hatten, daß wir eine Wasser¬
lieferung von 600 Liter pro Stunde erzielten, stellten wir zunächst
wiederum die Geschwindigkeit fest, mit der sich das Wasser bei der an¬
gegebenen Höchstleistung durch den Apparat bewegte. Diese Zeit ent¬
spricht auch ungefähr der Dauer der Bestrahlung durch die ultravioletten
Strahlen.
Durch mehrere Kontrollversuche mit Fluoreszeinzusatz ermittelten wir,
daß die einzelnen Wasserteilchen von der Stelle des Eintritts in den
Apparat bis zum Ausfluß etwa 15 Sekunden gebrauchen. Bei einer ge¬
ringeren Wasserlieferung als 600 Liter pro Stunde würde diese Zeit natür¬
lich entsprechend länger sein, z. B. bei nur 300 Liter stündlicher Wasser¬
abgabe etwa 80 Sekunden.
Allerdings ist wohl das Wasser während der gesamten Dauer von
15 Sekunden nicht ständig den ultravioletten Strahlen ausgesetzt, da durch
die kegelförmigen Zwischenwände ein Teil des Wassers nach dem ersten
Überlauf verdeckt wird. Dieses Wasser wird aber dann vor dem zweiten
Überlauf nochmals den ultravioletten Strahlen ausgesetzt und tatsächlich
dadurch auch erst, wie wir uns durch eine große Zahl von Versuchen
überzeugen konnten, ein vollkommener Sterilisationserfolg erzielt, v. Reck-
1 Deeleman, Deutsche milit.-ärstl. Zeitschrift. 1910. XXXIX. Jithrg. Hft. 11.
8.409. u. 1911. Hft. 6. S. 247.
s A. a. O.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
72
L. Schwarz ünd Aumann:
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linghausen 1 gibt zwar an, daß das zu behandelnde Wasser nur während
5 Sekunden den Strahlen der Quecksilberlampe ausgesetzt würde und daß
diese Zeit genüge, ein steriles Wasser zu erhalten. Wir konnten jedoch
feststellen, daß einmal die Wasserteilchen von der Stelle des Eintritts bis
zum ersten Überlauf bereits etwa 5 Sekunden gebrauchen, des weiteren
aber auch, wie bereits angedeutet, daß nach dieser Zeit das Wasser tat¬
sächlich noch nicht keimfrei ist. Ihre Hauptwirkung üben allerdings die
ultravioletten Strahlen, wie es bei dem Bau des Apparates ja auch ver¬
ständlich ist, innerhalb der ersten 5 Sekunden aus, zur Erzielung eines
keimfreien Wassers genügt diese Zeit aber nicht. Einige Beispiele mögen
dieses zeigen.*
Tabelle I.
Testbakterien
1 Wassermenge
pro Stunde
1 in Eitern
Ungefähre
Einwir- |
1 kungszeit:]
Keimzahl
in 1
u. 2
i ccm
I
Anreicherung
10 ccm | 200 ccm
so
i, <=
3
halbbeh.
Wasser
! voll bell,
j Wasser
i u
1 . o
i ° 2
! *
halbbeh.
Wasser
1 2 „
vollbeh.
Wasser
1. j 2.
| halbbeh.
Wasser
vollbeh.
Wasser
halbbeh.
! Wasser
vollbeh.
Wasser
Ä*
za
i
i
I Sekunden ;
i
i
I
Kein Zusatz .
600
5
15 1
| 300
3
12
0
0
+ 1
0
1 +
0
75
Bact. prodig..
; 600
1 5
15 1
50
1
3
0
0
+
0
' +
1 0
75
Bact. violac. .
: 600
5
15
100.
5
8
0
0
+
o
+
i o
75
Bact. coli . . .
600 !
• 5
15
1000 ^
30
i
| 50
0
0
+ !
! o
i + j
i
0
! 75
Bei unseren sämtlichen Prüfungen begnügten wir uns nicht nur damit,
Mengen bis zu 10 ccm auf Sterilität zu untersuchen, sondern wählten noch
solche von 100 bis 200 ccm , da uns unsere früheren Untersuchungen
bereits von der Notwendigkeit dieses Verfahrens überzeugt hatten. Wir
gingen stets gleichmäßig in der Art vor, daß wir bei allen Proben
Gelatineplatten mit 1 und 2 ccm zur Feststellung der Keimzahl überhaupt
anlegten, außerdem wurden dann noch 10 CCID und mindestens 100 ccm mit
den bei den einzelnen Testbakterien in Betracht kommenden spezifischen
Anreicherungsmedien bebrütet — also bei Leuchtvibrionen Peptonwasser,
bei Colibakterien Glukose usw. Die weitere Identifizierung der getrübten
1 A. a. o.
2 Die Roh wasserproben entnahmen wir, wie auch bei allen folgenden Unter¬
suchungen am I. Entleerungshahn (B I), der sich außerhalb des den Strahlen aus¬
gesetzten Raumes befindet, die Proben, die den ersten Überlauf passiert hatten —
wir wollen sie als „halbbehandelte" bezeichnen — am II. Entleerungshahn (B II).
Diese Proben nahmen wir jedesmal am Schluß einer über eine längere Zeit aus¬
gedehnten Versuchsreihe, nachdem wir nach Öffnung des Hahnes B II längere Zeit
hatten ablaufen lassen.
Gck 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
I
CbEK TßlNKWASSEBBEHANDLUNG MIT ULTEAVIOLETTEN SlHAHLEN. 73
Wasserproben war von den jedesmal gewählten Testbakterien abhängig,
j Leuchtvibrionen wurden analog den bei Cholerauntersuchungen gebräuch¬
lichen Methoden (Peptonwasser, Choleraagarplatten, Gelatinestich usw.)
identifiziert. Bact. prodig. wurde dadurch nachgewiesen, daß von 48 stän¬
digen bei 22° bebrüteten Glukoseanreicherungen Globigsche Kartoffeln
mit 1 bis 2 ccm beschickt und mehrere Tage bei 22° beobachtet wurden.
Für Bact. violac. erwies sich diese Methode als nicht sehr geeignet. Es
wurden daher jedesmal von den verdächtigen getrübten Böhrchen, die
mit Glukose angereichert waren, Gelatineplatten angelegt, auf denen
Bact. violac. das charakteristische violette .Wachstum zeigte. Bact. coli
wurde in der Art nachgewiesen, daß von den getrübten Röhrchen je ein
Traubenzuckerbouillonröhrchen zum Nachweis von Gasbildung sowie eine
Eudoplatte beschickt wurden. Sporenbilder zeigten in Bouillonröhrchen
charakteristische Häutchenbildung.
Wir glauben, auch Grimm und Weldert 1 würden nicht ganz so
| günstige Ergebnisse erzielt haben, wenn sie gleichfalls Wassermengen bis
i zu 100““ und nicht nur bis zu 10 ccm einer Prüfung auf Sterilität unter¬
zogen hätten. Allerdings hatten sie bei ihrer Versuchsanordnung den
Vorteil, daß sie in einem wohl in Anlehnung an das Nogiersche Vorbild
konstruierten Blechgefaß länger dauernde Bestrahlung mit Durchwirbelung
des Wassers vereinigen konnten. Wir hatten dagegen bei unseren
früheren Untersuchungen den von der Quarzlampengesellschaft Hanau
konstruierten gläsernen Wasserbehälter benutzt, der die genannten Vor¬
teile nicht bietet.
I
II.
Bei unseren Untersuchungen mit dem Westinghouse-Modell stellten wir
j zunächst fest, welche Ergebnisse wir bei Benutzung von klarem, keim¬
armem Wasser erhalten würden. Als die in der Stunde gelieferte Wasser¬
menge wählten wir gleich 600 Liter, um dadurch auch sofort einen Anhalt
zu erhalten, ob der Apparat unter sonst günstigen Bedingungen imstande
wäre, wie behauptet, 600 Liter sterilen Wassers pro Stunde zu liefern.
Wir füllten den bereits früher benutzten eisernen Behälter von etwa
200 Liter Fassungsvermögen mit klarem Leitungswasser und ließen das
Wasser einige Stunden stehen. Während der Dauer des Versuches ließen
vir ständig frisches Wasser zulließen, so daß der Druck und damit auch
die gelieferte Wassermenge stets gleichmäßig blieben.
1 Grimm u. Weldert, Sterilisation von Wasser mittels ultravioletter Strahlen.
Mitteilungen aus der kgl. Prüfungsanstalt f. Wässerversorg, u. Abwässerbes. 1911.
Hft. 14. S. 85.
□ igitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
74
L. Schwarz und Aumann:
Die Ergebnisse waren folgende:
Tabelle II.
Klares Wassermenge
Wasser pro Stunde
Entnahme
nach
Beginn
des
Versuchs
Keimzahl
in 1 cc “
An¬
reicherung
Spannung
Volt
Temperatur
. o
^=3 co
o =2
**
Beh.
Wasser
a
u
V
©
a
8
o
o
JNj
Roh¬
wasser
Beh.
Wasser
Ohne 600 Liter,
_
300
_
_
_
_
8-5
_
Test- entsprechend
5 Min.
0
0
68
_
bakteriell etwa 15 Sek.
A
•70
! Bestrahlungs-
w „
u
0
72
dauer
15 ,,
o
0
0
74
—
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0
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0
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0
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0
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—
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—
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0
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—
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—
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0
75
—
—
55 „
—
0
0
0
75
—
—
60 „
300
o
0
0
75
— |
—
Der Apparat lieferte also bei Verwendung klaren, nicht zu keim-
haltigen Wassers, wie es nach einer rohen Vorklärung etwa zur Verfügung
stehen würde, in der Stunde 600 Liter sterilen Wassers. Allerdings
handelte es sich bei diesen Keimen nur um die gewöhnlichen Wasser¬
bakterien; ob wir auch bei auderen Mikroorganismen die gleichen
günstigen Ergebnisse erzielen würden, mußten erst die folgenden Ver¬
suche zeigen.
Zunächst erschien es noch wünschenswert, festzustellen, bei welchem
Keimgehalt die Grenze der Leistungsfähigkeit erreicht wird. Wir glauben
auch bereits auf Grund unserer früheren Erfahrungen, daß die bei sehr
bakterienreichem Wasser erhaltenen ungünstigen Ergebnisse durchaus
nicht so sehr auf die Mängel der Bakterienaufschwemmungen zurückzu¬
führen sind, als auf ein durch den hohen Keimgehalt an sich überhaupt
bedingtes Moment.
Die Methoden zur Herstellung von Bakterienaufschwemmung sind
so grobmechanische, daß es auch trotz sorgfältigster Verreibung und Fil¬
tration durch Papierfilter kaum gelingt, eine Verfilzung einzelner Bak¬
terien zu vermeiden, besonders auch, wenn es sich um bewegliche, also
mit Geißeln versehene Mikroorganismen handelt. Versuche, die wir an¬
stellten, um durch Bebrütung von mit ganz geringen Mengen infiziertem
Leituugswasser ausreichende Anreicherungen zu erhalten und dadurch die
Difitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Ceee Tbinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 75
Bakterienaufschwemmungen za umgehen, führten nicht zu befriedigenden
Besu] taten.
Wir haben aber auch unter natürlichen Verhältnissen mit Ver¬
klumpungen von Bakterien 1 zu rechnen, die dann bei der Anwendung
ultravioletter Strahlen die gleichen Schwierigkeiten bereiten würden, wie
äe bei artifiziell infizierten Wässern vorhanden sind.
Bei einem hohen Keimgehalt — schon von etwa 5000 Keimen pro
Kubikzentimeter an und höher — liegen jedoch Verhältnisse der Art vor,
'laß, auch wenn dem Auge das Wasser noch vollständig klar erscheint,
die Wirkung der ultravioletten Strahlen erheblich eingeschränkt wird.
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen mit außerordentlich bakterien¬
reichem Wasser finden sich in Tabelle III bis VI.
Tabelle M.
Test¬
serien
Wassermenge
pro Stunde
Entnahme
nach |
Beginn |
d<f$ 1
Versuchs j
üLeimzani
in 1 ccm
An¬
reicherung
| Spannung
j Volt
Temperatur
| Roh-
| Wasser
• 2
JS SO
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a
o
o
2
a
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V
§_
» o
-< SC
3 a
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j Wasser
Bact.
600 Liter
—
250 000
_
_
_
! _
7-7
_
predig.
entsprechend
5 Min.
_
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' 70
_
einer Be-
i Strahlung von
10
—
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—
ungefähr
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Tabelle IV.
Bact.
600 Liter
_
50000
_
_
_ 1
_ !
_
__
coli
wie oben
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Min.
—
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—
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—
40
—
5
+
+ ;
1 75 ,
—
—
1 Eine Bestätigung unserer Ansicht fanden wir bei
Amann: „
Die direkte
Zählung der Wasserbakterien mittels des Ultramikroskops“, (Centralblatt für Bak-
kriologie. IL Bd. XXIX . S. 382), der schreibt: „Die ultramikroskopische Beobach-
^ug zeigt öftere im Wasser Bakterienhaufen, welche von zahlreichen oder sehr zahl¬
reichen Individuen gebildet sind.
Digitized b'
'V Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
76
L. Schwabz und Aumann:
Digitized by
Tabelle V.
Test¬
bakterien
Wassermenge
pro Stunde
i. . .
Entnahme
nach
Beginn
des
Versuchs
Keimzahl
in 1 «*“
An¬
reicherung
| Spannnng
Volt
Temperatur
Roh-
Wasser
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Wasser
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Tabelle VI.
Bact.
600 Liter
_
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_
_
_
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—
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—
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' —
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—
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1 — 1
—
Wir fanden also wiederum eine beträchtliche Keimverminderung, er¬
hielten jedoch auch bei längerer Dauer des Versuchs kein einziges Mal
keimfreies Wasser, ein Ergebnis, das sich mit unseren früheren Erfah¬
rungen deckte. Wir haben bereits in unserer ersten Mitteilung betont,
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Cbeb Tbinkwassebbehandlung mit ultbavioletten Stbahlen. 77
daß bei der Behandlung von Wasser mit ultravioletten Strahlen wegen
des Mangels einer elektiven Wirkung auf pathogene Mikroorganismen
ein praktisch keimfreies Wasser zu verlangen sei, eine Forderung, die im
Gegensatz hierzu bei der langsamen Sandfiltration z. B. nicht zu stellen
ist. Daher verwendeten wir bei unseren weiteren Versuchen nur noch
Rohwasser mit bedeutend geringerem Keimgehalt.
Die in der Praxis vorkommenden Wässer mit Keimzahlen von 5000
und mehr Keimen pro Kubikzentimeter dürften wahrscheinlich auch schon
aus anderen Gründen für eine Behandlung mit ultravioletten Strahlen
ungeeignet sein, bzw. müßten erst einer geeigneten Vorbehandlung unter¬
worfen werden.
Als Testbakterien hatten wir bei unseren weiteren Untersuchungen
zunächst solche Keime gewählt, die bezüglich ihrer Resistenz den Wasser¬
bakterien im allgemeinen ziemlich nahe stehen, oder wenn auch nur um
ein geringes resistenter sind als diese. Diese von uns verwendeten Mikro¬
organismen gehen auch einen zweckmäßigen Ersatz für pathogene Bak¬
terien, da sich ein Experimentieren mit Krankheitserregern in größerem
Maßstabe doch nur mit erheblichen Schwierigkeiten durchführen läßt.
Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in folgenden Tabellen zu-
sammengestellt:
Tabelle VII.
Test¬
bakterien
Wassermenge
pro Stunde
Entnahme
nach
Beginn
des
Versuchs
Keimzahl
in l cc “
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
78
L. Schwabz und Aumann:
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Tabelle YIII.
Testbakterien
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des
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Tabelle IX.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tbib Tbinkwassebbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 79
Tabelle X.
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Tabelle XI.
Testbakterien |
Wassermenge
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nach
Beginn
des
Versuchs
Keimzahl
in 1 ,cm
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wasser
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—
—
—
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Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
80
L. Schwarz und Aumann:
Digitized by
Wir erhielten also in sämtlichen Versuchsreihen auch noch bis zu
einer Keimzahl von etwa 1800 pro Kubikzentimeter ein praktisch keim¬
freies Wasser bei einer Höchstleistung von 600 Liter pro Stunde. Die
Grenze der Leistungsfähigkeit dürfte nach einem Überblick über die Ver¬
suche der Tabellen X und XI, sowie der Tabellen V und VI zwischen
einem Keimgehalt von etwa 2000 bis 5000 liegen. Da es uns aus¬
reichend erscheint, wenn Wasser mit einem Keimgehalt bis zu 2000 Keimen
pro Kubikzentimeter praktisch sterilisiert wird, so haben wir von weiteren
Versuchen zur genaueren Bestimmung der Grenze der Leistungsfähigkeit
abgesehen.
Bei unseren Versuchen mit Keimzahlen bis zu 1800 Keimen haben
wir keine Fehlresultate erzielt, die etwa auf eine ungeeignete Zubereitung-
des Testmaterials zurückzuführen gewesen wären. Dies scheint uns eine
Stütze für unsere bereits oben geäußerte Ansicht, daß die ungünstigen
Ergebnisse bei höherem Keimgehalt nicht so sehr auf Mängel der Bak¬
terienaufschwemmung als auf den hohen Keimgehalt überhaupt zurückzu¬
führen sind. Diese Frage ist sicherlich von nicht zu unterschätzender
Bedeutung bei Flüssigkeiten, die, wie z. B. Milch, im allgemeinen einen
außerordentlich hohen Keimgehalt haben, ganz abgesehen von den Schwierig¬
keiten, die einer Sterilisierung von Milch mit ultravioletten Strahlen aus
anderen Gründen überhaupt entgegenstehen.
Nachdem wir somit gefunden hatten, daß Keime, die bezüglich ihrer
Resistenz und Lebensbedingungen den in unseren Gegenden am meisten
in Betracht kommenden pathogenen Mikroorganismen annähernd ent¬
sprechen, bei nicht zu hohen Zahlen schon nach kurzer Bestrahlungs¬
dauer abgetötet werden, gingen wir dazu über, die Wirkung der ultra¬
violetten Strahlen auf resistentere Keime (Sporenbildner) festzustellen. Aller¬
dings spielen diese Art Keime unter praktischen Verhältnissen wohl eine
untergeordnetere Rolle; es schien uns aber doch von Interesse, festzustellen,
in welchem Maße bei steigender Resistenz der Keime die Wirksamkeit
der ultravioletten Strahlen sich gestalten würde. Als Testmaterial wählten
wir Kartofl'elsporen mit verschiedener Resistenz gegen strömenden Wasser¬
dampf, und zwar von 10 Minuten, 1 / 2 Stunde und V/ 2 Stunde. Höher
resistente Sporen standen uns zurzeit nicht zur Verfügung. Aber auch die
mit unseren Sporenbildnern erhaltenen Ergebnisse lassen einen gewissen
Schluß zu auf die Resultate, die bei Verwendung höher resistenter Sporen
zu erzielen sind.
Die Sporenaufschwemmuug stellten wir so her, daß wir etwa 10 Ösen
einer 48 Stunden alten Agarkultur zunächst in Leitungswasser sorgfältig
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über Tbinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 81
Terrieben and dann diese Aufschwemmung nochmals im Mörser etwa
5 Minuten lang behandelten.
Wir glauben, auf diese Art gleichmäßige Sporenaufschwemmungen
erhalten zu haben; jedenfalls haben wir auch bei diesen Versuchen keine
Fehlresnltate erzielt, die wir durch Sporenverklumpungen hätten erklären
müssen. Die Keimzahlen wählten wir in dem Bestreben, den Verhält¬
nissen der Praxis nahe zu kommen, sehr niedrig.
Wir geben zunächst in folgenden Tabellen die Ergebnisse, die wir
bei der Prüfung mit den Sporenbildnem erzielten.
Tabelle XII.
Test¬
bakterien
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Beginn
des
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75
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
82
L. Schwarz und Aumann:
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Testbakterien
Sporenbildner
l / 2 Stunde
Resistenz
gegen
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Wasserdampf
Sporenbildner
1 7 t Stunde
Resistenz
gegen
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Wasserdarapf
Sporenbildner
1 1 / 2 Stunde
Resistenz
gegen
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Wasserdampf
II Wassermenge
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II
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entsprechend
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30 Sekunden
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dauer
600 Liter
entsprechend
ungefähr
15 Sekunden
Bestrahlungs¬
dauer
300 Liter
entsprechend
ungefähr
30 Sekunden
Bestrahlungs¬
dauer
Tabelle XIV.
Entnahme
nach
Beginn
des
Versuchs
Keimzahl
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Anreicherung i
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75
Tabelle XV.
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—
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4-
75
Tabelle XVI.
- 20
4 Min. —
0
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+
48
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77
—
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4-
+
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—
0
0
4-
75
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Cbes Trinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 83
Wir sehen somit, daß Sporenbildner von 10 Minuten Resistenz be¬
reits bei kurz dauernder Einwirkung der ultravioletten Strahlen abgetötet
werden, jedoch tritt diese Wirkung erst bei einer Spannung von über
60 Volt ein.
Bei Sporenbildnern von 1 / t Stunde Resistenz ist die Wirkung der
Strahlen bei einer ungefähren Bestrahlungsdauer von 15 Sekunden sehr
angleichmäßig. Die Wirkung wird jedoch eine sichere und gleichmäßige,
sobald die Bestrahlungsdauer auf */» Minute verlängert wird.
Sporenbildner von V/ 2 Stunde Resistenz schließlich werden weder bei
15 Sekunden noch bei l / 8 Minute Bestrahlungsdauer völlig abgetötet.
Bemerkenswert ist, daß bei den resistenteren Keimen eine ausgiebigere
Wirkung erst bei einer Spannung von über 70 Volt eintritt
Unsere in vorstehenden Ausführungen angegebenen, bei gut arbeiten¬
dem Brenner erzielten günstigen bakteriologischen Ergebnisse bei der Be¬
handlung von Trinkwasser mit ultravioletten Strahlen lassen es immerhin
möglich erscheinen, daß man der Frage einer Einführung dieser Apparate
in Anstalten, für die steriles Wasser erforderlich ist, näher treten wird.
Wir müssen allerdings erklären, daß wir die Sterilisierung des
Wassers mit ultraviolettem Licht nicht für „sicherer“ betrachten
als andere bisher durchaus erprobte Verfahren, wie z. B. Kochen, Er¬
hitzen usw. Denn unsere Untersuchungen haben uns nicht davon über¬
zeugen können, daß ein Wasser, das hoch resistente Sporen enthält,
..sicher“ sterilisiert wird. Darum möchten wir trotz der Einfachheit des
Verfahrens schon aus diesem Grund einer Einführung dieser Hausapparate
in Krankenhäusern usw. zur Herstellung sterilen Wassers als Ersatz für
andere Apparate nicht das Wort reden.
IH.
Als wichtiger Punkt würde außerdem die Frage der Rentabilität in
Betracht zu ziehen sein. Von interessierten Kreisen wird allerdings
behauptet, daß dieses neue Verfahren „ökonomischer“ sei als andere zur
vollkommenen Sterilisierung von Wasser bisher im Gebrauch befindliche.
Für Hamburg würden sich bei dem in Frage stehenden Apparat die
Betriebskosten allein für elektrischen Strom bei einem Verbrauch von
S l /j Amp. 110 Volt, den Preis für technischen Strom die Kilowattstunde
mit 20 Pfg. zugrunde gelegt, auf 7-7 Pfg. pro 600 Liter, also etwa
12-8 Pfg. pro Kubikmeter stellen.
Dazu sind noch die nicht unerheblichen Kosten für Anschaffung des
Sterilisationsbrenners, des Widerstandes, Ersatzgebühren bei Lampen-
»echsel usw. in Rechnung zu ziehen.
6 *
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
84
L. Schwabz und Aumann:
Digitized by
Die Betriebskosten der im allgemeinen in Krankenhäusern usw. im
Gebrauch befindlichen Wassersterilisatoren, die bei Kostenvergleichen
in Betracht kämen, sind auch ziemlich erhebliche. Berechnungen stehen
uns zurzeit allerdings nicht zur Verfügung. Dafür haben diese Apparate
aber den Vorzug der sicheren und zuverlässigen Sterilisierung.
Bei der Verwendung von Apparaten zur „Sterilisation** von Trink¬
wasser in sehr großen Quantitäten, z. B. des Westinghouse-Sterilisator
Type C3, der etwa 600 cbm in 24 Stunden liefern soll, würden sich die
Kosten entsprechend der erheblich gesteigerten Liefermenge bedeutend
verringern, da Stromkosten usw. ziemlich unverändert bleiben. Aber
auch dann würde sich das Verfahren nach den von Grimm und Weldert
gegebenen Berechnungen sehr teuer stellen. Ein abschließendes Urteil
abzugeben, werden aber erst Erfahrungen in der Praxis gestatten.
B.
I.
Die im Vorstehenden mitgeteilten bakteriologischen Ergebnisse be¬
ziehen sich nur auf Versuche, die ohne jegliche Störung verliefen und
unter vorsichtiger Anwendung sämtlicher in Betracht kommender Faktoren
angestellt wurden. Wir haben jedoch während unserer Untersuchungen
mit diesem Wassersterilisator einige Erfahrungen machen müssen, die einer
Einführung des Apparates in die Praxis außerordentlich hinderlich sein
dürften, ganz abgesehen von den Kosten, die wir bereits im vorigen als
außerordentlich hoch bezeichnet haben.
Wie wir am Anfänge erwähnt haben, ist der Wassersterilisator nach
jedesmaligem Gebrauch „gründlich zu entleeren“. Wir fügten noch hin¬
zu, daß dieses nicht genüge, sondern daß noch eine sorgfältige Reinigung
durch Bürste und rückläufige Spülung hinzutreten müsse. Schon nach
kurzem Gebrauch scheiden sich nämlich auf den kegelförmigen Zwischen¬
wänden aus dem Wasser Substanzen ab, die, durch das vorbeiströmende
Wasser mitgerissen, die Wirkung der ultravioletten Strahlen erheblich be¬
einträchtigen. Da zudem die Emaillierung des Apparates auch in seinen
inneren Teilen keine durchaus gute und gleichmäßige ist, so konnten wir
schon nach kurzer Zeit Stellen bemerken, an denen sich die Emaille ge¬
löst hatte. An diesen dadurch entstandenen rauhen Flächen werden sich
natürlich um so leichter Ausscheidungen aus dem Wasser ablagern können,
je weniger sorgfältig die Reinigung nach dem Gebrauch vorgenommen
werden kann bzw. vorgenommen wird.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
ÜBEB TRINKWASSERBEHANDLUNa MIT ULTRAVIOLETTEN STRAHLEN. 85
Auf diesen zur Erreichung einer ausgiebigen Sterilisierung so wichti¬
gen Punkt wurden wir erst aufmerksam, als wir nach unseren ersten,
durchaus befriedigenden Versuchen, wie wir sie zum Teil oben angegeben
haben, mehrere Fehlschläge erzielten. Wenn es sich auch stets nur um
einige wenige Keime handelte, die sich der Einwirkung der ultravioletten
Strahlen entzogen, so wird doch bei Aufnahme des den Apparat durch*
strömenden Wassers in ein Sammelgefäß das bereits sterilisierte Wasser
von neuem infiziert. Auch schon bei unseren ersten Versuchen hatten
wir stets an eine völlige Entleerung des Apparates ein länger dauernde
rückläufige Spülung angeschlossen. Da sich diese Reinigungsmethode aber
nicht als ausreichend erwies, so ließen wir nach Entleerung des Behäl¬
ters unter rückläufiger Spülung die Wandungen mit einer langgestielten
Bürste gründlich abreiben. Natürlich muß dabei auch vor allem auf die
Winkel und Ecken geachtet werden. Allerdings ist diese Art der Reini¬
gung etwas mühsam, zumal die Zwischenwände, nicht wie erforderlich, ge¬
nau konzentrisch angebracht waren, außerdem aber auch schon nach kurzer
Zeit an einzelnen Stellen des Apparates, besonders am Boden, der schein¬
bar nicht völlig dicht gefügt war, Rostbildung auftrat.
Immerhin erzielten wir bei peinlicher Innehaltung de3 angegebenen
Reinigungsverfahrens wiederum günstige Resultate. Zu verlangen wäre
aber jedenfalls, daß bei der Herstellung der Apparate auf sorgfältige und
gleichmäßige Arbeit mehr Wert gelegt würde. Vielleicht ließe sich auch
durch eine andere Anordnung der Zwischenwände eine einfachere, leichtere
und dabei doch sichere Reinigung ermöglichen.
II.
Bei unseren sämtlichen Versuchen waren wir in der Lage, durch ein
zuverlässig anzeigendes Voltmeter die im Stromkreis herrschenden Span¬
nungsverhältnisse ständig kontrollieren zu können. Nur diesem Umstand
haben wir es zuzurechnen, daß wir auf einige Mängel der Lampe auf¬
merksam wurden, die wir sonst nicht hätten feststellen können.
Bei der Montierung der Anlage zu Beginn unserer Untersuchungen
batten wir den Vorschaltwiderstand so reguliert, daß die Spannung be¬
reits nach etwa 5 Minuten 75 Volt betrug; allerdings stieg dann die
Spannung innerhalb etwa 1 Stunde auch nicht höher. Wir müssen zu¬
geben, daß wir uns in diesem Punkte nicht au die Instruktion gehalten
haben, die eine Spannung von 75 Volt erst nach 20 Minuten verlangt.
Einen stichhaltigen Grund für diese Forderung haben wir bisher nicht
erfahren können, haben uns jedoch bei späteren Versuchen bemüht, dieser
Vorschrift nachzukommen.
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Gck igle
Original frum
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86 L. Schwaez und Aumann:
Ohne daß wir inzwischen irgend eine Änderung an dem Vorschaltwider¬
stand vorgenommen hatten, konnten wir bereits nach einigen Versuchen be¬
obachten, daß die Zeit, innerhalb der wir die erforderliche Spannung von
75 Volt erreichten, allmählich zunahm. An unserem 5. Versuchstage —
bei einer täglichen Brenndauer von etwa 1 Stunde — hatten wir erst
nach 20 Minuten die Spannung von 75 Volt erreicht. Seitdem schwankten
dann die einzelnen Zeiten im allgemeinen um einige Minuten: von großer
Bedeutung können aber diese geringen Schwankungen sicherlich nicht
sein. Jedenfalls müssen. wir aus der angegebenen Beobachtung den
Schluß ziehen, daß innerhalb der Lampe selbst irgend welche Vorgänge
sich abgespielt haben, durch die der in der Lampe bestehende Widerstand
erhöht wurde.
Des weiteren stellten wir mehrmals fest, daß während eines Versuches
ohne irgend eine nachweisbere Ursache die Spannung plötzlich abfiel und
zwar sogar bis auf 60 Volt, nachdem sie bis über 15 Minuten lang be¬
reits 75 Volt betragen hatte. Im weiteren Verlauf stieg die Spannung
dann allmählich wieder an, erreichte jedoch während der Dauer des Ver¬
suches nicht wieder die ursprüngliche Höhe von 75 Volt. Für die keim¬
tötende Wirkung der ultravioletten Strahlen scheint dieser plötzliche
Spannungsabfall — falls die Spannung nicht unter 60 Volt sinkt — aller¬
dings nicht von besonderer Bedeutung zu sein, denn wie aus unseren
Versuchsprotokollen (siehe Tabelle VIII bis XI) hervorgeht, dürfte die
untere Grenze der Wirksamkeit bei etwa 59 bis 60 Volt liegen. Ausge¬
nommen sind sehr hoch resistente Keime, wie z. B. Sporenbildner von
über 1 / 2 Stunde Resistenz.
Die beiden vorstehend erwähnten Momente wären ja nun nach unseren
Erfahrungen nicht weiter von besonderer Bedeutung gewesen, da durch
sie der Erfolg der Versuche nicht sonderlich beeinträchtigt wurde. Wir
wurden aber bei unseren Untersuchungen noch auf einen großen Nachteil
der Einrichtung aufmerksam, der uns zwingt, den „Sterilisator“ nach
seiner jetzigen Konstruktion als für einen Betrieb ohne Wartepersonal
nicht geeignet zu bezeichnen.
Wir beobachteten nämlich zunächst nur bei einigen Versuchen, daß
die Lampe plötzlich erlosch. Auch hierfür konnten wir wiederum keine
uns Aufschluß gebende Erklärung finden. Die Spannung im Stromnetz
betrug, wie wir durch den sofortigen Ausschlag des Voltmessers feststellen
konnten, 108 bis 110 Volt. Diese Beobachtung konnten wir an mehreren
Versuchstagen erheben — zunächst an 3 Tagen unter insgesamt 20 Ver¬
suchstagen — und zwar erlosch die Lampe im allgemeinen, nachdem sie
bereits längere Zeit bei 75 Volt Spannung gebrannt hatte. Diese 3 Tage
waren der 5., 15. und 19. Versuchstag, waren also über unsere Versuchs-
Go^ 'gle
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ÜBEB TßLNKWASSEBBEHANDLÜNG MIT ULTRA VIOLETTEN STRAHLEN. 87
zeit rerstreut und lagen nicht, wie vielleicht zu erwarten ist, erst am
Eude einer längeren Reihe von Versuchen. Erst nach dem 19. Tage ver¬
sagte die Lampe aber so oft, daß wir uns an die Westinghouse-Gesell-
scbaft wendeten mit der Bitte um Zusendung einer neuen Lampe, da wir
der Meinung waren, daß der Brenner irgendwie schadhaft geworden sei.
Unserer Bitte wurde in entgegenkommender Weise entsprochen; zugleich
teilte uns die Firma mit, daß der von uns zurückgesandte Brenner bei
ihnen tadellos funktioniere — er habe 2 Stunden ohne Unterbrechung
gebrannt Des weiteren schrieb sie: „Wir können daher nur annehmen,
daß bei der Installation irgend ein Punkt nicht berücksichtigt wurde und
zwar vermuten wir, daß die Regulierung zu früh erfolgte und nicht . . .
erst nach erfolgtem Einbrennen, d. h. 20 Minuten nach Inbetriebsetzung.
Wird die Lampe zu früh einreguliert, so sinkt die Spannung später über
das zulässige Maß und der Brenner erlischt.“
Diese Angabe kann uns eine stichhaltige Erklärung für das plötzliche
Erlöschen der Lampe nicht abgeben, denn dann hätten wir diese Erschei¬
nung auch bei sämtlichen übrigen Versuchsreihen haben müssen, bei
denen wir unter genau den gleichen Bedingungen bezüglich Vorschalt¬
widerstand usw. gearbeitet haben; außerdem erzielten wir auch, wie bereits
erwähnt, vom 5. Tage an eine Spannung von 75 Volt im allgemeinen
erst nach ungefähr 20 Minuten. Nach unseren Erfahrungen halten wir
diese Angaben als zeitraubend und umständlich für sehr unglücklich ge¬
wählt Jedenfalls empfiehlt es sich anzugeben, die Regulierung mit mög¬
lichst hoch eingestelltem Widerstand zu beginnen und durch allmähliche
Reduzierung des Widerstandes die richtige Einstellung zu erreichen, um
so eine Schädigung der Lampe durch eine zu hohe Spannung, die bei zu
geringem Widerstande erreicht würde, zu vermeiden.
Wir begannen nun von neuem unsere Versuche mit dem zweiten
Modell der Quecksilberquarzlampe in der Erwartung, mit weiteren Schwie¬
rigkeiten der Lampe nicht rechnen zu brauchen. Bei dem ersten Versuch
funktionierte sie auch tadellos. Wir hatten zunächst den Vorschaltwider¬
stand von neuem regulieren müssen, da wir jedoch bei der ersten Ein¬
stellung eine Spannung von 75 Volt schon nach 15 Minuten erhalten hatten,
mußten wir durch weitere Versuche experimentell die richtige Einstellung
zu finden suchen. Schon beim zweiten Versuche versagte die Lampe wieder¬
um mehrmals, und zwar erlosch sie jetzt wie auch an den folgenden
Tagen im allgemeinen, sobald die Spannung zwischen 50 bis 60 Volt be¬
trug. Nach dem vierten Regulierungsversuch war dann der Widerstand
so eingestellt, daß die Spannung nach 20 Minuten 75 Volt betrug. Da
nun auch weiterhin die Lampe sehr ungleichmäßig brannte, baten wir
Herrn Dr. Ing. Voege vom hiesigen Physikalischen Staatslaboratorium um
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88
L. Schwarz und Aumann:
fachmännischen Rat sowie Beistand bei unseren weiteren Untersuchungen,
der uns auch bereitwilligst gewährt wurde. Wir wollen nicht verfehlen,
Herrn Dr. Ing. Yoege nochmals an dieser Stelle unseren Dank für seine
liebenswürdige Hilfe auszusprechen.
Die nächsten Prüfungen der Lampe nahmen wir nun gemeinsam mit
Herrn Dr. Ing. Yoege im Physikalischen Staatslaboratorium vor, und
zwar benutzten wir eine Akkumulatorenbatterie — 110 Volt Spannung —,
um einen gleichmäßigen Strom zur Verfügung zu haben und daher von
Fig. 8.
etwaigen Stromschwankungen unabhängig zu sein. Neben Benutzung
eines Voltmeters wurde an einem Amperemeter auch die Stromstärke
verfolgt.
Bei regelrecht verlaufenden Versuchen sinkt die anfängliche Strom¬
stärke von 10 Ampere innerhalb 20 Minuten auf S l / 3 Amp., unterdessen
steigt die Spannung langsam auf 75 Volt. Eine der Kurven (Fig. 8), die
wir während unserer zahlreichen Versuche aufgenommen haben, mag ein
Bild über das Verhalten von Abnahme der Stromstärke und Zunahme
der Spannung geben. Wir bemerken jedoch dazu, daß die Spannung
nicht bei jedem Versuch so ansteigt, wie aus der Kurve ersichtlich ist.
Man kann daher aus der Spannungshöhe (Ordinatenachse) nach 5 oder 10
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Übeb Tbinkwassebbehandlung mit ultbavioletten Stbahlen. 89
Minuten (Abszissenachse) nicht mit Sicherheit einen Schluß auf die nach
20 Minuten zu erwartende Spannung ziehen; zumal wenn die Lampe
während des „Einbrennens“ verlöscht. Aus diesem Grunde muß die Ein*
Stellung des Widerstandes durch Versuche von mindestens 20 Minuten
Dauer vorgenommen werden.
Unsere Beobochtungen zeigten uns nun, daß bei einer Stromstärke
von etwa 5 Amp. und einer Spannung von 55 bis 60 Volt starke Schwan¬
kungen auftraten. Zu diesem Zeitpunkte pflegte die Lampe dann kurz
hintereinander mehrmals zu erlöschen. Sie brannte erst wieder ruhiger
und gleichmäßiger, wenn die Stromstärke allmählich bis auf S l / 2 Amp.
gefallen und die Spannung auf 70 bis 75 Volt gestiegen war. Jedoch
auch dann ist die Lampe noch öfters erloschen, selbst wenn sie bis zu
2 Stunden und länger ruhig gebrannt hatte.
Zur Vermeidung dieses Erlöschens wäre es unter Umständen vielleicht
nützlich, eine Stromstärke von 57 2 bis 6 Amp. zu verwenden. Es würden
aber hierdurch die Kosten, die, wie bereits erwähnt, schon außerordent¬
lich hoch sind, noch um ein bedeutendes gesteigert werden. Für die
Praxis ist es aber von großem Wert, Apparate mit möglichst geringem
Stromverbrauch zur Verfügung zu haben. Außerdem würde durch die
höhere Stromstärke die Brenndauer der Lampe vermutlich beeinflußt
werden. Diese Fragen sind nur durch länger ausgedehnte Versuche zu
klären, die anzustellen wir aus äußeren Gründen nicht in der Lage sind.
Die zu Beleuchtungszwecken Verwendung findenden Lampen sind
bekanntlich im allgemeinen mit einer automatischen Kippvorrichtung zum
Selbstzünden konstruiert, die auch beim spontanen Erlöschen der Lampe
in Tätigkeit tritt. Versagt der elektrische Strom aber überhaupt, so kann
natürlich auch die zur Zündung nötige Kippvorrichtung nicht in Funktion
treten. Für die Lampen zur Wassersterilisation scheint uns allerdings
eine automatische Kippvorrichtung nicht zweckmäßig, da immerhin in der,
wenn auch noch so geringen Zeitspanne, die zwischen Erlöschen und
wieder erreichter genügender Spannung vergeht, nicht abgetötete Keime
den Apparat passieren können.
Schon allein die Möglichkeit des Versagens des elektrischen Stromes,
mit der doch immer gerechnet werden muß, sollte dazu führen, nur solche
Apparate zu verwenden, die mit einem Ventil versehen sind, das bei Er¬
löschen der Lampe automatisch in Tätigkeit tritt. Warum die Westing-
house-Gesellschaft nun gerade bei diesem von uns geprüften Apparat von
einem Sicherheitsventil abgesehen hat, können wir nicht angeben, während
sie doch bei einem anderen Wassersterilisator (Type C 8 für Großbetrieb)
selbst mit der angegebenen Möglichkeit rechnet und ein Ableitungsventil
eingebaut hat. Soweit wir haben feststellen können, wird auch von
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90
L. SCHWAEZ UND AüMANN:
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anderen Seiten bei dem Bestreben, die ultravioletten Strahlen zur Behand¬
lung von Trinkwasser heranzuziehen, stets mit Sicherheitsventilen ge¬
rechnet (Nogier, Deeleman). Ein Sicherheitsventil müßte also
als durchaus erforderlich verlangt werden.
III.
Unsere Prüfungen von Apparaten zur Wassersterilisation mit ultra¬
violetten Strahlen haben uns noch dazu geführt, die Frage der zweck¬
mäßigsten Anbringung von Sicherheitsventilen zu berücksichtigen. Aller¬
dings waren wir nicht in der Lage, unsere Ansicht, die wir im Folgenden
darlegen, durch praktische Untersuchungen zu stützen. Wir wollen aber
nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt zu lenken.
Bei den uns bekannten Modellen sind die Ventile vor dem eigent¬
lichen Sterilisierungsgefäß angebracht. Exakte Untersuchungen über den
Wert dieser Ventile liegen zurzeit nach der uns zugänglichen Literatur
nicht vor.
Von Wichtigkeit schien uns daher, festzustellen, wieviel Wasser noch
an dem Reinwasserabflußrohr austritt, sobald das am Zufluß angebrachte
Ventil in Tätigkeit tritt. Da sich in dem von uns geprüften Modell in
dem dicht vor dem Abflußrohr gelegenen Raum noch keimhaltiges Wasser
befindet, wie uns unsere bereits oben erwähnten Feststellungen (s. Tabelle I)
ergeben haben, so würden wir damit zu rechnen haben, daß bei Erlöschen
der Lampe auch trotz gleichzeitig in Tätigkeit tretenden Ventils (ein wenn
auch noch so geringer Zeitintervall wäre doch wohl zu berücksichtigen)
noch Keime mit hindurchgerissen werden, sobald eine gewisse Menge
Wasser noch an dem Abflußrohr abläuft. Wie groß diese Menge in jedem
betreffenden Falle sein wird und wieviel Keime darin enthalten sind, könnte
nur durch praktische Versuche geklärt werden. Wir suchten nun an
unserem Modell, das, wie erwähnt, ohne ein automatisch wirkendes Ventil
gebaut ist, einen Einblick in diese Fragen zu erhalten. Es wurde auf
ein gegebenes Zeichen der elektrische Strom unterbrochen, gleichzeitig der
Wasserzuflußhahn abgesperrt und das nun noch abfließende Wasser auf¬
gefangen. Der Nachweis der spezifischen Keime wurde dann wie bei den
übrigen bakteriologischen Untersuchungen geführt.
Bei solchem Vorgehen stellten wir in mehreren gleichmäßig verlau¬
fenden Versuchen fest, daß noch etwa 20 ecm Wasser nach Absperren des
Zuflusses ablaufen. Unsere bakteriologischen Untersuchungen ergaben
uns des weiteren, daß dieses Wasser, wenn auch sehr keimarm, im Ver¬
gleich zu unseren übrigen Ergebnissen doch nicht als steril bezeichnet
werden konnte.
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Cbeb Teinkwassebbehandlcng mit ultba violetten Stbahlen. 91
Nachstehende Tabelle möge einen Überblick über unsere Resultate
geben:
Tabelle XVII.
Test¬
bakterien
Wassermenge
pro Stande
Keimzahl
Roh wasser
Keimzahl
Beh.
Wasser
Wasser menge
nach
Absperrung
des Zuflusses
i
Keimzahl
in ccm |
1 | 2
Anreicherung
der übrigen
! 17«“
i
Bact. coli
600
| 1500
0
ca. 20 ccm
0 :
1
+
»*
99
200
0
n
0
0
4*
Bact. viol.
1
100
0
0
0
4-
Leuchtvibrio
99
100
0
1
1
4-
r>
1
.
99
1000
0
»
0
i o
4-
Wie weit unsere Versuche nun mit den tatsächlichen Verhältnissen
im Einklang stehen, vermögen wir nicht anzugeben, glauben aber immer¬
bin annehmen zu können, daß sehr erhebliche Unterschiede nicht vor¬
liegen. Würde unsere Annahme in praxi bestätigt, so wäre die notwen¬
dige Folgerung, eine Verbesserung der Sicherheitsvorrichtung vorzunehmen
und zwar wird es dann wohl am zweckmäßigsten sein, abgesehen von dem
am Wasserzuflußrohr zu belassenden Abflußventil, am Reinwasserabflu߬
rohr ein Absperrventil anzubringen.
Schloßsätze.
1. Mit dem Apparat Type B2 läßt sich unter den von uns gewählten
Versuchsbedingungen bei Benutzung eines nicht sehr keimhaltigen klaren
Wassers (bis zu 2000 Keimen pro Kubikzentimeter) — ein fehlerloses
Funktionieren des Brenners vorausgesetzt — ein bakteriologisch einwand¬
freies Trinkwasser in einer Menge von 600 Liter pro Stunde gewinnen.
2. Die Kosten für Anlage und Betrieb lassen den Apparat als für
die Praxis nur unter ganz besonderen Umständen anwendbar erscheinen.
3. Es ist Sache der Technik, geeignete, einwandfrei funktionierende
Brenner für ultraviolettes Licht herzustellen. Eine sorgfältige Konstruk¬
tion des Bestrahlungsapparates mit Berücksichtigung der Möglichkeit einer
leicht ausführbaren, gründlichen Reinigung dieser Apparate ist unbedingt
erforderlich.
4. Wir halten es für notwendig, bei Wasserversorgungsanlagen mit
Verwendung ultravioletten Lichtes automatisch wirkende Ventile anzu¬
bringen, die einen Abfluß nicht vollkommen bestrahlten Wassers mit
Sicherheit verhindern; denn man hat mit einem Verlöschen der Lichtquelle
infolge Versagens des elektrischen Stromes oder aus anderen noch nicht
näher aufgeklärten Ursachen zu rechnen.
L
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[Aus dem Kaiserl. Institut für Infektionskrankheiten in Tokio.]
Ein Beitrag zur vergleichenden Untersuchung der
Paratyphus B- und Mäusetyphusbazillen.
Von
Dr. C. Nishino,
Assistent Im Institut.
Die Bedeutung der Frage, ob die Paratyphus B- und Mäusetyphus¬
bazillen identisch sind oder nicht, ist nicht nur theoretisch, sondern auch
praktisch sehr groß, weil von ihr die Maßnahmen zur Verhütung der
Paratyphuserkrankungen abhängen.
Diese Frage ist seit mehreren Jahren sehr eifrig von verschiedenen
Seiten erörtert worden, ohne irgend einer endgültigen Entscheidung näher
geführt worden zu sein; die beiden Bakterienarten zeigen sowohl biologisch
als auch immunisatorisch ein ganz gleiches Verhalten, so daß viele Autoren,
ausgenommen die Anhänger von Löffler, sie als identisch zu betrachten
geneigt sind.
Bei uns in Japan, wo seit Jahren die Mäusetyphusbazillen in aus¬
gedehntem Maße und unter ziemlich mangelhaften Vorsichtsmaßregeln zur
Mäusevertilgung angewandt worden sind, ist bisher niemandem eine Para¬
typhusepidemie aufgefallen, welche einwandfrei als von der Anwendung der
Mäusetyphuskultur verursacht betrachtet werden könnte. Der akute Brech¬
durchfall dabei, welcher auf Aufnahme einer größeren Menge Mäuse¬
typhuskultur zurückzuführen wäre, kommt ja nicht selten vor, wie schon
Shibayma (1) mitgeteilt hat.
Sind nun die genannten Bakterien arten miteinander identisch, so
muß natürlich das heutige Verfahren für die Mäusevertilgung mit den
Mäusetyphusbazillen streng verboten werden. Sind sie dagegen in Wirk¬
lichkeit verschieden, so muß es bei ihnen irgend ein Unterscheidungs¬
merkmal geben und dasselbe muß gefunden werden.
Ich habe im ganzen folgende 16 Stämme zur vergleichenden Unter¬
suchung benutzt:
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C. Nishino: Pakatyphus B- r. Mausetyphusbazielex.
93
A. Als Mäusetyphus und sonstige für Mäuse pathogene
Bakterien.
1. Mäusetyphusbazillen (verabfolgt von Prof. Shiga).
2. Mereschkowskysche Bazillen (verabfolgt von Prof. Shibayama).
3. Danyszsche Bazillen (verabfolgt vom Landwirtschaftlichen In¬
stitut zu Nishigahara).
4. Danyszsche Bazillen (Laboratoriumsstamm).
B. Als Paratyphus B-Bazillen.
1. Yoshisaki-Stamm (übergeben
von
Prof, Shibayama).
2. Asano „ ( „
yy
yy yy )•
3. Conradi „ ( „
4. Laboratoriumsstamm.
yy
yy yy )•
5. Rüsselstamm ( „
yy
„ Shiga).
6. Paratyphus Nr. 1 ( „
yy
yy yy )•
7. Paratyphus Nr. 7 ( „
yy
yy yy )•
8. Paratyphus Nr. 12 ( „
yy
yy yy )•
9. Iguchistamm ( „
yy
Dr. Nakagawa).
10. Sekiyamastamm (aus dem Blute eines Kranken, isoliert von mir).
11. Takayastamm ( „ „ Harn „ „ „ „ „ ).
12. Kondostamm ( „ „ Darminhalt einer Leiche, isoliert v. mir).
Erster Abschnitt. (Biologisches Verhalten.)
Was nun ihr kulturelles und morphologisches Verhalten betrifft, so
verhielten sich alle zur Untersuchung benutzten Bakterienarten voll¬
kommen gleich, wie die Lehrbücher und viele Abhandlungen angeben,
ausgenommen der Laboratoriumsstamm von Danyszvirus, der im Gegensatz
an allen sonstigen Bazillenarten nach Gramm sich färbt. Deshalb sehe
ich von einzelnen Beschreibungen ab; nur die dabei benutzten Nährböden,
sowie einzelne Reaktionen seien hier erwähnt:
1. Gewöhnlicher schwach alkalischer Agar.
2. Gewöhnliche schwach alkalische Bouillon.
3. Drigalskischer Nährboden.
4. Eothberger scher Neutralagar.
5. Hoher Traubenzuckeragar.
6. Kartoffel.
7. Lackmusmolke.
8. Milch.
9. Indolreaktion.
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94
C. Nishino:
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Nach der mündhchen Angabe von Shibayama sieht die Kolonie des
Mänsetyphusbacillns auf der Gelatineplatte feinkörnig, fast homogen, leicht
gelblich gefärbt und rundlich aus, während die des Paratyphusbacillus
grobkörnig, gelbbräunlich gefärbt und rundlich ist
Im Gegensatz hierzu geben Trautmann, Bonhoff, Kutscher and
Meinicke (2) an, daß im Gelatinewachstum keine wesentlichen Unter¬
schiede zwischen ihnen vorhanden seien: Ferner gibt Shibayama an,
daß die genannten Bazillenarten in Lackmuspeptonwasser mit Saccharose,
Laktose, Dextrin, Dextrose, Mannit, Galaktose und Maltose ganz gleiches
Wachstum zeigen.
Bezüglich der Tierpathogenität der genannten Bazillen habe ich
hauptsächlich Fütterungsversuche an weißen Mäusen angestellt. Eine
gewisse Menge einer 24 Stundenkultur wurde in einigen Kubikzentimetern
Bouillon aufgeschwemmt, auf ein kleines Stückchen Brot geträufelt und
n den Mäusekasten geworfen, wo man die Mäuse einen ganzen Tag ab¬
sichtlich hatte hungern lassen.
Die Resultate der Versuche mit Mäusen zeigt folgende Tabelle:
Stamm j
Kultur* 1
menge
Ausgang
Sektionsbefund
Kultur
aus Herzblut
Mäusetyphus
*/ g Öse
ohne Ausnahme
tot nach 9—10 Tagen
hochgradiges Ödem
u. Hämorrhagie der
i Darmschlinge, deutl.
1 Milztumor
positiv
(unzählbar)
Mereschk.
*/, Öse
ebenfalls
nach 9—16 Tagen
desgl.
|. |
desgl.
Danysz
(Nishigakara)
1 Öse
ebenfalls
j nach 8—16 Tagen
1
Danysz
(Laborator.)
V* Agar
gesund bleibend
i —
—
Yoshisaki
l / t Öse
eine unter zwei
starb nach 7 Tagen
Ödem u. Hyperämie
der Darmscnlinge,
aber kein Milztumor
negativ
Asano
2 Ösen
gesund bleibend
—
i
Conradi
1 Agar
eine von zwei
starb nach 8 Tagen
Ödem u. Hyperämie
der Darmscnlinge,
aber kein Milztumor
1 positiv
(spärlich)
Laboratorium
\’ s Agar
gesund bleibend
—
i
Rössel
1 Agar
eine unter zwei
starb nach 3 Tagen
Ödem u. Hyperämie
der Darmscnlinge,
aber kein Milztumor
negativ
Paratypk.Nr.l
\> Agar
gesund bleibend
; —
—
V V 4
1 j Agar
M >»
—
—
1 , Agar
—
—
Igueki
1 i Agar
—
—
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Untersuchung der Paratyphus B- u. Mäusetyphusbazillen. 95
(Fortsetzung.)
Stamm
Kultur¬
menge
Ausgang
Sektionsbefund | aus K £b, ut
Vio Öse
eine von zwei
starb nach 4 Tagen
Ödem u. Hyperämie | negativ
der Darmschlinge, ,
Sekivama
aber kein Milztumor
1 Agar
ohne Ausnahme
desgl. bald negativ,
tot nach 3—6 Tagen
!
bald positiv
(spärlich)
Takaya
V* Agar
eine von zwei
Odem d. Darmschlinge. negativ
starb nach 4 Tagen
1 kein Milztumor
Rondo |
| \io Öse
| 1 Agar
eine von zwei
starb nach 8 Tagen
desgl. ,.
eine von zwei
•» M
starb nach 4 Tagen
Aus der Tabelle kaun man folgende Schlüsse ziehen:
1. Der Laboratoriumsstamm von Danyszvirus übt bei Verfütterung
keine pathogene Wirkung mehr auf Mäuse aus.
2. Die Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und Danysz - (Xishigahara-)
Bazillen führen die Mäuse durch Verfütterung einer ganz kleinen Menge
Kultur ausnahmslos unter Septikämie zum Tode.
3. Gewisse Stämme von Paratyphus B können zwar die Mäuse durch
Verfütterung einer kleinen Menge Kultur töten; aber die Bazillenzahl im
Herzblut der gestorbenen Tiere, selbst bei Aufnahme von weit größeren
Mengen (bis 1 Agar Kultur), ist jedesmal ganz spärlich. Ferner wurde
in meinen Fällen kein Mal die merkwürdige Milzanschwellung wie bei
Septikämie beobachtet. Die Auswanderung der Bakterien (überhaupt in
nicht so großer Anzahl) aus dem Darmiunern ins Blut kann auch post
mortem Vorkommen, während bei Septikämie die Bakterienanzahl beim
Kultivieren des Blutes weit zahlreicher sein müßte. Kurz, bei meiner
Untersuchung handelte es sich in keinem einzigen Falle um eine wahre
Septikämie von Paratyphusbazillen.
Nach Kutscher und Meinicke (2) töteten einige der von ihnen
untersuchten Paratyphusstämme die Mäuse bei Verfütterung jedesmal durch
Septikämie.
Zweiter Abschnitt. (Agglutinationsversuch.)
Es wurden im ganzen 8 Kaninchensera zu meinen Agglutinations-
Versuchen angewandt Die zur Immunisierung benutzten Stämme und
einzelne Titer zeigt die folgende Tabelle:
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96
C. Nishino
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Stamm
Titer
1. Mäusetyphus ....
1:10 000
2. Mereschkowsky . . .
1:10 000
3. Danysz (Nishigahara) .
1:10000
4. „ (Laboratorium).
1 :20 000
5. Paratyphus „
1 : 5000
6. Yoshisaki.
1: 5000
7. Sekiyama.
1: 5000
8. Kondo.
1:10 000
1. Agglutination mit Mäusetyphusserum.
Stamm
8
O
lO
H
1:200
1:500
1:1000jl :2000jl: 5000|l:10000
Mäusetyphus.
+ + +, + + +
+ 4* 4-
+ +
+ +
+ +
+
1 4-
Mereschkowsky ....
+ + + + + +
+ + +
+ +
+ +
+ +
+
j 4-
Danysz (Nishigahara) . .
+ + + + + +
+ + +
+ +
+ +
+ +
+
1 4-
„ (Laboratorium)
[
—
—
—
—
—
i
Paratyphus „
++++++
+ + +
+ +
+
4-
+
Yoshisaki.
+ + + + + +
+ + +
+ + +
+ +
+
4-
| —
Asano.
+ + + + + +
+ + +
+ +
+ +
+ +
4-
4-
Conradi .
+ + +: + + +
+ + +
—
—
—
—
Rüssel.
++++++
+ + +
+ +
+ +
+ +
+
+
Paratyphus Nr. 1 . . .
++++++
+ + +
+ +
+ +
+ +
+
+
99 >» 7 . • .
+ + ++ + + '
+ + +
+ + +
! + + i
i
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4-
99 99 12 •
+ + ++ + +
+ + + ;
—
— :
—
—
Iguchi.
+ + + + + +
+ + + i
—
—
—
| —
—
Sekiyama.
+ + + , + + +
+ + +
+ +
+ +
+
+
Takaya .
+ + + ' + + +
+++
+ +
+ + 1
+ +
' +
1 +
Kondo .
+ + + I+ + +
+++i
+ +
+ + 1
i + +
| 4-
4-
2. Agglutination mit Mereschkowsky-Bazillenimmunserum.
Mäusetyphus ....
. 4-4-4-
+ 4-4-
Mereschkowsky . . .
. 4-4-4-
+ + +
Danysz (Nishigahara) .
• 4-4-4-
+ + +
„ (Laboratorium) .
. ! —
—
Paratyphus „
. 4-4-4-
+ + +
Yoshisaki .
. +4-4-
+ + +
Asano .
. +4- 4-
+ + +
Conradi .
. 4-4-4-
+ + +
Rüssel .
. 4-4-4-
+ + +
Paratyphus Nr. 1 . .
. + + +
+ + +
»♦ J9 7 .
. + + +
+ + +
12
99 99 1 • •
• + + +
+ + +
Iguchi .
. + + +
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Sekiyama .
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
l'jfTEBSUCHUNG DEB PaBATYPHDS B- U. MaüSETYPHUSBAZILLEN. 97
3. Agglutination mit Danysz-(Nishigahara-)Bazillenimmunserum.
Stamm
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4. Agglutination mit Danysz-(Laborat.-)Bazillenimmunserum.
Während das Serum die homogenen Bazillen in 20000facher Ver¬
dünnung deutlich agglutiniert, fielen die Agglutinationsversuche mit den
übrigen 15 Bazillenstämmen alle negativ aus, selbst in öOfacher Ver¬
dünnung.
Aus den mitgeteilten Versuchen 1 bis 3 geht hervor, daß sich die
Paratyphusstämme bei der Agglutination mit dem Kaninchenserum von
Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und auch von Danysz-(Nishigahara-)Bazillen
in zwei verschiedene Gruppen auflösen lassen. Die eine umfaßt die
Stämme, welche von demselben Serum, nur in geringerem Grade beeinflußt
werden. Die übrigen werden entweder bis zur Titergrenze oder nur in
mäßigem Grade mit dem Serum agglutiniert. Diese Tatsache hat mich
ebenso wie Kutscher und Meinicke (2) auf die Vermutung gebracht, „
daß ich solche Paratyphusarten auch durch Agglutination mit Paratyphus¬
sera in zwei Arten auflösen könnte. Aber als ich die Agglutinations¬
versuche mit dem Serum angestellt habe, welches mit von Mäusetyphus¬
serum stark beeinflußten Paratyphusbazillen hergestellt war, fand ich ebenso
wie die genannten Autoren diese Vermutung nicht bestätigt. (Vgl. die
nachfolgenden Versuche [5 bis 8]).
Ferner sieht man aus dem 4. Versuch, daß der nach Gram positive
Danysz-(Laboratorium-)Bacillus auch in Agglutination ganz anders als die
übrigen sich verhält.
Zeitschr. f. Hygiene. LXJX 7
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
98
C. Nishino:
5. Agglutination mit Paratyphus (Laboratoriumsernm).
Stamm
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1:100 j
1:200
1:500 1:1000
1:2000 1
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6. Agglutination mit Yoshisaki-Bazillenimmunserum.
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7. Agglutination mit Sekiyama-Bazillenimmunserum
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Difitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
I'JJTEBSÜCHÜNÖ DEB PaBATYPHÜS B- U. MÄUSETYPHÜSBAZILLEN. 99
8. Agglutination mit Kondo-Bazillenimmunserum.
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Aus den obigen Tabellen 5 bis 8 ersieht man, daß alle zwölf Para-
typhusstämme gegenüber den vier Paratyphussera nur geringe individuelle
Unterschiede zeigen, während die Mäusetyphus-, Hereschkowsky- und
Dauysz-Bazillen weit schwerer agglutinabel als die Paratyphusbazillen sind
und niemals die Titergrenze erreichen. Im Gegensatz hierzu geben
Kutscher und Mein icke (2) an, daß die Mäusetyphusbazillen auch die
Titergrenze der Paratyphusbazillen erreichen, indem die Autoren diese
Tatsache als einen wichtigen Stützpunkt für die Identität der zwei in
Frage kommenden Bazillenarten ansehen. Da aber die Höhe der Agglu-
tinabilität kein entscheidendes Merkmal bei der Unterscheidung der zwei
Bazillenarten sein soll, möchte ich nicht ohne weiteres behaupten, daß der
durch Paratyphussera weniger agglutinierte Mäusetyphusbacillus eine
andere Art als der Paratyphusbacillus sei. Wenn man außerdem noch
die oben angegebene Tatsache berücksichtigt, daß ein Stamm von Para¬
typhus in hoher, ein anderer nur in niedriger Verdünnung durch ein
Mäusetyphusserum agglutiniert wird, so gibt es keinen Grund, wenigstens
nicht bei der vergleichenden Untersuchung der Paratyphus- und Mäuse¬
typhusbazillen, einfach aus der Höhe der Agglutinabilität eine end¬
gültige Entscheidung abzuleiten.
Kurz, man muß sich bei den Agglutinationsversuchen mit Paratyphus und
Mäusetyphusbazillen das Wesen der Höhendifferenz der Agglutinabilität der
beiden Bakterienarten klarmachen: d.h. wenn erstens Paratyphus- und Mäuse¬
typhusbazillen die gleichartigen Agglutininrezeptoren besitzen, so muß die
Höhendifferenz der Agglutinabilität beider Bazillenarten einfach durch eine
Mengendifferenz der Agglutiniurezeptoren verursacht werden (individuelle
:" .T*
Digitized
bv Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
100
C. Nishino:
Verschiedenheit); wenn zweitens dagegen die beiden Bazillenarten ungleich¬
artige Rezeptoren besitzen, so muß diese Höhendifferenz auf die außerdem
noch gleichzeitig vorhandenen gemeinsamen Agglutininrezeptoren zurück-
geführt werden (sogenannte Gruppenagglutination).
Um diese zwei Möglichkeiten voneinander zu unterscheiden, schien
mir das Castelianische Verfahren (3) am geeignetsten zu sein, welches
eigentlich wie bekannt zur Diagnose der Krankensera bei Mischinfektion
angewandt worden war.
Bei der Anwendung des CasteDänischen Verfahrens haben wir zwei
Fälle zu denken: a) wenn Paratjphus- und Mäusetyphusbazillen in toto
gemeinschaftliche Agglutininrezeptoren besitzen, so muß das durch Para¬
typhusbazillen absorbierte Mäusetyphusserum nicht mehr die Mäusetyphus¬
bazillen agglutinieren.
b) Wenn dagegen die beiden Bazillenarten außer gewissen Mengen
von gemeinschaftlichen Agglutininrezeptoren ganz andere Rezeptoren be¬
sitzen, so muß das durch Paratyphusbazillen absorbierte Mäusetyphusserum
noch die Mäusetyphusbazillen zu agglutinieren imstande sein. In analoger
Weise muß das durch Mäusetyphusbazillen absorbierte Paratyphusserum
das umgekehrte Resultat zutage bringen.
Dritter Abschnitt. (Absorption der Agglutinine.)
Was nun zuerst die literarische Angabe über die Absorption beim
Paratyphus- oder Mäusetyphusserum betrifft, so geben Le vy und Fornet (4)
bei der Untersuchung der Paratyphusbazillen bei Fleischvergiftungslallen
an, daß das durch Mäusetyphusbazillen absorbierte Paratyphusserum
(Titer: 1 bis 5000) die Paratyphusbazillen bis zu 100 facher Verdünnung
deutlich und die Mäusetyphusbazillen selbst in 50 facher Verdünnung
keineswegs agglutiniert hatte. Bainbridge (5) hat auch die Absorptions¬
methode zur vergleichenden Untersuchung des Paratyphus-, Mäusetyphus-
und Fleischvergiftungsbacillus eingeführt und fand, daß die zwei unter den.
von ihm untersuchten vier Stämmen von Mäusetyphusbazillen Gärtner¬
sehe Bazillen waren, während der dritte Stamm ein Gemisch von Gärtner-
schen und Aertrykbazillen und der letzte wieder ein Gemisch von Para¬
typhus- und Aertrykbazillen war; daher scheint der Autor ein selbständiges
Dasein der Mäusetyphusbazillen zu bezweifeln geneigt zu sein. Wenn es
aber mir gestattet ist, die Bainbridgesche Absorptionsmethode zu disku¬
tieren, bei welcher die Absorption aus einem 20 bis 40 fach verdünnten
Serum (Titer: 1:5000 bis 10000) mit 1 bis 3stündigem Verweilen im
Brutofen genügt, so muß eine Methode nicht subtil genug sein, weil nach
meiner Untersuchung eine weit stärker verdünnte (100 fach) Serumlösung
selbst nach zweitägigem Verweilen noch deutlich das zum Verschwinden
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Untersuchung der Pabatyphus ß- u. Mäusetyphusbazillen. 101
zu bringende Agglutinin beibehält; seine Resultate lauten einfach + oder 0,
ohne daß er irgend eine Beschreibung in bezug auf Verdünnung gibt.
Da nun nicht nur die Agglutinationstiter der Paratyphussera gegen
die Mäusetyphusbazillen, sondern auch die Titer des Mäusetyphusserums
gegen die Paratyphusbazillen relativ hoch ist, so war die totale Absorption
des Agglutinins aus den Sera durch die darin aufgeschwemmten Bazillen
sehr erschwert worden. Unter den mancherlei Methoden, welche versucht
wurden, schien mir die folgende am besten zu sein, nämlich: das Serum
wird zuerst mit einer 0*5 prozentige Karbolsäure enthaltenden physiolo¬
gischen Kochsalzlösung 100fach verdünnt, 100 ccm dieser Lösung werden
mit der Kulturmenge von 20 schräg erstarrten Agarröhrchen gut gemischt,
einen ganzen Tag im Brutofen oder einige Tage lang im Zimmer stehen
gelassen, dann wird durch Zentrifuge der Hauptteil der Bazillenleiber ent¬
fernt. Wenn man dergleichen Manipulationen dreimal hintereinander wieder¬
holt, so gewinnt man zuletzt ein ganz klares Serum, welches nicht mehr
die zur Absorption benutzten Bazillen zur Agglutination zu bringen vermag.
1. Absorption mit Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und Danysz-
(N’ishigahara-)Bazillen aus den diesbezüglichen Immunsera.
1. Wenn man aus dem Mereschkowsky-Bazillenimmunserum mit den
Mäusetyphusbazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht
das Zentrifngat nach dem Zentrifugieren keine Agglutination mehr, nicht
nur gegen Mäusetyphusbazillen, sondern auch gegen Mereschkowsky-,
Danysz- und alle zwölf Paratyphus-Bazillen in 100 bis 10000 facher Ver¬
dünnung.
2. Wenn man aus dem Mäusetyphusserum mit Mereschkowsky-Bazillen
das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentrifugat
nach dem Zentrifugieren keine Agglutination mehr, nicht nur gegen
Mereschkowsky-Bazillen, sondern auch gegen Mäusetyphus-, Danysz- und
alle zwölf Paratyphus-Bazillen in 100 bis 10 000 facher Verdünnung.
3. Endlich, wenn man aus dem Mereschkowsky-Bazillenimmunserum
mit Danysz-Bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so ver¬
ursacht das Zentrifugat keine Agglutination mehr, nicht nur gegen
Danysz-Bazillen, sondern auch gegen Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und
alle zwölf Paratyphus-Bazillen in 100 bis 10 000 facher Verdünnung.
Aus dem 1. bis 3. Versuche kann man folgende Schlüsse ziehen:
A. Die Agglutininrezeptoren der Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und
Danysz-Bazillen, wie auch das Agglutinin in den Immunsera dieser drei
Bazillenarten stimmen in toto untereinander überein.
B. Das Agglutinin in diesen drei Immunsera, welches bei gewöhn¬
licher Agglutinationsmethode die Paratyphusba/.illen zu agglutiuieren im-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
102
C. Nishino:
Stande ist, ist durch das Absorptionsverfahren zum Schwinden gebracht
worden. Diese Tatsache beweist zwar, daß sie das die Paratyphusbazillen,
agglutinierende Agglutinin enthalten, aber nicht, daß alle Agglutininrezep¬
toren der Paratyphusbazillen dem Agglutinin in solchen Seris entsprechen,
weil die betreffenden Bazillen doch noch gleichzeitig sonstige Rezeptoren
besitzen können.
II. Absorption mit den Paratyphusbazillen aus den dies¬
bezüglichen Immunsera.
4. Wenn man aus dem Sekiyama-Bazillenimmunserum mit den Kondo-
bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentri—
fugat keine Agglutination mehr, nicht nur gegen Kondobazillen, sondern
auch gegen die Mäusetyphus- und die zwei 'anderen nahestehenden, wie
auch gegen alle übrigen elf Paratyphusbazillen in 100 bis öOOOfacher
Verdünnung.
5. Wenn man aus dem Kondo-Bazillenimmunserum mit den Sekiyama-
bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentri-
fugat keine Agglutination mehr, nicht nur gegen Sekiyamabazillen, sondern
auch gegen die Mäusetyphus- und die zwei anderen nahestehenden, wie
auch gegen die übrigen elf Paratyphusbazillen in 100 bis lOOOOfacher
Verdünnung.
6. Wenn man aus den Sekiyama-Bazillenimmunsesum mit den Yoshi-
sakibazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das
Zentrifugat keine Agglutination mehr, nioht nur gegen dieselben Bazillen,
sondern auch gegen die Mäusetyphus- und die zwei anderen nahestehenden,
so auch gegen alle übrigen elf Paratyphusbazillen in 100 bis 5000 facher
Verdünnung.
Aus dem 4. bis 6. Versuche folgen die Schlüsse:
A. Die Agglutininrezeptoren aller untersuchten Paratyphusstämme,
wie auch das Agglutinin aller untersuchten Paratyphussera stimmen ia
toto miteinander überein.
B. Das Agglutinin in den Paratyphussera, welches bei gewöhnlicher
Agglutinationsmethode die Mäusetyphus- und die zwei anderen nahe¬
stehenden Bazillenarten zu agglutiuieren imstande ist, ist durch das Ab¬
sorptionsverfahren zum Schwinden gebracht worden. Diese Tatsache be¬
weist zwar, daß die Paratyphussera das Mäusetyphus- und das zwei
anderen nahestehenden Bazillenarten agglutinierende Agglutinin enthalten,
aber nicht, daß alle Agglutininrezeptoren dieser drei Arten Bazillen dem
Agglutinin in solchen Sera entsprechen, weil die betreffenden drei Arten
Bazillen doch noch gleichzeitig sonstige Rezeptoren besitzen können.
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Untebsuchüng deb P abatyphus B- u. Mäusetyphusbazillen. 103
III. Absorption mit Paratyphus- oder Mäusetyphusbazillen aus
dem Mäusetyphus- bzw. Paratyphusserum.
7. Wenn man aus dem Mäusetyphusserum mit Kondobazillen das
entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentrifugat keine
Agglutination mehr, gegen sämtliche zwölf Paratyphusstämme in 100 bis
10 000 facher Verdünnung, während die Reaktion mit demselben Zentrifugat
gegen Mäusetyphus und die zwei anderen deutlich positiv wie folgt ausfiel:
Stamm
1:100 I 1:200 1:500
1:1000 1:2000] 1:5000 ;i: 10000
Mäusetyphns .....+ 4- + + 4 - + + + +
Mereschkowsky ....++++ + + + + +
Danysz (Nishigahara) . . + + + + -*-, + , + ,+ +
8. Wenn man aus dem Kondo-Bazillenimmunserum mit Mäusetyphus¬
bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentri¬
fugat keine Agglutination mehr gegen Mäusetyphus- und die zwei anderen
Bazillen in 100 bis 10 000 facher Yerdünnnng, während die Reaktionen
mit demselben Zentrifugat gegen die Paratyphusstämme deutlich positiv
wie folgt ausfielen:
Stamm | 1:100 j 1:200 | 1:500 j 1:1000 1 1:2000 | 1:5000'1:10000
Conradi. ++++++ + + ++ 4-4- + + + +
Sekiyama.+ + ++++ ++ ++ ++ ++ + —
Kondo.+ + + t- 4- + ++ ++,++ ++ - +
9. Wenn man aus dem Mäusetyphusserum mit Sekiyamabazillen das
entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentrifugat keine
Agglutination mehr gegen die sämtlichen Paratyphusstämme in 100 bis
10 000 facher Verdünnung, während die Reaktionen mit demselben Zentri¬
fugat gegen Mäusetyphus- und die zwei sonstigen Bazillen deutlich positiv
wie folgt ausfielen:
Stamm
! 1:100 | 1:200 1
1:500 1:1000 1:2000
1:5000 1 :
: 10000
Mäusetyphus . .
. . ' 4 - 4 - 4 - - L '
4 - + f 4-
4 -
+
Mereschkowsky
4 - 4 * 4 - - i -
4 - -4 ' 4-
4 -
4 -
Danysz (Nishigahara)
4-4- 4 - 4 -
4- -4 4 -
4 -
-U
10. Wenn man aus dem Sekiyama-Bazillenimmunserum mit Mäuse-
typhusbazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das
Zentrifugat keine Agglutination mehr gegen Mäusetyphus- und die zwei
sonstigen Bazillen in 100 bis 5000 facher Verdünnung, während die Reak¬
tionen mit demselben Zentrifugat gegen die sämtlichen Paratyphusstämme
deutlich positiv wie folgt ausfielen:
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104
C. Nishino:
Stamm
1 1:100
1:200 ,
1:500
1:1000
1:2000
1:5000
Paratyphus (Laboratorium)
- 4 4
4- -+-
4- --
4 4 |
4
-r-
Yoshisaki.
4 4 4
4- 4-
~ 4-
4 4
4
4
Asano .
+ 4 4
4- 4-
4- -r
4 4
T 4
—
Couradi.
4 4 4
4- 4-
-f r
_—i-
4 4
-+-
Rüssel.
4 4 4
4- 4-
4- 4-
4 4 :
4 4
-4
Paratyphus Nr. 1 ...
- 4- 4
4- 4
4- 4-
4 4
4
-
4— \ —
4- 4
4- 4-
4 4
4 4
-4
>, „ 12 . . .
: + + 1-
4- 4-
4- -4
4 4"
4 4
4
Iguchi.
4 4- 4
4- 4-
-r 4-
4 4
4 4
—
Sekiyama.
4 4 4
-4 4
4* 4-
4 4
- T
4
Takaya .
4 4 r
J-!_
4- 4
-- 4
4 4
-
Kondo.
4-4-4-
4-
4 4*
4 4
4 4
-f-
Aus dem 7. bis 10. Versuche folgen die Schlüsse:
A. Das Mäusetyphusserum enthält außer dem gegen Mäusetyphus-
und Paratyphusbazillen gleich wirksamen Agglutinin gewisse Mengen von
spezifischem Agglutinin gegen Mäusetyphusbazillen.
Die Mäusetyphusbazillen enthalten außer den gegen Mäusetyphus-
und Paratyphusserum gemeinschaftlichen Agglutininrezeptoren gewisse
Mengen von spezifischen Rezeptoren gegen das Mäusetyphusserum.
B. Analog enthält das Paratyphusserum bzw. der Paratyphusbacillus
gleichzeitig die gemeinschaftlichen und spezifischen Agglutinine bzw. Re¬
zeptoren.
Wenn man also das Agglutinin im Mäusetyphusserum mit m + a
und das im Paratyphusserum mit p 4- a bezeichnet, so ist a das gemein¬
schaftliche Agglutinin im Mäusetyphus- und Paratyphusserum, m das im
ersteren und p das im letzteren spezifische Agglutinin. Analog, wenn
man die Rezeptoren im Mäusetyphusbacillus mit m' + a und die im
Paratyphusbacillus mit p + a bezeichnet, so sind a die gemeinschaft¬
lichen Rezeptoren im Mäusetyphus- und Paratyphusbacillus, m die im
ersteren und p' die im letzteren spezifischen Rezeptoren.
Daher kann man hier mit Bestimmtheit sagen, daß eine spezifische
Agglutination zwischen Mäusetyphusbazillen und Paratyphusserum bzw.
zwischen Paratyphusbazillen und Mäusetyphusserum nur dann zum Vor¬
schein kommt, wenn das Absorptionsverfahren vorangegangen ist; und die
Agglutination ohne dieses Verfahren ist nichts anderes als eine sogenannte
Gruppenreaktion.
Vierter Abschnitt. (Bakteriolyse.)
Daß das Mäusetyphus- und Paratyphusserum nicht nur bei Aggluti¬
nationsversuchen mit den diesbezüglichen Bakterien arten wechselseitig
wirken, sondern auch beim Tierversuch gegen die betreffenden Bakterien
bv Google
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Untersuchung der Paratyphus B- u. Mäusettphusbazellen. 105
ihre Schntzwirkungen wechselseitig entfalten, hatten schon Kutscher
und Meinicke (2) bezeugt; meine eigenen Versuche stimmen mit den
ihrigen überein. Die- Ausgänge der Meerschweinchen, welche mit einem
Gemisch von Bazillen und Serum intraperitoneal injiziert wurden, waren
wie folgt:
I. Versuche mit Mäusetyphusserum.
Serummenge
‘ Art u. Menge der Bazillen
Gewicht des
Meerschweinchens
Ausgang
0-005 Mm
li
Mäusetyphus
V'io Öse
245 grm
lebt
0-001 „
»
i
. 10
255 „
»
-
1
1
50
255 „
tot
0-005 „
Paratyphus
(Kondostamm)
V,. -
260
lebt
0-001 „
1/
HO »•
240 „
V
—
, - ?
1 !
‘50 »v
260 „
tot
II. Versuche mit Paratyphusserum (Kondostamm).
Serummenge
Art u. Menge der Bazillen
Gewicht des
Meerschweinchens
Ausgang
0-005 ctm
Paratyphus
(Kondostamm)
7.» Öse
250 * r£U
i
lebt
0-001
1/
10 M
250 ,.
u
—
u
1/
/-*■ 0
269
tot
0-005
Mäusetyphus
Vl O V *
250 ..
lebt
0-001
1 '
'10
300
-
,,
1 /50 i»
255 „
tot
Diese zwei Versuche beweisen zwar das Vorhandensein von gemein¬
schaftlichem Bakteriolysin bzw. gemeinschaftlichen Rezeptoren in den
zwei genannten Sera bzw. den zwei Bazillenarten, aber man kann mög¬
licherweise noch andere, uud zwar spezifisches Lysin bzw. einen spezifischen
Rezeptor darin vorhanden annehmen, wie es bei den Agglutinationen der
Fall war. Ich habe mit dem oben angegebenen Zentrifugat (100 fach
verdünntem Serum) nach der Absorption die Tierversuche augestellt, indem
ich dabei Serum und Bazillen anstatt gemischt jedesmal mit besonderer
Spritze und an besonderer Stelle den Meerschweinchen intraperitoneal
injizierte, weil das Zentrifugat wie oben erwähnt, 0 • 5 prozentiges Phenol
in sich enthält. Ferner, weil das Zentrifugat beim Absorptionsverfahren
verschiedenen äußeren schädlichen Einflüssen ausgesetzt war, und infolge¬
dessen seine Wirksamkeit stark beeinträchtigt worden sein mußte, so habe
ich eine weit größere Menge Serum zu den Versuchen angewandt.
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106
C. Nishino:
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III. Versuche mit dem Zentrifugat des Mäusetyphusserums nach
der Absorption mit Paratyphusbazillen (Kondostamm).
Serum menge
_
j Art u. Menge der Bazillen J
Gewicht des
Meerschweinchens
Ausgang
0*02 cc ®
1 Mäusetvphus l j l0 Öse
290 fTm
lebt
0-01 „
7 10 ••
290 ..
»»
0-005
7.« ••
295 o.
tot
—
»• h so
290 ,.
0*02
Paratyphus \' l0
(Kondostamm)
310
••
0-01
7,o ••
300 ..
0*005 „
7,o
310 ..
M
—
** ‘50 **
289
-
IV. Versuche mit dem Zentrifugat des
Paratyphus- (Kondostamm-) Serum
nach der Absorption mit Mäusetyphusbazillen.
Serummenge
j Art u. Menge der Bazillen
Gewicht des
Meerschweinchens
Ausgang
0*02 ctm
Paratvphus V I0 Öse
240 grra
lebt
(Kondostamm)
0*01 ..
Paratyphus V l0 ..
240 ..
i,
0-005
» */ 10
235 ..
tot
—
i
*» 150
230 ..
0*02
Mäusetyphus */ 10
250 ..
0-01 ..
• Vio ••
230 .
0-005
1/
*10
240 ..
—
7,o
220 ..
Aus dem III. und IV. Versuche kaun man schließen, daß das Mäuse¬
typhus- und Paratyphusserum außer dem gemeinschaftlichen Bakteriolysin
gewisse Meugen von spezifischem Lysin in sich beibehält.
Wenn man also das Lysin im Mäusetyphusserum mit m + u, das
im Paratyphusserum mit p + a bezeichnet, so ist a das gemeinschaftliche,
m das im ersteren und p das im letzteren vorhandene spezifische Lysin.
Die Analogie besteht bei der Vorstellung der Rezeptorenvorrichtung bei
beiden Bazillenarten.
Schlußfolgerung.
1. Die von mir untersuchten Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und
Danysz-(Nishigaharastamm-)Bazillen lassen sich mittels biologischer Ver¬
suche, Agglutination sowie Absorptionsverfahren nicht von einander unter¬
scheiden.
2. Bei den mehrfachen Fütterungsversuchen an Mäusen mit den
zwöf Paratyphusstämmen hat kein einziger unter Septikämie zum Tode
geführt.
Gck 'gle
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Untersuchung der Paratyphus B- u. Mäusetyphüsbazillen. 107
3. Die Mäusetyphus- und Paratyphusbazillen lassen sich bei gewöhn¬
lichen Untersuchungsmethoden nach Morphologie, Kulturen, Färbungen,
Reaktionen oder Agglutination keineswegs voneinander unterscheiden; sie
werden erst durch das Absorptionsverfahren leicht und deutlich voneinander
getrennt.
Hier möchte ich mir erlauben, einige kasuistische Mitteilungen über
Paratyphusbazillen zuzusetzen.
I. Ein Fall von saprophytischem Vorhandensein des Paratyphus A-
ßacillus.
Paratyphus A-Erkrankungen gehören eigentlich zu den seltenen Vor¬
kommnissen, noch mehr das saprophytische Auftreten dieses Bacillus.
Soweit ich aus der Literatur ersehen konnte, haben Paladino-Blandini(6)
aus Quellwasser und Morgan (6) aus Tierdarm denselben isoliert. Was
nun meinen Fall betrifft, so zeigte er sich wie folgt:
Eine 30 jährige Frau K. 0. war im Juli vorigen Jahres in unserem
Hospital wegen akuter Kakke aufgenommen worden; angeblich hatte sie
niemals fieberhafte Krankheiten oder akute Magendarmleiden durcbgemacht.
Bei der bakteriologischen Untersuchung ihres Kotes, und zwar mit der
Agarplatte, wurde ich auf zahlreiche typhusähnliche Kolonien aufmerksam.
Durch genauere biologische und immunisatorische Untersuchungen dieser
Kolonien habe ich festgestellt, daß der fragliche Bacillus Paratyphus A war.
Als Kontrolle habe ich das von Prof. Shiga gelieferte Paratyphus A Nr. 1
parallel untersucht.
II. Ein Fall von saprophytischem Dasein des Paratyphus B-Bacillus.
In bezug auf das saprophytische Vorkommen des Paratyphus B-Bacillus
haben neulich Uhlenhuth und Hübener (7) eine zusammenfassende Mit¬
teilung gemacht. Bei meinem Falle ist der Bacillus vom Darminhalt einer
24jährigen Kakkeleiche namens K. K. isoliert worden; dieser Bacillus ist
der oben Kondostamm genannte Bacillus selbst. Anamnestisch hat der
Patient niemals eine fieberhafte Krankheit oder akuten Brechdurchfall usw.
durchgemacht. Ferner, bei der Sektion war außer den für Kakke charak¬
teristischen Veränderungen, sowie Tuberkulose der Lunge und der Bronchial¬
drüsen keine merkwürdige anatomische Veränderung konstatiert worden.
III. Ein Fall von dysenterieähnlicher Paratyphus B-Erkrankung.
Im Oktober letzten Jahres hat unser Hospital einen 8 jährigen Knaben
unter der Diagnose Dysenterie, von einem praktischen Arzt gesandt, auf¬
genommen. Nach der Angabe desselben Arztes brach die Krankheit mit
mehrmaliger blutigschleimiger Diarrhoe und leichter Fieberbewegung aus.
^ach der Aufnahme im Krankenzimmer entleerte er täglich ein- bis zwei¬
mal schleimigen Stuhl. Bei den wiederholten bakteriologischen Unter-
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108 C. Nishino: Paratyphus B- und Mäusetyphüsbazillen.
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suchungen der Schleimmasse konnte ich anstatt der erwarteten Dysenterie¬
bazillen jedesmal eine kolossale Anzahl von Paratyphus B-Bazillen züchten,
welche allmählich mit der Abnahme der Schleimbeimengung des Kotes auch
verschwanden. Klinisch, ausgenommen den leichten und zwar nur gelegent¬
lich auftretenden Bauchschmerz, subjektiv nichts konstatierbar. Das Colon
descend. und sigmoid. waren mäßig dick und hartinfiltriert und leicht druck¬
empfindlich, die Zunge weißlich belegt und feucht. Die typhösen Symptome
wie Kopfschmerz, geistige Störung, Milztumor oder Roseala wurden nicht
konstatiert.
Die Körpertemperatur war im allgemeinen nicht so hoch; während eines
etwa 3 wöchentlichen Aufenthaltes im Krankenzimmer stieg sie nur zweimal
bis 38*3° C und an den meisten Krankheitstagen schwankte sie zwischen
36*5° bis 37*5° C. Die am 10. Krankheitstage entnommene Blasen¬
flüssigkeit agglutinierte den homogenen und den oben erwähnten Sekiyama-
Bacillus in 200 facher Verdünnung.
Bei akutem unter Erscheinung der Cholera verlaufenden Paratyphus
haben Hetsch (8) und Rolly (9) usw. die schleimigfetzigen Darment¬
leerungen beschrieben, aber über den von Paratyphus B-Bacillus ver¬
ursachten und in toto unter dem Bilde einer leichten Dysenterie ver¬
laufenden Fall habe ich niemals eine Mitteilung gelesen.
Zum Schlüsse spreche ich Herrn Direktor Prof. Dr. Kitasato und
Herrn Abteilungsvorsteher Prof. Dr. Shibayama für die Anregung und
Leitung bei diesen Untersuchungen und Herrn Prof. Dr. Shiga für seine
gütige Überlassung des Materials meinen herzlichen Dank aus.
Tokio, Februar 1910.
Literatur.
1. Shibayama, Münchener med. Wochenschrift . 1907. Nr. 20.
2. Kutscher u. Meinicke, Diese Zeitschrift . 1906. Bd. L1I.
3. Castellani, Ebenda. 1902. Bd. XL.
4. Levy u. Fornet, Centralblatt für Bakteriologie . 1906. Bd. XLI.
5. Bainbridge, The Journ. of Fath. etc . 1909. Vol. XIII. Nr. 4.
6. Paladino-Blandini u. Morgan; refer. v. Kayser, Centralblatt für Bak¬
teriologie. 1906. Bd. XL.
7. Uhlenhuth u. Hübener, Med . Klinik. 1908. Nr. 48.
8. Hetsch, Klin. Jahrbuch. 1906. Bd. XVI.
9. Rolly, Deutsches Archiv für Klin. Med. Bd. LXXXYII. Hft. 5 u. 6.
Gck igle
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[Aus der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen Instituts
der Universität Berlin.]
Zur Kenntnis der Immunität
bei experimenteller Trypanosomeninfektion.
Von
Rudolf Neumann.
Im Verlaufe ihrer chemotherapeutischen Studien au mit Trypanosomen
^zierten Mäusen haben Ehrlich und mehrere seiner Mitarbeiter auch
'ias Problem der Immunität bei Trypanosomenkrankheiten, das schon
fiederholt Forscher beschäftigt hatte, von neuem einer Untersuchung
unterzogen. In dem der Gruppe der Azofarbstoffe angehörigen Trypanrot
hatte Ehrlich eine wirksame Substanz entdeckt, die Trypanosomen im
Blut von Mäusen und Hatten zum Verschwinden zu bringen. Allerdings
w är damit eine Dauerheiluug im allgemeinen nicht zu erreichen, nach
einiger Zeit trat das Rezidiv auf, dem die Tiere nun schnell erlagen.
•Ins dem Auftreten des Rezidivs ergab sich mit Notwendigkeit der Schluß,
daß ein Teil der Trypanosomen in irgend einer Weise der trypanoziden
Wirkung des chemotherapeutischen Agens entgehen müsse, und es lag
uun die Frage nahe, warum die zurückgebliebenen Trypanosomen sich
röcht sofort, sondern erst nach einer Zeit von Wochen und Monaten wieder
^nnehrten, während die Schutzwirkung des Heilmittels schon einige Tage
nach dessen Injektion verschwindet.
Um diese Frage zu klären, welches die Faktoren seien, die eine Ver¬
ehrung der zurückgebliebenen Trypanosomen nach Ablauf der Trypanrot-
schatzwirkung verhinderten, wurde von Ehrlich, Shiga und Franke
folgende Versuchsmethodik eingeschlagen: sie infizierten Mäuse, die durch
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L
110
Rudolf Neumann:
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Trypanrot von ihrer Mal de Caderas-Infektion geheilt waren, nochmals mit
diesen Trypanosomen nach, nachdem die trypanozide Wirkung des Trypanrot
bereits abgeklungen war. Sie stellten nun fest, daß diese Neuinfektion
nicht anging, ebensowenig wie alle Nachinfektionen, welche innerhalb von
etwa 22 Tagen nach der Heilung der Infektion vorgenommen wurden.
Aus diesen Beobachtungen ziehen Ehrlich und seine Mitarbeiter den
Schluß, daß durch die Abheilung der Trypanosomeninfektion eine echte,
zeitlich begrenzte Immunität entstehe.
Der nächste Schritt war der, die Spezifität dieser Immunität zu
prüfen. Zu diesem Zweck wurde den z. B. von ihren Nagana-Trypano-
somen geheilten Mäusen irgend eine andere Trypanosomenart nachgeimpft,
z. B. Mal de Caderas- oder Dourineerreger. Diese Stämme gingen glatt,
ohne Verzögerung, an. Ergab sich hieraus als Konsequenz die Annahme
einer Bildung artspezifischer Antikörper, so bestätigte sich doch in weiteren
Versuchen die Hoffnung nicht, mit Hilfe dieser Immunitätsreaktion die
verschiedenen Trypanosomenspezies voneinander trennen und identifizieren
zu können. Browning impfte eine Anzahl Mäuse mit einem parafuchsin¬
festen Naganastamm vor und infizierte nach: 1. mit Normalnagaua-
stamm, 2. mit parafuchsinfestem und 3. mit atoxylfestem Naganastamm.
Es zeigte sich, daß nur gegen den vorgeimpften, also parafuchsinfesten
Stamm eine Immunität eingetreten war, während sich bei den beiden
anderen Stämmen die nachinfizierten Trypanosomen schnell vermehrten.
Er kommt deshalb zu dem Schluß, daß die Immunitätsreaktion bereits
feinste biologische Unterschiede zu erkennen gebe, und daß Differenzen
in dieser Reaktion keine genügende Grundlage für die Klassifizierung
von verschiedenen Trypanosomenspezies bieten. Ehrlich konnte dann
weiter dartun, daß die Trypanosomen, welche sich einige Zeit nach
einer nicht völlig sterilisierenden Dosis irgend eines Heilmittels im
Blut der Maus wieder einstellen, sich anders wie der Ausgangs¬
stamm bezüglich der Immunitätsreaktion verhalten, und daß diese neu¬
gewonnene Eigenschaft des Rezidivstammes durch hunderte von Passagen
vererbt wird.
Durch diese Immunitätsreaktion lassen sich somit prinzipielle bio¬
logische Differenzen zwischen den verschiedenen Trypanosomenspezies
einerseits, sowie zwischen Normalstamm, Rezidiv- und festem Stamm
der gleichen Trypanosomenart andererseits nachweisen. So weit reichen
die bisherigen Ergebnisse der Ehrlichschen Schule. An diese Tatsachen
knüpfen meine Versuche an, die unter Leitung von Ilrn. Prof. Dr. Morgen -
roth und mit freundlicher Unterstützung von Hrn. Dr. Rosenthal aus¬
geführt worden sind und folgende Fragen zu beantworten versuchen:
Go^ 'gle
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Immunität bei Tbypanosomen Infektion.
111
1. Ist das aDgewandte chemotherapeutische, trypanozide Ageus von
Einfluß auf die Dauer der Immunität?
2. Sind die Rezidivstämme untereinander identisch oder lassen sich
auch zwischen ihnen mit Hilfe der Immunitätsreaktion feinere biologische
Unterschiede nachweisen?
Als Versuchstiere wurden weiße Mäuse von einem Gewicht von
15 018 22*™ benutzt. Zur Infektion diente ein Stamm von Trypanosoma
Brucei (Dr. von Prowazek, Hamburg). Dieser Stamm hatte durch sehr
zahlreiche Passagen durch weiße Mäuse einen konstanten, hohen Virulenz¬
grad für diese erreicht: Vom ersten Erscheinen der Parasiten im Blut der
Versuchstiere bis zu ihrem Tod vergehen im allgemeinen 3 oder 4 Tage.
Einmal wurde auch ein Stamm von Mal de Caderas-Trypanosomen ver¬
wendet, der ungefähr dieselbe Virulenz für Mäuse besitzt. Die Infektion der
Tiere geschah fast immer intraperitoneal, wodurch ein rascheres Angehen
der Parasiten als bei subkutaner Impfung erzielt wird. Gewöhnlich traten
schon am Tage nach der Infektion vereinzelte Trypanosomen im Blut auf,
die sich dann sehr rasch vermehrten. Zur Untersuchung dienten Präparate
Ton frischem Blut, das der Schwanzspitze der Maus entnommen und zwischen
Objektträger und Deckglas in möglichst dünner und gleichmäßiger Schicht
verteilt wurde. Die Bezeichnungsart ist die bei chemotherapeutischen
Experimenten allgemein übliche. Es bedeutet:
0 = keine Trypanosomen im Präparat.
(4-) = ganz vereinzelte Trypanosomen im ganzeu Präparat.
+ = I bis 2 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld.
+ 4- = 5 bis 8 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld.
r44 — 10 bis 30 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld.
4 4-4-4- = unzählbar viele Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld, wie
sie sich kurz vor dem Tode der Maus fiuden.
t = tot.
— = nicht nachgesehen.
Das Infektionsmaterial wurde so bereitet: Das Blut einer Maus, die
reichüch (+ + +) Trypanosomen aufwies, wurde durch Dekapitation ge¬
wonnen und mit physiologischer Kochsalzlösung so weit verdünnt, daß
sich ungefähr 3 bis 5 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld fanden. Von
dieser Blutverdünnung wurden meist 0-2 ccm mittels Pravazspritze den
zu infizierenden Tieren intraperitoneal injiziert. Diese Infektion ist als
eine starke zu bezeichnen.
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112
Rudolf Neumann:
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Von trypanoziden Mitteln wurden folgende angewandt:
1. Am häufigsten Kaliumantimonyltartrat, dessen Wirksamkeit zuerst
Mesnil und Nico Ile beobachtet haben, dessen genauere Kenntnis wir
aber den eingehenden Untersuchungen von Plimmer und seinen Mitar¬
beitern verdanken. Es kommt ihm von allen bisher bekannten trypano¬
ziden Agentien die schnellste Heilwirkung zu, und selbst kurz vor
dem Tode des Versuchstieres vermögen noch geringe Mengen von
Brechweinstein die Trypanosomen aus der Zirkulation zu beseitigen
und das Tier zu retten. Als Heildosen wurden Kaliumantimonyl-
tartratmengen verwendet, welche, wie aus eingehenden Versuchen von
Morgenroth und Rosenthal hervorgeht, eine sicher heilende Wirkung
entfalten, ohne eine Antimonintoxikation der Versuchstiere im Gefolge zu
haben. Die Dosen bewegen sich zwischen 0*2 bis 0*35 ccm einer Ver¬
dünnung von 1 : 1000. Die Lösungen wurden mit physiologischer Koch¬
salzlösung unter mäßigem Erwärmen hergestellt und möglichst frisch be¬
nutzt. Die Nachinfektion konnte bereits 24 Stunden nach der Abheilung
mit Kaliumantimonyltartrat vorgenommen werden, da, wie sich aus den
prophylaktischen Versuchen der eben genannten Autoren ergibt, Tartarus
stibiatus in den von mir verwendeten Dosen keine prophylaktische Wirkung
nach Ablauf dieses Intervalls entfaltet. Um Zufälligkeiten, wie sie jedem
biologischen Experimente anhaften, zu begegnen, wurden jedoch in fast
allen unseren Versuchen prophylaktische Kontrollen eingereiht, die stets
eine solche vorbeugende Kaliumantimonyltartratwirkung auszuschließeu
gestatteten.
2. Ferner wurde Arsacetin in einer Dosis von 1.0 ccm einer 1 prozen-
tigen physiologischen Kochsalzverdünnung benutzt, die sich für unseren
Naganastamm als sicher kurative Dosis bewährte. Dies Mittel wirkte in
dieser Menge nach 2 Tagen ebenfalls sicher nicht mehr prophylaktisch.
3. Schließlich gebrauchten wir noch zur Abheilung das von Ehrlich
in die Therapie eingeführte Arsenophenylglycin in der Dosis von 2 • 0 ccm
einer Verdünnung von 1 : 500 physiologischer Kochsalzlösung. Arseno¬
phenylglycin wirkt, wie Roehl angibt, 4 Tage prophylaktisch, deshalb
wurde bei diesen Versuchen die Nachiufektion erst am 5. Tage ausgeführt.
Sämtliche Heilmittel wurden den Mäusen subkutan verabreicht.
Um uns eine experimentelle Grundlage für weitere Versuche zu
schaßen, haben wir zunächst die Angaben von Ehrlich, Franke und
Browning hinsichtlich ihrer Gültigkeit auch für den von uns verwendeten
Naganastamm einer Nachprüfung unterzogen. Doch wurden unsere Ver¬
suche in der Weise modifiziert, daß statt des von jenen gebrauchten
Trypanrots die vorher erwähnten Heilpräparate zur Verwendung gelangten.
Gck igle
Original frum
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Immunität bei Trypanosomeninfektion.
113
Unsere ersten Versuche gestalteten sich nun im einzelnen zunächst so,
daß wir, in Anlehnung an die Technik der genannten Forscher, den Nor-
malnaganastamm vorimpften, dann durch eins der oben angeführten
Agentien die Infektion bei einem Trypanosomengehalt von + + + im
Blut zur Abheilung brachten und nun an einem der nächsten Tage, meist
schon am folgenden, die geheilten Mäuse mit verschiedenen Trypanosomen-
stämmen nachinfizierten. Zur Nachinfektion wurden benutzt zunächst
der gleiche Normalnaganastamm, der vorgeimpft wurde, dann Rezidiv-
Stämme desselben, ferner ein von Morgenroth und Halberstädter
durch Arsacetinbehandlung gegen verschiedene Arsenikalien und Antimon¬
präparate gefestigter Naganastamm, der weiterhin kurz als arsacetinfester
Stamm bezeichnet wird. Über die Gewinnung der benutzten Rezidiv¬
stämme ist kurz zu bemerken, daß sie sich von den Trypanosomen eines
ersten Rezidivs herleiteten, das nach Abheilung der Normalaganainfektion
durch 0*25 ccm Kaliumantimonyltartrat 1 : 1000 gewöhnlich zwischen dem
8. bis 15. Tage auftrat, und das entweder ganz frisch oder unter mög¬
lichster Beschränkung der Tierpassagen verimpft wurde.
Die folgende Tabelle I gibt einen Versuch wieder, in welchem
Xormalaganastamm vorgeimpft und der gleiche Normalstamm nach Ab¬
heilung der Infektion durch Kaliumantimonyltartrat nachgeimpft wurde.
Dabei waren mehrere Arten von Kontrolltieren nötig, ebenso in allen
folgenden Versuchen, deren Bedeutung die ist:
1. Tiere, die, mit dem Heilmittel vorbehandelt, anzeigen, daß keine
prophylaktische Wirkung mehr von diesem ausgeht, sog. „prophylaktische
Kontrollen“ (s. z. B. Tabelle I, Nr. 67 bis 68).
2. Unbehandelte Tiere, die das Angehen der Nachinfektionen demon¬
strieren, sogenannte Infektionskontrollen (s. z. B. Tabelle I, Nr. 73 u. 76).
3. Tiere, die nach der Heilung nicht nachinfiziert wurden und den
Zeitpunkt des Recidiveintrittes veranschaulichen sollen, sogenannte Rezi¬
divkontrollen (s. z. B. Tabelle I, Nr. 63 und 65).
Es ergibt sich aus diesem Versuche, daß auch für den von uns in
unseren Experimenten benutzten Naganastamm die Tatsache besteht, daß
die Abheilung der Infektion eine Immunität gegen eine Neuinfektion mit
dem gleichen Stamm bedingt.
Diesem Versuche wollen wir nun einen zweiten, in gleicher Weise
angesetzten, anreihen, der im wesentlichen das gleiche Resultat wie der
erste aufweist. (Tabelle II.)
Auch hier geht also der nachgeimpfte Normalstamm bei Vorimpfung
und Abheilung der gleichen Trypauosomenart nicht an. Über die Natur
i der hier am 9. Tage nach der Vorinfektion von neuem in der Zirkulation
Zeitscbr. f. Hygiene. LXIX
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114
Rudolf Neumann:
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Vorinfektion mit Nngana norm. Prowazek. — Heilung mit Tartarus stibiat. — Nachinfektion mit Nagana normal
Immunität bei Trypanosomeninfektion.
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116
Rudolf Neumann:
erscheinenden Trypanosomen geben die Rezidivkontrollen bis zu einem
gewissen Grade Aufschluß, indem mit dem Erscheinen- dieser Trypano¬
somen das Rezidiv des vorgeimpften Normalstammes in einer Kontrolle
(Nr. 222) zeitlich bis auf einen Tag zusammenfällt. Gleichwohl ist die
Divergenz zwischen den bei allen nachgeimpften Mäusen am 9. Tag post
infectionem gleichmäßig auftretenden Trypanosomen und dem davon
dauernden Freibleiben der Maus Nr. 223 bemerkenswert. Es ist bei
diesem Ergebnisse immerhin die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, daß
die am 9. Tage nach der Infektion bei Nr. 210 bis 213 erscheinenden
Parasiten verschiedenen Ursprungs sind, und daß es sich vielleicht zum
Teil um gewöhnliche Rezidivtrypanosomen handelt, zum Teil aber um
Trypanosomen, die dem nachgeimpften Naganastamm angehören und bloß
ein verlangsamtes Angehen zeigen. Ähnliches begegnete uns nämlich
noch in anderen Versuchen, und wir werden bei späteren Experimenten
auf letztere Möglichkeit noch ausführlicher zurückzukommen haben.
Den nächsten Versuchen liegt folgende Anordnung zugrunde: Es
wurden, wie in den beiden ersten Tabellen, Nagananormaltrypanosomen
vorgeimpft, bei vollentwickelter Infektion mit Kaliumantimonyltartrat ab¬
geheilt und nun nachgeimpft:
1. I.Tartarus-Rezidiv-Naganastamm;
2. Arsacetinfester Naganastamm;
3. Normaler Mal de Caderasstamm.
Aus den Tabellen III bis V geht hervor, daß der erste Rezidivstamm
bereits biologisch scharf von seinem Ausgangsstamm differenziert ist, ebenso
wie der feste Stamm, und daß beide mit dem Mal de Caderasstamm in¬
sofern übereinstimmen, als eine mit diesen Stämmen vorgenommene
Nachiufektion prompt augeht, als ob es sich um eine ganz andere Spezies
handelt.
Der folgende Versuch VI befolgt im wesentlichen die Technik von
Browning.
Wir haben, wie jener, zunächst den obenbeschriebenen festen Stamm
vorgeimpft. Da dieser, wie bereits erwähnt, auch eine absolute Antimon¬
resistenz besaß, so haben wir zu seiner Abheilung statt des Kaliumanti-
monyltartrats Arsenophenylglycin in einer Dosis von 2 • 0 ccm 1 : 500 ver¬
wendet. Entsprechend der Dauer der prophylaktischen Wirkung dieses
Präparates wurde die Nachinfektion erst fünf Tage nach dem therapeuti¬
schen Eingriff vorgenommen und zwar:
a) mit Normalnaganastamm,
b) mit demselben festen Stamm, der vorgeimpft wurde.
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Immunität bei Tbypanosomeninfektion.
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118
Rudolf Neumann:
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Tabelle V.
Vorinfektion mit Nagana normal. Prowazek. — Heilung mit Tartarus
stibiatus. — Nachinfektion mit Mal de Caderas-Stamm.
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Das Resultat des Versuches (Tabelle VI) bestätigt das Ergebnis von
Browning, daß bei Vorimpfung von festem Stamm der nachgeimpfte gleiche
feste Stamm nicht angeht, daß aber die Vorimpfung und Abheilung des
festen Stammes keine Schutzwirkung für den Normalstamm bedingt.
In ähnlicher Weise verhalten sich Normal- und Rezidivstamm zu
einander. Geht, wie Tabelle III ergibt, bei Heilung des Normalstammes
die Neuinfektion mit Rezidivstamm ohne weiteres an, so zeigt das folgende
Experiment das gleiche Ergebnis für den Fall, daß man umgekehrt Rezi¬
divstamm vor- und Normalstamm nachimpft. Allerdings bedarf es dazu
frischer Rezidivstämme, wie ein späterer Versuch lehren wird.
Das Resultat der bisher angestellten Experimente (Tabellen I bis VII)
ist also folgendes:
Es besteht eine Immunität nur in den Fällen, wo derselbe Stamm,
der vorgeimpft, auch nachinfiziert wurde, wie die Tabellen I, II und Via
demonstrieren. Dagegen ist in allen übrigen Versuchen eine Immunität
nicht nachweisbar, und die Nachinfektion geht glatt, in Übereinstimmung
mit den Kontrolltieren, an. Es lassen sich also mit Hilfe der Immuni¬
tätsreaktion prinzipielle Differenzen zwischen diesen Stämmen nachweisen,
Differenzen, die somit nicht nur zwischen den verschiedenen Trypanosomen¬
spezies, hier den Erregern der Tsetsekrankheit und des Mal de Caderas,
bestehen, sondern auch bei Stämmen, die von dem vorgeimpften Normal¬
stamm ihren Ausgang nahmen. Es stimmen diese Resultate mit denen
von Ehrlich und Browning überein, die bereits, ebenso wie wir, für
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Immunität bei Tbypanosomeninfektion.
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120
Rudolf Neumann:
Tabelle VII.
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Tartarus stibiatus. — Nachinfektion mit Nagana norm. Prowazek.
Infektionskontrollen
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Nag. norm. Nag. norm.
(+) (+)
+ + + + + +-
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den I-Rezidivstamm und weiter auch für ihre festen Stämme die gleichen
Divergenzen beobachteten. Daß aber innerhalb der nachgeimpften Stämme
noch weitere biologische Differenzen wesentlicher Natur vorhanden sind,
werden wir in späteren Versuchen noch zeigen können.
Wir haben uns nun im weiteren bemüht, die Dauer der Immunität
festzustellen. Wir sind dabei von der Erwägung ausgegangen, daß mög¬
licherweise hierbei die Art des pharmakologischen Agens von Einfluß sein
könne, und wir haben deshalb, um Vergleiche mit den Versuchen von
Ehrlich und Franke, die eine Maximalimmunitätsdauer von 22 Tagen
feststellen konnten, nicht mit Trjpanrot, sondern mit Arsacetin abgeheilt.
Von dem in den bisherigen Versuchen verwendeten Kaliumantimonyltar-
trat mußte abgesehen werden, da mit den verwendbaren Antimondosen
eine sicher sterilisierende Wirkung meist nicht erreichbar ist, und das
Auftreten des Rezidivs des vorgeimpften Stammes den Betrachtungen über
die Immunitätsdauer hinderlich im Wege ist. Bei Arsacetingabe aber
konnte dieser Schwierigkeit umgangen werden, da die verwendeten Dosen
von zweimal 0*5 ccm 1:100 fast in allen Fällen eine völlige Sterilisation
des Tierkörpers hervorriefen. Es wurde in dem angeführten Versuch nun
so vorgegangen, daß der Normalnaganastamm sowohl vor-, als auch
nachgeimpft wurde, und zwar geschah die Nachinfektion zu wiederholten
Malen.
Es geht aus Tabelle VIII hervor, daß sich auch durch Abheilung
mit Arsacetin eine langdauernde Immunität gegen eine Neuinfektion mit
dem gleichen Stamm erzielen läßt, deren Dauer in unserem Falle bis jetzt
£ Intrap. Vorinfektion mit I. Tartarus-Rezidiv v. Nagana.
gj'g Bei + + + : Heilung durch 0*8 Tartarus stib. 1: 1000.
*—•1 Bei 0: Nachinfektion mit Nagana norm. Prowazek.
§. Nr.: 224
225
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Immunität bei Tbypanosomeninfektion.
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Rudolf Neumann:
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24 Tage währte. 1 Es scheint demnach die Wahl des pharmakologischen
Agens bei der Intensität der Antikörperbildung nicht von ausschlaggebender
Bedeutung zu sein. — Wir möchten an dieser Stelle noch einfügen, daß
wir im Verlaufe des eben skizzierten Gedankenganges als Kurativmittel auch
Menschenserum, dessen Wirksamkeit zuerst von Laveran und Mesnil an¬
gegeben wird, gebraucht haben, welches bei zweimaliger Injektion an zwei
aufeinander folgenden Tagen in einer Menge von je 0*8 ccm in aktivem
Zustande die vollentwickelte Trypanosomeninfektion zur Abheilung brachte.
Wir erhielten das überraschende Resultat, daß die in unserem Versuch als
prophylaktische Kontrollen benutzten Tiere auf Wochen hinaus selbst
gegen die stärksten Trypanosomeninfektionen völlig immun waren. Dem¬
entsprechend ergab sich auch bei den eigentlichen Versuchstieren, daß in
gleicher Weise sehr lange Zeit ein Angehen der Nachinfektion nicht zu
ermöglichen war. Es ist dies Resultat im Hinblick auf das Verhalten der
prophylaktischen Kontrollen mit größter Wahrscheinlichkeit auf eine lang¬
dauernde primäre Schutzwirkung von Menschenserum gegen die Trypa¬
nosomeninfektion der Mäuse zu beziehen.. Das Serum stammte von frisch
entbundenen Wöchnerinnen, und es ist die Möglichkeit vorhanden, daß
dem menschlichen Serum in dieser Periode derartige Eigenschaften zu¬
kommen, wie ja auch Ehrlich bei dem Serum von leberkranken Menschen
eine gegen die Norm schwächere Wirkung gegenüber der Trypanosomen¬
infektion nachweisen konnte.
Hatte sich aus unseren vorher angeführten Versuchen das Resultat
ergeben, daß Normalstamm und Rezidivstamm in Bestätigung der An¬
gaben früherer Autoren sich bei der Immunitätsreaktion als völlig ver¬
schieden erweisen, so wurde in weiteren, hieran sich anschließenden Ver¬
suchen der Frage näher getreten, ob auch zwischen den Rezidivstämmen
untereinander biologische Unterschiede bestehen, die sich in dem Ausfall
der Immunitätsreaktion offenbaren.
In drei verschiedenen Versuchskombinationen wurde eine Beantwortung
dieser Frage versucht:
1. Durch Vergleichung zweier Rezidivstämme, die mit differenten
therapeutischen Agentien gewonnen worden waren;
1 Der Versuch (Tabelle VIII) wurde unterdessen weiter fortgesetzt und die
Mäuse Nr. 316 und 318—320 noch mehrmals zugleich mit entsprechenden Kontrollen
infiziert. Es stellte sich dabei noch eine bedeutend längere Immunitätsdauer heraus,
die bei Nr. 316 und Nr. 320 zwar nur 27 Tage, bei Nr. 319 dagegen 56 Tage währte,
während endlich Nr. 318 noch nach 70 Tagen nach siebenmaliger Nachinfektion frei
von Trypanosomen war. Die Rezidivkontrollen blieben dauernd geheilt.
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Immunität bei Trypanosomeninfektion.
123
2. Durch Gegenüberstellung von Rezidivtrypanosomen, die auf völlig
gleiche Art erzeugt worden waren und sich im selben Rezidivgrad befanden;
3. Durch Vergleichung verschiedener Rezidivgrade.
ad. 1. Zwei Mäuse wurden mit Normalnaganastamm infiziert; bei
voli entwickelter Infektion wurde darauf die eine mit Kaliumantimonyltar-
trat. die andere mit einer nicht sterilisierenden Dosis von Arsacetin ge¬
heilt und nun bei beiden das Rezidiv abgewartet. Es entstand so ein
Tabelle IX.
Vorinfektion mit I. Tartarus-Rezidiv von Nagana Prowazek.
Heilung durch Tartarus stibiatus.
Nachinfektion mit I. Arsacetin-Rezidiv von Nagana.
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Intraperit. Infektion mit I. Tartarus-Rezidiv v. Nagana.
Bei 4-4- + : Heilung durch 0-35 Tartarus stib. 1:1000.
Bei 0: Nachiüfektion mit I. Arsacetin-Rezidiv v. Nagana.
Prophylak¬
tische
Infektions¬
kontrolle
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338
339
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341
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I. Tartarus-Rezidiv und ein I. Arsacetin-Rezidiv, die sich beide vom Aus-
gaDgsstamm biologisch unterschieden. Weiterhin wurde nun eine Anzahl
von Mäusen mit diesem I. Tartarus-Rezidiv vorgeimpft, bei + + + im Blut
die Trypanosomen durch Kaliumantimonyltartrat zum Verschwinden ge¬
bracht und nun das I. Arsacetin-Rezidiv nachgeimpft, wie dies die
Tabelle IX zeigt.
Das Resultat des Versuches ist also folgendes: Die I. Arsacetin Rezidiv¬
trypanosomen gehen nach Vorimpfung und Abheilung eines I. Tartarus-
Rezidivs glatt an. Beide haben also, neben der gemeinsamen
Eigenschaft, vom Ausgangsstamm verschieden zu sein, noch
untereinander differente biologische Merkmale, da die frei
werdenden Schutzstoffe der einen Art keine Wirksamkeit für
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124
Rudolf Neumann:
die andere haben. Der Einwand, der geltend gemacht werden konnte,
daß das pharmakologische Agens von Einfluß auf die sich bildenden
Rezidiveigenschaften ist, wird am besten durch den nun folgenden Ver¬
such widerlegt.
ad 2. Es wurden 8 völlig gleiche I. Tartarus-Rezidivstämme geschaffen.
Zu diesem Zwecke wurde so vorgegangen: Drei Mäuse wurden in gleicher
Weise mit Naganaerregem infiziert, bei + + + Trypanosomen im Blut mit
Kaliumantimonyltartrat geheilt, sodann der Eintritt des Rezidivs erwartet.
Die Protokolle dieser 3 Mäuse waren also folgende:
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26. XII. 10
28. XII. 10
2. I. 11
Maus A.
Infektion mit
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stib. 1:1000
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+ + +
Maus B.
Infektion mit
Tryp. Brucei
+ + +
0.2 cc ® Tart,
stib. 1:1000
Maus C.
Infektion mit
Tryp. Brucei
+ + +
0 . 2 cc” Tart.
stib. 1:1000
0 0
+++ +++
= I. Tartarus-Rezidiv von Maus A, B und C.
Die auf solche völlig analoge Weise gewonnenen Rezidivstämme seien im
Folgenden kurz mit I-R-A, I-R-B und I-R-C bezeichnet Es wurden
nun 15 Mäuse mit den nötigen Kontrollen mit I-R-B infiziert, die voll
entwickelte Infektion mit Tartarus stibiatus zur Abheilung gebracht und
nun gruppenweise je 5 Mäuse mit I-R-A und I-R-B und I-R-C nachin¬
fiziert (Tabelle X).
Das Ergebnis dieses Experimentes ist: Auch auf völlig gleiche
Art und Weise, mit demselben Heilmittel erzeugte und in der¬
selben Periode stehende Rezidivstämme zeigen bei der Im¬
munitätsreaktion biologische Unterschiede. Denn, wie der Ver¬
such zeigt, bedingt die Vorimpfung und Abheilung von I-R-B, von
kleinen Abweichungen abgesehen, einen deutlichen Schutz gegen die
Nachinfektion von I-R-B und I-R-A, wie Nr. 231 bis 235 und Nr. 238
bis 242 lehren. Dagegen bleibt diese Schutzwirkung bei Nachimpfung
mit I-R-C aus (Nr. 245 bis 249). Daß es sich aber bei dem vorgeimpften
I-R-B in der Tat um einen Rezidivstamm handelt, zeigt die frühere
Tabelle VII, in der derselbe hier benutzte I-R-B-Stamm vorgeimpft und
Normalstamm nachgeimpft worden war, und wo entsprechend unseren
früheren Erfahrungen der nachinfizierte Normalstamm glatt auging.
Wir lernen somit aus diesem Versuche innerhalb der Gesetzmäßigkeiten,
die zwischen Ausgangs- und Rezidivstamm bestehen, noch erhebliche
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Immunität bei Trypanosomeninfektion
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dauernd
Immunität bei Trypanosomen Infektion.
127
Variationen der Rezidivstämme untereinander kennen, die dar¬
auf hindeuten, daß wir es bei der Bildung der Rezidivstämme mit außer¬
ordentlich komplizierten Prozessen zu tun haben, die weitgehenden indivi¬
duellen Schwankungen unterliegen. Will man ein klares Bild dieses
Versuches gewinnen, so richtet man sein Hauptaugenmerk am besten nur
auf die Vorgänge bis zum 6. Tage nach der Vorinfektion. Bis zu diesem
Termin treten die eben geschilderten Differenzen deutlich hervor, dagegen
verwischen sich an den folgenden Tagen die Unterschiede mehr oder
weniger. Es treten jetzt, wie sich aus den Rezidivkontrollen 252 und 253
ergibt, bei den einzelnen Tieren Rezidivtrypanosomen früher oder später
auf. Auffällig ist nur noch das Verhalten der Nr. 247 und 248 und 233
und 235, wo nach anfänglichem Auftreten der Trypanosomen diese bald
wieder verschwinden. Es müssen da sehr verwickelte Prozesse im Spiele
sein, über die sich mit der später entwickelten Rezeptorentheorie immer¬
hin einige Vorstellungen gewinnen lassen.
ad 3. Der dritte Versuch endlich, der zu dem Zwecke angestellt
wurde, Aufschluß über das gegenseitige Verhalten der Rezidivstämme zu¬
einander zu schaffen, wurde mit Rezidivstämmen verschiedenen Grades,
aber von denselben Ausgangstrypanosomen, unternommen. Dazu wurde
zunächst wieder eine Maus mit Normalnaganaerregern infiziert, und in der
schon öfters beschriebenen Weise entstand nach Abheilung der Infektiou
mit Kaliumantimonyltartrat nach einiger Zeit ein I. Tartarus-Rezidiv.
Dieses wurde auf neue Mäuse übertragen und in diesen weiter gezüchtet.
Die Ursprungsmaus aber wurde nochmals mit Brechweinstein geheilt und
nach mehreren Tagen erschienen wieder Trypanosomen in ihrem Blut,
„das II. Tartarus-Rezidiv“. So wurde nun nochmals verfahren und noch
ein III. Tartarus-Rezidiv geschaffen. Das Protokoll dieser Maus ist also
folgendes:
23. XII. 10 Infektion mit Tryp. Brucei.
26. XII. 10 + + +; 0 * 2 ccra Tart. stib. 1 : 1000 .
28. XII. 10 0
2. I. 11 + + + = I. Tartarus-Rezidiv — wird weiter gezüchtet.
0 . 3 mn Tart. s tib. 1:1000.
4.1.11 0
14. I. 11 + + + = II. Tartarus-Rezidiv — wird weiter gezüchtet.
0 • 3 ccra Tart. stib. 1 : 1000 .
16.1.11 0
24. I. 11 + + + = III. Tartarus-Rezidiv — wird weiter gezüchtet.
Im folgenden wird kurz folgende Bezeichnung für diese 3 Stämme ge¬
wählt: I. T-R., 1I.T-R. und III. T-R. Jetzt wurde folgende Versuehsanord-
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(Fortsetzung.)
Immunität bei Trypanosomeninfektion,
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Original frorn
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nung getroffen: 12 Mäuse wurden mit dem II. T-R. vorgeimpft, darauf
die Trypanosomen bei + + + durch Kaliumantimonyltartrat beseitigt und
nun je 4 Mäusen I. T-R., II. T-R. und III. T-R. nachgeimpft.
Dies veranschaulicht Tabelle XI.
Als Resultat ergibt sich auch hier wieder eine markante Differenz in
dem Verhalten der Rezidivstämme zueinander wie im vorhergehenden
Versuch. Die bei der Auflösung der Trypanosomen des II. T-R. ent¬
stehenden Antikörper sind wirksam gegen die Trypanosomen des I. T-R.
und II. T-R. — die Nachinfektion versagt —, dagegen unwirksam gegen
das III. T-R., welches infolgedessen bei der Nachinfektion glatt angeht.
Auch hier trübt sich aber das anfänglich völlig klare Versuchsergebnis
vom 7. Tage nach der Vorinfektion ab durch das Auftreten von Trypa¬
nosomen bei mehreren Individuen. Auch hier wird, wie der Vergleich
mit der Rezidivkontrolle Nr. 303 lehrt, ein großer Teil der auftretenden
Trypanosomen als Rezidivtrypanosomen anzusprechen sein. Immerhin ist
das völlige Freibleiben der beiden anderen Rezidivkontrollen Nr. 301 und
302, und im Gegensatz dazu bei sämtlichen Versuchstieren das Auftreten
von Trypanosomen und bei einzelnen Mäusen, z. B. Nr. 284 und 279, das
so überaus frühe Erscheinen derselben auffällig. Wie schon früher bei
Tabelle II angedeutet, muß jedoch daran gedacht werden, daß es sich
mitunter nur um ein verzögertes Angehen der Nachinfektion handelt, was
aber an den biologischen Unterschieden der einzelnen Stämme nichts
ändert.
Bei einer kurzen Zusammenfassung aller unserer Experimente kommen
wir nun zu folgender Beantwortung der von uns im Anfang gestellten
Fragen:
1 . Bei der mit Hilfe verschiedener trypanozider Mittel er¬
zeugbaren Immunität, die erkennbar ist in dem Versagen der
Nachiufektion desselben Stammes, der vorgeimpft wurde,
scheint das Mittel selbst keine wesentliche Rolle bei der
Dauer der Immunität zu spielen. Die bei der Kaliumanti-
timonyltartratheilung meist vom 6. oder 7. Tage nach der Vor-
infektiou ab im Blut der Versuchstiere wieder erscheinenden
Trypanosomen sind im allgemeinen, wie die Rezidivkontrollen
beweisen, als das Rezidiv des vorgeimpften Stammes auf¬
zufassen; sie bedeuten also noch nicht das Ende der Immunität.
Dieser störende Faktor fiel bei der Arsacetinheilung weg, bei
der es uns ähnlich, wie Ehrlich und Franke bei der Trypan-
rotheilung, gelang, eine länger dauernde Immunität nach¬
zuweisen, die bis jetzt ungefähr 24 Tage betrug.
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Immunität bei Tbypanosomeninfektion.
131
2. Neben der Bestätigung früherer Ergebnisse durch unsere
Experimente, nämlich der biologischen Differenzen bei der
Immunitätsreaktion einmal zwischen verschiedenen Trypano¬
somenspezies, sodann zwischen Normal-, Rezidivstamm und
festem Stamm derselben Trypanosomenart konnten von uns
noch interessante biologische Unterschiede zwischen Rezidiv¬
stämmen desselben Ausgangsstammes festgestellt werden. Wie
unsere Experimente lehren, sind die Rezidivstämme zunächst
durch eine gemeinsame Eigenschaft gegenüber dem Normal¬
stamm markant verschieden, zeigen aber neben diesen gemein¬
samen Eigentümlichkeiten unter sich mehr oder weniger aus
gesprochene Charakteristika, wodurch sie sich ihrerseits unter¬
einander unterscheiden. Wir haben gesehen, daß allen unseren
untersuchten Rezidivstmämmen die gemeinsame Eigenschaft
zukommt, sich gegenüber den Schutzkörpern, wie sie durch
die Abheilung des Normalausgangsstammes ausgelöst werden,
refraktär zu verhalten, und es hat sich weiter aus den Ver¬
suchen ergeben, daß die Immunität, welche sich an die Ab¬
heilung des einen Rezidivstammes anschließt, noch nicht not¬
wendigerweise eine Immunität gegen andere Rezidivstämme
desselben Ausgangsstammes bedingen muß.
Wenn wir nun zum Schluß noch ein Verständnis für diese kompli¬
zierten, biologischen Vorgänge, wie sie in unseren Versuchen hervortreten,
zu gewinnen versuchen, so knüpfen wir zweckmäßig an die Ehrlichschen
Begriffe der Rezeptoren an. In seinem Aufsatz: „Über Partialfuuktionen
der Zelle“ gibt Ehrlich für das Phänomen des differenten Verhaltens
von Ausgangs- und Rezidivstamm folgende Erklärung:
„In dem Ausgangsstamm ist eine bestimmte einheitliche Art von
Nutrizeptoren, die wir als Gruppe „A u bezeichnen wollen, in reichem
Maße vorhanden. Werden nun die Parasiten innerhalb des Mäuseorganis¬
mus abgetötet und aufgelöst, so wirkt die Gruppierung „A“ als Antigen
und erzeugt nun einen Antikörper, der seiner Entstehung nach Verwandt¬
schaft zur Gruppe „A u besitzt. Wenn man nun lebende Parasiten, sei
es im Reagenzglas, sei es in vivo mit diesem Antikörper, in Berührung
bringt, so wird derselbe von den Trypanosomen verankert. Unter dem
Einfluß dieser Besetzung erleiden in vivo die Parasiten diejenige biolo-
logische Abänderung, die zu dem Rezidivstamme überführt. Diese Abän¬
derung geschieht in der Weise, daß in dem neuen Stamm die ursprüng¬
liche Gruppierung „A“ verschwindet und dafür eine neue Gruppierung,
die als „B“ bezeichnet werden möge, auftritt. Wir haben hier
also einen Fall immunisatorisch erzeugten Rezeptorschwundes unter Bil¬
dung einer ganz neuen Rezeptorart. u
9 *
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132
Rudolf Neumann:
Um diese Theorie mit unseren Ergebnissen in Einklang zu bringen,
bedarf es mancher Erweiterung und Abänderung. Wir führen zunächst
statt der einen Rezeptorgruppe des Ausgangsstammes eine Mehrheit
solcher Rezeptorarten ein, unter denen solche zu unterscheiden sind,
die bei der Auflösung der Trypanosomen, als Antigen wirkend, einen
Antikörper hervorzurufen vermögen, die Dominanten- oder Hauptrezeptoren,
von denen jedes Trypanosoma gewöhnlich nur einen besitzt, und ferner
solche, die normalerweise in größerer Anzahl in latentem Zustande vor¬
handen sind und die sich an der Antikörperbildung nicht beteiligen, die
sogenannten Nebenrezeptoren. Den Übergang vom Normal- in den Rezi¬
divstamm stellen wir uns nun, ähnlich wie Ehrlich, so vor, daß die
dem chematheropeutischen Agens entgehenden Trypanosomen unter dem
Einfluß der in der Zirkulation kreisenden Schutzstoffe eine Verschiebung
ihres Rezeptorenapparates erfahren. Diese Verschiebung findet in der
Richtung statt, daß die dominanten Rezeptoren durch irgend welche, nicht
näher zu präzisierende Prozesse eine Alteration erfahren und daß andere
Nebenrezeptoren eine verstärkte Ausprägung erhalten und zu Hauptrezep¬
toren werden. Diese Umgestaltung der beim Normalstamm nur wenig
entwickelten Rezeptoren zu Hauptrezeptoren bedingt nun die Wirkungs¬
losigkeit der bei der Abheilung des Normalstammes entstehenden Anti¬
körper, die Rezeptorenapparate beim Rezidivstamm vorfinden, an welchen
sie nicht angreifen können. Wenn man nun annimmt, daß diese Ver¬
schiebung im Rezeptorengerüst des einzelnen Trypanosoma eine mehr oder
weniger individuelle ist, so ist es möglich, daß die der Abtötung ent¬
gehenden Trypanosomen durch den Einfluß der vorhandenen Antikörper
individuell eine verschiedene Differenzierung ihres verschiedenen Rezep¬
torenapparates erleiden, daß also hier dieser und dort jener Nebenrezeptor
zum Hauptrezeptor wird. Unter diesem Gesichtspunkte, d. h. also durch
den individuell abgeänderten Rezeptorenapparat der einzelnen Rezidiv¬
stämme, wird es alsdann verständlich, daß Rezidivstämme, die sich alle
hinsichtlich der Immunitätsreaktion dem Normalausgangsstamme gegen¬
über anscheinend völlig gleich verhalten, doch unter sich markante Diffe¬
renzen aufweisen. Welche Faktoren im einzelnen diese experimentellen
Abänderungen bewirken, läßt sich natürlich bei der Unklarheit der be¬
stehenden Prozesse nicht angeben. Daß aber die dominanten Rezeptoren
des Ausgangsstammes nicht völlig verschwinden, wie Ehrlich annimmt,
sondern in irgend einer Form bestehen bleiben, um sich unter geeigneten
Bedingungen wieder als dominante Rezeptoren zu repräsentieren, zeigt der
noch folgende letzte Versuch. Dieser wurde angestellt mit einem auf
schon beschriebene Art gewonnenen II-Tartarus-Rezidivstamm, der aber
vor Anstellung des Experimentes etwa 20 Tierpassagen durchgemacht hatte.
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Immunität bei Tbypanosomeninfektion.
138
Dieser Stamm wurde einer Anzahl Mäusen injiziert, bei voUentwickelter
Infektion diese durch Kaliumantimonyltartrat abgeheilt und nun ein Nor¬
malausgangsstamm nachinfiziert.
Tabelle XII.
Vorinfektion mit II. Tartarus-Rezidiv (nach etwa 20 Passagen) von Nagana
Prowazek. — Heilung durch 0*35 Tartarus stibiatus. — Nachinfektion
mit Nagana normal. Prowazek.
tca
OB ^
o
P*
Vorinfektion mit II. Tartarus-Rezidiv (von
20 Passagen). Bei + + +: Heilung durch
0*35 Tartarus stib. 1:1000. Bei 0: Nach-
lj infektion mit Nagana normaL
Prophy¬
laktische
Infekt-K
Unbe¬
handelte
Kontrollen
Rezidiv¬
kontrollen
für II. Tartar.-
Rezidiv
I Nr.: 270
271
273
274
275
276
802
803
2
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
1
+ + +
+ + +
0-35 T
0-35 T
0-35 T
0-35T
0-36 T
0-35 T
0-35 T
4
o
0
0
0
0
0
Nachinf.
Nachinf.
Nachinf.
Nachinf.
Inf.
Inf.
Nag. norm.
Nag. norm.
Nag. norm.
Nag. norm.
Nag. n.
Nag. n.
1
5
0
0
0
+
( + )
+
0
0
6
0
0 !
0
+ +—
+ + —
+ + +
0
0
+ + +
+ + +
7
0
i
0
0
+ + + +
+ + + +
t
0
0
8
0
0
0
t
t
0
0
t
9
0
0
0
0
0
11
0
(+)
0
0
+ +
12
0
+
0
0 !
+ + +
14
+—+ +
++— 1
+ + —
i
0
X
1
+ + +
+ + +
1
16
+ + +
t 1
t
0
18
i
|
0
i
I
1
i
dauernd |
Das Ergebnis ist also, daß der Normalstamm im Gegensatz zu allen
bisherigen Experimenten nach Vorimpfung und Abheilung eines Rezidiv¬
stammes, mit einer Ausnahme, nicht angeht. Daraus muß geschlossen
werden, daß im Verlaufe vieler Tierpassagen ein Rezidivstamm
die Tendenz hat, zu seinen neuerworbenen Eigenschaften
seine verlorengegangenen, ursprünglichen Eigentümlichkeiten
wieder zurück zu gewinnen, oder im Sinne unserer Auffassung
ausgedrückt: der ursprüngliche Hauptrezeptor ist bei dem
Rezidivstamm wieder voll ausgebildet.
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134 Rudolf Neümann: Immunität bei Tbypanosomeninfektion.
Literatur-Verzeichnis.
1. Carl H. Browning, Chemo-Therapy in Trypanosome Infection. An ex¬
perimental Study. Reprinted from the Journal of Pathology and Bakteriology .
1908. Yol. XII.
2. Ehrlich nnd Shiga, Farbentherapeutische Versuche bei Trypanosomen¬
erkrankung. Berliner klin. Wochenschrift. 1904. Nr. 18 u. 14.
3. Ehrlich, Beiträge zur experimentellen Pathologie und Chemotherapie.
AJcad . Verlagsgesellschaft. Leipzig 1909.
4. Ewald Franke, Therapeutische Versuche bei Trypanosomenerkrankung.
Inauguraldissertation. Gießen 1905.
5. Laveran et Uesnil, Recherches sur le traitement et la pr6vention du
Nagana. Annales de VInstitut Pasteur. 1902. Nr. 11.
6. W. Roehl, Heilversuche mit Arsenophenylglyzin bei Trypanosomiasis. Zeit¬
schrift für Immunitätsforschung. Bd. I.
7. Morgenroth u. Rosenthal, Experimentell - therapeutische Studien bei
Trypanosomeninfektionen. I. Mitteilung. Diese Zeitschrift. 1911.
8. Plimmer u. Batemann, Proceed. Boy. Soc. 1908. Bd. LXXX.
9. Morgenroth u. Halberstädter, Archiv für Schiffs • und Tropenhygiene .
1911. Bd. XV-
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[Aus dem hygienischen Institut der Kgl. Universität Berlin.]
(Leiter: Prof. C. Flügge.)
Gesundheitsgefährdung durch die Auspuffgase
der Automobile.
Von
Dr. med. Arth. Korff-Petersen,
Assistenten am Institut.
Durch den fast ungeahnten Aufschwung, den das Automobilwesen in
neuester Zeit genommen hat, ist das Straßenbild besonders in den großen
Städten wesentlich verändert. Immer mehr erobert sich der Kraftwagen
die erste Stelle unter allen Verkehrsmitteln. Im Personenverkehr dürfte
er fast schon diese Stelle erreicht haben, und auch der Güterverkehr hat
durch ihn einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die Zunahme der
Automobile in einigen unserer wichtigsten Städte ist aus nachstehender,
nach Angabe der betreffenden Polizeibehörden zusammengestellter Tabelle
ersichtlich:
1906
1907
1908
1909
1910
93 M
O ©
S-s
Cä
Elektrisch
Explos.-
Motor
Elektrisch
Explos.-
Motor
1
Elektrisch
Explos-
Motor
Elektrisch
CO £
H X
w
Elektrisch
Charlottenburg.
361
2
447
17
488
18
693
20
747
29
München . . .
586
10
1055
15
1234
30
1484
45
1570
63
Dresden . . .
491
520
—
680
—
889
1
—
—
Leipzig . . .
187
I
454
—
552
—
638
12
738
12
Hamburg. . .
406
1
632
47
713
55
867
101
1115 i
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186
Abth. Kobff-Petebsen:
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Von Berlin war nur die Anzahl der im Jahre 1910 behördlich ein¬
geschriebenen Kraftfahrzeuge zu erfahren. Sie betrug 5486 mit Explosions¬
motor und 364 elektrisch betriebene. In Wien verkehrten im Jahre 1910
etwa 3000 Automobile.
Den großen Vorteilen, die der Kraftwagen durch die Erleichterung
des Verkehrs bietet, stehen aber gewisse Mängel entgegen, denen auch
die Hygiene ihr Augenmerk zuwenden muß. Neben der Staub¬
frage, die bisher die meiste Beachtung gefunden hat, verdient noch
eine zweite, nämlich die der hygienischen Bedeutung der Auspuffgase,
unser Interesse. In den Städten ist sie von nicht zu unterschätzender
Wichtigkeit. Ist es doch gerade der durch Explosionsmotor betriebene
Kraftwagen, der, wie obige Tabelle zeigt, die stärkste Zunahme aufweist,
und dessen Vorsprung durch das hygienisch einwandfreie elektrisch be¬
triebene Automobil in absehbarer Zeit schwerlich eingeholt werden wird.
(Die relativ starke Zunahme des Elektromobils in Hamburg erklärt sich
daraus, daß dort im öffentlichen Fuhrwesen nur elektrisch betriebene
Kraftwagen zugelassen werden.) In den größeren Städten tritt die Staub¬
plage dank der guten Straßenreinigung mehr zurück. Die Gerüche der
Auspuffgase dagegen drängen sich hier in einer außerordentlich lästigen
Weise auf, und an verkehrsreichen Straßenkreuzungen und an den Halte¬
stellen der Automobildroschken wird den Passanten das Atmen zuweilen
fast unmöglich gemacht. Sogar ein Ausflug in die nähere Umgebung der
Großstädte bietet oft nicht mehr die erwünschte Erholung für die Lungen,
da die Luft in der Nähe belebterer Landstraßen so mit diesen Gasen er¬
füllt ist, daß ein Anreiz zu tiefem Atmen nicht mehr besteht.
Die teilweise noch recht starke Abneigung des Publikums gegen das
Automobil hat auch größtenteils in diesen Belästigungen ihren Grund.
So begegnet man denn in der Tagespresse häufig Klagen darüber.
In der medizinischen Literatur dagegen ist verhältnismäßig wenig
von den Automobilgasen die Rede. Nur hin und wieder finden sich
einige kurze Bemerkungen.
Boruttau 1 meint sogar, daß die Auspuffgase eine „immerhin
hygienisch harmlose Belästigung der Riechnerven darstellen“.
In neuerer Zeit dagegen ist doch auch über schädliche Einflüsse der
Auspuffgase berichtet worden. So schreibt die „Deutsche med. Wochen¬
schrift“ 1908 (S. 1950), daß bei ungenügender Verbrennung im Motor
Methan, Acetylen und Kohlenoxyd entstehen. In London sollen sogar
Polizisten, die den Verkehr regelten, an Kohlenoxydvergiftung erkrankt
1 Borrutau, Hygiene des Fahrrades, Gesundheit in Wort und Bild. 1905.
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Original frum
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Gescndheitsgefährdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 137
sein. In Paris sei die Belästigung weniger stark als in London 1 , wegen
der besseren Aufsicht der Polizei, trotzdem in Paris mehr Automobile ver¬
kehren, als in London. Daraufhin regt die Zeitschrift an, auch in Berlin
die Aufsicht zu verschärfen.
An anderer Stelle (S. 2184) weist dieselbe Zeitschrift darauf hin, daß
der internationale Hygienekongreß in Berlin 1907 die Benzindämpfe der
Automobile als einen besonders gesundheitsschädlichen Faktor des gro߬
städtischen Verkehrs anerkannt habe.
le Gendre* erwähnt den Fall eines Arztes, der durch das Automobil¬
fahren schwer herz- und nervenleidend wurde, und meint, „daß auch die
vom Auto erzeugten Gase unter der Form einer langsamen Vergiftung
ätiologisch wirksam gewesen sein können“. Der Arzt fühlte eines Tages,
als er besonders viel von derartigen Gasen eingeatmet hatte, eine heftige
Herzbeklemmung, die sofort wich, als er sich in die freie Luft flüchtete.
The Lancet 1907: Motor traffic and the pollution of the air, weist
ebenfalls darauf hin, daß die ungenügende Verbrennung des Benzins im
Automobilmotor das Auftreten größerer Mengen von Kohlenoxyd und
Acetylen im Gefolge habe, außer sichtbarer und stinkender Bauch¬
entwicklung. Hierdurch könne eine Art Halbbewußtlosigkeit, als ob ein
Narkoticum genommen sei, entstehen. Durch gute Bedienung des Motors
ließen sich diese Gase vermeiden.
Auf Veranlassung von Herrn Geh. Rat Flügge habe ich die Aus¬
puffgase in hygienischer Beziehung näher untersucht.
Die blaugraue Wolke, die so oft hinter den Automobilen herzieht,
enthält naturgemäß eine beträchtliche Menge Wasserdampf, der als Ver¬
brennungsprodukt des Benzins entsteht Daneben findet sich eine be¬
deutende Rußmenge, die größtenteils die Farbe der Auspuffgase bedingt.
Unter Umständen hat man bei längerem Aufenthalt in der Nähe derartig
rauchender Automobile auf der Haut der unbedeckten Körperteile ein un¬
angenehmes Empfinden, als ob sich eine feine Schmierschicht darüber
lagere. Diese zuweilen recht starke Rußentwicklung ist gewiß schon eine
Unannehmlichkeit, deren Beseitigung zu wünschen wäre; unsere besondere
Aufmerksamkeit jedoch verdienen die unsichtbaren und bei gewöhnlicher
Temperatur nicht kondensierten Bestandteile der Auspuffgase.
Durch eine Reihe von Analysen dieser Gase stellte ich fest, daß ihre
Zusammensetzung im Mittel folgende ist: Stickstoff 85 Prozent, Kohlen¬
säure 4-9 Prozent, Sauerstoff 5.3 Prozent, Kohlenoxyd 3-7 Prozent.
Dazu kommen dann noch geringe Mengen von Methan, schweren Kohlen-
1 In neuerer Zeit sollen auch in London die Zustände besser geworden sein,
und jedenfalls die von Berlin übertreffen.
* le Gendre, Der Automobilismus u. die Gesundheit. Wiener med. Presse. 1907.
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138
Abth. Kobff-Petebsen :
Wasserstoffen, Wasserstoff und Stoffen von aldehydischem Charakter, die in
erster Linie den unangenehmen Geruch der Auspuffgase bedingen.
Die untersuchten Gase wurden stehenden Automobilen bei un¬
belastetem und teils langsam, teils sehr schnell laufendem Motor ent¬
nommen. Als Brennstoff wurde sowohl leichtes Benzin, d. h. solches,
dessen spezifisches Gewicht unter 715 beträgt, als auch schweres verwandt.
Clerk \ der die Auspuffgase vom verbrennungstechnischen Stand¬
punkt aus sehr eingehend untersucht hat, gibt an, daß unter Umständen
hei fahrendem Automobil der Gehalt der Gase an Kohlenoxyd ganz er¬
heblich steigt, so daß wahrscheinlich viele Wagen herumfahren, die bis
zu 7 Prozent Kohlenoxyd an die Luft abgeben.
Die Schädlichkeit derartiger Gase ist natürlich ohne weiteres klar.
Trotzdem stellte ich, um ihre toxische Wirkung etwas genauer kennen
zu lernen, eine Reihe von Versuchen an Tieren an. Wurden die in einer
Flasche aufgefangenen Auspuffgase unverdünnt in ein Glas geleitet, in
welchem sich eine Maus befand, so starb diese in weniger als 1 Minute
unter Krämpfen. Auch, wenn gleichzeitig reichlich Luft zugöleitet wurde,
traten heftige Vergiftungserscheinungen auf, die sich zunächst in starker
Unruhe, bald aber in stoßweisem, krampfartigem Atmen zeigten. Wurden
die Mäuse rechtzeitig in frische Luft gebracht, so erholten sie sich zumeist
wieder. Die Versuchsanordnung war bei diesen Versuchen folgende: In
die Auspufföffnung des betreffenden Automobils wurde eine Glasröhre ein¬
geführt und abgedichtet Diese Glasröhre wurde bis fast auf den Boden
einer 5-Literflasche geführt, und dann der Motor angelassen. Nach etwa
1 Minute wurde die Flasche durch eine Gummikappe verschlossen. Bei
der großen Anzahl der Explosionen kann wohl mit hinreichender Sicher¬
heit angenommen werden, daß in dieser Zeit die Luft völlig aus der
Flasche verdrängt, und durch die Auspuffgase ersetzt ist. Im Laboratorium
wurde dann die Gummikappe durch einen doppelt durchbohrten Korken
ersetzt, durch welchen eine bis fast auf den Boden reichende, und eine
kurze Glasröhre hindurchführten. Durch die kurze Röhre wurden die
Gase zunächst in ein Mischgefäß geleitet, während durch die lange Luft
nachtreten konnte. In das Mischgefäß konnte gleichzeitig durch ein ver¬
stellbares Ventil Luft eintreten. Von hier wurden dann die Gase in das
Mäuseglas geleitet. Trotzdem also eine zweimalige Vermischung mit Luft
ein trat, erfolgten doch, wie erwähnt, schwere Vergiftungserscheinungen,
bzw. der Tod, wenn nicht absichtlich eine sehr starke Verdünnung her-
1 Clerk, The principles of carburating, as deterinined by exhausted gaz analysis.
The liorseless Age. Vol. XXI.
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Gfsundheitsgefährdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 139
gestellt wurde. Ebenso erlag ein ausgewachsenes Meerschweinchen in
kurzer Zeit den Gasen; auch ein 2200 p® schweres Kaninchen starb unter
den gleichen Erscheinungen, wie die Mäuse, nach etwa 20 Minuten;
allerdings war hier eine stärkere Konzentration nötig. Im Blute der Tiere
war CO nachweisbar. — Daß das Kohlenoxyd der giftigste Bestandteil
der Auspuffgase ist, ergibt sich aus folgendem Versuche. Die konzentrierten
Gase wurden zunächst direkt einer Maus zugeleitet, die in kürzester Zeit
starb. Dann wurden sie durch eine starke Kaliumpermanganatlösung ge¬
leitet, wodurch alle riechenden Stoffe zurückgehalten wurden, und hierauf
wieder ein Mäuseglas eingeschaltet. Die darin befindliche Maus lebte im
Durchschnitt 7 Minuten. Im Blute dieser Mäuse ließ sich Kohlenoxyd
nachweisen. Wurde dann ein Kolben mit defibriniertem Blut ein¬
geschaltet, um das Kohlenoxyd zu absorbieren, und darauf die Gase wieder
einer Maus zugeleitet, so lebte diese noch bei Beendigung des Versuches
nach s / 4 Stunden. Die Maus zeigte zwar auch leichte Vergiftungs¬
erscheinungen, die wahrscheinlich von geringen Mengen nicht absorbierten
Kohlenoxyds herrührten; erholte sich aber in frischer Luft rasch wieder.
Wenn nun auch diese Gase im Freien sofort sehr stark durch die
Luft verdünnt werden, so kann es sicherlich an verkehrsreichen Straßen¬
kreuzungen und an Droschkenhaltestellen zu einer nicht mehr gleich¬
gültigen Anhäufung von Kohlenoxyd kommen, von dem schon eine Kon¬
zentration von 0-5 Promille schädlich wirkt. Die einleitend erwähnten
Erfahrungen in England sprechen auch dafür, daß geradezu Vergiftungs¬
erscheinungen bei Passanten und Polizisten entstehen können.
Durch Umfragen habe ich erfahren, daß es auch bei Passagieren der
Motoromnibusse in Berlin zu leichten Krankheitserscheinungen, bestehend
in Kopfschmerz und Übelkeit, gekommen ist. Die Motoromnibusse ent¬
wickeln nämlich besonders unangenehme Auspuffgase, die auch teilweise
ins Innere der Wagen gelangen. Einige sehr empfindliche Personen
müssen sogar Straßen mit regem Automobilverkehr meiden. Bewohner
eines Hauses in der Nähe eines Platzes, auf dem eine größere Anzahl
Motoromnibusse hielt, mußten sich beschwerdeführend an die Polizei
wenden, da ihnen der Aufenthalt auf ihrem Balkon in der zweiten Etage
unmöglich wurde.
In diesen Fällen waren allerdings neben dem Kohlenoxyd auch die
in den Auspuffgasen enthaltenen Riechstoffe in sehr erheblichem Maße
an der unangenehmen Wirkung beteiligt. Denn auch sie, die ja zunächst
am unangenehmsten auffallen, sind durchaus nicht nur eine sehr unlieb¬
same Belästigung, sondern auch sie müssen als hygienisch bedenklich an¬
gesehen werden, wenn auch ihre Giftigkeit geringer ist, als die des
Kohlenoxyds.
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140
Arth. Korff-Petersen :
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Um ein Urteil über die Natur dieser Geruchsstoffe zu gewinnen,
wurde versucht, sie getrennt von den anderen Bestandteilen der Aus¬
puffgase aufzufangen. Zu dem Zwecke habe ich die Geruchsstoffe in
Wasser oder Alkohol absorbiert, weil hierin die übrigen Bestandteile
der Gase, mit Ausnahme der Kohlensäure, nur sehr wenig löslich sind.
Es ergab sich aber, daß auch bei längerem Durchleiten der Gase durch
Wasser bzw. Alkohol nur ein kleiner Teil der Geruchsstoflfe absorbiert wird,
weil die Auspuffgase in zu großen Blasen durch die Flüssigkeit hindurch¬
traten. Immerhin ließen sich einige bemerkenswerte Tatsachen feststellen.
Das Wasser, und in weniger ausgesprochenem Maße der Alkohol,
nahm den bekannten Geruch dieser Gase an. Es reagierte ganz schwach
sauer, reduzierte ammoniakalische Silbernitratlösung und gab mit Fuchsin-
Schwefeligsäure Rotfärbung (letztere Reaktion war allerdings nicht immer
sehr ausgesprochen). Hieraus ergibt sich, daß es sich um ein Gemisch
verschiedener Aldehyde handelt. Unter diesen läßt sich nun mit ziem¬
licher Sicherheit eins feststellen, nämlich das Akrolein. Hält man eine
Porzellanplatte, auf der ein Tropfen Piperidin mit einem Tropfen blaß ge¬
färbter Lösung von Nitroprussidnatrium gemischt ist, in den Auspuff eines
Automobils, so färbt sich die Mischung nach kurzer Zeit blau. Diese, von
Lewin angegebene Reaktion 1 , kommt zwar nicht ausschließlich dem
Akrolein zu, jedoch tritt sie bei den übrigen Aldehyden, die überhaupt
diese Reaktion geben, mit Ausnahme des Acetaldehydes, nur bei stärkerer
Konzentration ein. Für Acetaldehyd ist die Reaktion allerdings feiner
als für Akrolein, aber nach Lewins Angaben schlägt die Farbe nach
einiger Zeit in Grün um. Da außerdem der Geruch der Auspuffgase sehr
an den verdünnten Akroleins erinnert, glaube ich das Vorhandensein dieses
Aldehydes in den Auspuffgasen annehmen zu dürfen. Über die Wirkung
des Akroleins, dessen Giftigkeit schon Lewin nachgewiesen hatte 2 , sind
in letzter Zeit quantitative Untersuchungen von Iwanoff angestellt worden. 3
Er hat gefunden, daß bei Katzen bereits bei ganz geringen Dosen
(0-025 in 1 Liter Luft) Schleimhautreizungen auftraten. Bei 0-2
pro Liter beobachtete er bereits schmerzhafte Lungenreizungen, und bei
höheren Mengen gingen die Tiere schließlich mit Lungenödem und Lungen¬
blutungen zugrunde.
Mit der Lewin sehen Methode lassen sich noch etwa 0-025 meT Akrolein
in 1 Liter Luft nachweisen. So viel muß also von diesem Aldehyd min¬
destens in den Auspuffgasen vorhanden sein. Wahrscheinlich ist aber in
vielen Füllen weit mehr darin.
1 Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft. 1899. XXXII.
* Archiv für experimentelle Pathologie u. Pharmakologie. 1900. Bd. XLIII.
3 Archiv für llj/giene. 1911. Bd. LXXIII.
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Gesundheitsgefährdükg durch d. Auspuffgase d. Automobile. 141
Da nun noch zu der Wirkung des Akroleins die der übrigen Aldehyde
hinzukommt, so ist hieraus schon ersichtlich, daß die Geruchsstoffe der
Auspuffgase keineswegs hygienisch indifferent sein können.
Es wurde nun auch versucht, ob eine direkte Wirkung der in Wasser
absorbierten Geruchsstoffe auf Tiere nachweisbar war. Hierzu wurde durch
das leicht erwärmte Wasser ein Luftstrom hindurchgesogen. Leitete man
die wieder gekühlte Luft in ein Glas mit weißen Mäusen, so zeigten diese
bald große Unruhe und boten die Zeichen starker Schleimhautreizungen
dar (Kratzen an der Schnauze, Zukneifen der Augen). Auch gewisse Atem¬
beschwerden waren erkennbar, indem die Frequenz der Atemzüge abnahm
und stoßweise erfolgte. Freilich gelang es nicht, auf diese Weise die Tiere
zu töten. Nur in einem Falle traten ständig zunehmende Atembeschwerden
und leichte Lähmungserscheinungen der Extremitäten auf. Nach 1 1 / i Tagen
wurde diese Maus getötet. Es fand sich ein mäßiger Meteorismus, und
mikroskopisch eine beträchtliche Hyperämie der Lungen mit Blutungen in
das Lungengewebe und die Bronchien, Befunde, die denen von Iwanoff
bis zu einem gewissen Grade gleichen.
Da die Geruchsstoffe fast ausschließlich aus den Schmierölen
entstehen, was sich daraus ergibt, daß richtig geölte Automobile fast ge¬
ruchlos fahren, habe ich einige Versuche in der Art angestellt, daß ich
die Zersetzungsprodukte des Schmieröls direkt herstellte, indem ich durch
Schmieröl, das auf etwa 300° erhitzt war, Luft leitete. Es entstanden
dann ganz ähnlich riechende Dämpfe wie die Auspuffgase der Automobile.
Solche übelriechende Zersetzungsprodukte sind bereits von der Destillation
der Schmieröle her bekannt (vgl. Roßmäßler: Fabrikation von Photogen
und Schmieröl). Im Motor sind die Temperaturen noch weit höhere als
bei meinen Versuchen und betragen etwa 800° bis 900°. Leitete man
die Dämpfe durch Wasser, so nahm dieses dieselben Eigenschaften an,
wie das, durch welches man Auspuffgase geleitet hatte, vor allem reduzierte
es stark ammoniakalische Silberlösung und gab die Akroleinreaktion. Mit
solchem Wasser ließen sich dann die gleichen Versuche an Mäusen au-
stellen wie oben, nur waren alle Erscheinungen entsprechend dem größeren
Gehalte dieses Wassers an Geruchsstoffen viel ausgeprägter.
Versuch X. Durch erhitztes Schmieröl wird Luft gesogen. Schon
bei etwa 180° treten graue Dämpfe auf, deren Entwicklung am stärksten
bei etwa 300 0 ist. Diese Dämpfe werden zunächst durch zwei eisgekühlte
U-Röhren und dann durch Wasser geleitet. In den Röhren kondensieren
sich zwei Schichten Öliger Flüssigkeit, jedoch werden die Dämpfe nicht völlig
kondensiert. Das Wasser wird leicht getrübt, riecht stechend, ammoniaka¬
lische Silberlösung wird reduziert. Durch dieses Wasser wird unter leichtem
Erwärmen Luft geleitet und in ein Mäuseglas gesogen. Die Maus zeigt
schnell Atembeschwerden und Schleimhautreizungen. Tod nach 1 / 2 Stunde.
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UNIVERS1TY OF CALIFORNIA
142
Arth. Korff-Petersen:
Versuch XI. Zur Kontrolle wird zunächst eine Maus in einen Luft¬
strom gebracht, der vorher durch erwärmtes reines Wasser geleitet ist.
Nachdem keinerlei Krankheitserscheinungen aufgetreten sind, wird wie im
vorigen Versuch verfahren. Maus zeigt schnell starke Dyspnoe, lebt jedoch
noch nach s / 4 Stunden. Versuch wird abgebrochen, Maus in frische Luft
gebracht. Sie erholt sich jedoch nicht wieder, sondern geht im Laufe der
Nacht ein.
Versuch XIX. Weiße Maus wird längere Zeit (etwa 1 / 2 Stunde) dem
Luftstrom, der durch Wasser, welches die Schmieröldämpfe absorbiert hat,
geleitet ist, ausgesetzt. Es treten rasch Schleimhautreizungen auf. Maus
wird in frische Luft gebracht. Nach 2 Tagen tot aufgefunden. Im Blute
läßt sich spektroskopisch kein Kohlenoxyd nachweisen.
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die aldehydischen Geruchs¬
stoffe der Auspuffgase schädliche Wirkungen hervorrufen können. Wenn
auch in der Praxis die Geruchsstoffe der Auspuffgase kaum eine solche
Konzentration annehmen werden, daß schwere Gesundheitsstörungen ein-
treten, so ist doch außerdem damit zu rechnen, daß solche Stoffe die
Tiefe der Atemzüge verflachen, bei vielen Menschen Ekel erregen und
die Schleimhäute reizen; und darin liegt Grund genug, ihre Beseitigung
mit allen Mitteln zu erstreben. Daneben ist es durchaus nicht aus¬
geschlossen, daß sie auf besonders empfindliche Personen direkt schädigende
Wirkungen ausüben können.
Die Frage, wie diesen Übelstäudeu abzuhelfen sei, setzt zunächst
eine Erkenntnis der Ursache des Auftretens der schädlichen Gase voraus.
Die wichtigsten hierauf bezüglichen Vorgänge im Automobilmotor sind
folgende:
In den Zylindern des Motors kommt durch einen elektrischen Funken
ein Gemisch von Benziudampf und Luft zur Verbrennung. Dies Gemisch
wird in einem besonderen Apparate, dem „Vergaser“ erzeugt. Haupt¬
bedingung einer guten Vergasung ist es, die Luft sehr kräftig mit dem
Benzin in Berührung zu bringen. Dies geschieht dadurch, daß man die
Luft schnell durch den Vergaser streichen läßt und dabei das Benzin fein
verteilt, oder daß die Luft mit einer großen Verdunstungsfläche des
Benzins in Berührung gebracht wird (Spritzvergaser bzw. Oberflächen¬
vergaser). In neuerer Zeit fiudet fast nur noch der Spritzvergaser Anwen¬
dung. Das Prinzip eines solchen Vergasers ist dasselbe wie bei einem
Parfümzerstäuber. Aus dem Benzinbehülter fließt das Benzin in ein Ge¬
fäß, dessen Niveau durch eine besondere Einrichtung immer konstant
gehalten wird. Von hier führt ein sich stark verengendes Rohr in die
Mitte eines weiteren Rohres, durch welches Luft angesaugt wird. Die
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Gesundheitsgefährdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 143
strömende Luft saugt das Benzin nach. Dieses tritt in feinem Strahl aus
der ersterwähnten Röhre aus und trifft gegen einen kegelförmigen Zapfen,
der der Abflußöffnung gegenüber angebracht ist. Hierdurch findet eine
Verteilung auf eine große Oberfläche statt und damit eine starke Ver¬
dunstung und innige Mischung des so entstandenen Benzindampfes mit
Luft. Durch Vermehrung oder Verminderung der angesaugten Luftmenge
kann das Mischungsverhältnis von Luft und Benzin geregelt werden.
Der Motor selbst arbeitet zumeist im sogenannten „Viertakt“. Beim
ersten Takt, der Saugperiode, bewegt sich der Kolben im Zylinder von
seinem höchsten Stande zum niedrigsten. Hierbei wird das Benzingas¬
gemisch durch das geöffnete Einströmventil angesaugt. Hat der Kolben
seinen tiefsten Punkt erreicht, so schließt sich das Ventil. Während der
Bewegung des Kolbens nach oben findet ein Zusammendrücken des Gases
statt, wodurch die Wirkung der nachher folgenden Explosion erhöht wird
(zweiter Takt, Kompressionsperiode). Wenn jetzt der Kolben ungefähr
wieder den höchsten Punkt erreicht hat, erfolgt durch einen elektrischen
Funken die Zündung. Aus hier nicht näher zu erörternden Gründen er¬
folgt die Zündung nicht genau beim höchsten Kolbenstand, sondern ent¬
weder etwas früher oder später. Das verbrennende Gas treibt jetzt den
Kolben vor sich her (dritter Takt, Arbeitsperiode). Jetzt öffnet sich das
Auspuflfventil, und bei seiner Aufwärtsbewegung treibt der Kolben das
verbrannte Gas zu diesem Ventil hinaus (vierter Takt, Auspuffperiode).
Bei den gebräuchlichen Vierzylindermotoren sind die Perioden eines jeden
Zylinders um je einen Takt gegeneinander verschoben, so daß bei je einer
Umdrehung zwei Explosionen erfolgen.
Eine Maschine, die, wie der Automobilmotor, in der Minute bis zu
1000 und mehr Umdrehungen macht, bedarf natürlich einer ausgiebigen
Ölung. Auf diesen Teil des Betriebes wird bisweilen noch zu wenig Wert
gelegt, was, wie später eingehender besprochen wird, sowohl für die
Maschine selbst direkt schädlich wirkt, als auch zu einer großen Belästi¬
gung des Publikums führt
Bei den neueren Automobilen erfolgt die Ölung meist vollkommen
automatisch durch zwangsläufig augetriebeue Pumpen oder Schöpfwerke,
während Handpumpen Notbehelfe sind, die im Interesse des Automobilis¬
mus verschwinden sollten. 1
Was nun zunächst das Kohlenoxyd anlangt, das seine Entstehung
der unvollkommenen Verbrennung des Benzins verdankt, so ist in erster
Linie zu untersuchen, ob es bei Explosionsmotoren überhaupt möglich ist,
eine vollkommene Verbrennung des Betriebsstofles zu Kohlensäure und
1 Lehmbeck, Der Automohilm < Aor . Leipzig 1907.
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144
Arth. Korff-Petersen :
Wasser zu erreichen. Es müßte zu dem Zwecke das Gasgemisch, das im
Zylinder zur Verbrennung kommen soll, unter allen Umständen, d. h. hei
jeder Geschwindigkeit und allen Belastungen des Motors das beste
Mischungsverhältnis von Luft und Benzindampf aufweisen. Daneben ist
noch Gewicht auf eine rechtzeitige Zündung zu legen, die so früh, wie
es sich nur mit einer guten Kräftentwicklung vereinigen läßt, er¬
folgen muß.
Einen Vergaser zu konstruieren, der der oben gekennzeichneten Auf¬
gabe genügt, ist eine große Schwierigkeit. Freilich gibt es eine Reihe
von Vergasern, die diesem Ideale nahe kommen. Clerk 1 hat bei seinen
Versuchen zum Teil Auspuffgase erhalten, die kein Kohlenoxyd, Wasser¬
stoff und Methan enthielten. Er weist nach, daß die Produktion hygie¬
nisch unbedenklicher Auspuffgase mit der größten thermischen und
ökonomischen Ausnutzung der Brennstoffe Hand in Hand geht, daß
sich somit das öffentliche Interesse mit dem des Automobilbesitzers völlig
deckt, zumal auch noch durch die bessere Ausnutzung des Brennstoffes
eine bedeutend geringere Abnutzung des Motors selbst bedingt ist. Clerk
schlägt dann vor, durch Versuche am Motor in Verbindung mit einer
Analyse der Auspuffgase die Bedingungen festzustellen, unter welchen die
beste Mischung bei allen Betriebsverhältnissen hergestellt wird.
Auch auf eine gute Beschaffenheit des Benzins ist zu achten. Als
Motorbenzin kommt hauptsächlich Benzin mit dem Siedepunkt 100° und
dem spezifischen Gewicht 675 bis 720 in Betracht. Dieses besteht haupt¬
sächlich aus Hexan und Heptan. Schwerere Benzine, die höhere Grenz¬
kohlenwasserstoffe enthalten, bedürfen naturgemäß einer größeren Sauer¬
stoffmenge zum Verbrennen und bedingen daher leicht eine unvollkommene
Verbrennung. Nun wird aber zuweilen das spezifische Gewicht des Motor¬
benzins durch Mischen von Leicht- und Schwerbenzin hergestellt, was
aus obigem Grunde durchaus zu verwerfen ist. L. Schütte* fordert,
daß ein gutes Motorbenzin folgenden Bedingungen entsprechen muß:
I. Reinheit: Beim Schütteln mit konzentrierter 66°-Schwefelsäure darf
nur schwache Gelbfärbung eintreten.
II. Zusammensetzung: Fraktionierte Destillation muß ergeben: untere
Siedegrenze nicht wesentlich über 50°, obere Siedegreuze nicht wesent¬
lich über 110°.
Es sollen mindestens 10, womöglich 20 Volumprozent bis zu 70°, der
Rest möglichst vollständig und gleichmäßig bis zu 110° über destillieren.
III. Spezifisches Gewicht: höchstens 715 bis 720 bei +15°.
1 A. a. 0.
* L. Schütte (zitiert nach Isendahl: „ Automobil und Automobilsport “).
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Uesundheitsgefähbdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 145
Für einen Motor, für den die günstigsten Verbrennungsbedingungen
einmal festgelegt sind, muß natürlich auch immer Benzin von gleicher
Zusammensetzung verwendet werden, da sich mit der Zusammensetzung
des Benzins auch die Verbrennungsbedingungen ändern.
Wenn nun das Vermeiden von Kohlenoxyd eine technisch immerhin
uicht ganz leichte Aufgabe ist, so kann man das Auftreten von Rauch
und Geruch fast immer auf vermeidbare Fehler zurückführen. In
erster Linie ist hier das zu starke ölen der Zylinder anzuschuldigen.
Ein Übermaß von Schmiermaterial ist keineswegs für den Moter von
Nutzen, führt vielmehr nur zur Bildung einer Schicht von Kohlenstoff auf
den Zylinderflächen, die für den Gang des Motors hinderlich ist. Für
die Auspuffgase aber hat es, wie schon erwähnt, das Auftreten jener un¬
angenehmen Geruchsstoffe im Gefolge. Da es jetzt automatisch wirkende
Schmiervorrichtungen gibt, die fast unter allen Umständen die gerade
nötige ölmenge den Zylindern zuführen, sollten die alten Handschmierun¬
gen möglichst ganz verschwinden. Daß es möglich ist, ein Automobil
fast geruchlus zu betreiben, beweisen die vielen gut bedienten Benzin¬
kraftwagen, die fast wie elektrische fahren. Naturgemäß ist eine Grund¬
bedingung für das gute Funktionieren der Schmiervorrichtung, daß der
Motor nicht zu sehr abgenutzt ist. Sobald die Kolbenringe nicht gut
schließen oder sich irgendwelche Verschlüsse lockern, findet ein unrichtiges
Eindringen von öl statt, und der Motor raucht.
Als die drei Hauptbedingungen für einen hygienisch einwandfrei und
zugleich auch ökonomisch guten Betrieb der Kraftwagen ergeben sich also:
gute Vergasung, gutes Benzin, richtige Schmierung bei nicht zu stark
abgenutztem Motor.
Es verdienen aber auch noch eine Anzahl Apparate unser Interesse,
die dazu dienen sollen, die Auspuffgase zu verbessern bzw. ganz un¬
schädlich zu machen.
Diese Apparate lassen sich in drei Gruppen einteilen. Gruppe I will
durch besondere Einrichtungen angenehme Riechstoffe, ätherische öle usw.
zerstäuben, so daß der unangenehme Geruch der Auspuffgase dadurch ver¬
deckt wird. Vom hygienischen Standpunkte aus dürfte diesen Einrich¬
tungen wenig Wert beizulegen sein, da eben im besten Falle nur die
Wahrnehmung der üblen Gerüche verdeckt wird, während die schädlichen
Stoffe selbst keineswegs entfernt werden.
Die zweite Gruppe ordnet in verschiedener Weise im Ausputftopfe
Absorptionsmittel und Stoffe an, durch die die Geruchsstoffe zurückgehalten
bzw: zu unschädlichen Stoffen oxydiert werden sollen. Solche Mittel sind
Kaliumpermanganat, Chlorkalk, Calciumoxyd, Eisenvitriol, Kohle, Leim
und andere. Zweifellos lassen sich hierdurch hygienisch bessere Wir-
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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Original fro-m
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146
Abth. Kobff-Petebsen:
kungen als mit den Mitteln der Gruppe I erzielen. Laboratoriumsversuche
ergaben, daß es gelingt, nicht zu große Mengen der Abgase mittels
Durchleiten durch Kaliumpermanganat geruchlos zu machen. Die durch
die Geruchsstoffe bedingten schädlichen Einwirkungen würden also immer¬
hin beseitigt werden. Ob es aber in der Praxis gelingt, bei der großen
Menge der Gase und der Schnelligkeit, mit der sie durch die Absorptions-
bzw. Oxydationsmittel hindurchtreten müssen, eine Verminderung, die
wirklich von einiger Bedeutung wäre, herbeizuführen, ist nicht ohne
weiteres erwiesen. Leider war es mir nicht möglich, selbst eine Prüfung
dieser Apparate vorzunehmen, trotzdem ich mit verschiedenen Patent¬
inhabern in Verbindung trat und teilweise auch Zusagen erhielt, die aber
demnächst nie eingehalten wurden. Ob hieraus ein Schluß auf die
Leistungsfähigkeit der Apparate zu ziehen ist, möge dahingestellt bleiben.
Die Apparate der dritten Gruppe beruhen auf dem Prinzip, die aus
dem Motor austretenden Gase einer Nachverbrennung zu unterziehen.
Es wird z. B. ein unverbrennbares Material zur Weißglut gebracht und
darüber die Gase hinweggeleitet, was eine Nach Verbrennung bewirken soll.
Bei einer anderen Einrichtung werden die Gase durch Brenner geleitet,
die von einer besonderen Lampe entzündet werden. Auch der elektrische
Lichtbogen wird zur Nachverbrennung herangezogen. "Weiter sind Vor¬
richtungen konstruiert, welche die kinetische Energie der Auspuffgase durch
Aufhebung der Eigengeschwindigkeit in W T ärme umsetzen, so daß unter
Zutritt frischer Luft eine Nachverbrenuuug eintreten soll. Eine Prüfung
"dieser Apparate konnte ich ebenfalls, trotz eifriger Bemühungen, nicht
erreichen.
Wenn nun auch wohl das Prinzip dieser Apparate im allgemeinen
als richtig anzusehen ist, so haften ihnen doch manche Mängel an, die
ihrer allgemeinen Einführung im Wege stehen, selbst wenn ihre Leistungen
zufriedenstellend sein sollten. So ist z. B. allen Apparaten der Fehler
gemein, daß durch sie die zu leistende Arbeit vermehrt wird, weil in
jedem Falle den Auspuffgasen Widerstände entgegengesetzt werden.
Zweifellos ist der hierdurch bedingte Kraftverlust nicht sehr groß; aber
er würde doch gewiß in sehr vielen Fällen von der Anschaffung solcher
Apparate abschreckeu, wenn nicht etwa behördlicherseits auf die An¬
schaffung gedrungen wird.
Wenn es daher gelänge, den Brennstoff der Motore selbst so zu prä¬
parieren, daß immer eine vollkommene Verbrennung eintritt, so wäre das
vielleicht die beste Lösung der Aufgabe. Dies Prinzip sucht ein Herr Paul
Suchy zu verfolgen. Er will aus den Rohbenzinen durch ein besonderes Ver¬
fahren die ungesättigten Kohlenwasserstoffe entfernen und dann das Benzin
mit aktivem Sauerstoff" sättigen-. Hierdurch würde, seiner Meinung nach.
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Gesundheitsgeiährduxg durch d. Auspuppgase d. Automobile. 147
die Verbrennung eine vollkommene oder doch fast vollkommene werden.
Durch dies Verfahren würde das Brennmaterial gleichzeitig kalorisch wertiger
werden, und seine Ausnutzbarkeit erhöht sein. Auch dem Schmieröl ließe
sich vielleicht durch ein analoges Verfahren ein großer Teil seiner un¬
angenehmen Wirkung nehmen, indem der übersohüssig in den Zylinder
gelangende Teil auch vollkommen verbrannt werden würde. Die Versuche
sind noch nicht abgeschlossen, sie scheinen aber der Beachtung wert zu sein.
Von allen diesen angeführten Rauchbeseitigungsapparaten darf man
vorläufig wohl noch keine allzugroße Besserung der Geruchsplage er¬
warten. Wenn aber die oben erwähnten drei Forderungen: gute Ver¬
gasung, gutes Benzin, richtige Schmierung immer erfüllt werden, würde
damit schon sehr viel gewonnen sein. Daß in dieser Richtung mehr geschieht,
ist Sache der Polizei. Es wäre durchaus wünschenswert, daß die Behörden
mehr als bis jetzt darauf sehen, daß der Automobilbetrieb das Publikum
weniger belästigt. Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen geben den
Behörden meines Erachtens hinreichende Möglichkeit, in dieser Richtung
einen entscheidenden Druck auszuüben.
In der auf Grund des § 6 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraft¬
fahrzeugen vom 3. Mai 1909 erlassenen Bundesratsverordnung vom
3. Februar 1910 lautet § 3, Absatz I: „Die Kraftfahrzeuge müssen ver¬
kehrssicher und insbesondere so gebaut, eingerichtet und ausgerüstet sein,
daß Feuers- und Explosionsgefahr, sowie jede vermeidbare Belästigung
von Personen und Gefährdung von Fuhrwerken durch Geräusch, Rauch,
Dampf oder üblen Geruch ausgeschlossen ist.“ Nach § 26 kann die
Polizeibehörde jederzeit auf Kosten des Eigentümers eine Untersuchung
darüber veranlassen, ob ein Kraftfahrzeug den nach Maßgabe dieser Ver¬
ordnung zu stellenden Anforderungen entspricht. Genügt ein Kraftwagen
diesen Anforderungen nicht, so kann seine Ausschließung vom Befahren
der öffentlichen Wege usw. durch die höhere Verwaltungsbehörde verfügt
werden. Die „Anweisung über die Prüfung von Kraftfahrzeugen“ ver¬
langt, „daß die Verbrennung der Gase in der Maschine so vollkommen
und die Ölzufuhr so eingerichtet sein muß, daß, abgesehen vom Anfahren
nach längerem Stillstand, ein belästigender Rauch nicht entwickelt wird“.
Da hierdurch der Polizei die Macht gegeben ist den Betrieb eines in
dieser Hinsicht nicht völlig einwandfreien Kraftwagens unmöglich zu
machen, ist es nicht recht verständlich, warum m an noch täglich auf den
Straßen Kraftwagen sieht, die nicht nur beim Anfahren einen undurch¬
dringlichen Qualm entwickeln, deren Spuren vielmehr noch lange, nach¬
dem sie selbst schon verschwunden sind, durch langhinziehende Rauch¬
streifen und Geruch kenntlich sind. Vielleicht dürfte auch das Beispiel
der Münchner Polizeidirektion nachahmenswert sein, die in einem Schreiben
io*
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148
Arth. Korff-Peteesen : Autohobllgase.
an Besitzer öffentlicher Kraftdroschken darauf hinweist, daß es im eigenen
Interesse der Droschkenbesitzer liege, dem Mißstande des Rauchens der
Kraftdroschken vorzubeugen, da sonst die Behörden unter dem Drucke
der öffentlichen Meinung gezwungen werden könnten, den Verkehr der
Kraftdroschken zu beschränken. Gleichzeitig weist sie auf die Bedingungen
des geruchlosen Betriebes hin und empfiehlt unter Umständen die
Anschaffung von Rauchbeseitigungsapparaten (in dem mir vorliegenden
Schreiben den sogen. ,,Saduynapparat). Freilich ist von derartigen An¬
regungen ein voller Erfolg wohl nicht zu erwarten.
Neben den Besitzern der Kraftfahrzeuge können auch die Führer
derselben wegen der Rauch Verbreitung zur Verantwortung gezogen werden.
Nach § 16 und 17 der oben erwähnten Verordnung hat sich der Fahrer
vor der Fahrt von dem Zustande des Fahrzeugs zu überzeugen, und ist
insbesondere verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß eine nach der Be¬
schaffenheit des Kraftfahrzeuges vermeidbare Entwicklung von Geräusch,
Rauch, Dampf oder üblem Geruch in keinem Falle ein tritt. Ein auf
Grund der Droschkenordnung für Berlin vom 26. September 1906 er¬
gangenes Kammergerichtsurteil stellt fest, daß der Automobilführer ver¬
pflichtet sei, während der Fahrt darauf zu achten, ob übelriechende
Dämpfe aus dem Fahrzeuge ausgestoßen werden. Ist dies der Fall, so
muß er sie sofort beseitigen, eventuell nach Hause fahren.
Daß ein entschiedenes Vorgehen der Behörden nötig ist, glaube ich
gezeigt zu haben. Ein solches würde aber zweifellos auch von Erfolg be¬
gleitet sein; denn eine zielbewußte Beaufsichtigung des Verkehrs würde
bald dahin führen, daß die Kraftwagenführer es lernen, die übelriechenden
Gase, die ja zum allergrößten Teile nur durch deren Nachlässigkeit ent¬
stehen, zu vermeiden. In Frankreich, wo die gesetzlichen Vorschriften
(ebenso wie in Österreich und England) in den wichtigsten Punkten zum
Teil wörtlich mit den deutschen übereiustimmen, ist die Belästigung durch
die Auspuffgase bei weitem geringer als in Deutschland. Hier ist eben
schon in erzieherischer Weise auf die Kraftwagenführer eingewirkt, oder
diese sind an sich schon rücksichtsvoller als ihre deutschen Kollegen.
Eine strengere Prüfuug auf wirklich vollkommene Verbrennung bei
der Abnahme der Automobile seitens der Behörden würde die Industrie
veranlassen, sich noch mehr der Verbesserung der Vergasung zuzuwenden,
und würde auf diese Weise dahin wirken, daß allmählich auch die Kohlen¬
oxydproduktion geringer würde.
Eine besondere Verkehrsbeschränkung für Explosionskraftwagen, die
auf die Dauer doch nicht aufrecht zu erhalten wäre, würde dann wohl
überflüssig werden.
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin
(Leiter: Geh. Medizinalrat Prof. C. Flügge.)
Über Komplementbindungsversuche mit dem Serum
lapinisierter Kaninchen.
Von
Dr. med. Wilhelm Hallwachs,
Kreiftassistenzarst in Zeven,
früherem Asaietenten des Instituts.
Die Frage, ob die nach Variola- oder Vaccineinfektion eintretende
Immunität bzw. Allergie mit dem Auftreten von spezifischen Amboceptoren
im Blut verknüpft ist, hat in den letzten Jahren mehrere Arbeiten ge¬
zeitigt, welche sich alle auf Anwendung der Bordet-Gengouschen
Komplementbindungsmethode stützen.
Was zunächst die Variola anbetrifft, so scheinen die bisherigen
Forschungen die soeben aufgeworfene Frage übereinstimmend zu bejahen.
Sugai 1 nämlich untersuchte das komplementbindende Vermögen der
Sera von 5 Pockenkranken gegen Pockenpustelinhalt oder Vaccine als
Antigen mit regelmäßig positivem Resultat. Kontrollversuche stellte er
mit dem Serum Gesunder und, das Antigen betreffend, mit Eiterserum
eines Senkungsabszesses einer 52 jährigen Frau an, die angeblich als Kind
Pocken überstanden hatte.
Beintkes 2 ferner fand sowohl die Seren von 3 Pockenkranken, als
auch das Serum eines mit Milzextrakt aus einer menschlichen Pocken¬
leiche vorbehandelten Kaninchens bezüglich ihres Komplementbindungs-
1 Sugai, Über den Komplementbindungsversuch bei Variola vera. Centralblatt
ßr Bakteriologie. Orig. Bd. XLIX.
1 Beintkes, Über den Komplementbindungsversuch bei Variola vera. Ebenda.
Orig. Bd. XLIX.
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150
Wilhelm Hallwachs:
Vermögens gegenüber Kälberlymphe positiv reagierend (unter Berück¬
sichtigung der erforderlichen Kontrollen). Dahm 1 berichtet in einer vor¬
läufigen Mitteilung über die Untersuchung von 10 Pockenseren. Er
stellte bei Anwendung von Kälberlymphe oder von Leber- oder Milz¬
extrakt aus einer Variolaleiche als Antigen Komplementhindung fest.
Kontrollen mit Normal- oder Luesleber als „Antigen“ blieben negativ.
Ebenso wie Pockenkrankenserum verhielt sich auch das Extrakt aus der
Leber einer Pockenleiche gegenüber Kälberlymphe als Antigen. Nach
Ablauf von 3 bis 4 Wochen waren die komplementbindenden Körper aus
den Seris von Pockenrekonvaleszenten wieder verschwunden.
Weniger übereinstimmend, als bei Variola, lauten die Mitteilungen
über Vorkommen von spezifischen Ambozeptoren bei Vaccineimmunität.
Versuche mit menschlichen Seris stellten Bermbach 2 3 und
Xylander* an. Ersterer untersuchte Sera von 34 Personen, deren letzte
Vaccination schon sehr weit zurücklag (zwischen 1 / 2 und 55 Jahren, meist
über 10 Jahre) durchweg mit negativem Resultat, wie gemäß unserer
Keuntnis von der Dauer der Vaccineimmunität nicht anders zu erwarten
war. Xylander dagegen prüfte das Serum von 31 Wiederimpfungen
vor, sowie 10 bis 16 Tage nach der Revaccination unter Verwendung von
Kälberlymphe als Antigen (und alkoholischem Herzextrakt als Kontroll-
antigen). Nur in etwa 1 j 3 der Fälle erhielt er eine schwach positive
Reaktion. Beim vaccinierten Kalb wies Jobling 4 * , unter Verwendung
eines Schüttelextraktes aus zerriebenen frischen Impfpusteln als Antigen,
im Serum komplementbiudende Stoffe „in geringer Menge“ nach. Heller
und Tomarkin 6 dagegen konnten in dem in verschiedenen Zeitabstäuden ent¬
nommenen Serum eines kutan geimpften, unter später wiederholt intravenös
mit Lymphe weiterbehandelten Kalbes mit der Methode der Komplement¬
verankerung gegenüber „künstlichen Lymphaggressinen“ spezifische Stoffe
nicht nachweisen. Dahm (a. a. 0.) endlich erwähnt ohne nähere Angaben,
daß er mit Leberextrakt eines vor 4 Wochen geimpften Kalbes gegen
Kälberlymphe Komplementbindung erhalten habe.
1 Dahm, Serologische Untersuchungen bei Variola vera. Centralblatt für
Bakteriologie . Orig. Bd. LI.
2 Bermbach, Untersuchungen über den Impfschutz mittels der Bordetschen
Reaktion. El)enda. Orig. Bd. XL1X.
3 Xylander, Die Komplementbindungsreaktion bei Syphilis, Impfpocken und
anderen Infektionskrankheiten. Ebenda . Orig. Bd. LI.
4 Jobling, Journ . of exper. med. 19U6. Vol. VIII. Nr. 6.
6 Heller u. Tomarkin, Ist die Methode der Komplementbindung beim Nach¬
weis spezifischer Stoffe für Hundswut und Vaccine brauchbar? Deutsche med . Wochen -
schrift. 1907. S. 795.
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KOMPLEMENTBINDUNG MIT SeBUM LATINISIERTER KANINCHEN. 151
Gänzlich negativ verliefen Untersuchungen Bermbachs (a. a. 0.) au
Meerschweinchen und Kaninchen. Im Serum kutan geimpfter
Meerschweinchen waren 14 Tage nach der Impfung, bei kutan geimpften
Kaninchen am 8. sowie am 16. Tage und später keine Ambozeptoren
nachweisbar. Ebenso wie die Sera verhielten sich Extrakte aus Milz und
Leber. Auch subkutan geimpfte Kaninchen bildeten keine nachweisbaren
Ambozeptoren.
War bei den eben erwähnten Tierversuchen ausschließlich mehr oder
weniger präparierte Kälberlymphe als Antigen im Reagensglas zur An¬
wendung gekommen, so müssen noch Beobachtungen gesondert angeführt
werden, bei welchen als Antigen im Reagensglasversuch nicht Vaccinelymphe
sondern Präparate von Variolakranken oder aus Variolaleichen stammend
benutzt wurden. Sugai (a. a. 0.) fand im Serum eines vor 15 Tagen
Vaccinierten Komplementbindung gegen frischen Pockenpustelinhalt (Kon¬
trollen mit dem Serum nicht Vaccinierter verliefen negativ); und
Beintkes (a. a. 0.) hatte ein positives Resultat mit dem Serum eines
iutraperitoneal mit Lymphe vorbehandelten Kaninchens gegen Extrakt aus
der Milz einer menschlichen Pockenleiche. — Daß Beintkes bei einem
Impf kalb 3 Tage nach der Impfung unter Anwendung von Pocken leicheu-
milzextrakt als Antigen keine Komplementbinduug beobachtete, sei
schließlich noch erwähnt.
Überblickt man die soeben kurz referierten Arbeiten in ihrer Ge¬
samtheit, so ist leicht zu ersehen, daß sie zwar eine ganze Reihe wert¬
voller Aufschlüsse über die uns interessierende Frage geben, daß jedoch
von einer lückenlosen Kenntnis des Vorkommens Bordetscher Körper im
Serum der verschiedenen Spezies noch nicht die Rede sein kann. Es muß
vielmehr als gerechtfertigt erscheinen, noch weiteres Beobachtungsmaterial
beizubringen. Um einen Beitrag in diesem Sinne zu geben, habe ich auf
Veranlassung des Hm. Prof. C. Flügge Untersuchungen an mit Lapine
behandelten Kaninchen vorgenommen, über welche ich im folgenden be¬
richten will. — Zunächst einiges über die Technik. Die von mir zuerst
benutzte Lapine stammte aus dem Hamburger Staatsinstitut für Lymphe¬
gewinnung. 1
In der Folge stellte ich mir Lapine durch Weiterimpfung des Aus¬
gangsmaterials auf Kaniuchen selbst dar. Zur Lapinegewiuuung und auch
teilweise zur Immunisierung benutzte ich anfangs junge Albinos, die zum
Teil besonders schöne Impfresultate gaben. Später verwendete ich auch
braune Kaninchen mit einem Gewicht von 1500 bis 2000 gim mit gutem
Erfolg.
1 Für freundliche Überlassung derselben danke ich Hrn. Physikus Dr. Voigt
an dieser Stelle besonders.
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152
Wilhelm Hall wachs:
Was die Technik der Impfung anlangt, so depilierte ich anfangs
mit Calciumhydrosulfid, späterhin aber rasierte ich einen kleinhandgroßen
Bezirk der Rückenhaut, rieb nach sorgfältiger Reinigung mit Sandpapier
ab und strich dann die auf das Zehnfache verdünnte Lapine auf.
Die Sera wurden teils aus der Ohrvene, teils aus der Carotis ge¬
wonnen, baldigst durch V 2 ständiges Erhitzen auf 56° inaktiviert mit
0 • 5 Prozent Phenol versetzt und im Eisschrank auf bewahrt.
Als Antigen diente durchweg Kälberglyzerinlymphe, die vor ihrer
Verwendung folgendermaßen behandelt wurde. Durch 24 ständiges Dialy-
sieren wurde sie ihres Glyzeringehaltes beraubt; das Dialysat wurde so
mit destilliertem Wasser und 10 Prozent Kochsalzlösung aufgefüllt, daß eine
0-85 Prozent Kochsalz enthaltende, das Fünffache der ursprünglich vor¬
handenen Menge von Glyzerinlymphe betragende Aufschwemmung resultierte.
Alsdann wurde 1 / 2 Stunde auf 56° erwärmt und mit 0*5 Prozent Phenol
versetzt. Nach Zentrifugieren und mehrtägigem Absitzen im Eisschrank
erhielt ich eine kaum opaleszierende, gleichmäßig haltbare Flüssigkeit.
Es wurde mehrfach festgestellt, daß diese inaktivierte und karbolisierte
Lymphverdünnung sich im Komplementbindungsversuch genau so verhielt
wie nicht erhitzte und nicht karbolisierte, sonst aber geradeso hergestellte
Lymphverdünnung. Als Ausgaugsmaterial diente stets dieselbe, in der
Kugelmühle außerordentlich fein verriebene und gut virulente Glyzeriu-
lymphe, die mir in größerer Menge und in bereitwilligster Weise von dem
Königl. Impfinstitut zu Berlin zur Verfügung gestellt wurde. 1 — Eine
Reihe von Versuchen machte ich auch mit einem Antigen, welches ich
durch Auflösen von vorher zentrifugierter Lymphe mit 2 Prozent Anti¬
formin erhielt. Dieses Präparat erwies sich indes als völlig unwirksam.
Als Komplement benutzte ich frisches Serum von jungen Meer¬
schweinchen in der Verdünnung 1:10.
Der hämolytische Ambozeptor war in Kaninchenserum, auf
Hammelblut eingestellt, enthalten. Titer 1:2000.
Es wurde stets die doppelt lösende Ambozeptordosis genommen. Das
zur Hämolyse bestimmte Hammelblut wurde in 5 Prozent Auf¬
schwemmung nach zweimaligem Waschen mit physiologischer Kochsalz¬
lösung zugesetzt.
Die Proben wurden in einem Volum von 2*5 ccm augesetzt, so daß
auf 0*5 Erythrozytenaufschwemmuug 0*0005 hämolytischer Ambozeptor
und 0*05 Komplement kamen.
1 Dein Leiter dieses Instituts, Hrn. Gell. Medizinalrat O. Schulz, bin ich hierfür
zu besonderem Danke verpflichtet.
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K OatPTiKMKNTBLN'DUNG MIT SEBUM LAPINISLEBTEB KANINCHEN. 153
Das oben beschriebene Antigen wurde in Mengen von 0-05 bis 0-2,
das zu prüfende Serum in der Regel in abfallenden Mengen von 0*125
bis 0*015 zugesetzt.
Zunächst wurde nun festgestellt, daß die als Antigen dienende Lymphe
auch unverdünnt in der Menge von 0*5 allein noch nicht hemmend
wirkte. Auch eine Lösung durch Lymphe allein fand nicht statt.
Was die Sera der mit Lapine vorbehandelten Kaninchen betraf, so
kam der Umstand, daß auch normale Kaninchensera Hammelblut bei
Komplementzusatz in zuweilen beträchtlicherem Grade lösen, für die Be¬
urteilung von Komplementbindungsversuchen nicht in Betracht.
Wohl zu beachten war aber die sowohl bei Normalseris als auch bei
Seris lapinisierter Kaninchen öfter und bei den einzelnen Tieren in ver¬
schiedener Stärke vorkommende alleinhemmende Wirkung. Sie zwingt
zu einer ganz besonders sorgfältigen Berücksichtigung der entsprechenden
Kontrollen.
Die meisten Versuche wurden doppelt oder in größerer Anzahl an¬
gestellt. Die Resultate stimmten überein. Es können hier nicht sämtliche
Protokolle veröffentlicht werden. Ich habe die in den beigegebenen Tabellen
niedergelegten Versuche so ausgewählt, daß ein rascher Überblick ohne
zu große Belästigung durch die Menge des Materials ermöglicht wird.
Tabelle I.
Lymphe- j
Ver¬
dünnung
Immun- ,
serum
(12. Tag)
Normal- j
serum
Komple¬
ment
Hammel-
Ambozeptor erythrozyten
i i 5 Prozent j
i_L__!
Resultat
0-2
0*12 1
—
0-05
0*0005
! 0-5
H—!—i—b
0-2
0-06
—
0-05
0-0005
! 0*5
+ + r +
0-2
0-03
—
0-05
0-0005
| 0-5
+ + + -f
0-2
0-015
—
0-05
0*0005
1 0*5
+ + -r +
0*2 !
—
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0-0005
0-5
0
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—
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0-0005
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—
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—
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+ + + +
—
—
—
—
—
0-5
-r -r -r +
0-2
—
—
—
—
0*5
-r -r -r +
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
154
Wilhelm Hallwachs:
Aus Tabelle I 1 ist zu ersehen, daß das verwendete „Immunserum“
eines vor 12 Tagen mit Lapine kutan geimpften Kaninchens allein,
selbst in stärkerer Konzentration nicht hemmte, dagegen mit 0*2 des
Antigens (Lympheverdünnung) zusammen eine komplette Hemmung be¬
wirkte. Das Kontrollserum eines nicht geimpften Kaninchens hemmte
weder für sich allein noch mit Lymphe zusammen.
Tabelle II.
Lymphe¬
ver¬
dünnung
Immun¬
serum
(12. Tag)
Normal¬
serum
Komple¬
ment
Ambozeptor
Hammel¬
erythrozyten
5 Prozent
l'
Resultat
0-05
0-12
—
0-05
0*0005
0-5
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0-05
0*06
—
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0-5
4- 4- + +
0-05
0*03
—
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0-5
+ + +
0-05
0-015
—
0*05 |
0*0005
0-5
+
0-05
—
0*12
0*05
0-0005
0*5
+ +
0*05
—
0-06
0-05
0-0005
0*5
+ +
0*05
0-03
0-05
0*0005
0-5
+ +
0-05
0-015
0-05
0*0005
0-5
0
0-1
0*12
—
0-05
0-0005
0*5
4-4- + +
0-05
0-12
—
0-05
0-0005
0-5
+ + + +
0-025
0-12
—
0*05
0*0005
0-5
+ + + +
0*012
0-12
—
0-05
0*0005
0-5
+ + +
0-1
—
0-12
0-05
0*0005
0-5
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0-05
— 1
—
0-05 |
0*0005
0-5
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0-2
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0
0-1
j —
—
0-05
0-0005
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0
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0-0005
j 0-5
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0-0005
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1 -
—
i
0-5
+ + + +
0-1
—
i —
— '
—
0-5
+ + + +
1 In den Tabellen bedeutet:
+ + 4- + = komplette Hemmung.
+ + + = starke „
+ + = mäßige
t = geringe
Spur = Spur Hemmung.
0 = völlige Hämolyse.
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Komplementbindung mit Sebum lapinisieetee Kaninchen. 155
Tabelle II zeigt ebenfalls das Verhalten des Serums eines vor
12 Tagen kutan geimpften Tieres (starke Hemmung mit Antigen zu¬
sammen) gegenüber einem Kontrollserum, welches zwar mit Antigen zu¬
sammen ebenfalls geringgradig und nicht abgestuft hemmt, aber nicht
mehr, als in den Kontrollen, in welchem es ohne Antigenzusatz zur An¬
wendung kam.
Tabelle III.
Lymphe-
ver-
«irinDung
! Immun.
! serura
1 (12. Tag)
Normal-
Serum
Komple¬
ment
• Hammel- I
Ambozeptor erythrozytenjj
i 5 Prozent
Resultat
0-2
| 0-12
--
0-05
0*0005
0-5
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0-5
+ -+-4-4-
0-2
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0-05
0-0005 1
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—
0-05
0*0005 1
0-5
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0-2
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0-12
0*05
0-0005
0-5
4- + 4-4-
0-2
—
0-06
0*05
0-0005
0*5
4- 4- 4-
0-2
—
0-03
0.05
0*0005
0-5
4- 4-
0-2
—-
0-015
0-05
0-0005
0-5
0
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—
—
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0-5
0
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—
—
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, 0-0005
0-5
0
—
0-25
—
0-05
0-0005
0-5
0
—
0-12
—
0*05
0-0005
0-5
0
—
—
0*25
0-05
0-0005
0*5
+ 4-4-
—
—
0-12
0-05
0-0005
0-5
+
—
—
—
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0-0005
0-5
0
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-
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+ + + +
—
—
-
—
—
0-5
+ + + +
0*2
—
—
i —
--
0-5
4 — i — 1 — b
Tabelle HI ist bemerkenswert dadurch, daß zwar das Immuuserum
(ebenfalls vom 12. Tage) komplett hemmt, daß dagegen im Gegensatz zu
den obenstehenden Beispielen das normale Vergleichsserum gleichfalls eine
hemmende Wirkung mit Antigen zusammen erkennen läßt, welche die
alleinhemmende Wirkuug dieses Serums übertrifft.
Der Ausfall dieses Versuches ist typisch für viele andere. Ich be¬
gegnete wieder und wieder der Tatsache, daß auch normale Kaninchensera
mit Kälberlymphe zusammen stärker hemmen können, als allein. Ja bei
genügender Konzentration wird sogar komplette Hemmung beobachtet.
Vergleicht man aber diese Wirkung der Normalseren mit Immunseren
(und zwar, wie ich vorausnehmen will, mit Immunseren, die an einer be¬
stimmten Anzahl von Tagen nach der Impfung gewonnen sind), so ist
doch die mit Antigen komplementbindende Wirkung der Immunsera stets
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156
Wilhelm Hall wachs:
bedeutend stärker als die der Normalsera. Ob die nächstliegende Er¬
klärung für die beobachtete komplementbindende Eigenschaft von vielen
Normalseris mit Antigen zusammen, nämlich die Erklärung, daß es sich
um Anwesenheit normaler, gegen Lapinevirus gerichteter Antikörper handle
zu Recht besteht, kann ich nicht entscheiden.
Die nächste Tabelle Nr. IV zeigt, daß bei geeigneten Mengenverhält¬
nissen auch eine gut abgestufte Eomplementbindung besteht.
Tabelle IV.
Lymphe-
ver-
diinnung
Immun¬
serum
(12. Tag)
Normal-
serum
Komple¬
ment
Ambozeptor
Hammei¬
erythrozyten
5 Prozent
1
Resultat
0-05
0-1
—
0-05
J 0-0005
0-5
4* 4 4 4-
0*05
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—
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0-5
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0-05
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—
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—
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1; 0*0005
0-5
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—
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0-02
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0
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—
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0*05
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—
0*05
0*0005
0-5
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—
—
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1
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0*05
_
_
_
_
u • 0
0-5 ,
| _ __
4 4 4 4
In einer Anzahl von Fällen habe ich das am Tage der Wahl ent¬
nommene Immunserum mit dem Normalserum je desselben Tieres aus
einer Probe, die vor der Impfung aus der Ohrvene entnommen war, ver¬
glichen.
Hierbei konnte ich einigemal die auffallende Tatsache beobachten,
daß auch die allein hemmende Wirkung des Serums sich eine gewisse
Zeit nach der Impfung anders verhielt, als vor der Impfung, und zwar,
ohne erkennbaren Grund, in geringem Grade stärker oder schwächer
hemmend. Eine Erklärung hierfür habe ich nicht. Jedenfalls war diese
alleinhemmende Wirkung nie so stark, daß die Evidenz der hemmenden
Wirkung der Kombination: Antigen -f Immunserum dadurch beeinträchtigt
worden wäre.
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K o:\irLEiiENTBiNDUNG mit Serum latinisierter Kaninchen. 157
Nachdem ich an fünf Impfkauinchen des 12. Tages übereinstimmend
einen positiven Ausfall des Komplementbinduugsversuches festgestellt hatte,
untersuchte ich auch Sera, die an teils früheren, teils späteren Terminen
nach kutaner Impfung entnommen waren. Da ergab sich dann auch am
10. und 9. Tage nach der Impfung ein positiver Ausfall der Reaktion,
wenn auch schwächer als am 12. Tage; am 5., 6. und 7. Tage verliefen
dagegen die Versuche gänzlich negativ. Über den 12. Tag hinaus erhielt
ich ein zwar schwach positives Resultat am 14., nicht mehr aber am 16.,
*25. und 83. Tag. Es beschränkte sich demnach die komplement¬
bindende Kraft der Kombination Lymphe + Serum kutan ge¬
impfter Kaninchen auf den kurzen Zeitraum vom 9. bis 14. Tage
nach der Impfung; fürwahr eine auffallende Erscheinung.
Ist nun diese Komplementbiudung spezifisch? d. h. handelt es sich
hier wirklich um eine Reaktion zwischen Vaccinevirus und spezifischem
Antikörper? Diese Frage wird, solange nicht Reinkulturen des Erregers
zur Verwendung kommen, stets nur mit einer gewissen Reserve bejaht
werden können. Für den vorliegenden Fall müssen wir jedenfalls
noch berücksichtigen, daß das im Reagensglas sowohl, wie das im
Tierkörper wirksame Antigen, also sowohl die verimpfte Lapine, als
auch die im Reagensglas zugesetzte Vaccine, außer dem spezifischen
Erreger oder dessen Derivaten noch eine ganze Reihe in ihrer Art und
Menge unkontrollierbarer tierischer Eiweißkörper und deren Zerfallsprodukte
enthielten, sowie weiterhin eine mehr oder weniger große Anzahl von
Bakterien. — Soweit die bei der Impfung auf die Haut des Kaninchens
gebrachte Lapine in Betracht kommt, ist ein störender Einfluß dieser Stoffe
wohl kaum zu befürchten, denn einmal handelt es sich dabei nur um
artgleiches Eiweiß und andererseits darf wohl angenommen werden (mangels
des Zutagetretens von Krankheitserscheinungen), daß die von der möglichst
keimarmen Lapine (sie enthielt in geringer Zahl fast nur einen gelben,
nicht pathogenen Staphylococcus) etwa in die oberflächlichen Haut¬
verletzungen eingedrungenen Bakterien nicht zu wesentlicher Vermehrung
und Antikörperbildung gelangen. Eine Antikörperbildung infolge Bakterien¬
invasion wäre aber auch insofern von wenig Belang, als die im Reageus-
glas als Antigen verwendete Kälberlymphe in erster Linie die Haut- und
Fellflora des Kalbes repräsentiert, die mit den Fellbakterien des Kaninchens,
wie bekannt, nicht übereinstimmt.
Um zu eruieren, ob durch die rasierte Kaninchenhaut überhaupt
Eiweißstoffe nachweislich eiudringen, habe ich ein auf dem Rücken
rasiertes und mit Glaspapier abgeriebenes Kaninchen energisch mit Rinder¬
serum eingerieben, ohne in dem nach 12 Tagen entnommenen Serum eine
Spur von Präzipitin gegen Rinderserum nacliweisen zu können.
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158
Wilhelm Hall wachs:
Mehr ins Gewicht fällt das Bedenken, ob die im Reagensglas zuge¬
setzte Kälberlymphe nicht durch die in ihr enthaltenen, von der Epider¬
mis des Kalbes stammenden Bestandteile eine komplementbindende Reak¬
tion mit den zu prüfenden Kaninchenseris eingehe.
Tabelle Y.
Normal-
epidermis-
extrakt
Saf' 5
s 2 H §
a s
Immun¬
serum
(12. Tag)
! (Kan. b)
Normal¬
serum
(Kan. a)
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zyten
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0-01
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—
—
0-05
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0*5
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! 0*0005
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0
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—
0-01
—
0-05
| 0*0005
0*5
0
0-15
—
—
0-1
—
0-05
0*0005
| 0*5
-f-
0*15
—
! —
0*05
—
0-05
| 0*0005
0*5
Spur
0*15
—
—
0-02
—
0*05
0*0005
0*5
0
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—
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—
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0*5 ;
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—
—
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! 0-05
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+
0*15
—
—
—
0*05
0-05
0.0005
1 0*5
Spur
0-15
—
—
—
0*02
0*05
0*0005
0*5
0
0*15
—
0-01
0*05
0*0005
0*5
0
0-3
1
—
—
—
0-05
I 0*0005
0*5
0
0-15
1 —
—
—
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0-0005
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—
0-2
—
—
—
0-05 |
, 0*0005
0*5
+
—
0-1
—
1 —
—
0-05
0*0005
0*5
Spur
—
—
0*2
--
—
0-05 ,
0*0005
0*5
Spur
—
—
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—
—
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0*5 |
0
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—
—
0-2
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—
—
! 0*1
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0*05
0*0005
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Spur
—
—
—
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0-05
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—
—
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—
—
—
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0-0005
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i —
0-5
+ + + +
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—
—
—
—
—
—
0*5
+ + -b +
0-15
—
—
—
—
—
—
0*5
+ -b 4- +
Um diese Frage zu prüfen, habe ich von rasierter Kalbshaut nach
Art der Thierschschen Transplantationsmethode Epidermisstückchen in
abgewogener Menge abgetragen, dieselben mit Quarzsand verrieben und
in der Kugelmühle gemahlen. Von dem erhaltenen Mehle legte ich ein
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KOMPLEilEXTBrNDOG MIT SeBTM LAPIMSrEBTEB KaXINCHEX. 159
Schüttelextrakt au. das im Heim-Faustseheu Apparat bei 37° auf ein
so berechnetes Volumen eingeengt wurde, daß der Gehalt der Raumeiu-
heit an Epidermisrohstoff dem Gehalt der Raumeinheit der als Antigen
verwendeten Lympheverdünnung an Vaccinerohstoff gleichkam. Die
Lösung wurde isotonisch gemacht, inaktiviert, zentrifugiert und mit
0-5 Prozent Phenol versetzt.
Dieses Extrakt normaler Kälberepidermis ergab nun sowohl mit
Kaninchennormalseris als auch mit den Seris geimpfter Kaninchen
Hemmung sehr geringen Grades. Aber es bestand kein Unterschied in
Hemmung mit jedem von beiden Seris. d. h. Xormalkauinchenserum ergab
unter gleichen Bedingungen eine gleichstarke Hemmung wie das Serum
geimpfter Kaninchen (12 Tage nach der Impfung, s. Tabelle V).
Tabelle VI.
Lymphe-
ver¬
dünn an e
Xormal-
epidermis-
extrakt
Im m un¬
ser um
fl2. Tag)
Komple¬
ment
Ambozept«
Hammel-
>r erythrozyten
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0*05
—
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0*5
-J-i-7-P
—
0*05
—
—
—
0*5
rrlr
Verglich mau die Wirkung des normalen Kalbsepidermisextrakts auf
12 tägiges Immunserum mit der Wirkung der gleichkonzentrierteu Kälber¬
lymphe, so gab die Kälberlymphe einen ungleich größeren Ausschlag wie
das Normalepidermisextrakt (s. Tabelle VI).
Es würde also von seiten dieser Kontrolle der Annahme einer spezifi¬
schen Wirkung des Vaccineerregerantigens auf die Immunsera in den
mitgeteilten Versuchen nichts im Wege stehen.
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160
Wilhelm Hallwachs:
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Nach Abschluß meiner Versuche an kutan geimpften interessierte
mich weiterhin das Verhalten intraperitoneal geimpfter Kaninchen.
Im folgenden teile ich einige diesbezügliche Versuche mit. Ich hoffte,
durch fortgesetzte intraperitoneale Behandlung mit großen Dosen frischer
Glyzerinlapine eine stärkere immunisatorische Wirkung zu erzielen.
Kaninchen Nr. 1 (2160 &"") war kutan geimpft; nach 4 Wochen
wurde die kutane Impfung wiederholt (schwach positiv); später erhielt das
Tier in mehrwöchigen Zwischenräumen 3mal 1-5 bis 3*0 1 l l0 verdünnter
virulenter Glyzerinlapine intraperitoneal. Das Tier vertrug die Injektionen
gut und nahm dauernd zu. Am 7. Tage nach der letzten Intraperitoneal¬
injektion wurde das Serum untersucht und bewirkte mit Antigen zusammen
starke Hemmung (s. Tabelle VII). Nach einer erneuten Injektion ging
das Kaninchen leider an Peritonitis ein.
Tabelle VII.
Lymphe¬
ver¬
dünnung
Immunserum
(3 mal intra¬
peritoneal
vorbehandelt)
Normal¬
serum
Komple- i
ment
Ambozeptor
l_
j Hammel¬
erythrozyten
5 Prozent
| Resultat
0-05
0-12
—
1 0-05 1
0*0005
0*5
4* + 4- +
0-05
0-06
—
0*05
0-0005
0*5
+ + + 4-
0-05
0-03
—
0*05
0-0005
0-5
4- 4- 4-
0*05
0-015
—
0*05
| 0*0005
0-5
4- 4-
0*05
—
0-12
0-05 |
0-0005
0-5
0
0*05 |
0*06
0*05
0-0105
0-5 {
0-5
1 0
0-05
0-03
0-05
0*0005
0
0-05 1
—
0*015
0-05
1 0-0005
0-5
1 0
0-1
0*12
—
0*05
| 0-0005
0-5
4-4-4- +
0-05 1
0-12 ,
—
0*05
1 0*0005
0-5
4- 4- 4- +
0*02
0-12 |
—
0*05
0-0005
0-5
4-4-4-
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0-12 1
—
0-05
0-0005
0-5
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0-1
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— 1
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0*5
0
0-05 I — | 0*5 + + + +
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
0-1
Google
Komplementbindung mit Serum lapenisierter Kaninchen. 161
Bei drei weiteren Kaninchen, die ebenfalls zu Anfang kutan, dann
4, 7 und 10 Wochen laug wöchentlich intraperitoneal behandelt waren,
war das Resultat ein ähnliches, d. h. das Serum dieser Tiere hatte 7 bis
12 Tage nach der letzten Injektion mit Antigen zusammen ausgesprochene
komplementbindende Wirkung.
Da wir in den zuvor angestellten Versuchen, die nur kutan ge¬
impfte Tiere betrafen, sahen, daß schon bald nach dem 14. Tage nach
der Impfung keine komplementbindenden Körper mehr nachzuweisen
waren, so kann die hämolysehemmende Wirkung bei den intraperitoneal
geimpften Kaninchen nicht auf die vor mehreren Wochen durchgemachte
Kutanimpfung, sondern nur auf die intraperitoneale Injektion, die 7 bis
12 Tage vorherging, bezogen werden.
Neben der Prüfung des zeitlichen Verlaufs der Anwesenheit von
Ambozeptoren im Blut hatte ich mir auch die Untersuchung der Organe
als etwaiger Bildungsstätten komplementbindender Stoffe zur Aufgabe
gemacht.
Ich stellte mir deshalb von sämtlichen untersuchten Tieren Organ-
extrakte her, und zwar auf folgende Weise. Das entblutete Tier wurde
bei noch schlagendem Herzen mit physiologischer Kochsalzlösung in toto
durchgespült; dann wurden die Organe (Leber, Nieren, Herz, Milz, Knochen¬
mark, Lungen, Muskeln, Blutknochen, Epidermis) abgewogen; mit Quarz¬
sand zerrieben, in flachen Schalen ausgebreitet und möglichst rasch, zuerst
im Faustschen Apparat bei 37°, dann im Exsiccator getrocknet und im
letzteren auf bewahrt.
Die weitere Behandlung erfolgte erst kurz vor dem jeweilig beabsich¬
tigten Versuch und bestand darin, daß das Organpulver 24 Stunden in
der Kugelmühle fein zermahlen, dann mit 1 Liter Wasser aufgeschwemmt
und 12 Stunden im Schüttelapparat geschüttelt wurde. Alsdann ließ ich
absitzen, engte die überstehende Flüssigkeit bei 37° im Faustschen
Apparat auf das beabsichtigte Volum ein, stellte die physiologische Koch¬
salzspannung her, inaktivierte ’/s Stunde bei 56°, versetzte mit 0*5 pro-
zentigem Phenol, zentrifugierte und ließ es 14 Tage im Eisschrank nach¬
klären.
Komplementbindungsversuche habe ich trotz dieser großen Vor¬
bereitungen nur mit Knochenmark-, Leber- und Epidermisextrakt je zweier
12tägiger Immun- und eines Normaltieres angestellt, da das vollständig
negative Resultat dieser kurzen Reihe von Versuchen zum Fortfahren
durchaus nicht ermutigte.
Es ist nach diesen letzten Versuchen nicht wahrscheinlich, daß freie
Ambozeptoren in den untersuchten Organen in größerer Menge vorhanden
waren. Ein sicherer Gegenbeweis gegen ein Vorhandensein derselben ist
Zeitachr. f. Hygiene. LXIX
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11
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
162
WilheijM Hallwachs:
jedoch,nicht erbracht, da sie ja durch die umständliche Präparation in
Verlust geraten sein konnten. Ausschließen kann ich nur, daß ein solcher
Verlust etwa durch 1 / a ständiges Erhitzen auf 56 0 eintrat, da ich Kontroll-
versuche mit nicht erhitztem Extrakt angestellt habe, die genau ebenso
verliefen.
Die Ergebnisse meiner Untersuchungen sind demnach folgendermaßen
zusammenzufassen:
Bei Anwesenheit von Kälberlymphe als Antigen waren
komplementbindende Stoffe in den Seris von kutan mitLapine
geimpften Kaninchen in der Zeit vom 9. bis 14. Tage nach¬
weisbar.
Vor dieser Zeit kreisten sie nicht im Blut, nach dieser
Zeit waren sie wieder verschwunden.
Bei wiederholt intraperitoneal geimpften Kaninchen waren
am 7. und 12. Tag nach der letzten Injektion Bordet-Gengou-
sche Körper nachzuweisen. Eine potenzierte Immunisierung
durch öftere intraperitoneale Zufuhr selbst großer Mengen
von virulenter Lapine war nicht möglich.
Mit Extrakten aus Epidermis, Knochenmark und Leber
konnte 12 Tage nach kutaner Impfung keine spezifische Kom¬
plementfixation erzielt werden.
Sehen wir nun zu, wie die im vorstehenden niedergelegten Beobach¬
tungen mit den Angaben anderer Autoren im Einklang stehen. Ledig¬
lich Bermbach (a. a. 0.) hat, wie oben berichtet, Komplementbindungs¬
versuche mit Serum geimpfter Kaninchen gegen Kälberlymphe an¬
gestellt, uud zwar mit negativem Erfolg. Das Ergebnis Bermbachs
widerspricht nun aber durchaus nicht meinen Feststellungen, denn die
Versuche dieses Autors wurden mit Seren, die am 8., 16. und an späteren
Tagen gewonnen waren, augestellt, während meine Versuche einen posi¬
tiven Ausschlag zwischen dem 9. und 14. Tage ergaben, also gerade in
einem Zeitraum, in dem Bermbach nicht untersucht hatte.
Diese geringe Dauer des Kreisens von spezifischen Ambozeptoren im
Blut geimpfter Kaninchen hat nun aber doch etwas sehr Frappierendes.
Dauert denn etwa die Immunität der Kaninchen auch nur wenige
Tage? Da ist denn allerdings zu bemerken, daß die Immunität des
Kaninchens, verglichen mit der uns geläufigen Anschauung der Immuni¬
tätsdauer beim Menschen, eine sehr kurz währende ist. Nach Calmette
et Guerin 1 wird sie nach kutaner Impfung am 6. Tage erstmalig fest-
1 Calmette et Guerin, Reclierches sur la vaceine experimentales. Annales
de l’Institut Pasteur. 1901. p. 161.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
KOMPLEMENTBINDUNG MIX SeRÜM LAPINISIERTER KaNIKCHEN. 163
gestellt. Arndt 1 * 3 konstatierte sie am 8., 17., 18., 19. Tag, sowie nach
5 Wochen. Süpfle* sah sie vom 7. Tag an bis zum 20. vollkommen.
Kelsch, Camus und Tan non 8 gebeu die Dauer als sehr schwankend
an; sie betrage 17 Tage bis 6 Monate, gewöhnlich aber nur 2 bis 3
Monate. Rehns 4 dagegen berichtet, er habe eine völlige Immunität
beim Kaninchen überhaupt nicht beobachtet, und Paschen 5 * endlich sah
eine unvollständige Schutzwirkung der Horuhautimpfung beim Kanin¬
chen. Wie dem auch sei, eine zeitliche Übereinstimmung zwischen der
Immunität oder Allergie des Kaninchens gegenüber zweitmaliger
kutaner Impfung einerseits und dem Auftreten Bordetscher Körper im
Blute andererseits kann durchaus nicht ersehen werden; es muß vielmehr
anerkannt werden, daß in der Regel die kutane Immunität eher eintritt
und länger anhält als die Anwesenheit jener Stoffe im Serum.
Untersuchen wir nun dieselbe Frage, nämlich nach dem zeitlichen Über¬
einstimmen von Immunität und Vorkommen Bordetscher Körper auch bei
anderen Spezies nach Vaccination, so sehen wir überraschenderweise mit
Jobling (a. a. 0.) und Heller und Tomarkin (a. a. 0.), daß beim Rind,
welches doch bine ausgesprochene Immunität besitzt, Ambozeptoren entweder
überhaupt nicht oder doch nur in sehr geringer Menge angetroffen wurden,
und wir sehen weiter, daß beim Menschen, dessen langdauernde und außer¬
ordentlich zuverlässige Immunität nach Vaccination uns so wohl bekannt
ist. von Xylander (a. a. 0.) nur in einem Drittel zahlreicher Fälle geringe
Autikörpermengen zwischen dem 10. und 16. Tag nach der Impfung
mittelst der Komplementbindungsmethode nachgewiesen werden konnten.
Nicht anders steht es bei Variola vera, deren Überstehen, wie wir
wissen, zwar einen sehr langen, vielleicht meist lebenslänglichen Schutz
verleiht, die aber dem Serum der Rekonvaleszenten nur ganz vorüber¬
gehend, nach Dahm (a. a. 0.) jedenfalls nur unter 3 Wochen laug, Ambo¬
zeptoren zuteil werden läßt.
So sehr also unser Wissen über diese Punkte auch noch der Ergän¬
zung bedarf, dies scheint doch klar erwiesen zu sein, daß die im Blut
bisher nachgewiesenen Bordetschen Ambozeptoren weder bei
Variola noch bei Vaccine die hauptsächliche oder alleinige
Ursache der Immunität sein können.
1 Arndt, Studien zur Immunität und Morphologie bei Vaccine. CentvalUlatt
für Bakteriologie. Orig. Bil. XLVII.
* Süpt'le, Archiv für Hygiene. T3tl. LX.YIIL
3 Kelsch, Camus et Tunnon, Determination de la durec de Pimmunitee
vaccinale chez le lapin. Acad. de mtd. de Baris. 23. juillet 1907.
4 Rehns, Campt. rend. de la soc. de BiuL 1902. p. 378.
5 Paschen, Medizinaistat. Mitteil, des Kaiserl. Gesundheitsamtes. 1903. H. 1.
11 *
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164
Wilhelm Hall wachs:
Wir kommen zu einer zweiten Frage. Wie verhalten sich die von
anderen und mir festgestellten Ambozeptoren zu dem zuerst von Stern*
berg 1 * * sowie von Böclöre, Chambon und Mönard* studierten „anti¬
virulenten“ Vermögen des Serums geimpfter Tiere und des Menschen.
Wie bekannt, wird diese antivirulente Eigenschaft dadurch nach¬
gewiesen, daß man einige Kubikzentimeter des zu untersuchenden Serums
sowie gleiche oder abgestufte Mengen virulenter Vaccine im Reagensglas
verschieden lange Zeit aufeinander einwirken läßt, und daß man dann mit
dem Bodensatz Impfversuohe anstellt, die bei wirksamem Serum negativ
ausfallen.
Solche Versuche haben an dem uns zunächst interessierenden Kaninchen
zuerst Böclöre, Chambon und Mönard (a. a. 0.) angestellt, sie berichten
ebenso wie neuerdings v. Prowazek und Yamamoto* über unsichere
Resultate. Supfle (a. a. 0.) dagegen sah am 10. Tag nach der Impfung
kräftige virulicide Wirkung und Camus 4 konnte die vaccineneutrali¬
sierende Eigenschaft des Kaninchenserums zwischen dem 35. und 62. Tag
nach der Impfung prompt nachweisen. Wenn wir demnach über den Be¬
ginn des Auftretens virulicider Körper im Kaninchenserum noch nicht
hinreichend unterrichtet sind, so können wir doch aus dem Umstande,
daß diese Körper viel länger im Serum nachweisbar sind, wie die Bordet-
schen, schließen, daß eine Identität nicht besteht.
Klarer liegen die Verhältnisse beim Rind. Hier steht die antivirulente
Kraft des Serums in ganz auffallendem Gegensatz zu der Ausbildung seiner
nach Bordet-Gengou komplementbindenden Eigenschaften. Während
letztere sich bisher überhaupt nicht mit Sicherheit nachweisen ließen,
ist erstere sehr prompt zu beobachten, und zwar nach Böclöre, Chambon
und Mönard (a. a. 0.) zwischen dem 10. (meist 12.) und 50. Tag nach
der Impfung.
Beim Menschen ist das Verhalten des antivirulenten Vermögens
des Serums ein außerordentlich schwankendes; es kann noch nach 25, ja
nach 50 Jahren nach der Impfung vorhanden sein, es kann aber auch
schon nach Monaten, Wochen oder Tagen fehlen oder auch überhaupt
niemals auftreten (Bdclöre, Chambon und Mönard) (a. a. 0.), ebenso
unsicher scheint aber auch nach Xylander (a. a. 0.) die Komplement-
bindung beim Menschen einzutreten.
1 Sternberg, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIX.
* Bdclfcre, Chambon et Mdnard , Annales de VInstitut Pasteur. 1896 u. 1899.
* v. Prowazek u. Yamamoto, Münchener med. Wochenschrift. 1909.
4 Camus, Recherches sur l’immunitee vaccinale. Joum. d. Physiol. et d. Pathol.
generale. Tom. X. p. 455.
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IvOMPLEM ENTBINDUNG MIT SeBUM LAPINISIEBTEB KANINCHEN. 165
Nach alledem ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen
Bordetschen und „antivirulenteü“ Körpern im Serum nicht zu
erweisen, noch weniger eine Identität.
Sahen wir im vorhergehenden, daß einmal das Vorkommen komple¬
mentbindender Antikörper im Serum nicht in Parallele steht zur Immu¬
nität, auch nicht andererseits in zeitlichem Zusammenhang mit dem Be¬
stehen antivirulenter Kräfte des Serums, so bleibt als drittes noch zu
erörtern, ob denn Immunität der Haut und antivirulentes Ver¬
halten des Serums ihrerseits zeitlich Zusammentreffen. Auch
diese dritte Frage muß verneint werden, denn nach den schon
oben erwähnten Daten tritt beim Menschen, ebensowohl wie beim Rinde
und beim Kaninchen, die Hautimmunität (bzw. Allergie) früher in die
Erscheinung und hält länger an als die vaccineneutralisierende Fähig¬
keit des Serums. Ja bei vielen Menschen besteht die erstere Eigenschaft,
ohne daß letztere überhaupt je sich entwickelte.
In jüngster Zeit endlich haben Halberstädter und v. Prowazek 1
ihre Untersuchungen an Affen (Makaken) veröffentlicht. Auch bei diesen
Tieren tritt die nur geringgradig und vorübergehend bestehende, erst vom
13. Tag ab allmählich sich entwickelnde virusabschwächende Wirkung
des Serums ganz in den Hintergrund gegenüber der ausgeprägten Haut¬
immunität. Nach allen uns bisher bekannten Tatsachen scheint demnach
eine weitgehende Unabhängigkeit der Immunität bzw. Allergie der Haut
von den Eigenschaften des Serums zu bestehen, derart weitgehend, daß
man die ursächliche Rolle des Serums für die Hautimmunität wohl mit
Recht in Frage ziehen darf. So hat denn auch v. Prowazek (a. a. 0.)
und ihm folgend Süpfle (a. a. 0.) von einer „histogenen Immunität“
gesprochen. Während der erstgenannte Forscher nähere Erörterungen
über das Wesen dieser histogenen Immunität nicht gab, spricht sich
Süpfle zusammenfassend folgendermaßen aus: 1. Die lokale Insertion des
Vaccineerregers hat nur eine lokale Manifestation und Reproduktion des
Erregers zur Folge. 2. Von der Haftstelle aus bewirkt der Vaccine¬
erreger die Entstehung der Immunität. 3. Diese Immunität ist eine
histogene und erstreckt sich auf diejenigen Epithellagen, welche mit der
Stelle der Pustelbildung eine ernährungsphysiologische Einheit bilden.
Ich muß gestehen, daß diese Sätze Süpfles mich zum großen Teil
nicht überzeugen, und daß sie mir auf den springenden Punkt nicht
einzugehen scheinen.
Vergegenwärtigen wir uns einmal die wichtigste und eigentümlichste
1 Halberstädter u. v. Prowazek, Experimentelle Untersuchungen über die
Vaccine der Affen. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. XXXVII. S. 601.
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166
Wilhelm Hall wachs:
Tatsache im ganzen Ablauf der uns bekannten Erscheinungen, so ist es
doch die, daß nach kutaner Impfung zunächst zwar nur ein eigenartiger,
deutlich in die Augen springender lokaler Prozeß sich abwickelt, daß danach
aber, und zwar nach Ablauf einer ganz bestimmten Reihe von Tagen,
eine uns unsichtbare Veränderung in der gesamten Hautdecke sich
ereignet hat, und zwar an allen Stellen fast gleichzeitig, die sich uns nur
dadurch kennzeichnet, daß eine zweite Impfung nicht mehr haftet. —
Erwägen wir nun alle Möglichkeiten, nach denen diese Gesamthautimmu¬
nität zustande kommen könnte.
Es könnte zuerst an der Impfstelle eine aktive Immunität eintreten;
dieselbe könnte von da aus sich per continuitatem über die ganze
Körperoberfläche verbreiten. Diese Möglichkeit ist wohl ausgeschlossen, denn
abgesehen davon, daß wir über das Wie einer solchen Ausbreitung uns
nur mehr oder weniger mystische Vorstellungen machen könnten, spricht
auch die Tatsache dagegen, daß ja die Hautimmunität überall gleichzeitig
eintritt. (Eine Ausnahme macht vielleicht nur die von derselben Körper¬
lymphe bespülte unmittelbare Umgebung der Insertionsstelle.)
Wenn nun eine Ausbreitung der Ursache der Hautimmunität nicht
per continuitatem erfolgt, so kann sie nur auf dem Blutwege sich bewerk¬
stelligen. Hierfür gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten. Es könnte
erstlich Antikörperproduktion ausschließlich an der Impfstelle stattfinden;
diese Antikörper würden vom Blut aufgenommen und an die gesamte Haut¬
decke abgegeben und da von der Epitelzelle quasi wieder verankert werden;
dort blieben sie lange Zeit, ja jahrzehntelang wirksam, während das
Serum meist von Antikörpern sehr bald wieder frei würde. Die Möglich¬
keit eines solchen Hergangs müssen wir stark bezweifeln, denn eine solche
lange dauernde Immunität der Epithelzelle könnte nach allen unseren
sonstigen Erfahrungen nur eine aktiv erworbene sein; für eine Umwand¬
lung abgestoßener freier Rezeptoren in verankerte fixe haben wir bisher
keine Analogien.
Ganz aus demselben Grunde müßte weiterhin die Annahme ab¬
gewiesen werden, die v. Pirquet (a. a. 0.) vertritt, nämlich daß von der
Impfpustel aus das Virus (in lebendem oder abgetötetem Zustand) durch
die Blutbahn nach besonderen Antikörper produzierenden, inneren Organen
gebracht würde, die Antikörper aber von den Lymphdrüsen, Knochen¬
mark, Milz usw. aus wiederum auf dem Blutwege in die Hautdecke ge¬
langten. Auch hier ständen wir wieder vor der unhaltbaren Annahme,
daß, lange nachdem das Serum seine Antikörper verloren, die Epithelzellen
der Hautdecke diese, nachdem sie sie sozusagen passiv aus dem Serum
überkommen haben, dauernd festhielten, ohne aktive Leistung. Noch ein
Umstand spricht gegen die primäre Rolle der Serumantikörper. Diesen
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Komplementbindung mit Serum lapinisierter Kaninchen. 167
Umstand hat Süpfle 1 besonders hervorgehoben, nämlich die Tatsache,
daß vollständige Hautimmunität eintritt, ehe noch die antivirulente Fähig¬
keit des Serums ihren Höhepunkt erreicht hat.
Welche Möglichkeit aber verbleibt nun noch für die Propagierung
der Hautimmunität? Meines Erachtens nur folgende:
Von der Impfstelle aus gelangt das Virus abgetötet oder schon ab¬
gebaut bis auf seine als Antigen noch wirksamen Bestandteile auf dem
Blutwege zu jeder ihm spezifisch verwandten Deckepithelzelle, wird elektiv
von ihr angezogen, reagiert mit ihr in der Weise, daß es sie verändert,
„allergisch“ macht, ihr „histogene Immunität“ verleiht, sie nach Ver¬
ankerung an präformierte Rezeptoren befähigt, diese Rezeptoren im Über¬
schuß zu bilden und auch abzustoßen. Die von den Deckepithelzellen ab¬
gestoßenen Rezeptoren fluten nun zurück ins Blut und durch den ganzen
Körper, sind im Serum eine Zeitlang nachweisbar und geben durch
Antigen-Antikörperreaktion mit Anlaß zur Bildung der Areola.
Im weiteren Verlauf verhalten sich die Zellen des Gesamthautepithels
verschieden, je nach Spezies und Individuum, sie kann jahrelang oder
aber auch nur tagelang Rezeptoren abstoßen und dadurch dem Serum
seine spezifischen Eigenschaften verleihen. Sie kann mit dieser Abstoßung
sparsamer werden, ja sie ganz einstellen; das Serum verliert dann seine
Spezifität. Die Zelle dagegen behält die Eigenschaft, auf den geringsten
Reiz von neu an sie herantretendem Virus (baldige Revaccination) in
kürzester Zeit mit Abstoßung von Rezeptoren zu antworten, welche das
Virus a tempo unwirksam machen. Aber auch diese Fähigkeit der Zelle
kann nach und nach erlahmen, d. h. die Zelle antwortet dem Virus der
Revaccination nicht mehr sofort mit Bildung freier Rezeptoren in ge¬
nügender Anzahl, läßt ihm Zeit zur Vermehrung, ja geht vielleicht selbst
zugrunde. Erst der Reiz der nun bis zu einem gewissen Grade an¬
gewachsenen Antigenmasse, die sowohl auf benachbarte Zellen als auch
eventuell durch Vermittlung des Blutes auf das Gesamtepithel wirkt, ver¬
anlaßt beschleunigte Abstoßung massenhafter Rezeptoren und Vernichtung
des Erregers unter Eintreten örtlicher Reaktion.
Daß außer dem Haut- und Schleimhautepithel auch noch andere Ge¬
webe eine spezifische Verwandtschaft zum Vaccineerreger haben, wie es
Hückel 2 für Bindegewebszellen der Hornhaut nach wies, indem er
Guarnierische Körperchen in denselben feststellte, kann an der Auf¬
fassung der Hautimmunität als „histogener“ Immunität nichts ändern.
1 Süpfle, Leitfaden der Vaccinationslehre. Wiesbaden 1910.
* Hückel, Die Vaccinekörperchen. Jena 1898.
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168
Wilhelm Hallwachs:
Ich konnte es mir nicht zur Aufgabe setzen, im Rahmen dieser Arbeit
eine theoretische Besprechung aller klinischen Erscheinungen der Vaccine
und Variola zu versuchen, doch möchte ich noch zwei Punkte erörtern.
v. Pirquet (a. a. 0.) erklärt alle klinischen Erscheinungen durch
Annahme zweier verschiedener Arten von Antikörpern, lytischer und anti-
toxischer, die mehr oder weniger unabhängig voneinander auftreten. Ich
möchte dagegen Süpfle 1 lieber zustimmen, der glaubt, daß zur Annahme
antitoxischer Antikörper kein zwingender Grund vorliegt. Der Umstand,
der v. Pirquet bestimmte, die zwei erwähnten verschiedenartigen Anti¬
körper zu supponieren, ist der, daß er sich nicht erklären konnte, wie
einmal kurze Zeit nach der Erstvaccination eine kutane Revaccination gar
keine sichtbare Reaktion erzielt, während andererseits eine Revaccination
nach längerem Intervall eine mehr oder weniger lebhafte Reaktion (Aula
und Areola) bei abgekürzter Inkubation ergebe; v. Pirquet meint, in
dem ersten Fall seien beide Antikörper, der lytische sowohl wie der anti¬
toxische gleich prompt zur Stelle, während im zweiten Falle der anti-
toxische Antikörper dem lytischen sozusagen nachhinke. Ich möchte nun
folgende Erklärung an Stelle der eben erwähnten v. Pirquetschen Vor¬
schlägen: Es werden nur lytische Antikörper gebildet. In der ersten Zeit
nach der Erstimpfung sind diese lytichen Körper (freie Rezeptoren) derart
prompt zur Stelle, daß die wenigen in die verletzte Zelle eingedrungenen
Keime sofort gelöst werden unter Bildung von Endotoxin (oder, wenn man
will, „Anaphylatoxin“ nach Friedberger), aber in so geringer Menge,
daß der zu einer lokalen entzündlichen Reaktion benötigte Schwellenwert
nicht erreicht wird. Diese Annahme erscheint uns allerdings nur dann
als berechtigt, wenn man die Hilfsannahme zuläßt, daß bei Anlegung
des Impfschnittes stets nur sehr wenige Erreger in die verletzten Epithel¬
zellen hineingelangen und daß die Hauptmasse der nicht sofort in die
Zelle gelangenden Erreger in der sich sehr bald bildenden Kruste unwirk¬
sam ausgeschaltet bleibt. 2
Die bei späterer Revaccination auftretenden allergischen Erscheinungen
(beschleunigte, eventuell verstärkte lokale Reaktion) lassen sich einmal da¬
durch erklären, daß nicht sofort freie Rezeptoren zur Stelle sind, das
Virus sich also kurze Zeit vermehren kann, und daß weiterhin die Zelle
sessile Rezeptoren in größerer Anzahl, vielleicht auch von stärkerer Avidität.
1 Süpfle, Archiv für Hygiene. Bd. LXVIII.
* Daß die Erreger ursprünglich nur in die traumatisch geöffneten Zellen ein¬
zudringen vermögen, dafür scheint mir auch der von Calmette und Guerin an¬
gegebene Versuch zu sprechen, wonach Keime, welche nach intravenöser Injektion
in die Haut gelangten, nur daun eine Hautaffektion verursachen, wenn die Haut
durch Epilieren oder Basieren lädiert wird.
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Komplementbindung mit Sebum lapiniseebteb Kaninchen. 169
als bei der Erstvaccination besitzt. Bei der nach kurzer Inkubation sehr
lebhaft einsetzenden Abstoßung freier Rezeptoren, woran sich unter Um¬
ständen die ganze Hautdecke beteiligen mag (wenn nämlich auf dem Blut¬
wege Antigen in sie gelangte), wird nun eine mehr oder weniger erhebliche
Menge Endotoxin (Anaphylatoxin) gebildet, so daß es zu mehr oder weniger
bedeutender frühzeitiger Lokalreaktion kommt.
Nobl 1 und Knöpfelmaeher 2 haben die klinischen Erscheinungen
bei subkutaner Injektion von verdünnter Vaccine am Menschen näher
studiert. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit (etwa 12 Tage) tritt hierbei
ganz plötzlich eine lokale Reaktion auf, ein subkutanes Infiltrat und
Rötung der Haut. Knöpfelmaeher (a. a. 0.) setzt diese Erscheinung in
Parallele mit der Areabildung bei kutaner Impfung, eine Parallele, die
sich auch auf das Auftreten einer Frühreaktion bei wiederholter Injektion
erstreckt. Die Reaktion ist nach diesem Autor eine Folge von Anti¬
körperbildung.
Auch für dieses Phänomen bei subkutaner Impfung möchte ich die
Annahme einer vorzugsweise in der epithelialen Decke stattfindenden Anti¬
körperproduktion betonen. Das subkutan deponierte Virus bleibt mut¬
maßlich zum Teil an Ort und Stelle liegen und wird in fixe oder mobile
Phagozyten aufgenommen; zum anderen Teil aber gelangt es auf dem
Lymphblutwege in die Gesamthaut, gibt dort Anlaß zur Ausbildung der
aktiven, histogenen Immunisierung sowie zur Abstoßung freier Rezeptoren,
die als Antikörper auf dem Blutwege an die Depotstelle zurückgelangen
und dort unter Endotoxin-(Anaphylatoxin-)bildung die beschriebene lokale
Reaktion verursachen.
Eine jede Erklärung der Vaccineimmunität muß heute noch eine mehr
oder weniger gewaltsame und willkürliche sein, da unsere Kenntnis der
offenbar sehr feinen und verwickelten Vorgänge, zumal mangels der Zücht¬
barkeit des Erregers, nur eine oberflächliche und lückenhafte ist.
Auch der Willkürlichkeit der oben aufgestellten Deutungen bin ich
mir wohl bewußt, glaube aber, daß um Aufstellen von Hypothesen nicht
herumzukommen ist, wenn man neue Fragestellungen für weitere Forschung
gewinnen will.
Die vorstehenden theoretischen Erwägungen lassen sich folgendermaßen
zusammenfassen:
1. Eine Identität der „antivirulenten“ Körper des Serums
mit Bordetschen Körpern hat sich nicht erweisen lassen.
1 Nobl, Wiener klin. Wochenschrift. 1906.
* Knöpfelmaeher, Zeitschrift für experimentelle Pathologie u. Therapie. 1907,
sowie Münchener med. Wochenschrift. 1908.
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170 Wilhelm Hallwachs: Komplementbindung usw.
2. Die Hautimmunität ist im wesentlichen weder durch die
Bordetschen noch durch die antivirulenten Körper des Serums
bedingt, sie ist vielmehr nach dem Vorgang v. Prowazeks als
histogene aufzufassen, aber in dem Sinne, daß die Gesamt¬
hautdecke eine aktive Immunisierung durchmacht.
3. Es liegt bisher kein zwingender Grund zur Annahme
verschiedenartiger lytischer und antitoxischer Antikörper im
Sinne v. Pirquets vor.
Difitized
bv Google
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[Aus dem hygienischen Institut in Bonn.]
Die Absterbeordnung der Bakterien und ihre Bedeutung
für Theorie und Praxis der Desinfektion.
Von
Prof. H. Reiohenbach.
Es gibt in der belebten wie in der unbelebten Natur eine große An¬
zahl von gesetzmäßigen Vorgängen, die so verlaufen, daß der Zuwachs oder
die Abnahme einer Größe in jedem Augenblick dieser Größe selbst propor¬
tional ist. Da die Größe in steter Änderung begriffen ist, ändert sich
somit auch fortwährend der Zuwachs: wächst die Größe, so ist der Zu¬
wachs zuerst klein und nimmt zu in demselben Maße, wie die Größe wächst.
Nimmt die Größe ab, so geht die Abnahme erst rasch, dann immer lang¬
samer vor sich, in demselben Maße, in dem sich die Größe selbst ver¬
mindert
Von den verschiedenen Prozessen, die nach der eben geschilderten
Gesetzmäßigkeit verlaufen, sind für unsere folgenden Betrachtungen die
sogenannten monomolekulareu Reaktionen von besonderem Interesse. Das
sind Reaktionen, bei denen nur eine Molekülgattung eine wesentliche
Änderung ihrer Konzentration erfährt. Sie verlaufen also so, daß die
Menge des neugebildeten Bestandteiles in jedem Moment proportional ist
der Menge des noch vorhandenen ursprünglichen Körpers. Bekannte Bei¬
spiele dafür sind der Zerfall des Arsenwasserstoffes in Arsen und Wasser¬
stoff, die Inversion des Rohrzuckers unter dem Einfluß von Säure, der
Zerfall der radioaktiven Substanzen, und viele andere.
Um einen mathematischen Ausdruck für den Ablauf dieser Um¬
setzungen zu erhalten, machen wir folgende Überlegung: Nennen wir die
zu Anfang des Versuches vorhandene Menge a und die nach der Zeit t
bereits umgesetzte Menge x, so ist also noch die Menge a — x vorhanden.
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In dem nun folgenden, unendlich kleinen Zeitraum dt wird die ebenfalls
unendlich kleine Menge dx umgesetzt, die nach unserer Annahme propor¬
tional der vorhandenen Menge a — x ist. Es ist also dx — k [a — x) dt,
worin k eine von der Art des Stoffes und den äußeren Umständen abhän¬
gige Konstante bedeutet, oder k- ( a —*)•
Den Differentialquotienten pflegt man als Reaktionsgeschwindigkeit
zu bezeichnen: diese Formel ist also der mathematische Ausdruck für
unsere Annahme, daß der Zuwachs in der Zeiteinheit — eben die Reak¬
tionsgeschwindigkeit — proportional sei der noch vorhandenen Menge
des Stoffes.
Natürlich ist es nicht möglich, an Stelle der unendlich kleinen Größen
dx und dt ohne weiteres endliche Werte zu setzen. Denn nur für unend¬
lich kleine Zeiträume ist die Annahme zulässig, daß der Umsetzuugspro-
zeß mit gleichförmiger Geschwindigkeit verläuft: für jedes endliche t muß
auch x einen endlichen Wert annehmen, und damit auch a — x, die vor¬
handene Menge, eine Änderung erfahren, die ihrerseits wieder zu einer
Änderung der Reaktionsgeschwindigkeit führen muß. Es ist ja das Cha¬
rakteristische dieser Prozesse, daß die Reaktionsgeschwindigkeit in fort¬
währender Abnahme begriffen ist, eben weil sie der fortwährend abneh¬
menden Menge a—x proportional ist.
Wir können also die obige Formel nicht benutzen, um k experimen¬
tell zu bestimmen und die Übereinstimmung etwa gefundener Werte von
a—x mit dem Gesetze zu prüfen. Dazu müssen wir die Differential¬
gleichung integrieren. Wir erhalten dann
1)
l =
i ° 1
a — x' ic’
oder
(2)
k =
1 . / a .
t a— x
oder
(»)
a — x =
a • .
Wir können also, da a bekannt, und a — x, d. h. die noch vorhandene
Menge, experimentell zu bestimmen ist, k ermitteln. Wenn die ange¬
nommene Gesetzmäßigkeit wirklich besteht, muß k für sämtliche Werte
von t konstant sein, und es müssen die nach Gleichung 3 berechneten
Werte von a—x mit den gefundenen übereinstimmen. Die Logarithmen
der Formeln sind natürliche Logarithmen mit der Basis e\ wir können
aber für die folgenden Betrachtungen, da es auf den absoluten Wert der
Konstante hier nicht ankommt, uns ohne Schaden der gewöhnlichen Loga-
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Die Absterbeordnüng der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 173
rirhmen bedienen. Die Konstante wird dann 0*4343 mal zu groß, und
statt der Zahl e haben wir 10 einzusetzen. Die Gleichung 3 geht danu
über in a — x«a*10 -w .
Es ist nun eine sehr merkwürdige Tatsache, daß diesem
eben entwickelten Gesetze auch der Absterbevorgang bei Bak¬
terien entspricht. Wenn wir auf eine größere Anzahl von Bakterien
oder Bakteriensporen irgend eine Schädlichkeit einwirken lassen, die zur
Tötung der Bakterien führt, so sterben bekanntlich nicht alle Individuen
zu gleicher Zeit ab. Die Verringerung der Zahl beginnt gewöhnlich sehr
bald nach dem Einsetzen der schädigenden Einwirkung, aber die Zeit, die
bis zur völligen Abtötung verläuft, kann das hundertfache und mehr be¬
tragen. Stellt man nun die Zahlen der Überlebenden zu verschiedenen
Zeiten fest und prüft die erhaltenen Zahlen nach den Gleichungen 2 und 3,
so zeigt sich, daß in den meisten Fällen der Wert von k eine gute Kon¬
stanz besitzt, und daß die berechneten Werte für die Überlebenden mit
den gefundenen befriedigend übereinstimmen. Die Anzahl der absterben¬
den Individuen ist also in jedem Zeitmoment proportional der Anzahl der
noch vorhandenen: es gilt hier dasselbe Gesetz, daß für die monomoleku¬
laren Reaktionen besteht.
Die ersten genauen Angaben über die Absterbeordnung von Bak¬
terien verdanken wir Paul und Krönig 1 , die in ihrer bekannten
Arbeit über die chemischen Grundlagen der Desinfektion eine ganze Reihe
von zahlenmäßig verfolgten Desinfektionsversuchen an Milzbrandsporen
mitteilen. Paul und Krönig selbst haben sich aber jeder Vermutung
über die Gesetzmäßigkeit, nach der das Absterben stattfindet, enthalten,
und nur in den an ihre Arbeit angeschlossenen mathematischen Betrach¬
tungen von Ikeda ist der Versuch gemacht worden, ein solches Gesetz
aufzustellen. Die Übereinstimmung der Absterbeordnung mit dem Ver¬
lauf der monomolekularen Reaktionen ist aber auch von Ikeda nicht er¬
kannt worden.
Es ist das große Verdienst von Madsen und Ny man 2 , zuerst auf
diese Übereinstimmung aufmerksam gemacht zu haben. Madsen und
Nyman haben die Zahlen von Paul und Krönig daraufhin berechnet
und hier, wie in einer Anzahl eigener Versuche, eine sehr gute Überein¬
stimmung der beobachteten Werte für die Überlebenden mit den nach
der Formel der monomolekularen Reaktionen berechneten gefunden. Später
1 Th. Paul u. B. Krönig, Die chemischen Grundlagen der Lehre von der
Giftwirkung und Desinfektion. Diese Zeitschrift . 1897. Bd. XXV. S. 1.
2 Th. Madsen u. M. Xyman, Zur Theorie der Desinfektion. Ebenda. 1907.
Bd. LVIL S. 388.
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hat dann Harriette Chick 1 zunächst für die Einwirkung von flüssigen
Desinfektionsmitteln auf Milzbrandsporen, und in einer weiteren Arbeit 2 3 4 5
für die Abtötung verschiedener vegetativer Formen durch Hitze und
flüssige Desinfektionsmittel, ebenfalls das Gesetz bestätigt gefunden. In
mehreren neuen Arbeiten haben ferner Paul 8,4-6 und seine Mitarbeiter
für die Einwirkung gasförmiger und flüssiger Desinfektionsmittel auf Sta¬
phylokokken, die an Granaten angetrocknet waren, dieselbe Gesetzmäßig¬
keit erwiesen.
Für die theoretische und praktische Desinfektionslehre ist nun die
Frage von größter Bedeutung, ob diese beiden Vorgänge, die sich, wie wir
sahen, durch dieselbe mathematische Formel ausdrücken lassen, auch in
ihrem Wesen identisch sind, oder ob es sich hier um eine rein
äußere Übereinstimmung handelt. Zur Beantwortung dieser Frage
müssen wir uns zunächst über die inneren Gründe klar werden, auf denen
der Ablauf der chemischen Reaktionen einerseits und der Absterbevorgang
bei Bakterien andererseits beruht.
Als Beispiel für eine chemische monomolekulare Reaktion nehmen
wir das bekannteste: die Zuckerinversion. Wird Rohrzucker in wässeriger
Lösung mit einer Säure zusammengebracht, so wird er bekanntlich unter
Wasseraufnahme in je ein Molekül Dextrose und Lävulose gespalten nach
der Gleichuug:
C 12 H 2 jjO u 4- H 2 0 = 2C 8 H 6 0 6 .
Wir dürfen annehmen, daß diese Umsetzung in dem Maße erfolgt, wie
Rohrzucker-Moleküle mit den katalytisch wirkenden Wasserstoffionen zu¬
sammen stoßen. Da das Wasser in reichlichem Überschuß vorhanden ist
und die Säure nicht mit in die Reaktion eintritt, ändert sich praktisch
nur die Konzentration des Rohrzuckers, und es ist ohne weiteres verständ¬
lich, daß die Zahl der Molekülzusammenstöße und damit die Menge des
invertierten Zuckers in jedem Moment der Menge der vorhandenen Rohr¬
zuckermoleküle proportional ist. In demselben Maße, wie die Anzahl der
1 Harriette Chick, An Investigation of the Laws of Disinfection. Journ.
of Hygiene. Vol. VIII p. 92.
* Dieselbe, The Process of Disinfection by Chemical agencies and hat water.
Ebenda, 1910. Vol. X. p. 237.
3 Th. Paul, Der chemische Reaktionsverlauf beim Absterben trockner Bakterien
bei niederen Temperaturen. Biochemische Zeitschrift. 1909. Bd. XVIII. S. 1.
4 Th. Paul, G. Birstein u. A. Keuß, Beitrag zur Kinetik des Absterbens
der Bakterien in Sauerstoff verschiedener Konzentration und bei verschiedenen Tempe¬
raturen. j Ebenda. 1910. Bd. XXV. S. 367.
5 Dieselben, Beiträge zur Kinetik der Giftwirkung von gelösten Stoffen.
1. u. II. Ebenda. 1910. Bd. XXIX. S. 201.
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Die Absterbeordnung der Bakterien c. ihre Bedeutung usw. 175
Zuckermoleküle abnimmt, vermindert sich auch die Zahl ihrer Zusammen¬
stöße mit den Wasserstoöionen und damit die Menge des invertierten
Zuckers. Und ganz ähnlich liegt die Sache, wenn die Umsetzung nicht
nacht der Häufigkeit der Molekülzusammenstöße, sondern nach Maßgabe
der Temperatur der Moleküle vor sich geht — wenn also immer nur die¬
jenigen der vorhandenen Moleküle reagieren, die sich auf der höchsten
Temperatur befinden. Auch dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein
Molekül diese Temperatur erreicht, der Anzahl der vorhandenen pro¬
portional. Das, worauf es ankommt, ist, daß dieMoleküle, rein nach
den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit, nacheinander in den zur
Umsetzung geeigneten Zustand geraten.
Nun ist die Frage, ob auch bei der Einwirkung von Desinfektions¬
mitteln auf Bakterien etwas derartiges vor sich geht, ob auch da etwa die
einzelnen Bakterien uach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit nachein¬
ander einen für die Einwirkung des Desinfektionsmittels disponierten Zustand
annehmen. Man könnte auch hier allenfalls an die Zusammenstöße der Mole¬
külen des Desinfektionsmittels mit den Bakterien denken. Aber ich kann
mir schwer vorstellen, daß bei dem enormen Unterschied, der noch in der
Größenordnung zwischen den kleinsten Bakterien und den größten, für
die Desinfektion in Betracht kommenden, Molekülen besteht, nicht jedes
Bacterium den Molekülen des Desinfektionsmittels gegenüber sich in der
gleichen Lage befinden sollte. Die Moleküle sind so klein gegenüber
den Bakterien, und ihre Anzahl ist so sehr viel größer, daß zweifellos
auch in sehr verdünnten Lösungen jedes Bacterium von der gleichen An¬
zahl von Molekülen umgeben und deshalb der Einwirkung des Desinfek¬
tionsmittels in gleichem Maße ausgesetzt ist. Und noch weniger kann natür¬
lich davon die Rede sein, daß die Bakterien nacheinander den zur Abtötung
erforderlichen Temperaturzustand annehmen. Wenn die Bakterien
also von gleicher Resistenz wären, so wäre nicht einzusehen,
warum das eine früher absterben sollte als das andere.
Ich kann mich deshalb auch nicht der Ansicht von Harriette (’hick
anschließen, die sich in ihrer ersten Arbeit tatsächlich die beiden Vorgänge
als analog vorzustellen scheint. Sie setzt Moleküle und Bakterien voll¬
kommen gleich und betont ausdrücklich, daß das Gesetz der monomolekularen
Reaktionen auf den Desinfektionsvorgang nur dann angewendet werden
könne, wenn alle Bakterien gleiche Resistenz besäßen. Nur für die Ab¬
weichungen von dem Gesetz nimmt sie die verschiedene Widerstands¬
fähigkeit der Bakterien in Anspruch. Wie sie sich aber im einzelnen
den Mechanismus der Reaktion denkt, ob sie wirklich ein sukzessives Zu¬
sammenstößen der Bakterien mit den Molekülen des Desinfektionsmittels
annimmt, oder ob sie sich vorstellt, daß au-> anderen, inneren Gründen
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die Bakterien allmählich, rein nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit,
in einen für die Einwirkung des Desinfektionsmittels geeigneten Zustand
geraten, darüber ist in dieser Arbeit keine Angabe gemacht.
In ihrer zweiten Publikation präzisiert die Verfasserin ihre Ansichten
etwas genauer. Danach sollen es die Eiweißmoleküle der einzelnen
Bakterien sein, die nacheinander den zur Abtötung disponierten Zustand
annehmen. Auf diese Ansicht werden wir gleich noch zurückkommen müssen.
Von den übrigen Autoren haben Madsen und Ny man sich jeder
Vermutung über den Grund des gesetzmäßigen Absterbens enthalten. Die
verschiedene Resistenz der Bakterien erkennen sie aber, wenn auch in
anderem Zusammenhänge, an.
Paul und Krönig haben in ihrer ersten Arbeit als Grund für die
verschieden lange Lebensdauer der Bakterien ausdrücklich die Differenzen
in der Widerstandsfähigkeit angegeben. Sie sagen wörtlich: „Wie Geppert
bereits nachwies, zeigen auch die einzelnen Sporenindividuen ein und der¬
selben Bakterienart bei ganz gleicher Bereitung ein ganz verschiedenes
Verhalten in bezug auf ihre Resistenz. Es läßt sich dies leicht dadurch
beweisen, daß wir auf eine größere Zahl von Sporen gleicher Bereitung
ein Desinfektionsmittel ein wirken lassen. Wäre die Resistenz aller Indivi¬
duen die gleiche, so müßte die Keimfähigkeit sämtlicher Sporen gleich¬
zeitig aufgehoben werden.“
Nun hat aber P aul in einer späteren Arbeit 1 zunächst für das allmähliche
Absterben angetrockneter Bakterien eine Erklärung gegeben, nach welcher
sich die Absterbeordnung a priori theoretisch ableiten läßt, und hat dann
in weiteren Mitteilungen 1 diese Erklärung auch auf die Einwirkung flüssiger
Desinfektionsmittel übertragen. Paul argumentiert folgendermaßen: Das
Absterben angetrockneter Bakterien kommt zustande durch die Einwirkung
des Luftsauerstoffes; und diese Einwirkung ist proportional der Oberfläche
der Bakterien. Die Zahl der absterbenden Individuen ist also in jedem
Moment proportional der vorhandenen Oberfläche. In dem Maße nun,
wie sich durch das allmähliche Absterben die Oberfläche vermindert, muß
auch die Einwirkung des Sauerstoffes und damit die Absterbegeschwindig¬
keit abnehmen. Die Zahl der absterbenden Keime ist also in jedem
Moment der Zahl der Überlebenden proportional. Damit wäre das Gesetz
der monomolekularen Reaktionen theoretisch für das Absterben der Bak¬
terien abgeleitet.
Es will mir aber scheinen, als wenn die ganze Deduktion auf einem
Trugschlüsse beruhe. Denn es ist ja gar nicht zutreffend, daß die Ab¬
sterbegeschwindigkeit einer Bakterienmenge, d. h. die Zahl der
1 Vgl. S. 174. Nr. 8.
* Vgl. S. 174. Nr. 4 u. 5.
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 177
in der Zeiteinheit absterbenden Individuen, von der Oberfläche, d. h. von
der Summe der Oberfläche der einzelnen Individuen abhängig ist. Für
das einzelne Bacterium ist die Sauerstoffaufnahme, und damit die Ab¬
sterbegeschwindigkeit, der Oberfläche proportional, und wenn sich durch
das Absterben des Bacteriums die Oberfläche vermindern würde, so würde
sich für den Absterbevorgang des einzelnen Bacteriums das
Gesetz der monomolekularen Reaktionen ergeben. Der Verlust
an Lebenskraft, wenn der Ausdruck erlaubt ist, oder vielleicht besser aus¬
gedrückt, die Anzahl der absterbenden Protoplasmamoleküle
würde immer der gerade noch vorhandenen Lebenskraft bzw.
der noch vorhandenen Anzahl der lebenden Protoplasmamole¬
küle proportional sein. Dieses allmähliche Erlöschen der Lebenskraft
müßte aber, wenn eine Mehrheit von Bakterien vorhanden ist, bei jedem
Individuum in gleicher Weise und bei allen gleichzeitig vor
sich gehen. Der Trugschluß liegt nun meiner Meinung nach darin,
daß diese für das einzelne Bacterium wenigstens logisch zu¬
lässige Überlegung auf eine Vielheit von Bakterien und auf die
Summe ihrer Oberflächen übertragen wird, in der Weise, daß
statt des allmählichen Absterbens des einzelnen Individuums
eine allmähliche Abnahme der Gesamtzahl, proportional der
noch vorhandenen lebenden Gesamtoberfläche, angenommen
wird.
Derselbe Einwand läßt sich natürlich auch gegen die von Harriette
Chick gegebene Deutung erheben. Wenn wirklich die Eiweißmoleküle
durch Änderung ihres Energiezustandes nacheinander desinfektionstüchtig
— im passiven Sinne gedacht — werden sollten, so könnte das auch
nur das allmähliche Absterben eines und desselben Bacteriums,
aber nicht das nacheinander erfolgende Absterben verschie¬
dener Bakterien erklären.
Außerdem würde, und darin hat H. Chick vollständig recht, jede
solche theoretische Überlegung nur für den Fall gelten, daß alle Bakterien
von gleicher Resistenz wären. Jeder einigermaßen erhebliche Unterschied
in der Widerstandsfähigkeit der einzelnen Individuen muß natürlich solche
rein mathematische Gesetzmäßigkeit störend beeinflussen. Die neue
Theorie von Paul steht deshalb auch mit der früher von ihm in Gemein¬
schaft mit Krönig geäußerten Ansicht von der ungleichen Resistenz der
Bakterien in Widerspruch. Das hat übrigens auch Paul neuerdings selbst
anerkannt: er führt jetzt ebenso wie H. Chick nur die Störungen im ge¬
setzmäßigen Ablauf auf die ungleiche Resistenz der einzelnen Individuen
zurück.
Zeitschr. f. Hvgiene. LXIX
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Unter der Voraussetzung also, daß sämtliche Individuen einer Bak¬
terienmenge gleiche Resistenz besitzen, läßt sich die Absterbeordnung
nicht befriedigend erklären. Es bleibt demnach nichts anderes übrig, als
diese Annahme fallen zu lassen und die ungleiche Lebensdauer der ein¬
zelnen Keime auf ihre verschiedene Widerstandsfähigkeit zurückzuführen.
In ähnlichem Sinne haben sich Reichel 1 und Hewlett* geäußert.
Ein absolut zwingender experimenteller Beweis für die Richtigkeit
dieser Anschauung wird sich allerdings kaum erbringen lassen. Wir können
sie aber immerhin sehr wahrscheinlich machen, wenn wir für die Ab¬
tötung der Bakterien ein Verfahren wählen, bei dem die Ver¬
hältnisse möglichst klar und übersichtlich liegen, und bei dem
sicher sämtliche Bakterien der Einwirkung der Schädigung
in demselben Maße ausgesetzt sind; wenn sich auch daun dieselbe
Absterbekurve ergibt, wird sie kaum auf etwas anderes, als auf die un¬
gleiche Resistenz der Bakterien zurückgeführt werden können.
Ich glaube, daß ein solches Verfahren die Erhitzung ist, und zwar
die Erhitzung iu flüssigem Medium. Als diese Untersuchungen begonnen
wurden, lagen einige Versuche über die Einwirkung der Hitze auf trockene
Milzbrandsporen von Madsen und Ny man vor, bei denen der Absterbe¬
vorgang dem Gesetz der monomolekularen Reaktionen entspricht. Aber
hier läßt sich immer noch ein Einwand erheben. Nach dem Vor¬
gänge von Paul und Krönig werden bekanntlich die Granaten nach der
Eiuwirkung des Desinfektionsmittels eine Zeitlang geschüttelt, und dabei
werden nicht etwa die sämtlichen an ihnen befindlichen Sporen, sondern
nur ein bestimmter Bruchteil abgesprengt. Nun wäre es denkbar, daß
durch die Einwirkung der trocknen Hitze die Größe dieses Bruchstückes
eine Änderung erlitte, weil die Sporen fester an den Granaten hafteten.
Wenn es nun auch im höchsten Grade unwahrscheinlich ist, daß diese
Veränderung gerade in der Weise vor sich geht, daß sich daraus die ge¬
fundene Gesetzmäßigkeit ergeben sollte, so glaubte ich doch diese Fehler¬
quelle dadurch vermeiden zu sollen, daß ich von der Verwendung von
Granaten und trockner Hitze absab, und die Sporen, im flüssigen Medium
suspendiert, der hohen Temperatur aussetzte. Wenn man dann durch
ständiges Rühren dafür sorgt, daß die Temperatur in allen Teilen der
Suspension immer die gleiche ist, so befinden sich tatsächlich alle
Sporen der schädigenden Einwirkung gegenüber iu der gleichen
Lage, und es ist schlechterdings nicht einzusehen, warum von
1 Reichel, Zur Theorie der Desinfektion. Biochemische Zeitschrift. 1909.
Bd. XXII. SS. 149.
* Hewlett, Disinfection and Disinfectants. The Lancet. 1909. 13. März.
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Die Absterbeokdnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 179
zwei Sporen gleicher Resistenz die eine der Einwirkung der
Schädigung früher erliegen sollte als die andere.
Die Verwendung von Suspensionen hat außerdem den großen Vorzug,
daß sie technisch viel einfacher ist, als die Granaten-Methode. Auch
bleibt die Tatsache, daß durch das Schütteln nur ein Bruchteil der Sporen
abgesprengt wird, immer eine, wie ich gern anerkenne, durch Übung zu
verringernde, aber doch nicht mit Sicherheit zu vermeidende Fehlerquelle.
Ich glaube deshalb, daß für solche Versuche, wie die vorliegenden, bei
denen es auf genaue Feststellung der Überlebenden besonders ankommt,
die Verwendung von Suspensionen zweckmäßiger ist, als die Antrocknung
an Granaten. Die Vorzüge der Granatenmethode für andere Zwecke, be¬
sonders für die Prüfung chemischer Desinfektionsmittel, wenn die voll¬
ständige Beseitigung des Desinfektionsmittels erforderlich ist, sollen damit
nicht herabgesetzt werden.
Versuchstechnik.
In einzelnen war die Technik der Versuche folgende: Die Milzbrand¬
sporen wurden auf einem Agar folgender Zusammensetzung bei 36° ge¬
züchtet:
Wasser.1000
Agar. 25
Liebigs Fleischextrakt. 4
Pepton. 6
Kochsalz. 20
Neutralisiert wird mit Sodalösung bis zur eben merklichen Rötung von
Phenolphtalein. Die Milzbrandbazillen wachsen auf diesem Agar recht
üppig und die Sporeubildung ist außerordentlich reichlich. Auch andere
Bakterien, die auf gewöhnlichem Agar schwer oder gar nicht zur Sporen¬
bildung zu bringen waren, zeigten auf diesem Nährboden prompte und
üppige Sporenbildung. Von einer solchen, etwa 8 Tage alten Kultur
wurde eine Viertelöse in 10 ccm Bouillon sorgfältig verrieben, durch ein
mäßig dichtes Filter filtriert und von dem Filtrat 2 Tropfen in ein Becher¬
glas mit etwa 200 ccra Wasser gebracht, das schon vorher auf die Ver¬
suchstemperatur erwärmt war. Die Erwärmung geschah in einem Wasser¬
bad mit vorzüglicher automatischer Regulierung; das Becherglas befand
sich bis zum oberen Rande im Wasser. Seine obere Öffnung war mit
einem Blechdeckel verschlossen, durch den ein Thermometer hindurchge¬
führt war; das Thermometer wurde zugleich als Rührer benutzt. Von
Zeit zu Zeit wurde auch der ganze Inhalt gründlich umgeschüttelt, aber
ohne daß das Becherglas aus dem Wasserbad entfernt wurde. Bei den
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späteren Versuchen wurde statt der Rührung mit der Hand ein durch
eine kleine Wasserturbine getriebener Wittscher Rührer verwendet. Sofort
nach dem Einbringen der Tropfen wurde die erste Probe entnommen und
von da an die Einwirkungszeit gerechnet Dann wurden in bestimmten
Zeiträumen 0*2 ccm herausgenommen, in Petrischalen gebracht und mit
Gelatine vermischt.
Die Gelatine habe ich aus verschiedenen Gründen dem Agar vorge¬
zogen. Einmal wegen der leichteren Verarbeitung: die Verflüssigung und
Flüssighaltung ist viel einfacher wie beim Agar. Ferner sind die Platten
viel leichter zu zählen — Kolonien zahlen über 5000, deren Zählung auf
Gelatine keine Schwierigkeiten macht, bedecken die Agarplatte häufig mit
einer gleichmäßigen Bakterienschicht, die sich nicht mehr sicher in einzelne
Kolonien auflösen läßt. Für vegetative Formen ist die Gelatine auch
deshalb unentbehrlich, weil die Temperatur des flüssigen Agars für viele
Bakterien schon an der Schädigungsgrenze liegt.
Der einzige Einwand, den man gegen die Benutzung der Gelatine
erheben könnte, wäre der, daß bei der niedrigen Temperatur nicht alle
noch lebenden Keime zum Auswachsen kommen. Dieser Einwand, der
für manche Verhältnisse gelten mag, trifft aber für diese Untersuchungen
nicht zu, da es hier nicht unbedingt auf optimale, sondern vor allem
auf möglichst gleichmäßige Bedingungen ankommt. Der Begriff der
Abtötung ist ja, wie auch Paul und Krönig mit Recht hervorheben,
immer relativ: wir nennen abgetötet diejenige Zelle, die unter den ihr
gebotenen, nach unserer Meinung optimalen Bedingungen nicht mehr
weiter wächst. Wir wissen aber nie, ob nicht, wenn es gelänge, noch
bessere Bedingungen zu schaffen, dieselbe Zelle sich noch als lebensfähig
erweisen würde.
Natürlich müssen bei Verwendung von Gelatine die Platten sehr viel
längere Zeit beobachtet werden als bei Agar. Auch auf die richtige Reak¬
tion der Gelatine muß unbedingt geachtet werden; durch unpassende
Reaktion kann die Sporenauskeimung schon bei normalen und noch mehr
natürlich bei geschädigten Sporen vollständig verhindert werden. Als
günstigste Reaktion für Milzbrandsporen erwies sich eine gegen Phenol-
phtalein gerade neutrale Reaktion.
Einige nähere Angaben möchte ich noch über die Art der Zählung
machen, von deren Genauigkeit das Resultat der Untersuchung im wesent¬
lichen abhängt. Die Frage, ob man mit dem Mikroskop oder mit bloßem
Auge zählen soll, ist nur zu entscheiden nach der Anzahl der auf der
Platte vorhandenen Kolonien. Bis zu einer Anzahl von 400 bis 500 habe
ich mit bloßem Auge gezählt, und zwar die ganze Platte. Wenn mehr
als 500 Kolonien vorhanden waren, wurde das Mikroskop benutzt; von
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Die Absterbeordnüng deb Bakterien ü. ihre Bedeutung usw. 181
der unzweckmäßigen und anstrengenden Lupenzäblung habe ich ganz ab¬
gesehen. Statt deren benutzte ich bis zu Keimzahlen von etwa 3000 ein
sehr schwaches Mikroskopobjektiv (Winkel 00, 54 mm Brennweite), dessen
Gesichtsfelddurchmesser 9 mm betrug. Das Gesichtsfeld entsprach also
gerade 7,00 der Plattenfläche, wenn die Platte einen Durchmesser von
9 cm hatte. Bei höheren Keimzahlen wurden stärkere Vergrößerungen an¬
gewandt (Leitz 2, 26 mm Brennweite und Winkel 2, 19 mm Brennweite). Die
Gesichtsfelddurchmesser betrugen dann 2-5, 3*5 und 4*5 mm . Durch ein
in der Blendenebene des Okulars befindliches, mit Netzteilung versehenes
Quadrat konnte außerdem, wenn es passend erschien, ein Bruchteil des
Gesichtsfeldes abgegrenzt werden. Die Seitenlange des Quadrates ließ
sich von 1 bis 4 mra variieren.
Bei der Bestimmung der Gesichtsfeld große tut man am besten, die
Tubuslänge so lange zu verändern, bis der Durchmesser bzw. die Seiten¬
lange des Quadrates eine möglichst runde Zahl darstellt, oder doch wenig¬
stens genau mit einem Teilstrich des Mikrometers zusammenfällt. Natür¬
lich muß die bei der Messung gewählte Tubuslänge nachher bei der
Zählung peinlich genau eingehalten werden. Mir ist es nicht ganz ver¬
ständlich, wie MaxNeisser 1 zu der Ansicht kommt, daß die Tubuslänge
keinen erheblichen Einfluß auf die Größe des Gesichtsfeldes habe. Für
das von mir am meisten benutzte System (Leitz 2) ist in der folgenden
kleinen Tabelle Durchmesser und Inhalt des Gesichtsfeldes für die ver¬
schiedenen Tubuslängen angegeben.
Tabelle I.
Tubuslänge
mm
Gesi
| Durchmesser
c h t s f e 1 d
Inhalt
mm
qmm
190
2*87
6-5
180
3*05
7.3
170
3-25
8*3
100
3-48
9.5
150
3-72
10*8
142
3-95
12-2
Der Inhalt des Gesichtsfeldes ist also bei eingeschobenem Tubus fast
doppelt so groß wie bei ganz ausgezogenem, und eine Abweichung von der
normalen Tubuslänge (160 mm ) um 1 cm macht nach oben einen Fehler
von 12.6 Prozent und die gleiche Abweichung nach unten einen Fehler
von 13*7 Prozent aus!
1 M. Neisser, Die mikroskopische Plattenzählang and ihre spezielle Anwen¬
dung auf die Zählung von Wasserplatten. Diese Zeitschrift . Bd. XX. S. 119.
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Bei der so zur Verfügung stehenden großen Auswahl in der Gesichts¬
feldgröße ließ es sich erreichen, daß die Zahl der im Gesichtsfeld und im
Quadrat befindlichen Kolonien fast immer zwischen 5 und 30 betrug,
wobei ein bequemes und genaues Zählen möglich ist. Die Anzahl der
gezählten Gesichtsfelder betrug bei der schwächsten Vergrößerung etwa
40, bei stärkeren Vergrößerungen wurden entsprechend mehr, bis zu 120
gezählt. Da das größte zur Anwendung gekommene Gesichtsfeld etwa
27 mal so groß war wie das kleinste, hätten, um denselben Bruchteil der
Plattenfläche auszuzählen, noch sehr viel mehr Gesichtsfelder gezählt
werden müssen. Das ist aber unnötig, weil bei dichteren Platten die Ver¬
teilung, auf dieselbe Flächeneinheit bezogen, natürlich sehr viel gleich¬
mäßiger ist als bei dünn bewachsenen.
Auf die gleichmäßige Verteilung der Kolonien über die ganze Platte
wurde besonderer Wert gelegt. Die Einsaat wurde mit möglichster Sorg¬
falt mit der Gelatine gemischt, Platten mit ebenem Boden ausgewählt
und auf einem Nivelliergestell in genau horizontaler Lage zur Erstarrung
gebracht.
Die Auswahl der Gesichtsfelder zur Zählung geschah derart, daß die
Platte systematisch in ganz bestimmter Weise Schritt für Schritt ver¬
schoben wurde, so daß die ganze Oberfläche gleichmäßig berücksichtigt
werden konnte. Ich möchte dies Verfahren für richtiger halten, als wenn
man planlos mit der Platte beliebig hin und her fährt und die Auswahl
der zu zählenden Stellen rein dem Zufall überläßt. Dafür ist meines
Erachtens der gezählte Bruchteil der Platte gewöhnlich zu klein.
Gegen das geschilderte Zählungsverfahren könnte man noch den Ein¬
wand erheben, daß die Zählung mit dem Mikroskop und die mit dem
bloßen Auge verschiedene Ergebnisse liefern, weil man mit dem Mikroskop
noch Kolonien auffinuet, die mit unbewaffnetem Auge übersehen werden.
Dieser Einwand, der für manche Verhältnisse durchaus berechtigt ist, trifft
aber für diese Versuche nicht zu. Denn mit bloßem Auge wurden die
Platten nicht vor Ablauf von 10 Tagen gezählt, und während dieser Zeit
wachsen sämtliche überhaupt vorhandene Kolonien zu solcher Größe
heran, daß sie bei einiger Aufmerksamkeit nicht übersehen werden können.
Ich habe oft diese Platten nachträglich mit dem Mikroskop durchmustert
und kaum jemals eine mit bloßem Auge übersehbare Kolonie entdecken
können. Auch wurden Platten, deren Kolonienzahl an der Grenze zwischen
mikroskropischer und makroskopischer Zählung stand, öfter auf beide
Weisen gezählt, ohne daß sich erhebliche Unterschiede bemerkbar machten.
Auch sonst wurde beim Übergang von einer Gesichtsfeldgröße auf die
andere häufig dieselbe Platte auf beide Weise gezählt, wobei ebenfalls
durchaus befriedigende Übereinstimmung erzielt wurde.
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 183
Versuche.
Zunächst wurde ein Versuch mit Sublimat angestellt, um zu konsta¬
tieren, daß auch für suspendierte Milzbraudsporen das Gesetz gültig sei,
da es für Sublimat bislang nur bei angetrockneten Sporen nachgewiesen
war. Durch Vorversuche wurde als günstigste Konzentration 1 j 2 Promille
gefunden. Die Versuche selbst wurden folgendermaßen augestellt: In eine
Beihe kleiner Bechergläser kamen 10 ccm Sublimatlösung, dazu, mit mög¬
lichster Sorgfalt abgemessen, Vio ccm e i Qer Sporenaufschwemmung, die
etwa 2 bis 10 Millionen im Kubikzentimeter enthielt. In 1 ccm Sublimat¬
lösung waren also 20000 bis 100000 Sporen. Nach Ablauf der ge¬
wünschten Einwirkungszeit wurde das betreffende Glas mit 1 ccm einer
Schwefelammoniumlösung versetzt, die im Kubikzentimeter das dreifache
der zur Ausfällung des Sublimats nötigen Menge enthielt. Hierdurch
wurde die Wirkung des Sublimats sofort aufgehoben. Nach Ablauf einer
weiteren Minute wurden dann 0-2 ccm des Gemisches zu Gelatineplatten
verarbeitet. Die auf den Nährboden mit übertragenen geringen Mengen
von Quecksilbersulfid und Schwefelammonium stören bei dieser Konzen¬
tration in keiner Weise. Das Resultat eines solchen Versuches gibt die
folgende Tabelle (siehe Tabelle II).
Tabelle II. (Versuch 8.)
Einwirkung von 1 /' a Promille HgCl 2 auf Milzbraudsporen.
—
ü
- - - —
_ — - ■—
t
gefunden !
berechnet
k
0
4308
—
—
1
3392
—
—
2
3294
3192
0-0127
5
2670
2559
0-0260
10
1980
1962
0-026O
15
1455
1448
| 0-0262
25
857
789
0-0249
32
604
515
0-0242
40
282
317
0-0277
50
165
172
0-0266
60
59
94
0-0298
80
6
27
0-0348
100
0
—
Mittel: 0-0204
In der ersten Spalte ist die Einwirkungszeit in Minuten angegeben,
die zweite Spalte enthält die Zahlen der Kolonien auf der Platte, also
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184
H. Reichenbach:
die Überlebenden in 0-2 ccm . In Spalte 4 ist die Konstante der Des¬
infektionsgeschwindigkeit aufgeführt, berechnet nach der Formel:
log a — log ü
t ’
wenn a die Anzahl bei Beginn des Versuches (t = 0) bedeutet. In Spalte 3
sind die berechneten Werte für die Überlebenden zusammengestellt, wie
sie sich nach der Formel ü = Num (log a — kt) ergeben. Für k ist dabei der
Mittelwert 0-0264 eingesetzt worden.
Da die Eigentümlichkeit der Rechnung es mit sich bringt, daß Ab¬
weichungen von der Gesetzmäßigkeit zu Anfang des Versuches stärker auf
den Wert der Konstante und zu Ende des Versuches stärker auf den Wert
für die Überlebenden einwirken, sind zur Beurteilung des Versuches beide
Spalten zu berücksichtigen.
Wie man sieht, ist die Übereinstimmung der Werte für k sowie die
der gefundenen und berechneten Werte für ü zwischen der 5. und 60.
Minute durchaus befriedigend. Der rasche Abfall in der 1. Minute ist
wohl auf noch vorhandene vegetative Formen zurückzuführen, die natürlich
dem Sublimat sehr rasch unterliegen. Der regelmäßige Desiufektions-
vorgang setzt also erst mit Beginn der 2. Minute ein. Für .die Berech¬
nung sind deshalb die nach der 1. Minute Überlebenden als Ausgangs¬
punkt genommen, und die Einwirkungszeiten dementsprechend um eins
vermindert.
Ganz ähnlich verliefen nun die beiden folgenden Versuche, hei denen
statt des Sublimats als Ahtötungsmittel die Hitze verwandt wurde. Die
geeignete Temperatur (87°) wurde wieder in Versuchen ermittelt. Die
Werte für die Konstante stimmen in dem ersten Versuch (Tabelle III)
Tabelle III.
Einwirkung von Hitze (87°) auf Milzbrandsporeu.
gefunden
1 berechnet
0
20 540
—
—
1
20 610
18 690
—
2
18 650
17 000
0-0209
5
12 580
12810
0-0426
10
9 680
7 990
0-0327
15
5 340
i 4 9s0
0-0390
20
2 680
3 100
0-0442
30
966
1 210
0-0442
45
175
293
0-0460
63
55
54
0-0408
90
7
4
0-0385
Mittel:
0-0410
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Die Absteebeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 185
vielleicht nicht ganz so gut überein wie in dem Sublimatversuch, und dement¬
sprechend sind auch die Abweichungen zwischen gefundenen und berechneten
Werten etwas größer; aber sie sind keineswegs beträchtlicher, als sie auch
von den übrigen Autoren gefunden worden sind, und lassen keinen Zweife
an der Gesetzmäßigkeit aufkommen. Der zweite Versuch (Tabelle IV),
bei dem die Einsaat wesentlich kleiner genommen wurde, stimmt dagegen
ganz ausgezeichnet. Auf Einzelheiten in den Tabellen werde ich später
noch zurückkommen.
Tabelle IV. (Versuch 46.)
Einwirkung von Hitze (87°) auf Milzbrandsporen.
t
gefunden
berechnet
Je
0
110
_ !
—
2
92
92
0-0388
5
79
71
0-0288
10
52
45
0-0325
15
28
29
0-0396
20
20
19
0-0370
25
9
12
0-0403
30
3
i
8
Mittel:
0-0521
0-0384
Diese Versuche haben also das bestätigt, was sich auf Grund unserer
Anschauungen Voraussagen ließ: es hat sich für die Abtötung durch Subli¬
mat und durch Hitze dieselbe Absterbekurve ergeben. Es erschien mir
nun von besonderem Interesse, dieselben Versuche auch an anderen Sporen,
über die bis jetzt noch keine Erfahrungen vorliegen, anzustellen. Ich
habe deshalb eine ähnliche Versuchsreihe an einem zufällig als Verunreini¬
gung aufgefundenen Bacillus angestellt, der sich durch besonders rasche
und ausgiebige Sporenbildung auszeichnet. Es ist ein ziemlich kleiner,
schlanker, lebhaft beweglicher Bacillus, der sich mit keinem der bekannten
Saprophyten identifizieren läßt. Auf Agar bildet er dünne Überzüge, die
große Neigung haben, sich über die ganze Platte zu verbreiten. Die
Gelatinekolonien sind dunkelgelb, etwas rauhrandig, vom 5. Tage ab be¬
ginnt er die Gelatine ganz langsam zu verflüssigen.
Mit diesen Sporen habe ich zwei Sublimatversuche mit 1 und 1 / i Pro¬
mille und einen Hitzeversuch bei 91*5° angestellt, und zwar mit ganz
anderem Resultate als beim Milzbrand. Weder in dem Sublimat- noch in
dem Hitzeversuch entsprach die Absterbeordnung dem Gesetz der mono-
molekularen Reaktionen. Der Wert für k nimmt im Laufe des Ver¬
suches andauernd zu, und zwar ist diese Zunahme, besonders in dem
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186
H. Reichenbach:
langsam verlaufenen Versuch mit 1 / a Promille Sublimat, so stetig und
regelmäßig, daß sie nicht auf Versuchsfehler zurückgeführt werden kann.
Eine Berechnung der Überlebenden, die sich auf den Mittelwert von k
gründet, ist bei diesen Versuchen nicht möglich, weil sich bei der In¬
konstanz von k kein Mittelwert ziehen läßt. Nur in Versuch 16 habe ich
aus den vier ersten, einigermaßen konstanten Werten von k das Mittel
genommen und damit die Werte für 15 und 20 Minuten berechnet, um
die großen Abweichungen zu zeigen (siehe Tabelle V bis VII).
Tabelle V.
%
Einwirkung von Sublimat (7* Promille) auf Sporen.
i
ü
gefunden
berechnet
k
i
0 1
15 610 |
—
—
1
13 810
—
—
2
13 480 1
i
0*0105
5
13 160
1 0-00523
10
12 050
—
0-00658
15 1
10 550
—
0-00835
20
9 230
i
0-00922
26
6 510
_ i
i
0*0131
32
4 110
—
0-0170
40
1020
—
0*0290
50
308
—
0-0337
60
72
—
0*0387
75
10
—
0-0424
90
4
—
0*0358
120
0
— i
1 -
Tabelle VI.
(Versuch 13.)
Einwirkung von Sublimat (1 Promille) auf Sporen.
< i
Ü
gefunden |
berechnet
1
*
% — !
15 620 P
—
1 _ ' "
2
14 850
—
0*0109
5
6 670 j
—
0-0739
10
3 140
—
0*0697
15
915
—
0*0822
20
115
—
0-107
25
38
—
0-105
30
5
—
0*116
40
0
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 187
Tabelle VII. (Versuch 16.)
Einwirkung von Hitze (91*5°) auf Sporen.
t
u
Je
gefunden
berechnet
0
7765
—
—
1
6644
—
0-0677
2
5862
—
0-0611
• Mittel: 0-0578
5 1
4394
—
0-0495
10
2293
—
0*0529
15
294
1055
0-0948
20
25
542
0-125
25
4
—
0« 131
30
1
—
0-130
40
0
—
—
Aus diesen Versuchen geht also unzweifelhaft hervor, daß wir es nicht
mit einem für alle Bakteriensporen gültigen Gesetz zu tun haben, und
auch diese Feststellung läßt sich sehr schwer mit der Annahme eines
physikalisch-chemischen Vorganges vereinigen. Es wäre gar nicht einzu¬
sehen, warum die eine Sporenart dem Gesetze folgen und die andere sich
ganz anders verhalten sollte. Man könnte ja einwenden, daß in dem
letzten Fall die Sporen von ungleicher Widerstandsfähigkeit seien, und
daß dadurch der gesetzmäßige Ablauf des Absterbevorganges gestört worden
wäre. Aber es ist schwer, sich vorzustellen, warum bei einer Bakterienart
alle Sporen gleiche Resistenz besitzen und bei der anderen so große Diffe¬
renzen vorhanden sein sollen. Ungleiche Mengen der einzelnen
Resistenzstufen lassen sich dagegen, wie wir später sehen werden, sehr
wohl an nehmen.
Wie verhalten sich nun vegetative Formen? Als diese Untersuchungen
begonnen wurden, existierten über das Verhalten vegetativer Formen erst
wenige Beobachtungen. Paul hatte über das freiwillige Absterben an¬
getrockneter Staphylokokken einige Beobachtungsreihen mitgeteilt, die
ziemlich gut dem Gesetz der monomolekularen Reaktionen folgten. Außer
diesen lagen nur einige Versuche von H. Chick über die Einwirkung
von Phenol auf Paratyphusbazillen vor. In diesen zeigte sich ein deut¬
licher Einfluß des Alters auf den Verlauf der Absterbekurve.
24stündige Bouillonkulturen gehorchen nicht dem Gesetz: der Wert für
k ist nicht konstant, sondern nimmt mit dem Fortschreiten des Versuches
ständig ab; das Absterben zieht sich über viel längere Zeit hin, als nach dem
Anfang des Versuches zu erwarten wäre. Je jünger aber die verwandten
Kulturen sind, desto mehr nähert sich die Absterbekurve dem Exponential-
gesetz, um bei ganz jungen Kulturen recht gut mit ihm übereinzustimmen.
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188
H. Reichenbach:
Die Erkläruug, welche die Verfasserin für dieses Verhalten gibt, ist
von ihrem Standpunkte aus durchaus folgerichtig. Sie meint, daß die
verschiedene Resistenz der einzelnen Individuen in den älteren Kulturen
den gesetzmäßigen Absterbevorgang störe, daß dagegen in den jungen
Kulturen, wo alle Individuen gleiche Widerstandsfähigkeit besäßen, die
physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeit rein hervorträte. Wir werden
später noch auf dieses Verhalten ungleichaltriger Kulturen zurückkommen
müssen. In einer neueren Arbeit hat dann die Verfasserin ihre Versuche
auch auf andere Bakterienarten ausgedehnt und hat, wie ich, auch die
Hitze als Abtötungsmittel benutzt. Das Resultat dieser Versuche läßt
sich dahin zusammenfassen, daß fast sämtliche untersuchten Bakterien¬
arten (Typhus, Bacterium coli und Pestbazillen), abgesehen von kleinen
Abweichungen zu Anfang einiger Versuche, dem Exponentialgesetz folgten.
Besonders bemerkenswert ist, daß auch der Paratyphusbacillus,
und zwar auch in 24stündiger Bouillonkultur, der sich bei den
Phenolversuchen abweichend verhalten hatte, der Hitze gegen¬
über, abgesehen vom ersten Anfang der Kurve, dieselbe Ge¬
setzmäßigkeit zeigte. Der einzige Mikroorganismus, bei dem größere
Unregelmäßigkeiten auftraten, war der Staphylococcus pyogenes aureus.
Aber auch hier betreffen sie nicht alle Versuchsreihen und sind außerdem
so regellos und wenig gesetzmäßig, daß die Annahme irgend einer Störung
des eigentlichen gesetzmäßigen Ablaufes gerechtfertigt erscheint. Möglich
ist es, daß, wie die Verfasserin meint, die Neigung des Aureus, bei Be¬
rührung mit heißem Wasser zusammenzuklumpen, an den Unregelmäßig¬
keiten die Schuld trägt.
Um mir ein eigenes Urteil zu bilden, habe ich einige Versuche an
Paratyphus B angestellt, und zwar zunächst an Agarkulturen. Die Bak¬
terien wurden nicht, wie die Sporen, in Wasser, sondern, um jede Schädi¬
gung durch osmotische Vorgänge möglichst zu vermeiden, in Bouillon
erhitzt. Die Widerstandsfähigkeit in Bouillon erwies sich, wie durch Vor¬
versuche festgestellt wurde, erheblich größer als in Wasser. Als geeignete
Temperatur wurde 51 bis 52° gefunden. Es wurden zwei Versuche, einer
mit einer 18 ständigen und einer mit einer 24 ständigen Agarkultur an¬
gestellt, die in Tabelle VIII und IX wiedergegeben sind. Bei beiden ist
die Übereinstimmung mit dem Gesetze unzweifelhaft. Die Versuche mit
Bouillonkulturen sollen in anderem Zusammenhänge mitgeteilt werden.
Überblickt man nun die bisherigen fremden und eigenen Resultate, so
kann man sagen, daß in der überwiegenden Mehrzahl der untersuchten
Fälle der Absterbevorgang bei Bakterien mit guter Annäherung dem Ge¬
setz der monomolekularen Reaktionen folgt. Eine Ausnahme machen nur
der von mir untersuchte Sporenbildner und teilweise der Staphylococcus
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 189
Tabelle VIII. (Versuch 24.)
Einwirkung von Hitze (51*5°) auf Paratyphus B
(24stünd. Agarkultur).
gefunden
berechnet |
tv
0
26 035
—
—
1
23 940
23 700
0-0364
2
20130
21 580
0-0558
5
15190
16 280
0-0468
10 I
9 470
10180
0-0439
15
6 270
6 362
0*0412
20
4 750
3 980
0-0370
26-25 |
3 020
2210
0-0394
30
2 380
1 555
0-0346
40
930
604
0-0362
50
429
238
0-0357
60
138
93
0-0379
75
30
23
0-0392
90
2
5
0-0457
105
0
1
—
Mittel:
0-0408
Tabelle IX. (Versuch 22.)
Einwirkung von Hitze (52°) auf Paratyphus B
(18stönd. Agarkultur).
t
gefunden 1
!
berechnet
k
0
16 1)00
—
—
1-25
14 650
14 500
0*0496
4
11 430
10 350
0-0424
9
4 600
5 610
0-0627
15
, 2 310
2 690
0-0576
19
15"0 '
1 650
0-0543
24
970
893
0-0517
29
550
484
0-0513
44
129
77
0-0481
54
j 22
23
0-0535
64
2
7
0-0613
76-5
1
1
Mittel:
0-0553
0-0532
aureus, sowie nach H. Chick 24ständige Bouillonkulturen von Para¬
typhus B unter der Einwirkung von Phenol. Von diesem letzten Beispiel
abgesehen, ist aber die Art der Schädigung ohne Einfluß auf den Verlauf
der Absterbekurve. Mag man trockne oder feuchte Hitze verwenden, mag
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190
H. Reichenbach:
man Sublimat oder Phenol oder andere flüssige oder gasförmige Desinfek¬
tionsmittel auf angetrocknete oder suspendierte Bakterien einwirken lassen,
mag man die Bakterien dem natürlichen Tode durch Austrocknen über¬
lassen oder sie dem Sonnenlichte ausselzen, immer gilt dasselbe Gesetz,
immer ist die Anzahl der Absterbenden proportional der Anzahl der
Überlebenden. Auch diese Tatsache, daß die Art der Schädigung
so gar keine Rolle spielt, muß meines Erachtens zu dem
Schlüsse führen, daß der Grund in den Bakterien oder Sporen
selbst liegt, daß Verschiedenheiten in der Resistenz und nicht
etwa Besonderheiten in der Art des Absterbevorganges die eigen¬
tümliche Absterbeordnung bedingen.
Wir kommen also zu dem Schluß, daß in einer größeren Anzahl von
Bakterien oder Bakteriensporen die einzelnen Individuen verschiedene
Resistenz besitzen, und daß die Anzahl der in den einzelnen Resistenz¬
stufen vorhandenen Individuen so abgestuft ist, daß ihre Absterbeord¬
nung einem Exponentialgesetz folgt. Die Frage ist nun, ob wir für
diese eigentümliche Anordnung eine Erklärung finden, oder uns doch
wenigstens irgend eine Vorstellung von ihrem Zustandekommen machen
können.
Versuch einer Erklärung der Absterbeordnung.
Es ist eine gute Regel, daß man, wenn es sich darum handelt, für
einen scheinbar unerklärlichen Vorgang eine Erklärung zu suchen, zu¬
nächst erst einmal die Tatsächlichkeit des Vorgangs selbst anzweifeln,
oder sich doch aufs allerbestimmteste von seiner Realität überzeugen soll.
Ich muß gestehen, daß mir auch in diesem Falle zuerst Bedenken in
dieser Hinsicht gekommen sind. Wenn man die zum Teil recht beträcht¬
lichen Abweichungen, die sich in manchen Versuchen zwischen beobach¬
teten und berechneten Werten ergeben, in Betracht zieht, so könnte man
wirklich auf den Gedanken kommen, ob nicht die angenommene Gesetz¬
mäßigkeit nur eine scheinbare sei. Sind nicht vielleicht in Wirklichkeit
die Zahlen rein zufällig und wird nicht etwa die Übereinstimmung mit
dem Exponentialgesetz nur durch eine besonders günstige Art der Be¬
rechnung vorgetäuscht? Dieser Ansicht scheint Eijkmann*, 2 zuzuneigen,
und es könnte wirklich so scheinen, als ob er recht hätte. Wenn man
nämlich bei der Berechnung in andererWeise vorgeht, wenn man nicht
1 C. Eijkmann, Die Überlebungskurve bei Abtötung (1er Bakterien durch
Hitze. Biochemische Zeitschrift. 1008. Bd. XI. S. 12.
* Derselbe, Investigation of tbe subject of disinfection. Komnklijke Akademie
ran Wefenschappen te Amsterdam. Proceedings of the meeting of Saturday Febr. 27,
1009. S. 668.
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 191
die Überlebenden, sondern die in gleichen Zwischenräumen
Absterbenden miteinander in Beziehung setzt, erhält man sehr
viel größere Abweichungen. Würden die Zahlen genau mit der Expouen-
tialformel stimmen, so müßten, wenn man die Proben in gleichen
Zwischenräumen entnimmt, nicht nur die Überlebenden, sondern auch die
in diesen Zwischenräumen Abgestorbenen, also die jeweiligen Differenzen
der Überlebenden, eine geometrische Keihe bilden. Das ist nun in Wirk¬
lichkeit meistens nicht der Fall; es zeigen sich hier sehr große Abweichun¬
gen, ja nicht selten gehen die Zahlen so regellos durcheinander, daß von
einer Gesetzmäßigkeit überhaupt nicht mehr die Rede ist. Als Beispiel
gebe ich zwei Staphylokokken versuche von Paul 1 wieder, die in der ge¬
wöhnlichen Weise, nach den Überlebenden, berechnet, eine nicht gerade
glänzende, aber durchaus annehmbare Übereinstimmung mit der Forme
bieten. Berechnet man aber die in dem Zeitraum von 2 Tagen abgestor¬
benen Individuen, so erhält man folgende Zahlen:
I.
II.
20 100
10 700
21300
1 300
15 800
27 400
6080
19 000
-1360
1600
4050
6900
1730
5220
— 630
1980
Wenn man bedenkt, daß die Werte der ersten Reihe im Verhältnis
von 1 : 1*68, und die der zweiten im Verhältnis von 1 : 1*85 stehen
sollten, so wird man kaum noch von einer befriedigenden Übereinstimmung
sprechen können! Die Zahlen scheinen vollständig regellos zu sein, nicht
einmal eine ständige, geschweige denn eine regelmäßige Abnahme ist vor¬
handen. Ich glaube nicht, daß jemand, dem nur diese Zahlen vorliegen,
auf den Gedanken kommen würde, daß sie Glieder einer geometrischen
Reihe sein sollten.
So schlimm, wie in diesem Beispiel ist die Sache allerdings nicht
immer, aber in allen Versuchen, die ich daraufhin geprüft habe, — meine
eigenen nicht ausgenommen, — ist die Übereinstimmung der auf diese
Weise berechneten Zahlen mit der Formel ganz erheblich schlechter, als
wenn man die Überlebenden in Betracht zieht.
1 Biochemische Zeitschrift. Bd. XVIII. S. 6.
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192
H. Keichexbach:
Der Grund dafür liegt darin, daß wir es hier nicht mit den be¬
obachteten Zahlen selbst, sondern mit ihren Differenzen, also viel kleineren
Werten, zu tun haben. Nun kommt allerdings auch bei den Fehlern die
Differenz in Rechnung, aber hier nur dann, wenn die Fehler zweier auf¬
einander folgender Zahlen gleiches Vorzeichen haben. Wenn das nicht
der Fall ist, wenn das Vorzeichen wechselt, so addieren sich
natürlich die absoluten Beträge der Fehler, und da die Zahlen
selbst als Differenzen erheblich kleiner sind als die ursprünglichen, kann
der relative Fehler sehr stark wachsen. Ich glaube also, daß es bei
den mannigfachen Fehlerquellen, denen diese Untersuchungen ausgesetzt
sind, nicht richtig wäre, wenn man die Entscheidung von dem Ausfall
dieser außerordentlich verschärften Probe abhängig machen wollte. Man
wird mehr den Verlauf der Kurve im ganzen, als die einzelnen Werte ins
Auge fassen müssen.
Es könnten aber noch in einer anderen Richtung Zweifel auftauchen.
Wie ich bereits vorher erwähnt habe, hat Ikeda aus den Versuchen von
Paul und Krönig auf eine andere Gesetzmäßigkeit geschlossen. Ikeda
meint, daß in diesen Versuchen die Absterbekurve sich mit ziemlicher
Genauigkeit dem Ausdruck n '/*. t = A anpasse. Das würde also bedeuten,
daß die Anzahl der Überlebenden umgekehrt proportional sei dem Quadrat
der Einwirkungszeit. In den von Ikeda berechneten Versuchen scheint
diese Formel tatsächlich ganz gut mit den Beobachtungen zu stimmen;
die Werte von A sind leidlich konstant. In Wirklichkeit sind die Ab¬
weichungen aber größer, als sie scheinen, da bei der Berechnung der
Überlebenden, die von Ikeda nicht vorgenommen worden ist, die Kon¬
stante im Quadrat auftritt. Jedenfalls ist kein Zweifel daran, und das
geht auch aus den Berechnungen von Madsen und Ny man hervor, daß
auch diese Versuche sich besser durch die Exponentialformel ausdrücken
lassen. Meine eigenen Versuche und die von H. Chick weichen, soweit
ich sie daraufhin berechnet habe, sehr stark von der Ikedaschen Formel
ab. Wir haben also keinen Grund zugunsten dieser Formel von unseren
bisherigen Vorstellungen abzugehen, zumal diese Anordnung zum mindesten
ebenso unerklärlich wäre, wie die nach dem Exponentialgesetz.
Es bleibt also die Notwendigkeit, nach einer Erklärung für diese An¬
ordnung zu suchen. Daß eine solche Erklärung tatsächlich notwendig
ist, tritt noch deutlicher hervor, wenn wir uns klar machen, welchen
Aufbau einer Bakterienmenge wir nach allgemeinen Erfahrungen er¬
warten dürfen. Wenn wir die verschiedenen Grade der Resistenz als
Variation einer Eigenschaft auffassen, so läge es am nächsten, anzunehmen,
daß die einzelnen Resistenzstufen in derselben Weise verteilt seien, wie
wir es sonst bei der sogenannten fluktuierenden Variation organischer Ge-
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Die Absterbeokdnung dee Bakterien u. ihr« Bedeutung usw. 193
bilde kennen. Man sollte dann, wie auch Eijkmann durchaus zutreffend
hervorhebt, erwarten, daß die Individuen mittlerer Resistenz am
zahlreichsten seien, und daß sich an sie nach beiden Seiten
mit abnehmender Häufigkeit Individuen von höherer und niedrigerer
Widerstandsfähigkeit anschlössen. Den Typus der dann entstehenden
Absterbekurve können wir uns am besten an einem Zahlenbeispiel vor
Augen führen. Nehmen wir an, wir hätten 100000 Keime. Von diesen
sollen 5000 eine derartige Widerstandsfähigkeit besitzen, daß sie in der
1. Minute absterben, 10000 sollen während der 2. Minute zugrunde
gehen, 20000 während der 3., 30000 während der 4., 20000 während
der 5., 10000 während der 6. und 5000 wieder während der 7. Minute.
Minuten
Fig. 1.
Dann haben wir also eine Sporenmenge, die so aufgebaut ist, daß sich
um eine größere Anzahl von Individuen mittlerer Resistenz kleinere
Mengen von größerer und geringerer Widerstandsfähigkeit gruppieren.
Tragen wir nun die Überlebenden von Minute zu Minute graphisch auf,
und nehmen wir an, daß zwischen den einzelnen Stufen ein stetiger
Übergang vorhanden ist, so erhalten wir die obenstehende Kurve (Fig. 1)
Sie ist zunächst konkav gegen die Abszissenachse: die Desinfektions¬
geschwindigkeit nimmt zu. Bei W liegt der Wendepunkt, von hier an
nimmt die Desinfektionsgeschwindigkeit ab, die Kurve wird konvex gegen
die Abszissenachse. Wir erhalten also ein ganz anderes Bild, als es uns die
experimentell gefundene Exponentialkurve bietet. Diese ist ständig, konvex
gegen die Abszissenachse, da ja die Desinfektionsgeschwindigkeit ständig
im Abnehmen begriffen ist. Um auch dafür ein einfaches Zahlenbeispiel
Zeitachr. f. Hygiene. LXIX 13
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194
H. Rbicjhenbach:
zn geben, nehmen wir an, daB von den 100000 Keimen in der Minute
immer ein Fünftel der jeweils vorhandenen abstirbt. Dann würden in
der 1. Minute 20000, in der 2. 16000, in der 3. 12800, in der 4. 10240,
in der 5. 8192 absterben usw. und die graphische Darstellung der Über¬
lebenden würde das Bild der Kurve in Fig. 2 geben.
Noch stärker in die Augen fallen wird vielleicht der Unterschied,
wenn wir nicht die Überlebenden, sondern die in der Minute Absterbenden
selbst darstellen. Die schwarzen Rechtecke in den Figg. 3 und 4 ent¬
sprechen der Anzahl der in der Minute abgestorbenen Keime; wir sehen,
wie im . ersten Falle die Flächen bis zu einem Maxi mum wachsen, um
dann wieder abzunehmen, und wie im zweiten Falle ein ständiges Sinken
der Anzahl erfolgt.
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Original frum
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 195
Ich bin absichtlich auf diese Unterschiede etwas näher eingegangen,
um mit aller Deutlichkeit zu konstatieren, daß der Absterbeprozeß, wie er
wirklich ist, keineswegs dem entspricht, was man auf Grund der Wahr¬
scheinlichkeit erwarten sollte. Und diese Feststellung ist um so nötiger,
als die in der Literatur über diese Frage geäußerten Ansichten nicht nur
voneinander stark abweichen, sondern auch innere Widersprüche schwerster
Art aufweisen, die den Beweis liefern, daß die Autoren nicht immer ganz
klare Anschauungen über diese Fragen gehabt haben. Am deutlichsten
tritt das in den Ausführungen von Hewlett 1 hervor. Hewlett meint
merkwürdigerweise, daß die Exponentialkurve die wahrscheinlichste Form
des Absterbevorgangs sei: in jeder Ansammlung von lebenden Individuen
oder Zellen, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, in der die einzelnen
Individuen verschiedene Resistenz besäßen, müsse der Absterbeprozeß so
verlaufen, daß die Zahl der Absterbenden immer der Zahl der Lebenden
proportional sei.
Als experimentellen Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung
* führt er einen Versuch über die Abtötung von Senfsamen durch Queck¬
silberchlorid an. Nun will ich gern zugeben, daß, wenn in diesem Ver¬
suche wirklich der Absterbevorgang nach der Formel der monomolekularen
Reaktion verliefe, das für die Ansicht von Hewlett sprechen würde. Aber
das ist gar nicht der Fall. Trägt man in dem von Hewlett mitgeteilten
Versuche die Überlebenden graphisch auf, so ergibt sich eine Kurve von
der Gestalt der Fig. 1, und zwar so typisch, daß ich nicht begreife, wie
Hewlett diese Versuchsresultate in seinem Sinne deuten konnte. Gerade
dieser Versuch mit dem Senfsamen beweist aufs schönste, daß der Ab¬
sterbevorgang hier ganz anders verläuft, wie bei Bakterien, und daß be¬
züglich der Resistenz von Senfsamen dieselben Gesetze gelten, wie wir
sie für die Variation anderer organischer Gebilde kennen.
1 A. a. O. S. 891.
13*
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196
H. Reichenbach:
Ebensowenig zutreffend, aber in entgegengesetztem Sinne, ist das
zweite Beispiel, welches Hewlett anführt. Hewlett weist auch darauf
hin, daß das Absterben einer Menschenmenge, wenigstens in den mittleren
Lebensjahren, so vor sich gehe, daß in gleichen Zeiträumen immer ein
bestimmter Bruchteil der Überlebenden abstirbt. Hier ist die Tatsache,
wenigstens annähernd, richtig, aber der Vorgang ist in diesem Falle ein
ganz anderer wie die Abtötung der Bakterien durch Desinfektionsmittel.
Die Menschen sterben gar nicht nach Maßgabe ihrer Resistenz ab; es gibt
doch nicht Menschen von 10, 15, 20 Jahren Resistenz, wie es Bakterien
von 10, 15, 20 Minuten Widerstandsfähigkeit gibt. Maßgebend für das
Absterben der Menschen ist ihr Zusammentreffen mit Schädlichkeiten im
weitesten Sinne des Wortes, die den Charakter von Zufälligkeiten haben,
und es ist ganz verständlich, daß solange diese Schädlichkeiten dieselbe
Häufigkeit besitzen, die Zahl der Todesfälle der Zahl der lebenden Indi¬
viduen proportional ist, genau wie bei der Zuckerinversion die Zahl der
Molekülzusammenstöße von der Zahl der vorhandenen Moleküle abhängt.
Wollte Hewlett ein den Desinfektionsversuchen analoges Experi¬
ment mit Menschen anstellen, so mußte er eine große Anzahl
von Menschen derselben allmählich wirkenden Schädlichkeit
aussetzen: dann wären die Menschen nach Maßgabe ihrer Resistenz ab¬
gestorben, aber dann hätte sich auch keine Exponentialkurve, sondern
dieselbe Absterbekurve ergeben, wie für den Senfsamen. Der Unterschied
zwischen dem Senfsamenexperiment und dem natürlichen Absterben der
Menschen liegt also, um es noch einmal hervorzuheben, darin, daß im
ersten Falle Samen von sehr verschiedener Resistenz genau der¬
selben Schädlichkeit ausgesetzt werden, und deshalb nach Maßgabe
ihrer Resistenz absterben, während es sich im zweiten Falle um Indi¬
viduen von verhältnismäßig geringen Resistenzunterschieden
handelt, die sich aber unter ganz verschiedenen Bedingungen be¬
finden, so daß nur ein* Bruchteil von ihnen mit der tödlichen Schädlich¬
keit in Berührung kommt. Sie sterben also ab nicht nach Maßgabe ihrer
Resistenz, sondern nach der Wahrscheinlichkeit, mit der sie von der
Schädlichkeit betroffen werden, und diese Wahrscheinlichkeit ist unter
sonst gleichen Umständen der Anzahl der Individuen proportional.
Auch die Ausführungen von Ny mann und Madsen leiden an einem
inneren Widerspruch. Nymann und Madsen sagen wörtlich: „Wie die
roten Blutkörperchen können Milzbraudsporen als eine Sammlung von
Einzelindividuen mit verschiedener Resistenz aufgefaßt werden. Doch
wird der größte Teil eine gewisse mittlere Resistenz aufweisen, um welche
die Resistenz der anderen Sporen sich gruppiert.“
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Die Abstebbeobdnung deb Baktebien u. ihbe Bedeutung usw. 197
Die Autoren bedenken dabei aber nicht, daß sie gerade vorher selbst
den Beweis geliefert haben, daß diese Ansicht nicht zutreffen kann.
Wenn, wie sie selbst nachgewiesen haben, der Absterbevorgang wie eine
monomolekulare Reaktion verläuft, also nach einem Exponentialgesetz, dann
kann er nicht eine Kurve vom Typus der Fig. 1 ergeben. Der Exponential-
vorgang hat eben zur Voraussetzung, daß die Individuen der niedrigsten
Resistenzstufe am zahlreichsten vorhanden sind: der Aufbau kann also
nicht zugleich auch so sein, daß die größte Anzahl der mittleren
Resistenzstufe angehört.
Im Gegensatz zu Madsen und Nyman hat aber Eijkmann seine
Erwartung über den Aufbau der Bakterienmenge auch experimentell be¬
stätigt gefunden. Er hat tatsächlich, und zwar bei Versuchen über die
Einwirkung von Hitze und von Phenol auf Suspensionen von Bacterium
coli, häufig Absterbekurven mit einem deutlichen Wendepunkt erhalten.
Der Wendepunkt liegt aber ausnahmslos nicht in der Mitte, sondern recht
nah nach dem Anfang der Kurve zu, und von dem Wendepunkt an
nähern sich die Kurven, soweit sich das nach ihrem Aussehen beurteilen
läßt, sehr der Exponentialkurve. Man könnte also die Eijkmannschen
Kurven als Exponentialkurven mit unregelmäßigem Anfang auffassen.
Solche Störungen im Anfang des Versuches sind auch von H. Chick
häufiger beobachtet worden, und auch in einem Teil unserer eigenen Ver¬
suche treten sie auf. Eijkmann möchte in dem fehlenden oder sehr
langsamen Abfall zu Anfang des Versuches den Ausdruck für eine In¬
kubationsperiode des Absterbeprozesses sehen. Ich glaube, daß wir in den
meisten Fällen mit der Deutung auskommen können, daß Keime von so
geringer Resistenz, wie der Zeit der ersten Probeentnahme entspricht, in
der betreffenden Bakterienmenge nicht vorhanden waren. Nach dieser
Deutung muß der zu langsam abfallende Anfangsteil der Kurve jedes¬
mal auftreten, wenn wir nur die erste Probeentnahme früh genug machen.
Die Tatsache, daß in den meisten "Versuchen bei der ersten Entnahme
die Konstante etwas zu klein gefunden wird, spricht für diese Deutung.
So gern ich also Eijkmann zugebe, daß sich seine Resultate wenigstens
zum Teil, dem nähern, was man nach der Wahrscheinlichkeit erwarten
sollte, bin ich doch der Meinung, daß diese nur an einer Bakterienart
und nur an vegetativen Formen gewonnenen Ergebnisse sich nicht beliebig
verallgemeinern lassen. Jedenfalls wird durch sie die Tatsache nicht aus
der Welt geschafft, daß in einer ganzen Reihe von Fällen der Absterbe¬
vorgang wirklich nach einer Exponentialkurve verläuft: diese Fälle be¬
dürfen also nach wie vor der Erklärung.
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198
H. Reichenbach:
Wenn man bedenkt, daß nicht nur das Absterben der Bakterien
sondern auch ihr Aufbau nach einem Exponentialgesetz erfolgt, so ist es
schwer, sich der Vorstellung zu entziehen, daß zwischen diesen beiden
Tatsachen ein innerer Zusammenhang bestehe. Ich will versuchen,
eine Möglichkeit zu zeigen, wie ein solcher Zusammenhang beschaffen
sein könnte.
Nehmen wir an, daß sich in einer Anzahl von a Bakterien alle In¬
dividuen, und zwar alle zu gleicher Zeit, teilen, so haben wir in der
zweiten Generation 2a, in der dritten 2 2 a=4a, in der vierten 2 3 a=8a, usw.,
und wenn die Vermehrung bis zu Ende in dieser Weise fortschreitet, haben
wir in der nten Generation 2 m-1 a Individuen. In einer solchen, auf diese
Weise entstandenen Bakterienmenge wären also alle Keime gleich alt:
etwaige Verschiedenheiten in der Resistenz ließen sich nicht auf Alters¬
verschiedenheiten zurückführen, und für einen exponentiellen Aufbau wäre
keine Erklärung vorhanden. Nun ist es aber sehr unwahrscheinlich, daß
der Teilungsvorgang tatsächlich bis zu Ende in dieser Weise vor sich
gehen solle, sondern es ist anzunehmen, daß Störungen dieses mathema¬
tischen Ablaufes des Vermehrungsprozesses auftreten werden. Diese Stö¬
rungen werden zunächst darin bestehen, daß nicht alle Bakterien sich zur
gleichen Zeit teilen, so daß besonders im späteren Verlauf des Prozesses
dadurch Individuen von ungleichem Generationsalter vorhanden sein können.
Eine Anordnung nach einem Exponentialgesetz läßt sich aber auch hier¬
durch nicht erklären.
Ferner ist anzunehmen, daß überhaupt nicht alle Individuen wieder
zur Teilung gelangen, sondern daß, wenigstens von einer gewissen
Zeit an, ein Bruchteil ungeteilt Zurückbleiben oder bei Sporen
bildenden Arten zur Sporulation gelangen wird. Dadurch wäre
die Möglichkeit der Entstehung zahlreicher Altersstufen, und wenn wir
aunehmen, daß die Widerstandsfähigkeit mit dem Alter im Zusammenhang
stehe, auch zahlreicher Resistenzstufen gegeben.
Eber die Anzahl der in den verschiedenen Altersstufen vorhandenen
Individuen können wir uns folgende Vorstellung machen. Wir wollen
zunächst annehmen, der zurückbleibende Bruchteil sei konstant und be¬
trage 1 fx der jeweils entstandenen Anzahl. Nehmen wir wieder an, wir
hätten, wenn die unvollständige Teilung beginnt, a Bakterien 1 , und es
bliebe immer Ijx also zuerst ajx ungeteilt zurück. Dann werden sich
1 Es ist dabei natürlich gleichgültig, oh diese Bakterien von vornherein ein¬
gesät gewesen oder durch regelmäßige Teilung in der Kultur selbst entstanden sind,
mit anderen Worten, ob das Zurückbleiben sofort oder erst nach einer gewissen An¬
zahl von Generationen beginnt.
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DlE ÄB8TEBBE0BDNUNG DEB BaKTEBIEN U. IHBE BEDEUTUNG USW. 199
teilen a — — = a ———, und in der zweiten Generation werden entstehen
2a ^ x ~~ . Von dieser bleibt wieder 1/x, also 2 a zurück, es teilen
sich 2 a ^~ 1 1 —, und in der folgenden Generation entstehen 4 a . Da-
von bleiben wieder zurück 4es teilen sich 4a (x ~~^* usw.
X X
Wir erhalten also folgende Reihen:
1. Für die Zurückbleibenden:
a 0 x —1 . (x —1)* 0 (x— l) s
—, 2 a- —_ , 4 a—. , 8 a—usw.
2. Für die Geteilten:
x— l 0 (x— n* . (x — i) 3 q (x—i) 4
, 2 a_ 4 a-,-, 8a y usw.
X * ' X
3. Für die neu entstehenden:
O X - 1 A X ~ 1 O fx— 1)*
a , 2a- — , 4a , 8a -
usw.
Jedes Glied der Reihe 2 muß (x—l)mal so groß sein wie das ent¬
sprechende der Reihe 1, jedes Glied von 3 muß den doppelten Wert des
vorhergehenden Gliedes der Reibe 2 besitzen, und die Summe zweier ent¬
sprechender Glieder der Reihen 1 und 2 müssen gleich dem entsprechen¬
den Glied der 3. Reihe sein.
Dividieren wir nun immer ein Glied durch das vorhergehende, so er-
halten wir für alle Reihen und für alle Glieder den Quotienten 2.——
Diesen Wert wollen wir von nun an als Vermehrungsfaktor v bezeichnen.
Wir haben also geometrische Reihen, die nach Potenzen von 2. — fort-
schreiten, und da die Werte der Reihe 1 der Anzahl der von den einzelnen
Generationen ungeteilt Zurückbleibenden, bzw. Sporen entsprechen, so er¬
gibt sich, daß eine in der angenommenen Weise gewachsene
Kultur so zusammengesetzt ist, daß die einzelnen Altersstufen
eine geometrische Reihe bilden. W’enn wir dann ferner annehmen,
daß die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Zellen in regelmäßiger Weise
mit dem Generationsalter zunimmt, eine Annahme, für die sich theore¬
tische und experimentelle Gründe beibringen lassen, so wäre damit die
Grundlage für die Erklärung der Absterbeordnung gegeben.
Einzelne Punkte bedürfen aber noch einer besonderen Besprechung.
Die bisherigen Überlegungen gelten zunächst nur für die in jeder
Altersstufe vorhandenen Individuen, d. h. im Versuch für die An-
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200
H. Reichenbach:
zahl der zwischen zwei Probeentnahmen abgestorbenen Keime. Nun
sind es ja aber gerade die Überlebenden, d. h. die Summe sämt¬
licher jeweils noch vorhandener Altersstufen, die — immer
Prüfungen in gleichen Zeitintervallen vorausgesetzt — die geometrische
Reihe bilden. Es fragt sich also, ob in einer geometrischen Reihe, die
nach Potenzen von v fortschreitet, der Quotient aus der Summe von n
und von n + 1 Gliedern wieder = v ist. Das ist nun, wie sich leicht
beweisen läßt, nicht der Fall; wohl aber können wir diese Bedingung er¬
füllen, wenn wir jede Summe um einen bestimmten konstanten Wert y
vergrößern. Wie groß dieser Korrektionswert y ist, läßt sich leicht be¬
rechnen.
Die Summe einer geometrischen Reihe von n + 1 Gliedern mit dem
Vermehrungsfaktor v und dem Anfangsgliede b ist gleich - ’
und die von n Gliedern ist = - — ~ ^ •
V — 1
Vermehren wir nun diese beiden Werte um y, so muß ihr Quotient
gleich v werden. Wir haben also die Gleichung:
b(v n+1 - l) ,
r 1 ’■!»
und daraus ergibt sich: y = ,, oder, da iu unserem Falle b = a und
2(^-1) . , a
v = — - L ist, y = — 0 •
-i* t_ 9
’ Das heißt also auf den praktischen Fall übertragen, daß, wenn wir
auf eine Bakterienkultur von der angenommenen Zusammen¬
setzung eine Schädlichkeit einwirken lassen und in gleichen
Zeitabständen die Anzahl der Überlebenden bestimmen,
dann jede der gefundenen Zahlen um —^ vermehrt werden
muß, damit sie zusammen eine geometrische Reihe bilden.
Über die Größe des Fehlers —können wir uns am besten ein Urteil
bilden, wenn wir uns den relativen Fehler, also den Quotienten aus Fehler
und richtigem Wert, berechnen. Wir erhalten dann, wenn wir wieder der
Bequemlichkeit wegen die Ausdrücke b und v eiuführen, für den relativen
Fehler den Wert
h
(t--i)_ = l
b (v n — 1) , h ~ r“ ’
v — 1 v — 1
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bv Google
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Die Abstebbeobdnung deb Baktebien u. ihbe Bedeutung usw. 201
also eine sehr einfache Beziehung: der relative Fehler ist bei einer
Summe von n Gliedern gleich dem reziproken Werte der nten
Potenz des Vermehrungsfaktors. Da v, wie wir gleich sehen werden,
als eine Zahl zwischen 1 und 2 zu denken ist, kann der Fehler bei den
ersten Gliedern, bzw. Generationen beträchtlich werden. Er nimmt aber
mit der Zahl der Glieder rasch ab und wird sehr bald unmerklich.
Die Werte von x können zwischen 1 und oo liegen, x = 1 bedeutet,
daß “ = a ist, d. h. daß alle vorhandenen Individuen ungeteilt Zurück¬
bleiben, daß also eine Vermehrung überhaupt nicht stattfindet; der Ver¬
mehrungsfaktor wird 0. x = oo bedeutet, da = 0 ist, daß keine
Keime ungeteilt Zurückbleiben; der Vermehrungsfaktor ist in diesem Falle
*= 2. Für alle Werte von x zwischen 1 und oo muß also der Vermeh¬
rungsfaktor zwischen 0 und 2 liegen. Folgende kleine Tabelle gibt für
einige Werte von x die zugehörigen Werte von v.
X V
oc .2
1000 1-998
100 .1-98
'10 . 1-8
5 .1-6
4 .1-5
3 .1-33
2 . 1-0
1-8 . 0-888
1-5.0-666
1-25 0-400
1 .0
Einer besonderen Betrachtung bedürfen noch die Fälle x = 2 und
x < 2. Wenn x = 2 wird, d. h. wenn immer die Hälfte der neueut-
standenen Individuen sich teilt, die andere Hälfte ungeteilt zurückbleibt, so
wird v = 1, das bedeutet: alle Glieder der Reihe sind gleich, in jeder Gene¬
ration bleibt dieselbe Anzahl von Individuen zurück. Das Absterben einer
solchen Kultur müßte also so vor sich gehen, daß in jedem Zeitabschnitt die¬
selbe Bakterienzahl abstirbt: die Absterbekurve wird eine gerade Linie.
Wird x < 2, bleibt also mehr als die Hälfte der Individuen ungeteilt,
so wird v ein echter Bruch. Dann wird jedes folgende Glied der Reihe
kleiner als das vorhergehende, und die Reihe konvergiert. Wenn
also in einer Bakterienkultur die Fortpflanzungsenergie, sei es
durch Mangel an Nährstoffen, sei es durch hemmende Stoffwechselprodukte
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202
H. Reichenbach:
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oder auf andere Weise, so weit herabgesetzt ist, daß sich weniger
als dieHälfte der neu entstehendenlndividuen weiter teilt, so ist
damit die Möglichkeit der Vermehrung mathematisch begrenzt;
die Summe der Individuen kann dann höchstens den Wert , b erreichen.
Es ist sehr gut denkbar, daß das Erlöschen der Vermehrung bei Bakte-
rienkulturen und vielleicht auch bei anderen Zellgemeinschaften in dieser
Weise vor sich geht.
Tabelle X.
1
2
Quotient
3
4
5
6
Absterbende
Überlebende
Quotient
Überlebende
(korrigierter
Wert)
Quotient
200 |
—
200
—
533*333
—
320
1*6
520
2*6
853*333
1-6
512
1*6
1032
1*98
1365*333
1*6
819*2
1-6
1851-2
1-79
2184-533
1-6
1310*72
1*6
3161*92
1*71
3495*253
1*6
2097*152
1*6
5259-072
1-61
| 5592*405
1*6
Es wird zweckmäßig sein, die bisherigen Auseinandersetzungen an
einem konkreten Zahlenbeispiel zu erläutern, a, die Anzahl der vor¬
handenen Bakterien, sei 1000 und x = 5, d. h. es soll sich immer 1 / 6 der
Neuentstandenen nicht weiter teilen, sondern ungeteilt Zurückbleiben. Der
Vermehrungsfaktor v wird dann =1*6. Von der ersten Generation
bleiben also zurück 10 c ° 0 =* 200, es teilen sich 800, es entstehen neu 1600,
D
davon bleiben wieder 1 / 5 zurück, also 320= 1*6.200, usw. Die Reihe
für die Zurückbleibenden lautet also 200, 320, 512, usw. (s. Spalte 1 der
Tabelle X). Das wären im Versuch die Absterbenden: für die Über¬
lebenden würde die Reihe lauten 200, 200 + 320, 200 + 320 + 512,
(s. Spalte 3 der Tabelle). Diese Werte bilden, wie aus dem wechselnden
Wert für den Quotienten (s. Spalte 4), so wie sie sind, keine geometrische
Reihe. Damit sie zu einer solchen werden, muß der Korrektionswert
--“-j- = “ = 333,333 zu jedem Gliede hinzugefügt werden (s. Spalte 5
und 6). Jeder Wert für die Überlebenden ist also absolut um 333,33
zu klein. Der relative Fehler läßt sich, wie wir gesehen haben, durch
den Wert ~ oder in Prozenten des richtigen Wertes 10 n ° ausdrücken. Da-
V V
nach beträgt er in unserem Falle, für das erste Glied 62*5 Prozent, für
das zweite 39*6 Prozent, für das fünfte 9*54 Prozent, für das zehnte
0*91 Prozent und für das zwanzigste 0*0083 Prozent. Er ist also hei den
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Die Abstebbeobdnüng deb Baktebiek u. ihbe Bedentung usw. 203
ersten Generationen recht beträchtlich, nimmt aber sehr rasch ab, and
wird bei den höheren Generationen unmerklioh. Für den Versuch würde
das bedeuten, daß die Anzahl der Überlebenden gegen den Schluß rascher
abnimmt, als man nach der Formel erwarten sollte, und das ist tatsächlich
in vielen Versuchen der Fall.
Aber noch in einem anderen Punkte weicht die nach unserer Voraus¬
setzung entstehende Reihe der ungeteilten Individuen von der geometrischen
Reihe ab: das letzte Glied wird «mal zu groß. Wenn nämlich die
Teilung n Generationen hindurch nach unserer Annahme vor sich ge¬
gangen ist, so sind in der nten Generation b • v H ~ l Individuen entstanden,
und von diesen sollten bei der nächsten Teilung
Zurückbleiben.
Sistiert nun die Vermehrung, oder wird sie durch Abtötung der Kultur
verhindert, so bleibt nicht nur der Bruchteil 1/x, sondern die ganze zuletzt
entstandene Generation, also das x fache der regelmäßigen Menge zurück.
Dieser Fehler wird um so größer, je größer x, d. h. je kleiner der un¬
geteilt zurückbleibende Bruchteil ist. Im Versuch müßte das dadurch
zum Ausdruck kommen, daß die Absterbekurve zunächst zu steil abfiele,
um dann erst in die richtige Exponentialkurve überzugehen. Das kommt,
wie wir sehen werden, unter gewissen Bedingungen tatsächlich vor.
Bei den bisherigen Betrachtungen sind wir von der Voraussetzung
ausgegangen, daß der bei der Teilung zurückbleibende Bruchteil während
der ganzen Wachstumszeit unverändert bleibe, daß also der Wert von x
eine Konstante sei. Es ist zwar möglich, daß der Wachstumsvorgang
so verläuft, ebenso wahrscheinlich aber ist es, daß die Vermehrungsenergie
allmählich nachläßt, und daß dies sich darin äußert, daß der zurück¬
bleibende, an der Vermehrung nicht mehr teilnehmende Bruchteil von
Generation zu Generation wächst, daß also der Wert von x ständig kleiner
wird. Was wird nun in diesem Falle aus der Reihe für die Zurück¬
bleibenden? Sehr einfach liegt die Sache, wenn wir aunehmen, daß sich
x in jeder Generation um 1 vermindere. Dann bleiben von der ersten
Generation wie vorher a zurück, es teilen sich - —- - — , und es ent-
2a(x-\)
stehen neu - —
X
2a -, es teilen sich
X 7
Von diesen bleiben nun zurück - Ä - Jr —also
x (a: — 1)
2 (i (x 2) ... 4a (x — 2) ,
— -, es entstehen neu —-, und von
r 1 r* 7
1 4 a
diesen bleibt wieder — „ also
x — 2 x
Zurückbleibeuden die Reihe: a ,
X ’
zurück, usw. Wir erhalten also für die
~ a , 4a , usw., also eine einfache,
X 7 X 1 7 1
nach Potenzen von 2 scheinbar beliebig weit fortschreitende Reihe. In
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204
H. Reichenbach:
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Wirklichkeit hört sie aber mit dem *ten Gliede auf, da das arte Glied
für die Geteilten ^ = 0 ist. In einer auf diese Weise ent¬
standenen Kultur werden also die Zurückbleibenden eine vollkommene
geometrische Reihe ohne irgendwelche Abweichung bilden. In Tabelle XI
ist für a — 1000 und einen Anfangswert für x = 10 ein Zahlenbeispiel ge¬
geben, aus dem der Verlauf der Reihen deutlich wird.
Tabelle XI.
X
J Vorhandene
Zurückbleiben de 1
Geteilte
10
1 1000
100
900
9
1800
200 j
1 600
8
3 200
400 ,
2 800
7
5 600
800
4 800
6
9 600
1600
8 000
5
16 000
8 200
12 800
4
25 600
6 400
19 200
3
88 400
12 800
25 600
2
; 51200
25 600
25 600
1
51 200
51200
0
Nun ist allerdings wohl nicht vorauszusetzen, daß die Abnahme
von x immer gerade in dieser einfachsten Weise vor sich gehe. Man
kann sich aber von der Schnelligkeit, mit der die Abnahme sich voll¬
zieht, eine vielleicht annähernd zutreffende Vorstellung machen, wenn
man die Zahl von Generationen berücksichtigt, die eine vollentwickelte
Kultur hinter sich hat. Das mögen etwa 33 sein. Wenn sich dann die
Abnahme von x regelmäßig auf alle Generationen verteilt, haben wir in
jeder Generation eine Abnahme von 3 Prozent des Anfangswertes, und
wir erhalten für die Zurückbleibenden die Reihe:
a 2a x— 1 . 4a (x — 1 ) (0-<)7x — 1) . 8a (x-1) (0*97x - l)(0.94x-l)
x ’ x 0*97 x ’ x 0»97x— 0 - 94x ’ x 0*97x. 0*94x. 0*91 x
16a . (x- 1 ) (0« 97x — 1) (0*94x— 1) (0-91 x — 1)
x 0-97x . 0*94x. 0*91x . Ö-88x USW.
Die Quotienten der einzelnen Glieder lauten dann:
O (•>•-!). n /0.97x-_l\ 2 (0^4x-l\
0*97x ’ \ 0-94 x )' \ Ü*91x )
USW.
Wie weit sich diese Quotienten dem Werte 2 nähern, hängt davon
ab, wie nahe die Werte in den Klammern der Einheit kommen, und das
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 205
ist wieder abhängig von dem Anfangswert von x. Setzen wir x = 88 —
genauer 33*33 .. . —, so haben wir den vorhin erörterten Fall, daß x
regelmäßig um 1 abnimmt: dann werden alle Eiammerwerte = 1, und
der Vermehrungsfaktor = 2. Wird x größer als 33, so werden die Quo¬
tienten größer als 2, und nehmen fortwährend langsam zu. Wird
der Anfangswert kleiner als 33, so bleiben die Quotienten etwas hinter 2
zurück und sind in fortwährender Abnahme begriffen. Die Abweichungen
der Quotienten voneinander sind aber nicht sehr groß, solange sich der
Anfangswert für x nicht allzuweit von 33 entfernt; nur in den letzten
Gliedern werden die Abweichungen beträchtlicher. Beispielsweise lauten
für x = 100 die ersten 5 Quotienten:
9 9 96
*97’ J '94’
und die 5 letzten:
15
'Ts 1
12
' io
2. 93
2* 90 ,
2* 87 ,
91 ’
88’
85’
9 9
2 '1 ’
9 6
2 * 4 ,
2* 3
* l *
Die Zahlenwerte lauten: 2*041, 2*043, 2,044, 2*045, 2*047 und
2.308, 2*400, 2*571, 3*000, 6*000.
Für x =» 20 sind die 5 ersten Quotienten:
9 1 » 9 18*4
“ * 19*4 ’ “ ’ 18-8 ’
9 17*8 9 17*2
“" 18*2 ’ 17*6 ’
9 18*6
*" 17*0 ’
und die 5 letzten:
9 2*8 9 2*2
^* 3 * 2 ’ ^* 2*6 ’
2* 1,(5 2* 10
^ 2*0’ * 1 * 4 ’
9 0*4
^ 0*8 ’
und die Zahlenwerte dieser Reihen:
1*958; 1*957;
1*956; 1*954;
1*953
und 1*750; 1.692;
1*600; 1.42J;
1*000.
Stärkere Abweichungen von der geometrischen Reihe treten also erst
ganz am Ende auf, und zwar können diese Abweichungen, je nachdem
der Anfangswert von x größer oder kleiner war als 33, sowohl in einem
zu raschen, wie einem zu langsamen Anwachsen der letzten Glieder be¬
stehen. Für unsern Versuch würde das bedeuten, daß im ersten Falle
die zuletzt entstandenen Generationen, also die Keime geringster Resistenz,
zahlreicher vorhanden sind, als der Formel entspricht, daß also der An¬
fangsteil der Kurve zu steil verläuft, und im zweiten Falle würde um¬
gekehrt diese Generation in zu geringer Anzahl vorhanden sein: die Kurve
würde zuerst zu langsam abfallen. Beides kommt, wie wir gesehen
haben, tatsächlich vor.
I
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
206
H, Reiohenbach:
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Natürlich brauchen aber diese letzten Glieder in Wirklichkeit nicht
in jedem Falle vorhanden zu sein: es ist ebensogut möglich, daß die
Entwicklung früher aufhört, ehe x = 1 geworden ist. Je früher die Ent¬
wicklung aufhört, desto geringer wird die Abweichung von der geometri¬
schen Reihe sein, nur die letzte Generation muß dann soviel mal zu groß
werden wie der, der nächsten nicht mehr erreichten Generation zu¬
kommende Wert von x beträgt. Auch das bedeutet ein zu steil ab¬
fallendes Anfangsstück der Kurve.
Fassen wir die letzten Ausführungen kurz zusammen, so ergibt sich
also, daß unter ziemlich einfachen und, wie ich glaube, durchaus im Be¬
reich der Möglichkeit liegenden Annahmen für das Wachstum einer
Bakterienkultur, sich sämtliche beobachteten Formen der Absterbekurve
erklären lassen. Natürlich soll damit nicht gesagt sein, daß das Wachstum
nun gerade so vor sich gehen müsse, und daß insonderheit die Ab¬
nahme von x sich immer einfach linear vollziehe. Es ist sogar in vieler
Beziehung wahrscheinlicher, daß diese Abnahme ungleichförmig, wenn
auch stetig, verlaufe. Aber auch unter dieser Voraussetzung können,
wie sich aus der Durchrechnung verschiedener Möglichkeiten ergibt,
Reihen entstehen, die, abgesehen von stärkeren Abweichungen am Anfang
und am Ende, innerhalb der Versuchsfehler mit geometrischen Reihen
zusammenfallen. Natürlich muß das nicht in jedem Falle so sein, — das
Verhalten des von mir beobachteten Sporenbildners spricht schon da¬
gegen, — es kommt hier aber ja nicht darauf an, zu zeigen, daß
unter allen erdenklichen Annahmen für das Wachstum einer
Bakterienkultur eine geometrische Reihe entstehen muß,
sondern daß sie unter ganz plausiblen Annahmen überhaupt
entstehen kann.
Versuche zur experimentellen Prüfung der Theorie.
Eine experimentelle Prüfung der eben entwickelten Anschauungen ist
natürlich außerordentlich schwierig, weil wir über die inneren Vorgänge
beim Aufbau einer Bakterienkultur so gut wie gar nichts wissen und auch
sehr schwer etwas erfahren können. In ein paar Arbeiten, zuerst von
Büchner und seinen Mitarbeitern 1 dann von Müller 2 , Hehewerth®
und anderen, ist der Versuch gemacht worden, die Generationsdauer der
Bakterien zu berechnen. Die Autoren sind sämtlich nach dem Vorgang
von Büchner so verfahren, daß sie die Anzahl der Generationen n, die
1 Büchner, Longard u. Riedl in, Centralblatt f. Bakteriologie. Bd. II. S. 1.
1 Müller, Diese Zeitschrift. Bd. XX.
* Hehewerth, Archiv f. Hygiene. Bd. XXXIX.S. 321.
Gck igle
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 207
zwischen der Anfangszahl a und der nach einer bestimmten Zeit be¬
obachteten Anzahl l liegen nach der Formel b = a- 2", oder logarithmisch:
n == log ^~i° g — berechnet, und dann, indem sie die Versuchszeit durch
log 2 7
n dividierten, die „Generationsdauer“ gefunden haben.
Aber bei dieser Art der Berechnung ist die Voraussetzung gemacht,
daß die Vermehrung streng nach Potenzen von 2 vor sich gehe, mit
anderen Worten, daß sich sämtliche neu entstandenen Bakterien ohne
Ausnahme weiter teilen. Unter „Generationsdauer“ ist hier also, streng
genommen, nicht die Zeit verstanden, die zum Entstehen einer neuen
Generation, d. h. von einer Teilung bis zur andern, nötig ist, sondern die
Zeit, in der sich die gerade vorhandene Bakterienmenge verdoppelt. Diese
Begriffe sind natürlich nur dann identisch, wenn sich alle Bakterien
weiter teilen, sie sind es nicht, wenn ein Bruchteil ungeteilt zurück¬
bleibt. Wenn also im Laufe des Versuches die „Generations¬
dauer“ wächst, so kann das bedeuten, daß wirklich ein größerer
Zeitraum von einer Teilung bis zur anderen verstrichen ist,
es kann aber auch darauf beruhen, daß bei gleicher oder wenig
geänderter Teilungszeit der Bruchteil der nicht geteilten
größer geworden ist. Welche von beiden Möglichkeiten vorliegt, also
gerade die Frage, auf deren Beantwortung es uns am allermeisten an¬
kommt, läßt sich durch solche Versuche nicht entscheiden.
Trotzdem ist die Untersuchung der Vermehrungsvorgänge nicht ohne
Interesse für unser Problem. Denn nach unserer theoretischen Auf¬
fassung ist anzunehmen, daß die Absterbekurve verschieden verlaufen wird,
je nach dem Entwicklungsstadium, in welchem sich die Kultur befindet.
Es ist zu erwarten, daß eine in voller Vermehrung befindliche Kultur, in
welcher der zurückbleibende Bruchteil noch als klein anzunehmen ist,
sich anders verhalten wird, wie eine, deren Wachstum bereits abgeschlossen
ist Die Untersuchung richtig ausgewählter Kulturen verschiedenen Alters
kann uns deshalb bis zu einem gewissen Grade zur Probe auf die An¬
nehmbarkeit unserer Theorie dienen.
Ich habe deshalb zunächst an einer Bouillonkultur von Paratyphus B,
die Wachstumskurve festzustellen versucht, und zwar möglichst unter
denselben Verhältnissen, unter denen ich später die für die Absterbe¬
versuche benutzten Kulturen gehalten habe. Den Gang der Entwicklung
zeigt die Tabelle XII.
Als Maß für die Vermehrungsgeschwindigkeit habe ich aus den oben
angeführten Gründen nicht die sogenannte „Generationsdauer“, sondern
den Quotienten aus je 2 in einem Zwischenraum von einer Stunde be¬
obachteten Werten berechnet.
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208
H. Reichenbach:
Tabelle XII.
Vermehrung von Paratyphus B in Bouillon bei 37°.
Zeit
in Stunden
Keimzahl
im Kubikzentimeter
Quotient
für die Stunde
0
2 300
—
0-5
2 035
| —
1-0
3 558
| 2-9
1-5
7 090
4-0
2-5
33 000
4-6
3-5
185 600
5-6
4-5
1 084 300
l 5-8
5-5
6 425 000
5-9
6-5
37 925 000
5-9
7-5
169 650 000
4-5
8-5
694 500 000 1
4-1
9-5
1133 000 000
1-6
11-5
1722 000 000
1-2
12-5
1950 000 000 ,
1*2
13-5
1850 000 000
—
25-0
1740 000 000
—
28-0
1738 000000
—
Wir sehen, übereinstimmend mit dem Resultate früherer Autoren,
daß nach einer kurzen Inkubationszeit von etwa 80 Minuten, die Ent¬
wicklung zunächst langsam beginnt, dann rasch ansteigt, etwa 4 Stunden
nahezu konstant bleibt, um dann wieder abzufallen. In der 13. Stunde
ist die Entwicklung vollendet, nach 13*5 Stunden ist bereits eine kleine
Verminderung eingetreten, die bis zur 28. Stunde — länger wurde nicht
beobachtet —, nur wenig größer geworden ist.
Wie ich vorher ausgeführt habe, lassen sich aus einem solchen Ver¬
such für die Frage, ob ein Bruchteil der Individuen bei der Teilung
zurückbleibt, und wie sich dieser eventuell im Laufe des Wachstums ändert,
keine bindenden Schlüsse ziehen. Die Veränderungen des Vermehrungs¬
quotienten, die sich tatsächlich ergeben haben, lassen sich in dieses Rich¬
tung nicht verwerten. Immerhin läßt sich aber aus der Kurve schließen,
daß, wenn überhaupt eine solche Vergrößerung des zurückbleibenden Bruch¬
teiles statttindet, dies etwa von der 7. Stunde au der Fall sein wird. Bis
zur 7. Stunde dagegen können wir annehmen, daß der zurückbleibende
Bruchteil klein, der Wert von x also groß ist. Und wenn wir uns nun
erinnern, daß in solchen, in voller Entwicklung unterbrochenen Kulturen,
die letzte Generation x mal zu groß ist, so müssen wir erwarten, daß je
länger vor der 13. Stunde wir die Kultur benutzen, desto
steiler zu Anfang des Versuches die Absterbekurve abfallen,
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Die Abstebbeordnung beb Bakterien ü. ihre Bedeutung usw. 209
desto größer die Abweichung von der Exponentialkurve sein
wird, daß dagegen die Übereinstimmung mit der Exponentialkurve, wenn
sie überhaupt vorhanden ist, von der 13. Stunde an auftreten wird. Das
ist nun in der Tat in eklatanter Weise der Fall.
Tabelle XIII. (Versuch 34.)
6 stündige Kultur, 51°.
t ü
0 13 300
2 128
5 0
Betrachten wir zunächst den Versuch 34, Tabelle XIII, der mit einer
Gstündigen Kultur angestellt wurde.
Hier hat die Temperatur von 51°, die bei ausgewachsenen Kulturen
eine Abtötungszeit von etwa 1 Stunde erfordert, in 2 Minuten bereits
99 Prozent, in 5 Minuten die gesamte Menge vernichtet. In den fol¬
genden Versuchen 35 und 36 (Tabelle XIV und XV) wurden deshalb
niedrigere Temperaturen, 49° und 47 °, angewandt. Hier wurde die völlige
Abtötung in der Beobachtungszeit nicht erreicht, trotzdem wurden in
Versuch 85 in den ersten 2 Minuten 68 Prozent der Keime abgetötet
Bei Versuch 38 liegt das Maximum der Abtötung, und auch das Maximum
für k, der niedrigeren Versuchstemperatur entsprechend, ein wenig später:
in den ersten 2 Minuten wurden 17 Prozent, in den folgenden drei 54 Prozent
und zwischen der 5. und 10. Minute noch 22 Prozent abgetötet Von
einer Exponentialkurve kann, wie die Inkonstanz des Wertes h zeigt, in
beiden Versuchen keine Bede sein.
Tabelle XIV. (Versuch 35.)
öVjStündige Kultur, 49°.
t
ü
l_„ _ __i
k
0
114 800
—
2
3 659 j
0*748
5-2
1 624
0*355
10
697
0*222
15-5
304
0*166
20
257
0*133
25
150
0*113
30
109
0*101
39
62
0*083
50
35
0*070
60
28
0*060
75
16
0*051
90
9 1
0*014
Zeitachr. f. Hygiene. LXIX
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Original fram
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210
H. Reichenbach:
Tabelle XV. (Versuch 36.)
5 1 / 2 8tündige Kultur, 47°.
t \
ü
i k
0
! 7812
—
2
6494
0-041
5
2254
0-108
10
455
0-123
15
232
1 0-102
20
174
0-083
25
| 162
0-067
30
128
—
40
124
—
50
128
—
60
99
—
75
99
1
90 |
100
0-021
Es ist also in diesen Kulturen eine große Anzahl von
Keimen mit geringer, ziemlich gleichförmiger Resistenz vor¬
handen, an die sich eine kleine Menge mit höherer sehr ver¬
schieden abgestufter Widerstandsfähigkeit anschließt. Das ist
das, was sich nach unseren Anschauungen über die Entstehung der ver¬
schiedenen Resistenzstufen erwarten läßt. Die Kulturen befanden sich
auf der Höhe der Entwicklung — es war also anzunehmen, daß noch
kein erheblicher Bruchteil bei der Teilung zurückgeblieben war, daß des¬
halb die überwiegende Mehrzahl der vorhandenen Keime der letzten
Generation entstammte, also gleiche Resistenz besaß. Oder anders aus¬
gedrückt, da die letzte Generation a?mal zu groß ist uud x hier einen
großen Wert besitzt, muß diese letzte Generation das ganze Bild der
Absterbekurve beherrschen, und dadurch jede Ähnlichkeit mit der Expo¬
nentialkurve verhindern. Daß sich innerhalb dieser Generation auch
noch kleinere Abstufungen der Resistenz finden, läßt sich wohl auf die
nicht gleichzeitige Teilung aller Individuen oder auf unbekannte Ursachen
„endogener“ Natur zurückführen.
Dieselbe Eigentümlichkeit, wenn auch nicht mehr in so ausgesprochenem
Maße, besitzt die Absterbekurve der 8 stündigen Kultur (Tabelle XVI).
Auch hier ist der Abfall zu Anfang viel steiler, als dem weiteren Verlauf
der Kurve entspricht. Von der 30. Minute an ist, ähnlich wie bei Ver¬
such 36, überhaupt keine sichere Abnahme der Keimzahl mehr vorhanden:
die wenigen noch lebenden Keime werden offenbar von der relativ niedrigen
Temperatur überhaupt nicht mehr affiziert. Ganz auders verhielt sich die
13stündige Kultur (TabelleXVII). Hier ist tatsächlich die Übereinstimmung
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Absteebeoednung dee Baktebien u. ihee Bedeutung usw. 211
mit der Formel, abgesehen von dem ersten Wert für k, so gut, wie sie
überhaupt bei solchen Versuchen erwartet werden kann. Eine kleine Ab¬
weichung ist hier allerdings insofern vorhanden, als die Werte von k nach
der Mitte des Versuches etwas zu- und nach dem Ende hin wieder etwas
Tabelle XVI. (Versuch 45.)
8stündige Kultur, 48°.
t
Ü
k
0
2012
—
2
1419
0*075
5
539
0*114
10
209
0*098
15
111
0*084
20*5
! 73
0*072
25
41
1 0*068
30
17
0*069
40
15
|
0*053
50
13
—
60
12
—
75
15
—
90
10
0*026
Tabelle XVII.
(Versuch 4L)
13 stündige Kultur, 50*1°.
t
u
gefunden
i
berechnet
k
0
27 940
I
—
2
25 270
22 290 ;
0-0218
5
16 100
15 890
0*0474
10
9 160
9 040
0*0484
15
4 280 1
5 140
0*0543
20
2190 |
2 930 |
0*0552
25
1 360
1 670 |
0*0525
30
948
947
0*0484
40
372
306
0*04 J)4
50
134
99
0*0464
60
56
32 |
0*0448
75
10
6
0*0459
90
2
1 ! 0*0461
Mittel: 0*0490
abnehmen, und dieser Gang ist so regelmäßig, daß er schwerlich auf Ver¬
suchsfehler zurückzuführen ist. Natürlich ist nach unserer Theorie ein
solcher Gang der Konstante ebenso wahrscheinlich und ebensogut zu er¬
klären, wie die ganz reine Exponentialkurve.
14*
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212
H. Reichembach:
Tabelle XVIII. (Versuch 38.)
28stündige Kultur, 48°.
0 5e29
120 3183
Besonders interessant und für unsere Auffassung wichtig ist die Tat¬
sache, daß ganz zweifellos die absolute Widerstandsfähigkeit der Haupt-
menge der Bakterien mit dem Alter der Kultur zunimmt. Da die ab¬
soluten Werte für die Resistenz wohl nicht ganz unabhängig sind, von der
Beschaffenheit der verwandten Gelatine und der Bouillon, habe ich, um
ganz sicher zu gehen, mit einer 28 ständigen Kultur noch einen Versuch
bei 48° mit denselben Nährböden angestellt, wie sie bei den Versuchen 34,
35 und 36 benutzt worden waren. Hier wurde in 120 Minuten noch
nicht die Hälfte der Keime abgetötet (s. Tabelle XVIII). Der Übersicht
halber stelle ich diese Resultate in der nachstehenden Tabelle XIX noch
einmal zusammen.
Tabelle XIX.
Einfluß des Alters auf die Resistenz.
Versuchs-
nummer
Temperatur
Alter
der Kultur
Abgetötet nach 5 Minuten
34
51-0°
6 Std.
100 Prozent
35
49-0
5 \o •»
86
36
47*0
5 1 ; s ..
71
45
49-0
8
73
41
50-1
13
58
3S
48-0
28
3
(berechnet aus dem Wert
für 120 Minuten)
Unsere Auffassung, daß die älteren, nicht mehr sich weiter teilenden
Individuen die resistenteren seien, steht mit der gewöhnlich geäußerten
Anschauung, nach der eine recht junge, lebenskräftige Kultur auch die
größte Widerstandsfähigkeit besitzen soll, in Widerspruch. 1 Vermehrungs¬
energie und Resistenz sind aber ganz verschiedene, bis zu einem gewissen
Grade sogar entgegengesetzte Eigenschaften. Es scheint mir ganz plausibel
zu sein, daß eine Zelle, die an der Vermehrung nicht mehr teilnehmen
kann, eine erhöhte Resistenz gewinnt, um auf diese Weise die Erhaltung
1 Zu ähnlichen Resultaten wie ich sind Schultz und Ritz gekommen. Central¬
blatt für Bakteriologie. I. Orig. Bd. L1V. S. 283.
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Die Abstebbeobdnüng deb Baktebien u. ihbe Bedeutung usw. 213
der Art zu sichern: wir hätten darin ein Analogon zur Sporenbildnng der
Bakterien und zur Encystierung der Protozoen zu sehen. Welches das
äußere Mittel zu dieser Erhöhung der Resistenz ist, ob es sich um eine
Verdichtung des Protoplasmas, eine Verstärkung der Membran oder ähn¬
liches handelt, wissen wir nicht, — aber wahrscheinlich bedarf es einer
gewissen Zeit, um diese Eigenschaft auszubilden. Und danach ist es ver¬
ständlich, warum innerhalb gewisser Grenzen die Resistenz der Zelle mit
ihrem Alter wächst.
Bis hierher stehen also die Versuchergebnisse durchaus mit unserer
Theorie im Einklang. Es fragt sich nun weiter, wie sich bei älteren
Kulturen, die den Höhepunkt der Entwicklung überschritten haben, die
Absterbekurve gestalten wird. Wie wir gesehen haben, findet etwa von
der 13. Stunde an ein langsamer Rückgang der Bakterienzahl statt. Damit
wissen wir aber noch nicht, ob nicht nebenbei noch eine schwache Ver¬
mehrung der Bakterien vor sich geht, so daß die absolute Verminderung
der Zahl nur der Ausdruck dafür wäre, daß der Absterbeprozeß den Ver¬
mehrungsprozeß überwiegt. Wir müssen also die Wirkung der Ver¬
mehrung und des Absterbens getrennt betrachten.
Die Vermehrung in solchen älteren Kulturen wird, wenn sie über¬
haupt stattfindet, in der Weise vor sich gehen, daß nur ein kleiner
Bruchteil der Zellen sich überhaupt noch fortpflanzt, x ist also eine sehr
kleine Zahl. Nach unseren früheren Ausführungen ist die Maximalzahl
einer Kultur von dem Augenblick an festgelegt, wo x kleiner als 2 wird,
d. h. wo mehr als die Hälfte der neuentstehenden Bakterien ungeteilt
zurückbleibt. Von diesem Zeitpunkt an nimmt sowohl die Menge der neu¬
entstehenden, wie auch die Menge der zurück bleibenden Keime ständig
ab. Wenn also wirklich die Vermehrung einer Kultur in dieser Weise
erlischt, so müßte das eine relative Verminderung der niedrigen Resistenz¬
stufen zur Folge haben, es müßte also im Gegensatz zu den jungen
Kulturen der Anfangsteil der Kurve zu langsam abfallen.
Ist dagegen die Vermehrung bis zuletzt noch einigermaßen lebhaft,
so könnte natürlich auch hier eine relative Vergrößerung der Zahl der
letzten Generation zustande kommen.
Wie das Absterben den Verlauf der Kurve beeinflußt, läßt sich nicht
ohne weiteres sagen. Da anzunehmen ist, daß auch dem natürlichen
Tode diejenigen Individuen zuerst erliegen, die in den künstlichen Ver¬
suchen als erste abgetötet werden, müßten durch das natürliche Absterben
einfach die niedrigsten Resistenzstufen wegfallen. Die Kurve müßte also
zuerst horizontal verlaufen, ohne im übrigen Teil eine Änderung zu
erleiden.
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214
H. Reichenbach:
Nun ist es aber nicht wahrscheinlich, daß die Schädlichkeiten, die in
einer älteren Kultur das Absterben der niedrigen Resistenzstufen ver¬
anlassen, die Individuen höherer Resistenz gar nicht beeinflussen sollten.
Es ist im Gegenteil anzunehmen, daß auch diese eine Verminderung ihrer
Widerstandsfähigkeit erfahren; und als einfachstes Schema dieses Vorganges
können wir uns vorstellen, daß in demselben Maße, wie die niedrigen
Resistenzstufen absterben, die Widerstandsfähigkeit der Keime der höheren
Stufen vermindert wird, so daß sie nun in diese Stufen einrücken. Dann
würde die Absterbekurve nur parallel mit sich selbst nach der Nullseite
verschoben werden; dadurch würde das obere Stück der Kurve wegfallen
und im übrigen würde auch hier keine Gestaltsänderung eintreten.
Es läßt sich also nach alledem theoretisch sehr wenig über die
Gestalt der Absterbekurve in alten Kulturen Voraussagen. Die Versuche
haben mit einer Ausnahme recht gute Übereinstimmung mit der Exponen¬
tialkurve ergeben. In Versuch 82, Tabelle XX, der mit einer 18*5 stän¬
digen Kultur angestellt wurde, ist die Abnahme zuerst etwas zu groß,
was auf eine noch im Gange befindliche Vermehrung hindeutet. Versuch 40
mit 28 ständiger Kultur, 44 mit 48 ständiger und 43 mit 55 ständiger Kultur
entsprechen sehr gut dem Exponentialgesetz (s. Tabelle XXL bis XXIII).
Nur der Versuch 42 mit 24stündiger Kultur (Tabelle XXIV) zeigt eine
größere Abweichung; der Wert von k wächst im Laufe des Versuches in
regelmäßiger Zunahme auf das dreifache an. Wir haben es hier also mit
einer relativen Verminderung der niedrigeren Resistenzstufen zu tun.
Warum diese Abweichung gerade bei der 24 ständigen Kultur auftritt,
vermag ich nicht zu sagen; ein Einwand gegen unsere Theorie läßt sich
aber aus diesem Verhalten nicht entnehmen.
Tabelle XX. (Versuch 32.)
18 *5 ständige Bouillonkultur, 51°.
t
__l.
u
gefunden
berechnet
i k
0
42 980 1
—
! _
1
29 970
31 570
0-157
2
19 250
23190
1 0-174
5
8 570 |
9190
0-140
10 1
2 810 i
1965
i 0-119
15 |
378 i
420
0-137
20
80
90
0-137
25
16
19
0-137
30
4
4
0-184
40
0*5
0*2
0-123
Mittel: Ö-134
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Die Absterbeobdnung deb Bakterien ü. ihre Bedeütüng usw. 216
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Tabelle XXI.
(Versuch 40.)
28stündige Kultur, öl*.
t
Ü
gefunden
£
berechnet
0
7000
— —
2
3270
3140 0-165
5
922
913 0-176
10
97
119 0-186
15
15
15 0-178
20
1
2 0-192
25
0-5
0-3 0-165
Mittel: 0-177~
Tabelle XXII.
(Versuch 44.)
48stündige Kultur, 49°.
t
Ü
gefunden
berechnet ^
0
4841
— —
5
1940
2277 0-0798
10
879
1071 0-0741
15
544
504 0-0632
20
197
237 0-0695
25
137
111 0-0620
30
75
53 0-0603
40
16
12 0-0620
50
2
3 0-0676
60
0
— ; —
Mittel: 0-0655
Tabelle XXIII.
(Versuch 48.)
55stündige Kultur, 50°.
t
H
gefunden j berechnet
Je
0
1 1203
— |
—
2
901
868
0-0628
5
547
532
0-0684
10
213
235
0-0761
15
83
104
0-0774
20
37
46
0-0756
25
17
20
0-0739
30
11
9
0-0679
40
3
2
0-0651
50
0
Mittel:
: 0-0709
Gck 'gle
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216
H. Reichenbach:
Tabelle XXIV. (Versuch 42.)
24stündige Kultur, 50°.
t
ü
k
0
4185
;
—
2
3795
0-0212
5
3084
0-0265
10
2013
0-0317
16
1069
0-0370
20
523
0-0451
25
259
0-0483
30
70
0-0592
41
5
0-0713
50
1
0-0724
60
1
0-0604
Auf eine wichtige Schlußfolgerung möchte ich noch hinweisen, die
sich aus diesem Verhalten älterer Kulturen ableiten läßt. Wie wir vor¬
hin ausgeführt haben, ist nach unserer Anschauung das Alter der Zelle
für ihre Resistenz maßgebend. Bei jungen Kulturen, die noch in leb¬
hafter Vermehrung begriffen sind, ist es nun gleichgültig, ob wir hierbei
unter Alter das absolute Alter verstehen, d. h. die seit Entstehung der
Zelle verflossene Zeit, oder das Generationsalter, d. h. die Ordnungszahl
derjenigen Generation, aus der die Zelle zurückgeblieben ist. Beide Be¬
griffe fallen hier zusammen.
In älteren Kulturen dagegen, in denen keine nennenswerte Vermeh¬
rung mehr stattfindet, müßte, wenn das absolute Alter maßgebend
wäre, sich allmählich ein Ausgleich in der Weise vollziehen,
daß auch die jüngeren Zellen in ihrem Resistenzgrade sich
mehr und mehr den älteren näherten. Die Resistenz sämt¬
licher Individuen müßte also umso gleichförmiger werden, je
älter die Kultur ist. Das ist aber, wie wir gesehen haben, nicht der
Fall; die Unterschiede der Resistenz bleiben auch in alten Kulturen ge¬
wahrt. Wir müssen also annehmen, daß es vorwiegend das Genera¬
tionsalter ist, von dem die Resistenz abhängt. Daß die ersten
Generationen die resistentesten Individuen hervorbriugen, ist ja auch
durchaus verständlich, wenn man bedenkt, daß der Nährboden dann noch
am besten ist, und daß noch keine Schädigung durch die eigenen Stoff¬
wechselprodukte stattgefunden hat.
Daß in jungen Kulturen auch das absolute Alter insofern eine
Rolle spielt, als zur Ausbildung der Resistenz wahrscheinlich eine gewisse
Zeit erforderlich ist, habe ich vorhin bereits angedeutet.
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Die Abstebbeobdnung deb Bakteiiien ü. ihee Bedeutung usw. 217
Das Gesamtresnltat dieser Versuche an Bouillonkulturen verschiedenen
Alters läßt sich also dahin zusammenfassen, daß sie wohl geeignet sind,
zur Stütze der von uns entwickelten Theorie des Absterbevorganges zu
dienen. Ich bin mir wohl bewußt, daß eine Ergänzung dieser Unter¬
suchungen, die ja vorläufig nur an Bouillonkulturen der vegetativen
Formen eines einzigen Mikroorganismus angestellt sind, durch ähnliche
Versuche an Agarkulturen, an anderen Bakterienarten und besonders an
Sporen wünschenswert wäre, aber bei diesen sind die technischen Schwierig¬
keiten so groß, daß ich zunächst auf ihre Anstellung verzichten mußte.
Da aber eine prinzipielle Gleichheit der Vorgänge in allen diesen Fällen
doch wohl vorauszusetzen ist, ist ein Schluß von diesen Versuchen auf die
anderen Verhältnisse wohl nicht zu gewagt.
Praktische and theoretische Schlußfolgerungen.
Zum Schlüsse noch einige Bemerkungen über die Bedeutung der
bisherigen Resultate für die Theorie und die Praxis der Desinfektion.
Wenn wir die von mir entwickelte Auffassung, daß der gesetzmäßige Ver¬
lauf der Absterbekurve nicht auf einem physikalisch-chemischen Vorgang,
sondern auf der verschiedenen Resistenz der einzelnen Individuen beruht,
als richtig anerkennen, so gewinnt damit auch der Begriff der Desinfek¬
tionsgeschwindigkeitskonstante eine andere Bedeutung. Die Berechtigung,
diese Konstante zu bestimmen und als Unterlage für weitere Betrachtungen
zu benutzen, soll selbstverständlich nicht bestritten werden. Aber mau
muß sich, glaube ich, dabei doch dessen bewußt bleiben, daß es sich
hierbei gar nicht um eine Konstante im physikalisch-chemischen Sinne,
wie sie für die monomolekularen Reaktionen existiert, handelt und daß
die Übereinstimmung der beiden Vorgänge eine rein formale ist. Auch
die Konstante ist ein rein formaler Begriff, der überhaupt nur dann exi¬
stiert, wenn der entsprechende Aufbau der Bakterienmenge vorhanden ist.
Tatsächlich sind in letzter Zeit von Madsen und Ny man, von
Harriet Chick, sowie von Paul und seinen Mitarbeitern sehr inter¬
essante theoretische Untersuchungen über den Einfluß von Temperatur und
Konzentration der Desinfektionslösungen auf die Desinfektionsgeschwindig¬
keit angestellt worden, bei denen die Geschwiudigkeitskonstante als rein
physikalisch-chemischer Begriff angenommen wird.
Da bei diesen Untersuchungen in allen Fällen die Konstanz der
Desinfektionsgeschwindigkeit durch eine genügende Anzahl von Beobach¬
tungen festgestellt wurde, ist die formelle Berechtigung zur Aufstellung
und Benutzung der Konstante hier gewiß nicht zu bestreiten, und die
Tatsache, daß zwischen dieser Konstante und den anderen Größen gesetz-
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218
H. Reichenbach:
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mäßige Beziehungen bestehen, die denen bei anderen physikalisch-chemi¬
schen Vorgängen entsprechen, ist sicher von höchstem Interesse. Wie
weit aber die theoretischen Grundlagen dieser Versuche durch die ver¬
änderte Auffassung vom Wesen des Absterbevorgangs und vom Begriff
der Desinfektionsgeschwindigkeit berührt werden, fühle ich mich nicht be¬
rufen, zu entscheiden.
Fast noch bedauerlicher als für die Theorie ist es für die Praxis der
Desinfektion, daß sich der Begriff der Desinfektionsgeschwindigkeit —
im physikalisch-chemischen Sinne — nicht aufrecht erhalten läßt Für
die Beurteilung des Wertes eines Desinfektionsmittels wäre es höchst
wünschenswert, einen leicht zu bestimmenden, direkt vergleichbaren,
zahlenmäßigen Ausdruck zu besitzen, und als solcher könnte die Konstante
der Desinfektionsgeschwindigkeit dienen. Denn es bedürfte dann nur
weniger, zu verschiedenen Zeiten angestellter Keimzählungen — theore¬
tisch würden zwei genügen —, um die Konstante zu ermitteln. Fassen
wir aber den Absterbevorgang in unserem Sinne auf, so muß in jedem
einzelnen Falle erst nachgewiesen werden, daß die Desinfektionsgeschwin¬
digkeit wirklich konstant ist, oder in unserer Ausdrucksweise, daß der
Aufbau der Bakterien ein solcher ist, daß die einzelnen Resistenzstufen
eine geometrische Reihe bilden. Bei Milzbrandsporen scheint das ja regel¬
mäßig der Fall zu sein; wenn man sich also auf die Verwendung dieses
Testobjektes beschränkt, könnte man wohl daran denken, die Desinfek¬
tionsgeschwindigkeit als zahlenmäßigen Ausdruck für die Wirkung eines
Mittels zu benutzen und sich für seine Feststellung mit wenigen Probe¬
entnahmen zu begnügen. Will man aber auch andere Sporen, oder, was
sich bei der Prüfung schwächerer Desinfektionsmittel nicht umgehen läßt,
vegetative Formen benutzen, so ist eine größere Versuchsreihe zum Nach¬
weis der konstanten Desinfektionsgeschwindigkeit unerläßlich; zum min¬
desten müßte erst durch längere Vorarbeiten festgestellt werden, unter
welchen Bedingungen auf einen geeigneten Aufbau der Kultur mit einiger
Sicherheit gerechnet werden kann. Dadurch wird aber das Verfahren
umständlich und unsicher, so daß eine allgemeine Einführung in die
Praxis wenig aussichtsvoll zu sein scheint.
Bislang wird die Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels gewöhnlich
bemessen nach der Zeitdauer, die erforderlich ist, eine bestimmte Bakte¬
rienmenge vollständig abzutöten. Es ist aber wohl nicht immer genügend
berücksichtigt worden, daß bei diesem Verfahren die Abtötungs¬
zeit abhängig sein muß von der Zahl der ursprünglich vorhan¬
denen Bakterien. Für den gewöhnlichen Fall, daß der Absterbevor¬
gang einem Exponentialgesetz folgt, läßt sich diese Abhängigkeit leicht
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Die Abstebbeobdnung der Bakterien u. ihee Bedeutung usw. 219
berechnen. Nennen wir wieder « die Überlebenden, a die Anfangsmenge
und t die Zeit, so ist
_ Joga —logt»
1 ~ ' k
Nun läßt sich allerdings die Zeit, welche nötig wäre, um sämtliche
Keime abzutöten, nicht angeben, denn für ü — 0 würde t = oo werden.
Wohl aber ergibt sich für ü = 1, da log 1 = 0 ist, sehr einfach die
Gleichung:
log a
k *
d. h. also: die Zeit, welche nötig ist, eine Bakterienmenge a bis
auf einen Keim zu Termindern ist, proportional dem Logarith¬
mus Ton a. Nehmen wir z. B. £ = 0-05 und a= 10, so ergibt sich
als Wert von t 20 Minuten, für a = 100 40 Minuten, für a = 1000
60 Minuten, für a =» 10000 80 Minuten usw. Es können also für das¬
selbe Desinfektionsmittel, je nach der Zahl der verwandten Keime, ganz
verschiedene Abtötungszeiten gefunden werden, und die Vergleichung
zweier Desinfektionsmittel ist nur dann möglich, wenn sie auf
die gleiche Bakterienmenge eingewirkt haben. Die Versuchs¬
ergebnisse von Ficker, 1 der tatsächlich durch Vergrößerung der Anfangs¬
menge die Abtötungszeit verlängert fand, und von Schüder, 2 der den
Wert von Wassersterilisationsmitteln gegenüber anderen Untersuchern er¬
heblich herabgesetzt fand, dadurch, daß er große Wassermengen zur
Untersuchung heranzog 3 , finden hierin ohne weiteres ihre Erklärung.
Will man einen von der Anfangszahl unabhängigen Wert haben, so
muß man nicht mit der absoluten, sondern mit der relativen Verminde¬
rung der Bakterienmenge rechnen; man muß die Zeit bestimmen, die er¬
forderlich ist, die Anfangszahl auf einen bestimmten Bruchteil, etwa 1 /»
zu reduzieren. Diese Zeit ist = lo | n , also unabhängig von der Anfangs¬
menge. Theoretisch würde das auf dasselbe hinauskommen, wie die Be¬
stimmung von h und auch praktisch würde kein großer Unterschied sein,
da auch hierzu eine große Anzahl von Versuchen notwendig wäre. Wir
sehen aber aus diesen Überlegungen, wie verkehrt es wäre, die wirkliche,
1 M. Ficker, Über Lebensdauer und Absterben von pathogenen Keimen. Diese
Zeitschrift. Bd. XXIX. S. 1.
* Schüder, Über das Hünermann sehe Verfahren der Wasserdesinfektion.
Ebenda. Bd. XXXIX. 8.379.
* Natürlich ist, streng genommen, unter der Anfacgsmenge nicht die gesamte,
der Einwirkung des Desinfektionsmittels ausgesetzte Bakterienmenge, sondern der zur
Aussaat benutzte Bruchteil zu verstehen. Eine Vergrößerung dieses Bruchteiles muß
deshalb ebenfalls die Desinfektionszeit verlängern.
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220
H. Reichembach:
im einzelnen Fall erzielte Leistung eines Desinfektionsmittels und seinen
praktischen Wert dem Prozentsatz der in einer bestimmten Zeit ab¬
getöteten Keime proportional zu setzen. Das zeigt wieder am besten
ein Zahlenbeispiel. Für A = 0.05 werden 99 Prozent der Keime in
log_ioo _ _ 2 _ _ 4 q jdi nU ( ;en abgetötet; um aber dies letzte Prozent bis
auf einen Keim zu reduzieren, können je nach der Zehnerpotenz der An¬
fangszahl weitere 20, 40, 60 usw. Minuten erforderlich sein. Und wenn
ein anderes Desinfektionsmittel in derselben Zeit statt 99 nur 95 Prozent
der Keime abtötet, ist man leicht geneigt, diese beiden Leistungen als
nahezu gleichwertig anzusehen, während in Wirklichkeit das zweite
Mittel, um ebenfalls 99 Prozent abzutöten, 61-5 Minuten gebraucht
hätte. Die Konstante würde in diesem Falle statt 0-5 nur 0-325 be¬
tragen haben.
Auch für diese Betrachtungen besteht übrigens zwischen der rein
physikalisch-chemischen Auffassung und der unsrigen ein prinzipieller
Unterschied. Bei der ersteren Auffassung ist nämlich die Zunahme der
Desinfektionsdauer durch Vergrößerung der Anfangsmenge unbegrenzt;
theoretisch ließe sich die Desinfektionszeit durch Vergrößerung der Anfangs¬
menge beliebig verlängern, während nach unserer Auffassung diese Ver¬
längerung keineswegs unbegrenzt, sondern dann beendet ist, wenn die An¬
fangs- bzw. Aussaatmenge so groß gewählt ist, daß in ihr mindestens ein Keim
der höchsten Resistenzstufe vorhanden ist Auch darin liegt ein wichtiger
Unterschied, daß bei unserer Betrachtungsweise die Möglichkeit zugegeben
werden muß, daß einmal auch in eine kleinere Bakterienmenge Keime
hoher Resistenz hineingeraten, auch wenn diese Resistenzstufe so spärlich
vorhanden ist, daß man nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit ihr Vor¬
handensein in der Aussaatmenge nicht erwarten sollte. Die Desinfektions¬
dauer kann dadurch gegen Erwarten verlängert werden. Bei rein physi¬
kalisch-chemischer Auffassung ist diese Möglichkeit natürlich nicht vor¬
handen.
Diese letzte Betrachtung führt uns auf die für die praktische Anwendung
der Desinfektionsmittel höchst wichtige Frage, wie bei den in der Natur
vorhandenen, für die Desinfektion in Betracht kommenden
Bakterienansammlungen die Absterbekurve beschaffen ist.
Könnten wir annehmen, daß der Absterbevorgang hier ebenso verläuft wie
in künstlichen Kulturen, d. h. nach einem Exponentialgesetz, so würde auch
hier die zur Desinfektion erforderliche Zeit von der Menge der abzutötenden
Keime abhängig sein, und wir könnten daran denken, im praktischen
Falle je nach der Anzahl der zu erwartenden Keime unsere Desinfektions¬
maßregeln zu modifizieren. Nun gelten aber nach unserer Auffassung,
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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung üsw. 221
nach der die Absterbeordnung in nahem Zusammenhänge mit der Ent¬
stehung einer Bakterienmenge steht, unsere Erfahrungen über das Ab¬
sterben nur für solche Bakterienansammlungen, die in engstem, örtlichem
und genetischem Zusammenhänge unter gegenseitiger Beeinflussung ent¬
standen sind, für Kulturen, wie wir sie im Laboratorium züchten. Wir
können diese Erfahrungen also nicht ohne weiteres auf natürlich ver¬
kommende Bakterien, von deren Entstehungsgeschichte wir gar nichts
wissen, übertragen. Wir können deshalb auch über die Absterbeordnung
von natürlich vorkommenden Bakterienansammlungen nichts Voraussagen,
und wir können uns auch keine Vorstellung über die Verteilung der ver¬
schiedenen Resistenzstufen auf die einzelnen Individuen machen. Wir
müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß die einzelnen Keime von gleich¬
mäßiger, hoher Resistenz sind, und wir werden also vorläufig bei der
praktischen Ausführung der Desinfektion mindestens diejenigen Abtötungs¬
zeiten zugrunde legen müssen, die wir bei möglichst reichlicher Anfaugs-
menge für die resistentesten Individuen in künstlichen Kulturen ge¬
funden haben.
Bei rein physikalisch-chemischer Auffassung würde auch hier, theo¬
retisch wenigstens, die Sache anders liegen. Es würde dann, da nach
dieser Anschauung die Absterbeordnung von der Entstehung unabhängig
ist, auch bei natürlichen Bakterienansammlungen dieselbe Absterbeordnung
erwartet werden können wie bei künstlichen Kulturen.
Schlußsätze.
Die Resultate der vorstehenden Betrachtungen möchte ich in folgen¬
den Schlußsätzen zusammenfassen:
1. Das Absterben einer Bakterienmenge unter dem Einfluß irgend
einer Schädlichkeit geht meistens, aber nicht immer, nach einem Exponen-
tialgesetz vor sich.
2. Diese Absterbeordnung ist nicht die nach der Wahrscheinlichkeit
zu erwartende, sondern bedarf einer besonderen Erklärung.
3. Die Erklärungen, welche diese Absterbeordnung auf rein physika¬
lisch-chemische Gesetze zurückzufiihren versuchen, können nicht voll be¬
friedigen.
4. Es ist uns wahrscheinlicher, daß die ungleiche Lebensdauer der
verschiedenen Individuen auf ihrer ungleichen Resistenz beruht.
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222 H. Reichenbach: Die Absteebeobdnuno deb Baktebien usw.
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5. Daß die einzelnen Resistenzstnfen gerade in solcher Anzahl vor¬
handen sind, daß das Absterben nach einem Exponentialgesetz erfolgt,
läßt sich vielleicht durch die Annahme erklären, daß die Resistenz der
einzelnen Individuen von ihrem Alter abhängig ist. Wenigstens läßt sich
zeigen, daß unter gewissen Voraussetzungen für die Entstehung einer
Bakterienkultur die verschiedenen Altersstufen eine geometrische Reihe
bilden können.
6. Für die Theorie und die Praxis der Desinfektion ergeben sich aus
dieser Absterbeordnung wichtige Konsequenzen. Diese Konsequenzen sind
verschieden, je nachdem man die Absterbeordnung als einen rein physi¬
kalisch-chemischen Vorgang oder eine, durch die verschiedene Resistenz
der Individuen bedingte Erscheinung auffaßt.
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Budapest.]
(Direktor: Prof. L. von Liebermann.)
Ist das gebackene Brot steril?
Von
B. v. Fenyvesay und L. Dienes.
Da das Brot beim Backen einer hohen Temperatur ausgesetzt war,
pflegt man anzunehmen, daß pathogene Keime, die während des An-
machens und Knetens des Teiges etwa hinein gekommen waren, im fertigen
Brot abgetötet sind. 1
Aber schon der Umstand, daß gewisse Brotkrankheiten, z. B. das so¬
genannte Schleimigwerden, von Sporen herrühren, die im Mehle vor¬
handen waren, macht es wünschenswert, die Frage näher zu untersuchen,
ob denn mit Sicherheit angenommen werden kann, daß beim Backen alle
Arten pathogener Keime abgetötet werden. Diesen Schluß haben Balland
uud Masson* gezogen, da sie beobachtet hatten, daß die Temperatur
im Inneren des Brotes 101 bis 102° C erreicht, jedenfalls aber nicht
unter 99° bleibt, und weil die Reaktion des Brotes für dessen Sterilität
günstig ist.
Wir wollten uns durch Versuche davon überzeugen und haben erst
nach Beendigung derselben erfahren, daß im vorigen Jahre Auche 3 ähn¬
liche Versuche mitgeteilt hat, die in manchen Dingen mit den unserigen
übereinstimmen.
Die vorliegende Mitteilung halten wir aber trotzdem nicht für über¬
flüssig, einerseits, weil unsere Methodik eine andere war, andererseits, weil
wir im Gegensätze zu Auchö gefunden haben, daß das Innere des Brotes
in den meisten Fällen nicht steril ist.
1 S. E. Gotschlich, Allgemeine Prophylaxe der Infektionskrankheiten. Kolle-
Wassermann: Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. Bd. IV. S. 58.
* Balland u. Masson, Comptes Rendus. 1893. CXVII. p. 519—521; 797—799.
* Auche, Compt. Rend. de Soc. Riol. 1910. T. LXV1I1. p. 332.
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224 B. v. Fenyvessy u. L. Dienes: Ist das gebackene Beot stebil?
Wir haben dreierlei Versuche angestellt: 1. Die Temperatur im
Innern der Brote während des Backens bestimmt; 2. dem Teige bekannte
Bakterien zngesetzt und nachgesehen, ob sie sich aus dem fertigen
Brote herauszüchten lassen; 3. untersucht, ob Brot im Innern wirklich
steril ist.
Um die Temperatur zu bestimmen, haben wir in den Teig, möglichst
zentral, entweder leichtflüssige Legierungen von bekanntem Schmelzpunkt,
oder, in unseren späteren Versuchen, kleine, zu diesem Zweck verfertigte
Maximalthermometer eingeknetet.
Bei einem Brot von 1100 Gewicht, 19 cm Länge, 17 cm Breite und
10*5 cm Dicke, welches nach dem Backen nur semmelgelb (nicht braun)
gefärbt war, haben wir gefunden, daß eine bei 94 0 schmelzende Legierung
nicht geschmolzen war. Bei Broten von ähnlicher Größe, die zum Teil
im Sparherd, zum Teil beim Bäcker gebacken wurden, fanden wir, daß
das Maximalthermometer bis 94° bzw. 104° gestiegen war.
Es wurden dem Teig während des Knetens Emulsionen von ein¬
tägigen Kulturen von B. Koli und Prodigiosus zugesetzt. Das fertig ge¬
backene Brot wurde nach dem Abkühlen, mit der Flamme eines Bunsen¬
brenners an der Oberfläche gründlich abgebrannt, mit einem sterilen
Messer zerschnitten und von verschiedenen Stellen mit einer ausgeglühten
Pinzette Stückchen der Krume herausgezupft, die sofort in sterile Bouillon
gebracht wurden. Es zeigte sich (nach Verweilen vod 1 , 2 und 3 Tagen
im Thermostaten), daß die zugesetzten Bakterien wohl abgetötet waren,
daß sich aber doch andere Bakterien entwickelt hatten. -
Die auf die Sterilität der Brote gerichteten Versuche haben dann ge¬
zeigt — und zwar ebenso bei Broten von größeren Dimensionen, als bei
Semmeln —, daß in ihnen meistens sporenbildende Bakterien Vorkommen,
daß sie also nicht steril sind.
Zusammenfassung.
1. Die Temperatur im Innern der Brote erreicht beim Backen 94°
bis 104 °.
2. Zufällig in den Teig geratene pathogene Bakterien, insofern sie
nicht sporenbildend sind, dürften beim Backen sicher abgetötet werden.
3. Der Teig enthält meist Sporen, die beim Backen nicht abgetötet
werden. Brot ist also nicht sicher steril, und es könnte geschehen, daß
auch zufällig in das Mehl bzw. den Teig gelangte pathogene Sporen nach
dem Backen noch entwicklungsfähig bleiben. Allerdings ist von einer auf
diesem Wege entstandenen Infektion bisher nichts bekannt geworden.
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[Aus dem Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.]
(Medizinische Abteilang: Oberarzt Dr. Beiohe.)
Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie.
Von
Dr. William Leede.
AsdatensArst.
Bei einer Reihe von schwersten Diphtheriefällen, die nach längerem
fieberfreien Verlauf auf der Diphtheriestation der Erkrankung an späten
Krankheitstagen und zum Teil einer akut einsetzenden Herzschwäche er¬
lagen, fand sich hei der im hiesigen pathologischen Institut durchschnitt¬
lich 24 Stunden nach dem Tode yorgenommenen bakteriologischen Leichen¬
blutuntersuchung auffallend häufig ein mit Streptokokken durchsetztes
Blut. Das klinische Bild in vielen dieser Fälle hatte nichts von einer,
wenigstens längere Zeit vor dem Tode erfolgten Bakterieninvasion ins Blut
vermuten lassen. Auch war die Agone in den meisten nur eine kurze,
da es sich um Tod durch rasche Herzlähmung handelte. Diese Befunde
waren für mich Veranlassung, Untersuchungen über das zeitliche Ein¬
dringen der Bakterien in den Blutstrom anzustellen.
Bei 18 Kranken mit schwersten diphtherischen Prozessen wurde
intra vitam aus der Vena mediana Blut entnommen und kulturell ver¬
arbeitet. Die Technik der Blutentnahme am Lebenden ist die jetzt all¬
gemein geübte und vielfach beschriebene. Da man aber bei diesen vor¬
wiegend aus Kindern bestehenden Krankenmaterial kurz vor dem Tode
nur mit größter Mühe wegen der Debilitas cordis und der schlechten
Füllung der kaum sichtbaren Venen, und dann auch nur eine geringe
Menge Blut zur bakteriologischen Untersuchung gewinnen kann, so ent¬
nahm ich in vielen Fällen postmortal, gewöhnlich schon nach 10 Minuten,
vereinzelt spätestens nach 3 Stunden, das Blut aus dem Herzen.
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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William Leede:
Zu dieser Herzpunktion wurde die Haut in der Gegend des H. Inter¬
kostalraumes links oder rechts Tom Sternum mit Jodtinktur desinfiziert.
Eine Luersche Spritze mit einer mindestens 12 0,0 langen Kanüle mit
weitem Lumen wird hart am Sternalrand (rechts oder links) schräg nach
innen (um der Lunge auszuweichen) und unten eingestoßen; so trifft man
leicht den rechten Yorhof, aus dem man nun durch Aspiration genügend
Blut gewinnen kann. Ich habe nie unter 8“” erlangt, gewöhnlich
waren es 20 ocm .
Das so gewonnene Blut zeigte in einigen Fällen feinflockige, dunkel¬
schwarzrote Gerinnsel, und zwar in Fällen, wo die Punktion schon sehr
schnell nach dem Tode vorgenommen wurde. Unter diesen waren sowohl
solche mit Bazillenbefund, als auch solche, die absolut steril blieben, so daß
diese Erscheinung sich mit bakteriziden Körpern wohl nicht ohne weiteres
erklären läßt.
Stets wurden 1 bis 2 ocm Blut in sterile Bouillon gebracht, das übrige
Blut mit Agar und Traubenzuckeragar vermischt und in Petrischalen
ausgegossen. Wie hier bei allen Blutentnahmen üblich, wurden wechselnd
große Blutmengen mit Agar zusammengebracht, um so eine Blutver¬
dünnung in verschiedenem Grade zu bewirken und ein Einwirken der
bakteriziden Körper hintan zu halten.
Großen Wert legte ich bei meiner Untersuchungsreihe auf die
Bouillonkultur, die ich stets nach je 24 Stunden auf Blutagarplatten und
auf Hammel blutagarplatten (Löffler) ausstrich. Sogelang es mir in acht
Fällen Bakterien nachzuweisen, bei denen meine Blutplatten nach 3 mal
24 Stunden steril geblieben waren. Waren Bazillen im Blut, und es
handelte sich gewöhnlich um Streptokokken, so zeigte sich in der Blut¬
bouillon Hämolyse früher oder später je nach der bei der Blutentnahme
in die Bouillon gelangten Keimzahl. Ausgestrichen auf Agar wuchsen
schon nach 12 Stunden hämolysierende Streptokokken, in zwei Fällen
auch noch Diphtheriebazillen.
Die Ergebnisse meiner Untersuchungen habe ich tabellarisch geordnet.
Zuerst sind die am Lebenden, später die bei den Toten erlangten Befunde
zusammengestellt. Die Reihenfolge ist nach dem Alter aufgestellt; als
Hauptgruppen sind die Altersklassen, wie sie bei der Medizinalstatistik
des hamburgischen Staates üblich sind, gewählt.
Zur weiteren Erläuterung der verschiedenen Rubriken meiner beiden
großen Tabellen sei kurz folgendes augeführt.
Besonderes Gewicht wurde auf Feststellung des Krankheitsbeginns
bzw. des Krankheitstags bei der Aufnahme gelegt, soweit er sich durch
Angabeu des Krauken oder seiner Angehörigen ermitteln ließ. Wir pflegeu
unsere Fälle in leichte, mittelschwere und schwere einzuteilen. In dieser
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Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie.
227
Arbeit handelt es sich ja um schwere Verlaufsformen, die als solche auf¬
kamen, ausgenommen ein Fall, der durch ein später am 19. Krankheits¬
tag auftretendes Rezidiv so schwer wurde, daß tracheotomiert werden
maßte.
Die Schwere des Falles hängt mit von den bei der Aufnahme schon
vorhandenen und später hinzutretenden Komplikationen ab und werden
diese in den Tabellen gesondert wiedergegeben. Sie zeigen, daß trotz
hoher und frühzeitiger Serumgabe — in allen unseren hier angeführten
Fällen wurden durchschnittlich 6000 und mehr Serumeinheiten gegeben
— manche Patienten doch erlagen. Eine weitere Rubrik gibt die bei der
Aufnahme vorhandene Temperatur wieder. Wiederholt sahen wir, daß
gerade die schwersten Fälle nur geringe oder gar keine Temperatur¬
erhöhung aufwiesen. Sodann ist in einer weiteren Spalte der Todestag
mit der letzten Temperaturmessung vermerkt. Ich führte die letzten
Messungen an, weil ich glaubte aus ihnen Anhaltspunkte über das Ein¬
dringen der Bakterien in den Blutstrom zu gewinnen. Es zeigt sich, daß
bei Todesfällen an späten.Krankheitstagen sowohl bei hohem als auch
bei niedrigem Fieber sich gleich häufig bakterienhaltiges, als steriles Blut
findet. Die beiden letzten Rubriken geben die bakteriologischen
Resultate der Blutentnahmen unmittelbar nach dem Tode als auch der
nach 24 Stunden bei der Autopsie gemachten wieder. Aus der Gegen¬
überstellung beider Untersuchungsreihen wird das verschiedene Verhalten
der Bakterienzahl veranschaulicht.
In den beiden Haupttabellen sind die Fälle durch Fettdruck besonders
bezeichnet, bei denen sowohl intra vitam, als post mortem eine Blut¬
untersuchung vorgenommen wurde. Sie werden im Anschluß an Tabelle I
besprochen werden.
Betrachten wir zunächst kurz die Tabelle I der intra vitam gemachten
Blutuntersuchungen, so ergibt sich, daß unter den 18 Fällen mit 10 Exitus
nur 2 im kreisenden Blut Bazillen hatten. Bei 14 dieser Kranken, von
denen 7 bald nach der Einlieferung starben, wurde in den ersten zwei¬
mal 24 Stunden nach ihrer Aufnahme die Blutentnahme gemacht; es
waren durchweg Fälle mit zum Teil schwerer Beteiligung der Nase und
des Kehlkopfes, auch standen sie bei der Aufnahme an vorgeschrittenen
Krankheitstagen. In dem Fall 1 war die Bakterieneinschwemmung
zweifellos nicht durch die Rachendiphtherie bedingt, sondern durch eine
nicht zur Diphtherie gehörige Komplikation. Das Kind zeigte eine schwere
Hautabschürfung an der Stirn, von der aus eine phlegmonöse Eiterung
über die ganze Stirn und das Gesicht sich verbreitet hatte. Es kommt
dieser Fall daher für die Beurteilung der Bakterieninvasion bei Diphtherie
in Wegfall.
15*
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Tabelle I.
Blutentnahmen am Lebenden.
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SS «5 aL aj -i p Cu K Cu »tc jO<üi e- fe 3 :
Protokoll¬
nummer
7 856/11
6 304/11
7358/11
104/11
7164/11
21 780/10
1 117/11
6 370/11
20 696/10
7 426/11
5041/11
1297/11
6 866/11
6 513/11
7 488/11
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Baktebiologische Blutbefunde bei Diphthebie.
229
Bei einer Erwachsenen (Fall 18) konnte 3 Tage nach ihrer Auf¬
nahme, am 6. Krankheitstag und 9 Tage vor dem Exitus im strömen¬
den Blut neben Streptococcus pyogenes der Diphthcriebacillus
nachgewiesen werden; letzterer nur in der Bouillon, erstere auch ver¬
einzelt in der Blutagarplatte. Dieser Befund ist außerordentlich wichtig,
denn bei der sofort nach dem Tode vorgenommenen Blutuntersuchung
fanden sich nur noch Streptokokken. Es handelt sich somit um einen
Fall von temporärer Bakteriämie durch Diphtheriebazillen. Der Fall war
durch schwerste Ulzerationen am Gaumen und Larynx, sowie durch eine
Pneumonie beider Unterlappen mit nachfolgendem Empyem besonders
grav und hat auch während der ganzen Zeit hoch gefiebert.
An dieser Stelle möchte ich auf die oben erwähnten Fälle zurück¬
kommen, bei denen intra vitam und post mortem eine bakterio¬
logische Blutuntersuohung stattfand. Dieselben sind die in
Tabelle I als Nr. 3, 5, 10, 12, 14, 16, 18
und in Tabelle II als Nr. öl, 53, 58, 59, 60, 61, 62
verzeichneten.
Unter ihnen wurden in den Fällen
Tabelle I 3, 10, 14,
Tabelle II 51, 58, 60
das Blut einerseits einige Stunden vor dem Exitus der Kubitalvene, ander¬
seits sofort post mortem dem Herzen entnommen. Nur bei dem Fall
jTj wuchsen aus dem Herzblut Streptococcus pyogenes, während alle anderen
Blutentnahmen steril blieben.
Zusammenfassend sehen wir aus obiger Zusammenstellung, daß folgende
Komplikationen, die die Schwere der Fälle charakterisieren, zur Beobach¬
tung gekommen sind (vgl. Tabelle III).
Es sind diese Komplikationen auch insofern interessant, als gerade
bei ihnen in der Mehrzahl unserer Fälle das Blut bakterienhaltig
war. Eine später wiederzugebende Tabelle wird ihr Verhalten noch ein¬
gehender veranschaulichen.
Unter meinen 62 Fällen war die Nase 45mal schon bei der Auf¬
nahme beteiligt, und es dehnten sich durchschnittlich die Membranen bis
an den Naseneingang aus. In sämtlichen Fällen wurde der Löffler-
Bacillus nachgewiesen. Weniger häufig war der Kehlkopf ergriffen, aber
dann auch durchweg schwer; unter 29 Larynxstenosen konnte nur sieben¬
mal von einer Tracheotomie Abstand genommen werden. Eine besonders
schwere und nach unseren Erfahrungen fast absolut letal verlaufende
Komplikation ist die hämorrhagische Diathese, mit welcher 5 Kranke
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Tabelle II.
Blutentnahmen an der Leiche.
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Bakteriologische Blütbefcnde bei Dephthebie.
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auf kamen; in 9 Fällen trat sie in den ersten Tagen der hiesigen Behänd
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Tabelle III.
Das Verhalten der Komplikationen zum Lebensalter.
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Die Bronchopneumonien und Pneumonien pflegten bei unseren
Fällen erst im Verlauf der Erkrankung sich hinzuzugesellen und dann
gewöhnlich nur einen Lappen zu ergreifen.
Tabelle IV.
Das Verhalten des Krankheitstags bei der Aufnahme.
Krankheitstag
1. 1
2.
8.
4.
5.
6. und darüber 111 *
bis lJahr. . . .
—
—
1
—
—
—
** unter diesen
einer vom 30. u.
1— 5 Jahre . . .
2
10
11
6
3
2
einer vom 50.
5—15 Jahre . . .
—
3
7
3
1
6
Krankheitstag.
15—25 Jahre . . .
—
1
3
—
—
1
25 -50 Jahre . . .
—
—
—-
—
o
—
Zusammen:
2
14
22
9
6
9
62
I
Für die Prognose ist neben den Komplikationen auch der Krank¬
heitstag, an welchem der Kranke in Behandlung kommt, von großer
Bedeutung, wie schon obige Zusammenstellung zeigt, und überhaupt viel¬
fach in größeren Beobachtungsreihen besonders betont worden ist. Die
meisten unserer Fälle wurden erst am dritten Erkrankungstag und später
eingeliefert. Weiter sehen wir, daß es das jüngste Lebensalter bis zu
5 Jahren ist, welches besonders schwer betroffen wird. Die beiden am
30. und 58. Krankheitstag eingelieferten Fälle starben innerhalb der
ersten 24 Stunden nach ihrer Aufnahme; es handelte sich um ausgebreitete
postdiphtherische Lähmungen.
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236
Willi au Leese:
In der folgenden Tabelle habe ich die sowohl klinisch (62) als ana¬
tomisch (60) untersuchten Fälle nebeneinander gestellt. Der Einfachheit
halber wählte ich die Ausdrücke „klinisch“ und „anatomisch“ und ver¬
stehe unter klinischen Fällen die unmittelbar nach dem Tode im Neben¬
raum des Erankensaales von mir als klinischem Assistenten vorgenommene
Herzpunktion, und unter anatomisch die im anatomischen Institut 24 Stunden
post mortem vorgenommene Blutentnahme aus dem Herzen nach der von
Schottmüller angegebenen Methode bei freigelegtem Herzen.
Es kommen durch Sektionsverweigerung zwei anatomische in Fort¬
fall, bei dem einen fand ich streptokokkenhaltiges, bei dem anderen
steriles Blut.
Tabelle V.
Zahl und Ausfall der klinischen und anatomischen
Blutuntersuchungen.
1
i
Zahl der bakteriolog.
untersuchten Fälle
klinisch | anatomisch
Bazillen
Blut na<
klinisch
wurden im
shgewiesen
anatomisch
Bazillen wurden
nur nachgewiesen
klinisch j anatomisch
bis 1 Jahr
! 1
1
—
1
—
1
1—5 Jahre
34
33
21
22
2
1 4
5-15 „
20
19
8
10
o
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15-25 „
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5
3
3
—
25-50 ..
1 2
2
2
2
—
—
Zusammen:
i 62
60 1 1
1
1 34
38
! 5
!
1 10
1 2 Autopsien waren untersagt.
Während ich nun 34 mal bazillenhaltiges Blut gewann, ergab die ana¬
tomische Untersuchung in 38 von 60 Fällen ein positives Resultat. Ferner
weist das Lebensalter zwischen dem 1. und 5. Lebensjahre bei weitem die
meisten positiven Befunde auf, worauf das spätere Kindesalter an zweiter
Stelle folgt. Aus den letzten beiden Rubriken ergibt sich, daß während
ich in 5 Fällen Bakterien nachweisen konnte, bei anatomisch sterilem
Blut, anatomisch 10 mal bazillen haltiges Blut sich fand bei klinisch sterilem.
Im Anschluß an die Besprechung der Tabelle IX wollen wir näher auf
diese Tatsache zurückkommen.
Wie schon erwähnt, spielen die Komplikationen bei der Bakterien¬
invasion ins Blut eine große Rolle, wie sich aus der nun folgenden Tabelle
ergibt, wo von 9 komplikationslosen Fällen nur 5 ein positives Resultat
ergaben, während unter den 51 Testierenden 38 mal Bazillen nachgewiesen
werden konnten.
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Baktebiologische Blutbefunde bei Diphthebie.
237
Ta belle VI.
Das Verhalten der Komplikationen zum bakteriologischen
Blutbefund.
Zahl
klinisch: —
anatomisch: —
klinisch: —
anatomisch: +
klinisch: +
anatomisch: —
klinisch: *F
anatomisch: + |
Nase (darunter auch l Fall mit Augendiphtherie
und 1 Fall mit Paresen).
16
5
1
i
9
Nase und Larynx.
2
1 2
—
—
—
Nase; Larynx; hämorrhagisehe Diathese . . .
5
1
3
—
1
Nase; Larynx; hämorrhagische Diathese; Tracheo¬
tomie .
3
1
_
2
Nase und hämorrhagische Diathese.
5
2
1
—
o
Nase; Larynx; Tracheotomie.
12
1
4
1
6
Nur Larynx.
l
—
—
1
Larynx und Tracheotomie.
7
1
i
5
Koraplikationsfreie Fälle (darunter 2 mit Paresen)
9
4
1
2
2
Zusammen:
60
17
10
5
28
— = negativ = steriles Blut
+ = positiv = bazillenhaltiges Blut.
(Die beiden anatomisch nicht gemachten Untersuchungen sind hier nicht aufgezählt.)
Auch hier finden wir die meisten positiven Resultate in solchen
Fällen, bei denen die Nase allein (neben dem Rachen) beteiligt ist, so
11 mal unter 16. Bei den übrigen Komplikationen, abgesehen von 8 Fällen
reiner diphtherischer Larynxstenose, ist die Nase stets ergriffen gewesen.
Unter den 13 hämorrhagischen Diathesen, bei welchen stets andere
schwere Begleiterscheinungen zu verzeichnen waren, erwies sich das Blut
sowohl klinisch als auch anatomisch 4 mal steril.
Bei dem Tod an spätem Krankheitstag durch Herzinsuffizienz,
wo die durch die Diphtherie gesetzten Ulzerationen im Rachen usw. schon
längt abgeheilt sind, könnte man vermuten, daß durch Ausschalten der
Wundfläche als Eingangspforte für die Bazillen stets ein steriles Blut sich
findet. Es zeigt sich aber, daß (rechnen wir z. B. vom 19. Krankbeitstag
an) sich das Blut ebensooft infiziert zeigte als nicht. In einem Fall, der
durch eine späthin auftretende Bronchopneumonie am 33. Krankheitstag
ad exitum kam, wuchsen neben Streptococcus pyogenes auch anatomisch
Pneumokokken.
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Die beiden anatomisch nicht untersuchten sind hier angeführt.
288
William Leede:
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Original fro-m
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
Das Verhalten des Blutes in bezug auf Keime zum Todestag.
Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie.
239
Tabelle VII gibt einen Überblick über das Verhalten des Blut¬
befundes zu den Todestagen, wobei der Kürze halber mehrere nahe¬
liegende unter eine Rubrik zusammengefaßt wurden. Es fällt sofort auf.
daß die Infektion des Blutes mit Streptococcus pyogenes bei
weitem die häufigere ist.
Wie aus der nun folgenden Zusammenstellung ersichtlich, kommen
reichlich Mischinfektionen vor, doch decken sich unsere Resultate nicht
immer; denn zweimal fand ich neben Streptokokken noch Diphtherie¬
bazillen, wohingegen anatomisch in dem einen Fall nur Diphtherie¬
bazillen, in dem anderen nur Streptokokken gezüchtet wurden; zweimal
wurden anatomisch neben Streptokokken auch Löfflerbazillen nach¬
gewiesen, während ich in dem einen nur Streptokokken isolierte, in dem
anderen blieb das Blut steril.
Tabelle VIH.
Die nachgewiesenen Bakterienarten.
1
klinisch
1 anatomisch
Streptococcus pyogenes.
29
23
Streptoc. pyog. + Bacillus diphtheriae.
4
4
Streptoc. pyog. + Bacterium coli.
1
1
Streptoc. pyog. + Staphylococcus aureus.
l
3
Streptoc. pyog. -f Diplococcus lanceolatus.
' —
1
Streptoc. pyog. + Dipl. lanc. 4* Staphyl. aur. . . .
—
1
Bacterium coli. |
—
1
Bacillus diphtheriae.
—
1
Diplococcus lanceolatus.,
—
Staphylococcus aureus.
—
i 2
Zusammen:
34
38
Ferner fanden sich in dem einen Fall klinisch neben Streptokokken
auch Bacterium coli, anatomisch dagegen nur Colibazillen, in einem
weiteren Fall waren klinisch nur Streptokokken, dagegen anatomisch auch
Colibazillen vorhanden. Es folgen nun die übrigen Bazillenarten, wobei
auffällt, daß bei der anatomischen Untersuchung sich eine Reihe anderer
Bazillen ergibt, die bei meiner vermißt werden. Wir können als nächst-
liegenden Grund wohl nur als Tatsache annehmen, daß es doch eine
postmortale Bakterieninvasion in die Blutbahn gibt. Tabelle IX
illustriert dieses.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
240
WiliiIam Leede:
Tabelle IX.
Das Verhalten der klinisch festgestellten zn der anatomisoh
festgestellten Keimzahl.
Es konnten klinisch nachgewieaen werden:
i
nur i. Bouillon
Es waren
steril:
bei sterilen
spärlich
zahlreich
zahllos
|
Blutplatten
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| Zahl
der Fälle*.
8
8
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—
§
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i
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1 l
Es waren klinisch and anatomisch steril 17 Blntuntersnchungen.
Zur Erläuterung sei bemerkt, daß in der oberen horizontalen Rubrik
meine Untersuchungsreihe nach dem Bazillenreichtum gesondert ist und
ich bezeichnte als „spärlich“ Fälle mit bis zu 10 Keimen im Kubik¬
zentimeter, „zahlreich“ solche bis zu 20 Keimen und als „zahllos“, wenn
die Keimzahl noch größer ist; denn es handelte sich hierbei gewöhnlich
um solche, bei welchen die Blutplatten vollständig mit Keimen durchsetzt
waren, so daß durch Hämolyse (es waren durchweg Streptokokken) die
sonst roten Blutagarplatten völlig entfärbt waren.
In der linken vertikalen Rubrik sind die anatomischen Resultate in
gleicher Weise eingeteilt. Die beiden anatomisch nicht untersuchten
Fälle (Sektionsverweigerung) sowie die übrigen klinisch und anatomisch
steril gebliebenen 17 sind hier nicht angeführt.
Das Verhalten der klinisch untersuchten Fälle in bezug auf weitere
Bakterienentwicklung in der Leiche läßt sich durch Lesen von oben nach
unten und Vergleichen mit der linksstehenden anatomischen Bezeichnung
leicht verfolgen und ebenso können von links nach rechts gelesen unter
Beobachtung der oben stehenden Bezeichnungen die anatomischen mit
den klinischen Ergebnissen verglichen werden.
Während die klinischen Befunde sich auf die angeführten Unter¬
gruppen gleichmäßig verteilen, finden wir unter „zahllos“ bei den ana¬
tomischen 26 Fälle verzeichnet gegenüber 8 klinischen.
Achtmal konnte ich nur in Bouillon Bazillen züchten (bei sterilen
Blutplatten), dagegen waren anatomisch einmal „spärliche“, zweimal
„zahlreiche“, viermal „zahllose“ und einmal keine Bazillen nachgewiesen
worden.
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Baktebiologische Blutbefuhde bei Diphthebie.
241
Es findet also postmortal oft eine sehr lebhafte Bakterien -
Vermehrung in der Leiche statt.
Besonders interessant ist die letzte horizontale Rubrik, nach der
anatomisch fünfmal keine Bazillen nachgewiesen werden konnten, während
in drei Fällen sogar klinisch die Platten durch die zahllosen Keime total
entfärbt waren, in einem weiteren Fall nur spärlich, in einem anderen
nur in Bouillon sich Bazillen fanden. Solange Untersuchungsfehler nach
unserer festen Überzeugung ausgeschlossen, müssen demnach irgendwelche
bakterizide Kräfte im Leichenblut weiter gewirkt, möglicherweise auch
sich neugebildet haben, so daß innerhalb der ersten 36 Stunden nach dem
Tode sämtliche Keime untergingen.
Warum in vereinzelten Fällen alle Keime, in anderen die eine oder
die andere Keimart aus dem Blut bei der anatomischen Untersuchung
verschwunden waren; ob die in Frage kommenden bakteriziden Körper
durch Leukozytenzerfall entstehen, muß, ehe weitere Untersuchungen vor¬
hegen, dahingestellt bleiben. Leider konnten bei den derzeitigen sehr
zahlreichen und schweren Aufnahmen aus äußeren Gründen klinische
Untersuchungen, ob diese Fälle und welche von ihnen unter Leukozytose
bzw. Leukopenie letal verliefen, nicht angestellt werden. Hinsichtlich
dieser rein theoretischen und spekulativen Fragen sei auf die serologische
Literatur verwiesen. 1
Meine Vermutung, daß in einzelnen Fällen doch eine postmortale
Bakterieninvasion in die Blutbahn nicht von der Hand zu weisen ist, da
das klinische Bild vor dem Tode bei vielen Fällen gegen eine Bakteriämie
(wie sie anatomisch sich so oft fand) sprach, findet in dieser kleinen Unter¬
suchungsreihe eine Stütze. Es ist in dieser Beziehung die letzte klinische
Rubrik ausschlaggebend. Denn wir sehen, daß von 10 künisch absolut
steril gebliebenen Herzpunktiouen vier spärlich, eine zahlreich und sogar
fünf zahllose Keime bei der anatomischen Blutentnahme aufwiesen.
Man könnte einwenden, ich hätte durch das Anstechen des rechten
Vorhofes den Bazillen Tür und Tor geöffnet und so ein anatomisch
positives Resultat ermöglicht. Allein dieser Einwand erscheint nicht stich¬
haltig, da in 17 meiner Diphtheriefälle sowohl anatomisch als klinisch
steriles Blut gewonnen wurde, und vor allem sprechen die Fälle gegen
solche Bedenken, bei welchen klinisch bazillenhaltiges dagegen, anatomisch
steriles Blut sich fand. Um ein eventuelles Eindringen von Bazillen
durch den Stichkanal, wenn dieser durch ein oft bazillenhaltiges Organ,
wie die Lunge in schwersten Fällen zu sein pflegt, führt, nach Möglich-
* Hans Mach, Jahrbücher der Hamhurgitchen Staattkrankenamtalten. Bd. XII;
XIII; XVI. — Vgl. auch Much, Würzburger Abhandlungen. 1909. Bd. IX. —
ImmunilätswUzentch a flen. 1911.
Zeltscbr. f. Hygiene. LXIX
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16
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242 William Leede: Baktebiologische Blutbefunde usw.
keit auszuschließen, stach ich hart am Sternalrand ein und nahm so meinen
Weg zum Herzen nur im Mediastinum, bei den Autopsien wurden auch
nie Verletzungen der Lunge gesehen.
Fasse ich kurz zusammen, so ergibt sich aus meiner Unter¬
suchungsreihe:
1. Daß Bakterien bei der Diphtherie schon intra vitamund
zwar lange vor dem Tode im Blute kreisen können (ein positiver
Fall unter 18).
2. Daß gerade hier die spezifischen Löfflerbazillen auf der
Höhe der Diphtherie 9 Tage vor dem Tode gewonnen wurden,
und daß diese später nicht mehr nachweisbar waren, es mithin
eine temporäre Bakteriämie war.
3. Daß frühzeitige und später vorgenommene postmortale
Blutuntersuchungen sehr häufig Bazillen ergaben.
4. Daß schließlich aus den letzten Beobachtungen re¬
sultiert:
a) Es findet eine postmortale Vermehrung von Keimen in
dem Leichenblut statt.
b) Es gibt dem gegenüber aber Fälle, in welchen zwar bei
dem Tode in der Blutbahn sich Bazillen finden, die jedoch in
den ersten 36 Stunden post mortem an Zahl sehr abnehmen
und selbst vollständig verschwinden können.
c) Es ist schließlich eine postmortale und zwar bereits in
den ersten 24 bis 36 Stunden nachweisbare Bakterieninvasiou
in die Blutbahn möglich und anscheinend sogar häufig (unter
43 Fällen 10 mal).
In dieser letzteren Beziehung stehe ich in einem Gegensatz zu
Strauch 1 , der die Annahme einer postmortalen Bakterieninvasion in den
Blutstrom unter der Voraussetzung einer guten Leichenkonservierung für
unberechtigt hält.
Auf seine Arbeit möchte ich zum Schluß noch besonders verweisen,
da er neben dem besonders stattlichen Material von 2000 am hiesigen
pathologischen Institute ausgeführten bakteriologischen Leichenblutunter¬
suchungen eine ausführliche Zusammenstellung der Literatur über Leichen-
blutuntersuchungen gibt.
1 Strauch, Uber bakteriologische Leichenblutuntersuehungen. Diese Zeitschrift.
1910. Bd. LXV, — Vgl. auch Bonhoff, Über das Vorkommen von virulenten
Diphtheriebazillen im Blut und in der CerebrospinalHüssigkeit beim Menschen. Ebenda.
1910. Bd. LXVII.
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[Aus der bakteriologischen Abteilung der hygienisch-chemischen Unter¬
suchungsstelle beim Sanitatsamt des II. Armeekorps.]
Beitrag zur Hygiene der Wand an striche.
Von
Stabsarzt Dr. Hüne.
Zur Beurteilung eines Wandanstriches vom hygienischen Standpunkte
aus sind folgende Fragen zu stellen: . .
I. In welcher Weise und unter welchen Bedingungen üben Wand¬
anstriche auf die Weiterverbreitung von Krankheiten einen Einfluß aus?
II. Wie müssen Wandanstriche beschaffen sein, um der Weiterver¬
breitung einer ansteckenden Krankheit keinen Vorschub zu leisten bzw.
sie zu verhüten?
III. Verursacht der Gebrauch geeigneter Wandanstriche Mehrkosten
und lassen sich diese durch den erzielten Nutzen rechtfertigen?
I. In welcher Weise und unter welchen Bedingungen üben An¬
striche, besonders Wandanstriche auf die Weiterverbreitung von
Infektionskrankheiten einen Einfluß aus?
Es ist von vielen Seiten (z. B. Flügge, Cornet, Heymann, Kir-
stein) unzweifelhaft erwiesen, daß in den von Menschen, besonders von
Kranken bewohnten Räumen lebens- und ansteckungsfähige Krankheits¬
erreger vorhanden sind bzw. vorhanden sein können. Dafür sprechen
epidemiologische Beobachtungen und bakteriologische Feststellungen. Diese
Krankheitserreger werden an die Gegenstände im Zimmer und an die
Wände verspritzt oder gelangen eingetrocknet mit dem aufgewirbelten
Staub dorthin. Im ersteren Falle haften sie, z. B. in Wasser, Auswurf,
Urin und Kot verteilt, nach dem Eintrocknen meist fest an der Unterlage
16 *
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244
Hüne:
und lassen sich nur durch Berühren oder bei der Reinigung durch Ab¬
wischen oder Abbürsten von ihr entfernen. Dagegen werden sie mit
Staub vermischt nur lose den Flächen auf- oder anliegen und schon durch
mehr oder weniger starken Luftzug (öffnen der Fenster oder Türen) in
die Zimmerluft wieder verstäubt werden. Grundbedingung zur Ansteckung
durch einen Krankheitskeim, der sich in einem Spritzer oder im Staube
auf Gegenständen oder an Wänden befunden hat, ist seine Widerstands¬
fähigkeit gegenüber der Eintrocknung. Z. B. kommen hier der Genick-
starrerreger, der Tripperkeim, der Influenzabacillus gar nicht in Frage, da
sie das Austrocknen nicht vertragen; fast ebenso geht es Choleraerregern.
Nach Neisser und nach Schwarz vertragen folgende Bakterien gut die
Eintrocknung: Pyocyaneus, Eiterkokken, Milzbrandsporen und Tuberkel¬
bacillus. Zugleich können sich diese Keime wegen ihrer Kleinheit schon
bei schwach bewegter Luft schwebend erhalten, während Typhus- und
Diphtheriebazillen die Austrocknung zwar vertragen, aber nur von stärkeren
Luftströmen in der Schwebe gehalten bzw. gehoben werden. Je leichter
die Bakterien von bewegter Luft getragen werden, desto höher an den
Wänden hinauf wird der Staub derartige Keime enthalten. So wird von
einigen behauptet, daß Typhus- und Diphtheriekeime nur 1-5 bis 2 m ,
höchstens 2-5“ an den Wänden hinauf sitzen.
Spritzer finden sich hauptsächlich in unmittelbarer Umgebung (Bett)
des Kranken an den Gegenständen und Wänden, und zwar übt die Be¬
schaffenheit der Anstrichoberfläche, ob sie rauh oder glatt ist, so gut wie
keinen Einfluß aus; jedoch wird feuchtes Material auf glatten Flächen,
soweit diese von einer für Wasser unlöslichen oder undurchdringlichen
Schicht (z. B. glattem, porenlosem öl- oder Lackanstrich) überzogen sind,
nur oberflächlich antrocknen. Dagegen werden bei rauhen, besonders
porösen Anstrichen oder bei solchen Farben, die mit Wasser angerührt
waren, also das Wasser in sich aufnehmen, die in den Spritzern enthal¬
tenen Bakterien tiefer eindringen. Der Staub dagegen und die in ihm
enthaltenen Bakterien werden im allgemeinen nur lose auf ihrer Unter¬
lage liegen, meist an weniger steilabfallenden Flächen in größerer Menge.
So sehen wir ihn bei genauem Zusehen an unebenen, wenn auch sonst
glatten Flächen in entsprechend wechselnder Menge haften. Noch mehr
ist dies auf rauhen oder porösen, auch rissigen Flächen der Fall; ganz
feine Teile gelangen auch in die tieferen Poren und Risse, die wir dann
oft schon mit unserem Auge mit Staub (Schmutz) angefüllt erkennen. —
Staubförmiges lose und oberflächlich haftendes Material wird schon bei
starker Luftbeweguug, Laufen im Zimmer, öffnen der Fenster und
Türen usw. in mehr oder weniger großer Menge, bei stark verstaubten
Flächen „in Staubwolken“ in das Zimmer gelangen. Da gerade die Bak-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beitbao zub Hygiene deb Wandanstbiche.
245
terien mengen eine große Rolle bei der Ansteckung spielen, werden diese
Verhältnisse am leichtesten zur Erkrankung führen (z. B. bei Tuberkulose).
Die tiefer und festsitzenden Staubteile, ferner der als Spritzer an Gegen¬
stände und Wandflächen gelangte Schmutz wird nur durch starke Luft¬
ströme oder bei Abwischen, Abfegen, also bei gröberen Einwirkungen, von
den Flächen losgelöst und nur selten auf einmal in größerer Menge in
die Atemluft oder in den Mund von Menschen übertragen werden können.
Der Wandanstrich begünstigt also die Weiterverbreitung von Krank¬
heiten:
1. wenn er rauh und rissig oder auch nur uneben ist;
2. wenn er vermöge seiner Zusammensetzung Spritzer, z. B. von
Kot, Urin, Auswurf in sich eindringen läßt, z. B. Wasser, ältere Leim-
und Kaseinfarben.
II. Wie mitogen Wandanstriche beschaffen sein, am der Weiter¬
verbreitung einer ansteckenden Krankheit keinen Vorschub zu
leisten bzw. sie zu verhüten?
Einesteils ergibt sich die Beantwortung der Frage aus dem bisher
Besprochenen.
1. Je glatter und dichtgefügter, d. h. ohne Poren und Risse ein An¬
strich ist, desto weniger wird der Staub haften und desto weniger wird
feuchtes Material (z. B. Spritzer) eindringen können.
2. Das Eindringen von Bakterien in Spritzern ist bei solchen Flächen
möglich, welche in Wasser löslich (Leim) oder für Wasser durchdringbar
sind (Wasserfarben).
Die nun in Spritzern und Staub den Flächen anhaftenden Bakterien
können auf verschiedene Weise unschädlich gemacht werden:
1. Durch Desinfektionswirkung der Anstrichfarbe selbst.
2. Durch Reinigung: feuchtes Abwischen und Abreiben (hierher ge¬
hört auch Abreiben mit Brot).
3. Durch Abwaschen mit (heißem) Wasser, in dem Seife (Kali¬
seife 1:1000), Soda (2 Prozent) oder auch Desinfektionsmittel (Kresolseife,
Sublimat, Karbolsäure) gelöst sind.
4. Durch gasförmige Desinfektionsmittel.
Selbsttätige Desinfektionswirk|ung.
Zuerst ist meines Wissens Deyke 1898 bei der Prüfung der Amphibolin¬
farbe auf Desinfektionswirkung von Wandanstrichen aufmerksam geworden.
Dann haben sich Jakobitz, Huß, Rapp, Weiß, Rabinowitsch u. a.
mit der Frage beschäftigt. Ihre Versuchstechnik war meist folgende:
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246
Hüne:
Es wurden Auswurf-, Kotaufschwemmung, Urin- oder Kochsalz- bzw.
Bouillonaufschwemmungen von Reinkulturen (Tuberkelbazillen, Staphylo¬
kokken, Streptokokken, Diphtherie-, Cholera-, Typhus-, Pyocyäne- und
Milzbrandbazillen) in dünner Schicht auf Holz, Zement, Glas, Blech ein
oder mehrere Male nach der in der Malerpraxis üblichen Weise auf¬
getragen; davon wurden nach verschiedenen Zeiten mit sterilen Watte-
bäuschchen Stellen abgetupft oder mit dem Messer abgekratzt und dieses
entnommene Material im Brutschrank oder Tierversuch weiter auf Steri¬
lität geprüft. Jakobitz wies nach, daß bei der Desinfektionswirkung
die Art der Unterlage, Holz, Glas, Blech keine wesentliche Rolle spielt.
Es wurde also stets feuchtes Material auf die Probetafeln aufgetragen
und damit eigentlich nur dem Verspritzen von infektiösem Material
Rechnung getragen, nicht den in trockenem Zimmerstaube befindlichen
Bakterien; ich werde weiter unten darauf eingehen. Das Untersuchungs¬
ergebnis der in der Literatur veröffentlichten Arbeiten, soweit sie mir
zugänglich waren, ist aus Tabelle I ersichtlich.
Zunächst fallt bei dieser Zusammenstellung die außerordentliche Ver¬
schiedenheit der Untersuchungsergebnisse auf. Man vergleiche nur bei
den einzelnen Autoren die Wirkung der Ölfarbe auf Typhusbazillen. Wenn
auch die Desinfektionswirkung bei Vitralin und dem ihm nahestehenden
Vitralpef eine bemerkenswerte ist, so muß man nicht vergessen, daß alle
diese Ergebnisse sich auf feuchtaufgetrageue Bazillenaufschwemmungen
in dünner Schicht, teils in natürlichen Entleerungen, teils in Reinkultur,
mit Kochsalz oder Bouillon aufgeschwemmt, beziehen. Sie entsprechen
also nicht der meist in der Praxis vorkommenden Staubübertragung. Diese
Bedenken gelten in erster Linie der Tuberkulose; ganz abgesehen davon,
daß die Abtötung der Tuberkelbazillen selbst bei den so günstig für die
Desinfektion gewählten Versuchsbedingungen eine recht mäßige ist. Bei
sporenhaltigem Milzbrand ist so gut wie keine Beeinflussung mehr zu
verzeichnen.
Über den begünstigenden Einfluß des Lichtes bei der Keimtötung
durch Anstrichfarben sind die Meinungen ebenfalls geteilt. Xylander
gibt an, daß Tuberkelbazillen auf Vitralin im Hellen nach 8 Tagen, im
Dunkeln nach 5 Tagen abgetötet werden, auf Öl-, Leim- und Kalkfarben
sollen sie nach ihm bei hellem Tageslicht nach 5 bis 10 Tagen nicht
mehr, im Dunkeln noch nach 30 Tagen lebensfähig sein. Selbst auf
unbestrichenen Flächen erlagen die Tuberkelbazillen dem Sonnenlicht
schon nach 10 Tagen. Ebenfalls haben andere (Heymann, Kirstein,
Weiß und auch Rabinowitsch) eine erhebliche Unterstützung durch
das Licht bei der Tuberkelbazillenabtötung gefunden, besonders für
Vitralin, Emaille- und Zonkafarben. Ich halte für Tuberkelbazillen nach
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Beitbag züb Hygiene dek Wand Anstriche.
247
wie vor Sublimatlösung und Sonnenlicht (Bauart der Krankensäle!) für
die besten und preiswertesten Mittel in dieser Hinsicht.
Eine ganz erhebliche Abnahme der Desinfektionswirkung haben die
einzelnen Forscher bei älteren Anstrichen beobachtet, z. B. wurden
Staphylokokken bei Jakobitz sofort nach dem Trocknen des Anstriches
in 12 Stunden, nach 10 Wochen in 48 Stunden, nach 4 Monaten erst
in 4 Tagen, nach 1 Jahr in 8 Tagen abgetötet. Huß sagt, daß bei
Vitralin die Desinfektionswirkung „nicht unerheblich abgenommen“ habe.
Bei Xylander war „noch nach 3 Monaten auf Vitralin Wirkung wahr¬
zunehmen“. Diese Vorsichtigkeit in der Ausdrucksweise von sonst die
Desinfektionskraft des Vitralins lobenden Autoren ist besonders zu beachten.
Selbst wenn man die eigene Desinfektionswirkung der Wandanstriche
in den ersten Wochen und Monaten für die Praxis als verwendbar an¬
sähe, so beweist diese rasch erfolgende, starke Abnahme der Keimver¬
nichtungskraft voll und ganz ihre praktische Zwecklosigkeit, denn wo
kann ein kostspieliger Anstrich in 3, 6, ja selbst auch in 12 Monaten
erneuert werden? Wenn auch in allen von Menschen bewohnten Räumen,
besonders in Kasernen und Krankenzimmern, eine Vernichtung sämtlicher
an Gegenständen und Wänden haftenden Keime erwünscht wäre, so
kommen in erster Linie doch wohl Eitererreger für Operationszimmer,
Diphtheriebazillen für Krankenzimmer und besonders Tuberkelbazillen für
Lungenheilanstalten in Frage. Wie stebt’s nun mit der Abtötung dieser
Keime bei den in Tabelle I angegebenen Untersuchungen?
1. Staphylokokken werden von Vitralin und Emaillefarben, unter
welchen manche Untersucher, z. B. Jakobitz, mehrere Vitralinsorten
zusammenfassen, in 5, 8 bis 12 Stunden, von Ölfarben aber ebenfalls
schon nach 12 bis 14 Stunden abgetötet.
2. Ebenso verhält es sich mit Streptokokken.
3. Gleichgeringe Unterschiede bestehen bei den einzelnen Farben für
Diphtheriebazillen.
4. Tuberkelbazillen werden auf Emaille- und Vitralinanstrichen in
3 bis 4 Tagen, auf Ölfarbe nach Xylander und Weiß aber ebenfalls
schon oft nach 5 Tagen abgetötet. Auch hier gehen die Untersuchungs¬
ergebnisse der einzelnen Autoren weit auseinander. Ungleiche Versuchs¬
technik kann diese Unterschiede nicht allein bedingeu. Das muß noch
andere Gründe haben! Ich glaube, daß hierin Ungleichheiten der ein¬
zelnen fast oder ganz gleichnamigen Fabrikate verschiedener Firmen, ja
ein und dieselben Namen tragenden Farben derselben Firma
die größte Rolle spielen. Mir ist ein Fall bekannt, wo es der Firma sehr
unangenehm war, daß neben den direkt bezogenen Farben auch Handels-
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Hüne:
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marken, die unauffällig gekauft waren, untersucht wurden. Bei dem
einen Fall war die Besorgnis der Fabrik allerdings ganz unnötig, denn
Handelsware erfüllte die von mir gestellte Bedingung besser als die von
der Fabrik zur Prüfung gesandte. Ich werde am Schluß der Arbeit
hierauf nochmals kurz zurückkommen.
5. Bei den anderen untersuchten Krankheitserregern, den Darmpara¬
siten, Cholera, Typhus, Paratyphus leisten Ölfarbenanstriche ebenfalls fast
gleiche Dienste wie die Emaillefarben und Vitralin.
Es sind also die in der Literatur veröffentlichten Untersuchungs¬
ergebnisse schon höchst ungleich und die Erfolge verhältnismäßig gering;
dieses spricht recht wenig für eine Bevorzugung der als desinfizierende
Wandanstriche im Handel angepriesenen Farben. Meine eigenen Unter¬
suchungen sind nur mit Staphylokokken angestellt und zwar zunächst
mit Kochsalz- bzw. Bouillonaufschwemmung von 24 ständigen Agarrein¬
kulturen, die in dünner Schicht auf die Anstrichfarben aufgetragen
wurden. Die Art der untersuchten Farben ist aus den weiter unten an¬
geführten Tabellen ersichtlich. Die Anstriche wurden auf Holzplättchen
hergestellt, vor Beginn der Versuche 7 bis 10 Tage trocknen lassen und
dann diese Platten nach dem Beschichten mit keimhaltigem Material durch
loses Zudecken mit reinem Papier oder Glasglocken vor Staub geschützt
im Laboratorium aufgestellt.
Die Ergebnisse meiner möglichst unter gleichen Bedingungen an-
gestellten Versuche entsprachen etwa in bezug auf feuchtaufgetragenes,
infiziertes Material den Angaben in der Literatur. Die Abtötung schwankte
selbst bei Farben gleicher Art (Ölfarben, mit Vitralin bezeichneten
Marken usw.) sehr, zwischen 6 bis 12 Stunden für Kochsalzaufschwem¬
mungen, zwischen 8 bis 24 Stunden, ja bis 3 und 4 Tagen für Bouillon¬
aufschwemmungen. Auch diese Unterschiede zwischen der Widerstands¬
fähigkeit der einzelnen Keime, ob sie mit Kochsalz oder Bouillon auf¬
geschwemmt waren, sind sehr bedeutungsvoll, da in der Praxis die Keime
in ähnlicher Weise durch die in Blut und Abgängen (Auswurf, Kot, Urin)
enthaltenen Schleim- und Extraktivstoffe gegen Desinfektion mehr oder
weniger geschützt sind. Wurde Blutserum gar genommen, so verzögerte
sich bei Vitralin und Ölfarben die Keimtötung meist noch um mehrere
Tage. Immer wieder trat gerade hierbei die Unregelmäßigkeit und Un¬
zuverlässigkeit der Desinfektionswirkung von Anstrichen hervor. — Soweit
die Prüfung mit Aufschwemmungen, die den in Spritzern an Gegenstände
und Wände gelangten Keimen entsprach!
Wie schon eingangs bemerkt, gelangen aber in weit größerem Maße
mit dem Staube Keime, besonders Tuberkel-, Diphtheriebazillen, Eiter¬
erreger usw. in lebensfähigem Zustand auf Gegenstände und an die Wände.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beitbag zub Hygiene deb Wandanstbiche.
251
Diesen Verhältnissen tragen jedoch die veröffentlichten Versuche in keiner
Weise Rechnung. Die bei größerer oder geringerer Zugluft von den
Wänden und (Jegenständen wieder losgelösten Staubteile werden nur lose,
meist wohl durch eine dichtere, fester auf der Unterlage sitzende Staub¬
schicht, von der Anstrichfarbe getrennt, haften. Gerade dieser Staub ist
der gefährlichere, weil er vom Fußboden, von Gardinen, Kleidern usw. frisch
aufgewirbelte Teile und damit auch lebensfähigere Bakterien enthält. Aber
gerade diese Keime sind etwas, wenn auch nur minimal, von der keim¬
tötenden Schicht entfernt und, wie soeben beschrieben, durch die erste
Schmutzschicht getrennt. Alles dieses muß bei der Prüfung von desinfi¬
zierenden Wandanstrichen die Aufmerksamkeit gerade auf den an den
Flächen anhaftenden Staub lenken.
Meine Versuchstechnik bei der Staubuntersuchung war folgende:
Es wurde möglichst feiner Staub gesammelt und trocken sterilisiert.
Nach Prüfung auf Keimfreiheit wurde der Staub mit der Aufschwemmung
einer 24 ständigen Staphylokokkenagarkultur in Bouillonverdünnung (1 Teil
Bouillon, 9 Teile destilliertes Wasser) infiziert, bei 37 0 getrocknet und in
einem sterilen Mörser möglichst unter Vermeidung vou Luftkeimen ver¬
rieben. Nach Prüfung (mittels Agarplatte oder Bouillon), ob der hierbei
wieder entstandene feine Staub auch nur die künstlich eingesäten Test¬
keime enthielte, wurde mit einem sterilen Pinsel in feiner Wolke etwas
Staub auf mit Anstrichfarben versehene Holzplättchen übertragen. Die
geprüften Farben waren dieselben, wie bei der weiter unten beschriebenen
physikalischen Prüfung (siehe Tabelle II). Dabei ergab sich, daß Staphylo¬
kokken erst nach der 2. bis 3. Woche „einige Abschwächung“ zeigten.
Sterilität war auch nach 6 Wochen bei keiner Probe vorhanden. Hiuzu-
gefügt mag noch werden, daß die Platten etwa 2 bis 3 Wochen vor dem
Bestäuben mit den betreffenden Anstrichfarben versehen waren.
Fassen wir das bisher über Desinfektionskraft der Anstrichfarben
Gesagte nochmals zusammen, so ergibt sich:
1. Alle öl- und Emaillefarbeu besitzen eine deutlich ausgesprochene,
keimtötende Wirkuug; die Emaillefarbeu und unter ihnen besonders
Vitralin übertreffen hier und da in mehr oder weniger deutlicher Weise
die Ölfarben in ihrer Desiufektionskraft.
2. Die Desinfektiouskraft steigert sich unter Mitwirkung des Lichtes
und nimmt schon nach wenigen Monaten ganz erheblich ab.
3. Die Desinfektionskraft ist in der Praxis nicht verwendbar, ja selbst
für solche Bakterien, welche in dünnen Schichten als Aufschwemmungen
oder in den natürlichen Abgängen des Menschen auf den Anstrichflächen
haften, sehr wechselnd und unsicher.
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252
Hüne:
4. Für Bakterien, die im Staube enthalten sind, ist so gut wie
keine Desinfektionskraft, selbst nicht in Laboratoriumsversuchen nach¬
weisbar.
Wenn sich schon die meisten Untersucher sehr vorsichtig über
die zweifellos bei Laboratoriumsversuchen bestehende Desinfektionskraft
und ihre praktische Verwendbarkeit ausprechen, so möchte ich in dieser
Richtung noch weiter gehen und der Desinfektionskraft der Anstrich¬
farben nur eine rein theoretische Wichtigkeit beilegen, ihr aber die prak-
sche Verwendbarkeit völlig absprechen.
Der Vollständigkeit halber möge hier eine kurze Erörterung der Frage
stattfinden.
Worauf beruht die desinfizierende Kraft der Anstrichfarben,
besonders des Vitralins?
Die ersten Untersucher (Deyke, Heims, Boseo) führten die desin¬
fizierende Eigenschaft der Anstrichfarben auf ihre physikalische Beschaffen¬
heit zurück (glatte, nicht rissige Oberflächen!). Nach Saltykow soll
jedoch die Abnahme der Desinfektionskraft für eine wirksame, aktiv
desinfizierende Substanz sprechen. Das ist meines Erachtens nicht ohne
weiteres richtig, denn auch eine physikalisch günstige, d. h. glatte, fest¬
gefügte Oberfläche kann verwittern und dadurch rauh und rissig werden
und infolgedessen das Festsetzen und Eindringen von Bakterien unter¬
stützen. Demnach könnte auch die Desinfektionskraft, die auf physika¬
lischen Eigenschaften beruht, einer Schwächung und Abnahme unter¬
liegen. — Vor allen trat Jakobitz für eine aktive Beteiligung des An¬
striches an der Abtötung ein und schrieb dieses in erster Linie den aus
dem Leinölfirnis sich entwickelnden oxydierenden Substanzen zu. Nach
ihm konnte keine Ozon Wirkung vorliegen, da gerade die Proben von
Emaillefarben (Fabriknummer 2092 und 2003), welche Terpentinöl als
Bindemittel enthielten und durch diesen Bestandteil Ozonbilder waren,
schlechtere Keimtötung zeigten, als die Emaillefarbe (Fabriknummer 2097
und 2098), in welchen Leinölfirnis das Bindemittel bildete. Als Zer¬
setzungsprodukte des Leinölfirnis beim Trocknen fand er die niedrigen
Glieder von Säuren der Methanreihe: Ameisensäure, Essigsäure, Butter¬
säure, Valeriansäure, Propionsäure und deren Vorstufen, die Akrolelne,
Aldehyde und Formaldehyd. Gerade letzt genannter Stoff ist ja hinläng¬
lich in seiner starken Desinfektionskraft bekannt. Leider wird er nur in
Spuren gebildet. Nach Rapp kommen die flüchtigen Fettsäuren nicht
in Betracht, sondern es sollen nach der Oxydation lösliche, fett- und
harnsaure Salze keimtötend wirken.
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Beitbag züb Hygiene deb Wandanbtbiche.
253
Bei jeder Keimtötung werden Desinfektionsmittel verbraucht, verlangt
man eine Fernwirkung, wenn auch nur eine geringe, so müssen diese
wirksamen Stoffe fortwährend in hinreichender Menge an die Luft ab¬
gegeben werden. Da die Anstrichfarben, welche nach den Anpreisungen
der Fabrik desinfizierend wirken, auch eine große Deckkraft besitzen sollen
(d. h. man braucht sie nur in dünner Schicht aufzutragen), so muß der
zur Desinfektion verfügbare Stoff in seiner absolut vorhandenen und durch
Zersetzung in Wirksamkeit tretenden Menge bald abnehmen bzw. erschöpft
sein. Die Grundforderung für alle Desinfektionswirkungen ist jedoch, daß
die Mittel eine bestimmte Zeit in einer bestimmten Konzentration
wirken. Hieraus ist die geringe, wechselnde und rasch abnehmende Des¬
infektionswirkung der Wandanstriche zwanglos zu erklären. Jakobitz
hat seine Versuche mit verhältnismäßig sehr großen Mengen von Material
angestellt. Rückschlüsse daraus auf die Praxis sind meines Erachtens
daher nur mit großer Vorsicht zu machen.
Nach der Besprechung der aktiven Mitwirkung von Anstrichfarben
bei der Bekämpfung ansteckender Krankheiten ist weiter zu erörtern:
Die Widerstandsfähigkeit der Anstrichfarben den Reinigungs- und
Desinfektionsmitteln gegenüber.
Als sicherstes Mittel, die an Gegenständen und Wänden haftenden
Keime unschädlich zu machen, bleibt ihre mechanische Reinigung und
Desinfektion. Wir müssen daher von einem vom hygienischen Stand¬
punkte aus zu empfehlenden Anstrich fordern, daß er verträgt:
1. Das mechanische Abreiben, Wischen und eventuell auch Bürsten.
2. Die Berührung von Schmutz (Fett) lösenden Substanzen in einer
Konzentration und Dauer, wie sie bei der Reinigung notwendig und ge¬
bräuchlich sind.
3. Die Berührung und Einwirkung von Desinfektionsmitteln ebenfalls
in einer Dauer und Konzentration, wie sie bei der Desinfektion notwendig
and gebräuchlich sind.
Ferner muß verlangt werden:
4. Daß ein Anstrich sich bis zu seiner Erneuerung nicht so verändert,
daß er durch Rauh-, Undicht-, Spröde- oder Rissigwerden der Verbreitung
von lebensfähigen ansteckenden Krankheitskeimen Vorschub leistet.
5. Je nach der Verwendung, z. B. an Außenwänden, in Badezimmern,
Badewannen usw. muß er Witterungseinflüssen, Warm- und Kalt-, Feucht-
und Trockenwerden vertragen.
6. Schließlich muß er gewissen kleineren Gewalteinwirkungen, Stoß
von Möbeln, Hammerschlägen gegenüber hinreichende Widerstandsfähig¬
keit, d. h. Elastizität besitzen.
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Hüne:
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(1:500)
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gelindem
Druck
Qelinder
Schlag mit
einem Eisen¬
hammer
13
Fußbodenlack
Bernsteinharz
2 x mit Farbe
hoher Glanz
staubig, rissig
keine
rissig
1
| i
u. Terpentinöl
wie 14 1 x
Furchen
i
U
Tischplatten-
desgl.
2 x
matter Glanz
rauh, rissig
flache.
i
>•
lack
rissige.
j
| 1
I ;
staubige
; Furchen
15
i i
Braunbürger-1
Zusammen¬
2 x Deckweiß, matter Glanz,
wenig ver¬
desgl.
»•
weiß gefärbt
setzung un¬
1 x Braun-
leicht gekörnt
ändert
j 19
bekannt
bürgerweiß
16
Japanlack
Zinkweiß,
2 x Bleiweiß
Glanz etwas
abbröckelnd
keine
n
Firnis, Harz
klein gekörnt
Furchen
i
17
Emaillelack
Lack,
1
2x Deckweiß,
matter Glanz
fast un¬
un¬
I un¬
Terpentin
1 x Emaille-
verändert
verändert
verändert
lack
!
18 Emaillelack
von Wolfert
19 Vitralin
5927
20
21
22
15
12515
20
12519
21
26—29
Herstellung
unbekannt
Fabrik¬
geheimnis
desgl.
I x Deckweiß,
2 x Lack¬
anstrich
1 x Deck weiß,
2 x Vitralin
2 x Deck weiß, |
1 x Vitralin i
Glanz
desgl.
In der Fabrik
angeblich l x
Grundfarbe
2 x Vitralin
rauh, zahl¬
reiche Risse
elastisch
leicht brüchig
unverändert, |
elastisch, nur!
bei scharfen j
Knickungen |
Risse
desgl.
23
auf Blei
30
desgl.
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Original fro-m
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Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche.
(Fortsetzung.)
Abreiben mit
trockenem
Leinenlappen
a
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« ja ~ o M
'Z a £ =2
•g|.g5§
ja o
< J
20 Stdn.
in
Aq. dest.
20 Stdn.
in
Formalin
(1:100)
20 Stdn.
in
Sublimat
(5:1000)
20 Stdn.
in
Kaliseife
(1: 500)
Gelindes Ab¬
reiben mit
Kali seife
j (1:500)
unver¬
un¬
un¬
un¬
Lack
Lack sich
Lack
ändert
verändert
verändert
verändert
weißlich,
verfärbt
ablösend
entfernt
*•
ii
ii
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desgl.
ii
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11
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ii
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verändert,
blasig
ii
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desgl.
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Karbe
dunkler,
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verändert
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verändert
Karbe
Igelit all¬
mählich
Farbe ! Farbe
sehr ge- sehr ge¬
litten litten
ab als die
andere
schon
nach
4 Stunden
j Farbe
weg
4 Stunden
nach dem
Trocknen
unver¬
ändert
Zeit sehr. f. Hygiene. LXIX
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Bemerkungen
258
Hüne:
In der Literatur sind von diesen geforderten Eigenschaften einige als
besondere Vorzüge der untersuchten Farben beschrieben. Nach Xylander
konnte ein Vitralinanstrich, unbeschadet seiner glatten Oberfläche, 3 Tage
in Sublimatlösung, Kresolseifenlösung, Kreosolschwefelsäure oder Autiformin
liegen. Auch im übrigen hat Vitralin nach ihm Vorzüge wie keine andere
unserer gebräuchlichen Farben, z. B. wird Ölfarbe mit derZeit rauh und
löst sich allmählich auch in verdünntem Seifenwasser auf. Kalkfarben
bröckeln leicht ab, an ihrer rauhen Oberfläche bleibt der Staub in großer
Menge leicht hängen; Leimfarben werden rasch rissig und weisen dann
große Poren als Staubfänger auf.
Nach Heims leidet Ölfarbe schon durch Kaliseifenlösung (1:10000),
desgleichen durch eine Schwefelsäurelösung von 1:1000. Durch Hitze
wirft sie Blasen. Im Gegensatz hierzu wurden Emaille-, Zonka-, Amphi¬
bolinfarben nicht nennenswert angegriffen.
Tabelle II gibt die von mir gefundenen Ergebnisse der physikalischen
Untersuchungen wieder.
Die weitere physikalische Prüfung desselben Vitralinanstriches 2 Monate
später hat folgendes ergeben:
Leichter Strich mit dem Fingernagel hinterläßt eine geringfügige
glatte Rinne, ein fester Strich eine tiefe, glatte Rinne; beide lassen
sich verhältnismäßig leicht reinigen.
Werden mit Vitralin bestrichene Platten in Wasserdampf von 100° C
l / 2 Stunde gehängt, so werden sie rauh und uneben, läßt man sie 1 Stunde
in strömendem Wasserdampf, so wird die Farbe in Blasen abgehoben,
ähnlich wie Japanlack. In derselben Zeit war die Ölfarbe etwas besser
erhalten geblieben (vgl. Tabelle III).
Mit einer mittelharten Handbürste wurde unter mäßigem Druck und
Anwendung von Kaliseifenlösung (etwa 1:100) eine bestrichene Holzplatte
bearbeitet. Nach 10 Minuten war die Ölfarbe fast ganz entfernt, Vitralin
(2 Monate alt) nicht augegriffen und auch nach 20 und 30 Minuten fast
unverändert geblieben; bürstete man jedoch mit fast reiner Schmierseife,
so war Vitralin nach 10 Minuten schon leicht angegriffen, noch mehr
nach 20 und 30 Minuten, jedoch noch als dünne Schicht erhalten. Wurde
mit etwa 2 bis 3 Prozent Sodalösung, selbst heißer, gebürstet, so blieb
die glatte, mattglänzende Oberfläche so gut wie vollkommen erhalten.
Mit der Lupe waren nach diesem wiederholten, langdaueruden Abbürsten
zahlreiche flache Rinnen sichtbar, die Farbdecke war ununterbrochen und
hatte in dieser Hinsicht in keiner Weise gelitten.
Vitralin wird nicht durch Glyzerin angegriffen, wohl aber durch
wocheulauges, wiederholtes Bespritzen durch öle (z. B. Maschinen-, Zentri¬
fugier- usw. Öle), rascher durch Terpentinöl. Im Laboratorium, wo von
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,y > * « W V li V
Ibersicht über die Widerstandsfähigkeit des Yitralius einigen wässerigen Lösungen gegenüber.
Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche
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260
Hüne:
Zeit zu Zeit mit Antiformin (Chlorgas), Formalin und anderen scharfen,
die Farben angreifenden Gasen gearbeitet wird, sind vor etwa 4 Jahren
die Wände mit Vitralin angestrichen. Trotzdem die Flächen, abgesehen
von sonstiger regelmäßiger Reinigung, einmal im Jahre gründlich mit
heißer Kaliseife uud Sodalösung abgebürstet und abgeriebeu werden,
ist der Anstrich nur etwas matter und gelblicher geworden. Nur an
stark erhabenen Stellen, wo Sandkörner usw. die Fläche uneben machen,
schimmert der Untergrund durch. Das Vitralin hat sich hier vorzüglich
bewährt, ebenso z. B. bei einer Flaschenbierhandlung im Abfüllraum, wo
fortwährend Feuchtigkeit und Wasserdampf vorhanden sind. Die Unterlage
bildeten hier unvorgeputzte Backsteine. — Es ergibt sich in beiden
Räumen die unbedingte Notwendigkeit, das Vitralin auf tech¬
nisch vollkommen einwandfreie, glatte, ebene Unterlagen zu
streichen, vor allen Dingen Sandkörner usw. zu vermeiden.
Bekanntlich werden tadellose, ebene und glänzende Oberflächen erzielt,
wenn man mit feinkörnigem Saudpapier jedesmal die Unebenheiten der
früheren Farbe nach völligem Trocknen durch leichtes Abreiben beseitigt,
bevor man den nächsten Anstrich aufträgt, also zuerst nach dem Grun¬
dieren, dann nach dem ersten Vitraliuanstrich. Dieses wurde besonders
beim Streichen einer alten Badewanne beobachtet und diese dadurch wie
eine neue hergerichtet. Zwischen dem Grundieren (Grundierfarbe der
Fabrik von Rosenzweig & Baumann) und den einzelnen (2) Vitralin-
austrichen wurde jedesmal 3 Tage, nach dem letzten Vitralinanstrich
14 Tage bis zur Benutzung gewartet. Trotz der häutigen Benutzung der
Wanne hat der Anstrich sich ganz vorzüglich gehalten und verträgt
Abbürsten mit heißem Wasser und Seifeulösung. Allerdings wird streng
das Aufträgen reiner Kaliseife vermieden.
Zusammenfassend ist über Farbanstriche, besonders Vitralin in bezug
auf ihre physikalischen Eigenschaften folgendes zu sagen:
1. Die mit Wasser hergestellten Farben scheiden für einen vom
hygienischen Standpunkte zu empfehlenden Farbanstrich vollkommen aus.
2 a. Die Berührung mit fettlösenden Substanzen werden in der ge¬
bräuchlichen Verdünnung nur vom Vitralin anstandslos vertragen.
b. 86 prozent. Spiritus übt auf Vitralin so gut wie keinen schädigenden
Einfluß beim einfachen Abwaschen mit ihm oder nach 20 ständiger Be-
netzuug aus, während alle anderen Farben rasch aufgeweicht und abgespült
werden. Nach dem Vitralin war Japanlack am meisten widerstandsfähig.
c. Reine Kaliseife greift nach mehreren Stunden, oder auf einen
Lappen aufgetragen, beim Reiben mit diesem Vitralin stark an, noch
mehr und rascher die anderen Farben.
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Bkitkag zur Hygiene der Wandanstriche.
261
3. Desinfektionsmittel werden allein vom Vitralin fast anstandslos
vertragen, jedoch wird nach Sublimatlösung die weiße Farbe etwas dunkler
und mißfarben.
4. Lack und Vitralin bleiben auch nach mehreren Monaten un¬
verändert.
5. Vitralin verträgt weit besser als Ölfarben und Lack wiederholtes
Warm- (bis 100°) und Kalt-, Feucht- und Trockenwerden.
6. Nicht zu alte Ölfarben vertragen leichte Hammerschläge, Abbürsteu,
Abreiben gut, ebenso Vitralin, nicht Lack und manche Emaillefarben.
III. Verursacht der Gebrauch geeigneter Wandanstriche
Mehrkosten und lassen sich diese durch deu erzielten Nutzen
rechtfertigen?
Aus einem mit einer Behörde abgeschlossenen Vertrage stammt
folgender Auszug:
1 <jm Holz oder Eisenblech grundieren und mit bunter Ölfarbe
dreimal deckend streichen.65 Pfg.
1 ' im desgl. mit weißer Ölfarbe.80 „
Nach Aussage des durch diesen Vertrag verpflichteten Malermeisters
werden hierbei etwa 33 ’/ 3 Prozent, d. h. etwa 25 bis 40 Pfg. für das
Material berechnet. Weiße Farbe berechnet sich teurer, da mehr Material
für dieselbe Fläche zu streichen erforderlich ist. Von anderen Seiten
wurde der Materialverbrauch um 5 Pfg. höher angegeben, von einem
Maler sogar um 15 Pfg. Jedoch erscheint mir dieser Preis etwas zu
hoch gegriffen und für private Abnehmer bestimmt zu sein. Soweit ich
die Verhältnisse durch eingezogene Erkundigungen zu überblicken vermag,
muß für 1 qm bei einmaligem Grundieren und dreimal deckend Streichen
an Material 25 bis 30 Pfg. gerechnet werden, demnach bei obigem Ver¬
trage an anderen Kosten (Lohn, Geschäftsunkosten) 35 bis 40 Pfg. Von
Japanlack, den ein betreffender Malermeister als sehr gut lobt, soll sich
der Materialverbrauch auf 77 bis 80 Pfg. berechnen; das würde bei
gleichen Unkosten 120 Pfg. für 1 <1,n betragen. Der Materialverbrauch
für Vitralin beträgt für 1 etwa 65 Plg., die Gesamtkosten sind dem¬
nach 100 Pfg. für 1 '* m . Darnach ist also das Vitralin ganz erheblich
billiger als Japanlack. In diesem Preis ist enthalten: einmal ölen
(Tränken mit Firnis), einmal Grundieren, zweimal Vitralinanstrich. Trotz
dieses für Vitralin günstigen Preisunterschiedes habe ich dasselbe min¬
destens ebensogut gefunden als den von mir geprüften Japanlack.
Es würde also ein fertiger Olfarbenanstrich 65 Pfg., ein fertiger Vitralin¬
anstrich 100 Pfg. kosten, demnach ein halbmal so viel wie der erstgenannte.
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262
Hüne:
Ein guter Ölfarbenanstrich soll nach der Garnison-Gebäude-Ordnung
Anlage D. 6 Jahre halten. Nach den zahlreichen eigenen Vergleichen
und Erkundigungen glaube ich, daß ein guter Emailleanstrich, besonders
aber ein gut ausgeführter Vitralinanstrich die doppelte Zeit hält.
Ganz abgesehen davon, daß eigentlich keine Mehrkosten entstehen,
wiegen die früher erörterten großen hygienischen Vorteile der Emaille¬
farben und unter ihnen besonders des Vitralins voll und ganz die an¬
fänglichen Mehrkosten auf.
Znaammenfassnng.
1. An die Gegenstände und Wände bewohnter Räume können Krank¬
heitserreger in Spritzern (Ausleerungen) und im Staube gelangen und sich
dort in verhältnismäßig großer Menge ansammeln. Sie halten sich dort
oft monatelang lebensfähig.
2. In erster Linie kommen hier als Krankheitserreger Tuberkel-,
Diphtheriebazillen und Eitererreger in Frage, in zweiter Linie die im
Staube nur bei starkem Luftzuge enthaltenen (Choleravibrionen), Typhus-
und Ruhrbazillen. Meist werden die letztgenannten Erreger in Spritzern
und Tröpfchen von Ausleerungen auf die Anstriche gelangen.
3. Diese Krankheitserreger können durch Berühren oder Abstreifen
(z. B. beim trockenen oder feuchten Abwischeu), hauptsächlich aber durch
starken Luftzug auf die Zimmerbewohner übertragen werden.
4. Je rauher, rissiger und unebener ein Anstrich ist, desto mehr kann
von infektionslialtigem Material haften und festgehalteu werden. Ganz
besonders zu berücksichtigen ist hierbei die Möglichkeit, daß eine große
Anzahl von Bakterien auf einmal wieder von den Zimmerbewohnern auf¬
genommen werden kann, sei es durch die Atmungsluft, sei es durch den
Mund in den Verdauungsapparat. Weiter ist in Betracht zu ziehen, daß
sich rauhe und rissige Flächen viel schwerer reinigen lassen als glatte,
dichtgefügte.
5. Das Haften von in Spritzern und Staub enthaltenen Bakterien
wird ferner sehr begünstigt uud ihre spätere Entfernung sehr erschwert,
wenn die Anstriche für Feuchtigkeit aufnahmefähig sind, wenn sie also
aus nassem, löslichem oder in Wasser aufquellendem Material bestehen,
z. B. Wasser-, Leim-, Kasein-, Gummi- usw. Farben.
6. Die auf und in den Anstrichen befindlichen Bakterien können un¬
schädlich gemacht werden durch:
a. Abtöten.
b. Mechanisches Entfernen:
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Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche.
263
1. Feuchtes Abwischeu mit Wasser.
2. Trocknes Abwischeu.
3. Abreibeu mit Brot.
c. Mit flüssigen Desinfektionsmitteln in der üblichen Konzentration:
Sublimatlösung (1:1000), Karbolsäurelösung (2 bis 3 Prozent), Kresol-
seifenlösung (Kresol und Seife zu 2*5 Prozent), Kalkmilch.
d. Desgleichen mit fettlösenden Substanzen in der üblichen Konzen*
tration: Seifen, Spiritus und Soda.
e. Mit gasförmigen Desinfektionsmitteln.
f. Durch den Anstrich selbst
7 a. Die in der Literatur gemachten Angaben über desinfizierende
Kraft von Anstrichen schwanken außerordentlich, bei den einzelnen An¬
strichen und den benutzten Bakterien so sehr, daß die Unterschiede da¬
durch fast ausgeglichen werden.
b. Bei Tuberkelbazillen, an deren Abtötung bei „desinfizierenden An¬
strichen“ immer zuerst gedacht wird, besonders aber bei sporenhaltigen
Bazillen ist die keimtötende Kraft eine so geringe, daß sie so gut wie gar
nicht in Betracht kommt und viel zweckmäßiger durch erhöhte Sauberkeit
ersetzt wird (s. unten).
c. Die Technik, welche bei den in der Literatur veröffentlichten Ver¬
suchen zur Anwendung kam, zieht nur solche Krankheitserreger iu Frage,
welche durch Spritzer, z. B. von menschlichen oder tierischen Abgängen,
Ausleerungen, Badewasser usw. an Gegenstände und Wände verspritzt
werden.
d. Berücksichtigt man bei der Versuchsordnung auch eingetrocknete
mit Staub auf Anstriche gelangte Bakterien, so ist auch nach Wochen
kaum eine Abschwächung, geschweige denn ein Abtöten von Krankheits¬
keimen zu beobachten.
8. Bei der Desinfektiouswirkung von Farben ist folgendes zu beachten:
a. Zu jeder Desinfektionswirkung gehört eine bestimmte Konzentra¬
tion hzw. Menge des Desinfektionsmittels.
b. Bei jeder Desinfektion wird eine bestimmte Desinfektionsmenge
verbraucht.
c. Die zur Zersetzung bzw. Desinfektionswirkung in Anstrichen zur
Verfügung stehende Substanzmenge ist eine äußerst geringe.
d. Die chemischen Vorgänge, durch welche die desinfizierenden Sub¬
stanzen gebildet werden, hängen von zahlreichen Umständen ab: Zu¬
sammensetzung des Anstriches in bezug auf Mengenverhältnis und Güte
der einzelnen Materialien, Temperatur, (absolute, wechselnde) Feuchtig¬
keit usw.
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264
Hüne:
9. Die auffallend geringe, oft kaum zu beobachtende Wirkung von
Anstrichfarben auf im Staube enthaltene Bakterien erklärt sich dadurch:
a. Daß eine Desinfektion mit zunehmender Trockenheit der zu desin¬
fizierenden Objekte abnimmt.
b. Daß der Staub selten der Wand ganz fest anliegt, daß also eine
gewisse Fernwirknng der an und für sich schon in geringer Menge vor¬
handenen Desinfektionsmittel stattfinden muß.
10. Von allen geprüften Farben besitzt das Vitralin die ausge¬
sprochenste keimtötende Wirkung. Jedoch ist auch diese so gering und
nimmt so rasch ab, daß sie für praktische Zwecke nicht in Frage kommt.
Durch Berücksichtigen dieser Desinfektionswirkung z. B. in
Anpreisungen der Fabrik besteht die große Gefahr der ganz
unberechtigten Überschätzung der Desinfektionskraft, Nicht¬
achtung des noch voll und ganz infektionsfähigen Staubes und
Schmutzes und Vernachlässigung der trotzdem notwendigen
regelmäßigen Reinigung bzw. Desinfektion der Kranken¬
zimmer usw.
11. Weit sicherer als die Desinfektionskraft der Anstriche selbst
wirken mechanische Beseitigung der Krankheitserreger durch die soge¬
nannte Reinigung oder ihre Abtötung durch flüssige oder gasförmige
Desinfektionsmittel.
12. Um die Reiniguug und die Anwendung von Desinfektionsmitteln mit
Erfolg und auf die Dauer zu ermöglichen, müssen die Farben gegenüber
den bei der Reinigung und dem Gebrauch von Desinfektionsmitteln not¬
wendigen Einwirkungen genügende Widerstandsfähigkeit besitzen. Hierzu
gehört, daß sie also von trocknem oder feuchtem Ab wischen mit
Tüchern bzw. weichen Bürsten, Von Fett auflösenden Mitteln (Seife, Spiritus,
Soda), von Formaldehyd gas und Wasserdampf und von flüssigen Desin¬
fektionsmitteln: Sublimat-, Karbol- und Kresolseifenlösung gar nicht oder
möglichst wenig angegriffen werden.
18. Ganz ungeeignet sind für den unter 12 genannten Zweck Wasser-,
Leim-, Gummi- und Kaseinfarben, da sie schon durch Wasser abgeweicht
und abgeschwemmt werden. Die gewöhnlichen Ölfarben halten kaltes
Wasser kurze Zeit aus, leiden aber schon bei heißem Wasser rasch,
bei kaltem Wasser nach mehreren Stunden. Das gleiche gilt von den
flüssigen Desinfektionsmitteln. Von Formalin und Sublimat werden sie
bei mehrmaliger 1 / 2 bis 1 stündiger Einwirkung nach dem Trocknen
brüchig und bröcklig. Spiritus, auch Seifen und Soda greifen Ölfarben
rasch an, besonders wenn sie heiß angewandt werden. Lacke vertragen
die Einwirkung bei der Reinigung und Desinfektion, wenn beide kalt und
nicht zu lange ausgedehnt werden, gut, werden aber durch Spiritus rasch
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Beitrag zur Hygiene der Wand Anstriche.
265
aufgelöst und mit der Zeit ohne besondere Einwirkung häutig rissig. Am
geeignetesten für Reinigung und Desinfektion sind gute Emaillefarben und
unter ihnen hat sich von dem geprüften Material das Yitralin am besten
bewährt. Sehr schade ist es, daß stärkere Lösungen von Kaliseife Yitralin
angreifen, allerdings wieder weniger wie andere Farben. Ungelöste Reste
von Kaliseife bleiben leicht bei der Auflösung in Wasser zurück, die sich
jedoch rasch, in wenigen Minuten, zu Boden senken. Daher ist stets
nur die (jbenstehende Lösung zum Abwaschen der Wände zu
benutzen.
14. Weißes Vitralin wird von Sublimatlösung je nach der angewandten
Konzentration allmählich etwas mißfarben, kaum merkbar in einer Ver¬
dünnung von 1:2000 und bei schwächeren Lösungen.
15. Der Preis an Farhenmaterial für 1 qm einer bisher unbestrichenen
Holzfläche beträgt etwa 25 bis 35 Pfg. für den bestbekannten Emaillelack,
für den Japanlack etwa 80 Pfg. und für Vitralin 65 Pfg. Rechnet man
an übrigen Kosten 35 bis 40 Pfg. hinzu, so ergeben sich für Ölanstriche
65 Pfg., für Japanlack 120 Pfg., für Vitralin 100 Pfg. Man rechnet
als durchschnittliche Dauer bis zur notwendigen Erneuerung bei Kalk-
und Leimfarbe 3 Jahre, für Ölfarbe 6 Jahre. Auf Grund von Nach¬
fragen und eigenen Erfahrungen bin ich der Ansicht, daß bei gleicher
Benutzung und Behandlung Emaillefarben, besonders aber Vitralin
die doppelte Zeit einen hygienisch nicht zu beanstandenden
Anstrich gibt. Die Mehrkosten werden demnach bei guten Emaille¬
farben, besonders Vitralin, von den dadurch erreichten hygienischen und
wirtschaftlichen Vorteilen voll und ganz aufgewogeu.
Am Schluß der Arbeit möchte ich hervorheben, daß derartige Unter¬
suchungen wie die vorliegenden außerordentlich durch die Ungleichheit
der einzelnen Farbenproben, welche denselben Namen tragen, erschwert
werden. Besonders ist es oft schwer, wirkliche Handelswaren zu er¬
halten. Zu Versuchszwecken dürfen die Zwischenhändler oft nichts ab¬
geben. Durch bekannte Maler, die sich Proben unauffällig schicken lassen,
sind diese Schwierigkeilen zuweilen zu umgehen. Man kann nur be¬
dauern, daß die Herstellung wirklich guter oder, besser gesagt, der bisher
besten Emaillefarben Fabrikgeheimnisse sind. Mau sollte meines Erach¬
tens bei Ankauf von Farben stets genau die Verwendungsart angeben und
dann aber auch Garantie auf eine gewisse Anzahl von Jahren ver¬
langen. Am besten wäre es, bestimmte allgemeingültige Mindestforde¬
rungen aufzustellen. Nur so wäre man einigermaßen gegenüber der ge¬
wissen Willkür in der Zusammensetzung der Farben geschützt.
Vitralin und Vitralpef wird von der Firma Rosenzweig & Baumann,
Kassel, hergestellt.
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266
Hüne: Beitrag zur Hygiene der Wand Anstriche.
Literatur-Verzeichnis.
1. Bosco, Le parefci delle casa come mezzo di conservazione e propagazione
dei batteri pathogeni. Lavori di laboratorio delV Instituto tVigiene de Palermo.
1898. T. IX. p. 207.
2. Broschnino wsky, Ober die Einwirkung verschiedener Unterlagen auf die
Lebensfähigkeit der Bakterien. Petersburger Dissertation . 1901.
8. Cornet, Die Tuberkulose . 1907. Bd. XXXVII.
4. Deyke, Über Abstonbedingungen pathogener Keime auf gewisse Anstrich¬
farben. Centralblatt f. Bakteriologie . 1908. Bd. XXIII. S. 1033 u. 1081.
5. Frankel, Diskussion zum Vortrage von Jakobitz im Verein der Ärzte zu
Halle. Münchener med. Wochenschrift. 1901. Nr. 7.
6. Heims, Über das Verhalten der Anstrichfarben zu den pathogenen Bak¬
terien. Deutsche med. Wochenschrift . 99 Bol. 25. V. S. 65.
7. Hey mann, Versuche über die Verbreitung der Phthise durch ausgehustete
Tropfen und durch trockenen Sputumstaub. Diese Zeitschrift . 1901. Bd. XXXVIII.
8. Huß, Über desinfizierende Wandanstriche mit besonderer Berücksichtigung
des Vitralins. Ebenda. Bd. LVI. S. 329.
9. Jakobitz, Über desinfizierende Wandanstriche. Ebenda . Bd. XXXVII. S. 70.
10. Derselbe, Über desinfizierende Wandanstriche. Hygien. Rundschau. 1902.
Nr. 5. S. 209.
11. Derselbe, Vortrag gehalten auf dem ersten internationalen Schulhygiene-
Kongreß zu Nürnberg 1904 .
12. Kirstein, Über die Dauer der Lebensfähigkeit von Krankheitserregern in
der Form feinster Tröpfchen und Stäubchen. Diese Zeitschrift. 1902. Bd. XXXIX.
13. Rabinowitsch, Über desinfizierende Wandanstriche mit besonderer Berück¬
sichtigung der Tuberkulose. Ebenda. 1902. Bd. XL. S. 529.
14. Rapp, Untersuchungen über desinfizierende Wandanstriche. Apothekerzeitg. A.
Nr. 80. S. 772.
15. Saltykow, Über desinfizierende Wandanstriche. Diese Zeitschrift. Bd. LX1I.
S. 453.
16. Weiß, Über desinfizierende Wandanstriche. Desinfektion. 1909. Bd. II.
S. 297.
17. Xylander, Vitralin, eine desinfizierende Anstrichfarbe. Arbeiten aus dem
Kaiserl. Gesundheitsamte. 1908. Bd. XXIX, Hft. 1.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
Ermüdungsmessungen und ihre historische Entwicklung.
Von
Dr. Theodor Altsohul,
K. K. Obenanlt&tsrat, Prag.
Es ist eigentlich ein Widerspruch, daß in dem Zeitalter des allgemeinen
Fortschrittes, in einer Zeit, wo die Naturforschung und die Technik wahre
Wunder vollbringen und fast jeder neue Tag neue Entdeckungen und
Erfindungen gebiert, der „Schrei nach der Schulreform“ ein so lauter
und allgemeiner ist. Wenn man die schier ins Unendliche angeschwollene
schulreformatorische Literatur durchstudiert, dann könnte man zu dem
Schlüsse gelangen, daß unser gegenwärtiges Schulsystem infolge geistiger
Überbürdung nur lauter Psychopathen und Schwächlinge erziehen kann.
Die Gefahr kann aber, soweit die gegenwärtige Generation in Frage
kommt, keine so übergroße sein, denn wir bemerken glücklicherweise
noch keinen Rückgang, ja nicht einmal einen Stillstand in Wissenschaft,
Kunst und Literatur und vollends die Industrie und das Gewerbe sind
gewiß noch nicht auf den toten Punkt angelangt. Also sagen wir es
nur rund heraus: die fast allgemein behauptete „drohende Gefahr“ der
Degeneration unserer Rasse ist nicht gar so akut und etwas Übertreibung
ist bei der ganzen Frage gewiß mit im Spiele.
Trotz dieser Erkenntnis kann man aber bei nüchterner und vorurteils¬
freier Prüfung der gegenwärtigen Sachlage sich nicht verhehlen, daß das
Schulwesen und ganz besonders der Studiengang an den Gymnasien dennoch
einer Reform bedarf: gerade weil wir fortschreiten und weil die neue Zeit
ganz andere Anforderungen an den Mann stellt, als die bei weitem ruhigere
und in jeder Beziehung einfachere alte Zeit, muß die Jugenderziehung auf
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268
Theodor Altschul:
eine wesentlich andere, auf eine moderne Grundlage gestellt werden; aber
das bedeutet keine Herabminderung der Ansprüche, sondern im Gegenteil,
ein Mehrerfordernis. Dieses Mehrerfordernis einfach zu den heutigen An¬
forderungen des Mittelschulunterrichts hinzuzufügen, ist ganz unmöglich
und so muß durch Eliminierung des als Ballast erkannten und deshalb
unnötigen Teiles des Lehrstoffes Raum geschaffen werden für die aus dem
Zeitgeist hervorgewachsenen Forderungen der neuen Zeit.
Auf welche Weise Raum geschaffen wird für die unabweislichen neu¬
zeitlichen Bedürfnisse ist vom rein sc hui hygienischen (ärztlichen) Stand¬
punkte eigentlich weniger von Belang und ist mehr weniger pädagogische
Geschmackssache. Es gibt sicherlich nicht nur eine einzige berechtigte
Reform, es führen viele — wenn auch gewiß nicht alle — Wege nach
Rom und so scheint mir der oft leidenschaftliche Widerstreit der Meinungen
bezüglich der Detailausführung der Schul- und besonders der Mittelschul¬
reform nicht an den Kernpunkt der Sache zu greifen und uns mehr vom
Wege abzuführen, als uns dem Ziele näher zu bringen.
Das sind allerdings gegenüber der heute herrschenden Lehre ketze¬
rische Anschauungen; aber die geschichtliche Erfahrung lehrt uns, daß
bloße Schlagworte, welche der Zeitströmung entgegenkommen, mit sug¬
gestiver Kraft oft eine ganze Generation beherrschen und daß dabei doch
nicht gerade das, was die Majorität behauptet und beschließt, im politi¬
schen Leben ebenso wie in der Wissenschaft das Richtige und Zutreffende
ist und daß der Ausruf des Schill ersehen Demetrius: „Mehrheit ist
Unsinn . . . man muß die Stimmen wägen und nicht zählen“, sehr oft
auch für die Tagesfragen der Gegenwart Geltung hat.
Man hat die Notwendigkeit einer gründlichen Schulreform mit der
zunehmenden Nervosität unserer Zeit motiviert, andere aber wieder schreiben
die zunehmende Nervosität zu einem guten Teile den gegenwärtigen Unter¬
richts methoden zu: ein Circulus vitiosus!
Es wäre noch zu beweisen, ob es wirklich zutrifl't, daß unser Nerven¬
system] reizbarer und schwächer ist, als das unserer Vorfahren und ob
diese, wenn sie mit ihren angeblich stärkeren Nerven in das Getriebe
der Jetztzeit mit dem aufreibenden Kampfe ums Dasein gestellt würden,
nicht noch weit „nervöser“ würden, als wir es sind. Prof. Dr. Wilh.
Alex. Freund (1) hat in einer kleinen Schrift: „Wie steht es um die
Nervosität unseres Zeitalters?“, einer Schrift, die wert ist, der Vergessen¬
heit entrissen zu werden, die aufgeworfene Frage in geistvoller Weise be¬
handelt und die Zunahme der Nervosität nur für einige Berufsarten:
Fabriksarbeiter, Telegraphen- und Telephonbeamte, Postbedienstete, Offiziere,
Ärzte, bejaht, während er für alle übrigen Berufsarten die Frage verneint
und die „Gegenbehauptung aufstellt, daß im allgemeinen die Mehrzahl der
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
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heute iu der moderneu Gesellschaft lebenden und arbeitenden Menschen
nervenkräftiger, widerstandsfähiger und damit leistungsfähiger ist, als die
früheren Generationen und daß wir diesen Vorrang unseren fortgeschrittenen
Kultureinrichtungen, zu denen die öffentliche Hygiene hervorragend gehört,
verdanken.“ Allerdings betont er, daß die Nervosität durch oft und
längere Zeit einwirkende Schädlichkeiten verursacht wird, „indem sie das
Nervensystem in abnormer Weise in stündlichem und täglichem Andrange
hetzen, ermüden, widerstandsschwach machen und damit zugleich die Be¬
dingungen zum Ersatz des Verbrauchten erschweren“ und merkwürdiger¬
weise fügt er hinzu: „Es ist nicht zu bezweifeln und es wird von allen
Sachverständigen bestätigt, daß in dieser Hinsicht die öffentlichen Schulen
niederer und höherer Ordnung von dem übelsten Einflüsse sind.“
Nervosität und Schule, das ist das Problem, dessen Lösung für
die Jugend- und dadurch natürlich auch für die Volkserziehuug von aus¬
schlaggebender Bedeutung ist
Die Fachliteratur ist überreich an mehr weniger sachkundigen Werken
und Abhandlungen über diesen wichtigen Gegenstand und wenn wir heute
noch nicht zu einer eindeutigen und einwandfreien Lösung durchgedruugen
sind, so ist daran gewiß nicht Mangel an Gründlichkeit und Arbeitslust
schuld, sondern die Schwierigkeit und die Kompliziertheit des Gegenstandes
selbst. Es liegt nicht in dem Zwecke meiner vorliegenden Arbeit, auf
dieses fraglos interessante Thema näher einzugeheu; ich mußte nur darauf
hinweisen, weil die Frage der Ermüdung (in schulhygienischem Sinne),
der ich im folgenden näher treten will, nichts anderes ist, als eine und
zwar die wichtigste Detailfrage aus dem ganzen Komplexe der Er¬
scheinungen, die wir konventionell — ob mit Recht oder Unrecht möge da¬
hingestellt bleiben — mit dem Namen der Nervosität belegt haben.
Die gegenwärtige Unterrichtsform, so wird fast allgemein behauptet,
schafft eine unzulässige Ermüdung des kindlichen Gehirns und diese
Ermüdung bedingt eine meist bleibende Schädigung des Nervensystems:
unsere Schuljugend ist „überbürdet“ und nimmt dadurch Schaden an
Körper und Geist.
Diese Anschauung ist in ärztlichen Kreisen bis vor kurzem fast
unwidersprochen geblieben, nur Prof. Dr. R. Czerny (2) nahm einen ge¬
wissen Sonderstandpunkt ein und sagt (a. a. 0.): „Aus meiner eigenen Er¬
fahrung kenne ich keinen einzigen Fall, in welchem sich eine Schädigung
eines gesunden Kindes durch Überarbeitung in der Schule sicherstellen
ließ.“ Czerny vertritt sonach das andere Extrem und so sehr man ihm
für viele Fälle rechtgeben muß, so allgemeine Geltung hat sein Aus¬
spruch in Wirklichkeit nicht und wie gewöhnlich scheint auch hier die
Wahrheit in der Mitte zu liegen.
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270
Theodor Altschul:
Auch Uffenheimer (3) führt in einem Vorträge: „Warum kommen
die Kinder in der Schule nicht vorwärts?“ u. a. an: „Wir Ärzte sollen
uns nicht jenen anschließen, welche die Schulpause immer mehr ver¬
kleinern, welche die Hausaufgaben abschaffen, welche in allzu einseitiger
Weise der körperlichen Ausbildung der Schüler und dem Sport ein Lob¬
lied singen. Wir sollen uns freuen, daß die deutsche Schule vor den
anderen Ländern sich durch ihre Gründlichkeit und Gediegenheit aus¬
zeichnet, mit der sie ihre Kinder unterrichtet. Und daß eine solche
Ausbildung recht vielen der Kinder gut bekommt, das sehen wir doch
alle Tage, wenn wir uns die zum großen Teil frischen und gesunden
Schüler der höheren Gymnasialklassen oder unsere jungen Studenten an-
sehen. Die machen nicht den Kindruck von Überbürdeten. Ehe man
das Wort Überbürduug ausspricht, muß man vielmehr genau untersuchen,
ob wirklich eine solche vorliegt und ob nicht andere Faktoren die Ge¬
sundheit der Schüler ungünstig beeinflussen. Denn neben den Ursachen,
welche innerhalb der Schule selbst einwirken können, gibt es noch eine
Menge anderer, außerhalb derselben waltenden Einflüsse, die dauernde
oder flüchtige Anomalien des gesamten Geisteszustandes, also auch des
Intellekts verursachen können.“
Sehr bezeichnend ist es, daß bei einer vom „Zentralverband der Indu¬
striellen in Österreich“ veranstalteten Rundfrage (4) betreffend das Ver¬
hältnis der Industrie zur Mittelschulreform, die Männer der Praxis, die
zu Worte kamen, in ansehnlicher Majorität für die viel geschmähte Gym¬
nasialbildung eintreten, „weil diese ein größeres Maß allgemeiner Kennt¬
nisse, insbesondere aber die Fähigkeit verleiht, sich in der Muttersprache
gewandter und klarer auszudrücken und bisher Unbekanntes rascher und
sicherer zu fassen.“ Selbst ehemalige Realschüler vertreten auf Grund
der praktischen Erfahrungen diesen Standpunkt.
Der hauptsächlichste Fehler, der die fraglos herrschende Verwirrung
in der Ermüdungsfrage verschuldet, liegt meiner Ansicht nach darin, daß
man meist von der irrigen Anschauung ausgeht, daß jede Ermüdung schon
an sich eine Schädigung bedeutet. Man*übersieht dabei, daß sich körperliche
und geistige Ermüdung wieder vollständig ausgleichen kann und sich —
von wiederholten körperlichen, bzw. geistigen Übertreibungen abgesehen
— auch tatsächlich ausgleicht. Gladys W. Martyn (5) hat jüngst in
einer prächtigen kleinen Arbeit: „The Experimental Study of Mental
Fatigue“ die gleiche Anschauung zum Ausdrucke gebracht: „Fatigue has
long been recognised as a normal physiological condition ensuing after
inuscular or mental activity. Such a condition is removed by adequate
rest: that of oue night should be sufficient under normal circumstances
to remvoe tbe fatigue of the preceding day.“
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
271
Die „Gesetze“ (wie wir die nach menschlicher Erfahrung regelmäßig
einsetzenden Erscheinungen nennen), welche bei der körperlichen und
geistigen Arbeit wirksam sind, sind im Wesen die gleichen: Körper und
Geist stehen in untrennbaren Wechselbeziehungen zueinander, es besteht
keine undurchdringliche Scheidewand zwischen beiden und wir sollten auch
— theoretisch und praktisch — nicht eine solche künstlich aufrichten.
Ich habe in einer älteren Ar¬
beit (6) ein Schema konstruiert, das
mir geeignet scheint, die „Gesetze“
der Arbeit tatsächlich mit einigen
Federstrichen klarzulegen.
In der nebenstehenden Fig. 1
bedeutet B Buhe, T Tätigkeit,
M Maximum der Leistungsfähigkeit,
E Ermüdung, L Lähmung.
Wir ersehen daraus, daß alle
Phasen einer Arbeitskurve — auch
die Ermüdung — wenn eine Rückkehr zur Ruhe stattfindet, immer
wieder aufs neue durchlaufen und zum Maximum der Leistungsfähigkeit
emporgeführt werden können, d. h. eine Schädigung des Körpers und des
Geistes nicht notwendig bedingen; nur von der Lähmung gibt es keine
Rückkehr zur Tätigkeit mehr — L und R liegen in derselben starren
Linie; die Lähmung ist die dauernde unfreiwillige Ruhe, ein Extrem,
das abgesehen von Krankheiten bei der körperlichen und geistigen Arbeit
wohl niemals in Wirklichkeit vorkommt. Daß auch vollständige Muskel¬
lähmungen noch in manchen Fällen heilbar sind, sei der Einfachheit
wegen hier nicht berücksichtigt.
Ich möchte diese Arbeitskurve noch durch eine Übuneskurve er¬
gänzen: die Übung führt zu einem
oft bleibenden Gewinn an Arbeits¬
leistung in quantitativer und qua¬
litativer Beziehung.
Tätigkeit, Maximum der
Leistungsfähigkeit und die Er¬
müdung sind Summanden der
Übung, wenn auch natürlich von
verschiedener Größe und Inten¬
sität; erst die Übermüdung ( Ü B)
und die Erschöpfung ( ER) sind
nicht mehr positiv, sie sind gesundheitsschädlich; aber durch die Rück¬
kehr zur Ruhe sind all diese Phasen nach kürzerer oder längerer Zeit
M
M
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272
Theodor Altschul:
vom neuen auslösbar und im Gegensatz zur Lähmung kann selbst die
Erschöpfung durch entsprechende Ruhe wieder ausgeglichen werden.
Die einzelnen Kurvenabschnitte der Arbeit und Übung werden aber
nicht von allen Individuen in der gleichen Zeit und mit gleichbleibeuder
Länge (Dauer und Intensität) durchlaufen: die Individualität ist ja eben
das unterscheidende Merkmal des Einzelwesens; es gibt niemals zwei
Menschen, welche ganz genau dieselben Individualkurven darbieten.
Die quantitative Leistungsfähigkeit ist durch einen qualitativen Faktor
der bei den verschiedenen Menschen verschieden ist, in hohem Grade be¬
einflußt: der Ermüdbarkeit. Es gibt — bei körperlicher und geistiger
Arbeit — arbeitskräftige, arbeitsfrohe und anderseits arbeitsschwache und
arbeitsscheue Menschen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß sich
bei einem Individuum Arbeitslust, bzw. Unlust nicht auf alle Arbeits¬
qualitäten beziehen muß, daß vielmehr Anlage und Übung eine Arbeits¬
qualität als leicht ausführbar und nicht so leicht ermüdend gestalten
kann, während bei einer anderen Arbeit bei demselben Individuum sich
Unlust und Ermüdung sehr leicht und sehr bald einzustellen vermag: was
für den einen lustbetontes Vergnügen ist, ist für den anderen ermüdende
und Unlust erzeugende Arbeit. Der eine z. B. kann stundenlang musi¬
zieren, ohne zu ermüden, während eine kurze Rechenarbeit für ihn eine
ermüdende Qual bedeutet und umgekehrt. Man sollte meinen, das seien
lauter selbstverständliche Dinge, die niemand bezweifeln kann und doch
ist ein großer Teil der Überbürdungsliteratur nichts anderes, als eine
Ignorierung dieser Selbstverständlichkeiten.
Die größere oder geringere (individuelle) Ermüdbarkeit ist aber nicht
nur ausschließlich von Anlage und Übung bestimmt, es tritt vielmehr
noch eine große Reihe wechselnder Momente hinzu, welche fördernd oder
hemmend einzuwirken vermögen, so körperliches Befinden, Stimmung und
gauz besonders das Interesse, das man an der Arbeit nimmt; ferner
oft genug Äußerlichkeiten, wie der Arbeitsraum, Sonnenschein oder düsteres
Wetter, Temperatur- und Luftverhältnisse, das „Milieu“ usw., und bei
dem Unterrichte in der Schule kommt noch die Persönlichkeit des
Lehrers als ein durchaus nicht gering zu achtender Faktor hinzu.
Das Problem der Ermüdung ist sonach ungemein kompliziert und es
läßt sich streuggenommen nur für jedes Individuum gesondert unter¬
suchen. Das würde bezüglich der Schule eigentlich zur Forderung des
Einzelunterrichts führen. Daß dieser praktisch undurchführbar ist,
muß wohl nicht erst bewiesen werden, und die Erfahrung lehrt, daß die
Kinder der höheren Stände, welche oft genug einen derartigen Sonder¬
unterricht genießen, in der Regel weder die gelehrtesten, noch auch die
wohlerzogensten sind.
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Die: geistige Eemüdung deb Schuljugend.
273
Der Mensch ist nun einmal ein „Herdentier“; unsere Kinder müssen
nicht für ihr individuelles Wissensbedürfnis, sondern für die Gemeinschaft
erzogen und für den Kampf ums Dasein gestählt werden. Wir lernen
und wir bilden uns an den Vorzügen und Beispielen unserer Arbeits¬
genossen und Mitmenschen, aber auch an ihren Fehlern. Und dennoch
haften — wenn wir wieder nur die Schulverhältnisse ins Auge fassen
wollen — dem Massenunterrichte, der der Individualität der Schüler
nur wenig Rechnung tragen kann, so viele Nachteile an, daß er nichts
weniger denn als Ideal angesehen werden kann. Deshalb ist uns Ärzten
das von Schulrat F. Sickin ger (7) begründete „Sonderklassensystem“,
das sogenannte Mannheimer System, wie Moses (8) überzeugend dargetan
hat, so überaus sympathisch, ob es nun pädagogisch einwandfrei ist
oder nicht.
Allerdings hat das Bestreben, die Schüler nach ihren Fähigkeiten in
Unterrichtsgruppen zu sondern, zu einer gewissen Übertreibung Ver¬
anlassung gegeben, indem auch einerseits für die Höherbegabten und
anderseits für die „Nervösen“ (Stadelmann [9] Sonderklassen gefordert
wurden. Wenn man die Schülerzahl in den einzelnen Klassen prinzi¬
piell nicht zu hoch nimmt, dann braucht man nicht gar zu viel Sonder¬
abteilungen, vorausgesetzt, daß die Lehrer pädagogisch und psychologisch
genügend geschult sind — die bessere Ausbildung der Lehrer ist ein
wertvolles Gegengewicht gegen die sogenannte „Überbürdung“ der Schüler.
Eine weitere für das Ermüdungsproblem wichtige Frage ist die
Wechselbeziehung zwischen geistiger und körperlicher Ermüdung. Die
ältere Auffassung, daß Körperübungen unter allen Umständen eine Er¬
holung nach geistiger Anstrengung bedeuten, ist heute mit Recht gänz¬
lich verlassen: ein geistig ermüdeter Mensch kann keine zweckentspre¬
chende und ausgiebige Körperarbeit leisten und ein körperlich ermüdeter
Mensch ist für eine intensivere Geistesarbeit nicht besonders geeignet; bei
den Leibesübungen ist der Geist durchaus nicht untätig und die Geistes¬
arbeit, die sich ja im Gehirne abspielt, ist natürlich auch Körperarbeit;
sie beeinflußt die Stoffwechselvorgänge und wird auch umgekehrt von den
Stoffwechselvorgängen beeinflußt. Ich (10) habe in einer kleinen Arbeit
diese Tatsachen näher ausgeführt.
Daß eine kräftige Körperanlage in der Regel auch mit einer besseren
geistigen Kraft (Begabung) gepaart ist, kann nach dem Gesagten schon
a priori angenommen werden. In unserem naturwissenschaftlichen Zeit¬
alter glaubt man aber nur das, was experimentell gestützt ist, und so
fehlt es auch hierüber nicht an experimentellen Untersuchungen: Porter(ll)
und Mac Donald (12) haben an amerikanischen, Grazianow (13) und
Sack (14) an russischen Schülern eingehende Messungen und Wägungen
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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Original fro-m
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Theodor Altschud:
vorgenommen, in Deutschland sind diese Versuche von Dr. med. F. Schmidt
zusammen mit Hauptlehrer Dr. Lessenich (15) nachgeprüft und die
Ergebnisse bestätigt worden, auch Dr. med. Rietz (16) hat in einer be¬
sonders sorgfältigen Arbeit die Frage studiert und ist zu den gleichen
Schlüssen gelangt.
Alle diese Arbeiten sind ungemein lehrreich und interessant und ich
zweifle nicht einen Augenblick daran, daß die Anschauungen der genannten
Autoren im wesentlichen richtig sind, aber die Experimente selbst sind
doch nicht vollständig einwandfrei: sie rechnen nur mit „Durchschnitts¬
zahlen“ (und man kann auch füglich hier nicht anders Vorgehen), und zu
den Durchschnittszahlen habe ich einmal in der Statistik, wie ich (17) es
schon vor Jahren in einer Arbeit dargetan habe, kein sonderliches Ver¬
trauen, und vollends bei der obenerwähnten Frage unterdrücken die Durch¬
schnittszahlen die Individualität (der Versuchsobjekte), auf die es gerade
hier ganz besonders ankommt.
Es wird wohl viele geben, welche diese meine Bedenken für gar zu
pedantisch und unberechtigt erklären und mir entgegenhalten werden, daß
wir mit Individualuntersuchuugen allein im Experimente noch viel weniger
weiter zu kommen vermögen und daß dann fast alle naturwissenschaft¬
lichen Experimente nach dieser Richtung bemängelt werden können. Ich
gebe dies ohne weiteres zu, aber ich bin schon einmal so verstockt und
unmodern, zu behaupten, daß in der Tat die meisten Experimente au
diesem natürlichen Fehler kranken und daß darin eine der Ursachen
liegt, daß wir — trotz unserer nicht abzuleugnenden großartigen Fort¬
schritte auf naturwissenschaftlichem Gebiete — bei den vielen Millionen
von „Experimenten“, die auf diesem Gebiete ausgeführt worden sind, nur
verhältnismäßig wenige Probleme restlos gelöst haben und der Forschung
noch immer sehr große, und je tiefer wir eindringen, desto schwierigere
und kompliziertere Aufgaben erwachsen. Damit soll aber beileibe nicht
gesagt sein, daß die Experimente überhaupt wertlos sind und daß wir
derselben eutraten können: es soll nur betont werden, daß bei der Ver¬
wertung der Ergebnisse von Experimenten in der Praxis die größte
Vorsicht geboten ist und daß wir uns dabei ganz besonders vor einer
Verallgemeinerung hüten müssen.
Auch über die durch die geistige Arbeit und so auch durch den
Unterricht erzeugte Ermüdung wurde eine große Anzahl von experimen¬
tellen Untersuchungen — Ermüdungsmessungen — ausgeführt, die
ich nunmehr eingehend erörtern und kritisch beleuchten will. Die Er¬
müdungsmessungen — namentlich an Schulkindern — wären, wenn sie
wirklich das richtige Maß der Ermüdung bzw. Übermüdung ergeben
würden, ein verläßlicher Index für die überaus wichtige Frage der geistigen
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
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Belastung durch den Unterricht und auch durch die einzelnen Unterrichts¬
fächer: wir könnten dann die rationelle Schulreform buchstäblich heraus¬
rechnen und das wäre die endgültige Lösung des schwierigen Problems,
an welchem sich, man kann sagen, jahrhundertelang Ärzte und Pädagogen
die Köpfe zerbrochen haben und noch zerbrechen.
Wollen wir die Ermüdung messen, so müssen wir erst wissen, was
eigentlich die Ermüdung ist, welche chemische und biologische Vorgänge
im Organismus nicht nur das Ermüdungsgefühl, sondern die Ermüdung
selbst, das ist die reelle Herabsetzung der Leistungsfähigkeit, hervor¬
bringen. An Definitionen und an — zum Teil experimentell gestützten
— Untersuchungen hat es nicht gefehlt, sie haben alle recht lehrreiche
Einzelheiten zutage gefördert, eine vollständige Erklärung des Ermüdungs¬
phänomens haben sie uns aber nicht geliefert. Ob die zweifellos auf exakter
wissenschaftlicher Grundlage aufgebauten Untersuchungen Weichardts (18),
die ungemein bestechend sind, einen Wendepunkt darstellen, der die tat¬
sächliche Lösung des Ermüdungsproblems bedeutet, das wird die nächste
Zukunft zu erweisen haben. Weichardt fand im Muskelpreßsaft von
Tieren, welche durch Rückwärtsziehen übermüdet worden waren, ein Er¬
müdungsgift (Kenotoxin), was übrigens schon Mosso (vgl. Ergographie)
nachgewiesen hat, und konnte durch Injizieren des (gereinigten) Preßsaftes
bei Pferden das Gegengift (Antitoxin) erzeugen. Er hat beide — Toxin
und Antitoxin — isoliert dargestellt und zu ausgedehnten Versuchsreihen
verwendet. „Es ließen sich mit dem künstlich hergestellten Ermüdungs¬
toxin die typischen Erscheinungen der Ermüdung bis zum Ermüdungs¬
tode hervorbringen. Anderseits ist es jederzeit gelungen, mit dem künst¬
lich hergestellten Ermüdungsantitoxin die Wirksamkeit des Ermüdungs¬
toxins quantitativ aufzuheben. Regelmäßige Befunde von Ermüdungstoxin
in den Exkreten des Körpers, also auch im menschlichen Urin, zeigen,
daß Toxinbildung bei gewöhnlicher physiologischer Ermüdung
stattfindet und daß nicht erst eine schwere pathologische Ermüdung
eingetreten sein muß, damit sich Ermüdungstoxin im Körper bildet. Mit
dem Auftreten mäßiger Mengen von Ermüdungstoxin setzt nun jedesmal
im gesunden Organismus vermehrte Bildung des spezifischen Antitoxins
ein.“ Dies in kurzem das Wesentliche der Weichardtschen Lehre mit
den eigenen Worten des Forschers. Wir werden später die Verwendung
dieser Methode zu Ermüdungsmessungen noch genauer ins Auge fassen
müssen; an dieser Stelle muß nochmals darauf hingewiesen werden, daß
die Kenotoxinlehre trotz der wissenschaftlich korrekten Grundlage denn
doch noch nicht so gefestigt ist, daß wir schon jetzt darauf eine gänzlich
veränderte Ermüdungslehre aufbauen könnten, und eine vor kurzem er¬
schienene Arbeit aus dem hygienischen Institute der Berliner Universität
18 *
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Theodob Altschul:
gibt zu denken, wenngleich auch diese Arbeit nicht die Ermüdungsfrage
direkt betrifft. Weichardt hat nämlich auch das Kenotoxin in der
menschlichen und tierischen Ausatmungsluft nachgewiesen.
Diese für die Frage, ob es gesundheitsschädliche Ausatmungsstoffe
gibt, sehr wichtigen Versuche hat nun Dr. R. Inaba (19) (in dem ersten
Versuch sogar bei Anwesenheit Weichardts) nachgeprüft und kommt
zu dem Schlüsse, „daß die Versuchsanordnung Weichardts keinen ge¬
nügenden Beweis dafür liefert, daß sich in der Atemluft regelmäßig oder
häufig ein Gift von der Konstitution seines Kenotoxins befindet“. Auch
bezüglich der von Weichardt behaupteten Entstehung des Kenotoxins
aus Eiweiß hat In aha Bedenken erhoben.
Ermfidang8nies8ungen.
Die bisher ausgeführten Ermüdungsmessungen lassen sich ungezwungen
in folgende Gruppen einteilen: 1. psychologische, 2. physiologische,
3. biologische.
A. Psychologische Methoden.
Die erste experimentelle Untersuchung über Ermüdung bei Schul¬
kindern wurde (wenn man von den unvollkommenen Vorversuchen Galtons
absieht) im Jahre 1879 von Sikorsky (20) ausgeführt bzw. französisch
veröffentlicht. Es ist ein großes Verdienst Burgersteins, auf diese Arbeit,
deren russisches Original kaum zugänglich ist, aufmerksam gemacht zu
haben. Sie gab den Anstoß zu weiteren Versuchsanordnungen auf dem
Gebiete der Ermüdungsmessungen. Sikorskys Arbeit wurde fortan fast
regelmäßig zitiert — ob sie aber von allen, die sie zitiert haben, auch
gelesen worden ist, möchte ich bezweifeln. Gerade aber diese tatsächlich
grundlegende Arbeit ist eine der besten aus der Reihe der psycholo¬
gischen Methodik der Ermüdungsmessuugen und verdient eine eingehende
Wiedergabe.
Der erwähnte französische Artikel ist ein Referat (Autoreferat?) und
führt u. a. aus: „Sikorsky hat seine Aufmerksamkeit auf die psychomo¬
torischen Momente, d. h. auf das Wort, die Schrift und alle Tätigkeiten,
die man freiwillige (volontaires) nennen kann, gelenkt. Diese Tätigkeiten
stellen eine wirkliche Sprache der Ideen und Gedanken dar, gerade wie
die Mimik und die Gesten die Sprache der Sinne bilden. Es war deshalb
erlaubt, anzunehmen, daß jede geistige Ermüdung sich ausdrücken werde
in irgend einer Veränderung in der psychomotorischen Arbeit“ — deshalb
unternahm Sikorsky seine Versuche mit schriftlichen Arbeiten bei Schülern
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Die geistige Ebmüdung deb Schuljugend.
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der verschiedenen Unterrichtsanstalten. „Um das Objekt dieser Studie
möglichst zu vereinfachen, mußte man sich auf eine Aufgabe beschränken,
die so wenig wie möglich ermüdend für das Gehirn war und die gleich¬
zeitig ein Urteil über die Qualität der geistigen Arbeit in einer gegebenen
Zeit ermöglicht. Das Diktat in der Muttersprache entspricht am besten
diesem Ziele.“ Nach Vergleichung von beinahe 1500 Diktaten (mit etwa
40000 Buchstaben) hat Sikorsky festgestellt, daß die langen Diktate fast
mit derselben Exaktheit ausgeführt wurden, wie die kurzen. Da die Dik¬
tate au und für sich eine leichte Arbeit bedeuten, die nur wenig oder
gar nicht ermüdend wirkt, stellen sie ein geeignetes Mittel dar, die geistige
Ermüdung, welche durch die vorhergehenden Arbeiten erzeugt wird, zu
bestimmen. Es wurden zwei Kategorien von Diktaten verglichen: ein
morgens vor dem Unterricht geschriebenes und ein zweites um 3 Uhr
nachmittags desselben Tages angefertigtes, und es fanden sich bei dem
letzteren ausnahmslos mehr Fehler, als bei dem morgendlichen Diktate.
Diese Ergebnisse beweisen, daß die Schüler nach einigen Stunden Schul¬
arbeit mit einer geringeren Exaktheit arbeiten als vor Beginn des Unter¬
richtes. Es wurden aber nur jene Fehler gezählt, die man als unfreiwillige
und unvermeidliche ansehen konnte, welche Versehen („mdprises“) des
Wortes und der Schrift darstellen. Diese Fehler hängen nicht vom Wissen
oder von der Ignoranz ab und können durch Willen und Aufmerksamkeit
nicht vermieden werden, sondern stehen in Wechselbeziehung mit der
Exaktheit der Arbeit des neuropsychischen Mechanismus für eine gegebene
Zeit. Die eigentlichen Fehler sind von der Berechnung ausgeschlossen,
weil ihre Zahl unabhängig von der Ermüdung des neuropsychischen Mecha¬
nismus varieren kann als Folge mangelnder Kenntnisse oder geringerer
Aufmerksamkeit des Schülers, Dinge, die sich jeder Messung gänzlich
entziehen.
Für 100 Buchstaben und 100 Schüler ergaben sich „im Mittel“ Fehler
bei Klasse I: vor dem Unterricht 123*56, nach dem Unterricht 156*68;
in Klasse II: 121*48:145*27; in Klasse III: 72*44:102*81; in
Klasse IV: 66*47:94*20; in Klasse V: 61*39:81*06 und in Klasse VI:
45*70:80*05.
Sikorsky unterscheidet: 1. „les erreurs pbonötiques ou articulatiices“,
z. B. ansi statt ainsi, chabre statt chambre usw.; 2. „les erreurs graphi-
ques“, z. B. conme statt comme, angetique statt angölique, toite statt
toute; 3. les erreurs psycliiques — Auslassen von Worten, Ersatz eines
Wortes durch ein analoges, z. B. „En Russie il est de se föliciter“ statt
„il est d’usage de“ oder „Vous ne la trouverez pas, lui r6pondis-je“ statt
„lui dis-je“; 4. „les erreurs indeterminees“, deren Charakter durch Durch¬
streichen nicht erkennbar war.
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ThEODOB AliTSCHUL:
Von 100 Fehlern betrag das Mittel aus allen 6 Klassen 78 Prozent
phonetische, 11 Prozent graphische, 6*5 Prozent psychische und 8*5 Prozent
unbestimmbare. Es wird hervorgehoben, daß zwischen Maximum und
Minimum keine erhebliche Differenz besteht.
0
Für 100 Buchstaben und 100 Schüler betrugen die Mittel aus den
6 Klassen: phonetische Fehler vor dem Unterrichte 62*57 Prozent, nach
dem Unterricht 77*80 Prozent, graphische 8*95:11*70 Prozent, psychi¬
sche 4*52:8*90 und unbestimmbare 6*01:11*95 Prozent.
Die meisten Auslassungen betreffen das m (18*78 Prozent), dann c
(12*96 Prozent), n (11*78 Prozent), v (8*50 Prozent).
Die Häufigkeit der Auslassungen hängt nicht zusammen mit der
Häufigkeit des Vorkommens der betreffenden Buchstaben in der russischen
Sprache; die Verwechslung findet auf physiologischer bzw. psychischer
Grundlage statt: ähnlich klingende und phonetisch ähnlich gebildete Kon¬
sonanten werden substituiert.
4 bis 5 Stunden Schularbeit wirken auf den Schüler im Sinne einer
Abschwächung der Fähigkeit, die kleinen psychophysischen Werte ebenso
genau zu differenzieren, wie zu Beginn des Unterrichts. Diese Anschauung
wird durch die praktische Erfahrung „absolut bestätigt“: die Schüler
sprechen sich dann die Worte leise vor, um die akustische Zusammen¬
setzung sich klarzumachen, sie beginnen größer zu schreiben.
Die graphischen Fehler sind zweierlei: 1. durch Ähnlichkeit der Buch¬
stabenform gesetzte Verwechslungen, 2. das Setzen des lateinischen m statt
des russischen — Verwechslung der Alphabete.
Die psychischen Fehler nach dem Unterricht übersteigen um 90 Prozent
jene des Morgens, die unbestimmbaren überwiegen um 92 Prozent; die
Art der Fehlerverbesserung ist zweifellos individuell. Die Arbeit ist nach
4 bis 5 ständigem Unterricht im Mittel um 33 Prozent weniger exakt als
zu Beginn. Ein einmal gemachter Fehler, z. B. die Auslassung des s wird
in der Regel öfter wiederholt.
Ich habe die Arbeit Sikorskys ausführlicher wiedergegeben, um zu
zeigen, daß sie von allen nachfolgenden „Verbesserern“ nicht überholt
worden ist.
Diese Methode Sikorskys hat Hopfner (21) (1894) einer ziemlich
abfälligen Kritik unterzogen. Er bemängelt vor allem, daß nicht an¬
gegeben ist, welches die Länge oder Dauer der Diktate war, auch die Ein¬
teilung der Fehler in möprises (Versehen) und fautes de savoir (eigent¬
liche Fehler des Wissens und der Aufmerksamkeit) hält er nicht für zu¬
treffend.
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Die geistige Ebmüdung der Schuljugend.
279
Hopfner verwendet ebenfalls Diktate, berechnet aber die Fehler
nach Prozenten der Buchstaben. Er experimentierte an 9 jährigen Kindern.
Es fanden sich „im Mittel“ im 1. bis 2. Satz: 0*930, 3. bis 4.: 0*723,
5. bis 6.: 1*456, 7. bis 8.: 2-231, 9. bis 10.: 2-722, 11. bis 12.: 2-827,
13. bis 14.: 3-753, 15. bis 16.: 3-764, 17. bis 18.: 3-648, 19: 6-426;
nimmt man dos Mittel von vier Sätzen, dann erhält man eine regelmäßige
Progression: 0*8, 1*8, 2.8, 3*8, 5*0 per Hundert. Wenn man aber die
einzelnen Sätze berücksichtigt, so erkennt man ganz beträchtliche Schwan¬
kungen: der 11. Satz z. B. ergibt 3*731 Prozent Fehler, der 12. aber
1*922, der 13. wieder 4-818, der 14.: 2*688, der 17.: 4-704, der 18.:
2*592 und der 19. auf einmal 6*426! Ohne „Mittel“ stimmt sonach die
Rechnung nicht, und wenn Hopfner in seiner gewiß geistreichen und
psychologisch interessanten Arbeit den Ausspruch tut: „Betrachte ich es
doch als ein Hauptziel dieser vorliegenden Arbeit, zu zeigen, wie man
auch, ohne eigentliche experimentierende Versuche mit den Schülern an¬
zustellen, schon in den schulplanmäßigen Arbeiten derselben ein psycho¬
logisches Material besitzt, das sich durch geeignetes Verfahren sehr wohl
im Sinne experimenteller Studien der geistigen Ermüdung verwerten läßt“,
so stellt er damit schon die Forderung auf, die ich (22) in meinem Nürn¬
berger Referate verfochten habe in These 5: „Experimente, welche den
Einfluß geistiger Anstrengung auf die geistige Leistungsfähigkeit der
Schüler (mit alleiniger Rücksicht auf den Unterrichtserfolg) sicherstellen
sollen, also Schulexperimente xar können nur dann richtige Er¬
gebnisse liefern, wenn sie im regelmäßigen Schulunterrichte angestellt
werden und wenn die Schüler keine Kenntnis davon haben, daß sie Gegen¬
stand eines Experimentes sind“; aber Hopfner zieht nicht die daraus
sich ergebenden Konsequenzen und begeht den bei den psychologischen
Schülerexperimenten fast allgemein gemachten Fehler, die Zunahme von
Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten in den Diktaten ausschließlich der
Ermüdung zuzuschreiben, und was noch weniger zutreffend ist, als ein
Maß derselben anzusprechen und (mathematisch) in Rechnung zu ziehen,
während hier eine große Reihe anderer psychologischer Momente, obenan
Mangel an Interesse, die Angst, in der vorgeschriebenen Zeit nicht fertig
werden zu können und auch die Angst, ob die Aufgabe richtig gelöst ist,
einen bestimmenden Einfluß auf die Qualität der Arbeit nehmen.
Auch H. Ebbinghaus (23), der bekannte scharfsinnige Psychologe,
erkennt alle zu Täuschungen führenden Fehlerquellen der Schülerexperi¬
mente: er erwähnt die Langeweile, die Betätigung des Mutwillens und
Neigung zu allerlei kleinem und großem Schabernack, die Person, des
Lehrers; er folgert auch ganz richtig, daß die durch die Ermüdungsexpe¬
rimente erwiesene Ermüdung noch nicht als schädlich bezeichnet werden
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280
Theodor Altschul:
muß UDd sagt: „Darüber vermögen unsere (einer Breslauer Kommission)
Zahlen keinen Aufschluß zu geben. Wenn man am Ende einer
längeren körperlichen Übung eine bestimmte Leistung, z. B. das B[eben
eines Gewichtes, nur noch halb so oft vollziehen kann wie zu Anfang, so
ist damit noch nicht gesagt, daß die Übung schädlich war. Man gewinnt
darüber erst ein Urteil, wenn sich nach häufiger Wiederholung solcher
Übungen, ganz abgesehen von direkten Erkrankungen, die Kraft des
Armes nicht gesteigert, sondern geschwächt zeigt. So auch hier.“ Ebbing¬
haus wirft dann noch die Frage auf: „Angenommen, der vielstündige
Unterricht sei auch für die untersten Klassen gar nicht schädlich, ist er
denn nützlich? Kann sich die Schule bei der beträchtlichen Herabsetzung
der intellektuellen Leistungsfähigkeit jener Klassen von einer fünften Vor¬
mittagsstunde noch einen nennenswerten Vorteil für ihre Zwecke ver¬
sprechen? .... Das scheint doch einigermaßen zweifelhaft .... Nur
von ganzen Klassen als Einheiten betrachtet gilt das eben Gesagte . . . .
Auf jeden beliebigen einzelnen Schüler dürfen diese Folgerungsn selbst¬
verständlich nicht übertragen werden. Nicht nur in den untersten Klassen,
sondern vermutlich auch noch höher hinauf wird es einzelne Individuen
geben, bei denen eine gänzliche Unfruchtbarkeit des letzten Vormittags¬
unterrichts oder gar eine direkte Überanstrengung durch ihn gar nicht
mehr fraglich, sondern völlig sicher ist. Das ist aber eine Sache, die
nicht sowohl die Schule, als vielmehr die Eltern der betreffenden Schüler
angeht. Von der Schule, wenigstens von der höheren Schule, kann man
füglich nicht verlangen, daß sie ihre Einrichtungen der Veranlagung der
schwächeren und schwächlichsten Individuen anpassen solle. Ohne ihren
Zweck zu verfehlen, kann sie nicht anders als auf die geistige Kraft der
guten Mitte berechnet sein.“
Das alles kann man — auch heute noch — wortwörtlich unter¬
schreiben, es ist nur nicht recht erklärlich, warum Ebbinghaus zu
diesen naheliegenden Schlüssen neben Bechnen und Gedächtnisaufgaben
noch eine eigene Methode — die Kombinationsmethode — heran¬
ziehen zu müssen glaubte, die darin besteht, daß den Schülern ihrer
Fassungskraft angemessene Prosatexte vorgelegt werden, die in der mannig¬
fachsten Weise durch kleine Auslassungen unvollständig gemacht werden;
dem Schüler wird die Aufgabe gestellt, die Lücken eines solchen Textes
möglichst schnell sinnvoll und mit Berücksichtigung der verlangten Silben¬
zahl auszufüllen.
Die Kombinationsmethode, so richtig sie rein psychologisch auch sein
mag, vermag uns für die praktische Seite der Ermüdungsfrage wohl keine
verläßlicheren Aufschlüsse zu geben, als die anderen Methoden und besonders
als die Methode Sikorskys.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
281
Eine andere, später vielfach nachgeahmte Methode hat (1891) Burger-
' stein (24)' angegeben. Er hat 1 Stunde lang 20stellige (vorgedruckte)
Zahlengruppen addieren und diese Gruppen mit 2, 3, 4, 5, 6 multipli¬
zieren lassen. Für jede Rechenoperation ist eine Zeit von 10 Minuten
vorgesehen und es wurden in einem Experiment viermal 10 Minuten ge¬
arbeitet, nach je 10 Minuten wurden 5 Minuten Pause eingeschaltet,
während welcher die einzelnen Aufgaben eingesammelt wurden. Burger¬
stein berechnete sodann die gemachten Fehler nach verschiedenen Ge¬
sichtspunkten und fand u. a., „daß innerhalb der dritten Viertelstunde die
Fähigkeit, sich ernstlich mit jenem Gegenstände zu beschäftigen, der das
organische Material bereits vorher beanspruchte, beträchtlich gesunken
ist. Es macht den Eindruck, als ob in irgend einem Teile der dritten
Viertelstunde ein Nachlassen der geistigen Intensität, eine Schwächung
der Aufmerksamkeit Platz greife und die Kinder unbewußt rasten möchten,
um in der vierten Viertelstunde vom neuen einzusetzen.“
Aber Burgerstein verkennt keineswegs die Schwierigkeiten der Fehler¬
zählung, die er selbst als nicht vollkommen einwandfrei erklärt und er
ist sich auch dessen bewußt, wie dies bei einem so sachkundigen und
nüchtern urteilenden Forscher eigentlich selbstverständlich ist, daß „die
Schulstunde allerdings im allgemeinen in praxi reicher an Abwechslung
als die hier benutzte Methode ist oder wenigstens sein sollte“ und daß
obwohl für viele Fälle eine Erklärung über die Entstehung der Fehler be¬
stimmt werden kann, sie für andere nicht unanfechtbar ist: die Sicherheit
der Erklärung hängt oft von einer Zufälligkeit, nämlich der besonderen
Ziffernkonstellation an der kritischen Stelle der Rechnung, ab“ und bei
Besprechung der Korrekturen von einzelnen Ziffern bemerkt Burgerstein:
„In welchem Maße Ermüdung oder Hast an der Entstehung beteiligt sind,
vermag ich nicht zu entscheiden.“
Es erhellt schon aus dieser Selbstkritik, daß die Rechenmethode als
Maß der Ermüdung und Ermüdbarkeit nicht allzu verläßlich ist und daß
wir nicht berechtigt sind, aus der Zunahme der Fehler allein auf eine
unzulässige geistige Belastung zu schließen. Ich führe noch als Bei¬
spiel der Burgersteinschen Methode zwei Zahlengruppen an:
Nr. 1. Addiere:
28 703 451692 740831 569
+ 35 869427108215 976 043
Nr. 2. Multipliziere:
28 703 451692 740831596 x 2 usw.
Schon der Erwachsene erschrickt ob der Länge dieser Zahlenkolonuen!
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282
Theodob Altschül:
Die Methoden von Ebbinghaus und von Burgerstein wurden
vielfach modifiziert, ihrer Fehlerquellen wurden sie aber dadurch nicht *
entkleidet und die Modifikationen stellen durchaus keine Verbesserungen
dar. So hat Laser (25), ausgehend von der Anschauung, „daß es als
ziemlich selbstverständlich anzusehen ist, daß bei dem vielen Rechnen in
1 Stunde schließlich der Geist der Kinder erlahmt“ nur je 10 Minuten
nach jeder Unterrichtsstunde rechnen lassen, aber „natürliche Verhältnisse“
stellen diese einförmigen und von den Schülern gewiß nicht als zweckmäßig
erkannten Rechenoperationen gewiß nicht dar und beweisen daher ebenso¬
wenig, wie die Burgersteinschen Versuche.
Friedrich (26) hat in einer fleißigen Arbeit über lange fortgesetzte
Versuche mit Diktatproben und mit der Rechenmethode berichtet und be¬
merkt u. a.: „Die Fehlerprozente bieten scheinbar ein buntes Gewirr von
Zahlen, aus denen kein Ausweg zu finden ist;“ Friedrich nimmt nun
„Mittel“ und jetzt erst stimmte, wen nauch nicht ausnahmslos. Sieht man
sich die Fehlerprozente der diktierten 12 Sätze an, dann wird man wohl
bezweifeln können, ob die „Ordnung“, die erst durch die Zusammenziehung
mehrerer Ergebnisse erzielt werden kann, zu Schlußfolgerungen über die
Ermüdung berechtigt. Es betrugen die gemachten Fehler (Untersuchung I)
bei den 12 diktierten Sätzen in Prozenten: 0-071, 0-217, 0-508, 0*072,
0*235, 0*170, 0*178, 0*245, 0*170, 0-095, 0-078, 0*508; bei Unter-
suchungll—nach der ersten Unterrichtsstunde (Rechenstunde): 0.085,0*350,
0*280, 0*202, 0*452, 0*350, 0*075, 0*405, 0*544, 0*686, 0*326, 0*980.
Also die Ergebnisse nach den Pausen (8 und 15 Minuten) müssen
erst kommentiert werden, um den günstigen Einfluß der Pausen auf das
Arbeitsquale herauszubringen.
Auch bei den Untersuchungen Wiersmas (27) mit der Ebbinghaus-
schen Kombinationsmethode sind sehr große Schwankungen unverkennbar.
Nach den Ferien haben Knaben und Mädchen besser gearbeitet, indes
glaubt Wiersma, daß hierbei die Übung eine größere Rolle gespielt
hat, als die Erholung, weil die Kinder auch in den Ferien fleißig arbeiten
mußten. Interessant und ungemein bezeichnend ist ein vorgekommener
„Irrtum“, indem einmal irrtümlich nach 6 Wochen wieder dieselben
Texte verteilt worden sind, wie am 1. Versuchstage. Wiersma bemerkt
hierzu: „Dadurch wurde natürlich der Wert dieser Ausfüllung hinfällig“;
ich halte aber gerade diesen unabsichtlichen Versuch für sehr wichtig:
wenn bei demselben Texte nach 6 Wochen unter den gleichen Versuchs
bedingungen sehr wesentliche Unterschiede auftreten, so muß man schließen,
daß hier wohl Zufälligkeiten den Ausschlag gegeben haben.
Kemsies (28) hat eine Doppelreihe von Untersuchungen gemacht:
mit Rechenaufgaben und mit dem Ergographen Mossos. Die Rechen-
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
283
aufgaben waren dem unmittelbar vor dem Versuche absolvierten Klassen¬
pensum für Kopfrechnen entnommen; Kemsies hält dies für eine „starke
Belastung“ — das ist aber wohl nicht für alle Schüler zutreffend und
außerdem ist hier ein Faktor eingeschoben, der sehr störend wirken kann:
das bessere oder schlechtere Gedäohtnis und Kemsies selbst führt
noch einen wichtigen Umstand an, der gewiß auf die Arbeitsleistung
einen bestimmenden Einfluß ausübt: die „Disposition“; er betont mit
vollem Recht: „Kinder haben ihren guten Tag, an dem sie brillieren
und ihren schlechten Tag, daß Eltern und Lehrer verzweifeln möchten.“
Kraepelin (29) hat in seinen Arbeiten die ganze Ermüdungsfrage in
zutreffender Weise beleuchtet, er hat u. a. auf den Einfluß der Übung,
aber auch auf die Grenzen der Übungsfähigkeit, ferner auf die Selbst¬
steuerung der geistigen Anstrengung beim Schulunterricht durch die sich
einstellende Unaufmerksamkeit hingewiesen; seine eigenen, an Erwachsenen
ausgeführten Experimente aber sind für die Frage der. Ermüdung bei
Schulkindern nicht gut verwendbar, was er selbst hervorhebt.
Eine sehr beachtenswerte kritische Arbeit hat Richter (30) geliefert.
Er hält die Versuche Kraepelins für nicht beweisend, weil sie viel ein¬
töniger und langweiliger sind, als irgendwelcher Schulunterricht. Richter
selbst hat an einigen Klassen des Jenenser Gymnasiums Extemporalia mit
einfachen algebraischen Aufgaben und mit griechischen Verbalformen aus¬
führen lassen — den Schülern wurde eine bestimmte Zeit zur Lösung
der Aufgaben gesetzt. Der Arbeitswert war sehr verschieden, die Ver¬
schlechterung in den folgenden Stunden keine sehr bedeutende, ja manch¬
mal waren die Ergebnisse sogar besser.
Noch wären hier die Experimente Schuytens zu erwähnen. Schuyten
fand, daß die Ergebnisse ganz andere sind, wenn man die Untersuchungen
nicht morgens, sondern nachmittags beginnt und am anderen Tage morgens
fortsetzt. Er bediente sich bei seinen Experimenten einer eigenen „aku¬
stischen“ Methode, welche auf das „akustische Gedächtnis für Zahlen“
aufgebaut ist. Es werden 8 zweizifferige Zahlen vorgesprochen und von
den Schülern im Chor wiederholt; die Kinder schreiben die behaltenen
Zahlen nieder — es sind ihnen genau 2 Minuten für jede Serie zugemessen.
Schuyten schreibt den Umstand, daß die Anfangsresultate immer besser
sind, nicht so sehr der geistigen Frische, als dem Interesse zu, welche die
Kinder den zu lösenden Aufgaben entgegenbringen. Dieser Fehler müsse
ausgeschaltet werden, indem man nicht an einzelnen Schülern, sondern an
Gruppen experimentiert, die nach Alter, Höhe der Intelligenz und der
sozialen Stellung der Eltern gleich sind und nur ein einziges Mal unter
ganz gleichen Verhältnissen examiniert werden.
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Theodob Altschul:
Schuyten kommt zu dem Schlüsse, daß man all den bisherigen
Versuchen, welche morgens begonnen werden, kein Vertrauen entgegen¬
zubringen vermag. Ob aber Scbuytens Versuche die Frage der Ermüdung
von Schulkindern besser und verläßlicher zu lösen vermögen als die anderen
psychologischen Experimente, ist nicht unbedingt zu bejahen, da auch
hier, und zwar noch mehr, wie bei der Versuchsordnung von Kernsies
(siehe oben) die Gedächtniskraft in Betracht kommt und die „Gruppen¬
untersuchung“ auch ihre großen Nachteile hat, wovon später (siehe Groos
S. 291) noch die Rede sein wird.
Quirsfeld (32) hat Schuytens Versuche wiederholt und fand, daß
beim Kinde alle intellektuelle Tätigkeit und das-Gedächtnis nach mehreren
Unterrichtsstunden intensiver, für den Versuch geschärfter ist; daß aber
bei weiteren Versuchen das Ergebnis vom 1. zum 2. Tage, bei den Knaben
auch am 3. Tage sich besserte und am 4. Tage sich jäh verschlimmerte
— was aber nur das eingetretene mangelnde Interesse als Ursache an¬
nehmen läßt. Um 11 Uhr vormittags war das Gedächtnis bei beiden
Geschlechtern durch Übung in mehrstündiger Unterrichtszeit geschärfter;
Empfindungen und Vorstellungen waren intensiver als morgens vor dem
Unterricht und hielten auch an bis zum Nachmittagsunterricht, ließen
dann aber sehr nach.
„Wesentlich interessanter und dankbarer,“ bemerkt Quirsfeld, „sind
die Ermüdungsmessungen nach Dr. Mesmer mit dem Zahlenzylinder, auf
welchem in vertikaler Richtung 25, in horizontaler 27 einstellige Zahlen
angeordnet sind. In 15 Minuten machten die Knaben durchschnittlich
579 Additionen und 16 Fehler, die Mädchen 458 Additionen und 21 Fehler;
die meisten Fehler fielen durchschnittlich in die zweite Hälfte der Ver¬
suchszeit. Die „Visuellen“ erzielten bessere Resultate. Quirsfeld gibt
aber schließlich zu: „Fast alle bisher auf diesem Gebiete gewonnenen Er¬
fahrungen haben, was auch die gewiegtesten Pädagogen und Hygieniker
zugeben, keinen positiven wissenschaftlichen Wert. Diesen zu erzielen,
bedarf es, bei der großen Verschiedenheit der kindlichen Individualitäten
jahrelanger Untersuchungen.
Es sei hier noch kurz der Zeitschätzungsmethode Erwähnung
getan, die M. Lobsien 1 verwendet hat. Ich zitiere sie nach Offner
(siehe Lit. Nr. 66). Ein Zeitraum von 1 Minute wird durch schnelle Takt¬
schläge ausgefüllt. Die Versuchspersonen — 10jährige Schüler — hatten
die Länge des Zeitraumes rasch abzuschätzen und niederzuschreiben. Die
aus der Gesamtsumme der Schätzungen berechnete Durchschnittsschätzung
wächst mit einigen Schwankungen vom Beginne der ersten bis zur letzten
1 M. Lobsien, Ermüdung und Zeitschätzung. Pädayog. psychol. Studien.
1903. Bd. IV.
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Die geistige Ebmüdung dee Schuljugend.
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Stunde von 2*43 auf 4-03. Offner hält aber „bei der notorischen Unsicher¬
heit der Kinder und viele* Erwachsener im Zeitschätzen diese Schätzung
für ein wenig verläßliches Ermüdnngsmaß — und er hat darin sicher recht.
Wie vorsichtig man in der Deutung der Ergebnisse psychologischer
Experimente sein muß und wie ungemein kompliziert und von wie vielerlei
Äußerlichkeiten und Zufällen die individuelle Reaktion auf die experi¬
mentell gesetzten „Reize“ abhängig ist, beweisen u. a. zwei interessante
experimentell-psychologische Arbeiten, eine von Rauschburg (33) und
eine von G. E. Müller und F. Schumann (34).
Rauschburg hat mit seinem „Mnemometer“ an 60, teils normalen,
teils geisteskranken Individuen Untersuchungen über den Umfang und die
Sicherheit der Auffassungsfähigkeit angestellt. Zahlen wurden V 3 Sekunde
exponiert und mußten sofort angegeben werden. Es ließ sich bei wieder¬
holten Versuchen feststellen, daß bestimmte Zahlenreihen von allen oder
fast allen Versuchspersonen falsch gelesen, während andere Zahlen jedes¬
mal richtig aufgefaßt und mit auffallender Leichtigkeit wiedergegeben und
nur selten verfehlt wurden.
Rausch bürg fand, daß es hauptsächlich die 3. bis 5. Ziffer war, vou
deren Konstruktion das Eintreten oder Wegbleiben der Illusion abhing.
Im allgemeinen schien es, daß Illusionen entschieden seltener eintraten,
wenn diese Stellen mit Ziffern aus geraden Linien, also 7, 4 und besonders
1 besetzt waren, als bei Zahlen mit gebogenen Linien, ferner schienen
die höheren Zahlen 9, 8, 7, 6, 5 häufiger Illusionen ausgesetzt zu sein
als 0, 1, 2, 3, 4; ebenso war es häufig, daß Kombinationen von zwei ähn¬
lichen Ziffern nebeneinander, z. B. 38 — 83, als identische Ziffern, z. B.
33, gelesen wurden und umgekehrt identische als ähnliche, z. B. 88 als 83,
99 als 69 u. dgl. m.
Diese Versuche wurden an Erwachsenen vorgenommen, um wie viel
mehr mögen Kinder bei Reihenoperationen derartigen Illusionen ausgesetzt
sein, die absolut nichts mit Ermüdung zu schaffen haben, sondern von
der zufälligen Ziffernkonstellation abhängen?
G. E. Müller und F. Schumann waren meist abwechselnd einmal
Versuchspersonen, einmal Experimentator, sonst wurden noch einige Hörer
mit herangezogen. Die Autoren wollten die von Ebbinghaus 1885 ver¬
öffentlichten Experimente über das Gedächtnis durch eigene, dieEbbiug-
hausschen Fehlerquellen vermeidende Versuche vertiefen. Wenn man
nun sieht, wie viele Kautelen bei diesen besonders vorgebildeten und
intelligenten Versuchspersonen nötig waren, um Zufälligkeiten möglichst
auszuschließen und wenn man erkennt, wie beim Auswendiglernen sinn¬
loser, nach einem wohldurchdachten Plane zusammengestellter Silben z. B.
der „Takt“, in welchem die Silben beim Lesen gesprochen werden, eine
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Theodok Altschül:
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wesentliche Rolle für das leichtere oder schwerere Lernen spielt (bei
trochäischer Betonung werden die Silben leichter behalten, wie bei jam¬
bischer, weil die deutsche Sprache eine zumeist trochäische ist) u. ä. m.,
wenn man bedenkt, daß diese Versuche Monate lang fortgesetzt wurden,
um irgendwie brauchbare Resultate zu ergeben, dann wird man den primi¬
tiven Gedächtnisproben bei den Schülerexperimenten keine beweisende
Kraft zuzuerkennen vermögen.
Die Verfasser haben ferner schon früher 1 bei Gewichtsversuchen ge¬
zeigt, daß der Einfluß der Ermüdung zuweilen nichs in der letzten,
sondern in der vorletzten Reihe sein Maximum erreicht, weil bei der
letzten Runde der Einfluß der fortschreitenden Ermüdung durch den
gegenteiligen Einfluß überboten wurde, den die Freude der Versuchsperson,
dem Ende der so lästigen Beschäftigung nahe zu sein, auf die Energie der
Arbeit ausübte. In ähnlicher Weise, glauben die Verfasser, dürfte auch bei
den Gedächtnisversuchen die Freude der Versuchsperson, endlich bei der
letzten Versuchsreihe angelangt zu sein, den Einfluß der Ermüdung aus¬
geglichen oder sogar überboten haben.
Es werden sodann noch eine große Reihe interessanter Details über
Assoziation, über rückläufige Assoziation, über die Individualität usw. klar¬
gelegt. Die schlimmste Störuug ist die Störung durch Gedanken, die man
unmittelbar vor dem Lernen verfolgt, aber nicht zu Ende geführt hat, die
dann fortwährend das Bewußtsein bedrängen, sowie die Störung durch Ge¬
mütsbewegungen, die man über ein erst unmittelbar vor dem Lernen ein¬
getretenes oder zur Kenntnis gelangtes Ereignis empfindet, Störungen, wie
sie bei Schülerexperimenten wohl niemals in ihrer bunten Mannigfaltigkeit
zur Gänze erkannt und gewürdigt werden können.
Die psychologischen „Ermüdungsmessungen“ bei Schulkindern können
daher keine allzugroße Vertrauenswürdigkeit für sich in Anspruch nehmen.
B. Physiologische Methoden.
Nachdem die psychologischen Methoden keine eindeutigen Resultate
ergeben haben, lag es sicherlich sehr nahe, Methoden auzuwenden, welche
scheinbar eine direkte Messung der Ermüdung ermöglichen.
1. Ergographie.
Mosso (35) hat seinen Ergographeu zu derartigen Ermüdungs¬
messungen verwendet. Der Apparat verzeichnet in Kurven auf einem
rotierenden berußten Zylinder die periodischen Kontraktionen des Zeige-
1 Pflügers Archiv. 1889. S. 98.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
287
fingers, der ein Gewicht möglichst hoch zu heben hat; die je nach dem
Grade der Muskelkraft bzw. der Ermüdung natürlich verschieden großen
Hubhöhen bedingen den Verlauf der Kurven.
Die Ermüdungskurve ist nach Mosso die Resultante eines Komplexes
von Ursachen, welche auf die Muskeln, auf die Nervenzentren, auf den
Kreislauf wirken. Das psychologische Phänomen ist nicht der einzige
Faktor der charakteristischen Zeichen, welche die Ermüdungskurve dar¬
bietet, die Muskeln können sich unabhängig von der Reizbarkeit und der
Energie des Nervensystems erschöpfen: der Muskel ist kein blindes
Werkzeug der Nerven. Nachdem aber Mosso gefunden hatte, daß
bei der Muskelarbeit auch die Nervenzentren ermüden, untersuchte er, ob
die Ermüdung der psychischen Zentren des Gehirnes auch auf die moto¬
rischen Zentren derselben wirken könne. Er fand nun, daß sein Schüler
Maggiora, nachdem er 3 l l a Stunden 11 Studenten in Hygiene geprüft
hatte, eine bedeutende Herabsetzung der Muskelkraft (am Ergographen)
zeigte und daß der Wille nicht mit gleicher Kraft auf die Muskeln wirken
könne, weil die Ermüdung der psychischen Zentren sich den motorischen
Zentren mitteilt. Die Ursache liegt in der Vergiftung des Blutes durch
die Zersetzungsprodukte, die bei der geistigen Arbeit erzeugt werden.
Mosso wies diese Giftigkeit durch das Tierexperiment nach: künstlich
ermüdeten Hunden wurde Blut entnommen und gesunden infundiert. Die
Tiere erscheinen müde und niedergeschlagen, oft erfolgt Erbrechen.
Nachdem Maggiora für einige Tage aufs Land gegangen war, zeigten
die Kurven nach seiner Rückkehr normalen Verlauf.
Maggiora (85) hat die Versuche seines Meisters Mosso im Detail
ausgeführt und studierte den Einfluß größerer oder kleinerer Gewichte,
die Variationen der Kontraktionsfrequenz, die Erholungspausen, die perio¬
dische Arbeit, die Arbeit des schon ermüdeten Muskels, die Wirkung der
Anämie usw. auf die Ermüdungskurve. Maggiora betont, wie groß die
Schwierigkeiten sind, welchen man bei der Analyse der Muskelarbeit und
der Ermüdung begegnet. „Es handelt sich um verwickelte Prozesse,
wobei verschiedene Ursachen gleichzeitig wirken und denselben oder ent¬
gegengesetzte Effekte hervorbringen. Die Vorgänge, welche in Aktion
treten, sind so eng miteinander verknüpft, daß wir sie mit unseren
heutigen Untersuchuugsmitteln nicht getrennt wirken lassen können, um
zu erfahren, wie sich die Funktion eines jeden derselben gestaltet und
um die Gesetze, welche die verschiedenen Faktoren betreffen, aus denen
die Kontraktion und Erschöpfung der Muskelenergie resultiert, feststellen
zu können.“
Eine zutreffende Beurteilung haben die ergographischen Versuche
durch Treves (36) erfahren. Er weist darauf hin, daß das sicherste
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Theodor Altschul:
Resultat der ergographischen Versuche in dem von Mosso aufgestellten
Satze wiedergegeben ist: „Eine im physiologischen Zustande befindliche
und gilt ausgeruhte Person gibt bei einem gewissen Gewichte und bei
konstantem Rhythmus die gleiche Ermüdungskurve.“ „Dieser allgemeine
unbestreitbare Satz,“ bemerkt Treves, „ . . . schließt fast schon die Er¬
mahnung in sich ein, daß diese ergographische Methode nur einen Typus
der individuellen Reaktion liefern kann, der sich bei den verschiedenen
Arbeitsbedingungen und bei den verschiedenen organischen Zuständen des
Individuums verändern kann, niemals aber weder als absolutes Maß der
Produktion der äußeren mechanischen Arbeit, noch als Index der Gesetze
gelten kann, nach welchen die Ermüdung entsteht . . . Ferrari täuscht
sich nicht über die geringe Vertrauensmüdigkeit von Kurven, die von
nicht gutwilligen oder zerstreuten Individuen geliefert wurden und das
Vertrauen des Experimentators täuschen können.“
Ergographische Versuche an Schülern haben Kemsies 1 und
Keller (37) ausgeführt.
Kemsies hält den Ergographen für den sichersten Indikator für
Ermüdung und hebt mit gesperrter Schrift hervor: „Die Muskeldepression
läßt sich durch die stärkste Willensanstrengung nicht verdecken“ — gewiß
eine nicht immer zutreffende Behauptung. Ebensowenig wird man
Kemsies zustimmen können, wenn er sagt: „Die Meinung, daß die
Stimmung, welche der Unterricht erzeugt und das Interesse, welches der
Schüler den Gegenständen entgegenbringt, geeignet seien, der objektiven
Ermüdung Einhalt zu tun, ist nicht haltbar.“
Kellers Arbeiten zeugen von großem Fleiße und gründlicher Durch¬
arbeitung; aber ganz abgesehen von den bereits erwähnten prinzipiellen
Bedenken gegen die ergographische Methode muß wieder erst in die ge¬
wonnenen Zahlenreihen durch Zusammenziehen von Zifferngruppen Ord¬
nung gebracht werden, um Resultate zu liefern. Als „Gesetze“ stellt
Keller auf: „Einer stärkeren Erregung folgt eine stärkere Depression“
und „Erhöhte Erregung verlängert die Leistungsfähigkeit“. Diese „Ge¬
setze“ glaubt Keller durch seine Zahlen bewiesen zu haben, während
man ohne diese Zahlen der Ansicht sein müßte, daß die geistige Arbeit
die Leistungsfähigkeit um so mehr beeinträchtige, zu je stärkerer Erregung
sie führe. — Ich glaube aber nicht, daß viele dieser Ansicht sein werden,
da es doch auch ohne ergographische Experimente a priori wahrscheinlich
ist, daß eine größere Erregung, wie alle starken Reize, die Leistungsfähig¬
keit steigert, ebenso wie es nichts Überraschendes ist, daß übermäßige
Erregungen zu starken Depressionen führen.
1 A. a. O., vgl. S. 282.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend
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2. Ästhesiometrie.
Nachdem die ergographische Methode sich nicht recht durchzusetzen
vermochte, setzte im Jahre 1895 eine neue Phase in den Ermüdungs¬
messungen ein, als Griesbach (38), einer der führenden Geister auf dem
Gebiete der Schulhygiene, mit seiner ersten, auf wissenschaftlicher Basis
aufgebauten und mit gewichtigen Argumenten gestützten Arbeit: „Ener¬
getik und Hygiene des Nervensystems in der Schule“ hervortrat. Gries¬
bach knüpft an die grundlegenden Arbeiten Webers an und benützt die
seiner Angabe nach durch die Ermüdung bedingte Herabsetzung der Haut¬
empfindung (Raumsinn) zu Messungen der Ermüdung mittels des von
ihm sehr sinnreich modifizierten Ästhesiometers. Die Vergrößerung
der „Raumschwelle“ soll die Größe der Ermüdung ziffernmäßig angeben,
indem die beiden Spitzen des Ästhesiometers in desto größeren (Millimeter-)
Abständen als eine Spitze empfunden werden, je größer die geistige Er¬
müdung ist. Die Methode hat etwas ungemein Bestechendes und die un¬
leugbare und vollauf berechtigte Autorität Griesbachs, sowie die frappie¬
renden, sich fast stets gleichbleibenden Ergebnisse bei seinen zahlreichen
praktischen Versuchen an Erwachsenen und Schulkindern schien die Richtig¬
keit der theoretischen Voraussetzungen zu bestätigen.
Griesbach hat in der Folge in zwei weiteren gründlichen Arbeiten
(39) seine Methode theoretisch und praktisch ausgebaut, und es kann
nicht wundernehmen, daß diese Methode sehr viel nachgeprüft wurde.
Die Griesbachsche Methode der Ermüdungsmessungen hat sozu¬
sagen eine „Literatur“ für sich allein gezeitigt und es würde sich vielleicht
lohnen, in einer besonderen Arbeit auf alle Einzelheiten dieser Literatur
einzugehen; hier kann ich nur das wichtigste hervorheben, insoweit es
für den Kernpunkt der Frage: ob die Ästhesiometrie als Maß der Er¬
müdung verwendet werden kann, von Belang ist.
Griesbach äußert sich in seiner neuesten Arbeit: „Hirnlokalisation
und Ermüdung,“ einer Arbeit, die eine ganze Reihe sehr interessanter
physiologischer Details enthält (S. 14), dahin: „Es gibt bei ausreichen¬
der Geschicklichkeit und Übung kein handlicheres, bequemeres und
schneller zum Ziele führendes objektives Verfahren als die Ästhesiome-
metrie, um die durch irgendwelche Umstände hervorgerufene Ermüdung
zu erkennen . . . Individuelle Verschiedenheit in bezug auf Ermüdbar¬
keit und Widerstandskraft gegen Ermüdung verlangen bei Erörterung
dieser Fragen“ (wo die physiologische Ermüdung aufhört und die patho¬
logische beginnt; wo Erholung an Stelle von Ermüdung oder wo die
letztere in ein chronisches Stadium getreten ist) „selbstverständlich Be¬
rücksichtigung. Im allgemeinen aber läßt sich sagen, daß der Anstieg
ZeiUchr. f. Hygiene, LX1X
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Theodor Adtbohul:
der Schwellen, und ganz besonders der rechtsseitigen, bis auf zehn nnd
mehr Millimeter auf erhebliche Ermüdung hindeutet und daß andauernde
Ermüdung besteht, wenn die Schwellen in arbeitsfreier Zeit die physiolo¬
gische Normale um mehrere Millimeter an Höhe übertroffen, in derselben
beharren und für dieses Verhalten keine anderen Ursachen, wie beispielsr
weise Alkoholgenuß, Tabakmißbrauch, Exzesse in Venere“ (Griesbach
hat auch u. a. an Soldaten zahlreiche Untersuchungen vorgenommen) „nnd
krankhafte Zustände vorliegen. Im Hinblick auf die Zuverlässigkeit, prak¬
tische Bedeutung und Verwertbarkeit der ästhesiometrischen Messung
werden Gewerbehygiene und Unfallversicherung und — last not least —
der Staatsanwalt mit diesen Faktoren zu rechnen haben, wenn es sich
um Unfälle handelt, die auf Ermüdung im Dienst derjenigen Personen
zurückzuführen sind, denen eine Gefährdung der Betriebssicherheit "zur
Last gelegt werden kann.“
Die Messung wird von Griesbach derart vorgenommen, daß die
Spitzen des Ästhesiometers bald in weiterem, bald in geringerem Abstande
voneinander in der Querrichtung zur Längsachse des Körpers, senkrecht
zur Handfläche, aufgesetzt werden und die Entfernung, bei welcher zwei
Eindrücke als ein Eindruck empfunden wurde, notiert wurde. Um die
physiologischen Normalen für die zur Messung verwendeten Hautstellen
festzustellen, wurden arbeitsfreie Zeiten (Sonn- und Feiertage) gewählt.
Die Mittelwerte an je 10 Individuen der verschiedenen Altersstufen
ergaben z. B. für 15jährige Schüler: Glabella 4*6, Nasenspitze 3, Rot
der Unterlippe 1*5, Jugum (Mitte) 5-5, Daumenballen 4*5, Finger¬
beere 1-5. Die zahleichen Untersuchungen zeigen in der Tat fast regel¬
mäßige Zunahmen der Raumschwelle nach den einzelnen Unterrichts¬
stunden, wenn auch in einzelnen Reihen gewisse Unregelmäßigkeiten un¬
verkennbar sind.
Von den Autoren, welche die Griesbachschen Befunde zu bestätigen
vermochten, nenne ich: Wagner, Vannod, Sakaki, Alfr. Binet,
Bonoff, Noikow und Abelson.
Wagner (40) führt in seiner Arbeit aber selbst schon eine ganze
Reihe möglicher Fehlerquellen an: „Folgen auf große Abstände beträcht¬
lich kleinere, so neigt das Sensorium zur Empfindungsverschmelzung,“
doch hält Wagner diese Fehlerquelle für weniger belangreich — warum?
wird nicht gesagt. Die Messung muß schnell vorgenommen werden, weil,
den Angaben Erwachsener zufolge, wenn man lange hin und herprobiert,
das Sensorium schließlich in eine Art Verwirrung gerät und unfähig zu
jeder Unterscheidung wird. Die physiologische Normale über dem
Jochbogen findet Wagner kleiner, als sie Griesbach angegeben hat.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
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„Die Ermüdungskurven sind bei den einzelnen Schülern nach der näm¬
lichen Stunde im allgemeinen ungleichartig: einer zeigt Ermüdungszu-,
ein anderer -ahnahme. Auf den ersten Blick scheint ein gesetzloses Chaos
von Änderungen vorzuliegen; im arithmetischen Mittel, das den Faktor
der Individualität ausmerzt, offenbart sich aber sofort das einfache Gesetz.“
Ob diese Angaben Wagners gar so sehr für den Wert der Methode
sprechen, möge dahingestellt bleiben. Die Ermüdbarkeit und die Er¬
müdung sind einmal individuell und die Individualität darf absolut nicht
„ausgemerzt“ werden. Groos (41) äußert sich sehr zutreffend in seinem
lesenswerten Buche: „Das Seelenleben des Kindes“ bezüglich der Massenbeob¬
achtungen bei Kindern folgendermaßen: „Der Vorteil der Methode besteht
einerseits in dem Aufschluß typischer Differenzen und anderseits in der
Möglichkeit, durch Herausarbeitung mittlerer Werte das allgemeingültige
zu finden. Je weiter sich jedoch die Untersuchung ausdehnt und je mehr
infolgedessen die Zahl der Mitarbeiter wächst, desto größer wird auch die
Gefahr, daß die Beobachtungstreue und die Zuverlässigkeit der Verarbeitung
selbst auf einen Mittelwert herabsinkt, dessen Niveau oft bedenklich tief
liegen kann. Die ideale Vereinigung beider Arbeitsweisen (der Einzel-
und der Massenuntersuchung) wird darin bestehen, daß zahlreiche ge¬
schulte Beobachter eine möglichst große Menge von Individuen fort¬
laufend im einzelnen untersuchen und die so allmählich gewonnenen
Resultate zu Gesamtergebnissen zusammenfassen.“
Brahn (42) spricht sich in gleichem Sinne aus: „Bei all diesen
Untersuchungen physiologischer wie psychologischer Natur hat man nur
zu oft über der Untersuchung der Schüler den Schüler vergessen. Objekt
der Pädagogik, noch mehr Objekt der Hygiene ist aber das Individuum,
und es ist darum zu hoffen, daß fernere Arbeiten sich immer mehr mit
den Differenzen in der Ermüdbarkeit der einzelnen Schüler, statt nur mit
Durchschnittsangaben beschäftigen werden. Besonders in der Volksschule
wird auch bei Durchschnittsleistungen, welche keine Ermüdung zeigen,
eine gewisse Zahl von Schülern bereits übermüdet; es ist daher nötig, die
gleichaltrigen Kinder nach dem Grade ihrer Fähigkeit in mindestens zwei
Abteilungen zu sondern. Diese besonderen Abteilungen hätten zu um¬
fassen: die körperlich Schwachen, die geistig Zurückgebliebenen, die nervös
Prädisponierten“ — also schon der Vorschlag eines Sonderklasseusystems!
Die Arbeit Wagners enthält, abgesehen von den ästhesiometrischen
Messungen, die nebenbei bemerkt sehr verschiedenartige Kurven ergeben,
die erst stark kommentiert werden müssen, um zu stimmen, manch be¬
achtenswerte Bemerkung; eine der bezeichnendsten ist folgende: „Es darf
nicht außer acht gelassen werden, daß die Person des Lehrers unver¬
gleichlich viel mehr ausmacht als der Stoff; beinahe möchte man auf Grund
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Original from
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292
Theodor Altschdl:
der gemachten Beobachtungen diese Wahrheit dahin zuspitzen, daß auch
die schönsten Verordnungen und auch das denkbar niedrigste auf dem
Papier fixierte Maß von Anforderungen doch unter Umständen eine
stärkere Inanspruchnahme der Schüler nicht aus der Welt zu schaffen
imstande wären.“
Vannod (48) ist ein unbedingter Anhänger der Griesbachschen
Methode, auch bezüglich des stärker ermüdenden Einflusses gewisser
schwererer Unterrichtsgegenstände. In seinem Nürnberger Referate hat
er allerdings eine wesentliche Einschränkung in seiner 8. These eingefügt:
„Certains facteurs agissent directement ou indirectement sur la sensibilitö
et doivent dans l’exöcution de la möthode ötre pris en consideration. Je
citerai: la tempörature ambiante, l’£tat de santö de l’ölöve examinö (ner-
vosisme, neuerasthönie, fatigue provenant d’un sommeil insuffisant), les
capacites d’eleve pour teile ou teile branche de l’enseigent.“
Außer mit dem Ästhesiometer hat Vannod auch noch mit seinem
„Algesiometer“ (eine Spitze wird durch aufgelegte Gewichte gegen die Haut
gedrückt) die durch die Ermüdung angeblich gesteigerte Schmerzempfin¬
dung bestimmt und resümiert seine Befunde in dem Satze: „La consö-
quence de la fatigue ceröbrale est l’hypoesthesie accompagnee d’hyper-
algösie.“
Auch Sakaki (44) kann nach Messungen an 206 Schulkindern in
vier japanischen Schulen die Befunde Griesbachs bestätigen. Er fand
als physiologische Normale (am Jochbogen) in der Mädchenelementarschule
11*8 mm , in der Knabenelementarschule 12-3 mm , in der höheren Töchter¬
schule 12-1 mra , im Gymnasium 13*2 mm , und er gibt für die einzelnen
Unterrichtsgegenstände eine genaue „Ermüdungsskala“ an, z. B. für die
Elementarschulen: Rechnen, Lesen und Diktat bringen die größte Ermü¬
dung hervor, Zeichnen wirkt gleich 0, Physik erholend und Naturkunde,
wenn sie im Vormittagslehrplan liegt, gleichfalls erholend. Im Gymna¬
sium wirkt die Physik am meisten ermüdend (Unterschied zwischen Ele¬
mentarschule und Gymnasium! fügt Sakaki selbst hinzu), während Singen
und Altjapanisch erholend wirken. Ob diese merkwürdige Skala (und die
anderen angeführten) gar zu sehr für die Verläßlichkeit der Messungen
sprechen, läßt sich wohl nicht unbedingt bejahen.
Binet (45) ist sozusagen aus einem ästhesiometrischen Saulus zu
einem Paulus geworden. Er hat die Versuche durch Lehrer ausführen
lassen, die über die Technik der Methode instruiert waren, ohne daß man
ihnen die Resultate verriet, zu denen man gelangen wollte; Binet ließ
sogar ein wenig Skeptizismus durchblicken.
Das „Ästhesiometer“, das von den Experimentatoren verwendet wurde,
hat ein Pariser Lehrer Buzinet, konstruiert.
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Original fro-m
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Die geistige Ermüdung des Schuljugend.
293
Es besteht eigentlich aus einer Serie von sieben „Ästhesiometern“.
In Kartons von 3 mm Dicke werden Nadeln bis zur Hälfte ihrer Länge
mit der Spitze eingesteckt. Es wurden sieben derartige Kartons an¬
gefertigt; einer mit einer Spitze, die anderen mit zwei Nadeln in Ab¬
ständen von 0*5 cm , l c “, l.5 cm , 2®“, 2*5 cm , 3 cm . Die Versuche wurden
am Handrücken ausgeführt; in jeder Sitzung (von 10 Minuten Dauer)
wurden in einer vorher (auf dem Papier) festgesetzten Reihenfolge 56 „Reize“
ausgeübt, d. h. jeder Karton wurde achtmal verwendet. Bin et hebt hervor,
daß man nicht früher fragen dürfe: „Wieviel Spitzen?“, ehe man die¬
selben aufgesetzt hat. — „II y a des enfants tellement suggestibles, qu’ils
räprondraient avant d’avoir rien senti. J’en ai vie“.
Wenn ein Individuum bei 1 *5 cm Nadelabstand zwei Spitzen fühlt
und bei einer größeren Entfernung nur eine, so ist es zerstreut; man kann
also, meint Bi net, durch diese Methode zwischen der Genauigkeit
(finesse) der Empfindung und dem Grade der Aufmerksamkeit unter¬
scheiden. Es gibt Kinder, die nicht verstehen, was man sie fragt, ferner
solche, die wiederholt eine Spitze als zwei angeben, solche, die kleinere
Abstände besser unterscheiden als große und endlich solche, welche
automatisch immer dieselbe Zahl repetiereu — all diese (7 Knaben,
4 Mädchen) wurden ausgeschieden. Die Versuche wurden von demselben
Lehrer stets nach einiger Zeit wiederholt: die Kinder sind nämlich bei
der ersten Untersuchung, wo sie noch nicht wissen, was ihnen geschieht,
aufgeregt: es wurden Mädchen von 12 Jahren beobachtet, die in helle
Tränen ausbrachen ... bei dem zweiten Examen sei aber das Kind bereits
eingeübt, es verstehe besser den Wert der taktischen Empfindung und
deutet sie exakter und da es sich um eine Arbeit handelt, die aufgehört
hat, seine Neugierde zu erregen und etwas monoton ist, muß man
fürchten, daß das Kind desinteressiert ist und maschinenmäßige Antworten,
Antworten der Langeweile gebe. Die geschicktesten Experimentatoren
können all diese kleinen Beeinflussungen nicht abschätzen. Es wurden
deshalb an 20 Schülern an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vor dem
Unterricht Kontrollmessungen vorgenommen.
Diese Bemerkungen Bi nets sind gewiß sehr zutreffend und lehrreich
und es ist bei einem so sachverständigen und nüchtern urteilenden Be¬
obachter etwas auffallend, daß er trotz alledem und bei der nicht sehr
exakten und primitiven Konstruktion des Buzinetschen Karton-Ästhesio¬
meters erklärt, daß er nach Durchsicht der ihm abgelieferten Ergebnisse
„besiegt“ sei (ma conviction est faite); er ist überzeugt, „daß seine Mit¬
arbeiter ebenso geschickt, wie gewissenhaft vorgegangen sind, überzeugt
nicht nach moralischem Empfinden, das immer persönlich und kritisierbar
ist, sondern, weil die Resultate von mehr als 50 verschiedenen Lehrern
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294
ThEODOB ÄliTBCHUIi:
übereinstimmen. Alle, welche die Details der Untersuchung, die Kompli¬
ziertheit der Technik und die Minutiosität der Vorsichtsmaßregeln berück¬
sichtigen, werden zugeben müssen“, glaubt Binet, „daß eine derartige
Übereinstimmung kein Zufall sein kann. Da es aber die Pflicht eines
Experimentators ist, seinen Skeptizismus bis an die äußersten Grenzen zu
treiben“, hat Binet selbst mit Dr. Simon und einer Lehrerin an einem
Tage Kontrolluntersuchungen vorgenommön — die Herabsetzung der
Sensibilität war zwar bei den anderen Experimentatoren größer, aber sie
war von derselben Art: „nous en possödont maintenant la preuve scientifi-
que“. — Nun, ich bin leider in meinen Anforderungen an ein wissen¬
schaftliches Experiment nicht so bescheiden, wie Binet und vermag
den eben geschilderten Experimenten aus den früher angegebenen Gründen
keine Beweiskraft beizumessen.
Bon off (46) hat seine Untersuchungen an Schülern 1. während der
täglichen Schularbeit, 2. zurzeit der Reifeprüfungen und 3. bei Krank¬
heitszuständen vorgenommen; er wendet auch der Simulation seine Auf¬
merksamkeit zu und ist der Ansicht, daß die Ästhesiometrie die Simulation
von Krankheit aufzudecken imstande ist: wenn die Sensibilität normal ist
und Krankheit angegeben wird, liegt Simulation vor. Dabei liegt aber
meiner Meinung nach die Frage ziemlich nahe, ob man den Antworten
der „Simulanten“ bei der ästhesiometrischen Messung großes Vertrauen
entgegenbringen kann.
Noikow (47) hat hauptsächlich die Fälle berücksichtigt, wo durch die
Ermüdung eine Verminderung der Raumschwelle eintritt. Es handelt
sich dabei meist um Überanstrengung, es kommt zu einer ausgeprägten
Hyperästhesie, zu Irridiationen, anhaltenden Nachempfindungen und ge¬
legentlich zu schmerzhaften Empfindungen. An der Glabella, der Stelle,
an welcher die Schwelle bei normalem Zustande etwa 3 bis 5 “ m beträgt,
zeigten Schüler nach großer Anstrengung bei den Prüfungen 1 und
weniger. Eine normale Arbeit bringt Vergrößerung der Raumschwelle.
Die Arbeit Abelsons (48) zählt zu den besten, die neben den grund¬
legenden Untersuchungen Griesbachs in der Literatur vorhanden sind.
Nach einer eingehenden Würdigung der Literatur bespricht er seine mit
dem Doppelästhesiometer von Bourdon gewonnenen Resultate. Er macht
darauf aufmerksam, daß die Kinder oft unrichtige Angaben machen,
man muß daher die Methode etwas variieren und mit einer Spitze
„Vexierversuche“ machen. Die ersten Befunde bei ästhesiometrischen
Messungen sind die verläßlicheren, nach einiger Zeit wird die Haut
leicht entzündet und die Tastempfindung verwischt (blurred). Seine Be¬
funde und jene seiner Mitarbeiter ergaben, daß die Raumschwelle mit
zunehmender Ermüdung größer wird, man muß aber sicher sein, daß man
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Dm geistige Ermüdung der Schuljugend.
295
die Methodik vollkommen beherrscht. Die widersprechenden Befunde
einiger Experimentatoren sind seiner Meinung nach durch eine fehlerhafte
Anwendung des Instruments verschuldet. Auch seine eigenen ersten
Versuche waren gänzlich wertlos, weil er sich die unbedingt notwendige
Präzision noch nicht angeeignet hatte.
Wenn man dem entgegenhält, daß die 50 Lehrer in den Binetschen
Versuchen mit dem primitivsten „Instrument“ übereinstimmend dieselben
„Resultate“ erhielten wie Abel so n bei seiner ungewöhnlichen Einübung
und Präzision, dann muß man doch etwas skeptisch bleiben.
Der Vollständigkeit wegen sei noch kurz erwähnt, daß Blazek (49),
Heller (50), Baur (51), Schlesinger (52) ebenfalls die Griesbach-
schen Befunde bestätigten und daß Schuyten gelegentlich des Londoner
schulhygienischen Kongresses als warmer Verteidiger der Ästhesiometrie
aufgetreten ist.
Adsersen (54) ist durch Messungen, die er an sich seihst vorgenommen
hat (und zwar von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends 718 Messungen,
35 bis 55 'jede Stunde — durch 2 Monate), zur Ansicht gelangt, „daß die
größte Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden ist, daß die gefundenen Ver¬
schiedenheiten der Hautsensibilität nicht auf den Einfluß der Arbeit be¬
ruhen, geschweige denn auf Zufälligkeiten, sondern in der Hauptsache als
ein Ausdruck der Veränderung zu betrachten sind, die physiologisch im
Laufe des Tages eintreten —“ und zwar stehen diese Veränderungen in
einem gewissen Verhältnisse zu den Tagesschwankungen der Körper¬
temperatur.
Ebenso hat Adele Motchoulsky (55) bei Versuchen an Gesunden
und Kranken gefunden, daß unabhängig von der Ermüdung Schwan¬
kungen der Körpertemperatur und andere äußere Einflüsse die Haut¬
sensibilität verändern.
Die ästhesiometrische Methode der Ermüdungsmessung ist die am
meisten studierte und sie beruht, wie erwähnt, entschieden auf einem
wissenschaftlichen Priuzip, sie würde uns daher gewiß die Lösung der Er¬
müdungsfrage bringen, wenn sie einwandfrei wäre — das ist sie aber
leider nicht. Ich habe schon auf dem Nürnberger Kongreß (a. a. 0.) so¬
zusagen physiologische Bedenken gegen diese physiologische Methode (als
„Maß der Ermüdung“) vorgebracht und solche Bedenken sind früher und
später auch von vielen anderen Ärzten erhoben worden.
So hat Kraepelin schon in seinem Vortrage bei dem Düsseldorfer
Naturforschertag 1898 (vgl. Lit. Nr. 29) den Ausspruch getan, daß den
ergographischen und ästhesiometrischen Messungen kein großer Wert bei-
znmessen sei, da es recht wohl möglich ist, daß hier Umstände mit hinein¬
spielen, die mit der geistigen Ermüdung gar nichts zu tun haben (Stille-
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296
Theodob Altsohul:
sitzen, beim Turnen Bewegung, Hunger, Temperaturverhältnis der Haut,
Langeweile usw.). Er hat selbst ästhesiometrische Messungen wochenlang
fortgesetzt und ist zu dem Schlüsse gekommen, daß hier zahlreiche Fehler¬
quellen unterlaufen. Das Ergebnis seiner Versuche (an Erwachsenen)
über die Beziehungen zwischen Baumschwelle und Ermüdung „ist leider
gänzlich negativ ausgefallen“. Damit sei aber nicht ausgeschlossen, daß
bei Kindern ein derartiger Zusammenhang besteht; „immerhin mahnt die
Erfahrung zur Vorsicht.“
Später wurden (zum Teile in Eraepelins Laboratorium) von Bolton
(55), Leuba (56) und von German (57) die ästhesiometrischen Studien
fortgesetzt. Sie gelangten alle zu dem gleichen negativen Ergebnisse.
Es ist ja richtig, daß all diese Versuche nur an Erwachsenen und nur
an wenigen Personen (Bolton und German studierten nur an 1, Leuba
hat an 3 Personen experimentiert); aber gar so wertlos sind diese an
intelligenten und eingeübten Personen vorgenommenen exakten Versuche
keineswegs, sie zeigen, daß bei den Versuchspersonen ein Zusammen¬
hang zwischen Ermüdung und Größe der Raumschwelle nicht bestand
und wenn man auch nicht berechtigt ist, diese Einzelbefunde zu verall¬
gemeinern, so ist man doch auch ebensowenig berechtigt, sie gänzlich zu
ignorieren.
Eulen bürg (58) hat im Jahre 1898 in einem sehr sachkundigen
und übersichtlichen Beferate über die Schularztfrage auch zur Ästhesio-
metrie Stellung genommen und bemerkt diesbezüglich: „Man darf freilich
nicht übersehen, daß dieses Bild leicht eine mehr weniger subjektive
Färbung annehmen kann, daß man absichtlichen und unabsichtlichen
Fälschungen dabei ausgesetzt ist und daß die Methode überhaupt eine
gewisse Intelligenz, Aufmerksamkeit und ein verständnisvolles Eingehen
seitens der Prüflinge als notwendige Vorbedingung voraussetzt. Wer aber
mit der Methode lange Zeit an Gesunden und Kranken gearbeitet hat, der
weiß, daß sie gleich den meisten Empfindungsprüfungen nicht so einfach
ist, wie sie beim ersten Anblick erscheint und daß wir den mit ihr er¬
haltenen Besultaten gegenüber auch auf der Hut sein müssen.“
Weygandt (59) erklärt, daß er nach den in dem Heidelberger
Laboratorium Kraepelins angestellten Versuchen, jetzt die Methode
(Griesbachs) als eine fehlerhafte und für den Schulzweck unbrauchbare
hinstellen muß. „Die glatten Besultate von Griesbach und Wagner kann
ich mir nur durch Mitwirkung lebhafter Autosuggestion entstanden
denken. . .. Wenn Griesbach und Wagner in den paar Minuten einer
Schulpause nahezu eine halbe Klasse von Schülern (10) durchprüfen
wollen, so darf ein solches Experiment keinen Anspruch auf Zuverlässig¬
keit erheben.“
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
297
Widowitz (60) sagt: „Ich halte nach meinen Beobachtungen an
Kindern solche Unregelmäßigkeiten für reine Zufälligkeiten, die An¬
wendung des Ästhesiometers zu Ermüdungsprüfungen an Kindern bis un¬
gefähr zum 14. Lebensjahre für vollkommen unmöglich. Ich habe nämlich
vor langer Zeit das Verhalten des Web ersehen Gesetzes bei Kindern
prüfen wollen und dabei so unglaubliche Angaben erhalten, daß ich die
weiteren Versuche aufgeben mußte. Ja selbst Erwachsenen ist es schwer»
ihre Aufmerksamkeit auf die zu prüfende Hautstelle derart zu kon¬
zentrieren, daß stets einwandfreie Zahlen gefunden werden.“ Widowitz
ist nach vielfachem Experimentieren zu der Überzeugung gekommen, daß
die Ermüdung der Schulkinder nicht gemessen oder gewogen, sondern nur
beobachtet werden kann.
In neuester Zeit hat Strohmayer (61) in einer geistvollen Arbeit
den Ausspruch getan: „Man hat den Zustand der Ermüdung mit Rück¬
sicht auf die Überbürdungsfrage bekanntlich zum Gegenstände experimen¬
teller Untersuchungen gemacht. All ihre Resultate, seien sie durch
ergographische, ästhesiometrische oder pädagogisch-psychologische Methoden
gewonnen, haben für die Praxis nur einen beschränkten Wert.“
Stadelmann äußert sich in seinem bereits erwähnten schönen Buche
(siehe Lit. Nr. 9) sehr zutreffend: „Es ist ein bedeutender Unterschied,
ob ein Mensch durch Zusammenzählen langer Zahlenreihen ermüdet, oder
ob er durch das Leben ermüdet, d. h. wenn allerseits Reize auf ihn ge¬
wirkt haben, die alle miteinander Reaktionen in seinem Organismus aus¬
lösten. Die Laboratoriumsversuche haben also allesamt einen durchaus
begrenzten und mitunter recht geringen Wert für die Beurteilung
psychischer Phänomene.“
Ziehen (62) hebt in einer gehaltvollen Studie über die Methodik der
Sensibilitätsuntersuchung die großen hier obwaltenden Schwierigkeiten
hervor, besonders die enorme individuelle Variabilität der Hautsensibilität
und das Hinzukommen der räumlichen Eigenschaften der Empfindung, „die
trotz aller Hypothesen nichts weniger als aufgeklärt sind“. Er hält die
zahllosen Ästhesiometer fast sämtlich für verfehlt und hebt hervor, daß
man wenigstens verlangen sollte, daß die Intensität der beiden Reize be¬
stimmbar und bei vergleichenden Prüfungen von Prüfung zu Prüfung
einigermaßen konstant ist. „Die von Griesbach, Ebbinghaus u. a.
zu diesem Zwecke angegebenen Ästhesiometer erfüllen nicht einmal diese
Bedingung.“ Ziehen hat daher ein „Pendelästhesiometer“ konstruiert
und zu Sensibilitätsprüfungen verwendet; da aber diese Prüfungen zu
klinischen Zwecken und an klinischem Material vorgenommen wurden, will
ich auf die interessante Arbeit Ziehens hier nicht näher eingehen und
will nur noch erwähnen, daß Ziehen gegen die „Tastkreismethoden“ ein
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298
Theodob Altschul:
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prinzipielles Bedenken hat, das ihn veranlaßt hat, diese Methode mehr und
mehr zu vernachlässigen: die Autosuggestion spielt bei ihr eine außer¬
ordentlich viel größere Rolle, als bei den Vergleichsmethoden, bei denen
die Versuchsperson nur anzugeben hat, ob länger oder kürzer, schwerer
oder leichter usw.
Übrigens betont Griesbach selbst (a. a. 0.), „daß bei allen Kontroll-
untersuchungen dieselbe Reizstärke eingehalten werden sollte, da ver¬
schiedene Reizintensität ebenso wie eine Druckverschiedenheit beider
Spitzen nicht dieselben Werte ergibt.“
Eine meisterhafte und sachkundige Darstellung der ganzen Frage der
Hautsensibilität liefert uns Torsten Thunberg (64). Die zusammen¬
gesetzten Empfindungen umfassen die Qualitäten der Druck-, der Kälte-,
der Wärme- und der Schmerzempfindung und es ist noch nicht sicher, ob
nicht noch andere Gefühlsqualitäten bestehen: vielleicht gibt es mehrere
Schmerzqualitäten, vielleicht sind auch die Empfindungen von Kitzel und
Jucken als selbständige Elemente aufzufassen. Außerdem gibt es
zweifellos auch zusammengesetzte Empfindungen, welche nioht nur Haut-
empfindungsqualiläten, sondern auch von anderen Sinnesnerven ausgelöste
Empfindungen als Bestandteile enthalten, z. B. sogenannte Muskel¬
sinnempfindungen, so Empfindung der Glätte u. dgl. Es bestehen be¬
sondere Druck-, Kälte- und Wärmenerven (Blix) und Frey hat besondere
Schmerznerven wahrscheinlich gemacht.
Die Druckpunkte stehen in einem charakteristischen Verhältnisse zu
den Haarpapillen: jedes Haar hat einen Druckpunkt nahe seiner Austritts¬
stelle (ob dadurch nicht die Unterschiede bei ästhesiometrischen Messungen
bei Erwachsenen und bei Kindern zum Teile wenigstens ihre Erklärung
finden? Altschul). Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Meissnerschen
Körperchen als Druckendorgane zu betrachten sind (Blix) und daß sie an
den nicht behaarten Stellen gewissermaßen die Stelle der Haare vertreten.
Zwischen dem Orte der Reizapplikation und dem Endorgan ist ein elasti¬
sches und Nachwirkungen zeigendes Gebilde, die oberflächlichen Haut¬
schichten, eingeschaltet.
Thunberg bespricht im Verlaufe seiner Darlegungen auch die Ver¬
suche von Wundt und von Griesbach, erwähnt, daß Bolton „schwer¬
wiegende Einwände gemacht hat, sowohl bezüglich der Methode, wie der
Resultate“ und fügt hinzu: „Überhaupt scheint es, daß man die Schwierig¬
keiten bei den hierher gehörigen Versuchen unterschätzt hat und daß die
Ergebnisse ohne genügende Kritik verwendet worden sind“.
Nachdem mir in Nürnberg der Vorwurf gemacht wurde, daß ich
meine Bedenken gegen die ästhesiometrische Methode nicht durch eigene
Versuche zu stützen vermag, habe ich eine längere Zeit bei Erwachsenen
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Dis GHißTiGB Ebmüdung des Schuljugend.
299
und bei Schulkindern Messungen vorgenommen und habe, was für mich
besonders lehrreich war, von zwei verschiedenen Experimentatoren
Messungen an mir selbst vornehmen lassen.
Ich kann nun versichern, daß die Entscheidung, ob eine oder
zwei Spitzen gefühlt werden, seihst bei größter Aufmerksam¬
keit ungemein schwierig ist und daß man in sehr zahlreichen
Fällen ebensogut das eine oder das andere angebeu kann, ohne
die Unwahrheit zu sagen und auch bei meinen Versuchspersonen
hörte ich manchmal die Antwort: „Eins, vielleicht aber zwei!“
Ich habe meine Versuche ohne Einschaltung einer künstlichen Er¬
müdung zuerst an den Personen meines eigenen Haushaltes durch einen
ganzen Monat durchgeführt, indem ich ziemlich regelmäßig morgens und
spät abends Messungen vornahm und die Tagesarbeit anmerkte.
Ich füge hier vorerst das Protokoll der von meinem Sohne (der auch
Arzt ist) an mir vorgenommenen Messungen an (Tabelle 1):
Tabelle I.
(Die Abendstunden sind unterstrichen.)
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300
Theodor Altschul:
Tabelle I. (Fortsetzung.)
Datum
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Stunde
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g
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Anmerkung
Datum
Stunde
1
Glabella
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24. IV.
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25. IV.
7-15
15
14
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Kopfschmerz
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12-00
13
13
12
—
26. IV.
7-30
12
14
12
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7. V.
8-80
16
14
12
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nach ange-
27. IV.
7-30
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strengter Arbeit
10-30
15
12
13
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8. V.
8-15
13
15
12
—
28. IV.
7-30
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13
14
13
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13
—
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14
12
11
nach ange¬
strengter Arbeit
29.IV.
8-00
14
14
11
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d. Messung durch
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11
12
13
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13
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14
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10
11
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14
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13. V.
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13
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12
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3. V. 1
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1
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15
13
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17
1 1
4 h geist. Arbeit
Ich lasse nun zwei Tabellen folgen, welche zwei Personen betreffen,
die nur körperlich gearbeitet haben:
Tabelle II.
Antonia S., 26 Jahre alte Köchin (sehr intelligent).
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die geistige Ermüdung der Schuljugend,
301
Tabelle II. (Fortsetzung.)
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45
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2. V.
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12. IV.
10-00
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8-15 22
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14. IV.
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302
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Tabelle III.
Rosa P., 25 Jahre altes Stabenmädchen (sehr intelligent).
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Die Zahlen zeigen ein buntes Gewirr: wenn einige Reihen stimmen,
so folgen darauf gleich Ziffern, die ganz aus der Art schlagen: nach an¬
gestrengtester geistiger Arbeit einmal bei mir sehr geringe Schwellen und
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die geistige Ermüdung deb Schuljugend.
303
nach Buhe recht hohe Zahlen und bei den beiden Dienstleuten, beides
Mädchen von besonderer Intelligenz, ist die Gesetzlosigkeit das Gesetz¬
mäßige. Ich will aber zugeben, daß die Hausarbeit der beiden Mädchen
die Hautsensibilität in ganz unkontrollierbarer Weise beeinflußt haben
mag, so daß den Ziffern der Tabelle II and III natürlich absolut keine
Beweiskraft zukommt Ich habe sie nur angeführt, um zu zeigen, welche
Sprünge in den Antworten möglich sind und wie die Sensibilität — man
kann sagen natürlich — durch grobe Arbeit disqualifiziert wird.
Hingegen muß ich den an mir gewonnenen Zahlen eine desto größere
Bedeutung beimessen. Ich habe sehr bald ein gewisses Training erlangt
und habe später fast niemals differierende Angaben bei Kontrollunter-
suchungen gemacht: hatte ich einmal den Schwellenwert für die Empfin¬
dung eines Eindruckes bei zwei aufgesetzten Spitzen angegeben, dann
wiederholte ich dieselbe Antwort bei neuerlichem Aufsetzen derselben
Spitzendistanz in konsequentester und fast unfehlbarer Weise, wie mir
auch Herr Privatdozent Dr. Kahn, I. Assistent an dem physiologischen
Institute unserer deutschen Universität, bestätigte, als ich mit ihm gemein¬
schaftlich die Messungen gegenseitig einer an dem anderen und an zwei
Studierenden der Medizin vornahm.
Wir gingen dabei so vor, daß wir stets abends die Messungen Vor¬
nahmen und dann in bis 1 ständigen Intervallen, ohne eineArbeit
zu leisten, wiederholten. Es kamen immer ganz verschiedene Ziffern
heraus und wenn wir beide, ohne daß dem einen die Resultate des andern
bekannt waren, dieselbe Versuchsperson maßen, erhielten wir niemals auch
nur ähnliche Werte. Wir erzeugten dann (an der Hand) künstliche
Hyperämie und dann Auämie, ohne daß wir dadurch eine als gesetzmäßig
aufzufassende Veränderung in der Abschätzung der Raumschwelle mit der
erforderlichen Sicherheit feststellen konnten. Unsere Mediziner gaben
beide an, daß sie eine sichere Entscheidung, ob sie nur eine oder zwei
Spitzen empfinden, nur sehr selten treffen können. Ich muß allerdings
hinzufügen, daß eine unserer Versuchspersonen stets so starke Nach¬
empfindungen hatte, daß man diese Hyperästhesie nicht als normal be¬
zeichnen und daher die Angaben dieser Versuchsperson überhaupt nicht
verwerten kann. Der Fall zeigt aber gerade, wie bei der Sensibilitäts¬
prüfung auch individuelle und pathologische Veränderungen in der
Empfindungsqualität Vorkommen.
Nachdem ich mit meinen Messungen bei Erwachsenen kein Glück
hatte, nahm ich bei Schulkindern Messungen vor und zwar durch
14 Tage, täglich nach jeder Unterrichtsstunde an je drei Kindern, an
dem besten, einem mittelmäßigen und einem schlechten Schüler.
Ich lasse die entsprechenden Tabellen nunmehr folgen:
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tabelle IV. Volksschule,
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304
Theobob Altsohul:
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Tabelle VI. I. Klasse Neustädter Gymnasium. Otto 0. 13 J. 138 cm , nicht gut entwickelter brünetter
Junge, der jünger aussieht, als er ist.
Urteil des Lehrers: Dicht für Gymnasialstudien begabt. Im Geist mit andern Dingen beschäftigt, sitzt er teilnahmslos in der Schule,
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13. VII. um 77, h Nachm, (nach der Maturitätsprüfung) 14-11-7.
Tabelle X.
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II. Franz B., 20 Jahre, 161 brünetter, gut entwickelter Jüngling.
Urteil des Lehrers: sogen. Zugvogel, brauchte für die Gymn&siumBstudien 10 Jahre; hat hier fortwährend zu Klagen Anlaß gegeben,
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Tabelle XII. V. Gymnasialklasse. Mädchenlyzeum.
Marie G., 17 Jahre, 160 cm Länge, schwächlich, Lymphadenitis colli, rachit. Zähne.
Urteil des Lehrers: fleißig, aber wenig begabt _
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Tabelle XIII. V. Gymnasialklasse. Mädchenlyzeum.
Rosa F., 17 Jahre, 167 ora Länge, blühendes Aussehen, kräftig, aber etwas nervös.
Urteil des Lehrers: Faul und begabt.
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Tabelle XVI. VI. Lyzealklasse.
Babette T., 15 Jahre, 156 cra Lauge, kleines, gesundes und frisches Mädchen.
Urteil des Lehrers: Begabt, aber faul.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
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Die geistige Ebmüdung des Schuljugend. 321
Wenn man den Tatsachen keine Gewalt antun und in die Zahlen nicht
etwas Künstliches hineinrechnen will, wird man zugeben müssen, daß auch
die bei den Schülermessungen gewonnenen Größen allgemein gültige und
eindeutige Beziehungen zwischen geistiger Ermüdung und Baumschwelle
die sich in verläßlichen Zahlen ausdrüoken lassen, nicht zu ergeben
vermögen.
Die Tabelle IV ist gänzlich auszuschalten — ich habe sie nur an¬
gefügt, um zu zeigen, daß Kinder von 7 bis 8 Jahren zu ästhesiome-
trischen Messungen überhaupt nioht herangezogen werden können. Nur
eine Episode, die ich (64) bereits bei meinem Londoner Vortrage mit¬
geteilt habe, verdient Erwähnung und ist sehr lehrreich: ein Knabe von
etwa 7 Jahren, ein frischer aufgeweckter Junge, gab unter Kontrolle seiner
Augen stets ganz korrekte Antworten. Darauf wurden ihm die Augen
zugehalten und immer nur eine Spitze des Griesbachschen Ästhesio¬
meters aufgesetzt. Der Junge antwortete stets auf die Frage: „Wieviel
Spitzen fühlst Du?“ im gleichmäßigen Takte: eine, zwei, eine, zwei und
so immer fort. Nun stellte ich mit scharfer Betonung die Frage:
„TJnd wieviel jetzt?“ Prompt antwortete der Knabe, geradezu sieges¬
bewußt: „Drei!“
Noch eine andere Episode, die ich ebenfalls in London schon vor¬
gebracht habe, möge als höchst bezeichnend hier wiederholt werden. Der
Fall betrifft einen sehr intelligenten 18 jährigen Gymnasialschüler (Tab. IX).
Nach einer Mathematikstunde wurde eine Messung vorgenommen. Nach
der Messung sagte mir der Schüler unaufgefordert: „Die Messung kann
diesmal kein richtiges Resultat ergeben; der Lehrer trug vor und da ich
wußte, daß ich nicht geprüft werden kann, bereitete ich mich unter der
Bank für die nächste Stunde (Latein) vor.“ Hier erfuhr ich zufällig diese
„Sünde“. Wie oft mögen bei Schülerexperimenten ähnliche Vorkommnisse
sich ereignen, ohne daß der Experimentator davon Kenntnis erlangt?
Ich habe schließlich auch vor und nach den Jugendspielen an
einzelnen Schülern Messungen vorgenommen. Auch hierbei konnte ich
keine einwandsicheren und eindeutige Resultate erzielen: ich fand nur
sehr bedeutende, durch das Spiel erzeugte Pulsbeschleunigungen (was wohl
nichts Merkwürdiges ist). Auch einen sehr angestrengten Gymnasiallehrer
habe ich durch 3 Tage nach jeder Unterrichtsstunde gemessen; nachdem
aber auch hier ganz ungleichmäßige und einander widersprechende An¬
gaben gemacht wurden, habe ich den Versuch abgebrochen.
In der Diskussion über meinen Londoner Vortrag hat Dr.H.R. Rivers
(Cambridge) erklärt, daß die Resultate der ästhesiometrischen Messungen
wenig Vertrauen verdienen; sie geben eher Zeugnis von dem vorhandenen
oder mangelnden Interesse, als von der wahren Ermüdung, und De Croly
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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21
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
322
Theodor Altschuij :
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(Brüssel) bemerkt, daß die Instrumente von Griesbach und Schuyten
noch der Präzision entbehren, die man von einem wissenschaftlichen
Apparat verlangen muß. Die Methode ist in der Schule wenig prakti¬
kabel; sie erfordert eine lange Vorbereitung des Kindes. Die Ermüdung
in der Schule ist ein bisher nicht genügend definiertes Phänomen.
Es gibt sonach bei Schülerexperimenten eine Menge von fast un¬
übersehbaren Fehlerquellen, die das Endergebnis beinflussen bzw. fälschen
können.
Gegen meine ästhesiometrischen Versuche wurde der Einwand erhoben,
daß es mir an persönlicher Geschicklichkeit mangle und der gleiche Vor¬
wurf wurde all denen gemacht, welche zu ähnlichen Resultaten gelangten
wie ich; ich befinde mich dabei wahrlich in sehr guter Gesellschaft.
Wenn die Ästhesiometrie aber wirklich nur in der Hand einiger weniger
Auserlesener gute und verläßliche Resultate ergibt, so ist das gewiß kein
Vorzug der Methode und erschwert die allgemeine Verwendung, und es
ist immerhin sehr auffallend, daß bei denVersuchen Binets (siehe oben)
alle Lehrpersonen, welche das ungemein primitive Ästhesiometer
Buzinets handhabten, ausnahmslos so „geschickt“ waren, die ge¬
wünschten Resultate herauszubekommen.
Trotz alledem halte ich die ästhesiometrische Methode nicht für völlig
abgetan, sie ist nur in ihrer gegenwärtigen Form unverläßlich und sie
wird niemals ein Maß der Ermüdung sein, das wirklich mit mathema¬
tischer Genauigkeit die Größe der Ermüdung anzugeben vermag. Vielleicht
kann sie ihrer Fehlerquellen entkleidet, uns einmal Aufschlüsse geben, die
vertrauenswürdiger sind, als die bisher gewonnenen. Die Hoffnungen, zu
denen die von Frey angegebenen „Reizhaare“ und sein Haarästhesiometer
zu berechtigen schienen, haben sich nicht erfüllt 1 und das Ziehen sehe
Pendelästhesiometer ist von dem Autor selbst nicht gerade mit Begeiste¬
rung empfohlen worden. Das Verfahren, das Ziehen jetzt einschlägt,
besteht darin, daß er auf die zu untersuchende Hautgegend die Kanten
zweier Holzkeile oder Kartonstücke aufsetzt, deren Längen um ein Geringes
differenzieren, und die Versuchsperson frägt: „Welches ist länger gewesen?“
Nach der Methode der richtigen und falschen Fälle werden die prozen¬
tualen Zahlen der richtigen Antworten als Maß der räumlichen Empfind¬
lichkeit der Haut gelten. Da indes bei dieser Methode die Beurteilung
der Richtungseigenschaften des Reizes gegenüber der Längenschätzung
zurücktritt, so muß sie durch eine Methode mit bezug auf die Richtungs¬
empfindlichkeit ergänzt werden. Ziehen hat zu diesem Zwecke eine alte
1 Vgl. u. a.: Ziehen, a. a. ü.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die geistige Ebmüdung deb Schuljugend.
323
Methode von Leube 1 wieder aufgenommen: man führt mit einer ab¬
gestumpften Nadelspitze oder mit dem Nadelknopf Quer- nnd Längsstriche
von bestimmter Länge, z. B. von 1 om , auf der Hautoberfläche und läßt die
Versuchsperson angeben, ob der Strich längs oder quer geführt ist. Fällt
die Antwort falsch aus, so macht man längere Striche, 1V 4 bis l 1 /, usw.,
bis man durchweg richtige Antworten erhält. Die Länge der Striche,
welche ihrer Richtung nach richtig unterschieden werden, „gibt offenbar
ein reziprokes Maß der Richtungsempfindlichkeit der Haut ab“.
Schon im Jahre 1879 hat übrigens Dr. G. E. Müller (65) in einer
auch heute noch lesenswerten und keinesfalls veralteten Arbeit darauf
hingewiesen, daß die Raumschwelle einer gegebenen Hautgegend auch
bei ganz gleich bleibenden Versuchsumständen keineswegs immer
denselben Wert besitzt. „Berührt man“, sagt er, „ein und dieselbe Haut¬
stelle zu wiederholten Malen mit zwei gleichzeitig aufgesetzten Zirkel¬
spitzen, deren Abstand immer derselbe bleibt, so wird „bekanntermaßen“
bei geeigneter Wahl dieses Spitzenabstandes in unregelmäßiger und zu¬
fälliger Weise das eine Mal der Eindruck einer Doppelberührung, das
anderemal der Eindruck einer einfachen Berührung erhalten, außerdem
gibt es auch unentschiedene Fälle. Dieser Tatbestand scheint zu ergeben,
daß die Größe der Raumschwelle für jede Hautgegend zufälligen Schwan¬
kungen unterliegt.“ Müller führt nun mathematische Formeln an, die
er weitläufig, begründet, für die Berechnung der Schwelle der rich¬
tigen und falschen Fälle und bemerkt hierzu: „Es sind also alle
Werte, die Vierordt, Paulus, Riecker und Hartmann für die rela¬
tiven Feinheitsmaße des Ortsinnes der verschiedenen Hautgegenden be¬
rechnet haben, als unrichtig berechnete zu betrachten.“
Einen gewissermaßen vermittelnden Standpunkt bezüglich des Wertes
der Ästhesiometrie zu Ermüdungsmessungen nimmt neuestens Offner (66)
ein. In einer fleißigen, zusammenfassenden Studie über die geistige Arbeit
sagt Offner, der als Lehrperson die ganze Frage natürlich mehr von
pädagogisch-psychologischen Gesichtspunkten aus beurteilt und behandelt,
über die Griesbachsche Methode, daß die Messungen der Raumschwelle,
die von Griesbach und vielen anderen ausgeführt wurden, „ein solches
Maß von Übereinstimmung untereinander aufweisen“, daß zur Erklärung
derselben das Vorurteil, die Autosuggestion der Experimentierenden, wie
die Suggestionen auf die Versuchspersonen, die besonders Tawney 2 ins
Feld führt, selbst wenn sie bei allen vorhanden gewesen wäre, nicht aus¬
reicht . . . Auch die . . . Übereinstimmung, in welcher diese ästhesio-
1 Leube, Centralblatt f. d. med . Wissenschaften. 1876. Nr. 38.
* Tawney, Phys . Slud. Bd. XIII.
21 *
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
324
Theodor Altsohul:
metrischen Messungen mit den alltäglichen Beobachtungen des Lehens,
besonders der Schule, stehen, spricht für ihre Brauchbarkeit als Ermüdungs¬
messer — richtiger: als Messungsmethode für eines der vielen Er-
müdungssymtome.“ Mit diesem letzten Satze gibt Offner eigentlich
schon zu, daß die Ästhesiometrie nicht die Ermüdung, sondern bestenfalls
ein Symptom derselben zu „messen“ vermag.
Er stellt dann noch weitere Forderungen bezüglich der technischen
Vervollkommnung der Methode und bemerkt noch: „Vergleicht man aber
die ästhesiometrischen Werte der gleichen Körperstelle bei verschiedenen
Personen, so ist zu beachten, daß auch da die Dicke der Haut, die Ge¬
übtheit der Person überhaupt, wie gerade dieses Organes, ferner Alter,
Geschlecht, Beobachtungsgabe, Sinnestypus, Konzentrationsfähigkeit indi¬
viduelle Unterschiede bedingen, die erst in Abrechnung zu bringen
sind, ehe der größere oder geringere Grad der Ermüdung und weiterhin
der Ermüdbarkeit der verschiedenen Individuen gegeneinander festgesetzt
werden kann.“
Haben nun aber, so muß man fragen, wirklich alle Experimentatoren
diese wichtigen Faktoren „in Abrechnung gebracht“? Gewiß nicht! Ist
da nicht die (von Offner gerühmte) „Übereinstimmung“, die trotzdem
erzielt wurde, nicht zumindest überaus merkwürdig? Welche Unmasse
von äußeren, in ihrer Gänze gar nicht recht abschätzbaren Einwirkungen,
außer der obenerwähnten, die geistige (und die körperliche) Arbeit beein¬
flussen, das erhellt u. a. auch aus einer interessanten Arbeit von Lehmann
und Pedersen (67).
Nach den Untersuchungen E. Smiths, N. Finsens, Lehmanns,
Mailing-Hansens, die in der Größe der Atmung, des Hämoglobingehalts
des Blutes, der Herztätigkeit, der Gewichtszunahme und des Höhenwachs¬
tums der Menschen während des Jahres periodische Schwankungen fanden,
lag es nahe, anzunehmen, daß auch die physische und psychische Arbeits¬
fähigkeit im Laufe des Jahres periodischen Variationen unterliegt. Über
die Beziehung der Muskelkraft zu den meteorologischen Faktoren hat
Schuyten experimentiert; diese Versuche wollten die beiden Verfasser
nachprüfen. Die Messung der Muskelkraft wurde an Knabenklassen (an
10 bis 14 jährigen Knaben) an jedem Schultage durchgeführt. Außerdem
wurden noch drei verschiedene Versuchspersonen, eine Dame und die
beiden Verfasser, herangezogen, die im Juli nach Norwegen reisten und
in der Höhe von 960 Meter den Eindruck der Luftdruckverminderung auf
die geistige und körperliche Arbeit untersuchten.
Bei Einhaltung der nötigen Kautelen wurde ferner studiert: der Ein -
fluß der Bewegung im Freien (günstige Wirkung), der Lichtstärke und
Temperatur (bei abnehmender Temperatur steigt die Muskelkraft und um-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die geistige Ermüdung dee Schuljugend.
325
gekehrt), des Luftdruckes (kein sonderlicher Einfluß auf die Muskelkraft,
hingegen aber ein solcher auf die psychische Arbeit); auch die Gedächtnis-
lcistungen werden wahrscheinlich auf dieselbe Weise wie die Muskelkraft
von den meteorologischen Verhältnissen beeinflußt.
Es sind zwar auch diese Versuche nicht vollkommen einwandfrei,
aber sie zeigen, daß auch noch die meteorologischen Faktoren, wenigstens
bei vielen Personen, eine unleugbare Einwirkung auf die Arbeitslust und
Arbeitskraft und dadurch naturgemäß auf die Ermüdbarkeit ausüben
können.
Aus all den voranstehenden Darlegungen der ganzen Frage der
Ästhesiometrie geht eines mit Gewißheit hervor: das Musterinstrument
und die Idealmethode sind bisher noch nicht gefunden, und
selbst wenn sie einst gefunden werden sollten, so wird man
sie bei Kindern gar nicht oder nur mit der allergrößten Vor-
sicht in Anwendung bringen dürfen, da die durch subjektive
Wahrnehmungen und Empfindungen ausgelösten Antworten von Versuchs¬
personen überhaupt nur unter Anwendung der größtmöglichen Kautelen
verwertbar sind, bei Kindern aber bei deren großer Suggestibilität, der
nicht ausgereiften Erfahrung, dem fast physiologischen Hang zur Unwahr¬
heit und zu allerlei Schabernack und bei der lebhaften Phantasie, die oft
ungewollt zu groben Selbsttäuschungen führt, einen nur sehr geringen
Grad von Glaubwürdigkeit besitzen. Nur an besonders eingeübten, sonst
auch unbedingt verläßlichen und nicht leicht suggestiblen Erwachsenen
wird man die Ästhesiometrie vielleicht ausgestalten können — bisher
ist dies aber noch nicht gelungen.
3. Die optischen Ermüdungsmessungen.
Baur, der, wie bereits erwähnt (siehe S. 295), ästhesiometrische
Messungen „mit Erfolg“ ausgeführt hatte, hat diese Methode zugunsten
einer anderen, einer optischen Methode wieder verlassen. Er hat
in seinem Buche und bei dem Londoner schulhygienischen Kongresse
über seine neue Methode (68 a) eine kurze Mitteilung gemacht und hebt
hervor, daß die Griesbachsche Ästhesiometrie viel Zeit in Anspruch
nimmt und daß ihre Exaktheit durch Suggestion, durch Temperatur¬
wechsel usw. beeinträchtigt wird und daß er daher eine andere Methode
erdacht hat, welche in kurzer Zeit und in sicher Weise den Grad der
Ermüdung eines Kindes anzugeben gestattet. Er hat den Sch eine r-
schen Versuch zu derartigen Untersuchungen verwendet. In einer größeren
Arbeit (68b) in dem „Internationalen Archiv für Schulhygiene“ hat Baur
diese Methode ausführlich dargelegt und eine Reihe von Kurven über der¬
artige Messungen bei Schülern und Lehrern angefügt.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
326
Theobob Altschux, :
Das Baursche Verfahren baut sich, wie der Verfasser uns angibt,
„auf der Tatsache der Muskelermüdung nach körperlicher und geistiger
Anstrengung auf und bedient sich des sehr feinfühligen Akkommodations-
muskels, um in der Abnahme der Akkommodationsfähigkeit des Auges die
Ermüdung zu erkennen und in dem Grade jener auch den Grad der
Ermüdung zu erfahren, wobei die Ermüdung des Auges durch langes
Lesen keine Bolle spielt, da diese in der Buhe sich alsbald auszugleichen
pflegt ....
Innerhalb einer gewissen Grenze der Akkommodationsfähigkeit .wird
durch ein rotgrünes Okular eine Nadel weiß, außerhalb derselben aber
mit rotem und grünem Rand gesehen. Die Akkommodationsbreite, d. h. die
Spanne der Akkommodationsfähigkeit, zeigt nun durch die Verlängerung
eine Schwächung, durch die Verkürzung eine Stärkung des Akkommodations¬
muskels an, somit in logischer Folge mit jener einen Ermüdungs-, mit
dieser einen Erholungszustand.“
Baur hält Autosuggestionen so gut wie ausgeschlossen, eine Kontrolle
sei, ohne daß der Untersuchende etwas davon merkt, stets möglich und
wird ührigens noch verschärft durch einen hinter der Nadel angebrachten
weißen, viereckigen Hintergrund, an dessen Rändern gleichzeitig mit den
farbigen Nadelrändern ein Farbenschimmer, und zwar in den den Nadel¬
rändern entgegengesetzten Farben auftritt. Da der Augenakkommodations¬
muskel wegen seiner Nähe beim Gehirn schnell auf Ermüdung reagiert,
wird er diese eher anzeigen als ein anderes Sinnesorgan. Durch diese
Versuche lassen sich alle „Ermüdungsförderer“ bzw. „Erholungsvermin-
derer“ auf ihren Wert bzw. ihren Indifferentismus prüfen. „Die Messungen“,
sagt Baur, „weisen darauf hin, daß die Hygiene aller geistigen Arbeit
sich zusammensetzt aus dem Sparen mit Arbeitskräften (Ökonomie geistiger
Arbeit), aus der Einschränkung der Arbeitsmenge, aus der Erleichterung
der Arbeitsstoffe, aus der Erholung nach getaner Arbeit, aus der Gesund¬
erhaltung des Körpers und aus der Schaffung günstiger Lebensbedingungen
in Schule und Haus, namentlich durch Erhaltung guter Gemütszustände.“
Die Arbeit Baurs ist fraglos eine sehr interessante und beachtens¬
werte und seine Abschätzung der geistigen Arbeit wird wohl (auch ohne
Experimente) als im ganzen zutreffend bezeichnet werden können, was uns
aber auch diese Versuche, gleich allen anderen Ermüdungsmessungen, nicht
beweisen können, ist der wichtige und ausschlaggebende Umstand, ob die
„gemessene Ermüdung“ das zulässige Maß überschreiten, ganz abgesehen
davon, ob die Zuversicht Baurs, daß die Messung der Akkommodations¬
breite wirklich in allen Fällen ein verläßliches, durch keine äußeren Zu¬
fälle beeinflußtes Maß der Größe der geistigen Ermüdung darstellt, tat¬
sächlich vollauf gerechtfertigt ist.
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Die geistige Ermüdung des Schuljugend.
327
In ähnlicher Weise hat N. Bishop Harmann (69) die Ermüdung
durch die Veränderung der Akkommodation bestimmt. Er verwendet zur
Prüfung des binokulären Sehaktes ein „Diaphragm-Test“, das eine durch
ein Triebwerk in ihrer Weite veränderliche Öffnung enthält. Durch diese
Öffnung wird ein Karton visiert Das Experiment zeigt, daß verschiedene
Leute eine verschiedene Breite des mittleren, für das binokulare Sehen
in Frage kommenden Streifens wählen, um ihre Augen in einem gewissen
Gleichgewichte zu halten (die seitlichen Partien werden monokular ge¬
sehen). Die Differenz zwischen dem bei geistiger Frische und beim Zu¬
stande der Ermüdung gemessenen „ocular poise“ gibt den absoluten Aus¬
druck der verminderten Kraft des cerebro-muskulösen Apparates für die
Einhaltung des binokulären Sehens an. Bishop Harman hält diese
Methode für verläßlicher und für den allgemeinen Gebrauch vorteilhafter
als die Anwendung der Ästhesiometrie oder arithmetischer Aufgaben zur
Prüfung der geistigen Ermüdung durch den Unterricht.
Auch bezüglich dieser Methode gilt wohl das gleiche, was ich über
die Methode Baurs angeführt habe.
(Jybulski und Bellarminoff (70) haben photographische Aufnahmen
der Erweiterung und Verengerung der Pupillen unter dem Einfluß be¬
stimmter Reize hergestellt; dabei kann auch die Geschwindigkeit und
Dauer einer Pupillenbewegung mit mathematischer Genauigkeit gemessen
werden. Die Pupillen von geistig ermüdeten Menschen zeigen schwache,
langsame Bewegungen auf Lichtreize. „Die Cybulski-Bellarminoff-
sche Methode“, bemerkt Maria von Manacöine, „hat eine große prak¬
tische Bedeutung, z. B. eine geistige Überbürdung an Schulen festzustellen.“
Eine Bestätigung dieser Befunde durch andere Autoren habe ich nicht
vorgefunden. Auf dem schulhygienischen Kongresse in Paris hat
Brandeis (71) seiner „farbenästhesiometrischen Ermüdungsmessungen“
Erwähnung getan. Nähere Angaben über die Methode sind in dem Kon¬
greßberichte nicht enthalten.
4. Weitere physiologische Methoden.
Außer den genannten findet man zerstreut in der Literatur noch eine
Reihe anderer physiologischer Methoden angegeben, die aber noch nicht
genügend nachgeprüft sind. Sie mögen hier nur ganz kurz aufgezählt
werden.
Viktor Pimmer (72) hat den elektrischen Strom zu seinen Unter¬
suchungen verwendet und behauptet, daß er dadurch alle Nervenschwachen,
Feigen und Belasteten herauszufinden vermag; Stephani (73) hat einen
eigenen Meßapparat konstruiert und führt an, daß die Abnahme der
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Theodor Ai/tbchul:
Körpergröße im Lauf des Tages um so stärker ist, je größer die Ermüdung
der Muskulatur ist; W. Neutra (74) ermittelt den Ermüdungsgrad durch
die Verschiedenheit der Vibrationsempfindung; J. Putermann (75) mißt
mittels des Gärtnerschen Tonometers den Blutdruck und bringt dessen
Veränderung in einen ätiologischen Zusammenhang mit der geleisteten
geistigen Arbeit; Mosso (76) hat mit Hilfe seiner „psychologischen Wage“
eine Messung der Blutmenge bzw. der Blutverteilung in den einzelnen
Körperteilen ausgeführt Die Mossosche Wage besteht aus einem auf
zwei Metallprismen ruhenden Kasten, in den die Versuchsperson hinein¬
gelegt wird. Der Kasten wird durch ein an einem Eisenstabe befindliches
Laufgewicht von 25 ** ausequilibriert. Die Schwankungen der Wage,
welche durch eine Veränderung der Lage der Versuchsperson oder auch
durch eine geistige Tätigkeit oder eine seelische Erregung erzeugt werden,
werden durch eine Feder auf einem sich drehenden berußten Zylinder
graphisch verzeichnet. Zur Kontrolle, daß die Schwankungen wirklich von
der Blutverteilung heirühren, werden an den Gliedern der Versuchsperson
noch einzelne Plethysmographen angebracht. Bei dieser Versuchsanord¬
nung bemerkt man angeblich, daß jeder Gedanke, jede Erregung der Auf¬
merksamkeit, sogar die Erinnerung an Verse, die man einst auswendig
gelernt hat, einen verstärkten Blutzufluß zum Kopfe und einen geringeren
zu den Gliedmaßen im Gefolge hat. Auch die Veränderungen im
Spannungszustande der Gefäße werden angeblich durch die Wage angezeigt:
bei gesunden Personen, die aus einer aufrechten Stellung in horizontaler
Lage in die Wage gelegt werden, erhält man rasch durch Ausgleich der
Blutverteilung ein Gleichgewicht (die Gefäße sind imstande, sich schnell
zusammenzuziehen), während bei blutarmen und schwachen Menschen (wo
die Blutgefäße schlaff sind und keine richtige Spannung besitzen) eine
geraume Zeit verstreicht, ehe ein Gleichgewichtszustand eintritt. Auf diese
Weise kann man die Beschaffenheit des Blutgefäßsystems bei Gesundheit,
Krankheit, Ermüdung und Ruhe kennen lernen; die Wage gestattet nach
der Ansicht Maria von Manaceines unter Umständen, die Entwicklung
schwerer Erscheinungen von Überbürdung zu verhüten.
Diese jedenfalls originelle Methode Mossos hat merkwürdigerweise
nicht viel Verwendung gefunden und scheint nicht sehr bekannt zu sein:
sie ist jedenfalls in der Praxis nicht so einfach und eindeutig, wie es auf
dem Papier scheint.
Ebensowenig ist die Kinematometermethode (77), mit der Neu¬
mann und Gin eff gearbeitet haben, in die Praxis übergegangen. Das
von G. W. Störring konstruierte Kinematometer ist ein Apparat, der die
Größe einer Bewegung eines darin eingespannten Körperteiles in Winkel¬
graden angibt. Es wird vorerst eine „Normalbewegung“ eingeübt und
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
329
dann soll die Versuchsperson eine „Vergleichsbewegung“ ausführen, die
der Normalbewegung an Größe gleichkommt. Im Zustande der Ermüdung
sollen die Vergleichsbewegungen größere Abweichungen von der Normal¬
bewegung zeigen, als im Zustand der Frische. Gineffs Versuche wurden
nur an einer Versuchsperson ausgeführt. Offner hält die Methode für
einfacher und leichter durchführbar und mit Gineff auch für zuverlässiger,
als die ergographische Methode; mir scheint eine auf Abschätzung basierte
Methode entschieden weniger verläßlich, als die ergographische, die aber
(wie früher gezeigt wurde) auch nicht verläßlich ist.
O. Biologische Methoden.
Bei der gegenwärtigen Richtung der modernen Naturforschung liegen
die biologischen Methoden sozusagen in der Luft. Die Ermüdung ist ja
selbst ein biologischer Vorgang und muß demnach im Organismus Ver¬
änderungen in biologischem Sinne hervorbringen. Es ist keine Frage,
daß auch bei dem Studium des Ermüdungsproblems diesen
Methoden die Zukunft gehört; aber biser haben auch sie eine voll¬
ständige und einwandfreie Lösung aller sich uns aufdrängenden Fragen
noch nicht zu bringen vermocht.
Graziani (78) war wohl der erste, der den Einfluß einer intensiven
Geistesarbeit auf Zahl, Zusammensetzung, namentlich auf den Hämoglobin¬
gehalt und die Widerstandskraft der roten Blutkörperchen methodisch
geprüft hat. Er fand, daß die einzige beachtenswerte und ständige Diffe¬
renz den Hämoglobingehalt betrifft, dessen durchschnittliche Verminderung
nach angestrengter, mehrstündiger geistiger Arbeit 7*4 Prozent beträgt.
Die Zahl und der Widerstand der roten Blutkörperchen bieten größere
oder geringere Verschiedenheiten, so daß es nicht möglich ist, daraus
einen bestimmten Schluß zu ziehen.
Graziani betont die Schwierigkeiten bei derartigen Versuchen und
hebt hervor, „daß bei Kindern die Gehirnanstrengung weniger häufig und
weniger leicht festzustellen ist, als sich auf den ersten Blick annehmen
läßt. Sobald ihr Gehirn müde zu werden beginnt, fängt auch das Zer¬
streutsein an und da bei ihnen die inhibitorischen Kräfte noch wenig
entwickelt sind, so gehen sie selten mit einer energischen Willensanstren¬
gung von neuem an die Arbeit; sie beginnen dieselbe nur dann wieder,
wenn sie sich ausgeruht haben.“
Daß die Methode Grazianis auch sonst für Schülermassen Unter¬
suchungen weniger geeignet ist, geht schon daraus hervor, daß (wenn
auch unbedeutende) Blutentziehungen notwendig sind, was in Schulen aus
verschiedenen Gründen kaum allgemein durchführbar ist.
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Theodor Altschul:
Graziani kommt weiterhin zu dem Schlüsse, „daß die Anämie der
Studierenden neben den Alterationen im Stoffwechsel, welche der ungenü¬
genden Speisenzufuhr und der direkten Wirkung des Nervensystems zu¬
zuschreiben sind, neben der mangelhaften Sauerstoffversorgung des Blutes
infolge der Modifikationen im Atmungsrhythmus — wenigstens bei jenen
Individuen, welche fähig sind, mittels ihres Willens die Gehirnarbeit zum
Grade der Überanstrengung zu treiben — auch vom Einfluß toxischer
Substanzen abhängig ist, die als Resultat der Gehirnarbeit zu betrachten
sind und eine direkte Wirkung auf den Widerstand der roten Blut¬
körperchen auszuüben vermögen“.
Es ist ein unbestreitbares Verdienst von Weichardt, durch seine
Untersuchungen (siehe S. 275) die Lehre von dem Ermüdungsgifte auf
eine wissenschaftliche Grundlage gestellt und ausgebaut zu haben.
Weichardt selbst hat schon (a. a. 0.) eine besondere Methode zur
Feststellung der Ermüdung angegeben. Mittels eigenartiger Hantelfu߬
übungen soll festgestellt werden, ob durch die Ermüdung nach dem Unter¬
richt eine Differenz in der Anzahl der ausführbaren Übungen erkennbar
ist. Es sind sodann die Mehrleistungen zu beobachten, welche sich nach
Einführung einer genau dosierten Menge des Kenoantitoxins erzielen lassen.
Durch Absättigung mit einem Testantitoxin kann man die durch die
Ermüdung gebildeten Mengen des Kenotoxins sicherstellen. Diese Methode
will Weichardt mit dem Ergographenversuch, der Burgersteinschen
Rechenmethode und mit den ästhesiometrischen Methoden kombiniert an¬
gewendet wissen.
Die Methode Weichards wurde von Friedrich Lorentz (79) in
die Praxis der Ermüdungsexperimente (auch bei Schülern) eingeführt. Er
hat nach dem Vorschläge Weichardts die „Hantelfußübungen“ folgender¬
maßen vornehmen lassen: Die Versuchsperson nimmt in jede Hand eine
2 bis 5 kg (Kinder 2 bis 3 tg ) schwere Hantel und dreht sie bei horizontal
vorwärts gestreckten Armen nach dem Pendelschlage einer Sekundenuhr
oder eines Metronoms um ein Viertel des Kreisbogens nach außen und
dann wieder nach innen. Zugleich hebt sie, ebenfalls im Sekundentakte,
abwechselnd den rechten und dann wieder den linken Fuß bis zur Knie¬
hohe. Schon nach 20 bis 30 Sekunden wird die anfangs spielend leichte
Übung allmählich schwieriger und plötzlich sinken die Arme infolge hoch¬
gradiger Ermüdung. Dieser Zeitpunkt, welcher durch Zählen der Sekunden
sehr genau festgestellt werden kann, gibt die Stärke des vor der Übung
bereits vorhandenen Ermüdungsgrades ebenso sicher an wie die Ergo-
graphenbnrve (Lorentz).
Lorentz hat die Versuche vorerst an sich selbst vorgenommen. In
der Tabelle, welche die erzielten Leistungswerte bei der Hantelfußübung
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Die geistige Ermüdung deb Schuljugend.
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wiedergeben, hat er die ersten Ergebnisse einer etwa Tierwöchentlichen
Trainingperiode nicht registriert. Erst dann, als nach zahlreichen Vor¬
übungen eine Konstanz der Kurvenwerte eingetreten war, wurden die¬
selben aufgezeichnet. Es wurde zunächst eine Reihe ganz gleichsinnig
verlaufender Versuchsserien ausgeführt und erst nachher mit der Verab¬
reichung des Antikörpers begonnen. Es zeigte sich nach dem Einatmen
des antikörperhaltigen Sprays eine Hebung des körperlichen Allgemein¬
befindens — „gleich reiner, ozonhaltiger Waldluft steigert es (das Anti¬
kenotoxin) die natürliche Frische und Lebendigkeit des Körpers, so daß
seine allgemeine Anwendung ohne Gefahr geschehen kann.“
Es wurden 10 bis 12 Tropfen Antikenotoxin, gelöst in 10 cem physio¬
logischer Kochsalzlösung (0-8 : 100), reichlich im Zimmer versprengt. Die
Nachwirkung des Antikenotoxins zeigte sich noch in den erhöhten Lei¬
stungen der folgenden Tage.
Sodann hat Lorentz mit der (etwas modifizierten) Rechenmethode
Burgersteins Versuche in einer Klasse der Pflichtfortbildungsschule vor¬
genommen (an 15 bis 17 jährigen Schülern). Der eigentliche Zweck der
Übungen war den Schülern nicht bekannt; es war vielmehr gesagt worden,
daß es sich um Prüfungs- und Übungsarbeiten handle, die mit besonderer
Sorgfalt zu fertigen seien. Die Klasse bestand aus Lehrlingen, die am.
Vormittage in ihrer Lehrstätte gearbeitet hatten und nun nach einer
1 bis 2stündigen Mittagpause am Nachmittag zum Unterricht erschienen,
der sich über 6 Stunden ausdehnte.
Der erste Versuch wurde zu Beginn, der zweite nach vierstündigem
Unterricht ausgeführt. Die beiden letzten Stunden waren dem Zeichen¬
unterricht gewidmet, der weniger ermüdet und deshalb bei den Versuchen
ausgeschaltet wurde. Es handelte sich um Photographenlehrlinge, also
ein ziemlich intelligentes Material, dem die angewendeten Rechenaufgaben
keinerlei Schwierigkeiten boten; die Beteiligung war freigestellt „und
war somit“, glaubt Lorentz (ob mit Recht bleibe dahingestellt) „das
Interesse bei den Teilnehmenden verbürgt“. Es beteiligten sich insgesamt
66 Schüler, an jedem einzelnen Versuche etwa 16 Knaben.
Um die Wirkung des Antikenotoxins auf die Arbeitsleistung feststellen
zu können, fand nach der ersten Rechenübung eine Versprayung des anti¬
körperhaltigen Präparates, angeblich zur Luftverbesserung, statt; die
Schüler verblieben 3 bis 4 Stunden in der durchgesprayten Luft, während
der Unterricht seinen Fortgang nahm. Die Schüler zeigten eine ge¬
steigerte Frische und Lebhaftigkeit — „die psychomotorische Hemmung
erschien aufgehoben“. Die Quantität der Leistungen nahm zu. Bei
Kontrollversuchen, wobei kein Antikenotoxin zerstäubt wurde, ergab sich
eine Abnahme der Rechengeschwindigkeit durch die natürliche Ermüdung
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Theodob Alt sch ul:
nach vierstündigem Unterrichte. £s ließ sich also, bemerkt Lorentz, die
Beeinflussung der Ermüdung und die Erhöhung der geistigen Leistungs¬
fähigkeit nach dem Zerstäuben von Antikenotoxin, wie vorher bei der
Hantelfußübung, so auch durch die Rechenmethode „exakt“ ermitteln.
Lorentz beschließt seine Arbeit mit folgenden Sätzen: „Wenn auch
der Einfluß des Antikenotoxins vorläufig nur in qualitativer Weise ver¬
sucht wurde, so erscheint es doch nicht ausgeschlossen, daß auf Grund
der vorhandenen Untersuchungen sich eine biologisch exakte Maßmethode
zur Ermittlung der Schülerermüdung herausbilden lassen wird. Die Mög¬
lichkeit der quantitativen Bestimmung der Ermüdungsstoffe ist vielleicht
dadurch gegeben, daß auch in dem Wasser, durch welches Ausatemluft
eines Ermüdeten längere Zeit geblasen worden war, sich in vitro Eiwei߬
abspaltungsantigene von Kenotoxincharakter durch hochgradig verdünnte
Antikenotoxinlösungen bestimmen lassen. Somit reihen sich diese modernen
Ermüdungsforschungen dem neuerdings in den Wissenschaften inaugurierten
Streben an, mehr und mehr den sicheren Boden der Chemie zu ge¬
winnen. Es dürften hierbei auch die Psychologie und die Schulhygiene
mit ihren bewährten Erfahrungen nicht unwesentlich gestützt und be¬
fruchtet werden.“
So originell und interessant die Versuche von Lorentz auch sind,
so stellen sie uns eigentlich doch nur einen Wechsel auf die Zukunft aus,
soweit die Ermüdungsmessung bei Schülern in Frage kommt. Besten¬
falls kann man aus den Experimenten von Lorentz erschließen, daß es
durch Verstaubung von Antikenotoxinlösungen gelingen kann, die Er¬
müdung zu bannen und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen — und mehr
behauptet eigentlich Lorentz zurzeit auch nicht. Indes in der Wissen¬
schaft muß man erst zahlreiche Nachprüfungen neuer Methoden fordern
und abwarten, ehe man sichere Schlüsse zu ziehen berechtigt ist; ein ge¬
wisser Skeptizismus ist entschieden fruchtbringender als ein gläubiger Opti¬
mismus, der uns leider schon gar zu oft auf Irrwege geführt hat.
Es müssen daher erst von vielen sachverständigen Forschern die un-
gemein schwierigen biologischen Grundfragen der Kenotoxinlehre nachge¬
prüft und bestätigt werden, ehe man an „Schülerexperimente“ herantritt.
Übrigens mahnen die bereits früher angeführten Versuche von Inaba
(siehe S. 276) zu einer gewissen Vorsicht und da bei den „Hantelübungen“
ein mehrwöchentliches Training notwendig ist, um brauchbare Resultate
zu erzielen und da ferner bei den Schülerexperimenten von Lorentz die
Rechenmethode verwendet wurde, die trotz der eingehalteuen Kautelen und
der angebrachten Modifikation meiner Ansicht nach nicht besonders verlä߬
licher geworden ist, ist diese Vorsicht doppelt geboten. Aber die neue
Methode Weichardts ist der ernstesten Nachprüfung entschieden würdig
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Die geistige Ermüdung des Schuljugend.
833
und sie berechtigt fraglos zu gewissen Hoffnungen für die Zukunft —
Ob uns die nächste Zeit nicht noch serologische Methoden zum Zwecke
von Ermüdungsbestimmungen (dies Wort ist entschieden richtiger
und zutreffender als Ermüdungsmessungen) bringen wird, welche mit
Agglutininen, Präzipitinen, Hämolysinen usw. arbeiten werden, ist nicht
so unwahrscheinlich.
Zum Schlüsse sei noch einer Methode Erwähnung getan, die man
als eine pathologische bezeichnen kann, des sogenannten Quinquaud-
schen Zeichens. Maridort (80), ein Schüler Quinquauds, hat dies
„Zeichen“ (zur Feststellung des Alkoholismus — was sich aber als irrig
erwies —) zuerst beschrieben und Minor (81) hat die Maridortsche
Versuchsanordnung zweckmäßig modifiziert. Nach Minor wird der Ver¬
such in folgender Weise angestellt: Die gespreizten und gestreckten Finger
werden auf ein Resonanzkästchen aus weichem Holz aufgesetzt und auf
derselben Fläche ein Phonendoskop angebracht. Das Quinquaudsche
Zeichen besteht darin, daß bei gewissen Veränderungen im Nervensystem
kurze Stöße der Finger wahrgenommen werden können. Minor hält dies
Phänomen für ein feines Zeichen hypotonischer (Ermüdungs-) Zustände.
Er fand es bei Tabes, bei Hysterie und bei manchen Alkoholikern. Ob
es auch bei geistigen Ermüdungszuständen normaler Individuen vorkommt,
wurde noch nicht erprobt.
Schloß.
Zusammenfassend kann man sagen:
Das Ermüdungsproblem, oder wie es wohl richtiger heißen sollte, die
Ermüdungsprobleme sind sehr oft schon zum Gegenstand ernstester
Forschung gemacht worden. Trotz der ausführlichen Darlegungen über
die historische Entwicklung dieser Forschung habe ich die bestehende
Literatur keineswegs vollständig erschöpft, wenn auch kaum ein wichtiger
Beitrag zu der hier abgehandelten Frage übergangen sein dürfte.
Wenn man nun trotz der überaus zahlreichen Arbeiten über Ermüdung
und Ermüdungsmessungen, trotz aller hierbei aufgewendeten Mühe, trotz
allen Scharfsinnes und Fleißes auch gegenwärtig noch der lückenlosen
Lösung des ganzen Komplexes der Ermüdungsfragen keineswegs gegen-
übersteht, so war die große, bisher geleistete Arbeit doch auch keine nutz¬
lose; sie hat uns manchen Einblick in das Wesen der Ermüdung und in
die Physiologie und Psychologie und auch in die Pathologie der körper¬
lichen und geistigen Arbeit erschlossen und auf diese Weise einen nicht
unbedeutenden Teil der Ermüdungsprobleme unserem Verständnis näher-
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Theodor Altschul:
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gerückt. Wir müssen vor allem bedenken, daß es auch bei der Ermüdung
keine „Durchschnittstypen“ gibt, sondern daß die Ermüdung und die
Ermüdbarkeit etwas durchweg Individuelles ist, mit so vielen
Schattierungen, als es Individuen gibt und daß es tausenderlei täg¬
lich, ja stündlich wechselnde und gar nicht vollkommen sicher
abzuschätzende äußere Einflüsse gibt, welche die Ermüdung
und Ermüdbarkeit qualitativ und quantitativ bestimmen.
Ich glaube auch gezeigt zu haben, daß wir ein wirkliches Maß der
Ermüdung in all den bisherigen Methoden noch nicht besitzen und daß
es nicht sehr wahrscheinlich ist, daß wir jemals ein derartiges besitzen
werden. Denn wenn wir die Ermüdung zu „messen“ vermeinen, messen
wir eine ganze Menge anderer psychischer, aber gewiß auch somatischer
Zustände mit, wie z. B. das vorhandene oder mangelnde Interesse, den
Grad der durch momentane Stimmung und Körperbefinden beeinflußten
Aufmerksamkeit, die größere oder geringere Ablenkung von der Arbeit
durch allerlei Zufälligkeiten usw. Man wird mir einwenden: „Deshalb
stellen wir eben Massen Untersuchungen an und nehmen den Durch¬
schnitt; dadurch gleichen wir die individuellen Zufälligkeiten aus.“ Ich
bestreite aber auf das allerentschiedenste, daß die „durchschnittliche“
Ermüdung, die wir durch Rechenmanipulationen künstlich konstruieren,
wirklich der Ausdruck der bei der Mehrzahl der Menschen, oder richtiger
gesagt der Versuchspersonen vorhandenen Ermüdungsgröße ist, selbst
wenn man zugibt (was ich, wie erwähnt, nicht zugebe), daß diese Er¬
müdungsgröße bei jedem Einzelwesen direkt meßbar ist.
Es wurde auch bereits hervorgehoben, daß die Ermüdung etwas gänz¬
lich Individuelles, ein bei jedem Individuum Verschiedenes ist, ein aus
ganz verschiedenartigen Teilen zusammengesetzter Zustand. Nun lassen
sich aber bekanntlich verschiedenartige Größen nicht zu einer Summe
verschmelzen, und wenn wir ein derartiges Rechenexempel dennoch aus¬
führen, so rechnen wir eben falsch.
Die Schule kann naturgemäß nicht auf jede einzelne Individualität
Rücksicht nehmen und der Einzelunterricht wäre nicht nur kein Ideal,
sondern ein schwerer Fehler in pädagogischer und auch in sozialer Be¬
ziehung. Der Stoff, der in der Massenschule im Unterrichte gelehrt wird,
ist aber trotzdem kein „Durchschnittsstoff“: er ist für die einen (die Be¬
gabten) sehr leicht, vielleicht zu leicht, für die anderen (die Schwachen
an Körper und Geist) nur schwer zu bewältigen, und diese Tatsache hat
zu der Idee des Sonderklassensystems geführt, worüber ich das nötige be¬
reits früher (siehe S. 273) auseinandergesetzt habe.
Bei der ganzen Ermüdungsfrage ist ein Grundprinzip fest im Auge
zu behalten: die Ermüdung ist bei der Arbeit des Berufslebens
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
335
und auch bei der Arbeit in der Schule etwas mehr oder weniger
Nebensächliches; ausschlaggebend ist die größere oder gerin¬
gere Ermüdbarkeit.
Die Ermüdung ist die natürliche Reaktion auf eine intensive
Arbeit, sie ist also gar nichts Abnormes, noch viel weniger etwas Krank¬
haftes, sie erheischt nur etwas Erholung vor der Wiederaufnahme neuer
Arbeit; die leichte Ermüdbarkeit ist etwas Pathologisches, sie bedarf
einer zweckentsprechenden Berücksichtigung im Berufsleben, wie im Schul¬
leben. Man wird einen Menschen mit einer schwachen Körperkonstitution
und schwacher Muskelanlage nicht zum Berufsathleten heranbilden und
ebensowenig kann man ein Kind mit einer angeborenen und oft auch er¬
erbten schwächlichen geistigen Anlage zum Geistesathleten heranbilden,
aber — man tut es doch und dies gar nicht so selten und dann klagt
man über „Überbürdung“ in den Mittelschulen! Das ist führwahr kein
Wunder, daß ein Schüler mit pathologischer Ermüdbarkeit beim Studium
übermüdet wird. Für das Studium in engem Sinne sollte ein „Befähigungs¬
nachweis“ gefordert werden, es sollte eine Auswahl getroffen werden
können, eine Art Assentierung auch nach der Seite der psychischen Taug¬
lichkeit sollte stattfinden, dann wäre die Klage über Überbürdung nur
sehr selten zu hören. Allerdings ist die hier angeschnittene Frage nicht
mit einem Federstriche zu lösen, es kommen eine Menge von „Für und
Wider“ in Betracht und es müßte nicht nur eine Reform des gesamten
Unterrichtswesens, sondern auch eine Reform der sozialen Verhältnisse
vorangehen. Man dürfte nicht jedermann, der eine geachtete und lebeus-
erhaltende Stelle und Stellung erreichen will, von Staats wegen zwingen,
zu „studieren“, d. h. eine Mittelschule zu absolvieren, auch wenn er dazu
absolut nicht fähig ist. Ich kann nicht auf alle hier in Betracht
kommenden Fragen eingehen, das würde zu weit führen, das ist ein Thema
für sich und wahrlich kein unwichtiges und nebensächliches.
In der Überbürdungsfrage ist in letzter Zeit ein gewisser, man kann
sagen gesunder Umschlag unverkennbar. Man hat sich glücklicherweise von
dem viel mißbrauchten Schlagworte emanzipiert, man verlangt nicht mehr
ausnahmslos eine Herabminderung der Anforderungen auf der ganzen
Linie, man verlangt eine vernünftige, den Bedürfnissen des mo¬
dernen Lebens angepaßte Schulreform, und das ist auch das
einzig richtige.
Albrecht Burkhardt (82) hat in einem Referate gelegentlich der
Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheits¬
pflege den zutreffenden Ausspruch getan: „Die Schule ist nun einmal kein
Sanatorium; sie ist für Schüler und Lehrer ein Gewerbe, ein Beruf, und
jedes Gewerbe, selbst das leichteste, birgt Gefahren in sich.“
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Theodok Altschtcl:
Unser Bestreben muß es sein, die Jugend derart wider¬
standskräftig zu machen, daß sie diesen Gefahren trotzen kann
und sie überwinden lernt. Wir sollen ihr nicht jeden Stein aus dem
Wege raumen; das Leben verlangt Mut und Kraft. Nicht „Mindestforde-
rungen“ dürfen als Erziehungsprinzip hingestellt werden; größtmög¬
lichste Anspannung der Kräfte und Erstarkung derselben
durch zweckmäßige Übung, das muß auch in der Schule die Devise
unserer Zeit werden. Mag dann auf die anstrengende Arbeit Ermüdung
folgen; wenn sie durch Erholung wieder ausgeglichen wird, bleibt doch
zumeist noch ein Gewinn an Kraft übrig.
Die moderne Zeit braucht Kraftmenschen an Körper und Geist, wir
müssen daher die Jugend in strammer Arbeit erziehen und nicht aus
lauter Furcht vor Ermüdung ihr gar keine Kraftproben zumuten. Ein
gesunder Körper, ein gesunder Geist kann arbeiten und soll arbeiten,
und wenn wir unsere Jugend zu Arbeitsmenschen erziehen, dann nützen
wir dem Vaterlande, dann nützen wir dem Volke — und der Jugend auch.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
337
Literatur-V erzeichnis.
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Nr. 5 u. 6.
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Mannheim 1904. — b) Bericht Über den Nürnberger schulhygienischen Kongreß.
Nürnberg 1904. Bd. IV. S. 192.
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11. Porter, Transactions of the Academy of Science of St. Louis. 1892—1894.
Vol. VL
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for 1897—1898 (zitiert nach Burgerstein-Netolitzkys Handbuch der Schulhygiene ).
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Inaug.-Diss. 1S92. (13 und 14 zitiert nach Rietz, siehe 16.)
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16. Dr. med. Rietz, Körperentwicklung und geistige Begabung. Ebenda.
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Zeit - und Streitfragen. Bd. VIII. Hft. 8. Wien 1894. Beilage zur Klin. Rundschau.
18. Weich har dt (außer einigen Artikeln in der Münchener med. Wochenschrift ),
a) Ermüdungs- und Übermüdungsmaßmethoden. Deutsche Vierteljahrsschrift f. ößentl.
Gesundheitspflege. 1907. Bd. XXXIX. S. 324. — b) Bericht über den hygienischen
Kongreß in Berlin 1907. Bd. IV. S. 46.
Zeltschr. £ Hygiene. LXIX
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Theodob Altsghul:
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19. Dr. R. Inaba, Über das Kenotoxin Weichhardts in der Ausatmungsluft.
Diese Zeitschrift. 1911. Bd. LXVIII. Hft. 1.
20« Jahressitzung der Sociötä royale de Mddecine publique de Belgique; 15. Oktober
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enfents ä Tage scolaire. Extrait du Rapport prisenU ou ComitS du Musie pidagogique ,
section tfhygi&ie scolaire, par M. le Dr. De Sikorsky. Annales dthyg. publique et
de Midecine ISgale. Troisiäme Särie. 1879. Tome II.
21. Dr. L. Höpfner, Über die geistige Ermüdung von Schulkindern. Zeitschrift
f. Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1894. Bd. VL
22. Altschul, Wert der Experimente bei Schüleruntersuchungen. Offizielles
Referat Bericht über den I. internationalen Kongreß für Schulhygiene , Nürnberg
4. -9. April 1904. Bd. IL S. 225.
28. H. Ebbinghaus, Über eine neue Methode zur Prüfung geistiger Fähig¬
keiten und ihre Anwendung bei Schulkindern. Sonderabdruok aus: Zeitschrift für
Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1897. — Die Ebbinghaus sehe
Kombinationsmethode. Ebenda. 1902.
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schrift für Schulgesundheitspflege. 1891.
25. Laser, Über geistige Ermüdung beim Schulunterrichte. Ebenda. 1894.
26. Joh. Friedrich, Untersuchungen über die Einflüsse der Arbeitsdauer und
der Arbeitspausen auf die geistige Leistungsfähigkeit der Schulkinder. Zeitschrift
für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1897.
27. Dr. E. Wiersma, Die Ebbinghaussche Kombinationsmethode. Ebenda.
1902. Hft 3.
28. Dr. Ferdinand Kemsies, Arbeitshygiene der Schule auf Grund von Er¬
müdungsmessungen. Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der pädagogischen
Psychologie und Physiologie . 1898. Bd. II. Hft. 1.
29. Prof. Dr. Emil Kraepelin, a) Über geistige Arbeit. Jena 1894. — b) Zur
Hygiene der Arbeit. Jena 1896. — c) Über die Messung der geistigen Leistungs¬
fähigkeit und Ermüdbarkeit. Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher
und ArztCy 70. Versammlung zu Düsseldorf 1898.
80. G. Richter, Unterricht und geistige Ermüdung. Eine schulmännische
Würdigung der Schrift E. Kraepelins: „Über geistige Arbeit" Sonderabdruck aus:
Lehrplan und Lehrgänge. Halle a/S. 1895.
81. M. C. Schuy ten, Sur les mdthodes de mesuration de la fatigue chez les
dcoliers. Extrait des Archives de Psychologie. 1903. Tome IL Nr. 8.
32. Dr. Eduard Quirsfeld, a) Ergebnisse von Ermüdungsmessungen an
64 Schulkindern. Prager med. Wochenschrift. 1907. Nr. 43. — b) Dasselbe. Vor¬
trag auf dem schulhygienischen Kongreß in London. Bericht über denselben. Bd. I.
5. 184. The Royal Sanitary Institute. London 1908.
33. Dr. Paul Rauschburg, Über Hemmung gleichzeitiger Reizwirkungen.
Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1902. Bd. XXX.
Hft. 1 u. 2.
84. G. E. Müller u. F. Schumann, Experimentelle Beiträge zur Untersuchung
des Gedächtnisses. Ebenda. 1894.
35. Angelo Mosso, Über die Gesetze der Ermüdung. Archiv f. Physiologie
von Dr. Emil Du Bois-Reymond. Jahrg. 1890. Supplement.
35a. Dr. Arnold Maggiora, Über die Gesetze der Ermüdung. Untersuchungen
an Muskeln des Menschen. Efjenda. S. 191 ff.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
339
86. Dr. Zacharias Treres, Über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse,
die Ergographie betreffend. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. 1902.
Bd. xxvrn.
87. Dr. Bobert Keller, a) Pädagogisch-psychometrische Studien. Biologisches
Centralblatt . 1894. S. 24 u. 38. — b) Dasselbe. Ebenda. 1897. S. 440.
38. Prot Dr. med. et phil. Hermann Griesbach, Energetik und Hygiene des
Nervensystems in der Schule. München 1895.
39. Derselbe, a) Weitere Untersuchungen über Beziehungen zwischen geistiger
Ermüdung und Hautsensibilität. Internationales Archiv f. Schulhygiene. Bd. L Hft 8.
Leipzig 1905. — b) Hirnlokalisation und Ermüdung. Bonn 1910. Archiv für die
gesamte Physiologie. Bd. CXXXL
40. Dr. Ludwig Wagner, Unterricht und Ermüdung. Ermüdungsmessungen
an Schülern des neuen Gymnasiums in Darmstadt. Sammlung von Abhandlungen
aus dem Gebiete der pädagogischen Psychologie und Physiologie. Bd. L Hft 4.
Berlin 1898.
41. Prof. Dr. Karl Groos, Das Seelenleben des Kindes. Ausgewählte Vorlesungen.
Berlin 1904.
42. Dr. Max Brahn, Deutsche med. Wochenschrift. 1897. Nr. 26.
43. Theodore Vannod, a) La fatigue intelectuelle et son influence sur la
aensibilitä cutanäe. InauguraUDissertation. Genöve 1896. — b) La mlthode esthesio-
metrique pour la mesuration de la fatigue intelectuelle. Referat auf dem Nürn¬
berger schulhygienischen Kongresse 1904. Bericht des Kongresses . Bd. II. 8 . 244.
44. Prot Dr. Yasusaburo Sakaki, a) Mitteilungen über Resultate der Er¬
müdungsmessungen an vier japanischen Schulen zu Tokio. Vortrag, gehalten bei
dem schulhygienischen Kongreß in Nürnberg 1904. Kongreßbericht. Bd. II. S. 295. —
b) Ermüdungsmessungen in vier japanischen Schulen. Internationales Archiv für
Schulhygiene. Bd. L Hft 1. Leipzig 1905.
45. Alfred Binet, Recherches sur la fatigue intelectuelle scolaire et la mesure
qui peut en ötre faite an moyen de Nth&iomätrie. Kannte psychologique . Tome XI.
46. Dr. Bonoff, fitude mödico-pädagogique sur T&thesiomötrie et la Simulation
ä l’äcole. Internationales Archiv f. Schulhygiene. 1908. Bd. IV. S. 384.
47. Prof. Dr. P. M. Noikow, Ästbesiometriscbe Ermüdungsmessungen. Ebenda.
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48. A. R. Abel son. Mental Fatigue and its Measurement by the Ästhesiometer.
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49. Boleslav Blazek, Ermüdungsmessungen mit dem Federästhesiometer an
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50. Dr. Th. Heller, Ermüdungsmessungen bei schwachsinnigen Schulkindern.
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52. Schlesinger, Ästhesiometrische Untersuchungen und Ermüdungsmessungen
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53. Dr. med. H. Adsersen, Eine ästhesiometrische Untersuchung. Zeitschrift
für Schulgesundheitspflege. 1904. Nr. 8 (und Nürnberger Kongreßbericht. Bd. H.
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54. AdöleMotchoulsky, Quelques recherches sur les variations de la sen-
sibilite cutan^e sous Tinfluence de certaines causes physiologiques et pathologiques.
InauguraUDissertation. Bern 1900.
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Theodob Altschul:
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57. German, On the invalidity of the aesthesiometric method as a measure of
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58. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft f. öffentl. Gesundheitspflege in
Berlin* Sitzung am 28. Februar 1898. Hyg. Rundschau. 1898. S. 598. — Eulen*
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59. W. Weygandt, Psychiatrisches zur Schularztfrage. Münchener med. Wochen¬
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61. Dr. Wilb. Strohmayer, Vorlesungen über die Psychopathologie des Kindes¬
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62. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Th. Ziehen, Zur Methodik der SenRibilitntsstörungen.
Wiener med. Klinik. 1910. Nr. 25 ff.
63. Torsten Thunberg, Physiologie der Druck-, Temperatur- und Schmerz-
empfindung, in Nagels großem Handbuch der Physiologie.
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metrie. Second International Congress of School-Hygiene, London 1907. Transactions
Vol. I. S. 123. London 1908. The Royal Sanitary Institute.
65. Doz. Dr. phil. G. E. Müller, Über die Maßbestimmungen des Ortssinnes der
Haut mittels der Methode der richtigen und falschen Falle. Pflügers Archiv für
Physiologie. 1879. Bd. XIX.
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stellung des Wesens der geistigen Ermüdung, der Methoden der Ermüdungsmessung
und ihrer Ergebnisse, speziell für den Unterricht. Berlin 1910.
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Untersuchungen über den Einfluß der meteorologischen Faktoren auf die körperliche
und seelische Arbeitsfähigkeit. Archiv f. die gesamte Psychologie. 1907. Bd. X.
(Referat in Zeitschrift f. Psychologie u. Physiologie der Sinne. 1908. Bd. XLVIU.
68a. Dr. A. Baur, Measurment of fatigue by Scheiners experiment Bericht
über den Londoner schulhygienischen Kongreß. Bd. I. S. 177.
68 b. Die Hygiene geistiger Arbeit der Schüler und Lehrer. Internationales
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69. N. Bishop Harman, The Eyes and Vision of School-Children, Vision
and fatigue. School-Hygiene. 1910. Nr. 8. S. 448.
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modernen Kultur. Übersetzung, Bearbeitung und Anhang: Die Überbürdung in der
Schule von Dr. med. Ludwig Wagner. Leipzig 1905.
71. Dr. Arnold Brandeis, Die Qualifikation der Ermüdung. III. Oongres
international d’Hygiene scolaire. Paris 2.-7. Aug. 1910. Bd. II. S. 442.
72. Victor Pimmer, Neue Versuche zur Auffindung körperlicher Minderwertig¬
keiten durch hochgespannte Funken der Influenzmaschine. Vierteljahrsschrift f. körper¬
liche Erziehung. 1907. Hft. II.
"<8. Stadtschularzt Dr. Stephani, Prophylaxe des Wachstums und Methode der
Körpermessung. Das Schulzimmer. 1907. Nr. 2.
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Die geistige Ermüdung der Schuljugend.
341
74. W. Neutra, Über Ermüdungspkänomene auf dem Gebiete der Vibrations¬
empfindungen. Neurologische* Centralblatt. 1904.
75. J. Putermann, Über die Beeinflussung des Zirkulationssystems durch die
Schulexamina. Wiener med. Wochenschrift. 1904. Nr. 6.
76. Mosso, zitiert nach Manacöine, siehe Lit. Nr. 70.
77. Zitiert nach Offner (siehe Lit. Nr. 66) S. 24.
78. Dr. Alberto Graziani, Der Einfluß der übermäßigen Geistesarbeit auf die
Zahl, den Hämoglobingehalt und auf den Widerstand der roten Blutkörperchen.
Zeitschrift f. Schulgesundheitspflege . 1907. Nr. 6.
79. Friedrich Lorentz, a) Über die Ermüdung der Schüler und deren Er¬
mittlung. Ebenda . 1909. Nr. 5. — b) Über Resultate der modernen Ermüdungs¬
forschung und ihre Anwendung in der Schulhygiene. Ebenda . 1911. Nr. 1 u. 2.
8G. Mari dort, Midecine moderne. 1900. Nr. 50.
81. Minor, Berliner med . Wochenschrift. 1907. Nr. 18—21.
82. Prof. Albrecht Burckhardt, Die Bekämpfung der ansteckenden Krank¬
heiten in der Schule. Jahrbuch der schweizerischen Schulgesundheitspflege . 1902.
III. Jahrg. I. Teil.
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I
i
[Aus dem Allgemeinen Krankenhause Hamburg-Eppendorf.]
Über experimentelle Cholezystitis,
zugleich ein Beitrag zur Pathogenität des Bact paratyphi B.
Von
Eugen Fraenkel and Hans Muoh
(unter teil weiser Mitwirkung Ton S. Starke).
(Hier«« Taf. L)
I.
Allgemeiner Teil.
Von Fraenkel und Much.
Als wir seinerzeit damit beschäftigt waren, gelegentlich von immuno-
biologischen Untersuchungen über Bacterium coli den Eiter perityphliti-
scher Abszesse zu untersuchen, kamen wir in den Besitz eines Bacillus,
der so eigentümliche und prägnante Krankheitsformen verursacht, daß es
uns der Mühe wert schien, ihn weiter zu studieren. Über unsere Beob¬
achtungen wollen wir hier kurz berichten.
Der Bacillus stammte aus einem perityphlitischen Eiter, aus dem er
als auf Drygalski-Conradi Agar blau wachsende Kolonie gezüchtet wurde.
Außerdem wuchsen aus dem Eiter in überwiegender Menge Colibazillen.
Es fiel uns nun auf, daß alle Meerschweine, die wir mit den Coli¬
bazillen der Originalplatte infizierten — denn die Versuche wurden ja
für Colistudien unternommen —, an einer eitrigen Entzündung der
Gallenblase starben. Impften wir dann von der Gallenblase ab, so er¬
hielten wir keine Colibazillen, sondern eben jene blau wachsenden Kolonien.
Wir mußten also annebmen, daß die Colibazillen nicht in Reinkultur
eingespritzt waren, daß sie selbst nicht virulent waren, daß vielmehr der
als Beimengung mit eingespritzte Bakterien stamm den Tod der Tiere
herbeigeführt hatte.
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Original frum
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Eugen Fbaenkel u. Hans Much: Übeb expeb. Cholezystitis, üsw. 343
Nachdem wir aas den Gallenblasen der Tiere diesen Bakterienstamm
in Reinkultur erhalten hatten, überzeugten wir uns davon, daß er in
jedem Falle bei Meerschweinchen eine Cholezystitis meist
eitriger Art, hervorzurufen imstande ist. Die Erkenntnis dieser an
sich sehr interessanten Tatsache haben wir aber leider dadurch teuer be-
zahlen müssen, daß seit diesen Untersuchungen unsere Tiere einer schlecht
zu bekämpfenden Stallinfektion mit eben diesem Bakterienstamme aus¬
gesetzt sind. Wir bekommen seitdem sehr häufig Tiere auf den Sektions¬
tisch, die, mit ganz anderen Mitteln eingespritzt oder überhaupt un-
vorbehandelt, dieser Stallinfektion erlagen 1 und den typischen Befund
einer eitrigen Cholezystitis, verursacht durch den typischen Bazillenstamm,
aufweisen.
Bakteriologisch unterscheidet sich der Bacillus in keiner Weise von
dem Bact. paratyphi B. Ebensowenig läßt er sich durch die Agglutina¬
tion davon unterscheiden. Ein agglutinierendes Serum agglutiniert die
Bazillen bis zu derselben Titerhöhe, wie es Paratyphusbazillen agglutiniert.
Das konnte den Gedanken nahe legen, daß alle Stämme von Para¬
typhus B eben diese merkwürdige Cholezystitis hervorzurufen imstande
seien. Wir konnten uns indessen überzeugen, daß fünf von uns geprüfte
Laboratoriumsstämme von Paratyphus B bei Meerschweinen nicht ähn¬
liche Erscheinungen auslösten. Wohl fand man bei der Sektion der
mit ihnen infizierten Tiere auch Bazillen in der Gallenblase. Aber zu
einer eitrigen Cholezystitis kam es nur in zwei Fällen, und zwar dann
erst 10 bis 14 Tage nach der Infektion, so daß diese Befunde wahr¬
scheinlich als Sekundärinfektion durch den typischen Cholezystitisbacillus
aufzufassen sind.
Der Bacillus unterscheidet sich demnach nur durch die fast absolute
Konstanz der mit ihm zu erzielenden pathologisch-anatomischen Verände¬
rungen von dem Bacillus paratyphi B. Er sei deshalb im folgenden als
Gallenparatyphusbacillus bezeichnet.
Die Cholezystitis ist nun nicht bei allen Tierarten zu erzeugen, eben¬
sowenig wie der Bacillus für alle Tierarten gleichmäßig virulent ist.
Fast absolut konstant sind seine pathogenen Eigenschaften bei
Meerschweinen. Es scheint so, als ob für diese Tiere überhaupt keine
untertödliche Minimaldosis des Erregers vorhanden ist. Beim Impfen
mit einer Öse kann der Tod schon innerhalb 24 Stunden ein treten.
Es kann aber auch Vorkommen, daß er erst nach 2 bis 3 Tagen eintritt.
1 Man vergleiche in dieser Beziehung die eben erschienene Arbeit von Bofinger:
„Spontane Paratyphusinfektion beim Meerschweinchen“, worin allerdings von einer
Erkrankung der Gallenblase nichts erwähnt wird. Deutsche med. Wochenschrift.
1910. Nr. 23. S. 1063.
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Eugen Fraenkel und Hans Much:
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Der Bacillus bedarf also einer gewissen Inkubation. Ist diese Inkubation
vorüber, dann ist es ziemlich gleichgültig, ob man mit großen oder ge¬
ringen Dosen infiziert. Das tritt besonders hervor bei Benutzung kleinerer
Infektionsmengen, als es eine Ose ist. So fanden wir beispielsweise in
einem Versuche, wo Tiere mit l / 10 , 1 / 100 , Viooo» Vioooo» Vjooooo Öse intra-
peritoneal infiziert wurde, daß alle Tiere 5 Tage nach der Infektion starben,
alle mit sehr ähnlichem Sektionsbefunde. Auch die Infektion mit Vioooooo
Öse einer Agarkultur führt noch nach wenigen Tagen prompt zum Tode.
Es handelt sich also um eine außerordentlich hohe Meerschweinvirulenz.
Und dabei ist es gleichgültig, ob der Stamm erst kurz vorher aus einem
Tierkadaver gezüchtet wurde, oder ob er mehrere Monate im Laboratorium
auf Gelatine weitergeimpft wurde. Unsere längste Beobachtung erstreckt
sich auf 5 Monate, während derer der Stamm nur auf künstlichen Nähr¬
böden gehalten wurde, ohne daß er in seiner Virulenz irgendwie beein¬
trächtigt worden wäre.
Der typische Sektionsbefund ist der, daß das Tier makroskopisch
weiter nichts zeigt, als die charakteristische Veränderung der Gallenblase.
Auf die genaueren pathologisch-anatomischen Verhältnisse soll nachher
eingehender eingegangen werden. Nur wenn die Infektion intraperitonal
ausgeführt wird, kommt es noch zu einer Exsudatbildung im Peritoneum
und zuweilen, aber nioht immer, zu Herdbildungen in Leber und Milz.
Mikroskopisch finden sich in dem Galleneiter eine Unmenge von Bazillen.
Diese sind auch im Blute und den Organen vorhanden, bei intraperitonealer
Infektion auch im Peritonealexsudate.
Der Infektionsmodus ist, was Endeffekt und typische Gallenblasen-
veräuderung betrifft, gleichgültig. Wir haben den Tod der Tiere und die
Cholezystitis herbeiführen können sowohl durch intraperitoneale, subkutane,
sowie intravenöse Infektion. Es ist indessen bemerkenswert, daß derselbe
Effekt auch durch Fütterung erreicht werden kann. Schon durch ein¬
maliges Verfüttern einer Öse von Agarkultur konnten wir den typischen
Tod erzielen. Dabei war es gleichgültig, ob wir junge oder ältere Tiere
nahmen. Das gibt uns zugleich eine Erklärung für die Stallinfektionen.
Offenbar werden die Gallenparatyphusbazillen von den erkrankten Tieren
ausgeschieden, und nun erfolgt die Infektion der gesunden Tiere auf dem
Intestinalwege durch Aufnahme der durch die Ausscheidungen der kranken
Tiere infizierten Nahrung.
Ähnlich wie Meerschweine verhalten sich Kaninchen. Auch diese
sterben wenige Tage nach der Infektion, insofern diese intraperitoneal
oder intravenös ausgeführt wird, und zeigen dabei zumeist makrosko¬
pisch nichts weiter als eine vereiterte Gallenblase. Zuweilen kommt es
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Übeb experimentelle Cholezystitis usw.
345
auch bei beiden Infektionsarten zn einer Herdbildung in der Leber.
Mikroskopisch enthält die Gallenblase desquamierte Gallenepithelien und
massenhaft Bazillen. Auch im Blute finden sich die Bazillen. Zu einer
nennenswerten Exsudatbildung bei intraperitonealer Infektion kommt es
in den meisten Fällen nicht.
Auch hier bedürfen die Erreger einer gewissen Inkubation. So kann
man dureh ganz große Dosen (bis zu 10 Ösen) oft den Tod nicht schneller
herbeiführen, als dieser nach kleineren Dosen (V , 00 Öse) erfolgt. Der
Bacillus ist also offenbar an sich nur wenig giftig, nnd erst eine schranken¬
lose Vermehrung, die wir zum großen Teile wohl auf Kosten von Ag-
gressinbildung zurückführen müssen, ermöglicht die deletäre Wirkung.
Weniger konstant sind die Befunde bei subkutaner Infektion. Auch
hierbei sterben die Tiere meist, aber der Tod tritt erst nach längerer
Zeit ein, bei 1 / l0 Öse etwa nach 14 Tagen bis 3 Wochen. Im Blute sind
Bazillen nachweisbar, in der Galle ebenfalls, ohne daß es jedoch zu einer
eitrigen Entzündung der Gallenblase zu kommen braucht.
Durch Fütterung haben wir nur bei zwei ganz jungen Tieren eine
Infektion mit Cholezystitis erzeugen können, bei älteren gelang es uns nicht.
Mit Sicherheit reagieren demnach Kaninchen nur bei intraperito¬
nealer und intravenöser künstlicher Infektion in Form der bemerkens¬
werten Cholezystitis. Außerdem kommen Spontaninfektionen vor.
Wir haben dann fernerhin die Virulenz für Hunde zu bestimmen
gesucht, und fanden dabei, daß der Bacillus für diese Tierart fast voll¬
kommen avirulent ist. So infizierten wir einen großen Hund mit 4 Ösen
intraperitoneal und einen andern mit 4 Ösen intravenös, ohne daß die
Tiere der Infektion erlagen. Sie starben später an einer Sekundärinfek¬
tion, und die Gallenblase zeigte keinerlei Veränderungen.
Wir haben dann ferner einen jungen Hund mit 10 Ösen iutraperi-
toneal infiziert, ohne daß es dem Tiere etwas geschadet hätte.
Ebenso fütterten wir zwei junge Hunde vom Tage ihrer Geburt durch,
zwei Monate täglich mit 6 ccm einer Bazillenbouillonkultur, ohne irgend¬
welche Infektion zu sehen. Die Tiere entwickelten sich vorzüglich.
Ebensowenig wie Hunde sind auch Hühner und Tauben für den
Bacillus empfänglich. Beide Tierarten infizierten wir bis zu 6 Ösen intra¬
muskulär, ohne einen Tod zu setzen.
Für Mäuse ist der Bazillenstamm virulent. Auch bei ihnen kommt
es, wenn auch nicht mit absoluter Regelmäßigkeit, zu einer Cholezystitis.
Wir haben es also mit einem Bazillenstamme zu tun, der für Meer¬
schweinchen, Kaninchen und Mäuse stark virulent ist, und unter dessen
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Eugen Feaenkel und Hans Much:
Einwirkung es bei diesen Hagem zu einer Cholezystitis kommt, die als
fast regelmäßiger Befund zu konstatieren ist.
Ähnliche Befunde haben wir bisher in der Literatur nicht finden
können. Nur in einer Veröffentlichung aus dem kaiserlichen Gesundheits¬
amte fanden wir bei Dieterlen einige Angaben, die in einem gewissen,
wenn auch losen, Zusammenhänge mit unsem Feststellungen stehen.
Dieterlen fand beim Arbeiten mit Paratyphus B zuweilen bei Meer¬
schweinchen in der Milz pseudotuberkulöse Veränderungen, wobei aller¬
dings mikroskopische Befunde nicht näher mitgeteilt sind. Diese Ver¬
änderung wurden auch bei Verbitterung gesetzt. Bei einigen der subkutan
geimpften Tiere wurde Eiter in der Gallenblase und Verwachsungen der
Gallenblase mit der Leber gefunden. Bei andern Tieren, namentlich den
gefutterten, war die Gallenblase steril.
Wie sehr sich unsere Untersuchungen von diesen Nebenbefunden
Dieterlens unterscheiden, geht teils schon aus dem oben Gesagten her¬
vor, teils wird es noch deutlicher werden aus den im nächsten Ab¬
schnitte (H) zu Behandelnden. Im Abschnitte II soll auf die patholo¬
gisch-anatomischen Verhältnisse näher eingegangen werden. Im Ab¬
schnitte III soll dann vornehmlich über Immunisierungsversuche berichtet
werden, die wir durch Dr. Starke ausführen ließen. Im Abschnitte IV
endlich wollen wir einige ganz eigentümliche, in ihrer Art einzigartigen
Erhebungen schildern, die wir bei Immunisierungsversuchen gemacht haben,
und die in ihrer Eigenart noch weiter zu verfolgen unsere Aufgabe
sein wird.
II.
Die pathologisch-anatomischen Befunde nebst Schlußfolgerungen.
Von Fraenkel und Much.
Das Hauptinteresse bei der Sektion der Versuchstiere bot von Anfang
an die Gallenblase. Während diese in der Norm durch ihre zarte, dünne,
durchscheinende Wand und den, von außen als solchen erkennbaren, hell¬
goldgelben Inhalt ausgezeichnet ist, bot sie bei den zur Autopsie gelangten
Tieren ein hiervon abweichendes Bild.
Am einfachsten lagen die Verhältnisse bei den Mäusen; bei ihnen
war die Gallenblase in bezug auf die äußere Form kaum verändert, aber
die Wandung erschien auffallend trübe und beim Eröffnen quoll zwischen
den Schnitträndem dünneitriger oder mehr rahmige Konsistenz darbieten¬
der Inhalt hervor. Bei diesen Tieren kam ausschließlich die intraperito-
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Über experimentelle Cholezystitis usw. 347
neale Infektion zur Anwendung. Von anderweitigen Organveränderuugen
sei auf den, bei fast allen Sektionen konstatierten, Milztumor hingewiesen.
Ähnlich war der Befund bei den, nach der Infektion eingegangenen
Meerschweinchen, bei denen, neben der intraperitonealen Einverleibung,
auch eine solche durch Verfütterung in Betracht kam. Als einer bei
Mäusen nicht beobachteten Erscheinung sei hier des Auftretens von
Nekroseherden in der Leber Erwähnung getan. Sie wechselten in
der Form, Größe und Zahl, waren zum Teil schon an der Oberfläche
des Organs sichtbar, lagen andere Male mehr zentral und konnten end¬
lich bestimmte Bezirke der Leber so durchsetzen, daß sie an die obere
und untere Fläche heranreichten. Die Schnittfläche zeigte bisweilen eine
landkartenartige Zeichnung, in dem graue oder graugelb erscheinende,
den erwähnten Herden entsprechende, Partien mit dem braunen oder rot¬
braunen Kolorit der normalen Leber abwechselten. Sowohl solche Fälle
als auch andere, bei denen eine Mitbeteiligung der Leber in den Hinter¬
grund trat, waren durch die, übrigens meist unbeträchtliche An¬
sammlung eines fibrinösen oder fibrinös eitrigen Exsudats
auf der Oberfläche der Leber und zwischen den lose verklebten Darm¬
schlingen ausgezeichnet.
Die Gallenblase wies ein etwas verschiedenes Verhalten auf. Sie
war nämlich in einer Anzahl von Fällen viel kleiner als in der Norm
und machte den Eindruck einer Schrumpfung des Organs, während
sie andere Male durch den reichlich angesammelten, reineitrigen oder
blutigeitrigen Inhalt abnorm stark ausgedehnt war. Zwischen diesen
beiden Extremen fanden sich dann in der Form zwar nicht von der Norm
abweichende aber trüben, gallig gefärbten oder ausgesprochen eitrigen In¬
halt führende Gallenblasen.
Zu im wesentlichen gleichen Ergebnissen führte die Sektion der, sei es
spontan an Stallinfektionen eingegangenen, sei es künstlich in verschiedener
Weise infizierten Kaninchen. Namentlich der Befund an der Gallen¬
blase zeigte eine, bis ins einzelne gehende, Übereinstimmung mit dem
beim Meerschweinchen erhobenen. Auch hier blieb das Organ in bezug
auf Größe entweder hinter der Norm zurück oder die Gallenblase
war durch den krankhaft veränderten Inhalt übermäßig ausgedehnt
oder endlich, sie zeigte bei gleichfalls abnormem Inhalt normale Form
und Füllung. In einem Teil der Fälle prävalierten hämorrhagische
Zustände, so daß sowohl die Wandung schon für das bloße Auge
bald diffus, bald herdweise hämorrhagisch infiltriert erschien,
als auch der Inhalt neben eitrigen, ausgesprochen blutige
Beimengungen erkennen ließ.. An so veränderten Gallenblasen war
der Serosa nicht selten fibrinöses Exsudat aufgelagert. Die
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Eugen Fbaenkel und Hans Much:
hämorrhagischen Prozesse betrafen entweder nur die Schleimhaut in Form
kleinster, punktförmiger, über die gesamte Innenfläche zerstreuter Fleck¬
chen oder sie waren auch in den tiefem Wandschichten lokalisiert und
nahmen unter Umständen größere Bezirke der Wand ein.
Ab und zu wies indes bei Mäusen sowohl, als bei Meerschweinchen
und Kaninchen das eine oder andere Tier eine makroskopisch unveränderte
Gallenblase auf, obwohl die Gallenflüssigkeit, wie durch Mikroskop und
Kultur festgestellt werden konnte, reichliche Mengen der in Rede stehen¬
den Bazillen enthielt.
Um mit der Schilderung des makroskopisch anatomischen Befundes
zu Ende zu kommen, sei bemerkt, daß auch bei Kaninchen, ähnlich
wie bei Meerschweinchen, aber viel seltener und nie in einer solchen
Ausdehnung wie bei diesen, graue, als Nekroseherde imponierende
Bezirke in der Leber angetroffen wurden, über denen die Serosa intakt
erschien.
Wenn wir resümieren, so hat sich als das bei den Sektionen der ver¬
schiedensten Versuchstiere wichtigste Ergebnis fast ausnahmslos eine
schwere, akute, eitrige oder hämorrhagisch-eitrige Entzündung
des Gallenblase feststellen lassen, die bei einem Teil der Tiere, namentlich
der Meerschweinchen, mit umschriebenen, nekrotischen Prozessen
der Leber vergesellschaftet war.
Um über die feineren, sich an der Gallenblase abspielenden Vor¬
gänge ins klare zu kommen, wurde eine Anzahl derselben mikroskopisch
untersucht. Die in Formol-Alkohol gehärteten Objekte wurden, außer
mit Eosin-Hämatoxylin und nach der van Gieson-Methode, besonders
mit polychromem Methylenblau gefärbt. Namentlich die letztere
Färbung gibt sehr überzeugende Bilder, da sie neben den verschiedenen, in
Betracht kommenden zelligen Elementen auch die, uns hier speziell inter¬
essierenden Bakterien in ausgezeichneter Weise tingiert Indem wir auf
einen detallierten Bericht über die dabei erhobenen Befunde verzichten,
beschränken wir uns hier auf eine summarische Erläuterung der histolo¬
gischen Bilder, wie sie sich bei der Durchmusterung einer großen Zahl
nach den angegebenen Methoden behandelter Schnitte präsentiert haben.
Wenn man weit vorgeschrittene Fälle zur Untersuchung bekommt,
so gestaltet sich der Befund gewöhnlich so: die Endothelien des serösen
Überzugs der Gallenblase sind geschwollen, die subserösen Gefäße zum
Teil prall mit Blut gefüllt Hier und da finden sich periavskulär an¬
geordnete Anhäufungen einkerniger, zeitiger Elemente. Aber auch unab¬
hängig von den Gefäßen lassen sich flächenhafte, in der Subserosa aus¬
gebreitete, kleinzellige Infiltrate erkennen. Die Muscularis ist wohlerhalten,
aber die einzelnen Muskellagen durch, hier gleichfalls in wechselnder
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Übeb experimentelle Cholezystitis üsw.
349
Reichhaltigkeit vorhandene, ein“ und mehrkernige Zellen anseinandergedrängt.
Die Hanptveränderungen finden sich in der eigentlichen Schleimhaut.
Ihre Falten erscheinen beträchtlich geschwollen und verbreitert, so daß
sich benachbarte Schleimhanterhebungen direkt berühren. Die Tunica
propria ist anfs dichteste teils von polynukleären Leukozyten, teils von
roten, in Häufchen zusammenliegenden Blutzellen durchsetzt; auch die
fixen Bindegewebselemente sind geschwollen. Einzelne Kapillaren in den
Schleimhautfalten sind von massigen, das Gefaßlumen total verstopfenden
BaziMenpfröpfen erfüllt. Das Oberflächenepithel ist auf große Strecken
noch vollkommen erhalten, an andern Stellen durch darunter angesammelte,
mit Bakterien untermischte Leukozytenanhäufungen abgelöst, oder nur in
lockerem Zusammenhang mit der Unterlage. Das Gallenblasenlumen ent¬
hält blutig-eitrige Galle, der allenthalben dichte Bakterienschwärme bei¬
gemengt sind. Dieser Inhalt läßt sich bis in den Grund vieler Schleim¬
hautbuchten der Gallenblasenwand verfolgen. Bisweilen beobachtet man,
ganz in Übereinstimmung mit den Befunden an menschlichen, in solcher
Weise erkrankten, Gallenblasen ein Fortschreiten des Prozesses von dem
Fundus einzelner Buchten auf die tieferen Wandschichten bis nahe an
die Serosa heran und trifft in der Nachbarschaft solcher umschriebener
Wandabszeßchen von Leukozyten- und Bakterienthromben okkupierte
Lymphgefäße. Die in den Schleimhautkapillaren nachweisbaren Bakterien-
pfröpfe liegen bald mehr an der Basis, bald an der Spitze der Falten.
Aber nicht nur in den Schleimhaut- und tieferen Wandgefäßen, sondern
auch extravaskulär, frei im Gewebe, vor allem in der Submucosa, werden
Bazillen-Häufchen und -Schwärme angetroffen. Zu diesen Befunden gesellt
sich bisweilen ein, besonders stark in der Subserosa in die Erscheinung
tretendes, Odem, wobei die fixen Gewebszellen sternförmige Gestalt an¬
nehmen, so daß das Gewebe den Eindruck eines myxomatösen macht.
Nach den mitgeteilten Befunden unterliegt es keinem Zweifel, daß
der hier in Rede stehende Bacillus bei Mäusen, Meerschwein¬
chen und Kaninchen, unabhängig von der Art der Einver¬
leibung, eine echte, in ihren Graden wechselnde, akute Entzündung
der Gallenblase herbeizuführen vermag, die in der Mehrzahl der
Fälle alle Wandschichten gleichmäßig befällt, andre Male in der Haupt¬
sache auf die eigentliche Schleimhaut beschränkt ist. Es kann sich dabei
entweder von vornherein um einen diffus infiltrierenden Ent¬
zündungsprozeß handeln, an dem die einzelnen Wandbestandteile der
Gallenblase gleichmäßig partizipieren, oder es erfolgt von dem, anfangs
mehr lokalisierten, Schleimhautherd, ähnlich wie wir es durch
Aschoff für die Cholezystitis des Menschen kennen gelernt haben, ein
sekundäres Übergreifen auf die tieferen Wandschichten der
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350
Eugen Fraenked und Hans Muoh:
Gallenblase. Auf diese Weise kann, wie wir uns namentlich einmal
evident überzeugen konnten (Meersohw. 510), die Ursache für die Ent¬
stehung einer Perforationsperitonitis gegeben werden. Wir stellen damit
eine weitere Übereinstimmung mit Beobachtungen in der menschlichen
Pathologie fest, indem wir auf Fälle von Peritonitis verweisen, die, schein¬
bar rätselhaft, erst, nach einer genaueren Untersuchung der Gallenblase,
in dem Nachweis eines kleinen, mit einem tiefen Luschkaschen Gang
zusammenhängenden, Wandabszesses ihre Erklärung finden.
Ehe wir auf eine Besprechung der Pathogenese dieser, von uns ex¬
perimentell mit nahezu gesetzmäßiger Regelmäßigkeit erzeugten, akuten
Gallenblasenentzündung eingehen, sei die Aufmerksamkeit noch kurz der
Erörterung jener, bei einem Teil der Versuchstiere zur Beob¬
achtung gelangten, Leberherde zugewandt, die wir, nach der makro¬
skopischen Betrachtung, als auf Parenchjmnekrose beruhend zurückführen
zu dürfen uns für berechtigt hielten. Das Mikroskop hat die Richtigkeit
dieser Auffassung bestätigt. Man kann sich, auch hier am besten an mit
Methylenblau fingierten Schnitten, davon überzeugen, daß es in der Tat
zu direkter Gewebsnekrose mit teilweiser zentraler Erweichung gekommen
ist und daß sich in der Umgebung dieser Herde ein dichter Wall von
Leukozyten findet, innerhalb dessen die krankheitserregenden Bazillen
kranzartig angeordnet sind. Die solchen Herden benachbarten Leber¬
zellen können nun wieder der Nekrose verfallen und so können, wie wir
mehrfach gesehen haben, jene größeren Herde entstehen, auf die wir bei
Besprechung des makroskopischen Sektionsbefundes hingewiesen haben.
Reichen solche Herde bis an die Oberfläche heran, dann entdeckt man
auf der Serosa feine fibrinöse Beschläge, die bei mehr zentraler Lage der
Parenchymveränderungen fehlen. In vielen Fällen trifft man zahlreiche
Kapillaren durch bazilläre Thromben vollkommen verstopft und die an¬
grenzenden Leberzellen im Zustande eines scholligen Zerfalls ohne erkenn¬
bare Kerne. Daneben begegnet man hyalinen oder Leukozyten-Thromben.
Es erfolgt also auch an der Leber, ähnlich wie an der Gallenblase, eine
schwere Schädigung der Parenchymzellen durch Invasion des Krankheits¬
erregers von der Blutbahn aus. Indes tritt diese Erkrankung der Leber
nicht mit jener Konstanz auf wie die der Gallenblase. Immerhin verdient
sie für die Genese der uns hier beschäftigenden Gallenblasenentzündung und
für das Verständnis gewisser Erkrankungen der Gallenwege beim Menschen
weitgehende Berücksichtigung. Denn es ist selbstverständlich, daß von
den so entstandenen Leberherden aus eine Einschwemmung infektiösen
Materials in die Gallenblase und so eine indirekte Schädigung dieses
Reservoirs herbeigeführt werden kann.
Damit sind wir ohne weiteres an die Besprechung der Frage gelangt,
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Übkb experimentelle Cholezystitis usw.
351
wie wir uns den ganzen Vorgang des hier in Rede stehenden Prozesses
vorzustellen haben.
Wenn man die bei den Sektionen der Versuchstiere erhobenen makro¬
skopischen Befunde mit den, bei der histologischen Untersuchung der als
erkrankt erkannten Organe gewonnenen, Ergebnissen zusammenhält, so ge¬
langt man, ohne den Tatsachen Gewalt anzutun, zu der Vorstellung, daß
der fragliche Bacillus, ganz unabhängig von der Eingangs¬
pforte, eine exquisit elektive Wirkung auf die Gallenblase, eine
etwas geringere auf die Leber entfaltet. Die experimentelle Bakterio¬
logie hat uns ähnliche Tatschen bereits früher kennen gelehrt, und es sei
hier daran erinnert, daß der eine von uns (Fraenkel) gemeinsam mit
Pielsticker über einen, als Bacterium anthroposepticum bezeichnten
Mikroorganismus berichtet hat, der, aus dem Knochenmark einer durch be¬
sondere Eigentümlichkeiten charakterisierten Osteomyelitis femoris gezüchtet,
bei den Versuchstieren, gleichfalls ganz unabhängig von der Art und dem
Ort der Einverleibung, zu einer schweren Erkrankung der Hoden Ver¬
anlassung gab. 1 Es kann danach nicht zweifelhaft sein, daß zwischen
Krankheitserregern und ihrer Ansiedlung in gewissen Organen
des tierischen und menschlichen Körpers bestimmte Affinitäten
bestehen, deren Ursachen freilich bisher in tiefes Dunkel gehüllt sind.
Was die uns beschäftigende Paratyphusbazillenart anlangt, so dürfte
die Annahme nicht ungerechtfertigt erscheinen, daß der tierische Körper
das Bestreben hat, sich der in ihn eingedrungenen Bazillen
wieder zu entledigen. Zur Erreichung dieses Zweckes bedient er
sich dabei der Gallenwege und scheidet die auf dem Wege der Blut¬
bahn durch die Kapillaren der Gallenblasenwand in die Gallenblase direkt
eingeschwemmten oder indirekt von der Leber aus importierten Bazillen
aus. Wir würden also einen Aussoheidungsvorgang und damit ein
Pendant zu jenen Fällen vor uns haben, wo die Krankheitserreger durch
die Nieren aus dem Körper entfernt werden. Und wie an den Nieren
bei manchen Fällen von Bakteriurie nach Hineingelangen von Staphylo¬
kokken oder Tuberkelbazillen, um nur 2 Beispiele anzuführen, schwere
Schädigungen des Organs die Folge sind, als deren Ausdruck die von
Orth zutreffend als „Ausscheidungsnephritis“ bezeichnete Erkrankung
anzusehen ist, so ist die Eliminierung des Paratyphusbacillus durch die
Gallenwege bei den von uns benutzten Versuchstieren nur auf Kosten
einer ernsten Erkrankung dieser, insonderheit der Gallenblase, vor sich
gegangen, die als „Auscheidungs-Cholezylitis“ schließlich den Tod
der Tiere im Gefolge hat.
1 Vgl. Diese Zeitschrift. Bd. LXIV. S. 145.
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352 Eugen Ebaenkel und Hans Much:
Unsere Versuche haben ferner einwandfrei dargetan, daß die geschil¬
derte schwere Erkrankung der Gallenblase durch eine Invasion auf dem
Blutwege vor sich geht, daß wir es mit einer hämatogenen Cholezy¬
stitis zu tun haben. Es scheint uns besonders wichtig, darauf aufmerk¬
sam zu machen, daß diese Infektion der Gallenblase auch nach
Einverleibung der Bazillen per os zustandegekommen ist Es würde
ja sehr nahe liegen, daran zu denken, daß unter solchen Umständen „die
Krankheitskeime vom Darm aus durch aufsteigende Infektion durch die
Gallenwege in die Gallenblase gelangen“ 1 , und doch hat das Experiment
dahin entschieden, daß auch bei dieser Versuchsanordnung, wie sie uns die
Natur in unerwünschter Weise durch das Vorkommen der Stallinfektionen
vor Augen geführt hat, die Invasion der Bazillen in die Gallenblase auf
dem Umwege über die Blutbahn vor sich geht.
Dieses Ergebnis scheint uns namentlich mit Rücksicht auf Erfah¬
rungen aus der menschlichen Pathologie äußerst wichtig.. Wir wissen,
daß der Paratyphusbacillus beim Menschen zu sehr verschiedenartigen
Erkrankungen Anlaß geben kann und daß unter diesen namentlich unter
dem Bilde akuter Gastroenteritiden verlaufende Zustände eine große
Rolle spielen. Und weiter ist bekannt, daß bei diesen eben genannten,
als Brechdurchfall, Cholera nostras, Fleischvergiftung bekannten Krank¬
heiten viel häufiger, als man bisher annehmen zu dürfen glaubte, die
Krankheitserreger, das ist der Paratyphus-B-Bacillus, in die Blutbahn
übergehen. Endlich ist durch Erfahrungen der letzten Jahre als fest¬
stehend anzusehen, daß Entzündungen der Gallenblase beobachtet werden,
bei denen in der Gallenblase Paratyphus-B-Bazillen nachgewiesen wurden.
Man war bisher der Ansicht, daß in solchen Fällen ein echter Paratyphus
vorangegangen sein müßte, d. h. eine klinisch als Typhus verlaufene
Affektion, bei der aber nicht Typhus-, sondern Paratyphus-B-Bazillen ans
Fäces und Blut gezüchtet wurden. Ist es doch bekannt, daß bei dieser
Erkrankung während vieler Tage Paratyphusbazillen im Blut kreisen. Es
war daher der Schluß berechtigt, daß bei Personen, die einen Paratyphus
Überstunden hatten und bei denen sich nach kürzerer oder längerer Zeit
Erscheinungen einer Gallenblasenentzündung bemerkbar gemacht hatten,
einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen zu
konstruieren.
Bei dem jetzigen Stande unseres Wissens scheint es uns keineswegs
erforderlich, an einer derartigen Forderung festzuhalten. Es reicht viel¬
mehr aus, anamnestisch festzustellen, daß ein an Cholezystitis leidender
Mensch früher einmal eine gastrointestinale, auf Rechnung des Para-
1 Lorey, Über einen Fall von Cholecystit. paratyphosa. Münchener med. Wochen-
Schrift . 1908. Nr. 1.
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Über experimentelle Cholezystitis usw.
353
typhus-B-Bacillus zu setzende Affektion überstanden hat, da auch hierbei
eine Invasion der Krankheitserreger in die Blutbahn Zustandekommen kann
und damit die Möglichkeit eines Eindringens dieser in die Gallenblasen¬
wand und so das Auftreten einer Entzündung der Gallenblase gegeben ist.
Die Neigung zu einer aggresiven Wirkung auf die Gallenblasenwand
kommt ja nun keineswegs allen Paratyphusbazillenstämmen in gleicher
Weise zu. Es würde sonst die experimentelle Erzeugung eiteriger oder
hämorrhagisch-eiteriger Cholezystiten auch früheren Beobachtern gelungen
sein. Die von uns gefundene Tatsache würde also in einfachster Weise
zu erklären imstande sein, warum sich trotz der großen Häufigkeit der
durch den Paratyphus-B-Bacillus beim Menschen verursachten Erkran¬
kungen, sie mögen sich am Magendarmkanal oder am uropoötischen
System abspielen, doch nur ausnahmsweise entzündliche Prozesse der
Gallenblase entwickeln. Jedenfalls wird es notwendig sein, in Zukuntt
möglichst bei allen durch Paratyphus-B-Bazillen beim Menschen hervor¬
gerufenen Krankheitsprozessen den, sei es aus dem Blut, den Fäces oder
gewissen Krankheitsprodukten gezüchteten Erreger experimentell auf seine
eventuell die Gallenwege schädigenden Eigenschaften zu prüfen. In dieser
Hinsicht bringen unsere Untersuchungen ein Novum. Selbst in der aus¬
gezeichneten, alles Wissenswerte über den Paratyphus-B-Bacillus und über
Fleischvergiftungen enthaltenden Monographie von Hübener haben wir
vergebens nach Angaben gesucht, die sich auf mit den unsrigen überein¬
stimmende Erfahrungen betreffs später aufgetretener oder experimentell
erzeugter Entzündungen der Gallenblase durch den Paratyphus-B-Bacillus
beziehen.
Nun dürfen ja freilich beim Tierversuch gewonnene Ergebnisse nicht
ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden. Indes liegen hier
doch die Dinge insofern anders, als gerade die Erfahrungen am Kranken¬
bett, das Auftreten von Gallenblasenentzündungen mit Paratyphusbazillen
als Krankheitserregern, den von uns erhobenen Feststellungen voran¬
gegangen sind. Hier darf also in den auf dem Wege des Experiments
konstatierten Tatsachen eine erwünschte Stütze für die aus klinischem
Material gewonnenen Anschauungen erblickt werden. In den nicht eben
zahlreichen, aus der menschlichen Pathologie bekannt gewordenen Fällen
von Cholezystitis paratyphosa 1 scheinen die Gallenblasen ausnahmslos
1 Nicht za verwechseln hiermit sind die genugsam bekannten Beobachtungen
über Paratyphusbazillen-Ausscheider, bei denen die Ausscheidung der Paratyphus-B-
Bazillen mit den Fäces erklärt wird aus der Anwesenheit jener im Inhalt sonst in¬
takter Gallenblasen (vgl. hierüber Eug. Fraenkel, Über Typhus abdominal, und
seine Beziehungen zu den Gallenwegen. Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie.
Bd. XX. S. 898 ff.
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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Eugen Feaenked und Hans Much:
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Gallensteine beherbergt zu haben, und wir würden also, ähnlich wie für
den echten Typhus, anzunehmen haben, daß unter dem Einfluß einer
vorangegangenen, durch Paratyphus-B-Bazillen verursachten Erkrankung,
welcher Art diese gewesen sein mag, eine Entzündung der Gallenblase
besonders dann auftritt, wenn durch die Anwesenheit von Gallensteinen
eine Disposition dazu geschaffen ist.
Beim Tiere treten auch ohne die Gegenwart von Konkrementen in
der Gallenblase schwere entzündliche Veränderungen in dieser auf. Ob
sich auch beim Menschen, unabhängig von bereits bestehenden Gallen¬
steinen, gewissermaßen primär, ähnlich wie beim Versuchstier, entzünd¬
liche Prozesse in der Gallenblasenwand etablieren können, muß durch
fortgesetzte klinische Beobachtungen eruiert werden. Es ist möglich, daß
ein von Zimmer 2 vorgestellter Fall von Cholezystitis paratyphosa in diesem
Sinne zu deuten ist. Es handelt sich um eine Paratyphusbazillenträgerin,
deren klinischer Befund, die Schmerzen, die vergrößerte Leber, die palpable
Gallenblase, das häufige Erbrechen und das zeitweise, allerdings geringe
Fieber auf eine Infektion der Gallenblase mit Paratyphusbazillen hinwies.
Freilich ist unseres Erachtens die Annahme einer komplizierenden Chole-
lithiasis, auf deren Boden sich erst die Cholezystitis entwickelt hat, nicht
ohne weiteres abzulehnen, und deshalb dürfen als absolut unzweideutiges,
für einen Zusammenhang zwischen Cholezystitis und vorangegangener
Paratyphus-B-Bazilleninfektion sprechendes Material nur durch Autopsie
in vivo oder mortuo gesicherte Beobachtungen verwertet werden. Diesem
Postulat entspricht der bereits oben erwähnte Fall von Lorey. 2 Allerdings
enthielt auch hier die Gallenblase, an der ein erbsengroßes, alle Wand¬
schichten durchsetzendes Geschwür gefunden wurde, 4 erbsengroße Steine.
Lorey führt sowohl die Cholezystitis als auch die Steinbildung auf einen
2 Jahre vorher überstandenen Paratyphus zurück.
Die Erzeugung von Konkrementen beim Tier im Anschluß an die
experimentell erzeugte Gallenblasenentzünduug ist uns bisher nicht ge¬
lungen, schon aus dem Grunde nicht, weil die Tiere die Infektion viel zu
kurze Zeit überlebten. Ob ein derartiges, auch für die menschliche
Pathologie außerordentlich wichtiges, Resultat zu erreichen wäre, wenn es
gelänge, die Infektion so abzuschwächen, daß die Tiere Wochen- und
monatelang am Leben erhalten werden könnten, ist a priori nicht zu ent¬
scheiden. Aber auch so stellen unsere Versuche, wie uns dünkt, einen
gewissen Fortschritt dar gegenüber den von anderen Autoren auf diesem
Gebiet gemachten Bestrebungen. Wir erinnern hier besonders an die
* Zimmer, Ge». für innere Medizin und Kinderheilkunde. 1908. 13 Februar.
2 A. a. 0.
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Über experimentelle Cholezystitis usw.
855
wertvollen Untersuchungen von Ehret und Stolz. 1 Speziell im 3. Teil
dieser Arbeit betonen sie, daß selbst hochvirulente, direkte Infektion der
Gallenblase allein nioht imstande ist, eine primäre, eitrige Cholezystitis
hervorzubringen. Ebensowenig wird eine solche unter normalen Verhält¬
nissen hervorgerufen durch Störung des Gallenabflusses. Es bedarf hierzu
der Infektion unter gleichzeitiger Hemmung oder Störung des Gallen¬
abflusses.
Demgegenüber ist es uns gelungen, ohne jede lokale Einwirkung auf
die Gallenblase, eine schwere eitrige Entzündung zu erzeugen, die sich in
nichts von einer beim Menschen spontan auftretenden unterscheidet. Nun
muß ja allerdings ohne weiteres zugegeben werden, daß man bei der von
uns experimentell erzeugten Cholezystitis nicht wohl von einer primären
Affektion der Gallenblase sprechen darf, daß wir vielmehr eine durch eine
Allgemeininfektion hervorgerufene Erkrankung vor uns haben. Aber
gibt es denn beim Menschen eine, ganz unabhängig von einer solchen ent¬
standene, durch eine die Gallenblase allein und primär treffende Noxe
hervorgerufene eitrige Cholezystitis? Wir wollen dabei von den in Gallen¬
blasen mit Steinen auftretenden Wandentzündungen von vornherein ab-
sehen und haben nur die in sonst völlig gesunden Gallenblasen ent¬
stehenden Entzündungen im Sinne. Hier dürfte wohl, wenn man von
den sicher äußerst seltenen, durch Übergreifen entzündlicher Prozesse von
der Nachbarschaft auf die Gallenblase ausgelösten Erkrankungen absieht,
stets auf eine, unter Umständen Monate und Jahre zurückliegende, ana¬
mnestisch gar nicht immer festzustellende, weil dem Gedächtnis der be¬
treffenden Individuen entschwundene Allgemeininfektion zu rekurrieren sein.
Wir lassen es dabei auch völlig dahingestellt, ob eine isolierte Infektion
der Gallenblase vom Darm aus, eine enterogene Cholezystitis, wie sie früher
als allein in Betracht kommend angenommen wurde, tatsächlich zu recht
besteht.
Auf alle Fälle hat die von uns experimentell hervorgerufene und die
bei den Stallinfektionen unserer Tiere spontan entstandene, eiterige Chole¬
zystitis im anatomischen Befunde die Szene so beherrscht, daß man als
Grundkrankheit immer die schwere Erkrankung der Gallenblase in den
Vordergrund zu stellen und als das den Tod der Tiere verursachende
Organleiden zu bereichnen genötigt war. Als Stütze für diese Auffassung
möchten wir anführen, daß die meist sehr hochgradige Schädigung der
Gallen blasen wand durch Übergreifen des entzündlichen Prozesses auf das
Bauchfell zu einer bald mehr zirkumskripten, bald diffuseren, fibrinösen
1 Ehret u. Stolz, Experimentelle Beiträge zur Lehre von der Cholelithiasis.
Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie . Bd. VIII. Hft. 1 u. 2.
23*
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Eugen Fbaenkel und Hans Much:
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Peritonitis Anlaß gab und daß die in ihren Wandungen eiterig oder
hämorrhagisch-eiterig infiltrierte, mit ähnlichem Inhalt erfüllte Gallenblase
ein, wie man sich schon an mikroskopischen Schnitten überzeugen konnte,
gewaltiges Bazillenreservoir darstellte, das andauernd Bazillen, nicht nur
in den Darm, sondern, was wir für besonders wichtig halten, auch in die
Blutbabn abgbit Es ist uns in allen Fällen, in denen wir darauf
untersucht haben, gelungen, den Krankheitserreger bei dem Tode der
Tiere in der Blutbahn kulturell nachzuweisen und damit festzustellen, daß
eine Allgemeininfektion vorliegt.
Nun würde es ja bei einer, die Krankheitserreger direkt in die Blut¬
bahn einführenden Versuchsanordnung, d. h. bei intravenöser Einverleibung,
durchaus natürlich — wenn auch keineswegs absolut notwendig — sein,
daß man bei den der Infektion erlegenen Tieren die Bakterien im Blut
wiederfindet. Aber wir haben darauf hingewiesen, daß sich auch bei
artefizieller Verfütterung und bei Aufnahme der Bazillen per os, wie sie
bei der spontan erfolgenden Stallinfektion vor sich geht, diese in der
Gallenblase ansiedeln, ohne eine makroskopisch erkenubare Erkrankung
des Darmes bewirkt zu haben.
Wenn man dann die Krankheitserreger aus dem Blute, und zwar in
großen Mengen, zn züchten vermag, dann scheint es keineswegs gezwungen
auzunehmen, daß sie erst sekundär von der erkrankten Gallenblase aus
in das Blut eingeschwemmt worden sind.
Leider lassen sich beiin Tier bestimmte diagnostische Merkmale, aus
denen der Beginn der eiterigen Cholezystitis erkennbar wäre, nicht auf¬
stellen. In dieser Hinsicht liegen die Verhältnisse beim Menschen wesent¬
lich günstiger, und infolgedessen ist auch die Richtung, in der sich das
therapeutische Handeln zu bewegen hat, vorgezeichnet. Man hat selbst¬
verständlich die Verpflichtung, den Krankheitsherd freizulegen uhd von
dem lokalen Befund das weitere Vorgehen, ob Cholezystostomie, Gallen¬
blasenexstirpation, Hepaticus-Drainage usw. abhängig zu machen. Wir be¬
halten uns vor, bei den Versuchstieren zu prüfen, ob es möglich sein wird,
durch Entfernung der erkrankten Gallenblase und die damit bewerk¬
stelligte Eliminierung des, dauernd Krankheitserreger in die Säftemasse
abgebenden, Bakterienbehälters das Leben der Tiere zu verlängern bzw.
zu erhalten und damit experimentelle Grundlagen für das schon jetzt vor¬
gezeichnete chirurgische Handeln bei der eitrigen Cholezystitis des Menschen
zu schaffen.
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Über experimentelle Cholezystitis üsw.
857 •
III.
Das biologische Verhalten des Gallenbacillus.
Von Siegfried Starke.
Zur Identifizierung des Gallenbacilltis auf serologischem Wege war
ee nach seinem bakteriologischen Verhalten naheliegend, zunächst Ver¬
suche mit den für einen Paratyphus in Betracht kommenden diagnostischen
Methoden anzustellen. So wurden als erstes Agglutinations- und
Präzipitationsprüfungen mit einem Paratyphusserum, und zwar
vom Typus B, angesetzt Zur Kontrolle dienten ein Paratyphus-B-Stamm
sowie ein Typhusstamm, die beide Laboratorinmskulturen entnommen
waren. Außerdem wurden die Resultate noch durch einen Agglutinations¬
versuch mit Typhusserum kontrolliert. Es wurden 24 Stunden alte
Aggarkulturen benutzt. Die Agglutination wurde nach 2 Stunden ab¬
gelesen und zeigte makroskopisch folgendes Bild:
o
o
s
j
s
IO
o
o
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o*
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©
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Paratyphns-
sernm B
(Titer 1:6000)
+ Gallenbac.
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + 4-
+++
+ + +
+
~"~i
Paratypbus-
serum B
-f Bact. para-
typhi B
0
0
+ +
i
+ + +
+ + +
+
0
0
Typhusgerum
(Titer 1:50000)
+ Gallenbac. |
| 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Typhusserum .
+ JBact. typhi
+
+ ++I
+++
+ + +
+++
+ 4-4-
+ + +
+
+
Nach diesen eindeutigen Resultaten dürfte der Gallenbacillus bereits
zur Genüge als ein Vertreter der Paratyphus-B-Gruppe charakterisiert sein.
Was die Präzipitation anbetrifft, so sei erwähnt, daß hierzu in
Dimethylamin aufgelöste Bazillenkulturen verwendet wurden. Diese
Bazillenauflösungen wurden hergestellt, indem von den einzelnen Kulturen
etwa 20 Platinösen möglichst fein in lO ccm physiologischer Kochsalz¬
lösung verrieben und diesen Bazillenemulsionen soviel Zehntel-Kubik¬
zentimeter einer 33 prozentigen Dimethylaminlösung zugegeben wurden,
daß 1 prozentige Lösungen resultierten. Diese wurden bis zur voll¬
ständigen Auflösung der Bazillen — die bereits nach wenigen Stunden
eintrat — bei 56° belassen. Der Präzipitationsversuch wurde pro
Röhrchen mit 0 • 9 ccra der vorher noch auf 1:10 verdünnten Bazillen-
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358 Eugen Fbaenkel und Hans Much:
lösungen + 0 • 1 ccm der präzipitierenden Seren in den verschiedenen Ver¬
dünnungen angesetzt.
Gallenbazillen aufgelöst 0-9 ccm + 0*1 ocm Paratyphus-B-Serum in den
Verdünnungen 1:10 bis 1:600.
Paratyphus-B-Bazillen aufgelöst 0*9 **“ + 0»1 ccm Paratyphus-B-Serum
in den Verdünnungen 1:10 bis 1:600.
Typhusbazillen aufgelöst 0*9 com + 0* 1 oc “ Typhusserum in den Ver¬
dünnungen 1:10 bis 1:5000.
Innerhalb der ersten halben Stunde konnte keine deutliche Präzipitation
beobachtet werden, erst nach 24 Stunden war eine solche allerdings nur
teilweise angedeutet, so daß dieser Versuch zur Sicherung der Diagnose
nur wenig beitragen konnte. Jedenfalls genügen aber die eindeutigen
Resultate der Agglutination allein um den Gallenbacillus der Paratyphus¬
gruppe zuzuweisen.
Nachdem somit die Präzipitationsproben nicht zu einer Sicherung der
Agglutinationsresultate beigetragen hatten, geschah eine weitere Veri¬
fizierung der auf Paratyphus gestellten Diagnose mit der Komplement¬
bindungsmethode. Der Bacillus wurde auch hier wieder mit Para¬
typhusserum geprüft und mit Paratyphus- und Typhusbazillen kontrolliert.
Der Versuch wurde mit etwa 3 Tage alten Bazillenemulsionen
(10 Ösen auf 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung) angesetzt, die durch
Chloroformzusatz (0* 1 ccm auf 10 ccm ) sterilisiert worden waren. Das Chloro¬
form erwies sich als Abtötungsmittel bei diesen Versuchen praktischer als
das sonst allgemein angewandte Karbol, da man bei dieser Methode des
Sterilisierens stets vor Ansetzen des Versuches imstande ist, das Desinfiziens
durch Erwärmen auf 37 0 wieder vollständig verdunsten zu lassen und somit
keine eventuell störenden Nebenwirkungen zu befürchten hat. Die Emul¬
sionen wurden — nachdem das Chloroform verflüchtigt worden war — in
den Dosen von 1*0 bis 0*1 austitriert und die Hälfte der eben noch
lösenden Dosis als Testdosis verwendet. Sämtliche Bazillenemulsionen
zeigten in der Dosis 1*0 keine Selbsthemmung, so daß für jede der Titer
0-5 angenommen wurde. Der Komplementbiuduugsversuch selbst wurde
in folgender Weise angesetzt: Je 0-5 ccm Bazillenemulsion wurde mit
physiologischer Kochsalzlösung auf 1 ccm aufgefüllt, dann 1 ocm des be¬
treffenden Immunserums in der Verdünnung 1:100 sowie l ccm eines 1:10
verdünnten Meerschweinchenkomplements zugegeben. Nach lstündigem
Belassen bei 57° wurde Ambozeptor und die dazu gehörige Hammel¬
erythrozyten-Aufschwemmung in der für die Wassermannsche Reaktion
üblichen Form zugesetzt und das Resultat nach weiterem lstündigem Ver¬
weilen im Brutofen abgelesen. Die Resultate waren folgende:
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Über experimentelle Cholezystitis usw.
359
Paratyphus-B-Serum + Gallenbazillen = starke Hämolysenhemmung
Paratyphus-B-Serum + Bac. paratyphi B = „ „
Typhus-Sernm + Bac. typhi = „ „
Typhus-Serum + Gallenbazillen = Hämolyse.
Auch die 10-fach verdünnte Testdosis dieser Bazillenemulsionen ergab
noch Ausschläge in derselben Stärke wie mit der Dosis 0*5. Die Immunseren,
in der doppelten Dosis ohne Bazillenemulsion angewandt, ergaben keine
Hemmungen der Hämolyse. Somit ist auch dieser Komplementbindungs-
versuch als eine weitere Bestätigung unserer Diagnose zu betrachten und
der Gallenbacillus zur Genüge auch auf serologischem Gebiete, als zur
Gruppe des Paratyphus-B gehörig, charakterisiert. —
Ich stellte nun mit diesem Gallenbacillus auf Anregung von Hm. Much
auch verschiedene andere Versuche an, die ich im folgenden kurz mitteilen
möchte, da sie noch einiges Interessante über das biologische Verhalten
des Bacillus bieten.
So prüfte ich zunächst sein Verhalten gegenüber Pferdeserum und
-plasma. Much hatte seinerzeit gezeigt, daß durch diese Medien die
einzelnen Bakterienarten in ganz verschiedener Weise beeinflußt werden:
daß z. B. Streptokokken und Pneumokokken im leukozytenhaltigen so¬
wohl als auch im leukozytenfreien Plasma kräftig abgetötet werden und
im Serum üppig gedeihen; daß hingegen Typhusbazillen gerade am
stärksten vom Serum abgetötet werden. Dieses Verhalten von Plasma
und Serum ist dann durch zahlreiche Nachprüfungen immer und immer
wieder bestätigt worden. Was nun das Verhalten des Bac. paratyphi B
gegenüber Serum- und Plasmastoffen anbetrifft, so konnte Hoessli an
einer größeren Reihe von Versuchen nachweisen, daß dieser Bacillus in
seinem Wachstum durch Pferdeplasma nicht beeinflußt jedoch durch Serum
stark abgetötet wurde.
I
Ich habe meine Versuche ebenfalls mit Serum und Plasma vom
Pferde angestellt und zwar wurde das Plasma in der üblichen Weise
durch Auffangen des Blutes in Natr. citric. gewonnen und als leukozyten¬
haltiges (L-Plasma) und zentrifugiertes leukozytenfreies Plasma (Plasma)
verwendet. In die drei Blutflüssigkeiten — Serum, Plasma, L-Plasma —
wurden Gallenbazillen eingesät. Die Einsaat entstammte einer sehr stark
verdünnten Bazillenaufschwemmung in Bouillon und zwar wurden davon
0-1 ccm pro 1 ccm Blutflüssigkeit zugesetzt. Die Röhrchen wurden bis zu
5 Stunden bei 37 0 und von da ab bei Zimmertemperatur belassen. Nach
1, 5 und 24 Stunden erfolgte die Entnahme der Proben von 0*l“ m , die
mit Drygalski-Conradi-Agar zu Platten gegossen wurden. Die Anzahl der
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
860
Eugen Fbaenked und Hans Much:
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nach 24 Stunden bei 37° aufgegangenen Kolonien wurde mit der Zahl der
eingesäten Keime verglichen. Dabei ergaben sich folgende Resultate.
|| 1 Stunde
5 Stunden
24 Stunden
Serum.
0
0
0
Plasma.
—
00
IrPlasma.
! —
+
00
0 = vollkommene Abtötung + Wachstumszunahme.
— = geringe „ OC unzählige Keime.
Also auch hier ein gleiches Verhalten des Bacillus wie bei den von
Hoessli untersuchten Stämmen von Paratyphus B: Eine starke Abtötung
im Serum, Wachstum im Plasma. Die in der Tabelle angedeutete geringe
Abnahme in den Plasmastoffen erklärt sich durch die Wirkung der ja
auch im Plasma — allerdings nur in geringeren Mengen vorhandenen
Serumstoffe. Nach 5 Stunden findet sich auch hier — wie in den früheren
Versuchen von Hoessli — ebenfalls eine Wachstumszunahme. —
Ferner habe ich mit diesem Gallenbacillus verschiedene Immuni¬
sierungsversuche angesetzt. Zunächst sei erwähnt, daß sich der
Bacillus außer für Meerschweinchen nach den bisherigen Versuchen auch
noch für Kaninchen und Mäuse als pathogen erwies. Doch habe ich zu
meinen Versuchen fast ausschließlich Meerschweinchen verwendet. Für
diese genügte — wie folgende Tabelle zeigt — noch eine Dosis von
Viooooo Öse Bacillus um das Tier zu töten.
r
Meerschweinchen
Infektion j;
End-
Bazillen-
Nr.
Gewicht
in grm
i
am
| mit P
Gallenbacillus
t am
Gewicht
befund
856
420 !
6. X.
Vio
10. X.
300 |
positiv
857
400
6.X.
i/
MOOü *•
10. X.
260
„
860
320
10. X.
ii ;!
/ 10000 ••
14. X.
270
859
440 |
10. X.
Viooooo ••
15. X.
330
Daraus geht hervor, daß es sich hier um einen Bacillus handelt, der
selbst in den geringsten Dosen noch letal wirkt, um einen Bacillus für
den sich eine untertödliche Dosis nicht feststellen ließ. — Für die obige
und die folgenden Tabellen sei bemerkt, daß die Injektion stets intra-
peritoneal erfolgte, und daß im Anschlüsse an die Sektion der Tiere
stets der Bazillenbefund sowohl im Abdomen als in der mit Eiter ge¬
füllten Gallenblase mikroskopisch oder kulturell kontrolliert wurde. —
Zur Erzielung einer Schutzwirkung des Meerschweinchenkörpers gegen
diesen Bacillus wurden Versuche auf folgende Weisen angestellt: 1. auf
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
ÜBEB EXPERIMENTELLE CHOLEZYSTITIS USW.
861
dem Wege aktiver Immunisierung und 2. mit Immunserum (Serum einiger
mit Gallenbacillus vorbehandelter Tiere). Die aktive Immunisierung wurde
versucht mit Bazillenkulturen, die entweder durch Karbol oder durch
Hitze abgetötet waren, ferner mit Bazillenauflösungen in 1 prozentigern
Dimethylamin (Dimethylaminendotoxine) mit Bouillon- und Peptonwasser¬
kulturfiltraten, endlich mit Aggressinen.
Es ist selbstverständlich, daß bei den Immunisierungsversuchen eine
Immunisierung mit lebendem Bazillenmaterial nicht in Betracht kam, da
ja eine untertödliche Dosis des Virus existiert. So wurden also zunächst
abgetötete Bazillen zu den Versuchen verwendet: 1 Öse einer Agarkultur
wurde in 10 com sterilen Wassers verrieben und dieses mit 5 Prozent
Phenol versetzt. Eine gleiche Bazillenemulsion wurde durch ein zwei¬
maliges je lstündiges Erhitzen auf 60° abgetötet. Die verwendeten ab¬
getöteten Emulsionen waren etwa 24 Stunden alt und wurden vor der
Injektion auf Agar ausgestrichen, wobei sie sich als steril erwiesen. Jedes
Tier erhielt eine einmalige Injektion von 2°° m intraperitoneal. Die nach¬
trägliche Infektion mit einer tödlichen Dosis Bazillen und zwar 1 / 1000 Öse
erfolgte etwa 1 Woche später.
Meerschweinchen 1
Vorbehandelt
I
Infektion
t am
Bazillen-
Nr. |
Gewicht ,
in grm
am
mit
| am
mit
Gallenbacillus
befand
861
370
112. X.
karbolisierter
Bazillenkultur
19. X.
j Viooo ^ se
1 22. XI.
positiv
865 J
| 390
12. X.
hitzeabgetöteten
Bazillen
19. X.
j /1000 »*
lebt
892 ,
280
12. X.
—
19.X.
VlOCO ** .
: 26. X.
>•
893
300
i
12. X.
—
19. X.
1 / i
/1000 »
|26. X.
»*
Die Tabelle läßt die Möglichkeit einer Immunisierung mit abgetöteteu
Bazillen eklatant erkennen. Während eine Injektion von ’/iooo Öse wie
auch aus der ersten Tabelle ersichtlich ist, ohne Vorbehandlung bereits
innerhalb weniger Tage tödlich verläuft, so gelang es hier schon durch
eine einmalige Vorbehandlung, die Tiere bis zu einem Monat und
dauernd am Leben zu erhalten.
Im Anschlüsse hieran machte ich Versuche, mit Bakterienendotoxinen
zu immunisieren. Derartige Endotoxine versuchte ich auf verschiedenen
Wegen herzustellen. Ich bereitete mir zunächst auf Vorschlag von Much
Bazillenauflösungen in Dimethylamin: Eine größere Anzahl von Ösen
wurden in 10 ccm sterilen Wassers gut verrieben und dieser Emulsion so
viel Dimethylamin zugesetzt, daß eine 1 prozentige Lösung resultierte.
Um mich von der bakteriolytischen Wirkung des Dimethylamins zu über-
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
362
Eugen Fbaenkel und Hans Much:
zeugen und um gleichzeitig die günstigsten Verhältnisse für eine der*
artige Auflösung zu ermitteln, benötigte ich eines Vorversuchs, der darin
bestand, daß Bazillenemulsionen von 2 und 20 Ösen pro I0 ccm 1 prozentigen
Dimethylamins, die 24 Stunden bei Zimmertemperatur und bei 56° be¬
lassen worden waren, unter dem Mikroskop miteinander verglichen wurden.
Die makroskopisch vollkommen klar erscheinenden Bazillenauflösungen
wurden zentrifugiert und das Zentrifugat als gefärbtes Ausstrichpräparat
untersucht. Zur Kontrolle wurden gleichstarke Emulsionen mit Aqua dest.
hergestellt und unter den gleichen Bedingungen belassen. Die Wirkung
des Dimethylamins bei Zimmertemperatur war in den mikroskopischen
Präparaten nur wenig zu erkennen: Die aus 20 Ösen bestehende Emulsion
zeigte noch vollkommen gut erhaltene, mit Methylenblau allerdings
etwas blaß gefärbte Stäbchen. Die schwächere Emulsion von 2 Ösen war
hingegen bedeutend stärker beeinflußt worden, doch war auch hier noch
keine vollständige Auflösung der Bazillen erkenntlich. Zwischen zahl¬
reichen noch gut erhaltenen Bazillen lagen mäßige Mengen von rötlich
gefärbtem Bazillendetritus. Unter der Wirkung von 56° war eine
vollständige Auflösung der Bazillen selbst in der Emulsion von
20 Ösen nachweisbar. Die mit sterilem Wasser angesetzten Kontrollen
zeigten vollkommen intakte und gut gefärbte Bazillen. Sie waren frei von
Detritus. Spätere Versuche ergaben dann noch, daß 10. ccm einer 1 pro¬
zentigen Dimethylaminlösung unter Wirkung von 56° Bazillenemulsioneu
bis zu 40 Ösen in wenigen Stunden zu lösen vermochten. Makroskopisch
erwiesen sich die Lösungen vollkommen klar und gaben mikroskopisch stets
einen negativen Bazillenbefund. Der Einfachheit halber möchte ich die
auf diese Weise hergestellten Endotoxine im folgenden als Dimethylamin¬
endotoxine bezeichnen. Es ist klar, daß wir bei einer derartigen voll¬
ständigen Auflösung sämtliche in den Bazillen enthaltene Substanzen in
Lösung haben. Meist verwendete ich Auflösungen von 20 oder 40 Ösen.
Die den Tieren intraperitoneal injizierte Dosis von 2 0em wurde auch bei
den stärksten Lösungen von 40 Ösen pro 10 ccm Aqua dest. — d. h. also
einer Lösung von 8 Ösen pro Meerschweinchen — stets gut vertragen.
Anfänglich wurden einige Injektionen von neutralisiertem Dimethylamin¬
endotoxin vorgenommen, um die Wirkung des Dimethylamins als Alkali
zu beseitigen. Die Neutralisation geschah mit n/10 H 2 S0 4 , doch ergaben
Versuche mit nichtneutralisiertem Injektionsmaterial, daß die Tiere diese
Injektion ohne irgendwelche Schädigung vertrugen. Somit wurde bei den
weiteren Versuchen von einem Neutralisieren Abstand genommen.
Folgende Tabelle diene zur Orientierung über das Verhalten der einmal
mit Dimethylaminendotoxin vorbehandelten Tiere gegenüber einer nach¬
träglichen Infektion von 1 l looo Öse Gallenbazillen.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Übbb experimentelle Cholezystitis üsw.
363
Meerschweinchen
Vorbehand eit
1 Infektion
f am
Bazillen-
Nr.
Gewicht
in grm
| am
mit
am
mit
Gallenbacillus
befund
869
300
1
18. X.
1
Dimethyl-
endotoxin 2 00,1
19.X.
Viooo
lebt
870
350
13. X.
desgl.
19. X.
24. X.
positiv
892
280
—
—
19. X.
yy
26.X.
893
300
—
—
19. X.
,,
'26.X.
,,
903
300 (
i
27. X.
Dimethyl-
' endotoxin 2 ccm
| (neutralisiert)
4. XL
1
y*
14. XI.
1 j
* •
878
300
17.X.
desgl.
4. XI.
yy
12. XI.
..
871
320
13.X.
4. XI.!
7. XI.
.,
9()2
330
—
—
4. XI
9. XI.
Diese Resultate sind zu wenig eindeutig, als daß sich daraus ein ein¬
heitlicher Schluß ziehen ließe: Daß eine Immunisierung mit Dimethyl¬
aminendotoxin eventuell möglich ist, läßt Tier 869 erkennen. Daß es aber
nicht leicht ist, mit diesen Substanzen zu immunisieren, dafür sprechen die
übrigen Resultate. Das einzige, was hier bemerkenswert wäre, ist die Tat¬
sache, daß die Tiere die Vorbehandlung gut vertrugen. Eine derartige
Vorbehandlung ist nicht immer ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen.
So starben mir z. B. bei einem Versuch, mit Bouillon- und Peptonwasser-
kulturfiltrateu vorzubehandeln, die Tiere bereits wenige Tage nach der
Injektion dieses nachgewiesenermaßen vollkommen bakterienfreien Materials,
ehe noch eine nachträgliche Infektion gesetzt wurde. Folgende tabellarische
Zusammenstellung mag die Verhältnisse schildern, wie sie bei diesem Ver¬
such lagen:
Verwendet wurden etwa 3 Tage alte Bouillon- und Peptonwasser¬
kulturen die vor der Injektion mit Karbolglyzerin sterilisiert und klar¬
zentrifugiert wurden. Die ■ Dosis für jede intraperitoneale Injektion
betrug 2 ccra .
Meerschweinchen
Vo
rbehandelt
1 ”'
Gallen-
Nr. ]
Gewicht
in grm
i am J
mit
! t ara
1
!
Bazillenbefund
866 j
330
12. X. •
karbolis. Bouillon¬
kulturfiltrat
13. X.
negativ
862 j
340
12. X.
desgl.
lebt
am 19. X. zu weiteren
Versuchen verwendet
876
350
1
14. X.
1
1
»»
22. XII.
negativ, etwa 300 cc “ Exsudat
in der Bauchhöhle
867
400
12. X.
karbolis. Penton-
wasserkulturnltrat
13.X.
negativ
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
364
Eugen Fbaenkelj und Hans Much:
Tier 862 wurde am 7. Tage nach der Vorbehandlung mit \ ! 1000 Öse
Gallenbazillen infiziert und starb 2 Tage nach dieser Infektion. Der
pathologisch-anatomische sowie der bakteriologische Befand war vollkommen
negativ, so daß hier als Todesursache entweder eine reine Giftwirkung der
Endotoxine oder eiue Überempfindlichkeit des Tieres in Betracht kommen
könnte. Tier 866 und 867 wurden bereits 18 Stunden nach der In¬
jektion der Kulturfiltrate tot aufgefunden. Beide zeigten bei der Sektion
keinen pathologischen Befund, der auf eine Spontaninfektion oder eine un¬
genügende Sterilisierung der Injektionspräparate hätte schließen lassen
können. Auch der bakteriologische Nachweis ergab — wie aus der
Tabelle ersichtlich ist — ein vollkommen negatives Resultat. Hier muß
also eine reine Giftwirkung der Kulturfiltrate angenommen werden.
Da diese beiden Immunisierungsversuche so wenig brauchbare Resultate
geliefert hatten, wurde von einer weiteren Behandlung mit derartigen
künstlich hergestellten Bakterienauflösungen oder Endotoxinen (?) ab¬
gesehen und an ihrer Stelle Exsudate von Tieren, die einer Infektion mit
Gallenbazillen erlegen waren, angewandt Die Exsudate wurden bei Meer¬
schweinchen durch eine intraperitoneale Injektion von großen Mengen der
Gallenbazillen in etwa 3 ccm sterilen Aqua dest. hervorgerufen. Die Tiere
erlagen der Infektion gewöhnlich innerhalb der ersten 24 Stunden. Das
Exsudat wurde unter Zusatz von Natrium citricum aus der Bauchhöhle
aufgefangen. Die Tiere reagierten meist, aber doch nicht konstant, mit einer
Exsudatbildung, und die verwertbaren Mengen waren sehr verschieden,
sie schwankten gewöhnlich zwischen 2 und 10 com . Aus diesen Exsudaten
wurden die zur Vorbehandlung verwendeten Flüssigkeiten folgendermaßen
hergestellt: Sie wurden zunächst durch Zusatz von Karbolglyzerin auf
5 Prozent Phenol gebracht, dann nach etwa 24 Stunden klarzentrifugiert,
die obenstehende Flüssigkeit abpipettiert und auf ihre Sterilität geprüft.
Bei späteren Versuchen wurde auch hier die oben bereits erwähnte Chloro¬
formbehandlung an Stelle des Karbols verwendet, so daß die Tiere mit einem
Material injiziert werden konnten, das vollkommen steril, aber frei vou
jedem Desiufiziens war. Die so gewonnenen Aggressine wurden möglichst
frisch benutzt. Der Verlauf dieses Immunisierungsversuches war folgender:
Meerschweinchen
| Vo
rbehandelt
| Infektion
Bazillen*
Nr.
Gewicht
in grm
am j
mit
j'
1; am
mit
Gallenbacillus
f am
i. '
befand
884
320
19. x. :
Aggressin 1*0
ccm
26. X.
Viooo
14. XI.
positiv
887
280
19. X. 1
„ 0.1
26. X.
V
7. XL
910
800
—
—
26. X.
30. X.
M
885
! 800
19. X.
Aggressin 0*5
ccm
4. XI.
i
12. XI.
886
280
19. X.
„ 0-25
if
4. XI.
i »*
lebt
902
330
1
—
4-XI.
1
)>
| 9. XI.
Übeb experimentelle Cholezystitis usw.
365
Eine immunisierende Wirkung des Aggressins ist in diesen beiden
Versuchen deutlich ausgesprochen. In beiden Fällen starben die Kontrolle
tiere früher als die mit Aggressin vorbehandelten. Über weitere Versuche
mit diesen Aggressinen beabsichtige ich in einer späteren Arbeit zu
berichten, da sie nicht im Sinne einer Immunisierung sondern einer
Infektionsbeforderung angestellt wurden.—
Hier möchte ich noch über Ergebnisse berichten, die mit einer
passiven Immunisierung erzielt wurden. Dasimmunserum stammte von
Meerschweinchen, die mit Aggressin vorbehandelt und nachträglich mit
Gallenbazillen infiziert waren. Acht Tage nach der Infektion wurden die
Tiere getötet, das Blut wurde steril aufgefangen, und das sich absetzende
Serum injiziert. Die Versuchstiere waren mit Gallenbazillen vorbehandelt
und erhielten je 2 06,0 Immunserum intraperitoneal.
Meerschweinchen
xr | Gewicht
* 1 in grm
Infektion
__ 1 mit
am | Gallenbacillus
Behandelt
t am
am mit
Bazillen¬
befund
939
940
942
943
944
945
420
330
370
290
240
270
11. XI.
11. XI.
12. XI.
12. XI.
13. XI.
13. XI.
Viooo Öse
;;
i»
14. XI.
14. XI.
14. XI.
14. XI.
14. XI.
Immunserum 2 cc “ 18. XI.
21. XI.
21. XI.
- 18. XI.
Immunserum 2 cc “ 18. XI.
„ 21. XI.
positiv
V
7»
7»
Diese Tabelle zeigt, daß es bei einem schon infizierten Tiere durch
eine nachträgliche Injektion eines Immunserums doch noch gelang, den
tödlichen Ausgang der Infektion um einige Tage zu verzögern, selbst in
den Fällen, wo die Einspritzung erst am dritten Tage nach der Infektion
erfolgte und in denen anzunehmen war, daß durch die Infektion bereits
eine wesentliche Schädigung des Organismus eingetreten war. Bei einer
gleichzeitig mit einer Infektion vorgenommenen Immunisierung blieben
die Tiere noch etwa 14 Tage am Leben.
Meerschweinchen
Infektion
Bazillen-
Nr.
Gewicht
_ 1 mit Gallenbacillus + Imraun- i t am
am
befund
m grm
1 serum
953
230 j
16. XI. Vuoo Öse Bac. + Immunserum 1*0 28. XI.
positiv
954
210 1
16. XI.! + .. 0-1 i| 29. XI. |
7 »
Der letale Ausgang konnte also hierbei noch länger verzögert werden
als im vorigen Versuch mit einer erst nachträglich erfolgten Immunserum¬
behandlung.
Die Wirkung dieses Immunserums im Tierkörper wurde auch im
Pfeifferschen Versuch beobachtet, der in folgender Weise angesetzt
wurde. Es erhielt
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366
Eugen Fbaenkel und Hans Much:
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Tier I 0*5 ccm Immunserum + l ocm physiologische NaCl + l / 10 Öse
Gallenbazillen in 1 ccm Bouillon intraperitoneal.
Tier II 0-5 ccm Normal-Meerschweinchenserum + 1 00,11 physiologische
NaCl + V, 0 Öse Gallenbaz. in 1 ®° m Bouillon intraperitoneal.
Tier III 0-5 oom Normal-Meerschweinchenserum + 1.5®°“ physiologische
NaCl + Vio Öse Gallenbaz. in 1 oom Bouillon intraperitoneal.
Die Entnahme des Exsudates aus der Bauchhöhle erfolgte 10 Minuten,
V 3 und 1 Stunde nach der Injektion. Die Beobachtung geschah direkt
im hängenden Tropfen und im gefärbten Präparat. Das Ergebnis war
folgendes:
! nach 10 Min.
nach l /j Stde. |
nach 1 Stde. i
Ausgang
Tier I
(Immunserum)
I
1 Vollständige
Auflösung der
Bazillen, keine
| Granula
Vollständige
Auflösung der
Bazillen, keine
Granula
Vollständige
Auflösung der
Bazillen, keine
Granula
tot nach
7 Tagen
Tier II
(Normalserum)
Bewegliche in-
, takte Bazillen
Viele beweg¬
liche intakte
Bazillen
Sehr viele be¬
wegliche intakte
Bazillen
nach 18 Stdn.
tot aufgefunden
Tier III
(kein Serum)
Bewegliche in¬
takte Bazillen
Viele beweg¬
liche intakte
| Bazillen
Sehr viele be¬
wegliche intakte
Bazillen
nach 18 Stdn.
tot aufgefunden
1
Die mit Methylenblau gefärbten Präparate zeigten dasselbe Verhalten.
Während also in dem Peritonealexsudat der beiden nicht mit Immun¬
serum behandelten Versuchstiere die Bazillen ihre Form und Beweglichkeit
beibehielten und immer zahlreicher wurden, bis die Tiere schließlich der
Infektion erlagen, setzte in dem Peritonealexsudat des mit einer Mischung
von Gallenbazillen uud Immunserum behandelten Tieres eine deutlich zu
erkennende Vernichtung der Bazillen ein, die schon nach 10 Minuten
ziemlich ausgesprochen war. Diese so früh einsetzende Bakteriolyse kenn¬
zeichnet das Serum als ein bakteriolytisch sehr stark wirkendes. —
Ganz kurz erwähnen möchte ich noch einige Versuche, bei denen die
Tiere sowohl mit Aggressin als auch mit Dimethylaminendotoxin oder
karbolisierten Bouillonkulturfiltraten vorbehandelt waren. Diese Endo¬
toxine waren seinerzeit gleichzeitig mit Aggressinen eingespritzt worden.
Zwei Tiere starben bereits wenige Tage nach der Injektion. Gallenbazillen
ließen sich weder mikroskopisch noch kulturell in den Gallenblasen nach-
weisen. Die überlebenden Tiere wurden nachträglich mit Viooo Öse infiziert
und waren also sozusagen gegen diese Infektion in doppelter Weise vor¬
behandelt.
Gck igle
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Cbeb experimentelle Cholezystitis usw.
367
Meerschw.
Nr. \£V!L
in grm
am
o r b
e h a n d e 1 t
j
mit
Infektion
am | mit
t am
Bazillen¬
befund
904
310
| :27.x.
Dimethylaminendotoxin 1*0
—
—
21. XI.
negativ
906
280
jl 27. X.
„ 2-0
—
—
4. XI.
>*
908
260
. 26. X.
karbol. Bonillonkulturfiltr. 1*0
-
28. X.
905
| 880
27.X.
' 27. X.
a.s
* H
2*0 4- Aggressin 0*5
4. XI.
V 1000 ^ se
12. XI.
positiv
907
280
1*0+ 0*5
4. XI.
7. XI.
j’
908
300
27.X.
Xi o
2*0 -
4. XI.
«»
14. XI.
1
878
300
17.X.
a 5
2-0
4. XI.
M
12. XI.
i »
871
320
13. X.
Q
2-0 —
4. XI.
1«
7. XI.
1 -
909
280
26. X.
karbolis. Bouillonkultur 1*0
+ Aggressin 0*5
4. XI.
•’
' 24. XI.
885
300
19. X.
-
Aggressin 0*5
4. XI.
1»
12. XI.
•1
902
330
—
-
—
4. XI.
1 yy
9. XI.
1
Auch
hier ist wieder das Resultat zu
bunt als daß sich einheitliche
Schlüsse daraus ziehen ließen. Ein deutlicher Unterschied in der Wirkung
von Dimetbylaminendotoxin oder Aggressin allein und einer Wirkung von
bei ten zusammen ist in der Tabelle nicht zu erkennen. —
Fasse ich die Ergebnisse meiner Versuche, gegen den Gallenbacillus
eine Schutzwirkung des Meerschweinchenkörpers hervorzurufen, kurz zu¬
sammen, so hat sich zunächst gezeigt, daß diesem Gallenbacillus eine ge¬
waltige Infektionskraft zukommt. Dagegen mit Hilfe von toten oder
lebenden Bazillen zu immunisieren, ist stets mit großen Schwierigkeiten
verbunden, oft direkt unmöglich. Die Anwendung von lebenden Ba¬
zillen mußte hierbei vollkommen ausscheiden, da sich eine untertödliche
Dosis nicht ermitteln ließ und die Tiere infolgedessen schon bei der Vor¬
behandlung der Infektion erlegen wären. Die Immunisierung mit ab¬
getöteten Bazillen hat hier sowohl bei den hitzeabgetöteten wie karbolisierten
Kulturen gute Resultate geliefert — soweit diese beiden Versuche zu
Schlüssen berechtigen.
Bedeutend schlechter verliefen die Versuche, bei denen Dimethylamin¬
auflösungen und Kulturfiltrate angewendet wurden. Die ersteren erwiesen
sich zwar bei der Vorbehandlung bedeutend besser als die Kulturfiltrate,
bei denen die Mehrzahl der Tiere schon nach wenigen Tagen zugrunde
gingen, doch war bei ihnen eine Schutzwirkung für die nachfolgende In¬
fektion nur einmal zu erkennen. Diese Injektionen haben stets den
Nachteil, daß die bakteriellen Giftsubstanzen, die leicht eine Schädigung
des Organismus, wie Nekrose und Marasmus herbeiführen können, in ver¬
hältnismäßig großen Mengen eingespritzt werden, und daß die zur Immuni-
tätsauslösung nötigen Stoffe der Bakterienleiber eventutll durch Vorbehand¬
lung wie Erhitzen usw. bereits geschädigt sind.
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Ecges Fraexkeu cxd Hans Much:
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36S
Insofern erweist sich eine Immunisierung mit Aggressin stets bedeutend
vorteilhafter und zwar liegt der Vorteil darin, daß mit dem meist un¬
einigen oder wenigstens nur äußerst wenig toxischen Aggressin eine
Flüssigkeit in den Tierkörper gelangt, die die zur Hervorrufung der Anti¬
körper nötigen Steife der Bakterienleiber ohne eine vorherige Schädigung
in einer sofort resorbierbaren Form enthält. Die Injektion dieser Aggressine
wird fast stets gut vertragen. Die von mir mit Aggressinen angestellten
Versuche zeigen nun ebenfalls deutlich, daß es auf diese Weise verhältnis¬
mäßig leicht gelingt eine Immunität zu erzielen. Die passive Immuni¬
sierung — mit Immunserum — steht diesen Resultaten hier nicht viel
nach, wenn man berücksichtigt, daß selbst 3 Tage nach der Infektion —
wodurch also der Tierkörper bei der hohen Virulenz der Gallenbazülen
schon erheblich geschädigt war — eine Injektion von Immunserum das
Leben des Tieres — wenn auch nur um wenige Tage — zu verlängern
vermochte.
Es gelang also annähernd in gleicher Weise, mit abgetöteten Bazillen.
Aggresrinen und mit Immunserum gegen einen äußerst virulenten
Bacillus eine Schutzwirkung hervorzurufen. Die Resultate mit deutlich
erkennbarer Immunität sind trotz des relativ kurzen Nachhaltens der
.Schutzwirkung insofern als nicht schlecht zu bezeichnen, als es sich dabei
stets um eine nur einmalige Vorbehandlung gegenüber einem hoch-
virulenten Bacillus handelt.
IV.
Immunisierung durch Galle.
Von Fraenkel und Much.
Im folgenden haben wir noch über sehr merkwürdige Verhältnisse
zu berichten, die wir bei weiteren Immunisierungsversuchen aufzudecken
Gelegenheit fanden. Wenn sie auch noch weiter verfolgt werden müssen,
ehe wir ein deünitives Urteil darüber abgeben, so sind die gefundenen
Tatsachen doch schon bemerkenswert, daß eine Mitteilung in diesem
Zusammenhänge nicht nur angängig, sondern sogar erwünscht erscheinen
muß. Die Versuche wurden zum Teile gemeinschaftlich mit Dr. Starke
angeführt.
Wir kamen nämlich auf den Gedanken, den Inhalt der mit
Eiter gefüllten Gallenblasen der an der Infektion gestorbenen Tiere
auf Aggressin Wirkung zu untersuchen. Zu dem Zwecke wurde eine
größere Anzahl solcher entzündeten Gallenblasen bei der Sektion ge-
Gck igle
I
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
ÜBEfi EXPERIMENTELLE CHOLEZYSTITIS USW.
369
sammelt. Der Ductus wurde mit glflheuder Pipette abgeklemmt, und die
Blase gründlich in destilliertem Wasser abgespült, um das eventuell an
der Außenfläche anhaftende aggressinhaltige Peritonealexsudat zu entfernen.
Dann wurde der eitrige Inhalt der Blasen in Kochsalzlösung (1:3) auf¬
geschwemmt und, um die massenhaft vorhandenen Keime zu töten, Chloro¬
form (0*1:10) hinzugefügt. Die Mischung wurde dann unter Licht¬
abschluß bei Zimmertemperatur belassen. Aus der steril gewordenen
Flüssigkeit wurde vor dem Gebrauche das Chloroform durch Verdunsten¬
lassen bei 37° entfernt.
Mit dieser Flüssigkeit wurden Versuche nach Art von Aggressin-
versuchen vorgenommen, indem das klare Zentrifugat benutzt wurde.
Es wurden vier Meerschweinchen je */ ]000 Öse Gaileubazillen gleichzeitig
mit verschiedenen Dosen der Gallenflüssigkeit eingespritzt. Der Erfolg
war überraschend. Es zeigte sich keine Spur von Aggressinwirkung,
sondern vielmehr das gerade Gegenteil, eine ausgesprochene Schutz-,
ja Heilwirkung.
Eine Tabelle möge das erläutern:
Meerschw.
Nr.
am
I n j i z i e i
mit
Gallenbacillen-
Galle
r t
mit
+ Gallenbacillen:
i
t am
1095
7. II. 1
1-0
Viooo Öse
lebt
—
1094
M
0-5
»*
18. IL
—
1093
»» |
0-1
ft (
j lebt
—
1092
»*
0-01
»t
1 20. IL
—
1091
1 >> l
!
.. ii
11. IL
Kontrolle
Wir sehen also, daß zwei Tiere am Leben bleiben. Aber auch bei
den beiden andern gleichzeitig mit Gallenblasenflüssigkeit injizierten Tieren
ist der Tod gegenüber dem Kontrolltiere merklich verzögert.
Da die Gallen mit Eiter gefüllt waren, so lag es nahe, an eine
Wirkung der Leukozyten zu denken. Natürlich nicht in dem Sinne
einer Phagozytose — denn die Flüssigkeit enthielt nach der Behandlung
gar keine intakten Leukozyten mehr —, sondern im Sinne einer Wirkung
von leukozytären Bakteriozidinen. Daß daneben noch eine Wirkung von
eigentlicher Galle vorhanden sein könnte, glaubten wir nicht annehmen
zu dürfen, weil ja in dem Eitersacke kaum noch eigentliche Galle vor¬
handen sein konnte. Es müßte sich also auf jeden Fall um eine passive
Immunisierung bandeln.
TJm die Verhältnisse noch besser verfolgen zu können, stellten wir
einen Verucb nach Art des Pfeifferschen an, indem wir den Tieren nach
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 24
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
370
Eugen Fraenkel und Hans Much:
Digitized by
1 / i , %, 1 und 2 Stunden Peritonealexsudat entnahmen. Die Tiere wurden
in folgender Weise behandelt:
Tier I. bekam 1 Öse Gallenbazillen gemischt mit 1 *0 ccm Gallen¬
flüssigkeit.
Tier II. bekam 1 Öse Bazillen gemischt mit nur 0*1 ccm Gallen¬
flüssigkeit.
Tier III. bekam nur 1 Öse Bazillen (Kontrolle).
Tier IV. bekam 1 Öse Bazillen und gleichzeitig 1 ccm Galle eines
normalen Meerschweins, das kurz Tor dem Versuche getötet wurde. Die
Galle wurde als solche, ohne jede Chloroformbehandlung benutzt Die
Resultate dieses Versuches möge die folgende Tabelle wiedergeben.
t fl
£ *©
© P
£5-fl
^ ©
00 i
| Exsudatentnahme nach:
Ausgang
J l /i Stunde
V, Stande
1
1 Stunde
2 Stunden
r
! zahlreiche
Leukozyten,
vereinzelte
Stäbchen,
wenig Granula
sehr viele
Leukozyten,
viele Stäbchen,
einzelne Granula
sehr viele
Leukozyten,
ganz vereinzelte
Stäbchen,
wenig vereinzelte
Granula
sehr zahlr.
Leukozyten,
sehr wenig
Stlbchen,
sehr wenig
Granula
tot nach
6 Tagen
ii
viele Leukozyten,
sehr viele
Stäbchen,
wenig Granula
viele Leukozyten,
sehr viele
Stäbchen
viele Leukozyten,
sehr viele
Stäbchen
sehr viele
Leukozyten,
sehr viele
Stäbchen
1 nach 18 Std.
, tot auf-
gefunden
in
keine
Leukozyten,
mäßig viele
Stäbchen
wenig
Leukozyten,
wenig Stäbchen,
einzelne Granula
wenig
Leukozyten,
mäßig viele
Stäbchen
viele !
Leukozyten, 1
viele Stäbchen!
I
1 nach 18 Std.
tot auf¬
gefunden
IV
viele Leukozyten, viele Leukozyten,
sehr viele 1 viele Stäbchen,
Stäbchen j vereinzelte
' Granula
viele Leukozyten,
mäßig viele
Stäbchen,
viele Granula
sehr viele
Leukozyten,
müßig
Stlbchen
tot nach
6 Tagen
Wir sehen daraus, daß die kleine Dosis von Galleneiterflüssigkeit den
Infektionsprozeß nicht zu beeinflussen vermochte. Dagegen übte die
große Dosis eine merkliche Wirkung aus, indem die größte Mehrzahl der
Stäbchen zerfiel und der Tod des Tieres bedeutend hinausgeschoben wurde.
Die Verzögerung des Todes will um so mehr sagen, als eine ungeheure
Dosis des an sich schon virulenten Bacillus zur Infektion benutzt wurde.
Wie erstaunten wir aber, als auch das mit normaler Galle ein-
gespritzte Tier sich ebenso verhielt wie das mit der aus infizierten Gallen
gewonnenen — nach unserer ersten Meinung spezifischen — Flüssigkeit
infizierte. Offenbar war also in diesem Versuche auch die normale
Meerschweinchengalle fähig, den Infektionsprozeß mit Gallen¬
bazillen deutlich in günstigem Sinne zu beeinflussen, und
zwar im Sinne einer passiven Immunisierung.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
TTbeb kxpbbimkntelle Cholezystitis usw.
B71
Diese außerordentlioh merkwürdige Tatsache galt es nun weiter zu
studieren. Und zu dem Zwecke setzten wir einen Versuch in der Weise
an, daß wir nicht den Mischungsversuch herangezogen, sondern Meer¬
schweinchen in verschiedener Weise vorbehandelten, und dann die
Wirkung der verschiedenen Vorbehandlungsarten durch eine später ge¬
setzte Infektion miteinander verglichen. So wurde ein Tier zweimal vor¬
behandelt mit Injektionen von normaler Meerschweinchengalle. Ein
zweites bekam klarzentrifugierte, ein drittes nicht zentrifugierte Gallen¬
flüssigkeit aus infizierten Gallen zur zweimaligen Vorbehandlung. Ein
viertes wurde mit abgetöteten, mit normaler Meerschweinchengalle sensibili¬
sierten Gallenbazillen vorbehandelt. Ein fünftes bekam abgetötete Gallen¬
bazillen, die mit Gallenflüssigkeit aus infizierten Gallen sensibilisiert waren.
Ein sechstes wurde nur zweimal mit abgetöteten Gallenbazillen behandelt.
Ein siebentes Tier wurde nur einmal mit abgetöteten Bazillen, gemischt
mit normaler Galle, und ein achtes Tier endlich mit abgetöteten Bazillen,
gemischt mit Gallenflüssigkeit, vorbehandelt. Einige Tage nach der letzten
Vorbehandlung erfolgte dann die Infektion. Die nachfolgende Tabelle
(Dr. Starke) möge die dabei entstandenen Ergebnisse übersichtlich er¬
läutern:
Meerschw.
Nr.
Art der Vorbehandlung
Datum
der
Infektion
Art der
Infektion
A u s g a n g
1167
28.11.11. l ocm normale Meer-
tcbweinchengalle Irisch i.p.
4. III. 1 1. desgl. „
9. III. 11.
Viooo Öse
Gallen¬
bazillen
i. p.
t 18. IV. 11. Verwachsungen
der Leber mit den Darm¬
schlingen. Ein Abszeß in
der Leber mit spärlichen
Gallen bazillen.Galle norm.
Pn eum on ie (Sekun d är-
infektion.) Immunisierung.
1168,
28. II. 11. 1 ““ klarzentri¬
fugierte GalleneiterflUssIg-
keit i. p.
4. III. 11. desgl.
desgl.
desgl.
lebt
1169
28. II. 11. l ccm nicht zentri¬
fugierte Galleneiter¬
flüssigkeit i. p.
4. III. 11. desgl.
>>
i»
f 28. IV. 11. Bauchhöhle voll¬
kommen norm. Sekundär¬
infektion (Pneumonie).
Immunisierung.
1176
28. II. 11. 1 Öse mit norm.
Meerschweinchengalle,
sensibilisierte abgetötete
Gallenbazillen i. p.
0. III. 11. desgl.
>»
j i
f 14. III. 11. Typischer
Gallenbazillentod.
1177
i
28. II. 11. 1 Öse mit Gallen¬
eiterflüssigkeit , sensibili¬
sierte abgetötete Gallen-
bazillen i. p.
6. III. 11. desgl.
»>
1
1
1
i
i
7 16. III. 11. Typischer
Gallenbazillentod.
i
i
24 *
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
372
Eugen Fraenkel uns Hans Much:
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(Fortsetzung.)
Meerschw.l
Nr.
Art der Vorbehandlung
Datum
der
Infektion
Art der
Infektion
1
A u s g a n g
1175
l
l. III. 11. 1 Öse abgetötete
Gallenbazillen i. p.
6. III. 11. desgl.
9. III. 11.
Viooo Öse
Gallenbaz.
i. p.
f 18. IV. 11. Sekundärinfek-
tion (Pneumonie) Imuinf-
sierung.
1173
1 HL 11. 1 Öse abgetötete
Gallenbazillen + l ccna nor¬
male Meerschweinchen¬
galle i. p.
1 desgl.
desgl.
lebt
1174 j
1. III. 11. 1 Öse abgetötete
Gallenbaz. -f 1 Ccm zentri¬
fugierte Galleneiterflüssig¬
keit i. p.
i»
lebt
1171
—
i ”
i
i 1
+ 13- HI. 11. Typischer
Gallenbazillentod.
Wir ersehen hieraus folgendes: Die Vorbehandlung mit sensibilisierten
Gallenbazillen war nutzlos, was einigermaßen auffallend ist, da die ab*
getöteten Bazillen allein eine Immunisierung ermöglichten. Dagegen sind
die mit Galleneiterflüssigkeit behandelten Tiere immunisiert und wir
müssen diese Immunisierung wohl als eine passive bezeichnen, von der
wir allerdings noch nicht sagen können, ob sie unspezifisch oder spezifisch,
oder beides zugleich ist. Weiterhin sind die Tiere immunisiert, wo die
abgetöteten Bazillen gemischt wurden mit normaler oder infizierter Galle.
Endlich aber zeigt auch das mit normaler Galle vorbehandelte
Tier einen hohen Grad von Immunität. Zwar zeigt es bei seinem
Tode einen Abszeß, aber dies ist der einzige Ausdruck der vor 6 Wochen
erfolgten Infektion. Offenbar hatte also der Körper die größte Masse
der Bazillen unschädlich gemacht, und wäre vielleicht auch mit dem
Abszesse fertig geworden, wenn nicht eine Pneumonie den Tod des Tieres
herbeigeführt hätte.
Diese Fähigkeit der normalen Galle, passiv zu immuni¬
sieren, oder zum mindestens hohe Besistenzgrade herbeizu¬
führen, ist so seltsam, daß wir uns hier am Anfänge der Versuche
aller weitergehenden Schlußfolgerungen enthalten.
Wir haben natürlich noch weitere Untersuchungen angestellt. Davon
sei noch ein Versuch kurz geschildert. Wir behandelten zwei Meerschwein¬
chen mit normaler Meerschweinchengalle vor, die jedesmal von einem
normalen Tiere kurz vor der Injektion entnommen wurde, ohne daß
weitere Manipulationen damit gemacht werden. Und zwar gaben wir
nur geringe Dosen, aber zu wiederholten Malen.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über experimentelle Cholezystitis usw.
373
Ein anderes Tier behandelten wir zweimal mit 0*5 ccm Meerschwein
chengalle vor.
Alles weitere ist aus der Tabelle ersichtlich:
Meer-
schw.
Nr.
Vorbehandlung
Datum
der
Infektion
Art
der
Infektion
Ausgang
1231
1241
1243
27. IIL 11. 0*5 cc “ normale Meerschwein¬
chengalle frisch, i. p.
7. IV. 11. 0*1 „ desgl. „
11. IV. 11. 0-1 „
13. IV. 11. 0-1 „
15. IV. 11. 0-1 „
19. IV. 11.
1 Ixooo ^ 8e
Gallen¬
bazillen
lebt
4. IV. 11. 0*1““ normale Meerschwein¬
chengalle frisch, i. p.
7. IV. 11. 0*1 „ desgl.
11. IV. 11. 0-1 „
13. IV. 11. 0-1 „
15. IV. 11. 0-1 .,
»»
ti
H
4. IV. 11. 0*5 ccm normale Meerschwein¬
chengalle frisch, i. p.
15. IV. 11. 0-5 „ desgl.
II
t»
1254
*
II
i
1
tf
f 27. IV. 11.
Typischer
Gallenblasen¬
befund
(Cholezystitis).
Es fragte sich dann weiterhin, ob es sich bei dieser ganzen Er¬
scheinung lediglich um eine lokale Resistenzerhöhung handele, oder
um eine allgemeine passive Immunisierung. Um uns darüber
Aufklärung zu verschaffen, stellten wir die verschiedensten Versuche an, von
denen einer in der folgenden Tabelle wiedergegeben ist:
Et
ja .
O 1-
255
a>
s
Vorbehandlung
Infektion
Gewicht
amTagedei
Infektion
Gewicht
am8.VI.ll.
Befund
am 9. VI. 11.
1303
Kon¬
trolle
23. V..11.
Viooo ^ se
Gallen¬
bazillen
subkutan
1. V.
1
310
180
+. Sektionsbet und:
Links vorn ein wal¬
nußgroßer Eiterherd
mit vielen Stäbchen.
Gallenblase ge¬
schrumpft mit De¬
tritus u. vielen Stäb¬
chen. Leber u. Milz
normal.
Digitized by
Gck gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
374
Eugen Fbaenkel und Hans Much:
Digitized by
(Fortsetzung.)
► 1
! Vorb e h an d 1 u d g
« 1
s i
Infektion
Gewicht
am Tage der
Infektion
Gewicht
am 8. VI. 11.
Befand
am 9. VI. 11.
1240 7. IV. 11. 0*1 04,0 frische Meer¬
schweinchengalle nor¬
mal, intraperitoneal.
11. IV. desgL
13. IV.
15. IV.
11. v.
14. V. „ J
desgl.
i
710
i
1
840
■
manter, glatt 1
1285 ji 11. V. 11. 1*0 oc " normale Meer¬
schweinchengalle, unt.
Chloroform gesammelt,
intraperitoneal.
114. V. desgl.
•»
340
340
munter, glatt. 1
1802 23. V. 11. l-O“" Meerschwein- „ | 340
chengalle intraperitoneal.,
410
) munter, glatt. 1
1 Alle drei Tiere sind am 7. VUL am Leben.
Das Prinzip war, Tiere intraperitoneal vorzubehandeln und dann
nicht intraperitoneal, sondern subkutan zu infizieren. Alle Tiere wurden
mit normaler Meerschweinchengalle vorbehandelt. Ein Tier bekam zu
wiederholten Malen kleine Dosen frischer Galle. Ein anderes Tier bekam
zweimal eine große Dose normaler Meerschweinchengalle, die verschiedene Tage
hindurch gesammelt war. Ein drittes Tier endlich bekam 1 ocm Galle erst
eine Stunde vor der subkutanen Infektion intraperitoneal verabreicht.
Alle vorbehandelten Tiere erwiesen sich als immunisiert
Dieser Versuch scheint uns gegen die Annahme einer einfachen lokalen
Resistenzerhöhung zu sprechen. Das Phänomen wird dadurch nur um
so interessanter.
Weitere Untersuchungen behalten wir uns vor.
Gck igle
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Übeb experimentelle Cholezystitis dsw.
375
Erklärung der Abbildungen.
(Taf. I.)
Fig. 1. Gallenblase von Kaninchen 444, sagittal im größten Durchmesser
durchschnitten. Innenfläche mit hämorrhagisch-galligem Inhalt bedeckt, Gallenblasen¬
wand nicht verdickt. (Intraperitoneale Infektion mit 0*1 Öse Kultur am 11. III. 1910,
f 17. III. 1910.) Das mit der Gallenblase in Verbindung stehende Stück Leber o. B.
Fig. 2. Gallenblase von Kaninchen 450, nebst einem Stück nicht veränderter
Leber. Gallenblasen wand in toto verdickt, Schleimhaut, namentlich an der, der
Leber anliegenden Wandseite geschwollen, feinwarzig, gallig imbibiert (Intravenöse
Infektion mit 0*001 Öse Kultur am 18.IIL, + 24. III. 1910.)
Fig. 3. Gallenblase mit einem Stück unveränderter Leber von Kaninchen 448.
Das Lumen mit fast rein hämorrhagischem, nur spärliche gallige Beimengungen
zeigendem, Inhalt erfüllt, der auch in dem eröffneten Duct. cysticus als total ver¬
schließender Pfropf sichtbar ist. (Intravenöse Infektion mit 0*1 Öse Kultur am
18. UL, f 22. UI. 1910.)
Digitized by
Go^ 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized by
[Aas dem Gouvernementslazarett Tsingtau.]
Mikrobiologische Erfahrungen bei den epidemischen
Darmerkrankungen des Schutzgebietes Kiautschou und
der Provinz Schantung in den Jahren 1907 bis 1911.
Von
Prof. Dr. Mar tini,
Marine-Generalob«r»rit, deneitigern Chefarst de« Gouvernementflaaarett«, Vorstand der bakteriologischen
Untorsuohuugsabtellung and Wutsohatsstatlon das Gouvernement«.
Im Anschluß an die Beobachtungen des Jahres 1908, die im Archiv
für Schiffs- und Tropenhygiene 1910 (1) erschienen sind, will ich meine
weiteren mikrobiologischen Erfahrungen auf dem Gebiete der Darm¬
erkrankungen des Schutzgebietes Kiautschou und der Provinz Schau-
tung, an denen seitdem Marine-Stabsarzt Dr. Fürth und zwar haupt¬
sächlich im Jahre 1909 teilgenommen hat, im folgenden vervollständigen
und näher erläutern.
Im wesentlichen handelt es sich hier, wie damals um die Sommer¬
darmerkrankungen bakteriellen und protozoischen Ursprunges. Größere
Darmparasiten, wie Ankylostomen, 1908 vom Verfasser zum ersten Male in
Schantung festgestellt, Tänien, Oxyuren, Askariden, Trichocephalen usw.
bleiben einer Berichterstattung durch die innere Abteilung des Gouverne-
mentslazaretts Vorbehalten. Auch sollen Leishmanien, die Kala-azar-
parasiten, vom Verfasser 1907/08 bei Chinesen des Schutzgebiets und
Schautungs zum ersten Male nachgewiesen, hierbei außerhalb näherer
Besprechung bleiben; es ist noch nicht erwiesen, ob sie mit den ruhr¬
ähnlichen Stuhlentleeruugen Kala-azarkranker, in denen sie bekanntlich
durch Manson gesehen sind, in ursächlichem Zusammenhang stehen.
Google
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Martini: Mikbobiolog. Erfahrungen bei Darmerkrankungen. 377
Im übrigen spricht hier vieles für die Infektion durch die seitens
Nicolles angenommene Vermittelung von Hunden als zweiter Wirte, mit
denen der hiesige Chinese in engster Hausgemeinschaft zu leben pflegt.
Ja, noch mehr, es kann unter den hier vorliegenden Verhältnissen in den
chinesischen Dörfern mit ihren gewaltigen Beständen an Hunden kaum
zweifelhaft sein, daß sie als Verbreiter auch für die hiesigen Bühren und
Darmkatarrhe in Betracht kommen.
Handhabung der Untersnehnngen.
Die Untersuchungen vollzogen sich in folgender Reihenfolge und Weise.
Meist war vor den bakteriologischen Untersuchungen bereits auf der
inneren Abteilung durch Marine-Oberstabsarzt Dr. Staby (2) und seine
Hilfsärzte (1908 Marine-Stabsarzt Dr. Robert, 1909 Dr. Fürth und
1910 durch Marine-Oberassistenzarzt Dr. Bodenstein) eine Durch¬
musterung der ganz frischen Stühle auf große Darmparasiten wie Aska¬
riden usw. und Protozoen, wie Amöben usw. voraufgegangen. Im
bakteriologischen Laboratorium wurden alsdann aus den in physiologischer
Kochsalzlösung aufgeschwemmten Stuhlproben Schleimflocken zu fischen
gesucht und ein Stück von diesen mikroskopisch untersucht; der Rest
wurde gut ausgewaschen und dann auf Conradi-Drigalsky-Platten verarbeitet.
Von Agarplattenguß wurde 1909 und 1910 abgesehen, weil dieser nach den
Erfahrungen von 1908 keine besseren Fundergebnisse als die Lackmus-
Nutrose-Milchzucker-Agarplatte gezeitigt hatte. Die unten näher be¬
sprochenen Keime wurden dort bei sehr vielen Fällen zahlreich, bei nicht
wenigen sehr zahlreich, bei mehreren anscheinend nahezu in Reinkultur
und nur bei ganz vereinzelten Fällen in spärlichen Kolonien heraus¬
gezüchtet. Unter den aufgesproßten Kolonien wurden die unverfarbten
oder blauen herausgesucht, von dort auf Schrägagar verimpft und im
hängenden Tropfen untersucht. Vom Agar aus fand alsdann die Färbung
und zwar auch die nach Gram statt; dabei kann gleich erläutert werden,
daß nur gramnegative weiter bearbeitet wurden; grampositivo, die sich
irgendwie verdächtig gemacht hätten, kamen — außer Streptokokken —
kaum zu Gesicht. Die Untersuchung auf Gelatine mußte fortbleiben, weil
es mit zu großen Schwierigkeiten verknüpft war, in der feuchten Hitze
die Gelatine fest zu behalten. Vom Agar aus wurden die weiteren kulturellen
Durchprüfungen ausgeführt, nachdem bei hochgradigem Verdacht auf ein
bestimmtes Bacterium eine orientierende Agglutinationsprobe mit spezifischem
Serum gelegentlich schon auf der blauen Platte oder auf dem Schrägagar
versucht war.
Digitized by
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
378
Mabtini :
Zum Differenzieren der Keime dienten folgende Nährböden:
1. Schräg-Agar.
2. Lackmus-Nutrose-Mannitlösung; Gärungsröhrchen.
3. „ „ -Milchzuckerlösung.
4. „ „ -Traubenzuckerlösung.
6. Neutralrotagar.
6. Lackmusmolke,
und von 1910 ab auch
7. Milch.
8. Lackmus-Nutrose-Maltoselösung.
9. „ „ -Saccharose.
Die kulturellen Eigenheiten der bekannten Ruhrerreger, wie B. Shiga-
Kruse, B. Flexner, B. Y. (Bacterium der Ruhr der Irren, Kruse) und
B. Strong werden als bekannt vorausgesetzt, im folgenden nicht besonders
aufgeführt werden; sie finden sich gut zusammengestellt im Kolle-Hetsch
und Kolle-Wassermann (Lentz) (3). Bei den besonderen neuen Keimen
sollen nur die entsprechenden Abweichungen von diesen aufgeführt werden.
Die Serumprüfungen wurden mit spezifischen Trockenseris aus dem
Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin, ausgeführt, die ich der
Freundlichkeit der Herren Geheimrat Prof. Dr. Gaffky und Prof.
Dr. Lentz verdanke.
Widaluntersuchungen mit dem Serum der Patienten mußten bei der
großen Anzahl von Stuhluntersuchungen — bis auf eine Reihe von
Dr. Fürth (4) 1909 nach Ablauf der Krankheiten angestellter — aus
Mangel an Personal und Zeit unterbleiben.
Ebensowenig konnte die Bereitung hochwertiger spezifischer Aggluti¬
nationssera für die einzelnen Keime in Angriff genommen werden; denn
die hiesigen Kaninchen, für vielerlei Seuchen, namentlich für eine Art Ente¬
ritis und für Coccidiose anscheinend weit empfänglicher als die europäischen,
verendeten an irgend einer dieser Seuchen meist früher, als ein brauchbarer
Grad von Agglutinationsfähigkeit der Sera erreicht war. Erst im Laufe des
zweiten Halbjahres 1910 glückte in größerer Zahl die Züchtung von Misch¬
lingen zwischen chinesischen und europäischen Kaninchen. Letztere scheinen
sich bei aufmerksamer Wartung — sie sind wie viele Bastarde tückisch und
bissig gegeneinander — besser dafür zu eignen, so daß demnächst befrie¬
digende Erfolge in bezug auf die Serumherstellung erwartet werden können. 1
Andere Tiere als Kaninchen standen für diese Zwecke nicht zur Verfügung.
1 Leider ist inzwischen auch diese Hoffnung wieder zu Schanden geworden, da
während der Lungenpest-Gefahr 1911 die Anlieferung von Kaninchen durch Chinesen
für die Wutsohutzstation ausblieb und deshalb der größte Teil der Bastarde für die
Erhaltung des Wut-Virusfixe verbraucht werden mußte.
Digitizetf by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Mikbobiologische Ebeabbtjngen bei Dabmebkbankungen. 879
Die Krankheitserreger.
Bei Beschreibung der einzelnen Erreger sei gleich vornweg bemerkt,
daß ein Teil der Dannerkrankungen, die 1908 noch eine große Rolle
spielten, — gemeint sind die durch zwei Gruppen besonderer Erreger
verursachten, leichten Erkrankungen, die bis dahin mit Beginn der Haupt¬
regenperiode auftraten und alsbald danach verschwanden — 1909 nach
Einschränkung der Gelegenheit zu ihrem Eindringen in den menschlichen
Körper stark abnahmen und 1910 nach Beseitigung dieser Gelegenheit
gänzlich fortblieben, ein sprechender Beweis für ihr Beteiligtsein an den
damaligen Erkrankungen; letzteres muß hier besonders hervorgehoben
werden, weil ein Beweis durch Serumversuche mit Agglutination oder
Präzipitation unter den hiesigen Verhältnissen sich damals nioht er¬
möglichen ließ.
1909 kam es aus äußeren Gründen (Krankheit des Bakteriologen)
nicht zu Untersuchungen in größerem Maßstabe.
1910 wurde nach Möglichkeit das Versäumte vom Verfasser, der den
bakteriologischen Dienst bis auf einige Tage Dienstreise, während der
Dr. Fürth ihn vertrat, wieder allein versah, nachzuholen gesucht.
Der zeitliche Ablauf der Epidemie vollzog sich 1909 und 1910 im
großen und ganzen wie 1908. 1910 setzte sie — infolge zahlreicher Er¬
krankungen durch ungeeignete Nahrungsmittel bei einem der hiesigen
Truppenteile — am 26. VII. ein und zwar namentlich gleich auch mit
Fällen leichter Ruhr; wahrscheinlich infolge klimatischer Einflüsse, länger
anhaltender Feuchtigkeit, dauerte sie länger als früher.
Aus besonderen hier nicht näher zu erörternden Gründen wurden alle
mit Blutbeimengungen einhergehenden, fieberlos oder fieberhaft verlaufen¬
den Fälle von Darmkatarrh als Ruhr bezeichnet. Dabei trat gelegentlich
auch ein einfacher unblutiger Darmkatarrh, durch einen bekannten gift¬
armen Ruhrerreger, z. B. Bacterium Y. bewirkt, in die Erscheinung. Das
gleiche kann von weiteren noch näher zu beschreibenden als Erreger ver¬
dächtigen Keimen gesagt werden.
Auch kamen in dieser Zeit die gleichen klinischen Abstufungen in
einer großen Reihe von Fällen vor, in denen Krankheitserreger besonderer
Art überhaupt nicht nachgewiesen werden konnten.
Danach wurden zur Zeit der Hauptdarmkrankheitsperiode alle leichteren
Erkrankungen dieser Art, seien es nun solche mit blutigen oder bloß
schleimigen oder nur einfach diärrhoischen Entleerungen, — vorausgesetzt,
daß es nicht typhöse oder typhusartige waren — klinisch sämtlich als
eine gewisse Einheit beurteilt, unter gleichzeitiger Beachtung des bakterio-
Digitized by
Gck igle
Original from
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380
Mabtou :
Digitized by
logischen Ergebnisses hinsichtlich der Ätiologie, der Infektiosität der einen,
der Nichtinfektiosität der anderen Fälle.
Die Shiga-Kruse-Ruhren hingegen, die durch hochgiftige und hierdurch
von obigen völlig verschiedene Keime veranlaßt, gemeinhin schwer ver¬
laufen, und die bekanntlich ganz anders als die Bakterienruhr verlaufende
Amöbenruhr, ein überaus chronischer Krankheitsprozeß, müssen beide für
sich als eigene Seuchen betrachtet werden.
Die bakteriellen Erreger.
Unter den Erregern leichter Rubren und Darmkatarrhe spielte 1910:
1. die Hauptrolle das 1908/09 vom Unterzeichneten hier festgestellte
B. Y. oder Bacterium der Ruhr der Irren (Kruse); 19 Fälle, von denen
einer gleichzeitig B. Flexner aufwies.
Diese Tatsache des ziemlich häufigen Vorkommens des B. Y., dürfte
als ein Fingerzeig für die Ätiologie dienen; wie bei den Irren wohl die
Übertragung durch unmittelbare Kotverteilung stattfindet, so wird dies
allem Anscheine nach hier durch unsauber gehaltene Hände der Diener¬
schaft besorgt. Beiläufig bemerkt, wurde im Februar 1911 — gelegent¬
lich der Pestverhütung und -Bekämpfung — bei einem ruhrkranken
chinesischen Landstreicher, der auf der Straße lagerte und blutige Stühle
entleerte, B. Y. festgestellt.
Eine Art „Bazillenträger“ von B. Y. wurde in einem Typhuskrankeu
des Lazaretts zufällig herausgefunden.
Von den sonst mit B. Y. behafteten hatten 5 solche Stämme, die die
Lackmusmolke nach 2 bis 13 Tagen bläuten; 12 führten solche, die wie
das heimische B. Y. die Lackmusmolke schon nach 24 Stunden röteten
und so auch hielten, ein einziger endlich wies 2 Y-Stämme auf von denen
der eine sie bläute, der andere sie rötete. Der Ausfall der spezifischen
Agglutination erwies sie sämtlich als B. Y.
Außer den durch Kulturserien und Serumprüfung bestimmten Bak¬
terien dieser Art fand sich hier ein ähnliches, das morphologisch wie
kulturell ihm glich, aber durch das für dieses spezifische Serum nicht
agglutiniert wurde, 2 Fälle. Die Erkrankungen, die letzteres erzielte,
waren ebenso leichte wie die von ersteren.
2. B. Flexner; 7 Fälle, darunter der bei B. Y. erwähnte eine Fall
gleichzeitig mit B. Y. Unter anderem wurde B. Flexner auch bei einem
von jeglichen Ruhr- und Darmkatarrherscheiuungen freien Menschen
festgestellt; damit ist hier zum ersten Male ein sogenannter Bazillenträger
mit B. Flexner erwiesen.
Gck igle
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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmerkrankungen. 881
Außer diesen durch Kulturserien und Serumprüfung bestimmten
B. Flexner fand sich bei ßuhr- und Darmkatarrhkranken ein ähnliches,
das ihm morphologisch wie kulturell gleicht, aber durch das für dieses
spezifische Serum nicht agglutiniert wurde; 2 Fälle. Letztere Sorte war
schon 1908 vom Unterzeichneten vereinzelt beobachtet, wurde aber
damals, weil weder dem damaligen Sammlungsstamm noch dem vor*
handenen spezifischen Serum getraut wurde, noch nicht weiter hervor*
gehoben. Auch fand sich ein drittes ihm sehr ähnliches Stäbchen
(3 Fälle), das durch „Bläuung der Lackmusmolke nach 2 Tagen“ und die
fehlende Agglutination sich von ihm unterschied.
3. B. Shiga-Kruse wurde in 8 Fällen aus dem Stuhle von Kranken
mit den typischen Erscheinungen gezüchtet, die sich hinsichtlich der
Schwere zu den anderen wie etwa Cholera zu einfachem Durchfall ver¬
hielten; es waren sämtlich schwerste Bühren. Zwei der Kranken starben;
das bei ihnen geprüfte Heilserum äußerte bei einem Kranken einen
zweifelhaften, bei keinem einen sicheren Erfolg. Geschadet hat es in
keinem Falle; die Versuche werden deshalb fortgesetzt.
Zu den kulturellen Eigenheiten ist hier zu bemerken, daß der eigen¬
tümliche Spermageruch der B. Shiga-Kruse-Kulturen niemals fehlte, daß
er aber auch sonst bei manchen Bakterienarten, gelegentlich auch bei
Stämmen von B. coli wahrgenommen wurde; er ist deshalb nur insoweit
für eine charakteristische Eigenheit und damit für ein diagnostisches
Hilfsmittel anzusehen, als er — nach unseren heutigen Kenntnissen —
bei den Shiga-Kruse-Bakterien nicht fehlen soll, — ohne daß damit jedoch
gesagt ist, daß er ihnen allein zukommt.
a) Außer diesem echten Shiga- Kruse -Bacterium wurde ein ihm
morphologisch und — bis auf Fehlen von Spermageruch — kulturell
gleichende gezüchtet, das sich aber durch Mangel von Agglutination
mittels spezifischen Serums deutlich von ihm unterschied; 16 Fälle;
mit Ausnahme von 4 waren es sämtlich Bühren.
b) Diesem wieder ganz ähnlich verhielt sich morphologisch und
kulturell ein Bacterium, das sich durch Alkalisierung der Lackmusmolke
nach 4 bis 6 Tagen von ihm unterschied. Durch spezifisches Shiga-
Kruse-Serum wurde es ebensowenig wie dieses agglutiniert; 12 Fälle; mit
Ausnahme von 2 waren es Bühren.
Auf die Spielarten a) und b) wird namentlich deshalb besonders auf¬
merksam gemacht, weil sie dazu verführen könnten, daß bei Prüfungen von
Buhrheilserum, wenn die gefundenen bakteriellen Erreger z. B. aus Zeit¬
mangel bei ausgedehnter Epidemie nicht serologisch festgestellt werden
können, derartige ziemlich ungefährliche Keime als richtige Shiga-Kruse-
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Gck igle
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382
Mabtini:
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Bakterien eingeschätzt, und danach Schlüsse auf Heilergebnisse gefolgert
werden, die gänzlich unberechtigt sind.
Zu a) sind auch die 8 Fälle vom Shiga-Kruse-Typus zu rechnen, die
ich 1908 gefunden und im Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene 1910
erwähnt habe (vielleicht auch das 1907 in einem Falle gefundene
T re mb ursche (5) Pseudoruhrbacterium, das sich leider nicht mit Sicher¬
heit in Parallele bringen läßt, weil nur spärliche kulturelle Merkmale
darüber vorliegen); sie wurden damals, obwohl sie in der Tat keine
Agglutination mit dem entsprechenden Serum ergaben, dennoch kurzweg
als Shiga-Kruse-Typus bezeichnet, — einfach weil dem Serum, das schon
mehrere Jahre alt war, nicht getraut wurde. Heute weiß ich durch in¬
zwischen ausgeführte zahlreiche Versuche, daß die Trockensera des
Instituts für Infektionskrankheiten zu Berlin, selbst wenn sich auch die
einzelnen Kristalle nicht mehr lösen, sich mit Sicherheit mindestens
4 Jahre auf ihrer spezifischen ßeaktionshöhe halten; deshalb kann ich die
8 Stämme von 1908 heute nicht als echte Shiga-Kruse-Bakterien, sondern
nur als solche eines ihnen kulturell wie morphologisch gleichen¬
den Typs bezeichnen. Die betreffenden Krankheiten waren durchaus zu
denen von der Klasse der durch giftarme Ruhrbakterien verursachten zu
zählen. Dies zur Berichtigung der Arbeiten von 1908.
c) Von dem letzten, d. h. dem unter b) aufgeführten Typus unter¬
schied sich kulturell nur wenig eine dritte Art, — dadurch, daß sie die
Lackmusmolke nicht erst nach 4 bis 6 Tagen, sondern schon nach
24 Stunden bläute, während sie sich auf den Nährböden sonst ebenfalls
wie B. Shiga-Kruse verhielt, — 3 Fälle, darunter 2 mit Ruhr, 1 mit
fieberhaftem, chronischem Darmkatarrh, bei dem eine Mischinfektion mit
einem kulturell dem B. Shiga-Kruse gleichenden Keim (s. oben bei a)
und mit einer Art B. faecalis alcaligenes bestand —, und
d) eine vierte, bei der als weiterer Unterschied vom kulturellen Ver¬
halten des B. Shiga-Kruse bei früher Bläuung der Lackmusmolke nur
die Gerinnung der Milch in 2 bis 3 Tagen hinzukam — 3 Fälle, alle
drei Rühren.
Hierbei sollen als Anhang kurz noch vier weitere Arten aufgeführt
werden, deren mit dem B. Shiga-Kruse gemeinsames Gleiches ein gleiches
Verhalten gegen Lackmus-Nutrose-Mannit, Lackmus-Nutrose-Milchzucker-,
Lackmus-Nutrose-Saccharose-Lösung war, deren gemeinsames Abweichendes
von diesem die Bildung von Gas aus Traubenzucker und die Säuerung
von Lackmus-Nutrose-Maltose-Lösung war.
e) Letztere beiden Eigenschaften charakterisierten die erste dieser
4 Gruppen, 5 Fälle, sämtlich Rühren,
Gck igle
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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darm Erkrankungen. 383
f) hierzu eine weitere Eigenschaft, Bläuung von Laokmusmolke nach
2 bis 4 Tagen, eine andere in 4 Fällen, sämtlich Rühren,
g) eine andere Eigenschaft, als Blänung der Lackmusmolke, nämlich
Gerinnung der Milch nach 4 Tagen, die folgende, — 1 Fall, Darmkatarrh,
h) letztere beiden Eigenschaften zusammen, d. h. Lackmusmolke-
Alkalisierung und Milchgerinnung nach 2 bis 3 bzw. 4 bis 11 Tagen die
letzte, — 3 Fälle, davon 1 mit Darmkatarrh, 2 mit Rühren, von denen
die eine anfänglich an die Shiga-Kruse-Ruhr erinnerte, dann aber im
weiteren günstigen Verlaufe davon ab wich.
Diese Sorten e—h, fanden sich sonst ausschließlich nur bei leichten
Rühren und vereinzelten Darmkatarrhen, niemals bei schweren Rühren
der Shiga-Kruse-Art.
4. Das Vorkommen eines von Prof. Dr. Lentz als eine Art B. Strong
bezeichneten Stäbchens stellte ich 1910 hier fest, bei 5 Ruhr- und 1 Darm¬
katarrh-Kranken. Es unterschied sich deutlich von dem Original-Strong,
dadurch, daß es die Milch (in 5 bis 8 Tagen) zur Gerinnung brachte,
Lackmus-Nutrose-Milchzuckerlösung nach 4 bis 10 Tagen, sowie Lackmus-
Nutrose-Maltose-Lösung und Lackmus-Nutrose-Saccharose-Lösung in
24 Stunden säuerte, während dieses die Lackmus-Nutrose-Milchzucker-
lösung blau läßt, Milch nicht gerinnen macht und nur die Saccharose
säuert, die Maltose hingegen unbeeinflußt läßt [Lentz (6)].
Die gleichen kulturellen Eigenschaften, wie unser Strong-ähnliches
zeigte das oben erwähnte durch die Freundlichkeit von Prof. Dr. Lentz
mir zugesandte Stäbchen, das als ein B. Strong von Prof. Dr. Kruse,
Königsberg, herstammte. Durch entsprechende Behandlung eines
Kaninchens mit diesem Königsberger Strong-Stamm wurde ein spezifisches
Serum gewonnen, das den dazu gehörigen und die hiesigen Stämme in
nahezu gleich feinen Verdünnungen agglutinierte. An dem Vorkommen
dieses Bacteriums im Schutzgebiete ist sonach nicht zu zweifeln.
5. An keine der seither bekannten Gruppen ließ sich die folgende
anreiben; sie wird deshalb als besondere beschrieben. Die Bakterien, un¬
beweglich wie die geschilderten Ruhrbakterien, verhielten sich sonst
kulturell
a) genau wie Paratyphus A.-Bakterien, — 3 Fälle, darunter 2 Rühren,
1 Darmkatarrh.
b) Wie a), bis auf Rötung von Lackmus-Nutrose-Saccharoselösung und
Gerinnenlassen von Milch nach 5 bis 8 Tagen, — 4 Fälle, davon 3 Rühren,
1 Darmkatarrh.
c) Wie Paratyphus — B. - Bakterien, — 4 Fälle, davon 2 Darm¬
katarrhe, 2 Rühren.
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384
Martini:
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d) Wie c) bis auf Gerinnenlassen der Milch nach 4 bis 13 Tagen —
12 Fälle, davon 7 Rühren, 5 Dannkatarrhe.
6. Diese Gruppe betraf Fälle mit gleichfalls unbeweglichen Stäbchen;
kulturell verhielten sie sich aber wie B. faecalis alcaligenes; 4 Fälle; davon
2 Rühren, 2 Darmkatarrhe.
7. Von obigen 6 Keimgruppen unterschied sich die hier folgende
schon von vornherein durch die Beweglichkeit der Bakterien.
Im übrigen verhielt sie sich kulturell wie 5 d); d. h. sie unterschied
sich kulturell von Paratyphus B.-Bakterien nur durch „Gerinnenlassen
von Milch nach 3 bis 7 Tagen“, — 5 Fälle, davon 2 Rühren, 3 Darmkatarrhe.
8. An weiteren beweglichen Bakterien wurde bei Krankheitsfällen
genannter Art eine Gruppe festgestellt, die sich von Gruppe 7 nur da¬
durch unterschied, daß sie die Lackmus-Nutrose-Saccharose-Lösung rötete,
also von Paratyphus B.-Bakterien sowohl hierdurch als auch durch Ge¬
rinnenlassen der Milch unterschieden war, — 4 Fälle, davon 3 Rühren,
1 Darmkatarrh. Letzterer zeigte sich besonders hartnäckig. Er ging bei
starken Durchfällen mit Milz — und Leberschwellung einher; Blut wurde
dabei im Stuhle vermißt. Fieber fehlte. Große Schwäche stellte sich ein.
Neuralgien in den verschiedensten Nervengebieten schlossen sich an und
blieben noch nach Monaten bestehen. Das Gesamtbild machte den Ein¬
druck einer chronischen Fleischvergiftung.
9. Eine weitere Gruppe beweglicher Bakterien bot die morphologischen
und kulturellen Merkmale des B. faecalis alcaligenes, 8 Fälle, darunter
3 Rühren, 2 Darmkatarrhe und 3 derzeit Gesunde. Die Gruppen 4, 5.
6, 7, 8 und 9 müssen nach dem meist leichten Verlaufe der ent¬
sprechenden Krankheiten im allgemeinen ebenfalls den giftarmen Ruhr¬
bakterien zugerechnet werden.
10. Endlich müssen an bakteriellen Keimen, die oft genug, namentlich
bei den Fällen mit blutigen Entleerungen, in den Verdacht kamen, die
Krankheitserreger zu sein, — noch Streptokokken erwähnt werden; sie
wurden nicht selten nahezu in Reinkulturen gezüchtet. Solche Fälle j
häuften sich namentlich gegen das Ende der Sommerepidemie hin und
zwar oft wohl als schließliche Komplikationen zu Darmerkrankungen auf
anderer bakterieller oder sonstiger Grundlage, wie dies bereits 1910 in der J
Veröffentlichung, Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene, ausgeführt ist
Mitten hinein in diese Erkrankungen spielten solche, die auf In¬
fektion mit tatsächlichen Paratyphus A- und B-Bakterien zurückzuführen
waren, — ohne daß sie jedoch den Eindruck eines typhösen Verlaufes
machten. Sie wurden durch Kulturserien und Agglutination mit hoch¬
wertigem, spezifischem Serum erwähnter Herkunft festgelegt.
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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmerkrankungen. B85
Ein Fall von Paratyphus A. wurde im Spätherbst 1909 und 4 Fälle
von Paratyphus B. 1910 von mir auf diese Weise herausgefunden; letztere
brachten damit die erste Feststellung von Paratyphus B-Bakterien im
Schutzgebiet. Der Paratyphus A.-Fall stellte sich als eine chronische, mit
Blutstühlen einhergehende Durchfallerkrankung dar; von den letzteren
boten zwei die Erscheinungen eines akuten Darmkatarrhs, — davon der
eine eines leichten, fieberlos verlaufenden, der andere eines mit geringem
Fieber einhergehenden, — der dritte die Zeichen einer Ruhr mit giftarmen
Ruhrbakterien und der vierte das Bild eines chronischen, nahezu fieberlos
verlaufenden Darmkatarrhs. Die Bakterien des letzteren Falles hatten
dabei die konstante Eigenschaft, daß sie die Lackmusmolke nach baldiger
Rötung dauernd rot hielten und nicht —, wie es die Paratyphus B.-Bak-
terien sonst zu tun pflegen, — nach einigen Tagen in Blau Umschlagen
ließen. Auf die sonst stimmenden morphologischen und kulturellen Eigen*
schäften, sowie auf die Agglutination bis zur Titergrenze des spezifischen
Serums hin wurden sie gleichwohl dieser Gruppe zugezäblt.
Ohne Beziehungen zu den sommerlichen Häufungen der Darm*
erkrankungen blieben die im allgemeinen vereinzelten Typhus- und einzelne
im März 1911 aufgetretene Flecktyphusfalle, von denen die letzteren sich
ereigneten, als die Chefarztgeschäfte bereits von meinem Nachfolger,
Marine-Oberstabsarzt Dr. Roh de, übernommen waren.
Die ersteren waren in den besprochenen Jahren meistenteils durch
Schiffe eingeschleppt oder betrafen Kranke, die aus dem Inneren Schan-
tungs zur Wiederherstellung ins Gouvernementslazarett verlegt waren;
diejenigen, bei denen die Züchtung von Typhusbakterien gelang, verliefen
wie der heimatliche Typhus. Es war jedoch eine Anzahl klinisch typhus¬
ähnlich, aber eigenartig verlaufender Fälle darunter, bei denen die Krank¬
heitsursache unaufgeklärt blieb. Ihr näheres Studium steht noch aus.
Die Flecktyphusfälle beruhten zweifellos auf Einschleppung aus dem
Hinterlande von Schantung, wo mit dem derzeitigen Zuge der Lungenpest
Hungerelend und damit das Vorkommen des Hungertyphus als feststehend
angenommen werden kann.
Darmprotozoen von hier seither unbekannter Art.
Erkrankungen durch Darmprotozoen, die in vereinzelten Fällen das
ganze Jahr hindurch zugingen, begannen sich meist gegen Ende der Bak¬
terienruhr-Epidemie zu häufen. Das wiederholte sich auch 1909 uud 1910.
(Sie werden von den Ärzten der inneren'Station in einer besonderen Arbeit
beschrieben werden, da diesen die unmittelbare Feststellung oblag.) Sie haben
aber wie die anderen Rühren 1910 gegen 1908 und 1909 etwas zugenommen.
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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Original fram
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M ABTIN i:
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Vielleicht hängt dies mit der größeren und länger dauernden
Feuchtigkeit des letzten Sommers, Herbstes und Winteranfanges zusammen.
An besonderen Darmprotozoen wurden 1910 zwei Arten festgelegt:
1. Gin Flagellat von der Art Prowazekia cruzi (Hartmann und
Chagas [7]), der. seither wahrscheinlich vielfach in Stühlen Darmkranker
gesehen, aber noch nicht näher bestimmt war; zur Gattung Bodo gehörig,
er ist vielleicht mit Bodo asiaticus Castellanis identisch, den dieser zu¬
sammen mit Chalmers im Philippine Journal of Science, Juli 1910 S. 211
beschreibt und abbildet (8). Er fand sich am häufigsten bei Amöben-
und Bakterienruhren, seltener bei einfachen Darmkatarrhen. Vom Ver¬
fasser ist er in einem Süßwassertümpel des Prostituiertenviertels gefunden
worden (9). Ob er selbständig Darmerkrankungen hervorrufen kann , ist
unerwiesen. Reizzustände zu bewirken, wird er wohl imstande sein. ,
2. Ein Ciliat, der zum ersten Male 1910 hier gesehen wurde. Er
ähnelte dem Balantidium coli, wurde aber als sicher davon verschieden
erkannt. Durch den Zoologen Prof. Dr. Hartmann vom Institut für
Infektionskrankheiten zu Berlin wurde er als Uronema bestimmt, eine
Gattung, deren Arten meist Wasserbewohner sind, und auf Vorschlag des
Verfassers mit den Beinamen U. caudatum belegt. Die Erscheinungen,
die zu bewirken er verdächtig ist, werden von den Ärzten der inneren
Station (Marine-Oberstabsarzt Dr. Staby und Marine-Oberassistenzarzt !
Dr. Bodenstein) näher beschrieben. Hier sei nur kurz erwähnt, daß sie
den akuten Darmsymptomen der Amöbenruhren ähneln, aber leichter als 1
diese zu beseitigen sind; siehe hierzu Martini, diese Zeitschrift 1910(10); '
außer den dort bereits genannten 4 Fällen sind inzwischen weitere 5 auf
der inneren Station beobachtet worden.
Lamblia intestinalis, 1908 vom Verfasser zum ersten Male hier uud
zwar bei einem Falle von chronischem Darmkatarrh in großer Masse als
einziger der krankmachenden Wirkung verdächtiger Erreger festgestellt,
hat sich in den folgenden Jahren nicht wieder finden lassen. ;
An Ruhramöben sind im Berichtsjahre 1908/09, d. h. von Oktober 1908 \
bis Ende September 1909 hier 25 Fälle (darunter 2 Rückfälle), im Be- j
richtsjahre 1909/10, d. h. von Oktober 1909 bis Ende September 1910 *
hier 24 Fälle (darunter 1 Rückfall) und von Oktober bis Ende Dezember
1910 noch weitere 14 Fälle der Art (darunter 2 Rückfälle) nachgewiesen
worden. Von letzteren kamen auf das Kalenderjahr 1910, von Januar
bis Ende Dezember 27 und davon allein auf die Zeit von Mitte August
bis Dezember 23 Fälle, wovon wiederum die meisten Zugänge auf die
Zeit vom September bis November einschließlich entfallen; der Höhepunkt
dieser Zugänge stellte sich also wie während der früheren Jahre auch im
Herbst ein.
Gck igle
Original from
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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmebkrankungen. 987
Kritische Beurteilung der mikrobiologischen
Stnhlontersnchangeo.
An bakteriologischen Stahluntersuchungen wurden 1910 in der Haupt¬
epidemiezeit des Jahres d. h. diesmal vom 26. VII. bis 31. IX. 1910 381 und
von da bis Ende des Jahres, Dezember 1910 einschließlich — entsprechend
der diesjährigen längeren Dauer der Epidemie — noch weitere 95 aus¬
geführt, somit insgesamt 476.
Bei diesen wurden nur 41 mal bekannte Ruhrbakterien und, wie oben
erwähnt, auf der inneren Abteilung, 23 mal bekannte Ruhrprotozoen,
Ruhramöben, gefunden; dazu kommen noch 111 Fälle mit den geschil¬
derten verdächtigen Keimen.
Nun sind aber unter den (41 +23) = 64 ersteren und unter den
111 letzteren zusammen noch 24 Mischinfektionen. Darunter sind Doppel¬
infektionen mit bekannten Erregern:
1. Ruhramöben und Flexnerbakterien einmal.
2. B. Flexner und B. Y. einmal.
3. B. Shiga-Kruse und das genannte B. Strong einmal.
Die Zahl dieser 24 Mischinfektionen muß von (64 + 111) = 175 ab¬
gezogen werden, so daß alsdann die Summe der aufgeklärten und wahr¬
scheinlich aufgeklärten Fälle noch tiefer sinkt. Danach stellt sich die
Summe derer mit sicheren Erregern und verdächtigen Keimen tatsächlich
nur auf 151.
Aus einer Masse von 476 Rühren und Darmkatarrhen sind somit
nicht weniger denn 325 zurückgeblieben, bei denen der Verdacht, auf
Ruhr-, ruhrähnlichen usw. Bakterien oder auf Amöben zu beruhen, durch
die Untersuchung nicht bestätigt wurde. Dabei soll aber nicht verhehlt
werden, daß noch bei einer Reihe von diesen (d. h. bei weniger als 50)
eine ganze Anzahl untereinander und von den oben aufgezählten ver¬
schiedener Keime mit besonderen Eigenschaften gefunden sind, die sie
beim Auftreten in größeren Gruppen ebenfalls als Krankheitserreger ver¬
dächtig gemacht haben würden; sie wurden einstweilen zurückgestellt, da
die oben geschilderten Gruppenprüfungen keine Zeit für nur einzeln in
die Erscheinung getretene Stämme übrig ließen; ob sie als Infektions- und
damit möglicherweise Epidemieerreger in Frage kommen, das zu ent¬
scheiden muß weiteren Studien Vorbehalten bleiben. Doch werden selbst
diese schon jetzt noch hinzugerechnet, ja auch größere Parasiten als ver¬
dächtige Erreger berücksichtigt, wie z. B. 31 auf der inneren Abteilung
gefundene „Askariden - Infektionen ohne beweisenden Bakterien- oder
Protozoenbefund im Stuhl“ (10 bei Darmkatarrhen, 21 bei Rühren), so
bleibt die Tatsache bestehen, daß für mehr als die Hälfte der unter-
25 *
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
388
Mabtihi:
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suchten Fälle sich weder besondere bakterielle noch protozoische Keime
noch größere Darmparasiten als Erreger verdächtigen ließen.
Hingegen ist mehrfach folgende Beobachtung gemacht worden.
Es erkrankten im Hochsommer bei einem der hiesigen Truppenteile
plötzlich auffällig zahlreiche Teilhaber einer bestimmten Menage mit
Darmkatarrhen und Bühren, während die Teilhaber der anderen Menagen
und, soweit genaue Erkundigungen ergaben, auch die gesamte übrige
Garnison wie Bevölkerung gesund verblieben.
Solcher Beispiele gab es mehrere. Besonderen klimatischen Einflüssen,
die alle anderen nicht mitgetroffen hätten, auch einer Wasserinfektion
waren die betreffenden Menagen sicher nicht ausgesetzt gewesen. Nur in
einem einflußreichen Punkte unterschieden sie sich, — in der Wahl des
Nahrungsmittels. Das war einmal Kartoffelsalat vom Tage vorher, ein
anderes Mal Heringsalat, beides Gerichte, die bekanntlich in feuchtheißer
Zeit einen vorzüglichen Nährboden für Bakterien aller Art darbieten, die
in ungeheurer Masse verzehrt gar keine infektiösen zu sein brauchen, um
zu einer schweren, mit blutigen Entleerungen einherzugehenden Darm¬
erkrankung zu führen; das durch sie und die Atmosphärilien zersetzte
Nahrungsmittel tut das Seinige dazu — und eine Buhrepidemie, scheinbar
durch infektiöse Erreger, ist fertig. Die Untersuchung ergab aber in
diesen Fällen, die bakteriologisch genau durchgeprüft wurden, keinerlei
Bakterien — oder sonstige Erregereinheit; im Gegenteil, es fanden sich im
ersten Falle unter 134 an leichter Buhr bzw. Darmkatarrh Erkrankten
10 mal kulturell Shiga-Kruse-Bakterien gleichende, 8 mal bis auf Bläuung
der Lackmusmolke diesen gleichende, nach Ausfall der Agglutinations¬
prüfungen aber sicher von diesen zu trennende, je 1 mal B. Y., sowie das
oben geschilderte B. Strong und schließlich noch 16 aus verschiedenen der
oben aufgeführten Gruppen, kurz etwa nur 86, also noch nicht der dritte
Teil mit anerkanntem oder nur einigermaßen verdächtigem bakteriellem
Keim, der von den Befallenen vielleicht schon längst geführt und bei
dieser Gelegenheit nur ans Tageslicht gebracht wurde.
Die zweite Massenerkrankung dieser Art betraf 51 Mann mit Bühren
bzw. Darmkatarrhen, unter denen bekannte Buhrkeime bei keinem, ver¬
dächtige nur bei 3 und auch diese noch als untereinander verschiedene,
also nur bei dem siebzehnten Teil erwiesen werden konnten.
Ein dritter Fall einer solchen Epidemie war auf gänzlich unverdauliche
Erbsen zurückzuführen, die sich noch meist kompakt in dem Blute der
untersuchten Stühle fanden; 69 Erkrankungen an Buhr bzw. Darm¬
katarrhen. Die bakterielle Untersuchung verlief hinsichtlich bekannter
Ruhrerreger ebenfalls negativ. Verdächtige aus obigen Gruppen wurden
4 mal nachgewiesen, und auch diese waren noch untereinander verschieden.
Gck igle
Original frum
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Mikrobiologische Ebfahbungen bei Dabmebkbanküngen. 389
Das besagt, daß auch hier nur für den etwa siebzehnten Teil der Er*
krankten bakterielle Infektion möglicherweise in leisen Verdacht kam, für
die Hauptziffer hingegen die mechanische Schädigung als Ursache so gut
wie erwiesen war.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß bei den Ruhr- und Darmkatarrh*
Epidemien Bakterien der hochgiftigen Sorte, Shiga-Kruse-Bakterien, und
solche der giftarmen Gruppen, — siehe oben — eine Bolle spielen. Hin¬
sichtlich der Ansteckungsquelle mit ersteren habe ich feststellen können,
daß eine ruhrkranke Prostituierte echte Shiga-Kruse-Bakterien führte;
damit ist eine Gelegenheit für die Weiterverbreitung unter den hiesigen
Verhältnissen geboten, die an * Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig
läßt. Für die Flexner- und Y-Bakterien sind der Verbreitung ver¬
dächtige Träger oben erwähnt.
Amöben träger sind bereits ebenfalls zahlreich erwiesen, — in den
Kranken, die schmerzfrei einhergehen und nur gelegentlich mit sonst
regelrechtem Stuhle amöbeuhaltige Blutspuren entleeren (11).
Die Ansteckungsgelegenheiten mit Uronema caudatum und Prowazekia
cruzi bieten sich in den zahlreichen Süßwassertümpeln des Sommers.
Mit dem Kot hier hineingeschwemmte Ruhrerreger bakterieller Art mögen
mit ihnen vergesellschaftet auf diesem Wege durch gespülte Wäsche oder
•Gefäße zu den Menschen gelangen.
Eine etwa gleichgroße, eher etwas größere Masse der Erkrankungen
an Ruhr und Darmkatarrhen stellt sich — nach meinen etwa 4jährigen
Erfahrungen am Orte — unzweifelhaft als Nahrungsmittelvergiftungen
dar und zwar meist entstanden durch Nahrungsmittel, die in der feucht¬
heißen Zeit infolge Zersetzung durch bakterielle oder sonstige chemisch
wirkende Einflüsse zu Mitteln umgesetzt sind, die den Darm bis zu
schweren Entzündungen mit blutigen Entleerungen reizen können, zumal
dann wenn noch Vermehrung von Bakterien Platz greift, auf deren be¬
sondere Art es dabei in vielen Fällen anscheinend gar nicht so sehr an¬
zukommen braucht.
Die gleichen Schädigungen können auf mechanisch reizendem Wege
unverdauliche Nahrungsmittel (z. B. die obenerwähnten Erbsen) erzielen.
Unterstützt wird die krankmachende Wirkung zweifellos durch besondere
Witterungseinflüsse auf den stark schwitzenden menschlichen Körper,
z. B. durch plötzliche Abkühlungen des Bauches in der feuchtheißen
Sommerszeit, wozu sich sehr häufig Gelegenheit bietet. Auch das Trinken
imassenhafter Flüssigkeitsmengen, die zum Ersatz der durch Schweiß ver¬
lorenen unbedingt nötig sind, kann nicht ohne Bedeutuug für die Ent¬
wicklung der gesundheitswidrigen Vorgänge im Darm sein. Eine nahezu
indifferente Flüssigkeit, wie das einfache Trinkwasser, wird, in großen
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390
Mabtlni:
Mengen genossen, die „natürlichen Schatzchemikalien gegen zu starkes
Wachstum Ton Bakterien und sonstigen Keimen“ sehr verdünnen, so daß
sie sich, weniger gehemmt als sonst, reichlicher vermehren können.
So erklärt sich die alljährliche Häufung der Ruhr- und Darmkatarrb¬
erkrankungen im Schutzgebiete Kiautschou also nicht bloß durch Einwande¬
rungen infektiöser Bakterien oder Protozoen oder Askariden usw. in den
Darm,, sondern auch unzweifelhaft durch einfache sogen. Nahrungsmittel¬
vergiftungen oder -reizungen und in gewissem Sinne klimatische Einflüsse.
Zusammenstellung und Schutzmaßregeln.
Die Maßnahmen gegen ein Auftreten dieser Sommerepidemien er¬
gaben sich darnach von selbst; sie sind bereits größtenteils in meiner
oben erwähnten Arbeit (12) aufgeführt.
„Es wird die Aufgabe einer hygienischen Überwachung in bezug auf
die DarmkTankheiten hiesiger Gegend sein:
1. das Trinkwasser andauernd gefahrlos genußfahig zu erhalten, z. B.
a) durch stete Überwachung der Zentralanlage zwecks sofortiger Ab¬
hilfe bei Verseuohungsgefahr;
b) in den einzelnen Haushalten durch 5 Minuten langes Kochen des
für Trinkwasserzwecke oder Limonaden usw. bestimmten Leitungswassere;
in porösen, am besten hoch im Winde aufgehängten Tonkrügen ist schnell
Abkühlung erzielt. Ein einwandfreies, kühles Getränk ist fertig und kann
— selbst während der Hochwasserzeit mitten im verseuchten China —
ohne Gefahr als willkommene Erfrischung genossen werden.
2. a) Die Darmkranken sofort zur Untersuchung und Behandlung,
d. h. zur Befreiung von möglicherweise ihnen selbst sehr gefährlichen und
auf andere übertragbaren Keimen zu bewegen, wobei die Hausköche, -boys
und -kulis nicht zu vergessen sind, da sie mit den Bewohnern durch
vielerlei Gelegenheiten, z. B. bei dem Speisebereiten, Geschirreinigen, Ser-
viettenlegen „(die Servietten müssen in besonderen, gut schließenden Taschen,
geschützt gegen Berührung durch fremde Hände, gehalten werden)“ usw.,
stets in nächster Berührung stehen. Es empfiehlt sich dringend, in der
kritischen Zeit, Juli bis Oktober, die Chinesen des Haushaltes mindestens
etwa alle 8 Tage durch einen Arzt untersuchen, Seuchenkranke sofort in
Isolierung und Behandlung nehmen zu lassen. Für diese Zwecke er¬
scheinen die beiden hiesigen Chinesenkrankenanstalten geeignet;
b) häufigere Reinigung der Hände vorzunehmen, das Bedientenpersonal
dauernd hierzu anzuhalten, sowie für äußerste Sauberkeit in der Wohnung,
namentlich in Küchen, Kellern und Anrichten (Eßgerät usw.) ständig
Sorge zu tragen,
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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmerkbankungen. 391
3. in den Zeitläufen der Epidemien dem sachgemäßen Genuß der
Früchte gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Die Früchte, meist
durch schmutzige Hände gegangen, müssen kurz abgebrüht und rein
abgespült werden; vor dem Genuß ist dann die leicht abzulösende Schale
zu entfernen. Das ist selbst bei den Weintrauben, da sie hier bis zur
Größe stattlicher Kirschen erhältlich sind, kein allzugroßer Tribut, der
dem Gesund bleibenwollen gezahlt wird,
4. der Fliegenvertilgung sich eitrigst zu widmen und zwar besonders
im Spätsommer und Herbst; es ist dann gerade die Zeit, in der sich diese
eklen Zweiflügler am leichtesten vernichten lassen, weil sie, bereits weniger
beweglich, am ehesten und zwar gleich in größerer Menge auf einmal
zu fassen sind.
Die Mittel, die in Frage kommen, sind Fliegenfenster, Drahtschutz¬
glocken über den Speisen, Fliegenpapier, in erster Linie „Tanglefoot“,
Fliegenglocken, Dalmatiner Insektenpulver und praktische Fliegenklatschen.
Von letzteren habe ich eine angegeben, die mit besenartig angeordneten,
schmalen, leichten Ratangstreifen die Fliegen treffen läßt und sie hierbei
flugunfähig macht, ohne sie gleich auf der Stelle zerquetschen und den
mitgetroffenen Gegenstand mit ihnen beschmutzen, d. h. möglicherweise
infizieren zu müssen; sie ist billig (15 Cents) und deshalb für Massenbe¬
trieb geeignet. Seit 1 Jahr (nunmehr bereits seit 3 Jahren) bat sie sich
hier in diesem Hauptfliegenlande bereits als brauchbar bewährt. (Die in
der Heimat angewandte, nach gleichem Prinzip hergestellte, teuere Draht¬
klatsche erfüllt den geschilderten Zweck nicht in gleich günstiger Weise.)
Auch scheinen die chemischen Mittel zur Fliegenmadentötung, wie Saprol
und Schistol, gelegentlich Erfolge gehabt zu haben. Es muß vermieden
werden, daß Dung und Kehricht bei den einzelnen Gehöften sich an¬
sammeln. Allabendlich zwischen 8 und 12 Uhr mnß die tägliche Dung-
und Kehrichtanhäufung abgefahren werden. Die menschlichen Entleerun¬
gen kommen hier weniger in Betracht, weil sie größtenteils durch Kana¬
lisation beseitigt werden. Im Winter mnß das trockene Laub umgeharkt
werden, damit die Fliegenlarven an die Oberfläche kommen und erfrieren;
schließlich ist es tief, etwa 1 /, m tief zu vergraben. Viehfutter ist an
Frosttagen zu lüften und umzuschütten, damit die Larven auch hierin
durch Frost vernichtet werden.
Um diese Absichten zu verwirklichen, sind Belehrungen des Publikums
durch Vorträge und Zeitungsartikel nötig. Dabei wird auch derjenige
besondere persönliche Schutz nicht unerwähnt bleiben dürfen, den jeder
aus sich selbst heraus durch Verhütung einer Herabsetzung seiner Wider¬
standsfähigkeit gegen die besprochenen Krankheiten erreichen kann. In
dieser Beziehung sei warnend hervorgehoben, daß der Genuß schwer ver-
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392
Martini:
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baulicher, darunter namentlich mangelhaft zerkauter Nahrungsmittel, eine
nicht zu verkenuende Rolle bei dem Ausbruch der Darmerkrankung so
mancher Person zu spielen scheint. So fanden sich in einer Reihe von
Stühlen Darmkranker massenhaft grobe Reste, z. B. roher Zwiebeln,
Gurken, von Erbsen, Bohnen, Linsen, Tomaten, Weinbeeren, Zimt¬
stücken, Apfelsinengehäusen, Spargeln und sehnigen Fleischstücken. Durch
sie dürfte ein Reizzustand mit Erhöhung der Empfänglichkeit für die
Haftung, Entwicklung und Vermehrung krankmachender Keime bedingt
werden, ein Einfluß, wie er wohl auch den hier zahlreich geführten Ein¬
geweidewürmern (Cestoden, Askariden, Oxyuren und Flagellaten) beige¬
messen werden muß, sofern sie nicht schon allein durch sich selbst schwere
Darmstörungen hervorrufen, die ganz das Bild einer Ruhr selbst bis zu
eiuem Askariden-Leberabszeß bieten können [Fülleborn (13), Bö hm (14)].
Hieraus ergibt sich als Verhalten für die einzelnen:
1. schwerverdauliche Gerichte in der erwähnten Zeit möglichst zu
vermeiden, rohe Gemüse und Früchte nur nach sorgfältigem Zerkauen
herunterzuschlucken,
2. reizende Reste durch eine von Zeit zu Zeit eingeleitete Abführungs¬
kur, am einfachsten mit Oleum Rizini oder Latwerge — etwa alle
4 Wochen — aus dem Darm zu entleeren,
3. den Stuhl auf Eingeweidewürmer, z. B. Band- und Spulwürmer,
täglich selbst durchzusehen und ihn außerdem gelegentlich auf die Eier
dieser Würmer hin durchsuchen zu lassen. Im Falle ihres Vorhandenseins
müssen alsbald die entsprechenden Kuren — hier die Bandwurmkur
(z. B. mit Farnkrautextrakt), dort die Wurmkur (mit Santonin) — eingeleitet
werden. Ja, es würde kein Zuviel des Guten sein, wenn die hiesigen Ein¬
wohner, wie Leute von anderen Plätzen Chinas es tun, auch hier ohne
weiteres alle 3 Monate einer Santoninkur sich für alle Fälle unterwerfen
wollten“.
Hier soll heute noch auf folgende Punkte besonders hingewiesen werden:
1. Das chinesische Bedienungspersonal muß unermüdlich zu größter
Sauberkeit erzogen werden, d. h. neben allem in dieser Hinsicht bereits
empfohlenen ist nach Möglichkeit für reichliche Badegelegenheit der
Chinesen auf dem Gehöfte selbst, am besten für die Einrichtung eines
eigenen Chinesenbaderaumes zu sorgen, an dem es leider fast in allen
Haushalten seither mangelt.
2. Wie schon früher, so wird auch hier nochmals au eine sachgemäße
Auswahl und Behandlungsweise der Nahrungsmittel erinnert. Vor allem
ist daran festzuhalten, daß in der feucbtheißen Zeit alle Speisen frisch
genossen werden müssen, damit sie nicht erst Zersetzungen durch bak-
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Original fro-m
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Mikrobiologische Erfassungen bei Darmebkrankungen. 393
terielle oder sonstige Einflüsse unterliegen können. Freilich könnte ein
sorgfältig kontrollierter Eisschrank diesen Fährlichkeiten teilweise Vorbeugen.
Ob dessen Kontrolle aber stets eine ausreichende sein wird? Dies Risiko
wird der Besitzer im unvermuteten Versagensfalle unter Umständen mit
seinem eigenen Leibe teuer bezahlen müssen.
3. Nahe liegt es, die Träger ansteckender Keime, die sogenannten
Bazillenträger, unter Europäern wie Chinesen ausfindig zu machen, eine
Maßregel, die jedem der heutigen Bakteriologen sozusagen bereits in
Fleisch und Blut übergegangen, in der Heimat weithiu geübt und hier vom
Unterzeichneten, sowie von seinem Vorgänger Trembur (15) ebenfalls
in Betracht gezogen ist. Zunächst langte jedoch für den Unterzeichneten
und seinen Vorgänger bei der außerordentlichen Fülle von Untersuchungen
mannigfaltigster Art und bei dem gleichzeitigen Arbeiten mit der Wut¬
schutzimpfung die Zeit knapp dazu, die in Betracht kommende reichliche
Bakterienflora zu sammeln, geschweige denn unter Gesunden nach Keim¬
trägern dieser zu suchen. Auch nach diesen nunmehr einigermaßen ge¬
leisteten Arbeiten wird es noch schwierig genug sein, schon erfolgreich
allein unter den gesunden Europäern darnach zu forschen — einfach, weil
es an bakteriologischem Personal mangelt. Der einzige Bakteriologe wird schon
diesen kleineren Teil des Werkes — neben seinem sonstigen Routinedienst
nur unvollvommen leisten können. Nun aber erst die Feststellungen unter
den zahlreichen Chinesen mit ihrem weit verzweigten Verkehr und so
häufigen Wechsel innerhalb und außerhalb des Schutzgebietes! Das dürfte
für den einzigen Bakteriologen eine Sisyphusarbeit werden. Gleichwohl
wird sie versucht werden müssen, da mit den entdeckten und unschädlich
gemachten Fällen — und seien es nur vereinzelte — immerhin gefähr¬
liche Ansteckungsquellen ausgeschaltet sind. Zur Beseitigung der Keime
aus dem Darm scheint nach den hiesigen Erfahrungen die von Metsch-
nikoff empfohlene Laktobazilline vorteilhaft zu sein.
4. Der gleichzeitige Befund von Süßwasserprotozoen in hiesigen
Tümpeln und in den Stühlen Ruhr- wie Darmkatarrhkranker erhebt die
Unschädlichmachung, am besten Beseitigung dieser Tümpel zu einem un¬
bedingten Erfordernis.
5. Die zahllosen Hunde der chinesischen Dörfer spielen mit ihrem
Saufen aus Pfützen, Fressen aus Unrat und ihrer außerordentlich engen
Gemeinschaft mit den Einwohnern höchstwahrscheinlich eine Rolle nicht
bloß bei der Verbreitung der Kala azar-, sondern auch der ansteckenden
Darmkrankheiten.
Es muß auf die Bevölkerung gewirkt werden, bei Haltung von Hunden
größte Vorsicht im Verkehr mit ihnen walten zu lassen.
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394
Martini:
Zusammenfassung der Befunde.
Kurz zusammengefaßt sind vom Verfasser mit seinen Arbeiten auf
dem Gebiete der hiesigen Sommerdarmerkrankongen außer Bestätigungen
der Befunde seiner Vorgänger, des Vorhandenseins von Ruhramöben, Shiga-
Kruse-, Flexner- und Paratyphus A-Stäbchen die folgenden weiteren Be¬
funde erhoben worden:
1. Die T.-Bakterien, und zwar gleich als hiesige Hauptruhremger
(nach Kruse Erreger der Ruhr der Irren), darunter eine die Lackmus-
molke bläuende, eine sie rötende Varietät; beide durch die Agglutinations¬
prüfung identifiziert. Feststellung von B. Y. auch bei einem ruhrkranken
Chinesen.
2. Ein dem Y.-Bacterium morphologisch und kulturell gleichende
Stäbchen; durch die Agglutinationsprüfung davon getrennt.
3. Eine Art Strongscher Ruhrbakterien; durch Kulturserien und
Agglutination identifiziert.
4. Kulturell und morphologisch Shiga-Kruse-Bakterien gleichende
Stäbchen; nach dem Fehlen von Spermageruch und dem Ergebnis der
Agglutin ationsprüfung verschieden.
6. Kulturell und morphologisch Shiga - Kruse - Bakterien nahezu
gleichend; Unterschied Bläuung der Lackmusmolke nach einigen Tagen;
nach dem Ergebnis der Agglutinationsprüfung ebenfalls davon verschieden.
6. Wie Nr. 5, nur Bläuung der Lackmusmolke bereits nach 24 Stunden.
7. Das Vorhandensein von Nr. 4, 5 und 6 fordert zur Vorsicht in der
Beurteilung spezifischer Ruhrheilsera auf; sie sind nur bei leicht verlaufen¬
den Rühren und Darmkatarrhen gefunden.
8., 9., 10., 11. und 12. fünf weitere Arten, die den Shiga-Kruse-
Bakterien morphologisch uud in manchen Beziehungen kulturell gleichen,
durch manche deutlich hervortretende kulturelle Eigenschaften aber sofort
von ihnen zu trennen sind.
13. Morphplogisch und kulturell dem Flexnerschen gleichende
Stäbchen; durch die Agglutinationsprüfung davon getrennt.
14. Wie 13; nur außerdem Bläuung der Lackmusmolke.
15. Eine Gruppe kulturell dem B. faecalis alcaligenes gleichender,
aber unbeweglicher Stäbchen.
16. Eine Gruppe morphologisch und kulturell sich wie B. faecalis
alcaligenes verhaltender Bakterien.
17. Eine Gruppe mit vielen kulturellen Merkmalen Paratyphus- (so¬
wohl vom A- wie B-Typus), ähnlicher, aber unbeweglicher Stäbchen, mit
je einer Unterart.
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Mikrobiologische Ebfahbungen bei Da rmerkkamkünqen. 395
18. Eine Gruppe morphologisch Paratyphus B-Bakterien gleichende
und durch manche gemeinsame Kulturmerkmale diesen ähnlicher, beweg¬
licher Bakterien, mit einer Unterart.
19. Erste Feststellung von echten Paratyphus B-Bakterien im Schutz¬
gebiet.
20. Paratyphus B-Bakterien als Erreger von Ruhr.
21. Ein diesen morphologisch und bis auf ausbleibende Bläuung der
Lackmusmolke auch kulturell gleiches Stäbchen, das auch durch die Ag¬
glutination als ein zu ihnen gehöriges bewiesen ist
22. Die Keime von 1 bis 21 müssen — nach den verhältnismäßig
leichten Symptomen der mit ihnen einhergehenden Krankheiten — im
allgemeinen zu den sogenannten giftarmen Ruhrbakterien gerechnet werden.
23. Der Spermageruch kommt den Kulturen des B. Shiga-Kruse in¬
soweit als spezifische Eigenheit zu, als er ihnen, soweit Beobachtungen
vorliegen, niemals fehlt; er kommt aber auch bei anderen Darmbakterien vor.
24. Gegen Ende der Sommer-Herbstepidemie häuften sich Befunde
mit Streptokokken in den Schleimflocken von Stühlen und zwar nicht
selten bei bereits darmgeschwürähnlichen Symptomen.
25. Ein Ciliat unter dem Verdacht, eine der Amöbenruhr ähnliche,
nur im allgemeinen leichter verlaufende Erkrankung hervorzurufen, als
Uronema caudatum bezeichnet.
26. Eia in der Heimat bekannter Flagellat, vielleicht Erreger von
Reizzuständen, Prowazekia cruzi, nicht selten vergesellschaftet mit Amoeba
coli und gelegentlich auch mit Vorticellen.
27. Die letzten beiden Parasiten, Uronema und Prowazekia cruzi,
Süßwasserbewohner, von denen ich den letzteren auch in einem Tümpel
des hiesigen Prostituiertenviertels gefunden habe, weisen darauf hin, daß
die hiesigen zahlreichen Süßwassertümpel, in denen von Chinesen Wäsche
gewaschen, gelegentlich Geschirr gespült und auch gebadet wird, als Ver¬
breiter der RuHren und Darmkatarrhe zu berücksichtigen sind, zumal da
bei beiden Parasitenformen Mischinfektionen mit Ruhrerregern und zwar
namentlich bei der Prowazekia (am häufigsten bei Amöben- und Bakterien-
ruhren, seltener bei einfachen Darmkatarrhen) Vorkommen.
28. Lamblia intestinalis hominis unter dem Verdacht des Erregers
eines chronischen Darmkatarrhs.
29. Zahlreiche Rühren und Darmkatarrhe ohne bakterielle oder proto-
zoische Ursache oder ohne Beziehung zu größeren Darmparasiten, nur durch
chemische, mechanische, und, allgemein ausgedrückt, klimatische Einflüsse.
30. Bazillenträger für B. Flexner und B. Y.
31. B. Shiga-Kruse bei einer chinesischen Prostituierten als Haupt¬
ansteckungsgelegenheit.
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396 M ABT INI : Mlkbobioloo. Eefahbungen bei Dabmebkbankungen.
32. Ruhramöbenträger.
33. Mischinfektionen mit verschiedenen Bakterien, Amöben and Bak¬
terien, sowie mit Amöben, Ciliaten und Prowazekia.
34. Ankylostoma duodenale bei einem Kranken des Hinterlandes (1908).
35. Bestimmung der Ursache für gewisse 1908 herausgefundene
Rühren und Darmkatarrhe des Sommers und Herbstes, ihre Einschrän¬
kung durch möglichste Fernhaltung des Vehikels der betreffenden Erreger¬
gruppen von den Menschen, damit Nachlassen der betreffenden Krank¬
heiten 1909 und schließlich ihr Ausfall mit gänzlicher Beseitigung des
Vehikels 1910, während die oben geschilderten, auf andere Ursachen
zurückzuführenden, gegen die Schutzmaßregeln kaum ergriffen waren,
weiter anhielten.
Literatur-Verzeichnis
1. Martini, Über die Erreger der epidemischen Darmerkranknngen Tsingtaus
im Sommer 1908. Archiv für Schiffs* und Tropenhygiene. 1910. S. 837.
2. Staby, Klinische Beobachtungen bei den Darmerkrankungen des Sommers
und Herbstes 1908 in Tsingtau. Diese Zeitschrift. 1910. S. 368.
3. Lentz, Dysenterie. Handbuch der pathog. Mikroorganismen von Kolle-
Wassermann. 1909. II. Ergänzungsband. Hft 3.
4. Fürth, Über die Agglutination mit Blutserum von Ruhrkraiiken des Jahres
1909 in Tsingtau. Diese Zeitschrift. 1910. S. 579.
5. Trembur, Beobachtungen über Ruhr in den Jahren 1906 bis 1908. Archiv
für Schiffs* und Tropenhygiene. 1908.
6. Lentz, a. a. 0.
7. Hartmann und Chagas , Flagellatenstudien. Memorias do Instituto
Oswaldo Cruz. April 1910.
8. Castellani und Chalmers, Philippine Journal of Science . Juli 1910.
S.2U.
9. Martini, Über Prowazekia cruzi und ihre Beziehungen zur Ätiologie von
ansteckenden Darmkrankheiten zu Tsingtau. Diese Zeitschrift. 1910. S. 275.
10. Derselbe, Über einen bei amöbenruhrähnlicher Dysenterie vorkommenden
Ciliaten. Ebenda. 1910. S. 387.
11. Derselbe, Amöbenträger. Archiv für Schiffs - und Tropenhygiene . 1908.
S. 588.
12. Derselbe, Über die Erreger der epidemischen Darmerkrankungen Tsingtaus
im Sommer 1908. Ebenda. 1910.
13. Fülleborn, über Askariden in der Leber Ebenda. 1908. S. 638.
14. Böhm, Tod infolge massenhafter Askariden? Ebenda . S. 640.
15. Trembur, a. a. O.
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Bemerkungen über „Atypische Wutfälle“.
Von
Prof. V. Babes
ln Bukarest.
Meine kritischen Bemerkungen über „Atypische Wutfälle“ haben
Hrn. J. Koch veranlaßt, auf diesen Gegenstand zurückzukommen und
seine früheren Angaben za ergänzen.
Dennoch aber kann ich nicht umhin, an meinem Standpunkt fest¬
zuhalten, daß bisher Fälle von geheilter paralytischer Wut beim
Menschen nicht wissenschaftlich festgestellt sind, nachdem
auch die zum Teil besser untersuchten Fälle und namentlich auch
ein von Hrn. J. Koch beschriebener Fall von Paralyse beim Menschen
nach Schutzimpfung gegen Wut das Vorkommen von abortiven Wutfällen
beim Menschen meines Erachtens nicht beweisen. A priori leugne ich
ja nicht, daß geheilte Wut in äußerst seltenen Fällen Vorkommen könne.
Vielleicht gehören die Fälle von Broll und Bordoni-Uffreduzi hierher,
doch habe ich für eine Reihe von Fällen von Paralysien nach der Schutz¬
impfung bewiesen, daß dies nicht Fälle von abortiver Wut sind, während
Hr. J. Koch meine Beweise nicht anerkennen will und dieselben als
abortive Wutfalle anspricht. Ich habe dagegen folgendes zu bemerken:
1. Von den von mir beschriebenen nicht rabischen Lähmungen des
Kaninchens sagt J. Koch: „Babes sagt uns damit nichts Neues.“ Diese
Lähmungen sind aber meines Wissens vor mir nicht beschrieben worden.
Daß Hr. J. Koch dieselben beobachtet hatte, will ich gern glauben, doch
hat derselbe seine Beobachtungen leider nicht veröffentlicht. Wenn jetzt
Hr. Koch in 4 von 5 Fällen bei den paralytischen Kaninchen Negrikörper
gefunden hat, so handelt es sich in diesen Fällen natürlich um Wut, da
über Hr. Koch diese Probe früher nicht erwähnt, so war der von mir
geäußerte Zweifel vollkommen berechtigt.
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398
V. Babes:
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2. Hr. Koch sagt: ..Von den mit dem Gehirn einer Knh geimpften
2 Kaninchen starb eines an Kaninchenseuche, das andere ging nach
4 Wochen an einer Paraplegie zugrunde, die 2 Ratten blieben gesund.
Hätte ich es bei dem Tierversuch bewenden lassen, so wäre ich nach
Babes nicht berechtigt gewesen, hier eine positive Tollwutdiagnose zu
stellen.“
Es freut mich zu sehen, daß Hr. Koch in seiner neuen Arbeit meine
Kritik berücksichtigt hat und sich nicht mit der Feststellung der Para-
lysie begnügt, um die Tollwut zu diagnostizieren. Ich habe aber nie be¬
hauptet, daß, wenn bloß ein Tier an Wat (Paralysie, Tod, Xegrische
Körperchen) zugrunde geht, wir nicht berechtigt sind, Wut auzuuehmen:
allerdings wenn auch dieses Kaninchen am Leben geblieben wäre, wie iu
früheren Fällen Kochs, wäre die Diagnose nicht sicher gewesen.
3. Hr. Koch sagt ferner: „Wenn auch 90 Prozent unserer experi¬
mentellen Infektionen die klassischen Wutsymptome zeigen, so ist es doch
verkehrt, die übrigen Fälle schematisieren und die atypisch verlaufenden
als spezifische Infektionen nicht anzuerkennen, weil bei ihnen der Symptom¬
komplex der Tollwut nicht vorhanden ist.“
Wenn diese Bemerkung mir gelten soll, so ist sie nicht berechtigt.
Ich erkenne alle möglichen atypischen Formen von Wut an, doch unter
der Bedingung, daß in solchen Fällen die Wut experimentell oder histo¬
logisch nachgewiesen werde, was aber iu der früheren Mitteilung Kochs
nicht der Fall war.
4. Koch sucht meine Behauptung, daß. wenn wenigstens 3 Kaninchen
vom Gehirne eines verdächtigen Tieres intrakraniell geimpft werden und
alle 3 Tiere gesuud bleiben, Wut ausgeschlossen werden darf, durch
folgenden Versuch zu widerlegen. Ein Hund (Nr. 30) war nach Impfung
mit Straßenwut an Lähmung erkrankt und geheilt worden, war dann aber
eingegangen. Aus seinem Gehirn wurden 2 Kaninchen, 2 Ratten und
2 junge Hunde geimpft. Alle Tiere blieben gesuud außer einem jungen
Hunde, welcher an „konsumptiver Wut“ eingegangen sein soll. Dieser
Fall ist aber durchaus nicht beweisend. Zunächst ist es nicht sicher, ob
der Hund eine abortive Wut oder eine anderartige Paralyse überstanden
hat. Der Hund ging jedenfalls nicht an Wut zugrunde. Zweitens blieben
aber die geimpften Tiere gesuud, nur ein Hund ging an „konsumptiver
Wut“ zugrunde. Es handelt sich hier wohl um Marasmus oder irgend
eine mit Konsumption eiuliergehende Krankheit.
Da aber 1. Hunde oft au Krankheiten, welche mit Konsumption ein¬
hergehen, zugrunde gehen; 2. die übrigen geimpften Tiere nicht an Wut
erkrankten; 3. keinerlei Symptome der Wut bei diesem Hund beschrieben
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Bemessungen über atypische Wutfälle.
899
werden; 4. auch keine Negrischen Körper gefunden wurden, war Hr. J.
Koch keinesfalls berechtigt, hier Tollwut zu diagnostizieren. Leider hat
Hr. Koch versäumt, vom Zentralnervensystem dieses Hundes weiter zu
impfen. Nachdem keine Wutsymptome und keine Negrischen Körper bei
diesem Hunde gefunden wurden, war diese Probe unerläßlich.
Es fehlt also der Beweis dafür, daß der Hund Nr. 30 an Wut zu¬
grunde gegangen ist.
5. Was die Heilung der bereits ausgebrochenen Wut beim Hunde
in der Praxis betrifft, so sind die seltenen Angaben, daß Menschen an
Tollwut starben, während der beißende Hund am Leben verblieb, nicht
ohne weiteres als Beweise zu betrachten, wie dies Hr. J. Koch anzu¬
nehmen scheint. Bisher ist meines Wissens kein einziger derartiger
wissenschaftlich festgestellter Fall bekannt.
6. Hr. Koch schreibt: „Es ist nicht recht einzusehen, warum Babes,
der das Vorkommen abortiver Wuterkrankungen bei Tieren zugibt, be¬
hauptet, daß der Mensch eine Ausnahme mache, und daß durch den Erreger
der Wut hervorgerufene heilbare Paraplegien bei ihm nicht vorkämen.“
Ich habe nicht behauptet, daß abortive paralytische Wutfälle beim
Menschen nicht Vorkommen können; nachdem aber bei Säugetieren
keine sicheren Fälle geheilter natürlicher Straßenwut festgestellt sind, bin
ich geneigt, dasselbe auch solange für den Menschen anzunehmen, bis das
Gegenteil streng wissenschaftlich bewiesen wird.
Der von J. Koch beschriebene Fall von Paralysie beweist durchaus
nicht, daß es sich um abortive Wut handelt.
In dem im Verein mit Mironescu von mir mitgeteilten Fall wurden
8 Kaninchen mit Teilen des Ammonshorn, welches nach Fermi virulenter
sein soll als die Rindensubstanz, der Oblongata und des Rückenmarks
subdural injiziert. Alle 3 Tiere blieben gesund. In einem anderen Falle
gingen von 4 Tieren zwei an Streptokokkenseptikämie zugrunde. Unsere
Erfahrungen am Menschen und an Tieren haben aber gezeigt, daß Strepto¬
kokken den Wuterreger nicht abschwächen, wie dies Hr. Koch vermutet;
im Gegenteil gingen Menschen und Tiere, die mit Wut und Strepto¬
kokken infiziert waren., schneller an Wut zugrunde.
Der Fall, welchen ich im Verein mit Mironescu beschrieben habe,
zeigt folgenden Verlauf:
A. Gh., 42 Jahre. Am 9. IX. 1908 von einem wütenden Hund (Ex¬
periment Wutknötchen) an beiden Händen tief gebissen, wurde am 14. IX.
mit auf 50° erwärmtem Virus usw. 1 geimpft; erkrankte am 25. IX. mit
Kopfschmerzen, belegter Zunge, Gastralgie, großer Schwäche in den Beinen.
1 Babes, Behandlung der Wutkrankheit. Penzold-Stinzing, Therapie. S.Aufi.
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400
V. Babes:
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Die Anamnese ergab außer Neurasthenie und mäßigem Alkoholismus
nichts Besonderes. Es besteht Kopfschmerz, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit,
kein Fieber. Schlaffe Lähmung mit Schwund der Reflexe, Ataxie der Beine,
geringe aktive Beweglichkeit. Der Kranke kann sich schwer aufsetzen.
Oehen unmöglich. Die Lähmung schreitet auf das Diaphragma, den Thorax
und auf die Arme fort Am 28. IX. ins Spital übergefiihrt, zeigt der Kranke
hier gänzliche Lähmung der Beine mit Schmerzen längs des Ischiadicus,
Sensibilität erhalten. Blasen- und Mastdarmlähmung. Elektrische Kontrak-
tibilität geschwunden, Entartungsreaktion, Atembeschwerden, Intelligenz er¬
halten. Coma, Tod am 29. IX.
3 Kaninchen wurden mit Oblongata und Rückenmark subdural geimpft
und blieben monatelang gesund.
I. P. N. wurde am 20. IX. 1909 durch das Hemd an den Armen durch
einen wütenden Hund (Experiment -j- Negrikörper) gebissen, mehrere ober¬
flächliche Verletzungen; das Hemd stellenweise eingerissen.
Vom 26. IX. bis 9. X. behandelt. Die Behandlung beginnt mit
4 tägigem Virus.
Am 8.X. belegte Zunge, Appetitlosigkeit.
9. X. Kopfschmerzen, Schwäche in den Beinen, Appetitlosigkeit, belegte
Zunge, Magendrücken, schlechte Träume, allgemeine Schwäche, im übrigen
Herz, Lunge, Abdomen normal.
10. X. Schlaffe Parese der unteren Extremitäten, Patellarreflexe erloschen.
Der Kranke kann nur mühsam gehen. Ataxie. Sensibilität erhalten.
II. X. Kein Kopfschmerz, Respiration erschwert, beginnende Lähmnng
der Arme, Blasen- und Rektumläbmung. Beine gänzlich gelähmt. Kraft und
Widerstand sehr herabgesetzt. Der Patient kann nicht aufsitzen. Schlaf¬
losigkeit. Ischiadicus, besonders rechts, schmerzhaft.
12. X. Doppelseitige Fazialislähmung, vollständige schlaffe Lähmung
der Beine, Parese der Thoraxmuskulatur, vollständige Blasen- und Mastdarm¬
lähmung. Deutliche Entartungsreaktion. Erstickungssymptome. Abends
Coma. Tod.
Das Gehirn enthält keine Negrikörper, im Rückenmark hochgradige
Myelitis, welche auch die weiße Substanz zerstört hat (Befund wie im ersten
Falle). Vom Gehirn und Rückenmark wurden in unserem Institut 2 Kaninchen
subdural geimpft, zwei andere Kaninchen zur Kontrolle in einem anderen
Laboratorium. Die Tiere waren nach 6 Monaten noch gesund.
Im 3. Falle handelt es sich um den 26jährigen Beamten, G. D., Neu¬
rastheniker, welcher am 23. XII. 1909 am Schenkel durch Beinkleider und
Unterhose, ohne deutlichen Riß der letzteren, von einem wütenden Hunde
(Experiment +, Negrikörper) oberflächlich gebissen wurde. Infektion sehr
fraglich. Kam am 25. XII. in Behandlung. Beginn mit 5 tägigem Virus.
Zeigt am 5.1. belegte Zunge, Appetitlosigkeit, Pulsbeschleunigung, allgemeine
Hinfälligkeit, Schlaflosigkeit. Am 7. I. Lähmung der Beine, Ataxie, welche
rasch fortschreitet, keine Sensibilitätsstörungen. Am 8. I. kann sich Patient
nicht mehr aufrecht erhalten. Etwas Fieber, etwas Delirien. Die Lähmung
schreitet vorwärts, Blasen- und Mastdarmlähmung, Lähmung des Dia¬
phragma, des Thorax, der Arme, Schmerzen längs der Armnerven. Entartungs¬
reaktion.
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Bemerkungen übeb atypische Wutfälle.
401
Am 10.1. Gesichtslähmung, Atemnot, Coma, Tod.
Hier wurden 3 Kaninchen subdural geimpft. Das eine ging nach 2 Tagen
ohne Wutsymptome und ohne bakterielle Infektion zugrunde. Die beiden
anderen Kaninchen blieben monatelang gesund.
Sowohl in diesem als in meinen vier anderen Fällen von schweren
Paralysen nach der Schutzimpfung konnte beobachtet werden, daß die¬
selben (welche immer die Schwere und Topographie des Hundehisses war)
etwa 2 Wochen (11 bis 16 Tage) nach Beginn der Impfung auftraten.
Dieser Umstand spricht meines Erachtens nicht dafür, daß es sich hier
um die Wirkung des Straßenwutvirus handelt, bei dem im allgemeinen,
namentlich nach leichten Verletzungen, die Erkrankuug erst nach 1 bis
2 Monaten aufzutreten pflegt. Eber könnte man daran denken, daß man
es hier mit einer Wirkung eines vom Passagevirus stammenden Toxins zu
tun hat.
Die klinischen Symptome, auf die J. Koch Wert legt, können hier
nicht entscheiden, zumal wenn es sich um einen vereinzelten Fall von
derartiger Paralysie ohne Wutsymptome handelt, bei dem histologische oder
experimentelle Untersuchungen nicht ausgeführt worden sind. Ich habe
viele Tausende von Gebissenen, zahlreiche Wutkranke und zahlreiche der¬
artige Paralysien zu beobachten und zum Teil experimentell zu prüfen.
Gelegenheit gehabt und bin außerstande, meine diesbezügliche Überzeugung
auf Grund des Urteils der von J. Koch angeführten klinischen Autori¬
täten zu ändern.
7. In allen unseren 86 Fällen von rasender und paralytischer Wut
beim Menschen fielen unsere Experimente und in fast allen auch unsere
histologischen Untersuchungen positiv aus, indem, wenn wir 2 bis 4 Tiere
vom Zentralnervensystem der an Wut verstorbenen impften, alle (mit Aus¬
nahme einiger, welche 1 bis 2 Tage nach der Impfung eingingen) an Wut
erkrankten und zugrunde gingen. Bei 20 unter 21 dieser Menschen, bei
welchen Negrikörper gesucht wurden, wurden dieselben gefunden.
Hingegen hatten wir in allen 3 Fällen von Menschen, welche nicht
unter Wutsymptomen, sondern an reinen Paralysien zugrunde gingen,
keinen einzigen Erfolg. Zwei Tiere gingen in einem Falle an Sepsis,
ein Tier in einem anderen Falle am 2. Tage nach der Impfung ohne nach¬
weisbare Infektion zugrunde. Alle übrigen 9 Kaninchen blieben
vollständig gesund. In keinem der 3 Fälle wurden Negrikörper ge¬
funden, in einem der Fälle war der Hund, welcher das betreffende Indi¬
viduum gebissen hatte, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wütend, und
wurde zur Schutzimpfung nur durch Hitze abgetötetes Virus verwendet.
Ebenso war in 4 Fällen mit geheilten, leichteren Paralysien nach der
Schutzimpfung bloß mit abgetötetem Virus geimpft worden.
ZelUchr. f. Ilynlen«. LXIX 26
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Gck igle
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402
V. Babes:
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Ich glaube, daß es in der gesamten experimentellen Pathologie kaum
eine sicherere Beweisführung gibt, als die hier erbrachte, welche feststellt,
daß es tödliche Paralysie gibt, welche nach der Schutzimpfung
gegen Wut auftreten und nicht durch das Wutvirus verursacht
werden. Für die Annahme, daß diese Fälle, oder die Fälle leichter
Paralysien nach der Schutzimpfung, Fälle von abortiver Hundswut seien,
fehlt hingegen jeder Beweis. Dafür, daß diese Paralysien nicht mit dem
Hundebiß, sondern mit der Schutzimpfung Zusammenhängen, spricht, daß
bei nicht behandelten Gebissenen solche Paralysien nicht bekannt sind. Auch
scheint ihre Häufigkeit von der Art der Schutzimpfung abhängig zu sein.
Was die übrigen Versuche betrifft, welche ich bei leichten, in Heilung
übergehenden Lähmungen angestellt habe, Untersuchung des Speichels und
der Cerebrospinalflüssigkeit (in 3 Fällen), so weiß ich wohl, daß diese
Flüssigkeiten sehr oft nicht virulent sind, aber ich selbst fand bei mensch¬
licher Wut unter 9 Fällen 2 mal den Speichel, unter 6 Fällen 2 mal die
Cerebrospinalflüssigkeit virulent, so daß es bei der Unmöglichkeit, das
Wutvirus beim lebenden Menschen auf anderen Wege nachzuweisen ge¬
boten erschien, in unseren Fällen von heilbaren Paralysien auch diese
Experimente nicht zu versäumen.
J. Koch würde seine Ansicht von der abortiven Wut beim Menschen f
in Form leichter Paralysien oder von gastrischen Symptomen mit Fieber
bewiesen haben, wenn er an den mit Speichel oder Cerebrospinalflüssigkeit
seiner Fälle geimpften Tieren Wutsymptome und Negrische Körper hätte
nachweisen können. Wenn er aber keinen anderen Beweis für seine An¬
nahme von abortiver Straßenwut des Menschen meinem großen Tatsachen¬
material gegenüber zu erbringen weiß, als daß er sagt, daß das für den
Menschen schwache fixe Virus nicht zeitweise und für speziell empfindliche
Personen eigentümlich wirksame Toxine enthalten könne, so muß ich aller¬
dings sagen, daß seine Theorie einstweilen auf schwachen Füßen steht. 1
Wenn Hr. J. Koch sagt, daß weinerliche Stimmung, Erbrechen,
Fieber, Speichelfluß, Delirien, Hinfälligkeit oft eine abortive Form der
Wutkrankheit bedeuten, so bin ich überzeugt, daß dieser Behauptung kein
Wutforscher ohne weiteres zustimmen kann. Um derartige Fälle als
solche von „abortiver Wut“ bezeichnen zu können, bedarf es doch anderer
Beweise.
8. Noch einen andern Vorwurf kann ich Hm. J. Koch nicht er¬
sparen. Er behauptet, wohl bloß im Eifer der Diskussion mehrfach, daß
ich Dinge gesagt hätte, deren gerades Gegenteil ich behauptete. So sagt er:
1 Ich brauche kaum daran zu erinnern, daß selbst avirulentes Material toxisch
wirken kann, und daß bei zahlreichen Infektionen eben das absterbende Virus Toxine
in Freiheit setzen kann.
Gck igle
Original frum
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Bemerkungen übeb atypische Wutfälle.
403
„Es ist aber nicht gesagt, daß Gewebsteile die bereits histologische
Veränderungen aufweisen, auch infektionsfähig sein müßten. Oie Schlu߬
folgerung, die Babes macht, trifft nicht zu.“ Ich sage aber in meinen
Schlußfolgerungen gerade das Gegenteil und habe dies als Erster 1
festgestellt! In den Schlußfolgerungen meiner von Hm. J. Koch be¬
sprochenen Arbeit sagte ich ausdrücklich: „Bei Hunden, die subdural mit
Straßenwut infiziert waren, fand ich nach 4 bis 6 Tagen, mehrere
Tage vor der Virulenz der Zentren, Veränderungen der Nervenzellen
und der Gefäße, besonders in Rückenmark und Oblongata.“
9. Im übrigen freut es mich zu sehen, daß Hr. J. Koch in seiner
letzten Arbeit seine Behauptungen über 2 Tage nach intramuskulärer
Infektion im Lendenmark auftretende Nekrosen bedeutend einschränkt.
Aber anderseits geht es doch nicht an, anzunehmen, daß die Tiere mit
diesen Nekrosen und reichlicher Zellwucherung um Gefäße wochenlang
gesund erscheinen.
Ebenso können die leichten, schnell heilenden Paralysien nach der
Schutzimpfung nicht durch Zerstörung der Nervenzellen des Rücken¬
marks erklärt werden, wie dies Hr. J. Koch will, nachdem sich die
Nervenzellen nicht ohne weiteres regenerieren.
10. Was die Leitung des Wutvirus betrifft, habe ich nie behauptet,
daß sich dasselbe „ausschließlich“ durch Nervenleitung verbreitet, so daß
sich mein Standpunkt in dieser Beziehung nicht wesentlich von jenem
Schüders unterscheidet.
Anders steht es aber mit der Stellung Hm. J. Kochs zur Inkubation
der Wut. Paltauf sagt wenigstens klar, daß es ein vergebliches Be¬
mühen ist, die ungleiche Inkubation aus dem Sitze der Verletzung erklären
zu wollen. Hr. Koch sagt zwar, daß er sich dieser Meinung durchaus
anschließt, widerspricht sich aber sogleich im nächsten Satze, indem er
anerkennt, daß „Gesichtsbisse schneller als Bisse an den Händen, und
diese als solche an den Füßen, zum Ausbruch der Wut führen“. Wenn
Hr. Koch dies selbst sagt, so ist es mir unverständlich, daß es ihn „sehr
eigentümlich berührt“, wenn ich dasselbe behaupte, wie er selbst, nämlich,
„daß jene Autoren, welche behaupten, daß kein Unterschied in der Dauer
der Inkubation nach dem Sitz der Verletzungen besteht, im Irrtum sind“.
Daß es sich in den meisten Fällen in der Tat um eine Leitung des
Virus durch Nervenbahnen handelt, haben übrigens Ves tea und Zagari,
sowie ich selbst durch die bekannten Experimente erwiesen. 2
1 Academ. des Sciences Paris. 1898. 14. November.
* Vestea u. Zagari, La Psichiatria. 1887. August etc. — Babes, Studien
über die Wutkrankheit Virchows Archiv. 1887. Bd. CI.
26*
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404 V. Babes: Bemerkungen über atypische Wutfälle.
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Ich habe mich hier darauf beschränkt, Hm. J. Kochs Angriffe kurz
zu widerlegen und behalte mir vor die übrigen, zum Teil recht bemerkens¬
werten Ausführungen Hrn. J. Kochs in meiner demnächst erscheinenden
größeren Monographie über Hundwut zu besprechen. Die erörterten
Fragen sind in der Tat für die antirabische Behandlung höchst wichtig.
Wenn man wie Hr. J. Koch die erwähnten Fälle von Paralyse einfach
auf die Rechnung des Hundebisses stellt, und annimmt, daß das fixe Virus
für den Menschen gänzlich unschädlich sei, kann man sich für berechtigt
halten selbst bei leichten Bissen höchstvirulentes Virus einzuimpfen. In
der Tat wird in der Berliner Wutschutzstation die Behandlung ja auch
mit 3 tägigem Virus begonnen. Bei höchst gefährlichen Wolfsbissen sind
auch wir selbst ausnahmsweise schon nach 24 Stunden auf 1 tägiges,
oder selbst frisches Virus gegangen, nachdem wir aber zuvor eine
Serie abgeschwächten Virus, B. von ßtägigem Virus be¬
ginnend, gegeben hatten.
Zahlreiche Erfahrungen sprechen in der Tat dafür, daß man im
Gegensatz zu anderen Infektionen den Organismus sehr schnell durch
steigende Vaccindosen gegen Wut festigen kann.
Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, daß virulentes Material
bei disponierten Personen leichter zum Auftreten von Paralysien führen
kann, als mäßige Mengen von zunächst abgeschwächtem Virus.
Jedenfalls berechtigen uns die Versuche von Marx und von anderen,
welche eine geringere Virulenz des fixen Virus für Affen und Menschen
in mehreren Fällen nachgewiesen haben, noch nicht ohne zwingende Not¬
wendigkeit, Menschen ohne Vorbereitung vollvirulentes fixes Virus ein¬
zuimpfen. Wir müssen auch bedenken, daß das fixe Virus verschiedener
Institute verschieden stark ist. Unser fixes Virus war eine Zeitlang so
virulent und toxisch geworden, daß Kaninchen nach 5 bis 6 Tagen zugrunde
gingen, und unsere Fälle von Paralysien entsprechen eben jener Epoche.
Ferner konnte ich beim Menschen individuelle Schwankungen der
Empfindlichkeit und namentlich stärkere Empfindlichkeit hei nervösen
und schwächlichen Personen nachweisen, so daß ich nicht empfehlen
kann, die Behandlung ohne sorgfältige Auswahl und mit 3- oder 4 tägigem
Virus zu beginnen.
Überhaupt habe ich den Eindruck erhalten, daß in letzterer Zeit die
verschiedenen antirabischen Institute so verschieden Vorgehen und z. T.
derartige Gegensätze in der Auffassung der Wirkung der Schutzimpfung,
sowie überhaupt in der Pathologie der Hundswut herrschen, daß es erwünscht
wäre, eine Konferenz über Hundswut zu organisieren mit der Aufgabe, zu¬
nächst Normen über die Behandlung der Krankheit festzustellen und dann
auch die strittigen Fragen in betreff derselben zu besprechen und zu klären.
Gck igle
Original frorn
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[Aus dem Bakteriologischen Institut
der Charkower medizinischen Gesellschaft zu Charkow.]
(Direktor: Dr. W. Nedrigailoff.)
Zur Frage von der ätiologischen Bedeutung
der choleraähnlichen Vibrionen.
Von
Dr. L. Kandiba,
Assistenten am Institut.
Kurz nach der Entdeckung des Erregers der asiatischen Cholera durch
R. Koch hatte eine ganze Reihe von Forschern Vibrionen aufgefuuden.
welche sowohl morphologisch wie kulturell eine große Ähnlichkeit mit
dem echten Vibr. cholerae aufwiesen. Derartige Befunde in Stühlen von
Patienten, welche klinisch choleraähuliche Darmerscheinungen boten, hatten
mehrere Autoren veranlaßt, eine Anzahl solcher Vibrionen zu beschreiben
und ohne triftigen Grund in ihnen den ätiologischen Faktor der Cholera
nostras zu erblicken. Als erster muß hier Finkler (1) zitiert werden,
welcher im Jahre 1885 in 7 Fällen von Cholera nostras den heute als
von Finkler-Prior bekannten Keim isolierte. Später sind erschienen
die Arbeiten von Prior und Finkler (2), Grube und Lustig (3),
Holbst(4), Vogler (5), Fischer (6), Ruette und Enoch (7), Zörken-
dörfer (8), Bonhoff (9), Gotschlich (10), Kolle(ll), Pasquale usw.,
welche dasselbe Thema behandeln und wo verschiedene Vibrionen be¬
schrieben sind, die aus dem Organismus von mit akuten choleraähn¬
lichen Darmerscheiuungen behafteten Patienten isoliert worden waren.
Trotz der Tendenz gewisser Autoren, diesen Keimen die ätiologische Be¬
deutung bei den betreffenden Affektionen zuzuschreiben, haben diese Ar¬
beiten, vom modernen Standpunkte aus betrachtet, nur wenig zur Auf¬
klärung der Frage nach der pathogenen Rolle der choleraähnlichen
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406
L. Kandiba :
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Vibrionen für den menschlichen Organismus beigetragen. Sehr wichtig
in dieser Beziehung sind die Arbeiten von Camara-Pestana und
Bettencourt (12) und von Chantenesse und Netter (13) über die
Epidemie in Lissabon im Jahre 1894, sowie die äußerst ausführliche Publi¬
kation von Ko Ile und Gotschlich mit ihren Mitarbeitern (14), welche
die Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchungen und der epidemiolo¬
gischen Beobachtungen der Choleraepidemie in Ägypten behandelt. Auf
diese beiden Abhandlungen soll hier näher eingegangen werden.
Bekanntlich war im Frühjahr 1894 in Lissabon eine heftige Epidemie
von akuten gastrischen Affektionen ausgebrochen, welche sehr an Cholera
erinnerten, aber von äußerst mildem Verlauf waren. Im Laufe weniger
Monate waren bis 15000 Personen erkrankt, darunter war aber nur ein
Fall von Exitus letalis. Obgleich die Einwohner zu hellen Scharen Lissa¬
bon verließen, blieben die Erkrankungen ausschließlich auf diese Stadt
beschränkt und wird mit dem Genuß von Leitungswasser in Zusammen¬
hang gebracht. In 50 Fällen wurden die Stühle (darunter auch vereinzelte
reissuppenähnliche!) bakteriologisch untersucht; 44 mal wurde ein dem
Cholera sowohl morphologisch wie kulturell äußerst ähnlicher Vibrio iso¬
liert, welcher auch im Leitungswasser angetroffen wurde. Auf Grund
serologischer Befunde wurde derselbe als different vom Choleravibrio an¬
erkannt. Das sind die einzigen Angaben in der Literatur, welche bis zu
einem gewissen Grade für die pathogene Bedeutung der choleraähnlichen
Vibrionen für den Menschen sprechen könnten.
Zu ganz verschiedenen Ergebnissen waren Kolle und Gotschlich
gelangt, welche während einer Epidemie in Alexandrien eine Beihe von
Vibrionen isoliert und kulturell sowie serologisch untersucht hatten. Neben
den echten Choleravibrionen wurde auch eine Anzahl von choleraähnlichen
angetroffen, welche sowohl zusammen mit den Choleraerregern, wie auch
selbständig in Fällen von Cholera nostras auftraten. Darunter waren auch
für Tauben hochvirulente, die zur Gruppe des Vibr. Metschnikoffs ge¬
hörten. Niemals waren sie im Stuhl in Reinkulturen, sowie bei echter
Cholera vorhanden; die Isolierung gelang erst auf dem Wege der An¬
reicherung. Die epidemiologische Beobachtung der betreffenden Fälle
spricht entschieden gegen irgendwelche ätiologische Bedeutung dieser
Keime. Ihr Vorhandensein in den Stühlen erklären die Autoren dadurch,
daß sie regelmäßig im Kot von Haustieren (Schweine nach Kutscher)
in schmutzigen Abwässern und auch in offenen Wasserreservoiren zu
finden sind; von dort aus gelangen sie mit dem Trinkwasser in den Darm,
wo sie im Darmsaft günstige Vermehrungsbedinguugen finden, ohne aber
die Epithelialdecke passieren und eine pathogene Wirkung ausüben zu
können.
Gck igle
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Über ätiolog. Bedeutung der choleraähnl. Vibrionen. 407
Die Herkunft der Vibrionen und Angaben von den Patienten.
Wir gehen nunmehr über zur Beschreibung unserer Fälle, die sich
auf die eingangs erörterte Frage beziehen. Unter den 1500 Unter¬
suchungen, die wir im Laufe der Jahre 1907 bis 1910 im Bakteriologischen
Institut der Charkower Medizinischen Gesellschaft auszuführen hatten, han¬
delte es sich 4 mal (abgesehen von den Fällen, wo die Vibrionen erst nach
wiederholter Umimpfung isoliert wurden) dem Aussehen nach um typische
Cholerastühle, in welchen mikroskopisch nahezu in Reinkultur Vibrionen
gefunden worden sind, die außerordentlich den echten Choleravibrionen
ähnlich waren. Auf allen mit diesen Stühlen verimpften Nährböden fanden
wir nach 24 Stunden fast reine Vibrionkulturen. Solange dieselben mit
spezifischem Immunserum noch Dicht untersucht waren, bestand gar kein
Zweifel darüber, daß wir den typischen Choleravibrio vor uns hatten. Erst
auf Grund 'der serologischen Prüfung konnte man die betreffenden Vibrionen
nicht mehr für V. cholerae halten. Um sich über die ätiologische Rolle
dieser Stämme zu orientieren, wird es interessant sein, die Krankenge¬
schichten der betreffenden Patienten kennen zu lernen und die Beschaffen¬
heit ihrer Sera in bezug auf die isolierten Vibrionen zu studieren.
Durch die Liebenswürdigkeit der Herren Dr. Rothenberg und
Dr. Olchowoi konnten wir das in 2 Fällen tun. Im ersten Fall handelt
es sich um folgendes:
Ende April 1910 wurde in Ruttschenkowo (Gouv. Jekatevinoslaw) in
der Zwischenzeit zwischen mehreren Ausbrüchen einer zweifellosen Cholera¬
epidemie unter den dort ansässigen Bergleuten eine Gruppe von 7 Er¬
krankungen beobachtet, von welchen 2 tötlich verliefen und klinisch als
sichere Cholerafälle angesehen worden sind, 5 aber einen leichten Verlauf
hatten und mit Genesung endigten. In einem dieser leichten Fälle haben
wir aus dem Stuhl den einen von unseren choleraähnlichen Vibrionen iso¬
liert, den wir mit der Nr. 843 bezeichneten und später als Vibrio Metschni-
koffs identifizierten. Es wurde auch das Serum dieses Patienten nach der
Genesung untersucht. Die von Dr. Rothenberg mitgeteilten Angaben
lauten folgendermaßen:
Patientin N., Köchin, erkrankte nachts am 3. V. 1910 mit wieder¬
holtem Erbrechen und profuser Diarrhöe und wurde im Laufe des Morgens
in die Isolierungsbaracke des Krankenhauses eingeliefert.
3. V. Patientin, 23 Jahre alt, gut genährt, von kräftigem Körperbau.
Sie macht einen schwerkranken Eindruck. Es besteht ein beträchtlicher
Kräfteverfall, die Augen sind eingesunken, die Stimme schwach. Sie klagt
über Leibschmerzen. Temperatur morgens 36 °, abends 36 • 7 °. Im Laufe
des Tages 5 mal Stuhlgang, kein Erbrechen. Die Stühle von choleratypi¬
scher Beschaffenheit, dünnflüssig, etwas grünlich gefärbt, von Schleimflocken
durchsetzt. Im mikroskopischen Präparat (mit Fuchsin gefärbt) ist eine Un¬
zahl Vibrionen gefunden worden, die außerordentlich dem Choleravibrio
ähnlich waren; andere Bakterien waren nur sehr spärlich vertreten.
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408
L. Kandiba:
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4. V. Stuhlgang 3 mal, Stuhl dünn. Kein Erbrechen. Die Leib-
schmerzen haben nachgelassen, der Allgemeinzustand ist besser. Temperatur
morgens 36°, abends 36*4°.
5 V. Stuhlgang 1 mal, Stuhl breiig. Patientin fühlt sich wohl und
hat sich fast vollkommen erholt. Temperatur morgens 36*7°, abends 36-6°.
7. V. Patientin wird als gesund entlassen auf Grund der telegraphi¬
schen Mitteilung, daß der Stuhl von Choleravibrionen frei ist.
Nach der Ansicht des behandelnden Arztes gehört dieser Fall klinisch
zur Cholera nostras oder zu den leichten Fällen von Cholera. Es ließ
sich kein Zusammenhang feststellen, weder zwischen ihm und den gleich¬
zeitig beobachteten echten Cholerafallen, noch den anderen choleraähn¬
lichen Erkrankungen. Es ist auch interessant zu notieren, daß das Serum
eines anderen Patienten, der zu derselben Gruppe von leichten Cholera-
tällen gehörte und in der Baracke neben einem typischen Cholerakranken
(mit letalem Ausgang) lag, gleichfalls kein spezifisches Verhalten gegen¬
über einem typischen Choleravibrio aufwies. Leider erfolgte in diesem
Fall keine Stuhluntersuchung. Der zweite Fall fand statt in Charkow;
die Krankengeschichte enthält kurz gefaßt folgende Angaben:
Pat. Pr., Schutzmann, zu Charkow, 30 Jahre alt, wurde am 28. Juni 1910
im Stadium algidum in die Cholerabaracke des Nicolaispitals eingelieferr.
Er war seit 4 Tagen krank und blieb bis dahin in seiner Wohnung. In
der uns vom leitenden Arzt der Cholerabaracke Dr. Olchowoi zur Ver¬
fügung gestellten Krankengeschichte ist folgendes notiert: Häufiger Durchfall
und Erbrechen bereits nach Einlieferung des Patienten, herabgesetzte Körper¬
temperatur, Cyanose, vox cholerica, mangelnde Elastizität der Haut, Plätschern-
geräusch im Leibe und fadenförmiger Puls. Diese Symptome erreichten den
Höhepunkt am nächsten Tage (29. VI.). Krämpfe sind nicht beobachtet
worden. Nach 36 Stunden stellte sich ein leichter typhoidaler Zustand ein
mit Temperaturanstieg bis 37*8°, verlangsamtem Puls, Atemnot, Unruhe
und Röte im Gesicht. Dieser Zustand dauerte 2 l / 2 Tage lang. Am 7. Tage
nach der Aufnahme hatte sich der Patient bereits sichtlich erholt, die Stühle
waren von verhältnismäßig normaler Konsistenz. In diesem Fall ließ sich
ebensowenig irgend welcher Zusammenhang mit echten Cholerafällen und \
choleraähnlichen Affektionen feststcllon. Im Stuhl wurden wiederholt in j
enormer Menge und fast in Reinkultur choleraähnlich? Vibrionen festgestellt ,
die wir später mit Nr. 1286 verzeichneten. Es ist interessant zu bemerken,
daß dieser Vibrio noch 2 Wochen nach der Genesung (und Isolierung) des
Patienten in den bereits normalen Stühlen auftrat, aber in so geringen
Mengen, daß die Isolierung nur noch mit großer Mühe gelang. In diesem
Falle konnten wir auch das Verhalten des Serums nach der Genesung unter¬
suchen sowohl in bezug auf den isolierten, sowie auch in bezug auf andere
Vibriostämme. Die weiter zu erwähnenden Vibrionen Tk. und Nr. 1127
sind auch aus Stühlen isoliert worden, welche äußerlich wie typische
Cholerastühle aussahen und aus dem Gouvernement Voronesch zur Unter¬
suchung eingesandt waren. Der Stamm Tk. wurde bereits während der
Gck igle
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Über ätiolog. Bedeutung der cholebaähnl. Vibrionen. 409
Epidemie 1907 isoliert. Die Stühle enthielten diese Vibrionen gleichfalls
in kollosalen Mengen und fast in Reinkultur. Leider konnten wir in diesen
Fällen weder irgend welche Angaben über den Krankheitsverlauf, noch —
selbstverständlich — Serum zur Untersuchung bekommen.
Die Untersuchung der Stühle und die Eigenschaften der
isolierten Vibrionen.
Vor allem möchten wir an dieser Stelle wiederholt betonen, daß in
sämtlichen unserer 4 Fälle die Stühle von typisch cholerischer Beschaffen¬
heit gewesen sind. Die unmittelbare mikroskopische Untersuchung hatte
in ihnen fast ausschließlich die für Choleravibrionen typischen Formen
festgestellt. Auf den mit Schleimflocken beimpften Agarplatten, sowie
im Peptonwasser waren nach 24 Stunden fast ausschließlich Reinkulturen
vorhanden, die durchaus den typischen Cholera Vibrionen ähnlich waren.
Im allgemeinen war in sämtlichen 4 Fällen der Gang und die Ergebnisse
der bakteriologischen Untersuchung der Stühle absolut übereinstimmend
mit echter Cholera. Erst die serologische Prüfung mit spezifischem
Choleraimmunserum zeitigte ein negatives Resultat: die Vibrionen ließen
sich nicht zur Agglutination bringen und mußten somit zu den cholera¬
ähnlichen gezählt werden. Die äußere Beschaffenheit, das Bewegungs¬
vermögen und das farberische Verhalten weisen keine Unterschiede im
Vergleich mit echten Choleravibrioneu auf; man könnte höchstens von
einer geringeren Neigung zur Bildung von bipolaren Formen sprechen.
Weiter besaßen sie sämtlich die Fähigkeit, Gelatine (mit der typischen
Bläschenbildung), sowie erstarrtes Serum energisch zu verflüssigen und
Milch zu koagulieren. Auf traubenzuckerhaltigen Nährböden wurde keine
Gasentwicklung beobachtet. Die Nitrosoindolreaktion war hei allen
Vibrionen deutlich ausgesprochen mit Ausnahme von Vibr. Tk., welcher
nur die Indolreaktiou gab. Das Wachstum auf Kartoffel gab nichts Be¬
sonderes. Hammelblutkörperchenhämolysine wurde von den Vibrionen
«S43, 1286 und 1127 gebildet; Vibr. Tk. und die echten Cholerastämme
(Kontrolle) lösten das Hammelblut nicht auf. Vibr. 843 und Vibr. 1286
besitzen nur eine Geißel. In bezug auf die Virulenz für Tiere ist zu be¬
merken, daß die Vibr. 843 und Vibr. 1286 hoch pathogen waren, sowohl
für Meerschweinchen und Kaninchen, wie für Tauben bei subkutaner,
intravenöser und intraperitonealer Injektion. Bei den verstorbenen Tieren
konnte man stets zahlreiche Vibrionen im Blut und in sämtlichen Organen
nachweisen. Ebenfalls toxisch waren auch die abgetöteten Kulturen
namentlich für Kaninchen. Dagegen waren die Vibr. 1127 und Vibr. Tk.
zu denselben Bedingungen nicht pathogen.
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Gck igle
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410
L. Kandiba :
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Was das Verhalten der von uns isolierten Stämme gegenüber einem
Choleraimmunserum anbetrifft, so ist schon bereits gesagt worden, daß es
konstant negativ gewesen ist. Die Einwirkung des Choleraimmunserums
auf die Stämme 848 und 1286 ist von uns mit Hilfe des Pfeifferscheu
Phänomens, der Agglutination und der Bakteriolyse in vitro untersucht
worden. Im Pfeifferschen Phänomen — ausgeführt nach der deutschen
Instruktion — ergaben sogar die großen Serumdosen (0-1) ein negatives
Resultat und vermochten nicht das Meerschweinchen vor dem Tode zu
retten (sogar bei der Dosis von x / 4 Öse). Zur Agglutination wurden Seren
verschiedener Herkunft verwendet und die Versuche wurden im Laufe
mehrerer Monate mehrfach wiederholt. Nur der Vibr. 848 gab eine
partielle Agglutination mit dem Pferdeanticholeraserum (Titer 1 : 10000)
bis zur Verdünnung 1 : 100 und unterlag überhaupt einigermaßen der
Wirkung der normalen Sera; die übrigen Stämme haben kein einziges
Mal eine Agglutination gezeigt, auch in der Verdünnung von 1:20. Außer¬
dem sind die Stämme noch mit einem spezifischen Antiserum gegen den
Vibr. Metschnikoffs geprüft worden: der Vibr. 843 reagierte mit diesem
Serum bis zur vollen Titergrenze. Dieser Umstand, zusammen mit den
sonstigen Eigenschaften, veranlaßte uns, diesen Stamm als einen Vibr.
Metschnikoffs zu betrachten.
Es wurden nunmehr Kaninchenantisera mit Hilfe der Stämme 843
und 1286 bereitet und Versuche mit der gekreuzten Agglituation ange¬
stellt. Es hat sich ergeben, daß das mit Vibr. 843 bereitete Antiserum
bis zur vollen Titergrenze sowohl den betreffenden Vibrio, sowie den
Vibr. Metschnikoffs agglutinierte; die übrigen Vibrionen — 1286, 1127.
Tk., Cholerastämme, Massauah, Nasik und Finkler-Prior —% reagierteu
mit diesem Antiserum nicht. Das mit Vibr. 1286 bereitete Antiserum
agglutinierte nur seinen eigenen Stamm; das mit Vibr. Metschnikoffs
bereitete Antiserum (vom Hammel gewonnen) agglutinierte nur den
Stamm 843, sowie seinen eigenen Stamm.
Wir sind deshalb so ausführlich auf diese doch ganz elementaren
Versuche eingeuaugen, welche zur Feststellung der Natur der isolierten
Stämme dienten, weil in der letzten Zeit Arbeiten veröffentlicht worden
sind, welche geeignet sind, unsere Ansichten von den Beziehungen des
Choleravibrio zu den choleraähnlichen in ihrer tiefsten Grundlage zu er¬
schüttern (Horowitz [15]).
Aus allen diesen Angaben wird es somit klar, daß die von uns aus
den Fällen von Cholera nostras isolierten Stämmen zweifellos zu den
choleraühulichen gehören.
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über ätiolog. Bedeütüng der choleraähnl. Vibrionen. 411
Untersuchung der Patientensera.
Um ein Urteil darüber zu gewinnen, inwiefern die von uns isolierten
Vibrionen eine ätiologische Bedeutung in der Entwicklung der Erkrankung
des betreffenden Patienten besitzen, müssen wir nun auf die Resultate
der Prüfung der Hera dieser Patienten eingehen. Es standen uns die zu
den Stämmen 843 und 1286 gehörenden Sera zur Verfügung. Zur Kon¬
trolle wurde noch ein Serum von einer sicher an Cholera asiatica er¬
krankten Patientin Er. zum Studium mit herangezogen. Die Blutentnahme
erfolgte überall 8 bis 10 Tage nach der vollständigen Genesung.
Zunächst wollen wir die Ergebnisse der Agglutinationsprüfung be¬
sprechen. Jedes Serum wurde mit den Stämmen 843, 1286, 1127, Tk.,
Vibr. cholerae, Vibr. Metschnikoffs, Massauah, Nasik und Finkler-Prior
in Kontakt gebracht. Das Serum der Patientin Er. agglutinierte komplett
nur den Cholerastamm in der Verdünnung 1 : 40 und partiell bis zur
Verdünnung 1:100. Das Serum des Patienten N., aus dessen Stahl der
Vibr. Metschnikoffs 843 isoliert wurde, agglutinierte nur den Vibr.
Metschnikoffs und den Stamm 843 bis zur Verdünnung 1 : 10. Das
Serum des Patienten Pr., aus dessen Stuhl der Vibr. 1286 isoliert wurde,
agglutinierte keinen von diesen Stämmen, nicht einmal in der Verdünnung
1:2, darunter auch nicht seinen eigenen Stamm (1286).
Wir können nunmehr — abgesehen von der geringfügigen Fähigkeit
des Serum N., seinen eigenen Stamm zu agglutinieren — im allgemeinen
sagen, daß die Sera der Patienten N. und Pr. keine spezifischen, auf ihre
eigenen Stämme wirkenden Agglutininen enthalten, im Gegensatz zu der
Patientin Er., welche echte Cholera durchgemacht hatte.
Ebenso negativ waren die Ergebnisse der Prüfung der bakteriolyti-
schen Fähigkeiten der Seren. Zur Prüfung der Bakterizid ie in vitro wurde
die Methode von Neisser (16) angewendet. Als Komplement diente
frisches Meerschweinchenserum in der Menge von 0-1 ccm , das Gesamt¬
volumen der Flüssigkeit wurde auf 2 com mit physiologischer Kochsalz¬
lösung mit Zusatz von einigen Tropfen von Bouillon aufgefüllt; in jedem
Röhrchen wurde 1 l e000 Öse einer 18 ständigen Vibrioneukultur in 1 ccra
physiologischer Kochsalzlösung zugesetzt. Die Aussaat von 5 Tropfen er¬
folgte auf Platten und verflüssigtem Agar nach einer 4 ständigen Be¬
brütung. Die Tabelle I enthält die Ergebnisse dieser Versuche, und zwar
die Zahl der Kolonien, die sich nach 24 Stunden entwickelt hatten.
Man ersieht aus dieser Tabelle, daß die Eigenschaften eines spezifi¬
schen Immunserums in bezug auf den Gehalt an Bakteriolysinen nur dem
Serum der Cholerapatientin Er. zukommt in ihrer Wirkung auf den
Choleravibrio: derselbe wird abgetötet von 0-00006 com Serum.
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L. Kandiba:
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Die schwache Wirkung des Serums der Patientin N. auf den be¬
treffenden Stamm ist kaum als spezifisch zu betrachten: einerseits unter¬
liegt er nahezu demselben Maßstabe der Einwirkung der anderen Sera,
andererseits besitzen wir zu der Wirkung des Choleraserums auf den
Choleravibrio einen ausgezeichneten Vergleich. Die Wirkung des Serum N.
kann sich gar nicht damit messen.
Das Serum des Patienten Pr. wirkt nicht bakterizid, weder auf den
eigenen (1286), noch auf den echten Cholerastamm. Die Ergebnisse dieser
Vitroversuche sind durch uns durch die Prüfung der Wirkung der Sera N.
und Pr. im Pfeifferschen Phänomen an Meerschweinchen kontrolliert
worden. Sogar große Serummengen (0 • 1 ccm ) gaben mit Vio Öse des be¬
treffenden Stammes ein negatives Resultat, sowohl in bezug auf das
Pfeiffersche Phänomen, wie auf den Tod des Tieres. Zu gleicher Zeit
genügten 0*001 ccm des Serums der Cholera-Patientin Er., um die mit
ihr zusammen in die Peritonealhöhle eingespritzten Choleravibrionen in
typische Granula zu verwandeln und das Meerschweinchen vor dem Tode
zu schützen.
Wir sehen somit, daß die Prüfung der Sera N. und Pr. sowohl nach
der Methode von Neisser, wie nach der von Pfeiffer, keine spezifische,
auf die aus den Stühlen isolierten Vibrionenstämme wirkende Bakterioly-
sine festzustellen vermochte. Nach diesen negativen Resultaten haben
wir noch nach den spezifischen, komplementfixierenden Antikörpern von
Bordet-Gengou in denselben Seren gesucht. Die Blutkörperchen
wurden nach 1 Stunde Sensibilisierung bei 37 0 zugesetzt. Als Antigene
dienten die Wassermannschen Extrakte aus den betreffenden Vibrionen.
Zu diesem Zweck wurde eine 24 ständige Agarkultur in 5 ccm destilliertem
Wasser aufgeschwemmt, 48 Stunden im Schüttelapparat behandelt und
durch scharfes Zentrifugieren von den Bakterienleibern befreit. Durch
Vorversuche wurde das Komplement und der hämolytische Ambozeptor
(Antihammelserum) titriert; die betreffenden Werte betrugen für das
Komplement 0*007 ccm , für den Ambozeptor 0*0002 ccra . Zum eigentlichen
Versuch wurde 0*02 ccm Komplement und 0.0006 ccm Ambozeptor (zur
Sensibilisierung von 0*5 ccm Blutkörperchen in 5 Prozent Aufschwemmung)
verwendet. Die Ergebnisse sind in der Tabelle II zusammengestellt
In Übereinstimmung mit den früheren Versuchen haben wir ge¬
funden, daß nur das Serum der Cholerapatientien Er. eine typische
Bindung mit dem Choleraantigen gab in den Mengen von 0*03 bis 0*02 fC “.
In größeren Mengen gab dasselbe Serum auch eine nicht spezifische par¬
tielle Bindung mit den aus den Vibrionen 843 und 1286 hergestellten
Antigenen.
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Über ätiolog. Bedeutung des oholebaähnl. Vibrionen. 415
Die Sera der Patienten N. und Pr. gaben keine spezifische Bindung
mit den betreffenden Antigenen, sodaß auf dem Wege der Reaktion von
Bordet-Gengou ebenfalls keine spezifischen Immuneigenschaften fest¬
zustellen waren.
Es war noch von Interesse, die Sera unserer Patienten auf ihren
Gehalt an spezifischen Bakteriotropinen zu prüfen. Leider ließen sich aus
diesen nach der Methode von Neufeld (17) angestellten Versuchen keine
Schlüsse ziehen, da unsere Vibrionen einen hohen Grad von spontaner
Phagozytierbarkeit aufwiesen: in dem mit Serum nicht beschickten
Röhrchen war die Phagozytose ebenso stark vorhanden wie in den mit
Serum beschickten.
Schlußfolgerung.
Es ist uns nicht gelungen, im Serum von Patienten, welche eine
akute Darmaffektion durchgemacht hatten, die klinisch in enger Verwandt¬
schaft mit der echten Cholera asiatica stand und mit massenhaftem Auf¬
treten von choleraähnlichen Vibrionen im Stuhl verbunden war, irgend¬
welche spezifische Antikörper zu entdecken sowohl gegenüber dem echten
Choleravibrio, wie gegenüber den aus den Stühlen der betreffenden
Patienten isolierten Stämmen. Das Besagte bezieht sich auf Agglutinine,
Bakteriolysine und auf die komplementbindenden Antikörper von Bordet-
Gengou.
Es ist somit auf Grund der von uns ausgeführten Serumprüfung an¬
zunehmen, daß den von uns aus den Stühlen isolierten choleraähnlichen
Vibriostämmen in unseren Fällen keine ätiologische Bedeutung zukommt.
Für diese Annahme spricht auch der Umstand, daß in vier untereinander
ähnlichen Erkrankungsfallen verschiedene Vibrionen isoliert worden sind.
Andererseits wäre es denkbar, daß die Vibrionen hier die Erkrankung
auf dem Wege verursachten, daß sie während der starken Vermehrung
im Darm giftig wirkende Stoffe produzierten, ohne aber die Epithelialdecke
durchbrochen und dadurch zur Bildung von spezifischen Bakterien anti-
körpern geführt zu haben. In solchem Falle müßten aber die Sera
unserer Patienten antitoxische Eigenschaften besitzen in bezug auf die
von den isolierten Vibrionen gebildeten Toxine. Einige nach dieser Richtung
unternommene Versuche sind aber vollkommen resultatlos geblieben, da
es uns nicht gelungen ist, in den gewöhnlichen Kulturen dieser Stämme
irgend welche Toxine nachzuweisen.
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L. Kandiba: Über ätiolog. Bedeutung usw.
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Literatur-Verzeichnis.
1. Finkler, Tageblatt der 58. Versammlung deutscher Naturforscher u. Ärzte
zu Straßburg. S. 438.
2. Finkler u. Prior, Ergänzungshefte z. Centralblatt f. allgem. Gesundheits¬
pflege. Bd. I. Hft. 5—6.
8. Grube u. Lustig, Baumgartens Jahresbericht um. für 1887.
4. Holst, Norsk Magazin for Laegevidenskaben. 1892.
5. Vogler, Deutsche med. Wochenschrift. 1893. S. 836.
6. Fischer, Ebenda. 1893.
7. Ruette u. Enock, Ebenda. 1894. S. 923.
8. Zörkendörfer, Prager med. Wochenschrift. 1893. S. 519.
9. Bon hoff, Archiv für Hygiene. Bd. XXVI.
10. Gotschlich, Diese Zeitschrift. Bd. XX.
11. Kolle, Handbuch der path. Mikroorganismen von Kolle-Wassermann.
Bd. III.
12. Pestana Camara u. Bettencourt, Centralblatt f. Bakteriol. Bd. XVI.
13. Chantemesse et Netter, La semaine mid. 1894.
14. Kolle u. Gotschlich, Diese Zeitschrift. Bd. XLIV.
15. Horowitz, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. LVIII. Abt. I.
16. Neisser, Gesammelte Arbeiten zur Immunitätsforschung von Ehrlich.
17. Neufeld, Handbuch von Kolle-Wassermann. II. Ergänzungsband.
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[Aus dem König!. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.]
(Direktor: Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaft'ky.)
Über die Bedeutung und Tätigkeit des großen Netzes
bei der peritonealen Infektion.
Von
Prof. Dr. Josef Koch,
Mitglied des Instituts.
(Hierzu Taf. II u. III.)
Das Schicksal der in die Bauchhöhle von Versuchstieren injizierten
Bakterien ist schon häufig Gegenstand der Untersuchung gewesen, haupt¬
sächlich aus dem Grunde, weil die dabei im Peritonealraum sich ab¬
spielenden Vorgänge besonders geeignet sind, über prinzipielle Fragen der
Bakteriologie, nämlich über die wichtige Frage des Unterganges der
Bakterien und die dabei gebildeten bakteriziden Substanzen Klarheit zu
schaffen.
Während bekanntlich R. Pfeiffer die Ansicht vertritt, daß durch
die bei der Immunisierung gebildeten Bakteriolysine der freien Peritoneal¬
flüssigkeit die Auflösung der pathogenen Keime herbeigeführt wird, sind
es nach Metschnikoff zelluläre Vorgänge, besonders die aktive Phago¬
zytose, durch welche die ins Peritoneum gebrachten Bakterien abgetötet
werden.
Trotz zahlreicher einschlägiger Arbeiten ist eine Einigung dieser
beiden Anschauungen bisher nicht erzielt worden.
Um mir ein eigenes Urteil zu bilden, habe ich eine Reihe von Unter¬
suchungen angestellt und zunächst die Frage zu beantworten gesucht, was
aus verschiedenen in die Bauchhöhle der Versuchstiere gebrachten Bakterien
wird. Im Verlauf dieser Arbeit bin ich zu der Ansicht gekommen, daß
Zettochr. f. Hy*ioue. LX1X
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zwar Bakteriolyse und Phagozytose außerordentlich wichtige Mittel des
Organismus im Kampfe mit der Infektion darstellen, daß aber damit die
Zahl der mitwirkenden Faktoren noch nicht erschöpft ist; keineswegs dürfen
wir uns die Bauchhöhle als einen Raum vorstellen, in dem nur der
Lymphe und den Leukozyten die Zerstörung der eingedrungenen Orga¬
nismen obliegt, vielmehr ist der Ablauf der Vorgänge wesentlich kompli¬
zierter. Vor allen Dingen spielt bei diesen Vorgängen ein Organ
eine außerordentlich wichtige Rolle, dessen Bedeutung und
Tätigkeit bisher kaum erkannt ist, nämlich das große Netz.
Bevor ich zum Studium des Verhaltens der Bakterien im Bauch¬
raum überging, habe ich eine Reihe von Vorversuchen mit körnchen¬
förmigen Substanzen angestellt, die ich in die Peritonealhöhle der Ver¬
suchstiere einspritzte. Es ist bereits bekannt, daß sehr fein verteilte
Substanzen wie z. B. Tusche- oder Zinnoberemulsionen hei Einführung in
die Körpergewebe sich zuuächst ebenso verhalten wie Bakterien. Man hat
sich daher schon vielfach in der experimentellen Pathologie derartiger
Substanzen mit großem Nutzen bedient, um die Wege kennen zu lernen,
die pathogene Keime im lebenden Organismus einschlagen. Die An¬
wendung feinster farbiger korpuskularer Elemente hat außerdem noch den
Vorzug, daß sie durch ihre Farbe sich leichter vom Körpergewebe
abheben und auf diese Weise später leichter nachgewiesen werden können.
Wie ich mich durch sehr zahlreiche Versuche überzeugt habe, besteht
in der Tat eine sehr weitgehende Übereinstimmung des Verhaltens fein
verriebener Tuscheemtilsion mit Bakterienaufschwemmungen, soweit die
spezifische Wirkung des betreffenden Bakteriums zunächst außer Betracht
bleibt, die für jeden Mikroorganismus besonders festgestellt werden muß.
Hiervon abgesehen, ist aber die Anwendung von fein verteilten Tusclie-
emulsionen ein ausgezeichnetes Hilfsmittel und ein vorzüglicher Weg¬
weiser beim Studium und für die Beurteilung der späteren Versuche mit
Bakterien.
1. Über das Schicksal der in die Bauchhöhle der Versuchstiere
injizierten Tusche.
Eber die Technik bemerke ich folgendes: Zur Injektion benutzte ich
feinste chinesische Tusche, die auf einem Reihbrett möglichst fein in Koch¬
salzlösung verrieben wird und je nach Belieben mehr oder weniger kon¬
zentriert hergestellt worden kann. Als Versuchstiere dienten mir Mäuse,
Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen, Hunde, Affen, denen wechselnde
Mengen in die Bauchhöhle eingespritzt wurden. Bei Mäusen genügen 0-2.
Meerschweinchen 1-0, Ratten, ()•.'>, Kaninchen 2 ■ 0 einer dichten Tusche-
aufschwemmung. Es empfiehlt sich, zunächst mit den kleinen Versuchstieren zu
beginnen und dann die Versuche an größeren Tieren vorzunchmen. Das ideale
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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 419
Tier für derartige Versuche ist da8 Meerschweinchen, auf das sich die folgen¬
den Angaben zunächst beziehen.
Spritzt man einem Meerschweinchen von etwa 250 fr™ l ccm Tusche¬
emulsion ein und entnimmt nach etwa einer Stunde mittelst feiner Glas-
kapillaren Peritonealflüssigkeit, so kann man zunächst konstatieren, daß
die Flüssigkeit im Bauchraum stark vermehrt ist. Das geht schon daraus
hervor, daß sie bei der Entnahme förmlich in die Kapillare hineinschießt.
Durch die Beimischung der Tusche ist das Transsudat intensiv schwarz
gefärbt. Im hängenden Tropfen sieht man wenige Leukozyten und die
Tusche als unregelmäßige, in lebhafter Molekularbewegung befindliche
schwarze Teilchen. Nach 2 Stunden ist die Zahl der Leukozyten be¬
deutend vermehrt, und man bemerkt, daß die meisten bereits Tusche¬
teilchen ihrem Protoplasma einverleibt haben. Die Farbe des Transsudates
ist dabei schon wesentlich heller geworden. In den folgenden Stunden
nimmt seine Menge bedeutend ab, die Farbe wird heller, die Leukozyten
beladen sich mehr und mehr mit der Tusche und nach 24 Stunden ist
gewöhnlich diese aus der freien Peritonealflüssigkeit, die wieder ihre klare
Farbe angenommen hat, verschwunden. Die Tuscheteilchen befinden sich
jetzt innerhalb der Leukozyten, vorausgesetzt, daß nicht eine zu große
Menge von Farbe einverleibt wurde. Es hat also eine außerordentlich
starke Phagozytose stattgefunden, die im allgemeinen mit der Menge der
eingeführten Tusche parallel läuft. Das Bild, das ein nach 24 Stunden
hergestellter hängender Tropfen der Peritoneallymphe darbietet, ist ein
höchst eigenartiges. Die Tuscheteilchen sind von den Granula der Leuko¬
zyten adsorbiert. Weitere Einzelheiten übergehe ich hier und verweise
auf meine Publikation. 1
Wird das Versuchstier nach 24 Stunden getötet, so kann man folgen¬
den anatomischen Befund erheben. Die freie Peritonealflüssigkeit ist
kaum vermehrt, die Menge entspricht ungefähr der eines normalen Tieres.
Einen eigentümlichen Anblick gewährt das Netz, das gewöhnlich aufgerollt
unterhalb des Magens liegt. Es sieht intensiv schwarz aus, als wenn
sämtliche Tusche sich auf ihm niedergeschlagen hätte. Breitet man es
aber auf einer Glasplatte vorsichtig aus, so sieht man, daß die Tusche
nicht auf dem Netz, sondern innerhalb der zarten Gewebsmaschen in
zierlicher Weise gleich einem Adergeflecht angeordnet sich befindet.
Schwärzliche Streifen begleiten meist die vom Fettgewebe begleiteten Ge¬
fäße. Dabei treten einzelne Fleckchen und Knötchen von miliarer bis
Linsengröße durch ihre intensiv schwarze Färbung besonders stark hervor,
1 Josef Koch, Über den Mechanismus der Phagozytose. Diene Zri/nrhriff.
1911. Bd. LXV1II. S. 80.
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als wenn die Tasche sich hier noch stärker angehäuft hätte. Gewöhnlich
liegen außerdem noch einzelne schwärzliche Massen, die aus einer Unzahl
von Leukozyten mit phagozytierter Tusche bestehen, zwischen den Darm¬
schlingen oder in den Buchten der Peritonealhöhle des Versuchstieres.
Sie lassen sich von der Serosa leicht abheben, während dies beim Netz
nicht der Fall ist.
So oft man den Versuch bei den verschiedenen Versuchstieren, Maus,
Ratte, Meerschweinchen, Kaninchen, Hund auch wiederholen mag, immer
ist es derselbe Befund, stets findet sich fast die gleiche Menge der Tusche
im Gewebe des Netzes.
In derselben Weise fiel auch ein Versuch bei einem Affen aus, der
7 ccm e j ner Tuscheemulsion intraperitoneal erhalten hatte; doch war hier
die Tusche, als das Tier nach 24 Stunden getötet wurde, über das sehr
faltenreiche große Netz viel gleichmäßiger verteilt Nur die fettgewebs-
reichsten Partien zeigten eine intensivere und diffusere Färbung; stärkere
knötchenförmige Anhäufungen der Tusche wie bei den kleineren Tieren
habe ich hier nicht beobachtet, dagegen zeigte das Centrum tendineum
des Zwerchfells eine dichte schwarze Streifung, während das Peritoneum
parietale und die Serosa der Därme keine Veränderungen zeigten.
Das Netz hat also die Fähigkeit, fein verteilte körnchenförmige Sub¬
stanzen nach Injektion in die Bauchhöhle zu resorbieren. Außer dieser
starken und regelmäßigen Resorption durch das Netz ist gewöhnlich eine
weit geringere durch die Lymphbahnen des Centrum tendineum des
Zwerchfells zu konstatieren, das bei diesen Versuchen eine mehr oder
minder starke Strichelung in seiner Kuppe aufweist. Man kann dies be¬
sonders dann beobachten, wenn größere Mengen der Farbstoffemulsion
eingespritzt werden. Auch hier liegt die Tusche im Gewebe, wie mau
sich leicht an Schuittpriiparaten überzeugen kann; auch läßt sie sich durch
Abwisclien nicht entfernen. Daß die Lymphbahnen des Zwerchfells sich
an der Aufsaugung peritonitischer Exsudate beteiligen, ist übrigens eine
bekannte Tatsache.
Auffällig ist jedoch das Verhalten der übrigen Peritoneal¬
höhle, des Peritoneum parietale und der Serosa der Darm¬
schlingen, die sich an der Resorption körnchenförmiger Sub¬
stanzen nicht beteiligen. Jedenfalls habe ich im Tuscheversuch nichts
gefunden, was auf eine nennenswerte Resorption korpuskularer Substanzen
seitens dieser Teile des Peritoneums schließen läßt. Für die mangelnde
Resorptionsfähigkeit dieser Teile spricht auch der Umstand, daß sowohl
Phagozyten, die sich mit Tusche beladen haben, als auch Haufen von
verklumpten Phagozyten längere Zeit im Peritonealraum unverändert
liegen bleiben.
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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 421
Ans den Versuchen geht demnach hervor, daß die Ent¬
fernung korpuskularer Elemente aus der Bauchhöhle in erster
Linie und weitaus zum größten Teile durch das große Netz, in
zweiter Linie durch die Lymphbahnen des Centrum tendineum
des Zwerchfells bewirkt wird.
Auf das Verhalten des großen Netzes gegenüber den in die Bauch¬
höhle gebrachten körnchenformigen Substanzen haben bereits Heusner 1 ,
Heger 2 , Bose 3 aufmerksam gemacht. Heusner hat sich damit be¬
gnügt, lediglich die Tatsache zu konstatieren, ohne auf den wichtigen
und interessanten Mechanismus der Resorption seitens dieses Organes
näher einzugehen.
Es sei mir gestattet, an dieser Stelle zunächst etwas Näheres über
die Anatomie und die herrschenden Ansichten über die Funktion des
Omentum majus vorauszuschicken:
Heusner leitet seine Arbeit „Die physiologische Bedeutung des
großen Netzes“ mit den Worten ein: „Die Bestimmung des großen
Netzes der Säugetiere ist eine ungelöste Frage, und der Streit darüber
reicht bis ins Altertum zurück.“ Und nach einem Rückblick faßt er die
zurzeit bestehenden Ansichten also zusammen: „Neue Autoren sehen in
der Netzschürze ein Absonderungs- und Befeuchtungsorgan oder auch ein
Resorptionsorgan, wieder andere einen Blut- und Lymphbereitungsapparat.
In der neuesten Zeit ist das große Netz infolge der Wichtigkeit, welches
es für die Chirurgie erlangt hat, von verschiedenen Seiten zu einer Schutz¬
vorrichtung gegen pathologische Zufälle erhoben worden, und Albrecht-
Frankfurt vergleicht seine Tätigkeit mit jener der Leukozyten, deren
Fähigkeiten ebenfalls bei Eutzündungsprozesseu zur vollen Entfaltung ge¬
langen können.“ Nach Heusner kann jedoch das große Netz seiner
Hauptbestimmung nach nicht als eine Schutzvorrichtung bezeichnet
werden; denn es gibt kein Organ für pathologische Ausnahmefälle.
Über die Anatomie des Netzes, vor allem über die Frage, ob hier
Lymphgefäße Vorkommen oder nicht, sind die Ansichten geteilt. Nach
Suzuki 4 sind bezüglich der Art der Resorption im Laufe der Zeit zwei
vollkommen divergierende Ansichten hervorgetreten; während die einen
1 Heusner. Die physiologische Bedeutung des großen Netzes. Münchener
med. Wochenschrift. 1905.
* Heger, Contribution a l'etude experimentale des ibnctions du grand epiploon.
Annales de la Soc. Royale des Sciences mcdicales de Bruxelles. 1904. T. XIII.
* Rose, Das Verhalten des großen Netzes nach intraperitonealen Injektionen
körniger Stoffe. Inaug.-Diss. Straßburg 1907.
4 Suzuki, Über die Resorption im Omentum majus des Menschen. Virchows
Archiv . Bd. CCII.
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Autoren, z. B. Albert von Haller, Chaussier und Adelon, Eccles.
Norris, Luschka, resorbierende Lymphgefäße im großen Netz be¬
schrieben haben, leugnen andere ihr Vorkommen im großen Netz. In den
meisten Lehrbüchern der normalen Anatomie findet sich nichts näheres über
die Lymphgefäße des Omentum majus erwähnt, selbst nicht in dem aus¬
gezeichneten Werke von Bartels 1 „Das Lymphgefäßsystem“. Auf die
Literatur näher einzugeben, muß ich mir hier versagen; ich verweise auf
die literarische Übersicht bei Suzuki.
Suzuki selbst hat auf Anregung Chiaris, der in einem Falle von
in Spontanheilung begriffener lokaler Abreibung des linken Leberlappeus
in Schnitten vom großen Netz Leberzellen und Gallengangsepithelien in
erweiterten Lymphgefäßen gefunden hatte, die Frage der Lymphgefäße
und den Nachweis resorbierter Substanzen beim menschlichen Netz an
einem größeren Material studiert. Durch die mikroskopische Untersuchung
konnte er in den Lymphgefäßen sehr verschiedenen Inhalt nachweisen.
Leberzellen, Gallengangsepithelien, Pankreaszellen, Geschwulstzellen, rote
und weiße Blutkörperchen und auch Bakterien. Alle diese Elemente
waren, wie Suzuki schreibt, zweifellos von der Bauchhöhle in die
Lymphgefäße des Omentum majus gelangt. Er zieht aus seinen Unter¬
suchungen deu Schluß, daß 1. das Omentum majus regelmäßig reichliche
Lymphgefäße besitzt, daß 2. die verschiedenen korpuskularen Elemente,
die in der Bauchhöhle als abnormer Inhalt auftreten, auch in die Lymph¬
gefäße des Omentum majus eintreten, und daß 3. infolgedessen das
Omentum majus bei Infektionen des Peritoneums als ein schützendes
Organ der Bauchhöhle anzusehen ist, ja, daß es geradezu sehr wesentlich
daran beteiligt ist, die Bauchhöhle rein zu halten.
Auch nach meinen Untersuchungen ist das Netz ein Organ, das
neben Blutgefäßen regelmäßig Lymphgefäße enthält. Nicht nur beim
Menschen, sondern auch bei den kleineren Säugetieren gelingt es, nach
zahlreichen eigenen Untersuchungen in Netzschnitten Lymphgefäße und
Lymphknoten nachzuweisen. Norris 2 hat die Verhältnisse beim Kaninchen
genauer untersucht. Er teilt die Lymphgefäße in zwei Gruppen ein; die
größeren tiefen verlaufen in Begleitung der Blutgefäße, während die kleinen
oberflächlichen nach allen Richtungen das Netz durchziehen. Den Anfang
der kleinen Lymphgefäße sollen die sogenannten von Recklinghausen-
schen Saftkanälchen bilden. Diese kommunizieren mit den Lymph-
kapillaren und diese münden in die großen Lymphstämme. Die Lympb-
1 Bartels, Das Lympligeläßsysteni. 17. Lieferung des Handbuches der Anatomie
des Menschen. Herausgegeben von Karl von Bardeleben. Bd. 111. Abt. IV.
2 Norris, Hüll, tneil. Univ. of l'ennsyle. 1908— 19o9. Vol. XXL
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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 423
gefäße des großen Netzes laufen in mehreren Lymphdrüsen im obersten
Teil des großen Netzes an der Curvatura major ventriculi zusammen.
Über die sonstige feinere Histologie des großen Netzes sei
folgendes bemerkt: Beim Menschen zeigt es areolären Bau und besteht aus
anastomosierenden Bindegewebsbündeln, die ein zierliches Netz mit poly¬
gonalen oder rechteckigen Maschen bilden und Fibroblasten enthalten. Die
Lymphgefäße verlaufen nach Suzuki meist mit den Blutgefäßen, zuweilen
aber auch zwischen den Blutgefäßen. Von Recklinghausen hat zur
Unterscheidung der Lymph- und Blutgefäße, die sehr schwierig ist, an¬
gegeben, daß die Wandungen der Lymphgefäße an den Knotenpunkten
nach außen hin konkav sind.
Ein Stück Netz eines jungen normalen Kaninchens vom proximalen,
unterhalb des Magens gelegenen Teil habe ich auf der Taf. II, Zeichnung
Nr. 1 wiedergegeben. Wie die Abbildung zeigt, kommen hier (auch beim
Meerschweinchen) 1. teils diffuse, teils schärfer begrenzte, an Lymph-
follikel erinnernde Zellkomplexe verschiedener Größe vor, die bis auf die
größten durchweg einer bindegewebigen Umhüllung entbehren. Im ganzen
Netz, besonders aber auch in der Nähe dieser aus Lymphozyten bestehenden
Zellaggregate sieht man 2. zahlreiche große und polymorphkernige Zellen
(s. Taf. II, Fig. 2), deren Protoplasma aus zahlreichen eosinophilen
Granula besteht. In sehr großer Anzahl habe ich sie auch entlang den
Blut- und Lymphgefäßen, dem Fettgewebe, das die Gefäße eiuscheidet,
angelagert gefunden. Es sind starke Phagozyten. Im Tusche versuch,
der über die Verbreitung dieser Zellen im Netz sehr guten Aufschluß
gibt, kann mau sehen, daß ihre Granula die Farbstoff!eilcheu massenhaft
adsorbiert haben.
Über die zeitigen Elemente der Lymphe und der serösen Höhlen,
sowie über die physiologische Bedeutung des Netzes haben Weidenreich 1
und Schott® wertvolle Mitteilungen gemacht.
Nach Weidenreich enthalten die serösen Höhlen, besonders die
Bauchhöhle, in ihrem spärlichen normalen Transsudat stets Zellelemeute.
Bei allen Tieren kommen große protoplasmareiche rundkernige Zellen vor,
die als abgestoßene Endothelien oder eingewanderte Blutelemente (Lympho¬
zyten) oder als losgelöste adventitielle Zellen der Netzgetäße angesprochen
1 Weidenreieh, Über die zeitigen Klemente der Lymphe und der serösen
Holden. Verhandl. der Anatom. Gesellschaft auf der '21. Versammlung am 24. bis
27. April 1907 zu Würzburg.
* Schott, Morphologische and experimentelle Untersuchungen über Bedeutung
und Herkunft der Zellen der serösen Höhlen und der sogenannten Makrophagen.
Inaug.-Diss. Straßburg. Archiv für mikr. Anatomie und Entwicklungsgeschichte.
1909. Bd. LXXIV.
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werden. Daneben finden sich z. B. beim Meerschweinchen zahlreiche
rund- und polymorphkernige eosinophile Leukozyten und spärliche Lympho¬
zyten. Sehr spärlich sind die polynukleären Leukozyten vertreten.
Trifft das Peritoneum ein Beiz, so ändert sich das Bild, indem sehr
zahlreiche polynukleäre Leukozyten aus den byperämischeu Gefäßen aus¬
treten. Diese Leukozyten gehen nach Weidenreich im Exsudat sehr
schnell zugrunde. Entweder zerfallen sie, oder sie werden von den großen
rundkernigen Zellen (Makrophagen) aufgenommen. Bei wiederholter
Reizung wandern aus dem Blut keine polynukleären Leukozyten mehr aus.
Das Exsudat besteht fast nur noch aus Makrophagen, aus jenen großen
rundkernigen Zeilen und eosinophilen rund- und polymorphkernigen Leu¬
kozyten. Die beiden Formen zeigen nach Weidenreich zahlreiche
Mitosen. Es handelt sich also hier um eine autochthone Zellbildung
innerhalb der Bauchhöhle. Weideureich behauptet, daß die großen
protoplasmareichen rundkernigeu Zellen, die nach ihm charakteristische
Bestandteile der normalen und der entzündlichen Peritonealfiüssigkeit
darstellen, losgelöste Peritonealendothelien sind, die ihre phagozytäre
Eigenschaft in hohem Maße auch innerhalb des Netzes entfalten und die
aus dem Blut austretenden polynukleären Leukozyten sofort in sich auf-
nelimen.
Nach meinen Untersuchungen kommen als phagozytäre Elemente der
Bauchhöhle zwei große Zellengruppen in Betracht, die wir mit Metschni-
koff als Makro- und Mikrophagen bezeichnen können.
Die Mikropliagen oder polynukleären Leukozyten stammen aus dem
Blut und wandern, sobald die Peritonealhöhle von einem Reiz betroffen
wird, aus den hyperämischen Gefäßen des Netzes aus.
Zu den Makrophagen rechne ich die großen mononukleären, proto¬
plasmareichen rundkernigen Zelleu, die hauptsächlich minderwertige und
abgestorbene Zellelemente aufuehmeu, vor allem aber die eosinophilen
Zellen, deren Protoplasma aus eiuer Unzahl von Granula besteht. Diese
beiden verschiedenen Makrophagen stammen nicht aus dem Blut, sondern
aus dem Netz; die auf der Taf. II, Figur Nr. 2 abgebildeten Zellen sind
keineswegs identisch mit den eosinophilen Leukozyten des Blutes. Bei
bakterieller peritonealer Infektion sind es diese Makrophagen hauptsächlich,
die Mikroorganismen sowie Farbstoffteilchen vermittelst ihrer Granula in
großer Menge adsorbieren und in ihrer Kreßtätigkeit den polynukleären bei
weitem überlegen sind.
Auf Grund meiner Untersuchungen stimme ich mit
Weidenreich und Schott darin überein, daß die Makrophagen
des entzündlichen Peritouealexsudates ursprünglich sessile
Zellen des Netzes sind, die auf einen entzündlichen Reiz zu
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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 425
Phagozyten werden, indem sie sich zum Teil aus dem Zellver-
bande lösen und zu freien Elementen werden.
Auch über die physiologische Bedeutung des Netzes bin ich
zu derselben Ansicht wie Weidenreich gekommen, der folgende Auf¬
fassung vertritt.
„Das Netz ist zu charakterisieren als ein in der Fläche entfalteter
lymphoider Apparat, gleichwertig dem Reticulum der Lymphbahuen und
der Sekundärknötchen der Lymphknoten nebst den in ihnen enthaltenen
Zellen. Dieser lymphoide Apparat ist aufgehängt in der einem Lymph-
raum entsprechenden Peritonealhöhle; das Netz ist durchbrochen, so daß
Flüssigkeit wie korpuskuläre Elemente hindurchpassieren können, wie die
Lymphe durch das Reticulum der Lymphbahuen. Allenthalben im Netz
können Sekuudärknötchen (Ansammlung von Lymphozyten) sich bilden,
die sogenannten „taches laiteuses“ Ranviers. Physiologisch wirken die
Zellen des Netzes wie die der Lymphdrüsen, indem sie sowohl Zellen pro¬
duzieren, die frei werden können und in den Lymphraum gelangen —
das siud jene großen rundkernigen Zellen der Peritonealflüssigkeit, als
auch solche, die innerhalb des Organs selbst Verwendung linden — die¬
selben Zellen und Lymphozyten.“
Auf welche Weise kommt nun die Aufnahme körnchen¬
förmiger Substanzen durch das Netz zustande?
Daß nach der Einspritzung frei im Exsudat der Bauchhöhle schwim¬
mende Tuscheteilchen nach 24 Stunden in erheblicher Menge von den
Leukozyten phagozytiert sind, steht fest. Das Fortschreiten der Phagozy¬
tose läßt sich ja durch die Kontrolle des Peritouealexsudates im Laufe der
24 Stunden genau verfolgen. Die Menge der nach 24 Stunden innerhalb
der Bauchhöhle in den Phagozyten gelegenen, von den Granula adsor¬
bierten Tuscheteilchen entspricht aber nicht im entferntesten der ganzen
eingespritzten Menge, sondern sie stellt nur einen kleinen Teil, gewisser¬
maßen nur den Rest der im Bauchraum zurückgebliebenen Farbstofl-
teilchen dar. Die Hauptmenge ist aus ihm verschwunden, und da mau
bei der Untersuchung des Netzes — die sehr leicht auszuführen ist, indem
man die durchsichtigen Partien über einem Objektträger ausbreitet und
unter dem Mikroskop betrachtet — konstatieren kann, daß die Tusche¬
teilchen sich in einer Unmenge von Phagozyten innerhalb des Netzes
eingeschlossen finden, so müssen wir annehmen, daß die Phagozyten in
den Peritouealraum eingewandert, die Farbteilchen phagozytiert und ins
Netz zurückgewaudert sind. Diese vermittelst der Phagozyten statt¬
findende Resorption korpuskularer Elemente aus der Bauch¬
höhle in das große Netz möchte ich als indirekte bezeichnen.
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Josef Koch:
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Bei der Untersuchung des Netzes derartiger Versuchstiere sieht man
jedoch, daß nicht nur die eigentlichen Wanderzelleu, die Mikro- und
Makrophagen, sondern auch fixe Phagozyten, nämlich die Endothelien der
Lymphgefäße, die Farbstoffteilchen aufgenommen haben. Ja man findet
die Tusche hier und da auch frei im Lumen der Lymphgefäße. Daraus
geht mit Sicherheit hervor, daß die Lymphgefäße des Netzes korpus¬
kulare Elemente auch direkt ohne Vermittlung der Phagozyten
aufsaugen können. Es kommt also neben der indirekten auch
eine direkte Resorption durch die Lymphbahnen des Netzes
vor. Hierfür spricht auch die Schnelligkeit der Aufnahme; denn schon
kurze Zeit nach der Injektion liegt ein großer Teil des Farbstoffes im
Netz, wovon man sich leicht nach Tötung des Tieres überzeugen kann,
während Leukozyten im allgemeinen in den ersten 2 Stunden nach der
Einspritzung nur spärlich im Peritoneum vorhanden sind.
Die mit den Farbstoffteilchen beladenen Makrophagen trifft man teils
einzeln, teils zu Gruppen vereinigt, in den durchsichtigen Partien des
Netzes an; vor allem aber findet man sie in großer Anzahl zu beiden
Seiten des Fettgewebes, in das die Gefäße eingebettet sind, so daß schon
bei makroskopischer Betrachtung diese Stellen als schwarze Streifen auf¬
fällen. In die Gefäße selbst dringen sie nicht ein. Ich habe bei
zahlreichen Untersuchungen kein eiuziges Gefäß getroffen, wo ein Tusche¬
leukozyt in einem Gefäß, Vene oder Arterie, gelegen hätte.
Eine starke Anhäufung der Tuschephagozyten findet weiter
in den Lymphknötchen, und besonders in den an der Wurzel
des Netzes gelegenen Lymphknoten statt. Diese fallen daher
schon makroskopisch durch ihre intensiv schwarze Farbe auf. Um ein
klares Bild der Verhältnisse zu gewinnen, ist es nötig, diese Partien am
gehärteten Präparat zu studieren. Man kann dann sehen, daß die Auf¬
nahme der Tusche seitens der Phagozyten innerhalb der Lymphknötchen
eine durchaus ungleichmäßige ist. Die Mikrophagen enthalten zwar fast
ohne Ausnahme kleine Tuschepartikelchen in ihrem Zellenleibe, doch
werden sie von anderen Zellen ganz in den Schatten gestellt, die voll¬
gepfropft mit Tusche, wie schwarze Kugeln vom übrigen Gewebe sich ab-
hebeu. Diese Zellen sind die zwei verschiedenen Arten der Makrophagen.
Sie entstammen, wie bereits oben bemerkt, nicht dem Blute, wie die poly¬
nukleären Leukozyten, sondern dem lymphoiden Apparate des großen Netzes.
Von hohem Interesse und für den Mechanismus der Entstehung einer
allgemeinen Infektion vom Peritoneum aus wichtig ist die Frage nach
dem weiteren Schicksal der körnchenförmigen Substanzen. Ich hatte be¬
reits festgestellt, daß der bei weitem größte Teil der in die Bauchhöhle
injizierten Farbstoffmenge von den leukozytäreu • Elementen des Netzes
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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 427
und den Lymphknötchen festgehalten wird, und daß ein Best innerhalb
der Leukozyten in der Bauchhöhle selbst liegen bleibt. Weiter hatte ich
mitgeteilt, daß ein geringer Teil durch die Lymphbahnen des Centrum
tendineum aufgenommen wird. Diese Lymphbahnen perforieren das
Zwerchfell und nehmen ihren weiteren Verlauf mit den Venae mediasti-
nales retrosternal, wo sie oberhalb der Brustapertur ihren Inhalt in den
großen Ductus chyliferus abführen. In dem Verlauf dieser retrosternalen
Lymphstränge sind Lymphknoten eingeschaltet, und zwar liegen beim
Meerschweinchen und Kaninchen je zwei ungefähr in der Höhe der dritten
Rippe, zwei oberhalb der oberen Brustapertur. Auch beim Affen und
beim Menschen finden sich im Verlauf der restrosternaleu Lymph¬
gefäße kleine Lymphdrüsen. Wenn man den Versuchstieren reichlich
Tusche intraperitoneal injiziert und die Tiere nach 48 Stunden tötet,
so heben sich diese Lymphknötchen durch ihre intensiv schwarze Farbe
deutlich von ihrer .Umgebung ab, ein Beweis, daß die Farbstoffteilchen
hier abgelagert wurden. Die Kenntnis dieser, der Peritonealhöhle ent¬
stammenden, das Zwerchfell perforierenden Lymphbahnen mit ihren
eingeschalteten Lymphknötchen ist von größter Wichtigkeit; deun sie
zeigen uns den Weg, auf dem ein Bruchteil der korpuskularen Substanzen
und Bakterien in die Lymphe und sekundär in den allgemeinen Blutkreis¬
lauf geraten kann. Die Infektion des Blutes durch Bakterien
vom infizierten Peritoneum aus erfolgt also nicht direkt durch
die Blutgefäße der Peritonealhöhle, sondern auf indirektem
Wege durch die ableitenden Lymphgefäße. Aber auch hier hat
der zweckmäßig gebaute Organismus gegen eine ungehinderte Überflutung
des Blutes Barrieren geschaffen, indem in die ableiteuden Lymphbahnen
Lymphknoten eiugeschoben sind, die den größten Teil der mit fremden
Bestandteilen beladenen Leukozyten abfangen.
Für die von mir geschilderte Infektion des Blutes und weiterhin der
verschiedenen Körperorgane von der Peritonealhöhle aus lassen sich noch
weitere Beweise anführen. Wenn man Tuschetiere nach 24 Stunden tötet
und vom Parenchym der Leber und Milz Abstriche macht, so findet man
fast stets spärliche Tuschezellen, und zwar die großen mononukleären
Phagozyten. Da weder Leber noch Milz direkte Verbindungen mit dem
freien Peritonealraume haben, so können sie nur auf dem eben geschil¬
derten Wege mit dem Blutstrom in diese Organe gelangt sein. Wenn
wirklich eine direkte Kommunikation dieser Organe mit der Bauchhöhle
bestände, so müßten die Tuschephagozyten weit zahlreicher hier angetroffen
werden; aber nur wenigen Zellen gelingt es, alle Barrieren zu passieren,
ehe sie in den Hauptlymphstrom und sekundär in die allgemeine Blut¬
zirkulation gelangen.
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II. Über das Schicksal der in die Peritonealhöhle injizierten
Bakterien.
Nachdem vermittelst des Tuscheversuches das Schicksal der iu die
Bauchhöhle injizierten Farbstoffemulsionen festgestellt war, war es nicht
schwer, dasjenige der Bakterien genauer zu verfolgen. Die Frage, auf
welche Weise Bakterien aus der Bauchhöhle verschwinden, hat seit Beginn
der bakteriologischen Ära die Forscher gefesselt, und besonders in letzter
Zeit ist das Problem von chirurgischer Seite verschiedentlich experimentell
zu lösen versucht worden.
Peiser 1 * und Glimm® sind der Ansicht, daß die Bakterien von den
Lymphbahnen des Peritoneums aufgenommen werden; indes liegen, wie
Danielsen 3 bemerkt, bisher keiuerlei sichere Beweise für diese Behaup¬
tung vor. Nach ihm muß auch die Vermutung anderer Forscher (Ber¬
telsmann), die Bakterien würden durch die Blutbahn aus der Bauchhöhle
resorbiert, so lange respektiert werden, bis vollgültige Beweise vorliegen.
Danielseu selbst hat die Frage durch Tierversuche zu entscheiden
versucht. Zu diesem Zweck legte er bei Hunden den Ductus thoracicus
frei und versuchte, in ihn eine feine Kanüle einzubiuden, oder begnügte
sich mit der Freilegung und entnahm dem eröffneten Gefäß Lymphe mit
der ausgeglühten Platinscblinge. In die freigelegte Carotis externa band
er eine ausgekochte Glaskanüle ein, darauf injizierte er eine ganze, in
steriler Kochsalzlösung aufgeschwemmte Colikultur in die Bauchhöhle;
in verschiedenen Zwischenräumen wurde dann Blut und Lymphe ent¬
nommen und auf passende Nährböden übertragen.
Bei den in dieser Weise augestellten Versuchen konnten in der
Lymphe des Ductus thoracicus die in die Bauchhöhle gebrachten Colibak-
terien nachgewiesen werden, während in dem zu gleicher Zeit entnommenen
Blut sich kein einziges Bacterium coli zeigte.
Da es mir darauf ankam, zunächst einmal den reinen Resorptions¬
vorgang eines Bakteriums, das sich der bakteriziden Tätigkeit der freien
Peritonealflüssigkeit gegenüber resistent erwies, kennen zu lernen, so habe
ich meine Versuche mit Tuberkelbazillen menschlichen und tierischen
Ursprungs begonnen.
Die Kaninchen von 1500 lfrm Gewicht erhielten 0*03 s rm (Typus
boviuus), Meerschweinchen 0 • 02 fc' rm (Typus humauus) einer feinen, in
Kochsalzlösung verriebenen Aufschwemmung von Tuberkelbazillen intra-
1 Peiser, Bruns Beiträge. Bd. XLV.
8 Glimm, Deutsche Zeitschrift für Chiru^qie. Bd. JjXXIII.
3 Dan ieisen. Über die Schutzvorrichtungen in der Bauchhöhle. Habilitations¬
schrift. Lau]»]i jr., Tübingen 19<>7.
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Über die Bedeutung u. Tätigkeit dfs grossen Netzes usw. 429
peritoneal eingespritzt Zwar ist die Menge der injizierten Bazillen immer¬
hin eine beträchtliche; aber für den Zweck der Feststellung der Resorp¬
tion und des ersten Verlaufes der Infektion war eine größere Dosis vor¬
zuziehen, da die Bazillen im infizierten Tiere dann später leichter auf¬
gefunden werden konnten.
Entnimmt man 1 Stunde nach der Einspritzung Peritonealexsudat,
so ist die Phagozytose bereits im Gange, aber es sind doch nur verhält¬
nismäßig wenige Mikro- und Makrophagen sichtbar. In den folgenden
Stunden nimmt die Leukozytose zu, und man sieht schon zahlreiche
Stäbchen im Innern der Phagozyten.
Nach 7 Stunden ist das Peritonealexsudat so reich an poly- und
mononukleären Leukozyten, daß man glaubt, Eiter vor sich zu haben.
Etwa ein Drittel der Zellen haben Tuberkelbazillen im Innern.
Die mononukleären zeichnen sich dadurch aus, daß sie meist voll¬
gestopft sind mit Bazillen, während die polynukleären meist nur vereinzelte
Stäbchen aufgenommen haben. Freie Bazillen findet man in der Peritoneal¬
flüssigkeit nur mehr ganz vereinzelt.
Nach 9 Stunden hat sich das Bild insofern geändert, ais etwa 2 / 3 der
Zellen Tuberkelbazillen phagozytiert haben. Außerhalb der Zellen befindet
sich kaum noch ein Bacillus.
Nach 24 Stunden enthält die Bauchhöhle noch zahlreiche Phagozyten,
doch hat die Zahl der Zellen, die Bazillen in ihrem Protoplasma aufweisen,
stark abgenommen.
Will man sich Klarheit darüber verschaffen, wo die Bazillen geblieben
sind, so ist es nötig, das Tier zu töten. Erfolgt die Sektion 24 bis 48 Stunden
nach der Infektion, so erscheint die Bauchhöhle zunächst nicht verändert.
Die Serosa des Darmes und das Peritoneum parietale ist spiegelnd, glatt
und glänzend, nur das Netz liegt zusammengerollt unterhalb des Magens,
ist ödematös, stärker wie normal gerötet, manchmal mit weißlichen Fibrin¬
flocken bedeckt und verklebt. Die Lymphknötchen, die sonst nicht sichtbar
sind, sind jetzt stark vergrößert, von gelbweißem Aussehen, gleich als wenn
sie eitrig erweicht wären. Durch ihre Größe und gelbweiße Farbe treten
sie deutlich hervor (vgl. Taf. II, Zeichnung Nr. 3). Zerquetscht man ein
größeres Lymphknötchen und färbt den Ausstrich auf Tuberkelbazillen, so
ist mau erstaunt über die große Anzahl der sich hier vorfindenden
Stäbchen.
Über die Zahl und Lokalisation der Bazillen in den Lymphknoten und
dem übrigen Gewebe des Netzes geben Schnittpräparate genauen Auf¬
schluß. Die Menge der Stäbchen innerhalb der größeren Lymphknoten
ist oft enorm; färbt man nach Ziehl, so erscheint das Gewebe des
Knötchens oft ganz rot. Die Stäbchen liegen teils vereinzelt oder zu
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mehreren in den dicht aneinander liegenden polynukleären Leukozyten,
teils finden sie sich angehäuft in einzelnen Zellen, die über das ganze Ge¬
sichtsfeld verstreut sind. Außer diesen in Zellen eingeschlossenen Stäbchen
sind aber noch große Bazillenrasen vorhanden, die offenbar kleine, trotz
sorgfältiger Verreibung nicht in einzelne Stäbchen aufgelöste Brockel der
injizierten Kultur darstellen. Eine Reaktion seitens des Gewebes ist trotz
der großen Menge der auf engem Raum zusammenliegenden Bazillen kaum
vorhanden. Aber nicht nur die Lymphknoten, sondern auch die kleinen,
aus Lymphozyten bestehenden Zellaggregate, sowie die einzelnen oder zu
mehreren in dem Maschengewebe des Netzes liegenden leukozytären
Elemente enthalten die nach Ziehl rot gefärbten Stäbchen.
Der Weg, den die Bazillen genommen haben, um aus der freien
Bauchhöhle in das Netz zu gelangen, ist nicht schwer zu verfolgen.
Von einer Vernichtung der Keime durch die eingewanderten Mikro-
und Makrophagen im Peritonealraum selbst kann keine Rede sein, aber
als Transportzellen haben die Phagozyten eine großartige Tätigkeit ent¬
faltet, indem sie fast alle in die freie Peritonealflüssigkeit injizierten
Bazillen bis auf wenige Reste, die in Leukozyten eingeschlossen, in der
Bauchhöhle verblieben sind, in das Netz und zwar hauptsächlich in die
Lymphknötchen befördert und dort abgelagert haben (vgl. Taf. III, Mikro¬
photographie Nr. 1).
Was den weiteren Verlauf der peritonealen tuberkulösen In¬
fektion des Meerschweinchens und Kaninchens anbetrifft, so gehen die
durch das Netz abgefangenen Bazillen hier nicht zugrunde, sondern ver¬
ursachen typische Netzveränderungen. Nach etwa 14 Tagen ist aus
dem aufgerollten Netz ein wurstförmiger Tumor von gelbweißer Farbe und
derber Beschaffenheit geworden, der unterhalb der großen Kurvatur des
Magens gelegen ist und an Stellen, wo zahlreiche Bazillen hingerieten,
bereits verkäst ist. Die Milz ist um diese Zeit auch schon vergrößert,
zeigt aber nur feinste, eben sichtbare Knötchen in ihrem Parenchym.
Makroskopisch sieht man au den übrigen Organen der Bauchhöhle sowie
au den Lungen noch keine Veränderungen. Die miliaren Knötchen der
Milz verdanken ihre Entstehung Tuberkelbazillen, die von Phagozyten ver¬
schleppt, durch die dem Peritoneum entstammenden Lymphgefäße in den
Hauptlymphstrom und sekundär ins Blut eingeschwemmt sind, genau, wie
ich es bei den Tuschezellen, die man in der Milz und Leber nach intra-
peritonealer Injektion von Tusche antrifft, geschildert habe.
Wir sehen also, daß der Mechanismus der peritonealen Infektion mit
Tuberkelbazillen d. h. was die erste Phase, die Resorption der Bazillen
aus der Bauchhöhle anbetrifft, genau in derselben Weise verläuft wie beim
Tuscheversuch. Sobald die Bazillen innerhalb des lymphoiden Gewebes
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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 431
des Netzes sich befinden, können sie ihre spezifischen Eigenschaften ent¬
falten, die schließlich zur Zerstörung der Phagozyten und Verkäsung des
umliegenden Gewebes führen.
Weitere Versuche, den Mechanismus der peritonealen In¬
fektion bei den gewöhnlichen Eitererregern zu erforschen, habe
ich bei jungen Kaninchen und Meerschweinchen mit Staphylo- und
Streptokokken angestellt. Um die Tätigkeit des Netzes bei diesen In¬
fektionen frei von Nebenerscheinungen zu beobachten, muß man natürlich
untertödliche Dosen nehmen. Beim Staphylococcus, jungen Kaninchen
intraperitoneal injiziert, genügt eine Öse virulenter Agarkultur. Es würde
mich zu weit führen, hier den Gang der Infektion genauer zu schildern.
Soweit die erste Phase, das Verschwinden der Kokken aus dem Peritoneal¬
raum in Betracht kommt, ist er genau derselbe wie bei der Infektion mit
Tuberkelbazillen. Die Phagozytose ist bei der Staphylo- und Streptomykose,
sofern keine zu großen Mengen verwandt werden, besonders ausgesprochen,
gleichgültig, ob man virulente oder wenig virulente Stämme benutzt.
Tötet man ein Staphylo- oder Streptokokkentier nach 24 Stunden, so
erscheint das Netz wenig verändert. Es hat sich aufgerollt und nur dort,
wo größere Lymphknötchen im Netz liegen, sieht man stärkere Rötung
und Injektion der Geläße. Die größten, an der Wurzel des Netzes
liegenden Lymphknötchen beherbergen große Mengen von in Phagozyten
eingeschlossenen Kokken, wovon man sich leicht an nach Gram gefärbten
Schnittpräparaten überzeugen kann. Bei dieser Anhäufung von Kokken
handelt es sich keineswegs um eine Vermehrung, sondern lediglich um
eine Verschleppung und Ablagerung auf dem verhältnismäßig kleinen
Raum • eines Lymphknötchens durch die Leukozyten. Nirgendwo sieht
man, daß die Kokken in das benachbarte Gewebe eindriugen, nirgendwo
die Zeichen einer progredienten Entzündung.
Die Versuche mit Pneumokokken, Bacterium coli, Diphtherie- und
Milzbrandbazillen fielen in derselben Weise aus.
Wie gestaltet sich nun das weitere Schicksal der Bakterien nach
ihrer Ablagerung durch die Leukozyten im lymphoiden Ge¬
webe des Netzes?
Nach Metschnikoff, der den Phagozyten die ausschlaggebende
Rolle bei der Vernichtung der Mikroorganismen zuerteilt, sollen bekanntlich
die Bakterien im Protoplasma der Leukozyten verdaut werden und zwar
innerhalb der Bauchhöhle.
Es kann jedoch darüber kein Zweifel bestehen, daß eine Reihe von
pathogenen Keimen wie z. B. Strepto- und Pneumokokken, Diphtherie- und
Typhusbazillen, Choleravibrionen, Bacterium pyocyaneumu.a. zum geringen
Teil schon in der freien Peritonealflüssigkeit beim nicht immunisierten
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Tier ihren Untergang finden. Dafür spricht das Vorkommen von
Degenerationsformen, die man bei sorgfältiger Untersuchung des Peritoueal-
exsudates stets konstatieren kann. Der größere Teil wird allerdings von
den Phagozyten aufgenommen. Es fragt sich aber, ob die innerhalb der
Leukozyten liegenden Keime hier abgetötet werden oder nicht Für
manche Bakterien, wie z. B. den Tuberkelbacillus, Staphylokokken kann
diese Frage heute wohl verneint werden. Bei einer weiteren Reihe von
Keimen, virulenten Strepto- und Pneumokokken, sowie Diphtheriebazillen,
habe ich öfter das Peritonealexsudat der infizierten Tiere 24 Stunden
nach der Injektion, als ich mich überzeugt hatte, daß sämtliche Keime
sich innerhalb der Phagozyten befanden, auf passenden Nährböden aus-
gestrichen, aber stets ein gutes Wachstum der betreffenden Bakterien er¬
halten, ein Beweis, daß diese Keime noch nicht von den Phagozyten ver¬
nichtet waren. Man könnte ja den Einwand machen, daß sich auch noch
freie Bakterien im Peritonealexsudat befunden haben könnten, die meiner
Kontrolle entgangen wären. Um diesem Einwand zu begegnen, habe ich
nicht die freien, noch in der Bauchhöhle befindlichen, sondern die bereits
in die Lymphknötchen des Netzes eiugewanderten, mit Bakterien be¬
ladenen Leukozyten zur Aussaat auf Nährböden benutzt, indem ich die
größten Knötchen nach 24 bis 48 Stunden sorgfältig aus der Umgebung
herauspräparierte, sie mehreremal in Kochsalzlösung wusch, sie dann zer¬
quetschte und dieses Material auf die Nährböden brachte. Auch hier
erhielt ich bei den genannten pathogenen Keimen stets ein reichliches
Wachstum. Also selbst im lymphoiden Gewebe des Netzes waren in den
ersten Tagen die Keime noch lebensfähig. Die Dipbtherietiere starben
gewöhnlich nach 3 Tagen. Außer im Netz fanden sich im Orgauismus
des Meerschweinchens keine Bazillen. Der Tod der Tiere ist offenbar auf
eine Toxinwirkung von den im Netz abgelagerten Bazillen zurückzuführen.
Versuchstiere, die mit Strepto-, Staphylo- und Pneumokokken iufiziert
worden waren, blieben dagegen am Leben. Hier mußte also allmählich
eine Abtötung innerhalb der Lymphknötchen des Netzes erfolgt sein. Wenn
man bedenkt, eine wie große Menge der pathogenen Keime in den größten
dieser Lymphknötchen zusammengetragen wird, so läßt sich daraus der
Schluß ziehen, daß die bakterizide Kraft eines derartigen Zellkomplexes eine
außerordentliche sein muß. Wie die Bazillen hier vernichtet werden, kann
ich allerdings nicht sagen. Der Vorgang des Unterganges von Bakterien
ist uns ja auch bei den Lymphdrüsen des übrigen Körpers nicht bekannt,
nur soviel wissen wir, daß ihr bakterizides Vermögen ein gewaltiges ist.
Gegenüber diesen Versuchen am nicht präparierten Tier
war es von großem Interesse, die Vorgänge in der Bauchhöhle
immunisierter Tiere zu verfolgen.
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Über die Bedeutung ü. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 433
Wenn man Meerschweinchen und Kaninchen mit Strepto-, Pneumo¬
kokken, Milzbrandbazillen u. a. vorbehandelt, so gewinnt das Peritoneal¬
exsudat dadurch eine außerordentlich starke bakteriolytische Fähigkeit für
diese Bakterien, eine Tatsache, die uns durch die klassischen Untersuchungen
R. Pfeiffers für andere Bakterien, den Choleravibrio und Typhusbacillus
bekannt ist. Durch diese starke bakterizide Tätigkeit verschwinden die
Bakterien sehr schnell aus der Bauchhöhle, indem sie in der Peritoneal¬
flüssigkeit zum größten Teile aufgelöst werden. Wichtig ist, daß im
immunisierten Tier eine Reaktion von seiten der aus dem Blut stammenden
polynukleären Leukozyten fast gänzlich ausbleibt, während Makrophagen
gewöhnlich in großer Anzahl im Exsudat, vielfach zu kleinen Häufchen
verklumpt, aus dem Netz in die freie Bauchhöhle eingewandert sind. Die
Auflösung der Bakterien läßt sich besonders gut an sporenhaltigen Milz¬
brandbazillen studieren. Man kann unter dem Mikroskop verfolgen, wie
die Konturen der Bazillen allmählich verschwinden, während die einzelnen
Sporen des Stäbchens keine Veränderungen erleiden. Der Prozeß verläuft
sehr schnell, so daß man 20 Minuten nach der Einspritzung nur Sporen,
die allerdings ebenso wie ein Teil der Bazillen gierig von den Makrophagen
gefressen werden, im Exsudat finden kann. In derselben Weise verläuft
der Prozeß der Auflösung bei den Strepto- und Pneumokokken, gleich¬
zeitig allerdings auch hier mit einer energischen Phagozytose seitens der
Makrophagen, die mit den Resten und Trümmern der Bakterien vom Netz
aufgenommeu werden. Ein anderer Teil wird direkt von den Lymph-
bahnen des Lymphnetzes resorbiert.
Die Darstellung, die ich von den beim Untergang der Bakterien in
der Bauchhöhle sich abspielenden Vorgängen gegeben habe, weicht in einer
Reihe von Punkten von der zurzeit herrschenden Lehre ab. Vor allem
kann ich der Ansicht Metschnikoffs, daß die Vernichtung der Keime
im Peritonealraum durch die eingewauderten Phagozyten vor sich gehe,
nicht zustimmen.
Der Prozeß beim vorbehandelten ist wesentlich verschieden
von dem beim normalen Versuchstiere. Während beim immuni¬
sierten Tier der Untergang der Keime in der Hauptsache
durch die bakteriolytische Tätigkeit des Peritonealexsudats,
also extrazellulär im Sinne R. Pfeiffers schnell entschieden
wird, ist der Verlauf beim nicht immunisierten Versuchstier
viel langsamer und komplizierter, indem die Vernichtung der
Keime hauptsächlich im lymphoiden Gewebe des Netzes vor
sich geht, wohin die Bakterien teils direkt resorbiert, teils
indirekt durch die Mikro- und Makrophagen abgelagert
werden.
ZeiUchr. f. Hygiene. LXIX
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Das iSchicks.il der in die Bauchhöhle eingeführteu pathogeuen Keime
wird also nicht durch einen einzigen, sondern durch eine Reihe von mit-
wirkenden Faktoren entschieden. Wenn wir sie hinsichtlich ihrer Be¬
teiligung an der Keimabtötung prüfen, so können wir sagen, daß die
Phagozytose dasjenige Phänomen ist, das bei sämtlichen
Bakterien regelmäßig und am sinnfälligsten in die Erschei¬
nung tritt, während der Vorgang der Auflösung im Exsudat sich meist
dem Auge des Beobachters entzieht. Daß die Phagozyten virulente,
lebensfähige Keime aufnehmeu können, muß zugegeben werden. Keines¬
wegs ist aber die Aufnahme gleichbedeutend mit einer Abtötung im
Leukozytenleibe, vielmehr tritt diese erst innerhalb der einzelnen Lymph¬
knötchen und Drüsen ein. In diese mit hoher bakterizider Kraft ver¬
sehenen Stätten gelangen sie allerdings durch die Wanderzellen. Die
Tätigkeit der letzteren ist also dahin zu charakterisieren, daß
sie in erster Linie Resorptionszellen sind, wie eine Reihe hervor¬
ragender Forscher, z. B. R. Pfeiffer, Baumgarten u. a. stets hervor¬
gehoben haben.
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Erklärung der Abbildungen.
(Taf. II u. IIL)
Tafel IL
Zeichnung Nr. 1 u. 2.
Stellt einen Schnitt durch den proximalen Teil des großen Netzes eines jungen
Kaninchens (1500 fMn ) bei schwächerer Vergrößerung ( Winkel (Je. 3 Obj. 3) dar. Man
sieht in dem Maschenwerk des Netzes ein größeres, aus Lymphozyten bestehendes
Lymphknötchen und zwei kleinere, ebenfalls aus Lymphozyten bestehende Zoll¬
aggregate. Die überall irn Gewebe sichtbaren eosinophilen Zellen sind in der Figur
Nr. 2 bei starker Vergrößerung (Zeiss Apochrom. Comp. Oe. 8) dargestellt.
Zeichnung Nr. 3.
Ist angefertigt vom Netz eines 1500schweren jungen Kaninchens (natür¬
liche Größe), das eine Tuberkclbazillencmulsion (0*03 * rm ) intraperitoneal erhalten
hatte. Auf der Zeichnung treten die gelbweißen kleineren und größeren Lymph¬
knötchen, die besonders im Verlauf der Gefäße sieh linden, plastisch hervor. Das
Tier war 4s Stunden nach der Kinspritzung getötet worden. Unten links am Netz
liegt die Milz.
Tafel IIL 1
Mikrophotogramin Nr. 1. (Vergr. 50 fach.)
Zeigt bei schwacher Vergrößerung einen Schnitt eines großen Lymphknötchens
des vorhergehenden Hildes. Die schwarzen unregelmäßigen Schollen, die sich be¬
sonders au den Ländern dos Drüsengewebes finden, stellen Drücket der Bazillen¬
emulsion dar, die als solche von Leukozyten in das Lymphknötchen transportiert
wurden. Die große längliche schwarze Stelle oben rechts ist ein Kunstprodukt (Um-
schlagsfalte im Schnitt).
Mikrophotogramin Nr. 2. (Vergr. 900 fach.)
Auf dem Bild ist ein Lymphgefäß vom großen Netz zu sehen, in dessen Inneren
sieh zahlreiche, meist degenerierte Wanderzellen befinden, die mit Milzbrandbazilhm
oder deren Besten erfüllt sind. Ivs finden sich aber auch freie Trümmer von Milz¬
brandbazillen innerhalb des Lymphgefäßes. Das Tier war mit einer Öse virulenter
Milzbrandkultur intraperitoneal geimpft und nach etwa 30 Stunden verendet.
1 Die Mikrophotugramme verdanke ich der Güte des Hrn. Prof. Zcttnow.
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[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.]
(Direktor-. Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaffky.)
U ntersn ch ungen
über die Lokalisation der Bakterien, das Verhalten des
Knochenmarkes nnd die Veränderungen der Knochen,
insbesondere der Epiphysen, bei Infektionskrankheiten.
Mit Bemerkungen zur Theorie der Rachitis . 1
Von
Prof. Dr. Josef Koch,
Mitglied des Instituts.
(Hierzu T»f. IV VIII )
Es ist bekannt, daß die Epiphysen und Gelenke bei einer Reihe vou
Infektionskrankheiten mit Vorliebe zu erkranken pflegen; auch gilt das
Knochenmark als eine hervorragende Stätte sowohl der Ablagerung als
auch des Unterganges von Bakterien. In einer früheren Publikation 2 habe
ich darauf aufmerksam gemacht, daß auch im Epiphysenmark der Knochen
von Kindern der ersten Lebensjahre, die an Infektionskrankheiten oder deren
Folgezustäuden gestorben waren, sich fast regelmäßig Bakterien kulturell
und histologisch nachweisen lassen, und daß besonders die Rippen dieser
Fälle vielfach die ersten Anfänge der rachitischen Kuochenstörung zeigen.
Diese Befunde, sowie die Lücken, die unsere Kenntnisse über die
Einwirkung von Bakterien auf den Knochen und seine Adnexe aufweisen,
ließen es erwünscht erscheinen, etwas Genaueres über das Vorkommen
der Bakterien an den Epiphysen, über die wichtige Frage der Ablagerung
uud des Unterganges der Mikroorganismen im Knochenmark und die Ver-
1 Abgekürzt vorgetragen auf der 5. Tagung der freien Vereinigung für Mikro¬
biologie in Dresden 8. bis 10. Juni 1911.
2 Verhandlungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft 13. Tagung, gehalten
in Leipzig 1909.
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Josef Koch: Untersuchungen über die Lokalisation usw. 437
änderungen der Knochen selbst experimentell festzustellen. Auf diese
Weise hoffte ich, zugleich Anhaltspunkte für die schwierige Beurteilung
der Bakterienbefunde in den rachitischen Knochen zu gewinnen.
Soweit ich die Literatur übersehe, haben diese verschiedenen Fragen,
abgesehen von den Arbeiten E. Fraenkels 1 , bisher entweder gar keine oder
nur eine sehr dürftige Beantwortung erfahren. Experimentell sind sie meines
Wissens systematisch überhaupt noch nicht geprüft worden. Es handelt
sich also um einen ersten Versuch, und da die Untersuchungen eines
größeren Materials sehr zeitraubend sind, so habe ich mich zunächst auf
bestimmte Bakterien und Versuchstiere beschränken müssen; immerhin
dürften die Resultate meiner Studien in theoretischer wie praktischer Be¬
ziehung nicht ohne Interesse sein.
Technik and Untersochungsmateri&l.
Das Arbeiten mit den kleinsten Versuchstieren, Mäusen, Ratten und
Meerschweinchen habe ich nach einer Reihe von orientierenden Versuchen
wegen der Kleinheit der in Betracht kommenden Knochen wieder auf¬
gegeben und später fast ausschließlich junge Kaninchen vom Durchschnitts¬
gewicht 12()0 bis 1500 & rm , die sich noch im lebhaften Knochenwachstum
befinden, verwendet. Auch Epiphysen von Affen, die einer Pneumo- und
Streptokokkensepsis erlegen waren, habe ich untersuchen können, doch sind
diese Befunde noch zu spärlich, um daraus allgemeinere Schlußfolgerungen
ziehen zu dürfen.
Die Versuchstiere wurden auf intravenösem Wege mit Milzbrandbazillen,
Strepto- und Pneumokokken infiziert. Vom Milzbrand standen mir mehrere
virulente und weniger virulente Stämme, von denen die tödliche Dosis bei
intravenöser Infektion des Kaninchens zwischen einer und dem zwanzigsten
Teil einer Öse schwankte, zur Verfügung. Streptokokken wurden stets aus
frischem Material (erysipelatöser Abszeß, Gelenkeiterung usw.) isoliert und
in Pferdeserumbouillon gezüchtet (1 Teil Pferdeserura, 3 Teile Bouillon), in
der sich übrigens die Virulenz ausgezeichnet erhalten läßt. Die Infektions¬
dosis betrug durchschnittlich 1 bis l 1 / 2 cc,n Pferdoserumbouillonkultur, doch
kann man mit viel kleineren Dosen denselben Effekt erzielen.
Für eine erfolgreiche Pneumokokkeninfektion genügen bei jungen
Kaninchen gewöhnlich einige Tropfen Herzblut einer mit dem Diplococcus
lanceolatus geimpften und gestorbenen Maus, oder man infiziert mit dem
Herzblut eines der Infektion erlegenen Kaninchens gleich ein zweites usw.
Der Nachweis der Bakterien im Knochenmark der Versuchstiere
kann sowohl kulturell, als auch im Ausstrichpräparat leicht geführt werden,
wenn man kleinere Partikelchen des Markgewebes auf passenden Nährböden
in Petrischalen ausstreicht oder zur Anfertigung von Trockenpräparaten
1 E. Fraenkel, Über Erkrankungen des roten Knochenmarkes, besonders der
Wirbel und Kippen, bei akuten Infektionskrankheiten. Mittel/, aus den (Grenzgebieten
der Medizin und Chirurgie. 1903. Kd. XIL Hit. 4.
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zwischen zwei Objektträgern verreibt. Will man größere Partien de*
Knochenmarkes der langen Röhrenknochen, z. B. des Femurs, für Reagens-
glasversuche gewinnen oder im Schnittpräparat untersuchen, so empfehle ich.
die beiden Epiphysen an beiden Enden abzutragen und das Mark mit einem
kleinen Stößer herauszupressen. Bei dieser Methode muß man allerdings
auf den wichtigsten Teil, das Epiphysenmark, verzichten, erhält aber fast
das ganze Mark der Diaphyse in fast unversehrtem Zustand.
Über die Menge und Verteilung der Bakterien an der Epiphyse
konnten natürlich nur gefärbte Schnittpräparate, die Vom entkalkten Knochen
angefertigt wurden, zuverlässigen Aufschluß geben. Über die von mir an¬
gewandte Technik der Entkalkung und Färbung bemerke ich folgendes.
Die Versuchstiere wurden ausnahmslos unmittelbar nach dem Tode
obduziert und die Organe noch lebendfrisch in die Härtungsflüssigkeit ge¬
bracht. Im übrigen wurde meist einheitlich verfahren und zur histologischen
Untersuchung die letzten echten Rippen und das untere Ende des Femurs
in die Härtungsflüssigkeit eingelegt. Die primäre Härtung erfolgte in der
Lösung I der Kaiserlingschen Flüssigkeit, in der die Organteile je nach
Dicke 24 bis 48 Stunden verweilten (Formalin 200-0, Wasser 1000-0.
Kali nitric. 15.0, Kali acet. 30*0). Aus dieser Lösung kamen sie 24 Stunden
in 85 prozentigen Alkohol, hieran schloß sich die schonende Entkalkung der
Knochen. Am besten hat sich mir hierzu die Salpetersäure in schwacher
Konzentration bewährt (Acit. nitric. 30*0, Alcohol. absolut 70*0, Aqua
dest. 300*0, Chlor, natr. 2*5). Nach genügender Entkalkung wurden die
Teile 24 bis 48 Stunden in fließendem Wasser ausgewaschen. Da ich die
Erfahrung gemacht habe, daß die Teile hierbei nur mangelhaft entsäuert
werden, empfehle ich, nach beendeter Entkalkung die Stücke in eine 5 pro-
zentige Lithium- oder Natriumsulfatlösung auf 12 bis 24 Stunden zu bringen,
um den Prozeß der Entsäuerung wirksamer zu gestalten. Ich rate hierzu
aus dem Grunde, weil leider die in den Präparaten noch vorhandene Säure
die Farben langsam auszieht. Am ehesten tritt dies bei den Bakteric-n
ein. Auf diese Weise ist mir eine Reihe von Dauerpräparaten gänzlich
verdorben.
Nach dem Auswaschen müssen die Organe wiederum gehärtet werden,
und zwar in steigendem Alkohol. Es erfolgt dann die Aufhellung in Xylol
und das Einbetten in Paraffin. Zur Erzielung dünner Schnitte ziehe ich
Paraffin dem Zelloidin vor. Die kleinen Knochen der Versuchstiere eignen
sich für die Einbettung in Paraffin verhältnismäßig gut.
Von Bakterien Färbungen, die für die Knochenschnitte in
Betracht kommen, habe ich nach verschiedenen Versuchen als zweck¬
mäßig die Gram-Saffranin, Eosin-Methylenblau und die Färbung nach Pappen¬
heim erprobt. Selbstverständlich kommt die Gramfärbung nur für solche
Bakterien in Betracht, die grampositiv sind. Wir wenden sie in folgender
Weise an:
1. Färbung 5. Minuten lang mit Karbolgentianaviolett (gesättigte alko¬
holische Gentianavioloftlösung, 10 • 05 prozont ige Karbolsäurelösung 100* 0):
2. Beizen mit Lugolscher Lösung, 1 Minute;
3. Trocknen mit Fließpapier:
4. Entfärben mit Alcohol absolut.;
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 439
5. Färbung mit l ! t prozentiger Safl'raninlösung, 1 bia 2 Minuten;
6. Differenzieren in Alcohol absolut., Xylol, Kanadabalsam. Knochen¬
schnitte, die in dieser Weise gefärbt sind, gewähren einen außerordentlich
schönen Anblick und geben ein kontrastreiches Bild. Der kalkhaltige
Knochen und Knorpel ist rot gefärbt, Bazillen und Kokken präsentieren
sich als Wauschwarze Gebilde, ebenso die Kerne der Markzellen, die bei
dem Akt der Entfärbung die Farbe gewöhnlich festhalten, was für die Orien¬
tierung nur vorteilhaft sein kann
Eine Universalfärbungsmethode für Bakterien in Knochen
ist die Eosin-Methylenblaufärbung nach Mann und zwar in der
Modifikation, wie sie von Lentz angegeben ist. Als Farblösungen
dienen 1. Eosin extra B Höchst 0*5, 60 prozentiger Äthylalkohol 100*0:
2. Löfflersches Methylenblau. Als Differenzierungsmittel werden gebraucht
1. alkalischer Alkohol (Alcohol absolut. 30, 1 prozentigc Lösung von Natrium
causticum in Alcohol absolut. 5 Tropfen); 2. saurer Alkohol (Alcohol ab¬
solut. 30*0, 50 prozentige Essigsäure 1 Tropfen).
Die Färbung geht in folgender Weise vor sich:
1. Färben in der Eosinlösung 1 Minute; 2. Abspülen in Wasser; 3. Färben
in der Methylenblaulösung 1 Minute; 4. wiederum Abspülen im Wasser:
5. Abtrocknen durch vorsichtiges Aufdrucken auf Fließpapier; 6. Dilferen-
zieren in alkalischem Alkohol; 7. Differenzieren in saurem Alkohol; 8. AI*
spülen in Alcohol absolut., Xylol, Kanadabalsam.
Kalkhaltiger Knochen dunkelblau, Blutkörperchen rot. Bakterien tief¬
blau. Die Methode ist nicht so kompliziert, wie sie auf den ersten Blick
scheint; sie hat den Vorzug, daß die meisten Bakterien im Schnitt gefärbt
werden; auch gew r ährt sie einen sehr guten Überblick über die Blut Verhält¬
nisse des Knochens und seines Markes.
Auch die Färbung nach Pappenheim eignet sich in den meisten
Fällen für die Bakterienfärbung in Knochensrlmitt.cn. Ich verwende sie in
folgender Weise; 1
Methylengrün 00 kryst. gelblich 0*15, Pvronin 0*25, Alkohol 2-5,
Glyzerin 20, 0« 5 prozentiges Karbolwasser 100.
Färbung 40 Minuten, dann kurzes Abspiilen in Wasser, Ahtrocknen mul
Entwässern der Schnitte in Alcohol absolut., Xylol usw.
Außer diesen speziell für die Färbung der Bakterien bestimmten Methoden
habe ich auch die gewöhnlichen Färbungen, wie Ilärnatoxylin, van Gieson,
angewandt. Da jede Färbung ihre bestimmten Vorzüge hat, so rate ich.
stets verschiedene bei demselben Material anzuwenden; auf dies«; Weise ge¬
lingt es leicht, über Veränderungen, die hei der einen Methode vielleicht
nicht deutlich hervortreten, sich Klarheit zu verschallen.
I. Über die Lokalisation der Bakterien an den Kpipliyse».
Geraten Bakterien von irgend einem Herd in die Blutlialm, so können
sie mit dem Blutstrom in die verschieden-ten Organe bis in die lejnOen
Verzweigungen des Kapillar'Vstems getragen werden. Aus dem Blute
1 Vgl. 8 I* h 1 U M rl, f nf(‘r*urhu/itl*rrttfho<lf'n. 5. Aull. »S. 124.
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selbst verschwinden die Bakterien jedoch verhältnismäßig schnell, um in
einzelnen Organen haften zu bleiben. Drei Organe sind es vor allem, in
denen die in die Zirkulation geratenen Bakterien abgelagert werden und
in denen sie ihren Untergang finden, nämlich Milz, Leber und Knochen¬
mark.
Ich habe nicht die Absicht, an dieser Stelle auf den genauen Mecha¬
nismus des Unterganges der Bakterien in Milz und Leber näher einzu¬
gehen, nur so viel möchte ich auf Grund experimenteller Studien bemerken,
daß ganz besonders die Endothelien der feinsten Blutgefäße dieser Organe
imstande sind, feinste korpuskuläre Substanzen und Mikroorganismen aus
dem Blute außerordentlich schnell abzufangen und sie festzuhalten. Auf
diese Weise erklärt es sich leicht, daß ins Blut eingeführte Bakterien
schon nach wenigen Minuten aus dem Kreislauf verschwunden sind und
nicht mehr nachgewiesen werden können.
Auch das Knochenmark ist als ein bakterizides Organ bekannt; ande¬
rerseits findet man bei den verschiedenen Infektionen gerade das Epi¬
physenmark bakterienhaltig. Es ist das ein scheinbar paradoxes Verhalten,
das zunächst unerklärlich erscheint. Es war daher wünschenswert, diesen
Widerspruch aufzuklären. Dazu war es jedoch notwendig, zunächst ein¬
mal die Verteilung von Bakterien im Kuocheu und Knochenmark bei
allgemeiner Infektion genauer festzustellen.
Daß im Epiphysenmark die Anzahl der Bakterien eine außerordent¬
lich große sein kann, davon habe ich mich bei den verschiedensten Infek¬
tionen, bei der Milzbrand-, Strepto- uud Pneumokokkenerkrankuug des
Kaninchens durch das Ausstrichpräparat oft überzeugen können. In den
meisten Fällen ergiebt die gleichzeitige Untersuchung des Herzblutes eine
geringere Anzahl der betreffenden Mikroorganismen; zuweilen kann sogar
das Herzblut selbst steril sein.
Bei der Milzbrandinfektion des Kaninchens, die ich zum Studium
dieser Verhältnisse besonders empfehle, ist das Vorkommen der Bazillen
im Herzblut, wie bereits kein geringerer als Robert Koch 1 konstatiert
hat, oft so selten, daß man mehrere Gesichtsfelder durchmustern muß.
ehe man einige findet.
Dagegen ist das Bild, das ich bei der systematischen
Untersuchung der Epiphysengegenden erhielt, ein ganz ande¬
res. In allen 20 Fällen habe ich im Epiphysenmark große
Mengen, bei der Hälfte der akut zugrunde gegangenen Tiere
geradezu kolossale Massen von Bazillen gefunden.
1 Bobert Koch. Die Ätiologie der Milzbrandkrankheit, begründet auf die
Entwicklungsgeschichte des Bacillus anthraeis. Beiträge zur Biologie der Pflanzen.
1^70. Bd. II. Mit. 2.
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 441
Über die genauere Lokalisation und Anordnung der Bazillen
an den Epiphysen ergaben die Schnittpräparate sehr instruktive Bilder.
Es zeigte sich nämlich, daß die Bakterien keineswegs gleichmäßig über
die ganze Epiphyse verteilt sind, sondern daß es hier bestimmte Prädilek¬
tionsstellen gibt, an denen die Bazillen in erster Linie zu finden sind.
Diese Prädilektionsstellen sind natürlich vor allem durch die Anordnung
der Blutgefäße im Knochen und Knochenmark bedingt. Sie sind identisch
mit jenen Stellen, an denen sich das Knochenwachstum in der Entwick¬
lungsperiode abspielt, nämlich Epiphysenlinie und Periost.
Über die Anatomie des Gefäßsystems der Knochen sei hier
kurz folgendes ins Gedächtnis zurückgerufen:
Die Blutgefäße des Knochens zerfallen in zwei Hauptgefäßgebiete, die
im großen und ganzen ziemlich unabhängig von einander sind, das endo¬
st ale und periostale Gefäßgebiet. Die in daB Knochenmark durch
das Foramen nutritium eingetretene Arterie löst sich fast sofort nach ihrem
Durchtritt in parallel zur Längsachse verlaufende Äste auf, die sich sekundär
in feinere, gegen die Peripherie hinziehende Aste verteilen. Feinste, nur
aus einer Endothellage bestehende Kapillaren steigen bis zur Epiphysenlinie
in die primären Markräume auf, wo sie unmittelbar am Knorpel umbiegen
und ein Schlingennctz bilden. Sie gehen in weite Venen über, die außer¬
ordentlich zartwandig sind, und um die sich die Zellen des Knochenmarks
gruppieren.
Vom periostalen Gefäßgebiet dringen Verzweigungen in die Substantia
compacta des Knochens ein; sie benutzen die Ilaversischen und Volk¬
mann sehen Kanäle zu ihrem Verlauf im Knochen. Die Gefäße des endo-
stalen und periostalen Gebietes stehen untereinander durch Anastomosen in
Verbindung. Ob es wirkliche Lymphgefäße im Knochenmark und im Knochen
selbst gibt, ist nicht erwiesen, dagegen kommen echte (nach Stöhr 1 ) in
den oberflächlichsten Periostlagen vor.
Ein Hauptfundort der Bazillen im Bereich des endostaleu
Gefäßbezirkes bei der Milzbrandinfektion des jungen Kanin¬
chens sind die primären Markräume der Ossifikationsliuie,
also dort, wo die Kapillaren an die Zellen des wachsenden Knorpels
stoßen und von den Pfeilern verkalkter Knorpelgrundsubstauz begrenzt
werden. Schon normalerweise werden die Kuorpelzellen von den Sprossen
sehr feiner Kapillaren erbrochen, ln diesen Eudkapillaren der primären
Markräume finden sich die Bazillen in wechselnden Mengen, meist aber
in großer Anzahl. Dem Verlauf der Blutgefäße entsprechend sieht man
Fäden von Bazillen zur Knorpelknochengrenze ziehen. Am Knorpel an¬
gelangt, biegen sie entsprechend dem Verlauf der Anastomosen schleifen-
1 »Stuhr, J.ehrhuoh ilrr Hisf<j!o<ne. l‘)06. 12. Aull.
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artig um oder sie bilden Knäuel von Bazillen in den erbrochenen Knorpel¬
zellen. Die Zeichnung Nr. 1, Tafel VIII gibt ein anschauliches Bild der
Verhältnisse bei der Milzbrandinfektion des jungen Kaninchens.
Auch bei der Pneumokokkenerkrankung bildet die Gegend der
endochondralen Ossifikation einen Ansiedlungsort für die Diplo¬
kokken, die in kleinen Gruppen vielfach in der Höhle einer erbrochenen
Knorpelzelle zusammeuliegen. Es kann darüber kein Zweifel sein, daß sie
sich ebenso wie die Milzbrandbazillen in den Gefaßschlingen der End¬
kapillaren angesiedelt und vermehrt haben.
Dagegen habe ich bei der Streptomykose die Mikroorganismen hier
nur verhältnismäßig selten angetroffen. Ich werde weiter unten diese In¬
fektion genauer besprechen, da sie mir auch in anderer Beziehung eine
Ausnahmestellung eiuzunehmen scheint.
Ein zweiter Prädilektionsort im endostalen Gefäßbezirk
sind die großen Bluträume der Venen des Epiphysenmarkes,
die gewöhnlich stark erweitert und mit Blutkörperchen prall gefüllt sind.
Bei einzelnen meiner Versuchstiere, die akut innerhalb 24 bis 36 Stunden
blitzartig schnell zugrunde gingen, war die Anzahl der Bazillen so groß,
daß das Gefäß gleichsam von Bazillen ausgestopft erschien, während in
einigen anderen Fällen, wo die Infektion länger dauerte, zwischen den
Blutkörperchen der Venen auffallend wenige und dann meist gut erhaltene
Exemplare von Milzbrandbazillen zu sehen waren.
Sowohl der Inhalt als auch die Wandungen der Gefäße
werden durch die innerhalb des Lumens befindlichen Bakterien schwer
geschädigt. Besonders sind es die zarten Wandungen der Kapillaren an
der Ossitikationsgrenze, die durch die Giftwirkung der Bakterien zerstört
werden. Während z. B. die Milzbrandbazillen an der Epiphysengrenze in
den Gefäßschlingen der Kapillaren anfänglich in Form von schleifen- und
bogenartigen Windungen an den Knorpelzellen liegen und in sie hineindringen,
geht diese Anordnung nach Zerstörung der Wandungen verloren, so daß
dann ein unentwirrbarer Haufen von Stäbchen scheinbar unvermittelt den
Knorpelzellen angelagert im primären Mark raum liegt (vgl. Mikrophoto¬
graphie Nr. 1. Tafel IV). Durch diese Zerstörung der Gefäße kommt
in den vorgeschritteneren Stadien der Erkrankung ein unregelmäßiges
Bild in dem Verhältnisse zwischen Blutgefäßen und den Zellen des
Knochenmarkes zustande, wodurch wiederum eine Beurteilung der ursprüng¬
lichen Beziehungen der Bakterien zu den Gefäßen außerordentlich erschwert
oder ganz unmöglich wird.
Offenbar auf die Anwesenheit der Bakterien sind auch die Throm¬
bosen der Gefäße sowie die Pigmentbildung zurückzuführen. Vielfach
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 443
sind diese von einem Netzwerk von Fibrin, in dessen Maschen oft Bakterien
oder Reste derselben liegen, erfüllt, oder es finden sich im Lumen fein¬
körnige Massen, die durch einen Zerfall der roten Blutkörperchen entstanden
sind; denn mau sieht die Hälfte des Lumens zuweilen noch mit intakten
Blutkörperchen erfüllt, während die andere von feinkörnigen Massen oder
Fibrin eingenommen wird. Diese Veränderungen sind besonders gut bei
der Eosin-Methyleublaufärbuug zu sehen.
Auf eine eigenartige Anordnung der Milzbrandbazillen im Knochen¬
mark meiner Versuchstiere möchte ich hier noch aufmerksam machen,
nämlich auf das Vorkommen großer Bazillenhaufen, die aus einer
Unzabl von Stäbchen bestehen und scheinbar unvermittelt im Knochen¬
mark liegen; aber auch diese Haufen nehmen ihren Ausgang von den
Blutgefäßen. Kommt es in einer Vene zu besonders starker Entwicklung
der Bazillen, so wird ihre Wandung zerstört, die Bazillen wuchern weiter,
und es sieht dann so aus, als wenn sie zwischen den Zellen des Knochen¬
markes entstanden wären (vgl. Mikrophotographie Nr. 2, Tafel IV).
Die dritte Prädilektionsstelle ist das periostale Gefäßgebiet. Durch
die Anastomosen dringen die Bakterien weiter in die ostalen, innerhalb
der Haversischen und Volkmannschen Kanäle liegenden Gefäße ein, die
der Längsrichtung der Knochen parallel laufen. Bei der akuten Pneumo-
kokkeniufektion enthalten fast alle Gefäße zahlreiche Diplokokken. Außer
dieser gewissermaßen regelmäßigen Verteilung der Bakterien im periostalen
Gefäßgebiet fand ich bei einzelnen Tieren große Herde von Milzbrand¬
bazillen, ebenso bei der Streptomykose riesige Kokkenherde, kleinere bei
der Pneumokokkeninfektion.
Eine besondere Besprechung erfordert die Streptomykose. Im Gegen¬
satz zu der zurzeit herrschenden Lehre, daß wir außer der weißen Maus
kein geeignetes Versuchstier für Streptokokken besitzen, möchte ich be¬
tonen, daß das junge Kaninchen für die experimentelle Infektion sich
sehr gut eignet. Voraussetzung dabei ist, daß man junge Kaninchen,
keine zu geringen Dosen und die intravenöse Infektion wählt. Der Ver¬
lauf der Infektion bei ein und derselben Serie von Tieren, die gleichzeitig
mit domseiben Stamm und denselben Dosen infiziert wurden, ist entweder
ein per-, subakuter oder chronischer.
In den per-akuten Fällen erliegen die Versuchstiere einer allgemeinen
Sepsis innerhalb 24 bis 48 Stunden. Bei der Sektion sind makroskopische
Veränderungen kaum nachzuweisen, während die bakteriologische Sektion
eine Überschwemmung des Blutes und der verschiedensten Organe mit
Streptokokken zeigt. Durchschnittlich 6 bis 10 Tage dauert die Erkrankung
der Versuchstiere in den subakuten Fällen. Hier kann das Blut steril sein,
während aus den inneren Organen die Erreger gezüchtet werden können.
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Josef Koch:
In den chronischen Fällen, die sich über Wochen und Monate hin¬
ziehen können, kommt es zu Affektionen der Gelenke, besonders der
hinteren Extremitäten mit Haarausfall. Die Tiere magern ab, können sich
nur mühsam kriechend fortbewegen; es entwickeln sich häufig periartikuläre
Eiterungen, die später in das Gelenk durchbrechen. Der Eiter ergibt Rein¬
kulturen von Streptokokken.
Zum Studium der Lokalisation der Streptokokken im Knochenmark
an den Epiphysen eignen sich am besten die subakuten Fälle. Auffällig
ist hier das Vorkommen der Streptokokken in vereinzelten Herden, die
über das Epiphysenmark, also im Bereich des endostalen Gefäßsystemen
ungleichmäßig verstreut sind, und nach denen man eifrig suchen muß.
um sie zu finden. Die Kapillaren der primären Markräume, die großen
Venen des Knochenmarkes sind gewöhnlich frei von Kokken, obschou
pathologische Veränderungen des Gefäßinhaltes, wie Thrombosen und
Fibrinbildung, auf eine frühere Anwesenheit schließen lassen. Vielleicht
stellen diese vereinzelten Haufen nur die Überreste der durch die bakterizide
Kraft des Blutes abgetöteten Streptokokkenmengen dar. Die Mikrophoto¬
graphien Nr. 3 und 4, Tafel VI zeigen einen derartigen, nahe der Epi¬
physe gelegenen Streptokokkenhaufen. Eine Reaktion des umgebenden
Gewebes mit Ansiedlung von Leukozyten, wie wir sie in anderen Geweben
zu sehen gewohnt sind, fehlt hier vollkommen.
Auf eine andere sehr interessante Lokalisation der Streptokokken an
den Epiphysen möchte ich weiter aufmerksam machen, nämlich auf eigen¬
artige Herde, die im Periost und Perichondrium Vorkommen, für
das der Streptococcus longus eine Vorliebe zu haben scheint. Diese
Periostherde, die ich sowohl an den Rippen als auch an den großeu
Röhrenknochen in unmittelbarer Nachbarschaft der Gelenke fand, sind zu¬
weilen von einer außerordentlichen Größe und bestehen aus einer Unzahl
von Kokken. Die Mikrophotographien Nr. 5 und 6, Tafel V geben bei
schwacher Vergrößerung ein Bild derartiger Herde.
Zwar habe ich Periostherde der Rippen auch bei Milzbrand- und
Pneuinokokkentieren nachgewiesen, — die Bakterien scheinen sich also
bei einer Reihe von Mikroorganismen in derartigen größeren Herden an¬
zusiedeln —, aber es besteht doch ein Unterschied zwischen diesen und
den periostalen Herden der Streptokokkeninfektiou. Ihren Ursprung
nehmen alle von einem Gefäß des Periosts. Aber während Milzbrand¬
bazillen und Pneumokokken sich bei ihrer Vermehrung auf das Lumen
oder doch die nächste Umgebung des Gefäßes beschränken, verbreiten sich
die Streptokokken über das Gelaß hinaus und kriechen in die Saftspalten
und Lymphbahnen des Periosts, das ja echte Lymphgefäße besitzt.
Dieses Fortkriechen der Kokken auf dem Wege der Lymphbahnen be-
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Untersuchungen übek die Lokalisation der Bakterien usw. 445
obachten wir ja gerade beim Streptococcus. Wie beim Erysipel die
Streptokokken in den Lymphspalten der Hant sich verbreiten, wuchern
sie hier in den Lymphspalten des periostalen und periartikulären Gewebes.
Diese Befunde sind geeignet, uns den Mechanismus der
Beteiligung der Epiphysen und Gelenke bei einzelnen häma¬
togenen akuten Infektionen verständlich zu machen. In dem
pathogenen Verhalten der Streptokokken dem Kaninchen gegenüber sehen
bekanntlich viele Autoren die Hauptstütze für die Annahme, daß gewöhn¬
liche Streptokokken beim akuten Gelenkrheumatismus des Menschen eine
ätiologische Rolle spielen. Diese Hypothese wird jedoch von anderen
Autoren abgelehnt, weil beim akuten Gelenkrheumatismus als einer All¬
gemeininfektion die Erreger im Blute regelmäßig gefunden werden müßten.
Mag nun der Streptococcus longus der Erreger sein oder nicht, so ist die
letztere Ansicht jedenfalls nicht zutreffend; denn meine Versuche zeigen,
daß bei hämatogener Infektion nach Verschwinden der Kokken aus dem
Blut und den übrigen Organen eine lokale Ansiedluug an den Epiphysen
stattfinden kann. Diese Tatsache macht es auch verständlich, daß beim
akuten Gelenkrheumatismus nicht in erster Linie die Gelenke selbst, sondern
die peri- und paraartikulären Gewebsteile betroffen sind, was klinisch
mit starker Schwellung und Rötung der affizierten Teile in die Er¬
scheinung tritt.
Es steht also durchaus mit den Tierexperimenten in Einklang, wenn
einzelne Forscher (Menzer u. a.) annehmen, daß Streptokokken von der
primär erkrankten Tonsille auf dem Wege der Blutbahn die Gelenke be¬
fallen. Nur möchte ich darauf hinweisen, daß es sich hier zunächst um
eine Erkrankung der para- und periartikulären Gewebe handelt, von denen
aus die Gelenke erst sekundär in Mitleidenschaft gezogen werden können.
Damit stimmt auch die Tatsache gut überein, daß der Inhalt des Gelenkes
selbst trotz starker Schwellung und Ergusses meist steril ist.
Ähulich wie beim Gelenkrheumatismus haben wir uns auch
die Entstehung der Gelenkaffektion bei einer gonorrhoischen
Infektion vorzustellen. Gerade bei dieser ist die Beteiligung des
para- und periartikulären Gewebes besonders ausgesprochen. Offenbar ist
hier die Lokalisation der Gonokokken zu suchen, die auf dem Blutwege
hierher getragen wurden. Eine primäre Infektion des Gelenkes findet
verhältnismäßig selten statt. In dem symptomatischen Erguß werden
deshalb die Kokken im Beginn der Gelenkaffektiou nur selten gefunden.
[Nach eigenen Untersuchungen.]
Überhaupt sind die Gelenke selbst durch den Knorpelüberzug gegen
eine direkte bakterielle Infektion gut geschützt, wie die histologischen
Präparate zeigen. In den akuten Stadien der Infektion habe ich trotz
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I
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der Anwesenheit enormer Bakterienmengen im endostalen und periostalen
Gefäßbereich und Verschmälerung der Kuorpelzellenlage durch die gegen
sie andringenden, hyperämischen, Bakterien enthaltenden Geläße das
Gelenk selbst nie infiziert gefunden. Ganz vereinzelt sah ich z. B. am
distalen Femurende, daß ein neugebildetes Gelaß den Knorpelüberzug
perforierte und in die Gelenkhöhle vordrang. Nach Zerstörung der Gefä߬
wand durch die im Lumen befindlichen Bakterien kann in diesen Fallen
natürlich eine Infektion der Höhle selbst erfolgen, wenn es den bakteriziden
Kräften der Gelenkflüssigkeit nicht gelingt, die Keime abzutöten.
Es ist hier der Ort, einmal die Gründe zu erörtern, weshalb
gerade an den Epiphysen und im Knochenmark überhaupt
eine so starke Bakterienvermehrung stattfindet. In der Literatur
begegnet man meistens dem Ausdruck „die Bakterien werden im Knochen¬
mark abgelagert“ und verbindet damit die Vorstellung einer einfachen
Deponierung der Bakterien im Mark durch das zirkulierende Blut. Diese
Auffassung ist zu mechanisch und entspricht nicht den tatsächlichen
Verhältnissen. Daß durch die Arteria nutritia dem Knochenmark Bakterien
zugeführt werden, ist gewiß richtig; aber die bei weitem größte Menge
der hier bei einer akuten Infektion gefundenen Bakterien besteht nicht
aus den dem Mark durch das Blut zugeführten Mikroorganismen, sondern
sie kommt in der Hauptsache durch eine starke Vermehrung der Keime
zustande. Speziell für die Ansiedlung an den Prädilektionsstellen der
Epiphysen sind Gründe maßgebend, die sowohl durch anatomische, als
auch durch physiologische und pathologische Verhältnisse bedingt sind.
Die Verbreitung im Knochen und seinen Anhängen überhaupt ist
zunächst durch die anatomischen Verhältnisse der Gefäßbezirke, des
endostalen und periostalen bzw. perichoudralen Gefäßnetzes gegeben. In
die Substanz des Knochen- und Knorpelgewebes selbst können zwar
Bakterien eiudringen, aber dieses Vorkommen spielt doch gegenüber der
Verbreitung durch die natürlichen Bahnen der Gefäße keine große Bolle.
Im allgemeinen bleiben die Keime hierauf beschränkt. Damit ist aber
noch nicht die Tatsache erklärt, warum die Bakterien gewisse Prädilektions¬
stellen haben, und warum an einzelnen Stellen des Gefäßsystems des
Knochens eine besonders starke Vermehrung erfolgt.
Was nun zunächst die Ossifikatiouslinie aubetrifft, so wissen wir,
daß zumal bei jungen Tieren und beim Kinde schon unter normalen
Verhältnissen zur Zeit des lebhaftesten Wachstums hier eine physiologische
Hyperämie herrscht. Führt das Blut Bakterien mit sich, so werden sie
ihre entzündungserregenden Beize deshalb an dieser Stelle auch in ver¬
mehrtem Maße bemerkbar machen. Dazu kommen die eigenartigen
lokalen Gefäß Verhältnisse; die bis zum Epiphysenknorpel verlaufenden
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Untersuchungen über hie Lokalisation der Bakterien usw. 447
Blutgefäße stellen keineswegs hier endigende Kapillaren dar, sondern sie
bilden ein Gefaßschlingeunetz, in dem Bakterien bei der hier herrschenden
Verlangsamung des Blutstromes leichter haften bleiben, ähnlich wie in
den Kapillarschliugen des Glomerulus der Niere, in dem bekanntlich bei
einzelnen Tieren z. B. der Maus, auch große Mengen von Milzbrand¬
bazillen sich vorfinden, und mit dem sich diese an der Ossifikations¬
grenze sich abspielenden Vorgänge gut vergleichen lassen. Daß die
Kapillaren der primären Markräume in der Tat au der Knorpelgrenze ein
Netz von Schlingen bilden, läßt sich aus der in frischen Fällen der In¬
fektion, wenn die zarten Endothelwandungen noch nicht zerstört sind,
vorhandenen Anordnung der Bazillenfäden erkennen, die mit den Kapillaren
oft am Knorpel umbiegen und einen schleifen- und schlingenartigen
Verlauf zeigen (s. Fig. 1, Taf. VIII). Sind die Wandungen zerstört, so
entsteht in dem Hohlraum der erbrochenen Knorpelzellen ein größerer
Blutraum, in dem die Bazillen, wie wir noch später sehen werden, ge¬
wöhnlich den inzwischen gebildeten Antikörpern des Blutes erliegen. Auf
diese Weise können erhebliche Mengen von Bazillen in den primären
Markräumen der Ossifikationsgrenze ihren Untergang finden.
Für das Periost, der zweiten Appositionsstelle des wachsenden
Knochens dürften außer dem physiologischen Moment, der Wachstums¬
hyperämie, die lokalen Gefäßverhältnisse, zumal das Vorkommen von
Endkapillaren, für eine vermehrte Ansiedluug der Bakterien maßgebend sein.
Die starke Vermehrung der Bakterien in den Venen des
Epiphysenmarkes muß dagegen in erster Linie auf die verlangsamte
Blutzirkulation zurückgeführt werden. Die hier schon normalerweise
langsame Strömung ist in den hyperämischen vielfach mit pathologischem
Inhalt wie Fibrin, zerstörten roten Blutkörperchen gefüllten Gefäßen, noch
stärker gehemmt, so daß auf diese Weise gute Wachstumsbedingungen
für die Entwicklung der pathogenen Keime vorhanden sind.
II. Cber den Untergang der Bakterien im Knochenmark.
Außer der starken Vermehrung der Bakterien im Knochenmark
findet hier während der Dauer der Infektion noch ein anderer wichtiger
Vorgang statt, nämlich der Untergang des die Infektion verursachenden
Erregers.
Daß dem Knochenmark eine hohe bakterizide Kraft eigen ist, wird
von vielen Autoren angenommen. Auf welche Weise jedoch die Ver¬
nichtung der Bakterien erfolgt, ob das lebende Blut sie abtötet, also eine
extrazelluläre Auflösung stattfindet, oder ob die Vernichtung der Keime
von den zelligen Elementen des Markgewebes besorgt wird, darüber ist
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bisher noch nichts Sicheres bekannt. Zum Studium dieser Verhältnisse
eignet sich die Milzbrandinfektion ganz besonders gut, weil wegen der
Größe der Bazillen die Beobachtung der sich an ihnen abspielenden Ver¬
änderungen außerordentlich erleichtert wird.
A priori kommen als bakterizide Organe des Knochenmarkes nur
zwei Elemente in Betracht, das Blut und die verschiedenen spezifischen
und nichtspezifischen Zellen des roten Knochenmarkes, Endothelien,
Myoblasten, Myelozyten, eosinophile Leukozyten, Megakaryozyten usw.
Wenn man das Übersichtspräparat der Epiphysengegend einer Rippe
oder eines Femurs eines der akuten Milzbrandinfektion erlegenen Kaninchens
aufmerksam durchmustert, fällt auf, daß Unterschiede in der Größe, der
Gestalt und Färbbarkeit der Stäbchen vorhanden sind. Neben normal
großen, intensiv gefärbten Bazillen trifft man kleinere Exemplare, die
schwächer tingiert, zuweilen nur den vierten Teil der Größe des normalen
Bacillus haben. Der Größenunterschied ist so auffallend, daß man glaubt,
ein anderes Stäbchen vor sich zu haben, besonders dann, wenn die
einzelnen Individuen eines größeren' Bazillenherdes sämtlich die gleiche
Größe haben, wie ich es bei einzelnen Tieren gefunden habe. Gewöhnlich
kommen aber in den großen, vereinzelt liegenden Bazillenhaufen zwischen
den normal großen und gefärbten Individuen bis zu den kleinsten Formen
alle Übergänge vor. In den langen Bazillenfäden, die die Gefäße durch¬
ziehen, wechseln bei der Gramfärbung Exemplare, die die blaue Farbe des
Karbolgentiauavioletts behalten haben, mit kleineren schmäleren Formen,
die sich entfärbt und die Gegenfarbe des Saffranins noch angenommen
haben; ja zuweilen bestehen ganze Bazillenfäden nur noch aus schmalen
kleinen Einzelgliedern und präsentieren sich als eben noch sichtbare
„Schatten“ zwischen den roten Blutkörperchen. Auch eigentümlich ge¬
krümmte und gewundene Formen von Bazillen kommen vor (vgl. Zeich¬
nung Nr. 2, Taf. VIII und Mikrophotographie Nr. I u. 2, Taf. IV). Au
anderen Orten sieht man innerhalb von Fibrin und zerfallenen Blut¬
körperchen nur Reste von Stäbchen, Bazillenfragmente, kokken- und
stäbchenartige Elemente regellos zwischen zahlreichen Zellen des Mark¬
gewebes besonders dann, wenn nach der Zerstörung der Blutgefäße die
Grenzen zwischen ihnen und den Markzelleu im späteren Stadium der
Infektion sich verwischt haben.
Wie sind diese auffallenden Unterschiede in Gestalt und
Färbbarkeit der Bazillen zu erklären? Es kann darüber keiu
Zweifel herrschen, daß die kleinen, schmalen blaßgefärbten Stäbchen, die
Bazillenfragmente, dem Untergang geweihte Formen darstellen, also als
Degenerationserscheinungen zu deuten sind. Der Eiuwand, daß es
Kunstprodukte sind, die durch die jeweilige Färbung hervorgerufen werden.
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 449
ist hinfällig. Denn man erhält die Degenerationsformen bei allen Fär¬
bungen, gleichgültig, ob man nach Gram, mit Eosin-Methylenblau oder
nach Pappenheim färbt. Es ist immer dasselbe Bild.
Während ich früher auf Grund meiner Phagozytosestudien geneigt
war, den Leukozyten im Sinne Metschnikoffs die größere Bedeutung
als bakterizide Elemente zuzuerkennen, bin ich durch die Beobachtung
des Unterganges der Milzbrandbazillen im Knochen- und Epiphysenmark
anderer Ansicht geworden. Wenn man sieht, wie z. B. im Blut einer
Vene oder eines primären Markraumes, also auf einem verhältnismäßig
kleinen Bezirk, zahlreiche Bazillen aufgelöst werden, und zwar ohne Mit¬
wirkung irgendwelcher leukozytärer Elemente, so muß man die bakterizide
Kraft des Blutplasmas als eine außerordentliche bezeichnen. Die Bazillen
schwinden zwischen den roten Blutkörperchen der erweiterten Gefäße
dahin, wie ein Stückchen Zucker im Wasser.
Ich will jedoch nicht unterlassen, hier zu erwähnen, daß bereits
schwer degenerierte Stäbchen und ihre Reste, Granula und Fragmente,
von leukozytären Elementen aufgenommen werden. Solche Bilder kommen
vor — man sieht sie besonders bei den isoliert liegenden Bazillenhaufen —
gegenüber der starken Bakteriolyse innerhalb der Blutgefäße kann diese
Tätigkeit der Phagozyten nur als eine untergeordnete im Kampfe mit den
Bazillen gelten. Sie nehmen lediglich die Trümmer und Reste der durch
das Blut bereits vernichteten oder doch schwer geschädigten Milzbrand¬
bazillen weg. Übrigens sind die Gefäße des Epiphysenmarkes auf dem
Höhestadium der Infektion meist frei von leukozytären Zellen, so daß sie
schon aus diesem Grunde bei dem Untergang der Keime keine Rolle
spielen können. Dagegen sind die Endothelien ausgesprochene
phagozytäre Zellen, die oft große Mengen Pigment, das von
der Zerstörung roter Blutkörperchen herrührt, aufgenommen
haben.
In derselben Weise wie die Milzbrandbazillen finden auch die Strepto-
und Pneumokokken in den hyperämischen Gefäßen des Knochenmarkes
ihren Untergang, doch sind die kleinen Kokken zum Studium des Unter¬
ganges bei weitem kein so gutes Objekt wie der große Milzbrandbacillus.
Es kommen also während der Dauer der Erkrankung bei den von
mir untersuchten bakteriellen Infektionen im Epiphysenmark neben nor¬
malen Individuen auch zahlreiche deformierte und im Untergang be¬
griffene Exemplare vor, ja in den meisten Fällen übertrifft, wie ich mich
bei einer Reihe von Tieren überzeugen konnte, die Zahl der degenerierten
die Zahl der gut erhaltenen Exemplare, und so kann es geschehen, daß
z. B. bei der Milzbrand- und Pneumokokkeninfektion die Gefäße in
einzelnen Fällen fast ganz frei von Keimen gefunden werden. Beim
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Milzbrand sind znweilen nur die außerhalb gelegenen Bazillenhaufeu
übrig geblieben. Die Zahl der beim Tode des infizierten Tieres
nachweisbaren Keime stellt also nur einen Bruchteil der iu
Wirklichkeit während des Verlaufes der Infektion vorhandenen
Bakterien dar. Daß in der Tat größere Mengen von Bakterien im
Knochenmark vorhanden gewesen sein müssen, geht aus den pathologischen
Veränderungen am Knochen hervor, die man in diesen Fällen konstatieren
kann. Wie wir weiter unten sehen werden, kann es bei akuten Infektionen,
zumal der Pneumo- und Streptokokkenerkrankung, zu einem vollständigen
Untergang der Knochenspongiosa der langen Röhrenknochen kommen.
Die Mikrophotographie Nr. 8, Taf. VI zeigt diese Veränderungen nach
einer Pneumokokkeninfektion. Die tief greifenden pathologischen Ver¬
änderungen können nur durch die Anwesenheit der Diplokokken ent¬
standen sein, obschon diese beim Tode des Tieres nicht mehr nachweisbar
waren; sie waren bereits vorher abgetötet worden, woraus weiter zu
schließen ist, daß die Vernichtung der Bakterien in den Gefäßen des
Knochenmarkes sehr schnell erfolgen kann.
Während der Infektion müssen zwei Phasen existieren,
erstens die der Vermehrung, zweitens die der Vernichtung
der pathogenen Keime. Die Tiere sterben jedoch nicht immer in
derselben Phase, manche auf der Höhe der Infektion, in diesen Fällen
findet man oft enorme Mengen von Bakterien; andere dann, wenn bereits
der größte Teil der Keime durch die bakterizide Kraft des Blutes ver¬
nichtet ist; jedoch lassen sich diese Phasen nicht immer scharf trennen.
Wir können weiter schließen, daß im Epiphysenmark wirksame
Antikörper während der Infektion gebildet werden, die zu¬
nächst während der Phase der Vermehrung nicht vorhanden
sein können, sondern erst später, wenn ein starker Zerfall der
Bakterien stattfindet. Es immunisiert sich also der Organismus
während der Infektion gewissermaßen selbst, andererseits hat
der Untergang der Keime auch deletäre Folgen für den Ge¬
samtorganismus und zwar insofern, als durch die Auflösung
der Keime entsprechende Mengen von Endotoxinen frei werden,
die neben den sonstigen Veränderungen zu einer Vergiftung
des infizierten Individuums führen. Ich glaube, daß der oft blitz¬
artig auftretende Tod der Milzbrand tiere auf den plötzlichen starken Zer¬
fall der Bazillen im Organismus zurückzuführen ist.
Die Ergebnisse meiner Untersuchungen bestätigen für das Knochen¬
mark die Ansichten R. Pfeiffers und seines Schülers Radziewsky 1 ,
1 Radziewsky, Untersuchungen zur Theorie der bakteriellen Infektion. Diese
Zeitschrift. Bd. XXXVII.
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien üsw. 451
der für eine Beihe von Mikroorganismen festgestellt hat, daß bei der töd¬
lichen Infektion die Mikroben durch die bakterizide Fähigkeit der freien
Gewebsflüssigkeit, Exsudat der Peritonealhöhle, Odem des subkutanen
Gewebes, abgetötet werden, also extrazellnlär, wie R. Pfeiffer stets be¬
hauptet hat, ihren Untergang finden. Im Knochenmark ist es das zir¬
kulierende Blut und zwar, wie es scheint, in der Hauptsache das un¬
veränderte, dem die keimvernichtende Tätigkeit zufällt.
Die Ansichten R. Pfeiffers, die durch die neueren Phago¬
zytosestudien erschüttert schienen, haben durch meine Unter¬
suchungen über die bakterizide Tätigkeit des Knochenmarks
eine neue Stütze erhalten. Diese Beobachtungen können deshalb
eine besondere Bedeutung beanspruchen, weil sie ein getreues Bild der
tatsächlichen im Organismus sich abspielenden Vorgänge geben. Gegen¬
über der direkten Beobachtung aber können Reagensversuche über den
Mechanismus der Bakterizidie keinen großen Wert beanspruchen. Reagens¬
glasversuche, die ich selbst über die Einwirkung von feinsten Knochen¬
marksemulsionen auf Bakterien angestellt habe, sind sämtlich resultatlos
verlaufen.
III. Über die histologischen Veränderungen des Knochens.
Zum Studium der Veränderungen, die durch die Anwesenheit der
Bakterien bei allgemeiner Infektion an den Knochen entstehen, eignen
sich am besten die Rippen und der Femur junger Kaninchen. Die
Knochen alter Tiere bereiten technische Schwierigkeiten. Die Entkalkung
dauert länger, das Gewebe ist spröder, was sich bei der Herstellung dünner
Schnitte sehr unangenehm bemerkbar macht.
Zum Verständnis der pathologischen Veränderungen ist es nötig, sich
die normalen Verhältnisse der Epiphysengegend kurz ins Gedächtnis zurück¬
zurufen. Auf der Mikrophotographie Nr. 7, Taf. VII ist die Rippenepiphyse
eines jungen normalen Kaninchens als Vergleichsobjekt abgebildet.
Am Epiphysenknorpel des Kaninchens kann man ebenso wie am mensch¬
lichen Knorpel unterscheiden: 1. die Zone des ruhenden Knorpels, in der
die Zellen ohne besondere Anordnung vermehrt sind, 2. die Zone der längs¬
gestellten, auch Säulen oder Kolonnenzone genannt, 3. die Zone der blasig
aufgequollenen, der hypertrophischen Zellen, 4. die provisorische Verkalkungs¬
zone, in der die Interzellularsubstanz verkalkt ist.
Gegen diese Zone dringen die Kapillaren des Markes vor, bringen sie
zum Zerfall und wachsen in die aufgebrochenen Knorpelzellen ein. Diese
werden frei und gehen zugrunde. So entsteht eine Aushöhlung in der Ver¬
kalkungszone, der sogenannte „primäre Markraum“.
Die verkalkte Knorpelgrundsubstanz ragt, indem immer neue Partien
des Knorpels einschmelzen, in Form von zackigen Fortsätzen in den Mark-
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raum hinein. Diese Pfeiler verkalkter Knorpelgrandsubstanz begrenzen die
primären Markräume, deren Breitendurchmesser beim Kaninchen gewöhnlich
der Breite von 1 bis 2 Knorpelzellensäulen entspricht. An den Resten der
verkalkten Knorpelgrundsubstanz machen sich dann die ossifikatorischen
Vorgänge bemerkbar, die dadurch charakterisiert sind, daß von dem Mark*
gewebe Osteoblasten sich den Bälkchen stehengebliebener Knorpelgrund-
substanz anlagern, und so weiteren Knochen bilden. Auf diese Weise ent¬
steht ein System untereinander anastomosierender Knochenbälkchen, die sich
von der Epiphysenlinie als Spongiosa in das zellige Markgewebe tief hinein
erstrecken (vgl. Mikrophotographie Nr. 7, Taf. VII).
Die pathologischen Veränderungen der Knochen der einer
Allgemeininfektion erlegenen Versuchstiere machen sich haupt¬
sächlich an den Appositionsstellen bemerkbar, also dort, wo in erster
Linie das Knochenwachstum vor sich geht. Im Bereich des endostalen
Gefäßsystemes ist dies die Knorpelknochengrenze, im periostalen die innere
Schicht des Periosts. Es sind dies aber, wie ich vorher weiter
ausgeführt habe, dieselbeniStellen, welche die Bakterien zur
Ansiedlung bevorzugen und die die Hauptangriffspnnkte der
pathogenen Keime bilden.
Wir sehen, daß unter dem Einfluß der durch die Bakterien hervor¬
gerufenen Hyperämie und Bildung neuer Gefäßschlingen im Bezirk der
endostalen Kapillaren eine pathologische Markraumbildung vor sich
geht. Sie bewegt sich nicht mehr in physiologischen Grenzen, sondern
geht weit darüber hinaus, indem sie stürmischer und unregelmäßiger
verläuft.
Infolge des Eindringens der sich neu bildenden Gefaßsprossen in
den Epiphysenknorpel werden neue Knorpelzellen eröffnet; durch Kon-
ttuieren benachbarter Markräume infolge des Unterganges der Knorpel¬
grundsubstanz und des neu gebildeten Knochens entstehen unregelmäßige,
größere plumpere, mit hyperämischen Gefäßen versehene Markräume, die
sich unregelmäßig tief in den Knorpel hinein erstrecken. Den anfänglich
nackten, nur aus einem Endothel bestehenden kapillaren Gefäßschlingen,
deren Wand unter der Einwirkung der Bakterien zerstört wird, folgen
später zellige Elemente, die vom bereits bestehenden Knochenmark nach¬
geschoben werden.
Auch die Knochenspongiosa und die Suhstantia compacta
unterliegt weitgehenden Veränderungen, je nach der Intensität
der Entzündung in verschiedenem Grade. In den leichten findet nur
eine oberflächliche, auf einen schmalen Saum beschränkte Einschmelzung
der Spongiosabälkchen durch die hyperämischen Markräume statt. In
anderen Fällen schwinden Teile der Knochenbälkchen durch lakunäre
Resorption. Die Folge dieser Prozesse ist, daß die Bälkchen schmaler
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 453
werden, so daß schließlich nur noch schmale Leisten übrig bleiben.
Durch eine stürmische unregelmäßige Vaskularisation an der
Ossifikationslinie kann in den schwersten Fällen die ganze
Knochenspongiosa in kürzester Zeit vernichtet werden«, Wie
weit dieser Prozeß gehen kann, ist auf der Mikrophotographie Kr. 8,
Taf. VI in instruktiver Weise zu sehen. Die gesamte Epiphysenspongiosa
ist bis auf wenige Knochenbälkchen verschwunden und durch Markgewebe
ersetzt. Derartig veränderte Knochen habe ich bei der Strepto-, Pneumo-
und Staphylomykose angetroffen.
Durch die Anwesenheit der Bakterien, die mit der Zirkulation in die
Gefäße der Haversischen und Volkmannschen Kanäle der Substantia
compacta geraten sind, wird natürlich auch ein Reiz auf ihre Umgebung
ausgeübt, die mit einer starken Hyperämie und gesteigerten Strömung
innerhalb der Gefäße einhergeht. Die Gefäße nehmen an Volumen zu;
dadurch aber wird auch Knocheugewebe selbst in der unmittelbaren Um¬
gebung der Gefäße eingeschmolzen und in weiterer Umgebung seines
Kalkgehaltes beraubt.
Während im Gebiete des endostalen Gefäßsystems die Markraum¬
bildung und die innere Knochenresorption gesteigert ist, sind die Vorgänge
im Bereich des periostalen Gefäßbezirkes dadurch charakte¬
risiert, daß neben der starken Hyperämie der Gefäße und einer
vermehrten Wucherung der Zellen des ossifizierenden Periosts
zugleich eine gesteigerte Knochenresorption der Substantia
compacta stattfindet. Bei der Pneumokokkeninfektion habe ich außer¬
dem eine lebhafte Neubildung von Kapillaren, die vom Periost in die
kompakte Substanz des Knochens hineinwuchern, mit zahlreichen Pneumo¬
kokken im Lumen beobachtet.
Aus den vorhergehenden Ausführungen geht hervor, daß
die Knochen bei Infektionen verschiedener Ätiologie schwere
Veränderungen erleiden können. Durch Einschmelzung von Knochen¬
substanz nimmt die innere Markhöhle an Größe zu. Auch der Breiten¬
durchmesser des Knorpels und des Periosts wird durch die lebhafte Wuche¬
rung ihrer Zellen größer; die Verbreiterung der Epiphysenlinie fällt schon
bei der makroskopischen Betrachtung und Vergleich mit einer normalen
Rippe ohne weiteres auf (vgl. Mikrophotographie Nr. 7 u. 8, Taf. VI u. VII).
Infolge der gesteigerten Blutzirkulation erleidet der gesamte Knochen einen
Verlust von Kalksalzen, eine wichtige Tatsache, die bereits Kassowitz in
seiner großen Rachitisarbeit mit den Worten ausgesprochen hat: „daß eine
jede Hyperämie im Knochen und in den knochenbildenden Geweben, sei
sie nun eine einfach fluxionäre oder eine entzündliche, imstande ist, eine
relative Armut an anorganischen Bestandteilen hervorzurufen“.
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Dieser Satz trifft auch für den Knochen bei akuten Infektionen in
jeder Weise zu. Daß derartig veränderte Knochen biegsamer und weicher
als normale sind, bedarf keiner weiteren Ausführung.
Neben diesen durch die veränderte Blutströmung herbeigeführten
Veränderungen, die also als eine indirekte Bakterienwirkung zu be¬
trachtensind, kommt sicher auch eine direkteSchädigung des Knochen¬
gewebes vor, wenn nach Zerstörung der Gefäßwandung die Keime in
unmittelbaren Kontakt mit Knochen und Knorpel kommen. Dafür sprechen
Befunde, die man bei akuten Infektionen zuweilen an der Knochenspongiosa
bemerken kann, daß nämlich größere Teile der Bälkchen wie aufgefasert
erscheinen und keine Kernfärbung mehr annehmen. Es dürfte sich hier
um eine Nekrose der Knochenbälkchen handeln, die durch eine direkte
Einwirkung der Bakterien zustande kommt.
IV. Über bakteriologische nnd histologische Befunde
an den Epiphysen von Kindern, die an Infektionskrankheiten
gestorben sind. Zur Theorie der Rachitis.
In den Verhandlungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft
(Leipzig 1909) habe ich bereits darüber berichtet, daß in den Rippen-
epiphysen von Kindern, die an Infektionskrankheiten, wie Masern,
Diphtherie, Keuchhusten, Scharlach, Gastroenteritis usw. und deren
Folgezuständen zugrunde gegangen sind, Bakterien sowohl kulturell als auch
auf Schnittpräparaten nachgewiesen werden können. Die Zahl und Art
der im Epiphysenmark vorkommenden Mikroorganismen ist manchmal
sehr verschieden. Stäbchen, Kokken und Diplokokken kann man hier
antreffen. Vorwiegend sind es Streptokokken, Stäbchen vom Aussehen
des Bacterium coli, Staphylo- und Diplokokken, die man hier finden
kann.
Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, daß es sich in der über¬
wiegenden Mehrzahl der Fälle keineswegs um eine Allgemein¬
infektion mit Anwesenheit der verschiedenen Bakterien im
Herzblut handelt; das Blut kann vielmehr steril sein, während
aus dem Saft des Epiphysenmarkes zahlreiche Bakterien ge¬
züchtet werden können. Es sind dies vielfach Fälle, wo die Kinder
nicht an der akuten Infektion selbst, wie z. B. Masern, Keuchhusten,
sondern an deren Folgezuständen, wie Bronchopneumonie, sterben.
Es geht aus diesen Befunden hervor, daß während der verschiedensten
Infektionskrankheiten im frühesten Kindesalter verschiedene Arten von
Bakterien in die Blutbahn geraten und an den Epiphysen sich vermehren
können, ohne daß eine Allgemeininfektion fortbesteht.
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 455
Daß die Knorpelknochengrenze des kindlichen Organismus eine
Prädilektionsstelle für die Ansiedlung von Bakterien darstellt, dafür
haben wir ja in der menschlichen Pathologie eine Reihe von Beispielen.
£ei der Osteochondritis syphilitica siedelt sich die Spirochaeta pallida mit
Vorliebe an der Ossifikationsgrenze der kindlichen Knochen an, während
die Tendenz der Bevorzugung der Epiphysen im späteren Alter nicht
mehr vorhanden ist. Analoge Beispiele sind die kindliche Knochen¬
tuberkulose, die Osteomyelitis acuta.
Was nun das Vorkommen der Bakterien in den von mir untersuchten
kindlichen Epiphysen angeht, so hat es keinen Zweck, diese Funde einzeln
zu schildern, da sie im allgemeinen zu wenig Charakteristisches an sich
haben. Innerhalb der endostalen hyperämischen Gefäße, vielfach in den
mit pathologischem Inhalt erfüllten Knorpelmarkkanälen liegen sie ent¬
weder vereinzelt oder zu kleinen Häufchen zusammen. Bemerkenswert
dagegen ist die Lagerung der Streptokokken in vereinzelten, großen, über
das Epiphysenmark verstreuten Herden, die offenbar durch Vermehrung
einzelner Kokken entstanden sind. Es bedarf oft der eingehenden Musterung
mehrerer Schnitte, um den einen oder anderen Haufen zu finden. Auch
in den periostalen und perichondralen Gefäßen habe ich Streptokokken
(hier aber nicht in Haufenform) in einzelnen Fällen angetroffen. Die
Lokalisation der Streptokokken ist dieselbe, wie ich sie beim Tierexperiment
beschrieben habe.
Auch das Schicksal dieser Bakterien gestaltet sich ebenso, wie ich es
bei der künstlichen Infektion geschildert habe. Zwar sind hier die Ver¬
hältnisse nicht so leicht zu deuten, wie bei massenhaft vorhandenen großen
Bazillen, aber an der Hand der bei der künstlichen Infektion gewonnenen
Erfahrungen sowie einzelner Affenversuche dürfen wir annehmen, daß z. B.
bei der lokalen Pneumo- und Streptokokkeninfektion der Epiphysen auf
die Phase der Vermehrung diejenige der Degeneration und des Unter¬
ganges durch das Blut erfolgt.
Die histologischen Veränderungen, die man an diesen Knochen findet,
bestehen in einer vermehrten Gefäßbildung und einer abnormen Hyper¬
ämie der Gefäße in den knorpelbildenden Geweben, in der krankhaft ge¬
steigerten Knorpelzellenwucherung, in einer atypischen Markraumbildung,
wodurch die Ossifikationsgrenze eine unregelmäßige zackige Gestalt be¬
kommt, in einer Neubildung von Knorpelmarkkanälen, wodurch eine
pathologische Einschmelzung des Knorpels und des Knochengewebes,
sowie eine mangelhafte Verkalkung bedingt ist, in einer Wucherung des
Periosts, kurz in Veränderungen, die wir als rachitische zu bezeichnen
pflegen.
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Es liegt nun der Gedanke nahe, diese rachitischen Ver¬
änderungen mit der Anwesenheit der sich in ihnen findenden
Mikroorganismen in Zusammenhang zu bringen.
Die Ansicht, daß die rachitische Knochenstörung auf eine infektiöse
Ursache zuräckzuführen sei, ist ja bereits von einzelnen Forschern aus¬
gesprochen worden, und die Annahme, daß dem Knochen, besonders aber
den Stellen der hyperämischen Wachstumshyperämie infektiöses Material
durch das zirkulierende Blut zugeführt wird, ist sehr einleuchtend.
Kassowitz 1 , dem wir eine sehr eingehende und wichtige Arbeit
über die Rachitis verdanken, glaubt, daß alle krankhaften Zustände des
kindlichen Organismus in der Zeit des lebhaftesten Wachstums jene irri¬
tierenden Stoffe erzeugen können, die den entzündlichen Prozeß — d. i.
nach ihm das eigentliche Wesen der Rachitis — an den Stellen des leb¬
haftesten Knochenwachstums hervorrufen und befördern sollen. Damit
stimmt nach Kassowitz die Erfahrung überein, daß durch verschiedene
Infektionskrankheiten, Masern, Keuchhusten, Bronchitis, chronische Pneu¬
monie der Anstoß zur rachitischen Knochenstörung gegeben wird, daß
ferner die Häufigkeit und Intensität der rachitischen Erkrankung im
Verlauf des Winters sich steigert. Kassowitz nimmt an, daß es vor
allem „die respiratorischen Noxen“, die in der Zimmerluft der elenden
Proletarierwohnungen enthaltenen giftigen Stoffe sind, die durch die
Respirationsfläche in die Zirkulation geraten und ihre reizende und ent¬
zündungserregende Wirkung in ganz besonderer Weise an den Prädilek¬
tionsstellen entfalten. Kassowitz hat die außerordentlich wichtige Tat¬
sache bewiesen, daß die Kalkarmut der rachitischen Knochen ausschließlich
auf der entzündlichen Hyperämie derselben beruht.
Die infektiöse Natur der Rachitis wird nach Edlefsen* durch ihr
gehäuftes Auftreten in Häusern bewiesen, die gleichzeitig Krankheitsherde
für Pneumonie, Gelenkrheumatismus und Cerebrospinalmeningitis sind.
Mircoli 3 hält die Rachitis für eine chronische Osteomyelitis und
identifiziert die Erreger mit den gewöhnlichen Eiterbakterien, den Strepto-
und Staphylokokken.
Morpurgo 4 hat mit einem von ihm gefundenen Diplococcus bei
jungen Ratten typische rachitische Veränderungen, bei älteren Versuchs¬
tieren solche, die der Osteomalazie ähnlich waren, erzeugen können.
* Kassowitz, Medizinische Jahrbücher. Wien. Jahrgang 1879. 1880. 1SS1.
1882. 1884.
2 Edlefsen, Deutsche Ärztezeit unp. 1901. 1902. 1903.
3 Mircoli, Meine infektiöse Theorie des Rachitismus. Archiv für klin.
Medizin. Bd. LX.
4 Morpurgo, Centralblatt für allpemeine Pathologie und patholop. Anatomie.
1902. Bd. XIII. Nr. 4.
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 457
Wenn auch einzelne Forscher sich zur infektiösen Theorie der Ent¬
stehung der Rachitis sympathisch geäußert haben, so scheiterte sie immer
wieder an einer Reihe von Momenten, die eine allgemeinere Anerkennung
verhinderten. Vor allem wurde darauf hingewiesen, daß Mikroorganismen
im rachitischen Gewebe nicht nachzuweisen seien. In der Tat hat sich
eine Reihe von Untersuchem mit ihrem Nachweis beschäftigt, durchweg
mit negativem Erfolge. Fand man aber einmal Bakterien, so hielt man
sie eben für banale Keime, wie sie in den Leichen rachitischer Kinder
so oft gefunden werden, denen man aber eine pathogene Rolle nicht
zutraute.
Die negativen Resultate sind in erster Linie auf den Mangel einer
guten Färbemethode, auf die Schwierigkeit des Nachweises von Bakterien
im Knochen überhaupt, nicht zum geringsten aber auf den Umstand
zurückzuführen, daß ungeeignete Fälle, ältere und fortgeschrittenere, zur
Untersuchung kamen, wo die Erreger, die Ursache der ersten Ver¬
änderungen,. schon längst geschwunden waren. Ein sehr wichtiges
Moment, das durch meine Untersuchungen für das Knochen¬
mark zutage gefördert ist, darf nicht unberücksichtigt bleiben,
nämlich die Tatsache, daß die pathogenen Bakterien im all¬
gemeinen nach einem kurzen Stadium der Vermehrung durch
Bildung spezifischer Antikörper in den hyperämischen Blut¬
gefäßen abgetötet werden, aber lange genug an den Appositions¬
stellen verweilen, um degenerative Veränderungen — und um
die handelt es sich in den ersten Stadien — hervorzubringen.
Was wir später am rachitischen Knochen sehen, sind vielfach Regenerations¬
erscheinungen.
Bei den in den rachitisch veränderten Geweben vorkommenden Bak¬
terien muß jedoch unterschieden werden zwischen pathogenen Keimen,
wie z. B. Strepto-, Staphylo- und Pneumokokken, die, wie die experimen¬
tellen Untersuchungen lehren, pathologische Veränderungen an den Epi¬
physen machen können, und den sekundär an den krankhaft veränderten
Stellen als einem Locus minoris resistentiae sich ansiedelnden Mikroorga¬
nismen, unter denen Stäbchen aus der Gruppe des Bacterium coli im
Kindesalter keine geringe Rolle spielen. Diese Mischbakterien können
hier noch vegetieren, wenn die Erreger des primären Prozesses bereits
abgestorben sind. Für ganz harmlose Saprophyten darf man sie aber
nicht halten. Man kann von ihnen behaupten, daß durch ihre Gegenwart
ein dauernder Reiz an den Epiphysen unterhalten wird, der wiederum
eine chronische Hyperämie zur Folge hat. Durch die andauernde Blut¬
fülle wird aber die Verkalkung der neu gebildeten Knochenpartien ver¬
hindert. Der Knochen bleibt weich und biegsam.
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Bei bereits stark rachitisch veränderten Epiphysen ist es natürlich
ein Ding der Unmöglichkeit, etwas Positives über die pathogene Bedeutung
der hier vegetierenden Mikroorganismen auszusagen. Es ist deshalb nötig,
Frühstadien zu untersuchen, wo die rachitische Knochenstörung sich in
den ersten Anfängen befindet; hierfür eignen sich die Bippenepiphysen
von Kindern, die an den Folgezuständen akuter Infektionskrankheiten ge¬
storben sind, in den meisten Fällen besonders gut.
Ein derartiger Fall ist auf der Mikrophotographie Nr. 9, Tafel VII
wiedergegeben. Sie stellt einen Teil der Rippenepiphyse eines s / 4 Jahr
alten Kindes dar, das an einer Bronchopneumonie nach Masern zugrunde
ging. Makroskopisch war ein starker rachitischer Rosenkranz zu konsta¬
tieren. Die strotzend mit Blut gefüllten Kapillaren der primären Mark¬
räume dringen in diesem Fall regellos gegen die Knorpelknochengrenze
vor, die durch eine pathologische Markraumgrenze eine unregelmäßige
zackige Gestalt erhalten hat In einzelnen Gefäßen ließen sich Strepto¬
kokken nachweisen, die hier, wie die Mikrophotographie Nr. 10, Tafel V
zeigt, in starker Vermehrung begriffen sind. Es sei hier besonders hervor¬
gehoben, daß es sich in diesem Fall keinesfalls um eine allgemeine Strepto-
mykose handelt, da das Herzblut frei von Keimen war und auch klinisch
keine Erscheinungen von Sepsis vorhanden waren.
Ein Beispiel des Vorkommens von Bakterien in den Knorpelmark¬
kanälen rachitischer Epiphysen gibt das Mikrophotogramm Nr. 11, Taf. VII
wieder. Das 1V 8 Jahr alte Kind hatte an Masern gelitten, die Rippen¬
epiphysen zeigten ebenfalls eine stark rachitische Auftreibung. Man sieht
von der Markhöhle einen Kuorpelkanal senkrecht in das Knorpelgewebe
aufsteigen (vgl. Übersichtsbild Nr. 11, Tafel VII). Am erweiterten Ende
liegen in dem pathologisch veränderten Blutgefäß eine Anzahl von Kokken,
deren genauere Charakterisierung an dem Schnittpräparat natürlich un¬
möglich ist (vgl. Mikrophotographie Nr. 12, Tafel VI). Das umliegende
Knorpelgewebe zeigt hier deutliche Reaktion, indem es sich in indifferentes
Bildungsgewebe verwandelt hat.
In zwei Fällen hochgradigster florider Rachitis mit letalem Ausgange
habe ich in den Gefäßen der oberen und unteren Femurepiphyse sehr
große Mengen von Bakterien der verschiedensten Art, Stäbchen und
Kokken, in Schnittpräparaten nachweisen können.
Im vorstehenden habe ich die allgemeinen Gesichtspunkte entwickelt,
die dafür sprechen, daß die rachitische Knochenstörung infektiösen Ur¬
sprunges ist. Vergleicht man die Vorgänge, die sich im Knochen und
seinen Adnexen bei allgemeiner Infektion sowohl beim Menschen als auch
im Tierexperiment abspielen, mit denen an rachitisch veränderten Knochen,
so läßt sich nicht leugnen, daß beide Prozesse eine Reihe gemeinsamer
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Gck igle
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Untersuchungen über die Lokalisation beb Bakterien usw. 459
Charaktere tragen, daß sie im Grande wesensgleich sind. Auf Grand
meiner Studien komme ich mit Kassowitz zu dem Schluß, daß die
Rachitis in der Hauptsache eine chronische vasknlarisierende
Entzündung der kindlichen Epiphysen ist, sehe die Ursache
dieser Entzündung aber nicht in „respiratorischen Noxen“ oder
anderen unfaßbaren Schädlichkeiten, sondern in Bakterien;
freilich welche pathogenen Mikroorganismen bei der rachitischen Knochen*
Störung die Hauptrolle spielen, muß erst durch weitere experimentelle
Untersuchungen an geeigneten Tieren festgestellt werden.
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Original frum
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480
Josef Koch:
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Erklärung der Abbildungen.
(Taf. iv-vin.)
(Sämtliche Mikrophotogramme sind von Herrn Prof. Zettnow, dem ich an dieser
Stelle meinen verbindlichsten Dank sage, angefertigt.)
Tafel IV—VII.
Mikrophotogramm Nr. 1 . (Vergr. 500 fach.)
Stellt primäre Markräume an der Knorpelknochengrenze des Femurs eines jungen
Kaninchens dar, das mit einer Ose 24stündiger Milzbrandkultur intravenös infiziert
wurde. Tot nach 36 Stunden. Die Bazillen dringen mit den Kapillaren in die er¬
brochenen Knorpelzellen ein. Bazillen bereits in Degeneration begriffen.
Mikrophotogramm Nr. 2. (Vergr. 500 fach.)
Großer Bazillenhaufen im Knochenmark des Femurs eines mit Milzbrand ( l / 4 Ose
24stünd. Agarkultur) intravenös infizierten jungen Kaninchens. Tot nach 36 Stunden.
Mikrophotogramm Nr. 8. (Vergr. 125fach.)
Teil einer Rippenepiphyse eines jungen Kaninchens, das mit Vj t ocm einer 24stän¬
digen Pferdeserumbouillonkultur (Streptokokkenstamm Tornow I) intravenös infiziert
wurde. Isolierter Streptokokkenherd nahe der Ossifikationsgrenze. Unregelmäßige
Markraumbildung durch Untergang von Knorpelzellen und einzelner Spongiosabälkchen.
Mikrophotogramm Nr. 4. (Vergr. 500fach.)
Zeigt den großen Streptokokkenhaufen des vorigen Bildes bei starker Vergröße¬
rung. Eine Reaktion des angrenzenden Markgewebes kaum vorhanden.
Mikrophotograium Nr. 5. (Vergr. 30fach.)
Zeigt einen großen Streptokokkenherd im stark verbreiterten Periost einer Rippe
nahe der Epiphysenlinie bei einem 1200 * rm schweren jungen Kaninchen, das mit
1 com Pferdeserumbouillonkultur am 27. IV. 1900 intravenös infiziert wurde. Tot nach
3 Tagen. Der Streptokokkenherd besteht aus einer ungeheuren Anzahl von Kokken,
die in die Saftspalten des Periosts hineinwuchern.
Gck igle
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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 461
Mikrophotogramm Nr. 6. (Vergr. 125 fach.)
Gewaltiger Streptokokkenherd [im Periost des Femurs in unmittelbarster Nahe
des Hüftgelenkes bei demselben Tier« Von einem dichteren Zentrum aus verbreiten
sich die Streptokokken in den Lymphspalten des benachbarten Gewebes.
Mikrophotogramm Nr. 7. (Vergr. SOfach.)
Normale Rippenepiphyse eines jungen, 1300 *”* schweren Kaninchens. Die
Spongiosab&lkohen erstrecken sich von der Ossifikationslinie tief in den Markraum
hinein.
Mikrophotogramm Nr. 8. (Vergr. SOfach.)
Rippenepiphyse eines gleich schweren Kaninchens, das mit einer 24stündigen
Pneumokokkenkultur, auf Pferdeblutagar gezüchtet, intravenös infiziert wurde. Tot
nach 5 Tagen. Herzblut sowie Knochenmark frei von Pneumokokken, die durch die
bakteriziden Kräfte des Organismus im Laufe der Infektion vernichtet wurden. Die
Epiphysen haben tiefgreifende Veränderungen erlitten. Die ganze Spongiosa bis auf
wenige Knochenbälkchen verschwunden und durch Markgewebe ersetzt. Die Mark¬
höhle ist vergrößert, die Epiphysenlinie und das Periost breiter geworden. Unter¬
schiede beim Vergleich mit dem vorhergehenden Bild der normalen Rippe besonders
deutlich hervortretend.
Mikrophotogramm Nr. 9. (Vergr. 35 fach.)
Teil der Rippenepiphyse eines # / 4 Jahre alten Kindes, das an einer Broncho¬
pneumonie nach Masern gestorben war. Das Übersichtsbild zeigt die unregelmäßige
zackige Epiphysenlinie, gegen die zahlreiche, mit Blut strotzend gefüllte Gefäße an¬
dringen. Einzelne dieser Gefäße, deren Inhalt pathologisch verändert war, mit
Streptokokken im Lumen.
Mikrophotogramm Nr. 10. (Vergr. 1000 fach).
Es zeigt ein einzelnes Gefäß des vorigen Bildes und die im Lumen in starker
Vermehrung begriffenen Streptokokken bei starker Vergrößerung. Das Gefäß lag in
unmittelbarer Nähe der Ossifikationslinie; im Gefäß die Schatten der Blutkörperchen
noch zu erkennen. Leukozytäre Elemente fehlen vollkommen.
Mikrophotogramm Nr. 11. (Vergr. 25fach.)
Teil der rachitischen Rippenepiphyse eines l 1 /, Jahre alten Kindes, das an
Masern gelitten hatte. Von der Markhöhle steigt ein Knorpelmarkkanal senkrecht
in die Höhe. In seinem erweiterten Ende liegt, wie
Mikrophotogramm Nr. 12 (Vergr. 500fach)
zeigt, ein Kokkenhaufen, das angrenzende Knorpelgewebe in indifferentes Bildungs¬
gewebe verwandelt.
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462 Josef Koch: Untersuchungen übeb die Lokalisation usw.
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Tibi m
Zeiehiu; Kr. 1. (Winkel Oe. 3, Obj. 3»
nach einem Gram-Saflianinpripaimt als Übersichtsbild gezeichnet
Teil der unteren Femurepipbyse eines jungen Kaninchens, das mit Milzbrand¬
bazillen intravenös infiziert wurde. Das Bild zeigt, welche enormen Mengen von
Bazillen an der Ossifikationsgrenze Vorkommen können. Schlingen- und schleifenartigrr
Verlauf der Bazillen an der Knorpelgrenze deutlich sichtbar. Starke Wucherung der
Knorpelzellen, die hypertrophisch und blasig aufgetrieben sind.
Zeiehnug Kr. 2 (Ölimmersion Oc. 3)
nach einem Gram-Saffianinpräparat gezeichnet
Gefäß aus dem Epiphysenmark einer Rippe eines nach 3 Tagen nach intra¬
venöser Milzbrandinfektion zugrunde gegangenen Kaninchens. Das Gefäß, einem
entkalkten Knochenbälkchen anliegend, von normalen und in starker Degeneration
begriffenen Milzbrandbazillen fast ganz erfüllt
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[Aus der serologischen Abteilung
des hygienischen Instituts der deutschen Universität in Prag.]
(Vorstand: Prof. Dr. O. Bail.)
Über
die Wirkungsweise des Schweinerotlaufimmunserums.
Von
Dr. Wilhelm Spät,
k. u. k. iUgimfoUarit.
Ausgeführt mit Unterstützung des k. k. Ackerbauministeriums in Wien.
Das Schweiuerotlaufimmunserum ist das älteste Immunserum, welches
für Schutz- und Heilzwecke dargestellt wurde. Trotzdem ist dessen Wir¬
kungsweise bis jetzt noch nicht in wünschenswerter Weise aufgeklärt. In
der vorliegenden Arbeit haben wir uns zur Aufgabe gestellt, über das
Wesen und die Art der Schweinerotlaufimmunität neue Aufschlüsse zu
suchen.
Emmerich und Mastbaum veröffentlichten im Jahre 1891, aus¬
gehend von den Vorversuchen von Emmerich und di Mattei, ihre
grundlegenden Studien über Schweinerotlauf. Ihre Versuche haben eine
hervorragende allgemeine Bedeutung, vor allem aus dem Grunde, weil sie
zum ersten Male das Prinzip der passiven Immunisierung in Anwendung
bringen, nach dem die Gewebsflüssigkeit und das Blut aktiv immunisierter
Tiere die Fähigkeit besitzen, andere Tiere, gleichviel ob derselben oder
einer anderen Art, vor einer nachträglichen Infektion zu schützen und
infizierte Tiere zu heilen. Speziell für die vom Standpunkte der Land¬
wirtschaft so wichtige Frage der Schweinerotlaufimmunisierung bedeuteten
diese Erfolge grundsätzlich eine neue Ara, denn die passive Immunisie¬
rung mit der von Emmerich uud Mastbaum angegebenen „Heilflüssig-
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Gck igle
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464
Wilhelm Spät:
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keit“ stellte ein vollkommen unschädliches Verfahren in Aussicht im
Gegensatz zu der von Pasteur noch vor der Entdeckung des Schweine¬
rotlaufbacillus eingeführten aktiven Immunisierung mit einem lebenden
Virus, dessen Anwendung sowohl für die geimpften Schweine selbst, als
auch für die übrigen in ihrer Umgebung mit der Gefahr einer tödlichen
Infektion verbunden war. In dieser Arbeit wird auch der Mechanismus
der Schutz- und Heilwirkung einer eingehenden Prüfung unterzogen und
die Ansicht ausgesprochen, daß dieselbe, entgegen der Annahme Metschni-
koffs, welcher die Steigerung der Phagozytose (Stimulation) als Ursache
der Schutzkraft hinstellte, auf der bakteriziden Eigenschaft der Körper¬
säfte beruhe. Die Tatsachen, welche Emmerich und Mastbaum als
Stützen für diese Anschauung anführen, lassen aber noch eine andere
Deutung zu und sind nicht ohne Widerspruch gebliehen. So stützen sie
sich auf die schon in der ersten Publikation von Emmerich und di Mattei
gemachte Feststellung, daß in immunisierten Tieren, welche 8 bis 10
Stunden nach der Einverleibung von Bakterien getötet wurden, die ein¬
gespritzten Schweinerotlaufbazillen nicht mehr nachweisbar waren und
deuten diesen Befund als eine Vernichtung der Keime durch ein in den
Körpersäften kreisendes antibakterielles Gift. Nun wissen wir aber, daß
auch andere Bakterienarten aus dem Blutkreislauf von Tieren, deren Serum
sicher keine bakterizide Eigenschaft besitzt, in kürzester Zeit verschwinden.
Wyssokowitsch nimmt an, daß die Bakterien von den Organen wie von
Filtern abgefangen werden und daß sich erst an dieser Stelle der Kampf
zwischen den pathogenen Keimen und den Körperzellen abspielt. In
jüngster Zeit hat Weil diese Verhältnisse bei Streptokokken im Kaninchen¬
organismus eingehender studiert und fand kurze Zeit nach der Injektion
eine starke Abnahme der Keimzahl, trotzdem auch hier von einer bak¬
teriziden Wirkung des Kaninchenblutes auf die Streptokokken keine Rede
sein kann.
Auch den Umstand, daß bei immunisierten Kaninchen nach Einver¬
leibung von Rotlaufbazillen das Fieber nach 8 Stunden zurückgeht, sehen
diese Autoren als Beweis für den Untergang der Krankheitserreger und
den Sieg des Organismus an. Aber gerade beim Schweinerotlauf sieht
man oft bei spontanen Erkrankungen, daß das Fieber auch in solchen
Fällen sinkt, wo die Bakterien den Sieg davongetragen haben und die
Tiere in kurzer Zeit zugrunde gehen.
Demgegenüber müssen wir auf die von Metschnikoff, Prettner u.a.
erhobenenen Befunde hinweisen, nach denen die Schweinerotlanfbazillen
im Tierkörper nach einer gewissen Zeit, in welcher sie nicht nachgewiesen
werden konnten, wieder erscheinen und sowohl in (aktiv und passiv)
immunisierten, sowie refraktär sich verhaltenden Tieren, welche der In-
Gck igle
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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlau fimmunserums. 465
fektion widerstehen, die Bakterien lange Zeit wie harmlose Saprophyten
im Blute unbehindert fortleben können. Emmerich und Mastbaum
stellten auch Reagensglasversuche mit dem Gewebssaft immunisierter Tiere
und den Rotlaufbazillen an und fanden nach 24 Stunden eine geringe
Abnahme der Keimzahl. Diese Befunde sind aber ohne Beweiskraft, da
die Kontrolle, welche die Wirksamkeit der normalen Gewebsflüssigkeit
demonstrieren würde, nicht gemacht wurde. Immerhin zogen die Autoren
den Schluß, daß die Keimvemichtung in vitro zwar gering sei, daß aber
die bakterizide Kraft erst im Tierkörper zur vollen Geltung komme, eine
Behauptung, für die keine genügende Stütze vor liegt.
Auch andere Forscher (Lorenz, Voges, Voges und Schütz, Marx,
Deutsch u. a.), welche die der Immunität zugrunde liegenden Vorgänge
erklären wollten, nahmen eine bakterizide Fähigkeit des Immunserums
als Ursache des Unterganges der Bakterien an, trotzdem auch sie Befunde
erheben konnten, welche das Gegenteil beweisen. Nur Deutsch spricht
sich dahin aus, daß das Zusammenwirken von Alexin und Immunkörper
nur in den seltensten Fällen genüge, um die Bakterien zu vernichten,
daß sich der Organismus dabei nicht passiv verhalte, sondern an der Ver¬
nichtung der Keime tätig mitwirke. Hierbei käme nach seiner Ansicht
die Freßtätigkeit der weißen Blutzellen in Betracht. Er stellt sich den
Vorgang der Infektion so vor, daß die Bakterien ein Gift produzieren,
welches auf die amöboiden Zellen schädigend einwirkt. Unter dem Ein¬
fluß dieser, von ihm als „Leuko- oder Phagotoxine“ bezeichneten Stolle,
bilden sich im Organismus Gegenstöße, „Antileukotoxine“, welchen die
Eigenschaft zukommt, die erwähnten Gifte zu paralysieren. Wir werden
sehen, wie diese Vorstellungen den wirklichen Vorgängen nahekommen,
sofern man die Leukozytenwirkung nicht als Phagozytose auffaßt. Im Sinne
dieser Vorstellungen erklärt er — unseres Erachtens mit Recht — warum
beim Schweinerotlauf eine Immunisierung mit abgetöteten Bazillen mi߬
lingt, warum beispielsweise ein mit abgetöteten Bazillen erzeugtes Pest¬
serum, trotz des gleichen Gehalts an Immunkörpern schlechter wirkt, als
ein Serum, welches mit lebenden Kulturen dargestellt wurde.
Es hat auch nicht an Versuchen gefehlt, welche die Ursache der
Wirkung des Rotlaufimmunserums in einer die Phagozytose befördernden
Eigenschaft, in der opsonischen Kraft zu Anden glaubten. In dieser Be¬
ziehung nimmt Staal einen ganz extremen Standpunkt ein, indem er
auf Grund seiner Untersuchungen in dem Schweiuerotlaufimmunserum
ausschließlich die Steigerung der Freßtätigkeit der Leukozyten im Ver¬
gleich zur Wirkung normaler Sera sieht, während Rick mann daneben
auch eine geringe bakterizide Kraft des Immunserums gelten läßt. Andrer¬
seits glaubt Preisz gerade in der übermäßigen Überfüllung der Leuko-
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX
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Original fro-rri
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466
Wilhelm Spat:
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zyten mit Bakterien, wie sie bei schwerkranken Tieren beobachtet wird,
eine deletäre, krankmachende Wirkung zu sehen.
Im Gegensatz zu allen diesen Behauptungen stehen die Befunde
Prettners, auf Grund deren er zur Ansicht gelangt, daß die Schutzkraft
des Rotlaufimmunserums weder durch eine Bakterizidie desselben, noch
durch Förderung der Phagozytose erklärt werden kann.
Diese Verschiedenheit der Anschauungen über ein Immnnserum.
welches in der Veterinärpraxis eine so weite Verbreitung findet und vom
landwirtschaftlichen Standpunkt eine so hervorragende Bedeutung besitzt,
veranlaßt« uns, dasselbe einer genauen Untersuchung zu unterziehen, um
über die wirkliche Ursache seiner Wirkung Klarheit zu finden. Diese
Frage hat nicht allein ein theoretisches Interesse, sondern vor allem eine
große praktische Bedeutung. Denn nur die Aufklärung des Wirkungs¬
mechanismus des Schweineimmunserums, für welche die Erkenntnis des
Infektionsmodus eine unerläßliche Vorbedingung ist, kann zu einer ratio¬
nellen Ausgestaltung des Immunisierungsverfahrens führen. Daß die
gegenwärtig geübten Methoden noch sehr viel zu wünschen übrig lassen
und vom idealen Ziel der absoluten Sicherheit und Gefahrlosigkeit weit
entfernt sind, braucht kaum hervorgehoben zu werden.
II.
Für die Wirkungsweise eines Immunserums kommen nach dem
jetzigen Stande unseres Wissens folgende Möglichkeiten, die antitoxische,
bakterizide, opsonische, bakteriotrope oder die antiaggressive Wirkung in
Betracht. Was die antitoxische Wirkung anbelangt, so ist diese ohne
weiteres auszuschalten, da bisher alle Versuche, ein gelöstes Toxin nach-
weisen, zu keinem Resultate geführt haben. Voges injizierte Mäusen
5 ccm , Tauben 60 ccm , Kaninchen 200 ocm einer abgetöteten Bazillenkultur
ohne Erfolg. Erst der Bakteriensatz von 300 ccm Bouillonkultur tötete
eine Maus, doch gibt Voges selbst zu, daß die Einverleibung solcher
Mengen selbst harmloser Substanzen für das kleine Tier nicht gleichgültig
sein kann.
Das Hauptgewicht unserer Untersuchungen legten wir auf die Frage
der Bakterizidie, welche nach dem bis jetzt vorliegenden Material als höchst
unwahrscheinlich angenommen werden mußte. Als wesentliches Merkmal
bakterizider Sera gilt ihre Eigenschaft, daß sie ihrer Immunkörper durch
Behandlung mit den homologen Bakterien beraubt werden können. Deutsch
hat auch diesen Weg der spezifischen Absorption in seinen Untersuchun¬
gen eingeschlagen, jedoch nicht konsequent durchgeführt. Es gelang ihm,
durch dreimalige Behandlung des Immunserums mit Schweinerollaut-
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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaüfimmunserums. 467
bazillen das Serum ganz zu erschöpfen, d. h. das erschöpfte Serum gab
mit diesen Bakterien keine Komplementbindung mehr. Hiermit war für
ihn der Beweis geliefert, daß es sich um ein bakterizides Serum handelt
Dies ist um so mehr zu verwundern, als Deutsch in derselben Arbeit auf
Grund vergleichender Untersuchungen die Ansicht ausspricht, daß ein
Parallelismus zwischen dem Gehalt an „Immunkörpern“ (Agglutininen)
und der Schutzkraft des Immunserums nicht besteht. Diesen Weg ver¬
folgte konsequent erst Prettner, welcher das Immunserum erschöpfte und
dasselbe sodann im Tierversuche auf seine Schutzkraft prüfte. Es zeigte
sich, daß diese Sera durch die Behandlung mit Bakterien nichts von ihrer
Wirksamkeit eingebüßt haben. Wir halten diesen Versuch für einen ent¬
schiedenen Beweis gegen die Annahme einer bakteriziden Wirkung des
Schweinerotlaufimmunserums. Da jedoch dem Prettner sehen Versuche
der Einwand gemacht werden kann, daß das Immunserum nicht voll¬
ständig erschöpft wurde (er behandelte 0*1 cem eines hochwertigen Serums
mit dem zentrifugierten Satz von 10 ccm Bouillonkultur), so haben wir in
unseren Versuchen die Erschöpfung mit viel größeren Bakterienmassen
durchgeführt und das Serum dann zugleich mit nativem unbehandeltem
Kontrollserum im Tierversuche bis an die unterste Grenze der Wirk¬
samkeit austitriert.
Alle unsere Versuche wurden mit einem hochwertigen Immunserum
vom Pferde (ohne Karbolzusatz) durchgeführt, welches uns in zuvorkom¬
mendster Weise vom Seruminstitut des Hrn. Dr. Schreiber in Lands¬
berg zur Verfügung gestellt wurde. Für diese Freundlichkeit möchten
wir auch an dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank aussprechen.
Er8chöpfnng8versuche.
0*25 001,1 Immunserum wurden mit dem abgetöteten (1 Stunde bei 60°)
Bakteriensatz einer gut gewachsenen Kolleschen Schale versetzt, mehrere
Stunden bei 87 0 gehalten, nach dem Abzentrifugieren abermals mit dem
Satz einer zweiten Kolleschen Schale behandelt. Die Bakterienmassen
werden durch Zentrifugieren entfernt. Eine gleiche Menge Rotlaufimmun¬
serum wurde in derselben Weise mit abgetöteten Typhusbazillen behandelt.
Das als Kontrolle benutzte native Immunserum wurde mit Ausnahme der
Berührung mit Bakterien den gleichen Prozeduren unterworfen. Die
Mäuse erhielten die Seruminjektion am Abend, am nächsten Tage wurden
alle, sowie 2 Kontrollmäuse mit je 0.1 ocm einer 24stündigen Bouillon¬
kultur subkutan, unter die Rückenhaut infiziert.
3n*
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WrLHLLM Spät:
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Resultat:
oi T:er c mit
E-iÜVrTl >-rr:m
OcAandrrlt
Maus Nr. 1 0-1 bleib: am Leben bleibt am Leben bleibt am Leben
2 0•05 ..... .
3 0 • 0 1 .... - -
4 0.005 . stirbt nach stirbt nach stirbt nach
•Serum 5* ♦ Tauen 5 Tagen 3 1 3 Tagen
Oie 2 Kontrollmäuse sterben nach 4» Stunden.
Um anderer Versuch wurde mit einem mehrere Monate alten, abge¬
schwächten Serum ausgeführt. 0*6 :c= ImmuLsernm wurden mit dem
•Satz einer Koileschen Schale wie oben behandelt. Serum und Kultur
(je 0-1 :4:s ) wurden zusammengemischt injiziert.
Mau» Nr. 1
2
3
4
Ö • 1 -" :a Serum
0*05 -
0-01 -
0-005 .
Resultat:
a: ErsoLOptes Serum
bleibt am Leben
stirbt nach 6 Tagen
5
bi Natives Serum
bleibt am Leben
stirbt nach 7 Taiten
6 1
5
Die 2 Kontrellmause sterben nach 2 Tagen.
In anderen Versuchen wurde das Immunserum mit dem Bakterien¬
satz von 300 ccm einer 48>tünd;gen Buuillonkultur erschöpft. Die Resul¬
tate waren immer dieselben.
Alle diese Versuche zeigen übereinstimmend, daß das Schweinerotlauf-
immunserum trotz der Behandlung mit großen Bakterieumasseo in seiner
schützenden Wirksamkeit intakt bleibt. Durch dieses Verhalten ist ein
prinzipieller Unterschied zwischen dem Rotlautimmunserum und den als
bakterizid erkannten Seris aufs schärfste dokumentiert. Die bakteriziden
Sera <z. B. Cholera, Typhus) mit ausgesprochenem Rezeptoreucharakter
können durch Behandlung mit den zugehörigen Bakterien ihrer Immun¬
körper beraubt werden, wodurch sie zugleich ihr bakterizides Vermögen
verlieren. Beim Rotlaufimmunserum lassen sich die schützenden Stoffe
trotz extremster Versuchsbedingungen weder in spezifischer, noch in un-
spezifischer Weise entfernen. Ks kann demnach unter keinen Umständen
mit den bakteriziden Seris in eine Gruppe eingereiht werden. Durch
obige Verbuche erscheinen alle diesbezüglichen Anschauungen aufs be-
stimmte'te widerlegt.
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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaueimmunserums. 469
Bemerkenswert ist, daß in einigen Verdünnungen das erschöpfte Serum
sogar wirksamer erscheint, als das bezügliche native; offenbar gehen
während der Behandlung gewisse Substanzen des Bakterienleibes in das
Serum in Lösung über, welche die Schutzkraft erhöhen. So sehen wir
im ersten Erschöpfungsversuche, daß die Maus Nr. 4, welche 0 • 005 ccm
erschöpftes Serum erhalten hatte, die Kontrollmäuse um 37 2 Tage, das
analoge Tier mit nativem Serum dieselben nur um l 1 /* Tage überlebt.
Im zweiten Versuche mit dem abgeschwächten Serum vermochte das er¬
schöpfte Serum in der Dosis von 0 • 05 ccra die Maus »noch zu schützen
das mit der gleichen Menge nativen Serums behandelte Tier stirbt nach
7 Tagen.
Wiewohl mit Sicherheit angenommen werden durfte, daß die Menge
von 0 • 25 ccm Immunserum durch die zweimalige Behandlung mit der Bak¬
terienmasse zweier Ko 11 eschen Schalen vollkommen ihrer Immunkörper
beraubt wurde, haben wir uns von der Erschöpfung dieses Serums noch
auf einem anderen Wege zu überzeugen gesucht. Wir wählten zu diesem
Zwecke die Methode der spezifischen Komplementbindung. Als Antigen
benutzten wir eine dichte Aufschwemmung von Bakterien, die wir durch
Zentrifugieren einer Bouillonkultur gewonnen hatten. Der gewaschene
Satz wurde in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Der Vor¬
versuch, welcher die Eigenhemmungen des Immunserums und der Bazillen¬
emulsion ermitteln sollte, ergab (0*1 ecm Komplement, dreifach sensibili¬
sierte Hammelerythrozyten. Die Resultate wurden nach 1 Stunde notiert):
Immunserum
Bazillenemulsion
0-2 ccm
starke Lösung
0.5 ccm
vollständige Hemmung
0-1 *
komplette Lösung
0*25 r
r r
0-05 „
r r
o-i ,
r r
0-025 „
n v
0*05 r
komplette Lösung
0-01 „
r r
Komplementbindungsversuch.
a) Mit nativem
Immunserum.
1.
0*1 ccm Immunserum + 0-075 ecm
Bazill.-Emuls. vollstiind. Ilemmun:
2.
0-05 „
r ■f 0‘0l5
r
r r
3.
0*025 „
r + 0 • 0 < ;> r
..
r ?•
4.
0*01 r
r + 0-075 r
schwache Lösung
5.
0*1 „
V +0
..
komplette Lösung
6.
0
r -f“ 0 • 075 r
..
v r
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WrLHTXM Spät:
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4To
bi
1. 0-1 Immun-erum
2. 0-05 _
3. 0-025 .
4. Ö-Öl -
5. 0-1 .
6 . 0
Mit erschöpftem Serum.
+ 0-075Bizill.-Emu!?.
— 0-075 -
T Ü'ÖiO .
— 0*075 -
4- 0 _ -
— 0*075 .
komplette Lösung
Diesem Versuch ist zu entnehmen, daß das Immunserum. weiches
nach der Erschöpfung die schützende Kraft in vollstem Maße beibehält,
die komplementbindende Fähigkeit vollständig eingebüßt hat. Ein schönes
Beispiel dafür, wie wenig die sogenannten komplementbindenden Imm un-
klrper mit der Immunität zu tun haben. Gleichzeitig fallt damit der
Einwand, daß die Schweinerotiaufbazilien deshalb den Immunkörper nicht
binden, weil sie serumfest sind.
Ein Gegenstück zu diesen Versuchen bildet das Verhalten der Sckweiue-
rotlauf bazilien, welche lange Zeit mit dem Immunserum in Berührung
waren. Diesbezüglich konnten wir die Angaben Prettners vollkommen
bestätigen, daß diese Bakterien nach 24 stündiger Behandlung mit Imm un-
serum bei 37° nichts von ihrer Lebensfähigkeit und Infektions¬
kraft einbüßten. Sie töteten Mäuse in denselben Mengenverhältnissen
und in derselben Zeit wie unbehandelte Bakterien. Es ist nicht uninter¬
essant, daß Voges die gleiche Beobachtung gemacht hat; er zog aber
daraus trotzdem den gegenteiligen Schluß, daß das Serum bakterizid wirke,
daß aber diese Wirkung erst im Tierkörper zur Geltung komme.
III. Bakterizide Versuche in vitro.
Neben den im Vorstehenden geschilderten Erschöpfungsversuchen und
dem Verhalten ,.sensibilisierter* 4 Bakterien, welche die Frage der Bakteri-
zidie entschieden in ablehnender Weise lösen, haben wir noch die Wirk¬
samkeit des Kotlaufimmunserums im Keagensglase untersucht. Nachdem
Weil nachweisen konnte, daß beim Meerschweinchen, einem von Natur
gegen Schweinerotlauf resistenten Tiere die Leukozyten gegen die Schweiue-
rotlaufbazilien eine starke bakterizide Kraft besitzen, beschränkten wir
unsere Versuche nicht bloß auf die Feststellung der Wirkung des Immun¬
serums alleiu, sondern stellten auch bakterizide Plattenversuche mit Leu¬
kozyten von Kaninchen an. um zu sehen, ob bei diesem Tiere, welches
sich ebenfalls gegen .Schweinerotlauf refraktär verhält, die Leukozyten¬
wirkung in derselben Weise zum Ausdruck kommen wird. Zur Gewinnung
der Leukozyten injizierten wir einem Kauiuchen etwa 5 ccm einer sterilen
Aleuronataufschwemmuug intrapleural und ebensoviel intraperitoneal. Nach
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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaufimmunserums. 471
ungefähr 15 Stunden wurden die Tiere verblutet, das Exsudat der Brust-
und Bauchhöhle zentrifugiert, eventuell noch mit physiologischer Koch¬
salzlösung nachgespült, der Leukozytensatz gewaschen und auf Röhrchen
verteilt. Auf ein Röhrchen entfielen ungefähr 0*15 ff™ Leukozyten. Die
letzteren wurden in Kaninchenserum aufgeschwemmt und überdies teils
mit Immunserum, teils mit normalem Pferdeserum versetzt. Für die Ein¬
saat wurden von einer 24 ständigen Bouillonkultur 2 Tropfen in ca. 5 ccm
steriler Bouillon zugesetzt, gut durchmischt und hiervon 1 Tropfen pro
Röhrchen verteilt. Ein auf 45° abgekühlter Agar wurde ebenfalls mit
einem Tropfen geimpft und sofort zur Platte gegosssn (Einsaat). Behufs
Erzielung eines besseren Wachstums wurde demselben 0*5 ccm bis l ccm
Serum zugesetzt. Die übrigen Röhrchen wurden 5 Stunden im Brut¬
schrank gehalten und oft geschüttelt. Dann wurden sie ebenfalls mit
einem abgekühlten Agar überschüttet und zur Platte gegossen. Die Zäh¬
lung der aufgegangenen Kolonien erfolgte nach 16 bis 18 Stunden (siehe
Versuch I, S. 472).
Aus diesen Versuchen ist zu entnehmen, daß das Rotlaufimmunserum,
ebenso wie das normale Pferde- und Kaninchenserum keine bakterizide
Fähigkeit besitzt, die zugesetzen Rotlaufbazillen vermehren sich in dem¬
selben ins Unendliche. Wir machen hier nochmals ausdrücklich darauf
aufmerksam, daß unsere Platten nach ^5 ständiger Einwirkung gegossen
wurden und daß wir große Einsaaten hatten. Unsere Ergebnisse stehen
somit in keinem Widerspruch zu den Befunden Büchners, der wohl bei
geringen Einsaaten eine deutliche Abnahme, bei höheren dagegen nach
5 Stunden ebenfalls eine Vermehrung der Bakterien konstatieren konnte.
Hingegen entfalten die Kaninchenleukozyten eine sehr starke bakte¬
rizide Wirkung, wobei es gleichgültig erscheint, ob dieselben im Rot¬
laufimmunserum oder in einem anderen, normalen Serum aufgeschwemmt
sind. Die Leukozyten scheinen demnach bei den von Natur immunen
Tieren das Hauptverteidigungsmittel gegen die Rotlaufinfektion vorzustellen.
Es schien uns daher von Interesse, da diesbezüglich in der Literatur
keine Angaben vorliegen, auch das Verhalten der Leukozyten empfäng¬
licher Tiere in dieser Richtung zu prüfen. Wir waren aus äußeren
Gründen nicht in der Lage, diese Versuche an Schweinen noch Tauben
vorzunehmen, und wir können daher nur von Befunden berichten, welche
wir an Mäusen gewonnen haben. Wir injizierten einer größeren Anzahl
von Mäusen je 1 • 5 ccm sterile Bouillon intraperitoneal, nach 15 Stunden
wurden die Tiere verblutet und die Bauchhöhle mit physiologischer Koch¬
salzlösung mehrmals durchgespült. Die Spülflüssigkeit wurde zentrifugiert
und ergab einen reichlichen Leukozytensatz. 5 bis 6 Mäuse lieferten die
für ein Röhrchen nötige Leukozytenmenge. Sonstige Versuchsanordnung
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Übeb die Wibkungsweise des Schweinebotlaufimmunsebums. 473
wie in den früheren Versuchen. Zum Vergleich wurde in demselben
Versuche das Verhalten von Meerschweinchenleukozyten, die in der üblichen
Weise gewonnen wurden, gegen den gleichen Rotlaufstamm geprüft, und
zwar wurden von den Meerschweinchenleukozyten 5 verschiedene absteigende
Proben angelegt. (Siehe Versuch II, S. 472.)
Wir sehen aus diesem Versuche, daß das Blutserum der Maus ähn¬
lich wie das des Meerschweinchens keine bakterizide Fähigkeit besitzt.
Dagegen ist die Wirkung der Mäuseleukozyten auf die Schweine¬
rotlaufbazillen, wenn sie überhaupt wirken, nur minimal (un¬
gefähr 7 bis 8 mal schwächer als die der Meerschweinchenleukozyten).
Dieser Befund beansprucht ein großes Interesse; sollte er sich auch in
demselben Sinne bei Tauben und Schweinen feststellen können, so wäre
hiermit im allgemeinen die Empfänglichkeit dieser Tiere für Schweinerot¬
lauf bzw. die Resistenz anderer Tierarten vollkommen aufgeklärt. Die¬
jenigen Tiere wären empfänglich, deren Leukozyten nur eine schwache
oder gar keine Wirkung auf die Rotlauf bazillen ausüben und umgekehrt
diejenige Tierart resistent, deren Leukozyten eine starke Bakterizidie be¬
sitzen. Wir beabsichtigen, diese Verhältnisse bei den empfänglichen Tieren
weiter zu verfolgen.
In dieser Beziehung sind die Untersuchungsergebnisse Weils be¬
merkenswert. Er fand, daß die Rattenleukozyten im Vergleich zu den
Meerschweinchenleukozyten eine viel schwächere Bakterizidie aufweisen und
außerdem die keimtötende Wirkung nur in aktivem Serum entfalten
können. Nun ist die Ratte im Gegensatz zum Meerschweinchen für
Schweinerotlauf empfänglich, wenn auch nicht in dem Maße wie die Maus.
Die bei diesen Tieren (Meerschweinchen, Ratte, Maus) festgestellte
Abstufung der Leukozytenwirkung geht also mit der Empfäng¬
lichkeit dieser Tiere für Schweinerotlauf parallel, so daß man
letztere als Ausdruck der Leukojzytenwirkung anzusehen be¬
rechtigt ist.
IT. Untersuchungen über die bakteriotrope (opsonische)
Wirkung.
Nach den Untersuchungen, welche die bakterizide Wirkung des
Schweinerotlaufserums verneinen, gingen wir daran, dasselbe bezüglich
seiner bakteriotropen (opsonischen) Eigenschaft zu prüfen, da die Befunde
Staals uns nicht geeignet erschienen, die von diesem Autor ausgesprochene
Anschauung zu rechtfertigen und wir überdies nach den Angaben
Prettners und Weils einen nennenswerten Einfluß des Rotlaufimmun¬
serums auf die Phagozytose nicht erwarten konnten. Unsere Versuche
gestalteten sich in folgender Weises Eine 24 ständige Bouillonkultur
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474
Wilhelm Spät:
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wurde zentrifugiert, der Satz gewaschen, in 1 ccm physiologischer Kochsalz¬
lösung aufgeschwemmt, so daß eine sehr tr&be, dichte Emulsion entstand,
von welcher je 1 Tropfen auf ein Röhrchen verteilt wurde. Die Leuko¬
zyten wurden in der geschilderten Weise vom Kaninchen gewonnen und
von einer dichten Aufschwemmung 2 Tropfen pro Röhrchen zugesetzt
Wir erreichten auf diese Art eine gleichmäßige, entsprechend reichliche
Verteilung der Leukozyten und Bakterien in jedem Gesichtsfelde. Folgende
Proben wurden aufgestellt.
1 .
2 .
3.
4.
5.
6 .
Bakterien + 0-05 com Rotlaufimmunserum -j- Leukozyten
-f- 0.45 „ phys. NaCl-Lösung
„ + 0•05 „ normal. Pferdeserum + „
4- 0*45 „ phys. NaCl-Lösung
„ + 0-05 „ Rotlaufimmunserum + „
+ 0*45 „ Kaninchenser. aktiv
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„ 4- 0*05 „ phys. NaCl-Lösung + _
4- 0-45 „ Kaninchenser. aktiv
* + 0-5 „ phys. NaCl-Lösung 4- r
+ 0 .
Die sofort angefertigten mikroskopischen Präparate ergaben in allen
Röhrchen eine gleichmäßige Verteilung der Bazillen, keine Phagozytose.
Die Röhrchen wurden dann in den Brutschrank gestellt und alle 5 Minuten
geschüttelt.
Nach 15 Minuten geringe Phagozyten in allen Proben, mit Aus¬
nahme der Probe Nr. 6, die Bazillen zusammengeballt (Agglutination).
Nach 30 und 45 Minuten kein wesentlicher Unterschied. Erst nach
einer Stunde (in anderen Versuchen erst nach l 1 /, Stunden) starke
Phagozytose in den Röhrch 1. bis 5., in der Probe 6. sind nur vereinzelte
Leukozyten mit Bazillen gefüllt, sonst sind letztere gleichmäßig im Ge¬
sichtsfelde zerstreut, wie vor der Einwirkung.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß das Rotlaufimmunserum im
Reagensglase in hohem Maße die Phagozytose befördert, daß diese Wirkung
jedoch keineswegs als spezifisch angesehen werden darf, da die als Kon¬
trollen verwendeten Normalsera vom Pferde und vom Kaninchen genau
dieselben Resultate ergaben.
In einem scheinbaren Gegensatz zu diesen Befunden stehen die An¬
gaben Staals, der beim Rotlaufimmunserum eine etwas stärkere Phago¬
zytose fand, als beim Normalserum. Doch sind die von Staal zwischen
Immunserum und Normalserum gefundenen Differenzen sehr gering, zumal
wenn man die Unterschiede zwischen den Serumproben überhaupt und
Ivochsalzproben berücksichtigt. Unter dem Einfluß der Agglutination
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Über die Wirkungsweise des Schweinerotdaufimmünserums. 475
entstehen so große Bazillenklumpen, daß es wohl nicht angeht, Unter¬
schiede Ton wenigen Bazillen als ein wesentliches Merkmal hervorzuheben.
Jedenfalls berechtigen diese Resultate nicht zum Schlüsse, daß die
Wirkung des Rotlaufimmunserums ausschließlich auf seiner opsonischen
Eigenschaft beruht
Unsere Befunde stimmen vor allem mit den im Tierkörper
beobachteten Vorgängen vollkommen überein. Wir konnten uns,
ebenso wie Prettner überzeugen, daß bei Mäusen, denen intraperitoneal
Rotlauf bazillen und Immunserum injiziert wurden, niemals eine nennens¬
werte Phagozytose auftrat, trotzdem Leukozyten in reichlichen Mengen
vorhanden waren. Gegen die Bedeutung der Opsonine spricht noch die
Tatsache, daß das Immunserum durch Absorption nichts von seiner Wirk¬
samkeit verliert; durch die Erschöpfung wurden aber die Opsonine beseitigt.
Daß die Phagozytose hier nicht in Betracht kommt, geht auch aus
den Versuchen Weils hervor, welcher bei Schweinerotlauf die bakterizide
Kraft abgetöteter (durch mehrmaliges Eingefrieren und Auftauenlassen)
Leukozyten nach wies, ferner daß die Meerschweinchenleukozyten auch in
inaktiviertem Serum ihre keimtötenden Eigenschaften entfalten, alles Um¬
stände, die eine Phagozytose, welche doch an die Vitalität der Leuko¬
zyten gebunden ist und die Mitwirkung aktiver Sera erheischt, mit Sicherheit
ausschließen. In diesen Fällen kommt es zu einer Abtötung der Bakterien,
ohne daß die Phagozytose in Erscheinung tritt, ein Vorgang, den Weil
als Aphagozidie oder ophagozide Leukozytenwirkung bezeichnet
Die Wirkung des Rotlaufimmunserums kann demnach nicht durch
eine die Phagozytose befördernde Eigenschaft erklärt werden.
V. Antiaggressive Wirkung.
Nach Widerlegung der antitoxischen, bakteriziden und (bakteriotropen)
opsonischen Wirkung des Schweinerotlaufserums, erübrigt uns noch die
Besprechung der letzten Eventualität, zu der wir gleichsam per exclusionem
gelangen d. i. der antiaggressiven Eigenschaft. Diese von Bail entdeckte
Art der Immunität finden wir am deutlichsten ausgeprägt in den gegen
Milzbrand und Hühnercholera gerichteten Immunseris. Letztere besitzen
die Fähigkeit, die von den zugehörigen Bakterien im Tierkörper sezernierten
Angriffsstoffe (Aggressine), welche gegen die Abwehrkräfte des Organismus
gerichtet sind, zu paralysieren. Die im Immunserum enthaltenen anti¬
aggressiven Stoffe greifen nicht die Mikroorganismen selbst an, sondern
machen deren Angriffsprodukte unwirksam, weshalb die Bakterien zu¬
nächst nicht direkt geschädigt worden; allein durch Paralysierung ihrer
gegen die natürlichen Verteidigungsmittel des Tierkörpers gerichteten
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Wilhelm Spät:
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Produkte werden sie wehrlos gemacht und erliegen allmählich diesen
Schutzkräften. Mit diesen antiaggressiven Seris hat aber das Schweine¬
rotlaufimmunserum viele wesentliche Merkmale gemeinsam. Auch die
Milzbrand- und Hühnercholerasera zeichnen sich dadurch aus, daß sie
durch Behandlung mit den homologen Mikroorganismen niemals erschöpft
d. h. ihrer schützenden Eigenschaft beraubt werden können. Auch bei
Einverleibung dieser Sera werden die Bakterien nicht sofort vernichtet
sondern können, wie wir es beim Schweinerotlauf gesehen haben Metsch-
nikoff, Prettner) längere Zeit ohne jede Schädigung des Organismus
weiter leben, was aus der Wirkungsweise des Immunserums leicht er¬
klärlich erscheint. Bei der antiaggressiven Immunität erfolgt die Durch¬
führung des Kampfes gegen die Krankheitserreger durch eine Arbeits¬
teilung: Das Schutzserum paralysiert lediglich die Angriffsstoffe der
Bakterien, die Vernichtung der letzteren besorgen die Abwehrkräfte des
Tierkörpers. Hierbei spielen offenbar die Leukozyten die Hauptrolle. So
geht aus denVersuchen von Bail und Weil hervor, daß beim Milzbrand
die Aggressine imstande sind, die Leukozyten in der Abgabe der bakteri¬
ziden Stoffe zu hemmen.
Beim Schweinerotlauf dürfte der gleiche Infektions- und Abwehr-
mechanismus vorliegeu. Wir haben gesehen, daß das Rotlaufimmunserum
ebensowenig bakterizid wirkt, wie die Sera der von Natur gegen diese
Krankheit resistenten Tiere (Meerschweinchen, Kaninchen). Dagegen ver¬
fügen die weißen Blutzellen dieser Tiere über eine sehr starke keimtötende
Kraft, welche offenbar durch die Angriffsstoffe der Bakterien nicht über¬
wunden werden kann. Die schwächer wirkenden Leukozyten der empfäng¬
lichen Tiere können dagegen vom Aggressin leichter in ihrer Tätigkeit be¬
hindert werden.
Daß die hier ausgesprochene Vorstellung den tatsächlichen Verhältnissen
mindestens nahe kommt, ist aus dem unten angeführten Versuch zu er¬
sehen. W eil hat gezeigt, daß auch jene Immunsera, welche sicher nicht
bakterizid wirken, durch sogenannte komplementbindende Systeme im Tier¬
körper ihrer Schutzkraft beraubt werden können, daß aber durch eine
Anreicherung der Leukozyten dieser Schaden ausgeglichen werden kann.
Prettner hat nun Mäusen zugleich mit Rotlaufbazillen und Immunsernm
ein komplementbindendes System (Cholerapräzipitat) intraperitoneal ein¬
verleibt und fand, daß solche Mäuse zugrunde gingen, dagegen durch
Anreicherung der Leukozyten (Vorbehandlung mit Bouillon) gerettet
werden konnten. Auch wir haben solche Versuche mit demselben Resultat
ausgeführt. Wir haben aber in der Folge die Versuchsbedingungen derart
modifiziert, daß die Resultate in einem anderen Lichte erscheinen. Wir
verwendeten zunächst anstatt eines Präzipitates (Menschenserum+Menschen-
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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaueimmünserums. 477
antiserum) sensibilisierte Choleravibrionen, zuletzt aber nur abgetötete
Cholera Vibrionen. Der Versuch gestaltete sich dann folgendermaßen:
Maus Nr. 1 erhält 0 • 5 ccm sterile Bouillon intraperitoneal. Am nächsten
Tag 0*08 ccra Rotlaufimmunserum + 0*015 cem Bouillonkultur von Schweine¬
rotlaufbazillen + 0*25 ccm abgetöteter Choleravibrionen. (Eine Agarkultur
wurde in 1 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt) intraperitoneal.
Bleibt am Leben.
Maus Nr. 2 erhält dasselbe wie Maus Nr. 1, nur wurde sie nicht mit
Bouillon vorbehandelt. Stirbt nach 1 Tag.
Maus Nr. 3 erhält 0*07 ccm Immunserum + 0*015 ecm Kultur. Bleibt
am Leben. (Kontrolle für die "Wirksamkeit des Immunserums.)
Maus Nr. 4. Wird vorbehandelt mit Bouillon wie Maus Nr. 1; am
nächsten Tag 0* 015 ccra Kultur. Stirbt nach 3 1 / 2 Tagen. (Kontrolle für den
Einfluß der Bouillon.)
Maus Nr. 5 erhält nur 0*015 ccm Kultur. Stirbt nach 2 Tagen. (Kon¬
trolle für die Virulenz des Stammes.)
Maus Nr. 6 erhält 0*25 com abgetöteter Choleravibrionen. Bleibt am
Leben. (Kontrolle für die Unschädlichkeit der Vibrionen.)
Dieser Versuch zeigt, daß die Wirkung des Immunserums durch die
eingespritzten Cholerabazilleu aufgehoben wird (Maus Nr. 2), daß aber der
Einfluß der letzteren durch eine Vorbehandlung mit Bazillen beseitigt
werden kann (Maus Nr. 1). Wie ist nun der Einfluß der unschädlichen
(Maus Nr. 6) Choleravibrionen zu erklären? Nach den Versuchen Weils
können die bakteriziden Leukozytenstoffe durch Bakterien wie auch durch
gewöhnliche Absorptionsmittel (Kreide, Gips, Tierkohle, Kaolin usw.) ge¬
bunden werden. Bei der Maus Nr. 2 wurden nun die Leukozytenstotie
durch die Vibrionen absorbiert, wodurch es dem Organismus unmöglich
gemacht, wurde die Bakterien zu vernichten. Durch Anreicherung der
Leukozyten bei der Maus Nr. 1 wurden die Verluste an bakteriziden
Stoffen gedeckt. Dieser Versuch demonstriert demnach die Vorgänge der
Infektion und die Art ihrer Bekämpfung.
Für die antiaggressive Eigenschaft des Rotlaufimmunserums spricht
nicht zuletzt die von allen Forschern übereinstimmend anerkannte Tat¬
sache, daß die Immunisierung nur mit lebenden Bakterien gelingt. Nur
diese vermögen im Tierkörper Aggressin zu produzieren, gegen welches
dann der Organismus die Antiaggressine bildet.
Nach der erörterten Vorstellung vom Infektionsmechanismus war
unser Bestreben naturgemäß darauf gerichtet, beim Schweiuerotlauf ein
Aggressin nachzuweisen. Dieses erhält Bail bei Milzbrand bekanntlich
aus den Ödemen oder Exsudaten intizierter empfänglicher Tiere. Beim
Schweinerotlauf stellten sich diesbezüglich große Schwierigkeiten in den
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Weg, da wir kein geeignetes empfängliches Tier hatten. Zum Schluß ist
es uns gelungen, bei Kaninchen durch Infektion mit großen Kulturmengen
ein Exsudat zu gewinnen, welches aggressive Fähigkeiten aufwies. Einem
Kaninchen wurden 15 bis 20 ocm einer 24 ständigen Bouillonkultur intra-
plural injiziert, nach 24 Stunden wurde das Tier getötet, das Exsudat
behufs Entfernung der Bakterien scharf zentrifugiert und mit Toluol ver¬
setzt (24 Stunden im Eiskasten). Nach Entfernung des Toluols wurde
die aggressive (infektionsbefördernde) Wirkung des Exsudats geprüft- Das
Resultat war folgendes:
Maus Nr. 1 erhält 0*001 ccm Kultur subkutan. Stirbt nach 3 3 / t Tagen.
Maus Nr. 2 erhält ebensoviel Kultur + 0*5 ccm Exsudat. Stirbt nach
3 Tagen.
Maus Nr. 3 erhält ebensoviel Kultur + l ecm Exsudat. Stirbt nach 2 Tagen.
Maus Nr. 4 erhält ebensoviel Kultur + 1-5 ccm Exsudat. Stirbt nach
1V 2 Tagen.
Maus Nr. 5 erhält nur l*5 ocm Exsudat. Bleibt am Leben.
Das Resultat ist dürftig und wir müssen hinzufügen, daß die Er¬
zielung eines Exsudats von Aggressincharakter (starke Bakterienvermebrung)
trotz sehr zahlreicher Versuche keineswegs immer gelang. In dieser
Richtung werden die Versuche fortgesetzt, um die besten Bedingungen
für die Gewinnung geeigneter Exsudate herauszufinden. Erst nach Er¬
reichung dieses Zieles könnte an eine aktive Immunisierung mit Aggressinen
geschritten werden.
Dauer der passiven Immunität.
Daß die durch Einverleibung von Rotlaufimmunserum erzeugte
Immunität nicht von langer Dauer ist, ist schon lange bekannt, doch
fehlen in der Literatur darüber genauere Angaben. Es ist von vornherein
klar, daß die bei einer Tierart gewonnenen Resultate nicht ohne weiteres
auf andere Tierarten übertragen werden dürfen und daß abgesehen von
der Menge des eingeführteu Immunserums auch noch die Virulenz der
nachträglich zur Infektion verwendeten Kulturen in Betracht kommt.
Daß diese Virulenz innerhalb weiter Grenzen Schwankungen aufweisen
kann, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden. Immerhin schien es
uns nicht uninteressant diese Verhältnisse wenigstens bei Mäusen zu
studieren. Wir injizierten gleichzeitig 2 Reihen von Mäusen je 0* 1 ccm
bzw. 0-05 ccm Schweinerotlaufimmunserum subkutan und infizierten daun
nach einigen Tagen in verschiedenen Zwischenräumen je eine Maus einer
jeden Reihe; zugleich wurden jedesmal Kontrolltiere, welche kein Immuu-
serum erhalten hatten, mit der gleichen Kulturmenge (0.1 ccm ) infiziert.
Das Resultat war folgendes:
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Übeb die Wirkungsweise des Schweinerotlaufihmunsebums. 479
a) Tiere, welche mit je 0*1 ccm Immunserum vorbehandelt wurden.
(10 fach schätzende Dosis.)
Maus Nr. 1, infiziert 2 Tage nach der Seruminjektion, bleibt am Leben,
die Kontrollmaus stirbt nach 2 Tagen.
Maus Nr. 2, infiziert 4 Tage nach der Seruminjektion, bleibt am Leben,
die Eontrollmaus nach 2 Tagen tot.
Maus Nr. 3, infiziert 7 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach
Tagen, Eontrollmaus nach 2 1 / 2 Tagen tot.
Maus Nr. 4, infiziert 10 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach
2 1 / 2 Tagen zugleich mit der Eontrollmaus.
b) Tiere, welche mit je O’OÖ® 0 “ Immunserum vorbehandelt wurden.
(5 fach schützende Dosis.)
Maus Nr. 1, infiziert 2 Tage nach der Seruminjektion, bleibt am Leben,
die Eontrollmaus stirbt nach 2 Tagen.
Maus Nr. 2, infiziert 4 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach
5 Tagen, die Eontrollmaus nach 2 Tagen.
Maus Nr. 3, infiziert 7 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach
3 Tagen, die Eontrollmaus nach 2 1 / 2 Tagen.
Maus Nr. 4, infiziert 10 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach
2 1 /, Tagen zugleich mit der Eontrollmaus,
Die Dauer der durch Einverleibung von Rotlaufimmunserum erzielten
passiven Immunität ist somit Von der eingeführten Serummenge abhängig
und sinkt mit derselben. Sie erlosch bei unseren Mäusen bei der Menge
von 0* l ccm Immunserum nach 10 Tagen vollständig, nach 7 Tagen äußerte
sich dieselbe lediglich in der Verlängerung der Lebensdauer um 2 Tage.
Bei der Menge von 0-05 ccm ist die passive Immunität schon nach 7 Tagen
fast vollständig erloschen; nach 4 Tagen vermag das eingeführte Serum
bloß den Tod des Tieres um 3 Tage hinauszuschieben.
Dauer der durch gleichzeitige Behandlung mit Immunserum
und Bazillen erzeugten „aktiven“ Immunität.
In den nachstehenden Versuchen wollten wir uns überzeugen, wie
lange die durch gleichzeitige Behandlung mit Immunserum und lebenden
Bakterien erzeugte aktive Immunität andauert. Die Versuche wurden an
Mäusen ausgeführt, welche mit absteigenden Dosen von nativem bzw.
erschöpftem Rotlaufimmunserum und 0«l ccm Bouillonkultur vorbehandelt
wurden und am Leben geblieben waren.
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a) Tiere mit nativem Serum vorbehandelt.
Maus Nr. 1 erhielt 0*1 ccm Immunserum und 0*1 ccm Bouillonkultur,
nach 27 Tagen neuerdings infiziert mit 0*1 ccm Kultur, stirbt nach 4 Tagen.
Maus Nr. 2 erhielt 0*05 ccm Immunserum, sonst wie Maus Nr. 1, stirbt
nach 2 Tagen (wie die Kontrollmaus).
Maus Nr. 3 erhielt 0*01 ccm Immunserum, sonst wie Maus Nr. 1. Bleibt
am Leben.
b) Tiere mit erschöpftem Serum vorbehandelt.
Maus Nr. 1 erhielt 0 • 1 ccm erschöpftes Immunserum, sonst wie die Tiere
der Reihe a), stirbt nach 4 Tagen.
Maus Nr. 2 erhielt 0-05 ccm erschöpftes Immunserum, sonst wie Maus
Nr. 1, stirbt nach 3 Tagen.
Maus Nr. 3 erhielt 0*01 ocra erschöpftes Immunserum, sonst wie Maus
Nr. 1. Bleibt am Leben.
Dieser Versuch zeigt, daß die durch kombinierte „aktive“ Immuni¬
sierung erzeugte Immunität nur von kurzer Dauer ist und nur in jenen
Fällen länger anhält, in denen bloß ganz geringe, zum Schutze aber noch
ausreichende Serummengen verwendet wurden. Auch Prettner ist auf
Grund seiner Versuche zu denselben Resultaten gelangt. Man muß sich
vorstellen, daß unter diesen Bedingungen (wenig Immunserum, viel
Bakterien) durch den kleinen Vorrat an eingeführten Schutzstoffen nur
eiu Teil der von den Bakterien produzierten Angriffsstoffe paralysiert
wird, und zwar, eben noch so viel, als notwendig ist, um das Leben des
Tieres zu retten; der übrige Teil der nicht’ gebundenen Angriffsstoffe regt
indessen den Organismus zur Bildung von neuen eigenen Schutzstoffen
an, wodurch die aktive Immunität zustande kommt. Wird dagegen mit
den Bakterien viel Immunserum einverleibt, so werden sämtliche von jenen
produzierten Angriffsstoffe neutralisiert, sie gelangen als solche nicht zur
Resorption, wodurch der Reiz zur Bildung von Gegenstoffen entfällt.
Zusammenfassung.
In der vorliegenden Arbeit wurde die Wirkungsweise des Schweine¬
rotlaufimmunserums einer Prüfung unterzogen. Der Reihe nach wurden
alle nach dem gegenwärtigen »Staude unseres Wissens bekannten Modali¬
täten gewürdigt.
Die Frage der autitoxischen Wirkung wird von vornherein ausge¬
schaltet, da bisher alle Versuche, ein Toxin nachzuweisen, ergebnislos
geblieben sind.
Die Annahme einer bakteriziden Wirkung wird widerlegt; das Serum
wirkt weder in vitro noch im Tierversuche keimtötend, es unterscheidet
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Übeb die Wibkcngsweise des Schweinebotdaufimmunsebums. 481
sich ferner dadurch wesentlich von anderen bakteriziden Seris, daß es
durch Behandlung mit den eigenen Bakterien nicht erschöpft werden kann.
Behandelte Sera behalteji ihre Schutzkraft in vollem Maße; der einzige
sichtbare Effekt der Erschöpfung ist der Verlust der komplementbindenden
Fähigkeit.
Auch die opsonische Wirkung kommt nicht in Betracht, da ver¬
gleichende Reagensglasversuche mit normalen Seris keine wesentlichen
Unterschiede zwischen diesen und dem Schweinerotlaufimmunserum er¬
geben haben.
Gegen die Bedeutung der Opsonine spricht auch der Umstand, daß
erschöpfte Sera ihre volle Wirksamkeit beibehalten; durch die Erschöpfung
wurden aber die Opsonine beseitigt. Auch im Tierversuoh konnte eine
wesentliche Phagozytose nicht nachgewiesen werden.
Die Vernichtung der Bakterien fallt den Leukozyten zu, denn durch
Absorption der Leukozytenstoffe durch tote Bakterien kommt es trotz des
Immunserums zur Infektion. Die Leukozyten können Bakterizidie ent¬
falten, ohne daß die Freßtätigkeit in Erscheinung zu treten braucht
(Aphagozidie).
Die bakterizide Leukozytenwirkung ist bei den von Natur resistenten
Tieren sehr bedeutend, bei den empfänglichen Tieren (Mäusen) sehr gering.
Das Schweinerotlaufimmunserum besitzt alle Eigenschaften der anti¬
aggressiven Immunsera. Die Gewinnung eines Aggressins gelingt jedoch
nicht immer, was offenbar mit dem langsamen Wachstum der Schweine¬
rotlaufbazillen im Tierkörper zusammenhängt.
Die Dauer der passiven Immunität ist eine sehr kurze; sie beträgt
bei Einverleibung der lOfach schützenden Dosis bei Mäusen höchstens
7 Tage.
Die durch kombinierte Impfung erzeugte „aktive“ Immunität hält
nur dann lange an, wenn sehr niedrige Serummengen (die einfach
schützende Dosis) angewendet werden.
Zeitschr. f. Hygiene. LX1X
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482
Wilhelm Spat: Uber die Wirkungsweise csw.
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Literatur - V erzeichnis.
1. Bail u. Weil, Archiv für Hygiene. Bd. LXXIIL
2. Büchner u. Voit, Ebenda. Bd. X.
3. Deutsch, Centralblatt für Bakteriologie. Bd.XXX1Q. Abt I. Orig.
4. Emmerich u. Mastbaum, Archiv für Hygiene. Bd. XII.
5. Lorenz, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XV.
6. Preisz, Handbuch von Rolle-Wassermann. IH.
7. Prettner, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XLIII. Abt. I. Orig.
8. Staal, Ebenda. Bd. IL. Abt. I. Orig.
9. Voges, Diese Zeitschrift. Bd. XXII.
10. Weil, Archiv für Hygiene. Bd. L1V.
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UMIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem hygienischen Institut in Kiel.]
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. B. Fischer.)
Über das Absterben von Bakterien
auf den wichtigeren Metallen und Baumaterialien.
Von
Privatdozent Dr. med. Ludwig Bitter.
Verhältnismäßig lange schon ist es bekannt, daß die Bakterien, be¬
sonders diejenigen unter ihnen, die ihre optimalen Lebensbedingungen
im menschlichen oder tierischen Körper finden, in der Außenwelt zahl¬
reichen schädigenden Einflüssen ausgesetzt sind, durch die sie massenhaft
vernichtet werden. Eine solche massenhafte Vernichtung dieser kleinen
Lebewesen muß als äußerst segensreich, ja als direkt notwendig bezeichnet
werden, da sich unter ihnen ja die Krankheitserreger befinden, die von
den erkrankten Menschen oder Tieren unter natürlichen Verhältnissen in
so gewaltiger Anzahl und in so ausgedehntem Maße ringsherum verstreut
werden, daß ohne dieses vernichtende Eingreifen der äußeren Einflüsse
trotz der zahlreichen und bewunderungswürdigen Schutzeinrichtungen des
Menschen- und Tierkörpers eine viel häufigere Infektion stattfinden müßte,
als es tatsächlich der Fall ist.
Schon 1877 bzw. 1885 haben Downes und Blunt und Arloing
festgestellt, daß das direkte Sonnenlicht sehr widerstandsfähige Mikro¬
organismen, sogar Milzbrandsporen in verhältnismäßig kurzer Zeit (letztere
beispielsweise in 2 Stunden) zu töten vermag. Auch diffuses Tages¬
licht übt nach späteren Untersuchungen einen schädigenden Einfluß aus.
[Literatur bei Wiesener (1).]
Durch die Austrocknung werden, wie ebenfalls lange bekannt, eine
große Anzahl von nicht sporenbildeuden Krankheitserregern unter allen
Umständen schwer geschädigt, einige sogar zuverlässig vernichtet, während
allerdings andere unter bestimmten Bedingungen dadurch nicht nur nicht
ungünstig beeinflußt, sondern sogar vor einem raschen Untergange be¬
wahrt werden.
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Größere und häufigere Temperaturschwankungen scheinen nach
den Untersuchungen von Brehme (2) die Bakterien ebenfalls zu schädigen.
Die stärkere oder schwächere Wirkung der genannten schädigenden
Momente auf die in der Außenwelt verstreuten Keime hängt aber, wie
eigentlich nicht anders zu erwarten, noch von-einer ganzen Reihe von
Nebenumständen ab. Beim Austrocknen der Bakterien beispielsweise muß
man, wie Ficker (3) gezeigt hat, das Alter und die Virulenz der
Kultur, von der die Keime stammen, den Nährboden, auf dem sie ge¬
wachsen, die Temperatur, bei der das Wachstum erfolgte, die Dicke
der angetrockneten Bakterienschicht, die Schnelligkeit des Ein¬
trocknens, das Verhalten der umgebenden Luft (Ruhe oder Bewegung,
konstante oder wechselnde relative Feuchtigkeit), und schließlich besonders
das oder die Objekte, auf denen das Trocknen erfolgt, mit in Rechnung
ziehen. Diese Nebenumstände können je nach dem den Effekt des Ein-
tTocknens allein steigern oder aber beeinträchtigen und sogar ganz auf-
heben. Die Objekte vor allem, auf die die Bakterien aus dem Körper
oder von einem ihnen zusagenden künstlichen Nährboden gelangen, spielen
für das schnellere oder langsamere Absterben derselben nicht nur bei
später erfolgender Trocknung, sondern überhaupt eine gewaltige Rolle.
Es gibt eine ganze Reihe von Stoffen, die, häufig vorkommend
und vom Menschen viel gebraucht, ohne eigentliche Desinfek¬
tionsmittel zu sein, doch eine starke bakterizide Kraft besitzen.
I. Metalle.
A. Literatur.
Nach v. Behring *, Cred6, Thiele undWolff, Brochniowsky u. a.
bilden sich um Stückchen gewisser Metallsorten, die in möglichst gleich¬
mäßig besäte Nährböden hineingelegt werden, Höfe, die kein Wachstum
erkennen lassen. Wird das Metallstückchen entfernt, so bleibt dieser
Hof trotzdem künftighin steril, v. Behring gibt an, daß nicht alle Bak¬
terien auf diese Weise gleichmäßig im Wachstum zurückgehalten werden,
Typhus- und Rotzbakterieu z. B. gar nicht und Choleravibrionen nur in
mäßiger Weise. Die Metalle selbst erweisen sich nach den Angaben der
Literatur ebenfalls als sehr verschieden wirksam. Kupfer gilt allgemein
als das am besten bakterientötende, Nickel, Gold und Blei als die in
dieser Hinsicht ziemlich indifferenten Medien.
1894 fand Vincent (4), daß auf der Oberfläche von Geldstücken
besonders häufig nur Eitererreger angetroffen werden, und daß daselbst
1 Bekämpfung der Infektionskrankheiten. Leipzig 1894 .
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Absterben von Bakterien.
485
ausgestrichene Coli- und aus dem Darm ausgeschiedene pathogene Bak¬
terien in wenigen Stunden zugrunde gehen. Vincent führt dieses Zu¬
grundegehen auf die „antiseptischen Eigenschaften der Oxyda¬
tionsprodukte der Metallstücke“ zurück. Sousstücke erwiesen sich
überhaupt weniger als 18 Stunden nach dem letzten Anfassen als steril,
auf Goldstücken dagegen hielten sich verschiedene Bakterien, besonders
auch die Eitererreger, bis zu 7 Tagen lebend. Dieses Verhalten gibt
dem Autor zu dem Scherze Veranlassung, daß es ein Trost für unsere
teure Zeit sei, daß wenigstens in hygienischer Beziehung der Sous dem
20-Frankstücke vorzuziehen ist
1901 brachte v. Esmarch (5) auf Türgriffe von Eisen und
Messing Streptokokken, Diphtheriebakterien und Prodigiosuskeime aus
Bouillonkulturen in winzigen Tröpfchen, die flach ausgestrichen, in
1 Minute fast stets eingetrocknet waren. Streptokokken erwiesen sich
auf dem Eisengriff nach 1 / 2 Stunde, Diphtherie nach s / 4 Stunden, Prodi-
giosus oft noch nicht nach 24 Stunden als abgestorben. Auf dem
Messiuggriffe waren dagegen die Streptokokken bereits nach 5 Minuten,
die Diphtheriebakterien schon nach 2 Minuten, Prodigiosus nach
9 Stunden abgetötet. Wurden statt der Bouillonkulturen der drei ge¬
nannten Mikroorganismen Blutserum- oder Agarkulturen direkt auf¬
gestrichen, die sofort eintrockneten, so hielt sich Diphtherie beispielsweise
auf Eisen 3 Tage, auf Messing 1 Tag lang am Leben. Feuchtete man
die angetrocknete Agar- oder Serumkultur nach dem Eintrocknen sofort
oder längere Zeit hinterher mit Bouillon oder Wasser nochmals an, so
waren auf Messing und Eisen die Keime 1 Stunde nach dem Anfeuchten
abgetötet. Vom Nickel konnte v. Esmarch einen erkennbaren schädi¬
genden Einfluß auf Bakterien nicht feststellen. Diphtheriebakterien
wurden noch 9 Tage, Streptokokken noch 6 Tage nach dem Ausstreichen
und zwar in scheinbar unverminderter Anzahl lebend aufgefunden. Auch
ein nachträgliches Befeuchten schadete scheinbar nichts.
Hübener (6) hat 1909 die Versuche Vincents wieder aufgenommen.
Er fand auf Kupfer- durchschnittlich 5043, auf Nickel- 3226, auf Silber-
2902 und auf Goldstücken 4603 Keime, ein Ergebnis, das sich ungefähr
mit den diesbezüglichen Resultaten Vincents deckt. Unter den ge¬
wachsenen Mikroorganismen wurden am häufigsten Kokken, niemals aber
Diplo- oder Streptokokken, am nächst häufigsten Schimmelpilze, besonders
Penicillium glaucum und Aspergillus uiger und schließlich sehr oft Bacillus
subtilis, mesentericus und Proteus vulgaris gefunden. Niemals fanden
sich auf sämtlichen untersuchten Geldstücken Colibakterien,
auf die besonders gefahndet wurde (Gärkolben nach Eijkmann). Ver-
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Ludwig Bittsb:
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suche über das Zugrundegehen der Colibakterien auf den Geldstücken
bestätigten die Resultate Vincents.
In neuester Zeit hat Christian (7) festgestellt, daß hinsichtlich der
keimtötenden Kraft gegen Leitungswasseraufschwemmungen von Coli-,
Typhus- und Dysenteriebakterien, ferner von Choleravibrionen dem Kupfer
die erste, dem Messing die zweite, dem Zink und Eisen die dritte Stelle
zukommt. Blei übte nur geringe bakterientötende Wirkung aus, während
sich das Nickel als gänzlich unwirksam bei seinen Versuchen erwies.
Schwemmte er die genannten Bakterien in sterilem normalen Drin auf,
so war eine Vernichtung derselben auf den Metallplatten in derselben
Zeit wie bei den Wasseraufschwemmungen nicht nachzuweisen. Bestim¬
mungen über das Vorkommen von Colibakterien auf verschiedenen Ge¬
brauchsgegenständen zeigten, daß auf allen Messingteilen diese ebenso
wie auch die sonst häufiger gefundenen Buttersäurebazillen fehlten.
Auch an Eisen* und Zinkteilen konnten niemals Colikeime gefunden
werden.
Während Vincent, wie erwähnt, die bakterientötende Wirkung der
Metalle auf die Oxydationsprodukte derselben zurückführt, hat
v. Nägeli (8) bewiesen, daß es das reine Metall ist, was diese Wirkung
entfaltet. In einer unter den hinterlassenen Papieren v. Nägelis (8)
aufgefundenen, von S. Schwenden er veröffentlichten Arbeit wird auch
gezeigt, daß diese Wirkung sich noch im Wasser zeigt, in dem außer¬
ordentlich geringe Mengen von Metall sich gelöst haben. Die Absterbe-
erscheinungeu der Mikroorganismen in einem solchen minimalste Spuren
von bakterienfeindlichen Metallen enthaltenden Wasser unterscheiden sich
aber, wie derselbe Autor besonders schön an Algen feststellen konnte,
von den durch Desinfektionsmittel in stärkeren Konzentrationen hervor¬
gerufenen in ganz eklatanter Weise, und er bezeichnete daher diese von
der der anderen bakteriziden Chemikalien generell verschiedene keim¬
tötende Kraft als „oligodynamische“. Alle Wässer, natürliche und
destillierte, enthalten, falls sie mit bakterizidem Metall in Berührung
gekommen sind, Spuren von diesem und entfalten daher eine oligo¬
dynamische Wirkung. Ficker (3) konnte nachweisen, daß 25 ccm von
einem Leitungswasser, das in dem bleiernen Hausleitungsrohr */ 4 Tage
lang gestanden hatte, ohne daß inzwischen der Hahn geöffnet war, inner¬
halb 1 Stunde auf 12 Millionen eingesäte Choleravibrionen derartig
wirkte, daß keiner derselben mehr lebensfähig war. Auch das
10 Stunden im Rohr belassene verfügte über ein ganz bedeutendes bak¬
terizides Vermögen, während das aus der Straßenleitung entnommene
noch 14 Tage nach der Beimpfung mit Cholerakeimen wacbstumsfähige
Organismen aufwies. Auffällig erschien es v. Nägeli, daß das Glas, in
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Abstebbbn von Baktebien.
487
dem Wasser mit oligodynamischer Wirkung sich befunden hatte, nun
nach dem Ausgießen des Wassers und trotz guten Ausspülens selbst
oligodynamische Kraft erlangt hatte, die es auf neutrales Wasser, das in
ihm auf bewahrt wurde, übertrug, und daß wasserunlösliche Stoffe, z. B.
Graphit, Buß, Filtrierpapier, Baumwolle usw., in wirksames Wasser ge¬
geben, die oligodynamischen Erscheinungen verminderten oder aufhoben.
Die Erklärung dafür ist nach Ficker in der Schwerlöslichkeit der Metalle
zu suchen. „Gibt man Kupfer in Wasser, so trennen sich Kupferteilchen
los, verteilen sich im Wasser und treffen auch an die Glaswand: mit dem
Konzentrierterwerden der Lösung nimmt die Zahl der an der Wandung
haftenden Kupferteilchen zu. Die Gesamtmenge des Kupferüberzuges
aber ist um so größer, je ausgedehnter im Verhältnis zum Wasser die
Wandfläche. Bringen wir unlösliche Körper, wie das zur Neutralisierung
des wirksamen Wassers geschah, in das letztere, so vergrößern wir die
Oberfläche und vermindern dadurch die Konzentration. Das Phänomen
der Nachwirkung erklärt sich durch das Anhaften des Kupferbelages an
der Glaswandung, der oft weder mit der Bürste noch durch mehrmaligen
Gebrauch des Glases entfernt werden kann.“ Auch Dextrin, Gummi und
Leim besitzen neutralisierende Eigenschaften, ebenso schwächen sehr große
Mengen der in das Wasser hineingebrachten Mikroorganismen ganz oder
teilweise dessen schädigende Wirkung ab. Ficker konstatierte außerdem,
daß der oligodynamische Einfluß schon durch Zusatz von kleinen Pepton¬
mengen, sowie durch Sterilisieren der Flüssigkeit und längeres Verweilen
derselben in gewöhnlichen neutralen Glasgefäßen mehr oder weniger
paralysiert wird. Von den v. Nägeli untersuchten Metallen waren, was
die oligodynamische Wirkung anbetrifft, Kupfer, Silber, Blei, Zink, Eisen
und Quecksilber positiv, reines Gold und Platin dagegen negativ. Israel
und Klingemann (9) kamen im allgemeinen zu denselben Resultaten,
haben jedoch bei Blei keine oligodynamischen Wirkungen feststellen
können. Sie nehmen übrigens mit Ficker an, daß die „oligodyna¬
mische“ Erscheinung keine Besonderheit im Sinne v. Nägelis, sondern
eine echte Giftwirkuug vorstellt.
Kraemer (10) hat vorgeschlagen, Trinkwasser durch Kupferplatten
zu sterilisieren. Er berichtet über sehr günstig ausgefallene diesbezüg¬
liche Versuche: Filtriertes Wasser, dem Bouillonkulturen von Typhus¬
oder Choleraerregern zugesetzt waren, erwies sich 2 bis 4 Stunden nach
dem Zusatz als steril, wenn pro Liter Wasser Kupferplatten von etwa
9 qcm Oberfläche hineingelegt wurden. Der fortgesetzte Genuß eines so
gekupferten Wassers soll nicht gesundheitsschädlich und sein Geschmack
einwandfrei sein.
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488
Ludwig Bitter:
B. Eigene Versuche.
Aus allem Angeführten geht hervor, daß wir in einer größeren An¬
zahl von Metallen Körper mit stark bakterizider Eigenschaft besitzen, ln
Anbetracht der Wichtigkeit dieser Tatsache habe ich es nicht für über¬
flüssig erachtet, bei meinen auf das Zugrundegehen von Bakterien auf ver¬
schiedenen Gehrauchsgegenständen gerichteten Untersuchungen trotz der
schon ziemlich zahlreichen diesbezüglichen Versuche auch die Metalle noch
einmal mit heranzuziehen. Besondere Bedeutung erhalten dieselben für
die Frage der eventuellen Krankheitsübertragung durch ihre außerordent¬
lich weite Verbreitung im Gebrauche. Die Worte: Geld, Eßgeräte und
Türgriffe mögen als Beleg hierfür genügen.
Es sollte bei meinen Versuchen einmal festgestellt werden, wie schnell
Krankheitskeime unter natürlichen Bedingungen auf den ver¬
schiedensten Gegenständen überhaupt absterhen, dann aber auch,
wie es denen ergeht, die in Suspensionen, die denen bei der natürlichen
Verstreuung ähnlich sind, auf dieselben gebracht werden. Zur Erreichung
des ersten Zieles wurden mit Leitungswasser, das nach % ständigem
vorherigen Laufenlassen mehrerer Hähne erhalten war, und das dann in
einer Flasche aus Jenaer Hartglas im Dampf sterilisiert wurde, möglichst
gleichmäßige Abschwemmungen der zu prüfenden 24 Stunden alten Schräg¬
agarkulturen angefertigt (gleiche Menge Wasser, möglichst gleich große
Kulturröhrchen, feine Verteilung der Bakterienmassen bei Vermeidung von
Klümpchenbildung). Es wurde . also Leitungswasser verwendet, das aus
der Eisenrohrleitung des Bodens, die mit Asphalt ausgekleidet zu sein
pflegt, und nicht aus der Bleileitung des Hauses stammte und das nach
den erwähnten Versuchen Fickers und nach meinen eigenen orientierenden
Prüfungen keine oligodynamische Wirkung entfaltete, während das aus der
Bleileitung nach längerem Verweilen in derselben entnommene erhebliche
bakterizide Kräfte zeigte. Von der Verwendung von physiologischer
Kochsalzlösung zur Bakterienaufschwemmung wurde abgesehen, da
diese ebenfalls nach Ficker außerordentlich ungleichmäßig trotz scheinbar
gleichmäßigster Bereitung auf die Bakterien wirkt: einmal stark schädigend,
ein anderes Mal direkt konservierend. Allerdings nimmt der Grad der
Schädigung der hineingebrachten Bakterien ebenso wie bei oligodyna¬
misch wirksamem und destilliertem Wasser mit ihrer Menge ab.
Destilliertes Wasser aber zur Abschwemmung von Bakterien zu ver¬
wenden wäre nach dem heute Bekannten wohl als. ein direkter Versuchs¬
fehler zu bezeichnen gewesen. Die bakterientötende Wirkung des reinen
destillierten Wassers ist, wie übrigens auch Ficker betont hat, eine ganz
erhebliche. Die Prüfung eines Desinfektionsmittels an dadurch ge-
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Absterben von Bakterien.
489
schwächten und zum Teil schon vernichteten Spaltpilzen kann also, was
die Beurteilung des betreffenden Mittels für die Praxis anlangt, nur un¬
zuverlässige Resultate geben.
Um die natürlichen Verhältnisse der Infektion möglichst nachzuahmen,
wurden außer den Leitungswasserabschwemmungen auch 24 Stunden alte
Bouillonkulturen und Abschwemmungen von 24ständigen Agarkulturen
in normalem sterilisiertem Urin zum Ausstreichen benutzt.
Die Bakterien, deren Widerstandsfähigkeit gegen die Einwirkung der
Metalle geprüft werden sollte, waren das Bact. typhi, der Vibrio cholerae
und der Staphylococcus aureus. Zu allen in dieser Arbeit mitgeteilten
Versuchen wurden die 3 selben Stämme benutzt. An Seidenfäden an¬
getrocknet, wurden die Typhusbakterien von einer 3 prozeutigen Formalin-
löung in 15, von einer öprozentigen Kresolseifenlösung in 67 2 Minuten,
die Choleravibrionen von beiden Lösungen sofort, der Staphylococcus nach
mehr als 60 bzw. mehr als 10 Minuten abgetötet. Die Abtötung in
24 Stunden alten Bouillonkulturen erfolgte bei dem Typhus durch das
3 prozentige Formalm in 20, durch die 5 prozentige Kresolseife in weniger
als 5 Minuten, bei Cholera durch erstere nach 3, durch letztere sofort,
bei Staphylococcus nach 40 bzw. 10 Minuten.
Beimpft wurden kleine Metallplatten, Geldstücke, Eßgeräte u. dergl.,
die vorher im strömenden Dampf sterilisiert oder ausgeglüht waren und
unter großen Glasglocken auf bewahrt wurden. Von der Verwendung
chemisch reinen Metalles wurde im allgemeinen Abstand genommen, da
dieses ja im praktischen Leben kaum in größerem Umfange Verwendung
findet. Die Beimpfung erfolgte in der Weise, daß von der im Kultur¬
röhrchen gemachten Aufschwemmung oder von der Bouillonkultur mit
einem sterilen Wattetupfer in möglichst gleichmäßiger dünner Schicht ein
Ausstrich auf dem Metall gemacht wurde, der in wenigen Augenblicken
eintrocknete. Ich habe nicht gefürchtet, daß die Glaswandung des Kultur¬
röhrchens etwa noch oligodynamische Eigenschaften besitzen könnte, da
dasselbe ja den peptonhaltigen Nährboden enthielt und außerdem sterili¬
siert war. Ebenso glaube ich nicht, daß vom festen Nährboden Teilchen,
die die volle Einwirkung des Metalles beeinträchtigen konnten, mit aus-
gestrichen wurden. Die Glasglocken wurden immer auf einige Stützen
und nicht mit dem ganzen Rande auf den Tisch gesetzt, damit auch die
Luftbewegung und die eventuelle Veränderung der Feuchtigkeit auf die
Bakterien einwirken konnte. Die Temperatur bei den sämtlichen Ver¬
suchen betrug 15 bis 19°, die mittlere relative Feuchtigkeit 57 bis 60
Prozent. Vor der Einwirkung des direkten Sonnenlichtes waren die
Objekte durch zugezogene Fenstervorhänge oder durch ein übergelegtes
Tuch geschützt. Zum Abimpfen verwendete ich sterile Wattekügelchen,
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Tabelle I. _Metalle» Bacterium typhi im Leitongswasser.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
492
Ludwig Bitter:
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die mit Leitungswasser, das auf die obeu erwähnte Weise gewonnen wurde,
getränkt waren. Immer wurde nur von einer Stelle der Gegenstände ab¬
getupft und, falls das Wachstum in der von diesem Tupfer angelegten
Bouillon- bzw. Peptonwasserkultur noch positiv war, nach einer bestimmten
Zeit sowohl von der oder den schon einmal betupften wie auch von einer
anderen, noch nicht mit einem Tupfer in Berührung gekommenen. Ton
beiden wurden gesondert Aussaaten angelegt, um den oben besprochenen
Einfluß des nachträglichen Befeuchtens der eingetrockneten Keime zu be¬
obachten. Waren die Gegenstände zu klein, wie z. B. die Geldstücke,
um mehrere Male an verschiedenen Stellen abzutupfen, so wurden eine
ganze Anzahl zum Beimpfen und Abtupfen verwendet. Von den beimpften
flüssigen Kulturen wurden, falls innerhalb 5 Tagen Wachstum erfolgte,
bei Typhus Drigalski-, bei Staphylococcus Blut- und bei Cholera Dien-
donnasche Blutalkaliagar-Platten besät, um festzustellen, ob tatsächlich
die in Frage stehenden Bakterien die Trübung in den Flüssigkeiten er¬
zeugt hatten.
Tabelle U.
Metalle. Vibrio cholerae im Leitungswasser.
Aussaat in Pepton-
wasserröhrchen nach:
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6. Messing ....
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Niemals habe ich mich auf eine Versuchsreihe verlassen, sondern regel¬
mäßig eine größere Anzahl, meistens sehr zahlreiche ausgeführt. Die in den
Tabellen I bis IX mitgeteilten Versuohsprotokolle sind also durch
gleiche oder ganz ähnliche mehrfach kontrolliert. Nur in Tabelle I ist
die Versuchsanordnung und -ausführnng, die schon oben beschrieben, genau
wiedergegeben, wobei aber noch zu bemerken ist, daß, um Platz zu sparen,
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tabelle III.
Metalle. Staphylococcus aureus im Leitungswasser.
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Abstekben von Bakteiuen.
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Original from
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494
Ludwig Bitteb:
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in die Tabelle nicht, wie in Tabelle VI, eingetragen ist, wie jeder letzte
negative Ausfall einer Aussaat durch eine nachfolgende abermals negative
kontrolliert ist. Bei Tabelle II, III und IV habe ich mich darauf be¬
schränkt, anzugeben, wann auf einem Metallstück, von dem bis dahin
noch nicht abgeimpft war, keine lebensfähigen Mikroorganismen mehr ge¬
funden wurden. Diese Verkürzung der Tabellen habe ich deshalb für er¬
laubt gehalten, weil das nachträgliche Betupfen mit Feuchtigkeit bei deD
geprüften Bakterienarten auf den verschiedenen Metallen im ganzen den
gleichen Erfolg hatte, der aus der Tabelle I sehr schön ersichtlich ist.
Zum Vergleiche hinsichtlich der Lebensdauer der hier in Frage
stehenden Mikroorganismen auf anderen Medien als Metallen sei hier
gleich vorweg mitgeteilt, daß sich die Typhusbakterien auf gehobeltem
Fichtenholz z. B. länger als 5, die Staphylokokken länger als 8 Tage
unter den oben geschilderten Versuchsbedingungen am Leben hielten.
(Vgl. Tabellen I bis IIL)
Aus den Tabellen geht die Bestätigung hervor, daß dem Kupfer tat¬
sächlich die stärkste bakterizide Kraft zukommt. An zweiter Stelle steht
das Messing, auf das Silber und Gold folgen. Platin, Blei, Gußeisen,
Stahl und Aluminium sind an vierter Stelle zu nennen, während Nickel.
Zink und Zinn den letzten Platz einnehmen. Es muß noch einmal darauf
hingewiesen werden, daß durchweg kein chemisch reines Metall zu meinen
Versuchen verwendet wurde, und daß die Bakterien der Einwirkung des
Metalles infolge der Eintrocknung direkt ausgesetzt waren, was den natür¬
lichen Verhältnissen wohl am besten entsprechen wird. Nach v. Nägeli
besitzt reines Gold keine oligodynamischen Eigenschaften, während
den von mir geprüften Goldmünzen und -gegenständen sicher eine ganz
erhebliche keimtötende Kraft für darauf eintrocknende Bakterien inne¬
wohnt. Für die Praxis kommen aber, wie schon erwähnt, einmal reine
Metalle kaum in Frage und zweitens werden die verstreuten Keime bald
darauf eintrocknen. Wir sind nach meiner Ansicht wohl berechtigt, zu
sagen, daß das Gold keimtötend wirkt, da die bei uns üblichen Legie¬
rungen diese Eigenschaft besitzen.
Das verwendete Platin war chemisch rein, auch auf ihm starben die
ausgestrichenen Bakterien, namentlich auch die Typhuserreger in verhält¬
nismäßig kurzer Zeit, so daß man auch diesem Elemente eine bakterizide
Wirkung nicht absprechen kann, trotzdem es nach v. Nägeli ebenfalls
nicht oligodynamisch wirkt.
Die von mir gebrauchten Stücke käuflichen Bleies waren ver¬
schiedenster Herkunft und zeigten sämtlich deutlich bakterienfeindliche
Einflüsse. Die oligodynamische Wirkung des Bleies ist von v. Nägeli
und Ficker festgestellt, von Israel und Klingemann dagegen verneint
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Absterben von Bakterien.
495
worden. Aach Christian konnte nur bei Choleravibrionen einen starken
Einfluß des mit Blei in Berührung stehenden Wassers konstatieren, nicht
aber bei Typhus-, Coli- und Dysenteriekeimen. Die Erklärung für die
verschiedenen Ergebnisse der angeführten Autoren mag darin liegen, daß
einige von ihnen chemisch reines, andere käufliches Blei, das immer Bei¬
mengungen anderer Metalle enthält, verwandten, eine Ansicht, die auch
von Christian ausgesprochen ist. Nach den in meinen Tabellen mit¬
geteilten Versuchsergebnissen folgt sicher, daß dem käuflichen Blei
keimtötende Kräfte innewohnen.
Auffällig ungünstig sind im Vergleiche zu den Ergebnissen v. Nägelis
und Christians die von mir auf Zink erzielten Resultate. Ich habe
Zinkblech der verschiedensten Herkunft in sehr zahlreichen Versuchen ge¬
prüft, aber immer mit demselben verhältnismäßig schlechten Erfolg.
Nickel zeigt auch in meinen Versuchen in Übereinstimmung mit
den anderen Autoren nur verhältnismäßig geringe schädigende Eigen¬
schaften, jedoch muß man sich hüten, ihm solche ganz abzusprechen.
Ein solches Urteil könnte man mit Recht fällen, wenn auf einem anderen
sicher indifferenten Substrat von ähnlicher Konsistenz die aus¬
gestrichenen Keime in derselben Zeit zugrunde gingen. Als solches in¬
differentes Vergleichssübstrat wird bei den bisher angestellten diesbezüg¬
lichen Versuchen Glas verwendet, das doch, wie ich unten zeigen werde,
das Leben der Bakterien in erheblichem Maße zu schädigen imstande ist.
Zur Bestätigung dieser Behauptung sei hier schon mitgeteilt, daß die
Typhusbakterien, die auf dem Nickel nach 16 Stunden getötet waren, auf
Glasplatten verschiedenster Art nach mindestens 24 Stunden vernichtet
wurden, während sie auf der Glasur von Ziegelsteinen nach 48 Stunden
noch lebten.
Verwendet man als Ausstrichmaterial nicht Bakterienaufschwemmungeu
in Leitungswasser, sondern 24 Stunden alte Bouillonkulturen, so ergeben
sich Resultate, die den bereits angeführten so ähnlich sind, daß ich auf
eine Mitteilung derselben verzichte. Auch der Einfluß des nachträglichen
Befeuchtens zeigt sich dabei, wie schon v. Esmarch durch einige Be¬
obachtungen feststellte, in auffälliger Weise. Wir ersehen diesen Einfluß
aus Tabelle I und können bei Durchsicht derselben z. B. feststellen, daß
auf Silber die nicht befeuchteten Keime erst nach 6, die befeuchteten
jedoch schon 1 bzw. I 1 /* Stunden nach dem Befeuchten abgestorben sind.
Eine befriedigende Erklärung für dies Phänomen ist nicht leicht zu geben.
Im vorliegenden Falle könnte man ja daran «lenken, daß vielleicht doch
Vincents Annahme die richtige sei, der den Oxydationsprodukten der
Metalle ihre schädigenden Wirkungen zuschreibt. Diese Oxydationspro¬
dukte würden natürlich bei Anwesenheit von Feuchtigkeit in erheblicherem
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Ludwig Bitter :
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Maße gebildet wie in trockenem Zustand. Koch mehr Wahrscheinlich¬
keit hätte nach allem Bekannten die Annahme für sich, daß das reine
Metall, das sich, wie schon oben hervorgehoben, in Wasser schwer und
nur in kleinsten Spuren, aber doch nachweisbar löst, im gelösten Zustande
auf die Bakterienleiber einen intensiveren Einfluß ausübt wie im unge¬
lösten. Beide Hypothesen werden aber in ihrer Glaubhaftigkeit stark be¬
einträchtigt, wenn wir später erfahren, daß auf allen Substraten das
nachträgliche Anfeuohten die angetrockneten Keime schwer
schädigt. Fickers Vermutung, daß durch die Wasserzugabe besondere
osmotische Druckverhältnisse herbeigeführt werden, vielleicht derart, daß
die durch die voraufgehende Wasserentziehung in ein Stadium geringster
Turgeszenz oder in einen plasmolytischen Zustand versetzte Bakterienzelle
bei plötzlicher Wasserdarbietung wieder anschwillt, die Zellwände aber
diesem mächtigen Drucke nun nicht mehr gewachsen sind und bersten,
hat wohl noch die meiste Wahrscheinlichkeit für sich.
Christian, der die bakteriziden Eigenschaften der Metalle in der
Weise prüfte, daß er Bakterienaufschwemmungen in großen Tropfen auf
Platten brachte, die in Petrischälchen lagen und der dann nach verschie¬
denen Zeiten, aber ehe die Tropfen eingetrocknet waren, Keimgehaltsbe-
stimmungen in der noch vorhandenen Flüssigkeit vornahm, stellte, wie
schon oben bemerkt, fest, daß, wenn er als Aufschwemmungsmedium
statt Leitungswasser sterilisierten normalen Urin nahm, bei keiner
der oben genannten Bakterienarten eine Keimverminderung
auf den geprüften Metallplatten (Eisen, Zink, Blei, Nickel, Messing.
Kupfer) innerhalb 4 Stunden eintrat. Um zu erfahren, ob auch
beim Eintrocknenlassen der in Urin suspendierten Bakterien auf den
Metallen eine Aufhebung oder Verzögerung der Keimvernichtung zu kon¬
statieren wäre, wurden auf 3 gut keimtötende Metalle Ausstriche von
Staphylokokken-Urinaufschwemmung in der bekannten Weise gemacht.
Den Erfolg zeigt folgende kleine Tabelle.
Tabelle IV.
Metalle. Staphylococcus aureus im Urin.
Aussaat in Bouillon¬
röhrchen nach:
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Abstebben von Baktekikn.
497
Es ergibt sieb, daß bei Kupfer die Resultate gleich blieben, bei
Messing und Silber aber eine Verzögerung der Abtötung gegenüber den
im Leitungswasser suspendierten Keimen zu bemerken ist. Von einer
totalen Aufhebung der Wirkung, wie sie Christian für die noch in der
Flüssigkeit befindlichen Organismen konstatierte, kann hier aber nicht die
Rede sein. Übrigens wurde auch die Versuchsanordnung Christians
einige Male nachgeahmt und auf den drei geprüften Metallen keine
erhebliche Verzögerung des Absterbens der Staphylokokken
in Urin gegenüber den im Leitungswasser befindlichen be¬
obachtet.
Eine Frage, die sich bei der Betrachtung der vorliegenden Resultate
noch aufdrängen muß und die große praktische Bedeutung hat, ist die,
ob die Metalle nur als reine, also blank geputzte, oderauch mit ihren
Überzügen aus Oxyd und Schmutz die bakterienvernichtenden Eigen¬
schaften entfalten. Besonders bei Blei und Zinn könnte man denken, daß
ihre schwächere Wirkung auf diese Überzüge zurückzuführen sei. Dem¬
gegenüber habe ich durch mehrere Versuchsreihen konstatieren können,
daß Messing, Kupfer und Blei in peinlich blankem Zustande genau das¬
selbe leisten, wie in höchst unsauberem. Das schmutzigste Zwei¬
pfennigstück, die viele Wochen nicht geputzte Türklinke des¬
infiziert mit derselben Sicherheit wie ganz neue nie ge¬
brauchte.
Es folgt aus allem, daß wir in den Metallen Körper besitzen, die
dank ihrer bakteriziden Eigenschaften der Weiterverbreitung und besonders
der Verschleppung von Krankbeitskeimen durch Gegenstände, die aus
ersteren gefertigt sind, einen energischen Widerstand entgegen¬
setzen. Ohne diese Eigenschaften wäre eine Verschleppung von Epidemien
durch das Geld z. B. sicher außerordentlich häufig. Bemerkenswert dabei
ist, daß, wenn wir von dem Nickel zunächst absehen, das auch nur in
verhältnismäßig wenigen Ländern zur Münzenprägung verwendet wird, die
kleineren Münzen, die am meisten im Volke im Verkehr und daher einer
Verunreinigung mit pathogenen Keimen am meisten ausgesetzt sind, am
besten keimtötend wirken. Nickelmünzen enthalten mit Ausnahme des
deutschen 25-Pfennigstückes sämtlich große Mengen Kupfer und wirken
dadurch ebenfalls gut desinfizierend. Immerhin zeigen unsere Versuche,
daß eine Übertragung von Krankheitskeimen durch alle, auch die am
besten desinfizierenden Metallgegenstände durchaus möglich ist, und
man wird bei der Desinfektion und besonders in Epidemiezeiten dieser Mög¬
lichkeit nach wie vor Rechnung zu tragen haben. Bedauerlich erscheint
es, daß gerade die Metalle, aus denen wir mit Vorliebe unsere gewöhn¬
lichen Eßgeräte herstellen, nämlich Zinkblech, Stahl uud Zinn, die
Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 32
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
498
Ludwig Bitte»:
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eventuell auf sie gelaugten Krankheitserreger verhältnismäßig am wenig¬
sten zu schädigen vermögen. Auch das vielfach verwendete emaillierte
Blech und Eisen leistet in dieser Beziehung nichts Hervorragendes: Thyphus-
bakterien sind auf ihm erst nach 48 Stunden mit Sicherheit abgestorben.
Die fortlaufende Desinfektion am Krankenbette wird also auf die Unschäd¬
lichmachung der Krankheitskeime auf diesen Geräten ihr schärfstes Augen¬
merk zu richten haben. Wir wollen aber doch nicht vergessen, welch
segensreichen Einfluß auf die Einschränkung der Seuchen auch ohne alles
Menschenwerk die Tatsache haben muß, daß auf allen aus Metall ge¬
fertigten Gebrauchsgegenständen, die doch mit dem Menschen
so oft und so innig in Berührung kommen, die Bakterien, wie
wir später sehen werden, immer noch viel früher zugrunde gehen,
wie auf den meisten anderen.
II. Banmaterialien mit Ausschluß der Hölzer.
Bei Keimgehaltsbestimmungen, die ich an den verschiedensten Mate¬
rialien wie Stein, Holz, Porzellan, Glas usw. vornahm, fiel es mir auf, wie
oft dieselben steril befunden wurden. Auch Geheimrat Fischer hatte
schon vor Jahren die Beobachtung gemacht, daß auf gewissen Bau¬
materialien darauf gebrachte Krankheitserreger verhältnismäßig rasch
zugrunde gingen. Ich habe nun zunächst eine Reihe von Gegenständen,
größtenteils Baumaterialien, bezüglich einer etwa vorhandenen keimtötenden
Kraft untersucht und bin zu dem Zwecke genau wie bei den Metallen
verfahren. Im folgenden sind die Resultate der Versuche mit Typhus¬
bakterien in Tabelle V in der Weise mitgeteilt, daß man wie in Tabelle IL
III und IV daraus ersehen kann, nach welcher Zeit auf einem nach dem
Ausstreichen der Bakterien nicht wieder angefeuchteten Teile .des be¬
treffenden Gegenstandes keine lebensfähigen Keime mehr an getroffen
werden. In Tabelle VI sind die Versuchsresultate mit Staphylococcus
aureus und Baumaterialien, die einen besonders markanten Unterschied
in ihrer Wirkungsweise erkennen lassen, vollständig niedergelegt. Man
sieht also auch hier wieder den Einfluß des nachträglichen Anfeuchtens.
Die Versuche mit Cholera Vibrionen habe ich sehr bald abgebrochen, da in
deu hier in Betracht kommenden Zeitspannen der Einfluß des Eintrocknens
unter natürlichen Verhältnissen allein meistens schon genügt, um diesen
in mancher Beziehung hinfälligen Mikroorganismus zu zerstören. Ausge¬
strichene Bouillonkulturen von Bacterium typhi und Staphylococcus aureus
verhielten sich durchweg auf den verschiedenen Objekten wie die Lei tun g>-
wasseraufschwemmungen.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tabelle V.
Baumaterialien usw. Bacterium typhi im Leitungswasser.
Abstekben von Bakterien,
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Abstebbkn ton Bakterien.
501
Ein Blick auf Tabelle V und VI zeigt, daß auf Linoleum sogar
die widerstandsfähigen Staphylokokken innerhalb eines Tages zugrunde
gingen. Koch nirgendwo ist diese starke keimtötende Kraft des Linoleums
meines Wissens erwähnt worden, trotzdem nach dem, was wir über die
„desinfizierenden Wandanstriche“ wissen, zum mindesten die Ver¬
mutung einer solchen Eigenschaft sehr nahe lag. Jacobitz (11) hat
schon 1901 dargetan, daß die keimtötende Wirkung der vielgeprüften
und vielbesprochenen desinfizierenden Wandanstriche auf der chemischen
Wirkung des als Bindemittel benulzten Leinöls beruht. Linoleum be¬
steht nun bekanntlich im wesentlichen aus Kork und sehr viel Leinöl,
so daß uns, wie gesagt, sein starkes Desinfektionsvermögen nicht wunder¬
nehmen kann. Es ist nun aber wohl allgemein bekannt, daß die Wand¬
anstriche ihre Fähigkeit, Mikroorganismen zn vernichten, ziemlich schnell
verlieren. Schon nach wenigen Monaten nimmt dieselbe erheblich ab,
um am Ende eines Jahres auf ihrem tiefsten Punkte angekommen zu
sein. Die geringen Mengen des in dem Anstrich eingetrockneten Lein¬
öles werden also mit der Zeit unwirksam. Demgegenüber muß bemerkt
werden, daß das neueste, zu meinen Versuchen benutzte Linoleumstück
schon über 4 Jahre in unserem Besitze war. Viele Keimgehaltsbestim¬
mungen, die ich auf stark begangenen alten Linolenmfußböden früh¬
morgens vomahm, haben meistens völlige Keimfreiheit, selten nur ein
Wachstum von Kahmhefen, Kartoffel-, Heu- und Buttersäurebazillen er¬
geben. Pyogene Kokken habe ich niemals daselbst gefunden. Linoleum
ist also eine Fußbodenbekleidung, die anscheinend dauernd die große
Zahl der hauptsächlich mit dem Schuhwerk daraufgebrachten Mikro¬
organismen zu vernichten imstande ist Beschleunigt wird hier wie über¬
haupt diese Vernichtung noch durch das nachträgliche Anfeuchten.
Bei einem Linoleumfußboden, der jeden Tag feucht abgewischt
wird, kann man daher ziemlich sicher sein, daß auf ihm die
nicht sporenbildenden Krankheitserreger sehr schnell ihren
Untergang finden.
Nach den mit Linoleum belegten sind die einfach geölten oder
mit Ölfarbe gestrichenen Fußböden vom hygienischen Standpunkte
zu empfehlen. Das ölen und Anstreichen der Fußböden pflegt in allgemein
üblicher Weise in einer Zeit wiederholt zu werden, die vor dem Unwirksam¬
werden der Anstriche liegt. Auch Xylolith ist in dieser Hinsicht gut,
während Terrazzo, Sandstein, Marmor, sowie ungestrichenes
Holz die darauf gebrachten Keime zum Teil außerordentlich lange trotz
nachträglicher Anfeuchtung lebensfähig lassen.
Eine Tabelle möge den Unterschied deutlich machen, der zwischen
vor 8 Wochen mit Leinöl eingeriebenem und einfach nur gehobeltem
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tabelle VIT. Baumaterialien new. Bacterium typhi im Leitungswassser.
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502
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Ab STERBEN VON BAKTERIEN.
503
Fichten- und Lindenholz hinsichtlich der keimtötenden Kraft besteht
(vgl. Tabelle VII). Daß ein bakterizides Vermögen gerade dem Leinöl
und nicht jedem Oie überhaupt zukommt, geht aus den gleichzeitig aus-
geführten Versuchen mit Brettern hervor, die ebenfalls vor 8 Woeben
mit Olivenöl eingerieben waren. Wenn auf diesen mit Olivenöl ein-
geriebenen Brettern die Keime doch noch früher zugrunde gehen wie
auf den nicht eingeriebenen, so muß man das nur der allgemein glatt¬
machenden Wirkung des Öles zuschreiben. Bei der Durchsicht der
mitgeteilten Versuchsergebnisse tritt klar zutage, daß auf glatten Ober¬
flächen die Bakterien schneller absterben, wie auf rauhen, wenn auch
das Objekt, das diese rauhen oder glatten Flächen besitzt, aus demselben
Grundmaterial besteht. Auf Ziegelsteinen und Dachziegeln ohne Glasur
Anden wir nach 5 Tagen, auf denen mit Glasur schon nach 3 Tagen
keine lebenden Typhuserreger mehr. Noch eklatanter zeigt sich der Einfluß
der glatten Fläche bei Marmor. Es war dasselbe Stück Marmor, was zu
den diesbezüglichen Versuchen verwendet wurde, nur wurde einmal die
polierte, das andere Mal die unpolierte Seite bestrichen. Auf ersterer
lebten nach 3 Tagen die Typhusbakterien bereits nicht mehr, während
auf letzterer dieses nach 5 Tagen noch der Fall war. Eine Erklärung für
dies auffällige Verhalten ist wohl in der verschiedenen Eintrocknungs-
geschwindigkeit zu suchen. Bekanntlich widerstehen die Bakterien
der Eintrocknung am besten, je schneller diese vor sich geht. Auf rauhen
Flächen vollzieht sich diese bei gleichen darauf gebrachten Flüssigkeits¬
mengen wohl wegen der größeren Oberfläche sehr viel schneller wie auf
glatten. Die rauhen Flächen, besonders der Steine, saugen sozusagen
das Wasser in sich ein. Natürlich sind in den Unebenheiten und
Poren die Bakterienleiber auch gut vor den schädigenden Einflüssen des
Lichtes und den Schwankungen der Luftfeuchtigkeit geschützt,
welch letztere wir nach den Erfahrungen bezüglich des nachträglichen
Anfeuchtens der angetrockneten Bakterien mit Ficker und Heim als
einen bedeutsamen Faktor bei der natürlichen Keim Vernichtung ansehen
müssen.
Für Wandanstriche oder -bekleidungen eignen sich nach dem Ver¬
halten der untersuchten Stoffe den Bakterien gegenüber am besten die
Ölfarbenanstriche, die eine zeitlang spezifisch bakterizid und dann durch
ihre glatte Oberfläche wirken. Außerdem spricht die Möglichkeit des Ab¬
waschens für diese Anstriche. Auf Tonfliesen oder weißen Kacheln
gehen die Keime ebenfalls verhältnismäßig rasch zugrunde, auch das Ab¬
waschen ist bei Wänden, die mit ihnen bekleidet sind, möglich. Gewöhn¬
liche Tapeten bekleidungen und Kalkanstriche bieten diesen letzten Vor¬
teil nicht, außerdem sterben auf Tapeten, Pappe usw. die darauf ge-
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
504
Ludwig Bitteb:
brachten Bakterien erst nach langer Zeit ah. Der desinfizierende Einfluß
frischer Kalkanstriche ist bekannt, wenige Tage alte aber bieten wegen
ihrer physikalischen Eigenschaften den verstreuten Krankheitserregern
schon die günstigsten Bedingungen für eine recht lange Lebensdauer.
Während Keimgehaltsbestimmungen in unseren Laboratorien und sonstigen
Bäumen auf alten Olfarbenanstrichen sehr oft Keimfreiheit der Wände
in Kopfhöhe ergaben, konnte eine solche auf älteren Kalkanstrichen nur
äußerst selten nachgewiesen werden. Indessen darf man nicht vergessen,
daß die Vernichtung und Festlegung der auf einen alten Kalkanstrich
gelangten Krankheitskeime durch die Anbringung eines frischen in ein¬
fachster Weise und zuverlässig geschieht.
Bei Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsverhältnissen, die eine rasche
Austrocknung begünstigen, kann man gelegentlich auch auf ganz glatten
Flächen eine außerordentlich lange Haltbarkeit der Bakterien konstatieren,
die sogar die auf den rauhen Oberflächen gewöhnliche übertreffen kann.
Bedingung ist, daß man einen großen Tropfen einer dichten Bak¬
terienaufschwemmung oder, wie dies ja auch v. Esmarch tat, die Bak¬
terienkultur direkt vom festen Nährboden eintrocknen läßt. Die massen¬
haft ringsherum absterbenden Bakterienleiber umgeben dann offenbar wie
ein Schutzwall die im Centrum befindlichen noch lebenden und bewahren
sie vor völliger Austrocknung und den anderweitigen äußeren Schädigungen.
Für die Desinfektionspraxis ergibt sich aus diesem Verhalten eine Bestäti¬
gung des alten Satzes, daß es vor allem darauf ankommt, alle sichtbar
mit Absonderungen nnd Ausscheidungen der Kranken beschmutzten Gegen¬
stände besonders zu beachten.
Wichtig ist es, auf das Verhalten von Glas Bakterien gegenüber
hinzuweisen. Von diesem Körper war ziemlich lange bekannt, daß er
durch Alkaliabgabe an mit ihm in Berührung kommende Flüssig¬
keiten usw. wachstumbegünstigende und lebenerhaltende Eigen¬
schaften für Faden- und Spaltpilze besaß. Die größere oder kleinere Ab¬
gabe von Alkali seitens eines Glases au destilliertes Wasser, das sich eine
zeitlang in ihm befindet, kann die bakteriziden Eigenschaften desselben
nicht nur aufheben, sondern den in das Wasser gebrachten Bakterien so¬
gar günstige Lebens- uDd Vermehrungsbedingungen bieten. Einen solchen
Fall hat in neuester Zeit wieder Busson (12) beschrieben. 6 8 / 4 Jahre
wird von ihm ein Colistamm in einem Glase mit destilliertem Wasser auf¬
bewahrt, der sich daselbst lebhaft vermehrt und alle Eigenschaften seiner
Art ungeschmälert bewahrt hat. Hesse (13) hat dagegen darauf hinge¬
wiesen, daß die Alkaliabgabe des Glases an darin befindliche Nährböden
wachstumhemmende Wirkung hatte.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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Abstebben von Bakterien.
505
In allen meinen Versuchen zeigt das Glas ausgesprochen
bakteriziden Charakter gegen darauf ausgestrichene Keime.
Es ist daher, wie bereits gesagt, sicher nicht richtig, wenn man zur
Prüfung der Lebensdauer von angetrockneten Bakterien Glas als Antrock¬
nungsobjekt wählt, wie dies vielfach üblich war und ist. Man kommt zu
ganz falschen Ergebnissen, wenn man z. B. schließen wollte, daß ein
6 Monate alter Olfarbenanstrich keine desinfektorische Wirkung mehr ent¬
faltete, weil auf einer Glasplatte, die in derselben Weise mit einer Typhus¬
bouillonkultur bestrichen wurde, wie der erstere, die Mikroorganismen in
derselben Zeit zugrunde gehen. Christian machte auf der Suche nach
Cholerabakterien Aussaaten von den verschiedensten Gegenständen im
Laboratorium. Aus seinen Versuchsprotokollen ist, ohne daß er darauf
hin weist, zu ersehen, daß unter den Gegenständen, die dabei als frei von
diesen Darmbakterien befunden wurden, außer den schon oben erwähnten
aus Metall auch sämtliche aus Glas gefertigte zu finden sind. Auch
für Glas gilt aber das, was schon von den Gegenständen mit glatter Ober¬
fläche im allgemeinen gesagt wurde: Läßt man einen dicken Tropfen
einer dichten Bakterienaufschwemmung unter günstigen Verhältnissen, am
besten im Exsikkator darauf eintrocknen, so können sich die Keime manch¬
mal verhältnismäßig lange halten. Ich nehme an, daß dieses gelegent¬
liche Verhalten zu der verbreiteten Ansicht geführt hat, daß Glas für die
Antrocknung von Bakterien ein indifferenter Körper sei. Die schädigende
Wirkung des Glases unterscheidet sich von der der an sich mehr indiffe¬
renten Gegenstände, die nur durch ihre glatte Oberfläche wirken (z. B. Stei-
gut, polierter Marmor usw.) in deutlicher Weise. Auf Glas sterben die
Keime bei weitem früher wie bei dem letzteren ab und ein nennens¬
werter Unterschied in den Abtötungszeiten auf glattem oder durchsich¬
tigem und rauhem oder mattem Glase besteht nicht. Die verschiedenen
Glassorten mit Einschluß des Jenaer Hartglases zeigen ebenfalls im
ganzen dieselben Eigenschaften. Man könnte nun vielleicht annehmen,
daß die bakterientötende Kraft des Glases auf in demselben erhaltene
Metalle zurückzuführen sei, was hauptsächlich für das Kristall- oder
Flintglas bei seinem hohen Gehalte an Bleioxyd sehr wahrscheinlich klingt.
Wenn dies der Fall wäre, so müßten aber entweder die wirksamen
Metallbeimengungen in Wasser nicht löslich sein, oder sie müßten durch
das gleichzeitig sich lösende Alkali sogleich in ihrer Wirkung neutrali¬
siert werden, was nach Fickers Versuchen ja durchaus möglich ist. Es
müßte sonst jedes reine Wasser, das in einem beliebigen Glasgefäße eine
zeitlang gestanden hat, oligodynamische Wirkung entfalten, und doch ist
dieses nach v. Nägelis und Fickers Darstellung nicht der Fall. Für
Jenaer Glas könnte nur die erstere Erklärung der Wasserunlöslichkeit der
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
506
Ludwig Bitter:
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wirksamen Metallbeimengungen in Frage kommen, da dasselbe überhaupt
nur minimalste Spürchen von Alkali abgibt, und reines Wasser, das in
ihm längere Zeit verweilt, doch keine oligodynamischen Eigenschaften zeigt.
Beide Erklärungen werden aber durchaus unwahrscheinlich, wenn man
sich das Verhalten von reinem Quarz den Bakterien gegenüber betrachtet.
Auf ihm sterben die Typhuserreger, wie aus Tabelle V ersichtlich, noch
etwas früher, wie auf den verschiedenen untersuchten Qiassorten, und
man ist daher genötigt anzunehmen, daß das Siliciumdioxyd
der keimtötende Faktor im Glase ist.
Ähnlich wie Glasplatten verhielten sich die von mir untersuchten
weißen Kacheln oder Tonfliesen, während Steingut über keine nennens¬
werten keimtötenden Kräfte verfügt, was wir wieder mit einem gewissen
Bedauern konstatieren müssen, da es ebenso wie die schon genannten
Metalle mit geringer Wirkung zur Herstellung von Eß- und Trinkgeräten
die ausgedehnteste Verwendung findet.
UI. Holzer.
Eine Prüfung von Baumaterialien hinsichtlich ihrer bakteriziden
Wirkung wäre sehr unvollkommen gewesen, wenn nicht auch die bei der
Bau- und Möbeltischlerei gebräuchlichen Hölzer mit in den Kreis der
Untersuchungen hineingezogen wären. Die Versuche mit dem Leinöl
hatten gezeigt, daß auf den dabei verwendeten Hölzern Typhusbakterien
sehr lange lebensfähig blieben, und es kam nun darauf an, zu sehen, ob
vielleicht doch der einen oder anderen Holzart an sich ein bakterienfeind¬
liches Verhalten anhaftet, oder aber ob das Polieren, Beizen usw. dem
Holz vielleicht keimtötende Kräfte verliehe. Bei allen Holzsorten sollte
außerdem festgestellt werden, ob der Einfluß der nachträglichen Anfeuch¬
tung und der rauhen oder glatten Oberfläche auch hier nachweisbar wäre.
In der folgenden Tabelle sind die Untersuchungsergebnisse mit 14 ver¬
schiedenen Holzsorten ohne Politur usw. mitgeteilt. Von jeder Holzart
wurde je ein einfach gesägtes und ein glatt gehobeltes Brett verwendet.
Zum Ausstreichen wurden Leitungswasseraufschwemmungen vom Bact. typhi
genommen. Die Aussaaten wurden in der bekannten Weise gemacht
Zur Kürzung der Tabelle ist das stets positive Resultat der Aussaaten von
einem vorher noch nicht betupften Stücke der verschiedenen Bretter nach
3 Tagen mit einer Ausnahme, die negativ war, weggelassen. Ich habe
mich bei der Prüfung der Hölzer auf Versuche mit Bact. typhi beschränkt,
da diese, wie aus allem Vorhergehenden hervorgeht, eine gute Beurteilung
des Verhaltens der verschiedenen Objekte gegen Bakterien überhaupt zu¬
lassen.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Absterben von Bakterien.
507
Tabelle VIII.
Hölzer. Bacterium typhi im Leitangswasser.
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Gck 'gle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
508
Ludwig Bitteb
Tabelle VIII.
Aussaat in Bouillon¬
röhrchen nach:
Wachstum
in den Röhrchen am:
8. Eseh«
ungehobelt
I.
ii
II.
1i
ii
III.
Esche
gehobelt
I.
ii
ii
II.
ii
ii
III.
9. Nißbua
ungehobelt
I.
ii
II.
11
ii
HI.
Nußbaum gehobelt
I.
ii
ii
II.
ii
ii
IH.
10. Satin
ungehobelt
I.
11
i»
II.
11
ii
IH.
Satin
gehobelt
I.
ii
V
II.
ii
ii
III.
11. Mahagoni
ungehobelt
I.
11
ii
II.
11
ii
III.
Mahagoni gehobelt
I.
ii
ii
II.
ii
ii
III.
12. Pappel
ungehobelt
I.
11
ii
II.
Ii
ii
III.
Pappel
gehobelt
I.
ii
II.
ii
ii
III.
13. Kirsthbanm ungehobelt I.
11
ii
II.
11
ii
III.
Kirschb.
gehobelt
I.
ii
>7
II.
ii
ii
III.
14. Akazie
ungehobelt
I.
11
ii
II.
11
ii
III.
Akazie
gehobelt
I.
ii
ii
II.
ii
ii
III.
(Fortsetzung.)
24 Stunden
48 Stunden
78 Stunden
Tag
I 1 1.2.8.4.5.
a ^
Tag
1.2.3.4.5.
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Tag
1.2.3.4.5.
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108 Stunden
Tag ii
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Go«. igle
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Absterben von Bakterien.
509
Auf allen untersuchten Hölzern bleiben die Typhuserreger
lange lebensfähig. Akazien- und Eichenholz scheinen die beiden
einzigen zu sein, die einen gewissen schädigenden Einfluß auszuüben ver¬
mögen. Auf ersterem wurden nach 3, auf letzterem nach 4 Tagen keine
lebenden Erreger mehr aufgefunden. Auf allen anderen Brettern, unge¬
hobelten wie gehobelten, konnten nach mehr als 5 Tagen noch lebende
Bakterien nachgewiesen werden. Der Einfluß des nachträglichen An-
feuchtens ist auch hier unverkennbar und demonstriert eindringlich den
Nutzen des häufigen Scheuerns in Haus und Stallung. Ein schnelleres
Zugrundegehen der Eeime auf den gehobelten wie auf den ungehobelten
Brettern ist — allerdings nur bei nachträglicher Befeuchtung — besonders
deutlich aus den Stäben 2 und 3 der Tabelle zu konstatieren.
Einen Einfluß des Polierens, Beizens usw. auf das frühere Absterben
von Keimen habe ich nioht naohweisen können, wenigstens nicht, wenn
Mahagoni*, Ahorn-, Nußbaum- und Eichenholz verwendet wurde, dessen
Politur bzw. Beizung schon einige Jahre alt war. Ganz frisch poliertes
Holz wird, da man zu Polituren vielfach Leinöl zu verwenden pflegt, oft
keimtötende Kraft besitzen.
Tabelle IX.
Hölzer. Bacterium typhi im Leitungswasser.
Aussaat in Bouillonröhrchen nach: 1
1 |
2
3
4
5
6
8
1
1
lagen
Wachstum in den Röhrchen
innerhalb von 5 Tagen
1. Mahagoni gehobelt.
4-
4-
4-
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4-
' 0
0
2.
poliert .
+
4-
+
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0
0
3. Ahorn
gehobelt.
4-
i +
4-
+
+
4-
0
0
4 .
poliert .
+
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4-
+
4-
4-
4-
ü
5. Eiche
gehobelt.
4-
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0
0
0
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0
0
6.
geb. w. poliert . . .
+
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0
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0
0
0
0
7. Nufibaum gehobelt.
4-
: +
+
4-
4-
4-
0
0
8.
poliert .
4-
4-
4-
4- 1
4-
0
0
Worauf die schädigende Wirkung des Eichen- und Akazienholzes be¬
ruht, ist natürlich nicht ohne weiteres zu sagen. Man könnte daran
denken, daß im Eichenholz die Gerbsäure vielleicht für diese Wirkung
in Betracht käme.
Alles in allem sind unsere gebräuchlichen Hölzer Objekte,
die für die Erhaltung und Verbreitung der Krankheitserreger
außerordentlich günstige Bedingungen liefern und sie werden
hinsichtlich dieser bösen Eigenschaft wohl nur duroh die gebräuchlichen
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510
Ludwig Bitteb:
Gewebsstoffe übertroffen. Es ist unnötig, an dieser Stelle nochmals
Mitteilungen über die lange bekannte, zum Teil enorme Haltbarkeit der
Bakterien in diesen zu machen, und lediglich zum Vergleich seien hier
einige Zahlen über die Lebensdauer von an Seidenfäden unter natür¬
lichen Verhältnissen (bei normaler Temperatur und Luftfeuchtigkeit)
angetrockneten Leitungswasseraufschwemmuugen von Krankheitserregern
mitgeteilt. Die Seidenfäden wurden in der schon beschriebenen Weise so
aufbewahrt, daß der Luftzutritt ungehindert stattfinden konnte, dieselben
aber vor der Einwirkung des Lichtes geschützt waren. Es wurden keine
Seidenfäden mit lebensfähigen Keimen mehr gefunden bei Bact. typhi
nach 12, paratyphi B nach 21, coli nach 8, Staphylococcus aureus nach
45 Tagen. Wurden statt der so hergestellten Seidenfaden solche ver¬
wendet, bei denen die Eintrocknung im Exsikkator stattgefunden hatte,
so betrug die Lebensdauer von Bact. typhi 36, paratyphi B 40, coli 16,
Staphylococcus aureus 53 Tage.
Busson hat in seiner oben zitierten Arbeit mitgeteilt, daß er Seiden¬
fäden besitzt,' an denen sich noch lebensfähige und hoch pathogene Milz¬
brandsporen befinden, trotzdem nach der seinerzeitigen Antrocknung
schon 18 Jahre verflossen sind. Geheimrat B. Fischer hat vor länger
als 28 Jahren Milzbrandsporen an Seidenfäden angetrocknet
und diese sind heute ebenfalls noch lebensfähig und virulent
Dabei muß bemerkt werden, daß diese Sporen in einer nicht besonders
verschlossenen Blechkassette von Geheimrat Fischer nach Westafrika und
Westindien mitgeführt wurden und den ungünstigsten Einflüssen der
Witterung und des Tropenklimas dabei ausgesetzt waren.
Zum Schluß sind noch einige Versuche darüber angestellt, wie lange
die 4 genannten Bakterien Bact. typhi, paratyphi B, coli und Staphylo¬
coccus aureus sich in lufttrockenem und feuchtem Sande bzw. Ackererde
zu halten vermögen. Es wurde auf gleiche in einem kleinen Glasschälchen
befindliche Mengen von getrocknetem und bei 150° trocken sterilisiertem
Sande oder ebenso behandelter Erde 0 • 15 ccm einer gleichmäßigen Leitungs-
wasserbakterienaufschwemmung und 2 ccm sterilisiertes Leitungswasser ge¬
geben. Die Schälchen wurden offen entweder in eine feuchte Kammer
gebracht oder mit einer großen Glasglocke so bedeckt, daß die Luft freien
Zutritt hatte. Die Trocknung der Erde bzw. des Sandes in den auf die
letztbeschriebene Weise auf bewahrten Schälchen war in 24 Stunden er¬
folgt. Ein übergelegtes Tuch bewahrte die Schälchen vor der Einwirkung
des Lichtes. Es stellte sich heraus, daß iu der feuchten Kammer sämt¬
liche Erd- und Sandproben nach 60 Tagen noch lebensfähige Keime in
scheinbar unverminderter Zahl pro Kubikeinheit enthielten. In den luft¬
trockenen Proben starben Typhus, Paratyphus und Coli mit großer Gleich-
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Abstkrben vom Bakterien.
511
mäßigkeit nach etwa 8, die Staphylokokken dagegen noch nicht nach
60 Tagen ab. Einen Unterschied in der Lebensdauer in Erde and Sand
habe ich bei den geprüften Keimen im ganzen nicht ermitteln können.
Den. so gemachten Erfahrungen entspricht auch das Resultat der Unter¬
suchungen von Bodenproben, die von einem Acker, der wenige Wochen
vorher reichlich mit Ziegenmist gedüngt war, stammten. In den bis zu
5 cm tief entnommenen Proben konnten niemals Colibakterien gefunden
werden. Darüber hinaus bis zu etwa 85 cm wurden dieselben reichlich
angetroffen, um in größeren Tiefen wieder zu verschwinden. Es muß be¬
merkt werden, daß eine längere Trockenperiode den Untersuchungen
vorausging, so daß der Boden sicher bis zur Tiefe von 5 cm ausge¬
trocknet war.
Zusammenfassung der Resultate.
1. Einer größeren Anzahl von Metallen kommen erheb¬
liche bakterienfeindliche Kräfte gegen darauf unter natür¬
lichen Verhältnissen eintrocknende Keime zu. Die Reihen¬
folge der untersuchten Metalle hinsichtlich ihrer keimtöten¬
den Kraft ist ungefähr folgende: Kupfer, Messing, Silber,
Gold, Platin, Blei, Gußeisen, Stahl, Aluminium, Nickel,
Zink, Zinn.
2. Das Absterben der Bakterien wird auf den Metalleu,
aber ebenso auf allen anderen, auch den sogenannten indiffe¬
renten Objekten durch nachträgliches Anfeuchten wesentlich
beschleunigt.
3. Für die Schnelligkeit des Zugrundegehens der Keime
auf den Metallen und den anderen geprüften Objekten ist es
durchschnittlich gleichgültig, ob man Leitungswasserauf¬
schwemmungen oder Bouillonkulturen der auszustreichendeu
Bakterien verwendet. Eine Aufhebung oder starke Einschrän¬
kung der bakterientötenden Eigenschaften der Metalle konnte
dadurch nicht erreicht werden, daß als Aufschwemmungs¬
medium statt Leitungswasser normaler Urin genommen wurde.
4. Es ist für die Intensität der Desinfektionswirkung der
Metalle scheinbar gleichgültig, ob sie sich in reinem und
blankgeputztem oder beschmutztem und oxydiertem Zustande
befinden.
5. Während den sogenannten desinfizierenden Wand- und
Fußbodenanstrichen erhebliche keimtötende Eigenschaften zu¬
kommen, die dem dabei verwendeten Leinöl zuzuschreiben
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512
Ludwig Bitter: Abstebben von Bakterien.
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sind nnd die nach verhältnismäßig kurzer Zeit aber unwirk-
sam werden, zeigt Linoleum scheinbar dauernd ein stark bak¬
terienfeindliches Verhalten.
6. Auf allen glatten Oberflächen sterben die Keime im all¬
gemeinen schneller ab wie auf rauhen. Auf poliertem Marmor
z. B. zeigen Typhuserreger eine kürzere Lebensdauer wie auf
unpoliertem.
7. Alle untersuchten Glassorten zeigten ebenso wie reines
Quarz deutlich bakteriziden Charakter.
8. Oie verschiedenen bei der Bau- und Möbeltischlerei ge¬
bräuchlichen Hölzer bieten den darauf eintrocknenden Bakte¬
rien durchweg günstige Bedingungen für eine längere Lebens¬
dauer. Polieren, Beizen usw. verleiht den Hölzern außer der
dadurch bedingten Glätte keine dauernden bakterienschäd¬
lichen Eigenschaften.
9. An Seidenfäden angetrooknete Milzbrandsporen hielten
sich trotz verschiedenartigster Witterungs- und Klimaein¬
flüsse über 28 Jahre lang lebensfähig und virulent.
10. In trockner Erde bzw. Sand gehen Bact. typhi, para-
typhi B und coli innerhalb 8 Tagen, Staphylococcus aureus
noch nicht nach 60 Tagen zugrunde. In denselben feuchten
Substraten sind sämtliche genannten Mikroorganismen nach
60 Tagen noch lebensfähig.
Literatur.
1 . Archiv für Hygiene . Bd. LXL S. 1 .
2* Ebenda . Bd. XL. S. 320.
3. Diese Zeitschrift. Bd. XXIX. S. 1 .
4. Annales d’Hygiene publ. T. XXIY. p. 383.
5. Hygien . Rundschau . Bd. XI. S. 49.
6. Inaugural-Dissertation. Berlin 1909.
7. Desinfektion . Bd. IV. S 217.
8. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die ge¬
samten Naturwissenschaften. Bd. XXXIII. Abt. I.
9. Virchows Archiv. Bd. CXLVII. S. 294.
10. American Journal of Pharmacy. 1906.
11. Diese Zeitschrift. Bd. XXXVII. S. 70.
12. Centralblatt für Bakteriologie. Bd. LVIII. S. 505.
13* Inaugural-Dissertation. Kiel 1903.
Go^ 'gle
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Leipzig.]
(Vorstand: Geh. Rat Prof. Dr. Franz Hofmann.)
Studien
über das Wesen der Was 8 er mann sehen Reaktion.
Von
Privatdozent Dr. P. Schmidt,
I. A »«latenten am Institut
Durch die neueren Arbeiten über das Wesen der Wassermannschen
Reaktion hat die Auffassung der Reaktion als einer nicht spezifischen
Kolloidreaktion an Boden gewonnen; „nicht spezifisch“ allerdings nur im
Sinne der Immunitätsreaktionen, bei denen die Komplementbindung auf
dem Zusammenwirken von Antigen und Antikörper beruht. Die prak¬
tisch-klinische Brauchbarkeit der Reaktion ist ja mit gewissen Einschrän¬
kungen über jeden Zweifel erhaben.
Seit den Arbeiten von Laudsteiner, Porges und Levaditi wissen
wir, daß das wirksame „Antigen“ ein auch in normalen Organen vor¬
kommendes Lipoidkolloid ist. Wenn Luesextrakte aus luetischen Lebern
wirklich bessere Resultate geben sollten als solche aus normalen Organen
so beweist das meines Erachtens noch nichts für die spezifische Natur der
Reaktion; es wäre ja denkbar, daß gerade der luetische Krankheitsprozeß
für die Bereitung des Extraktkolloids von Vorteil ist. Übrigens ist die
Frage des Vorzugs der Lues-Leberextrakte vor denen aus normalen Organen,
vor allem solchen aus normalen Menschenherzen, noch keineswegs geklärt. 1
1 Harald Boas und Geor^ Neve, Die Wassermannsehe Reaktion bei
Dementia paralytica. Berliner klin . Wochenschrift. 1910. Nr. 29.
ZeitAchr. f. Hygiene. LXIX 33
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514
P. Schmidt:
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Es ist das Verdienst von 0. Porges 1 und seinen Mitarbeitern, ferner
U. Friedemanns 2 , für die verschiedenen Erscheinungen bei der Reak¬
tion eine gemeinsame Basis der Erklärung in dem Nachweis erbracht zu
haben, daß die Wassermannsche Reaktion mit großer Wahrscheinlich¬
keit in der Globulinfraktion des Serums vor sich geht. Nach O. Porges
und seinen Mitarbeitern sind Fällungsreaktion (Lecithin-Ausflockung)
und Bindungsreaktion identisch.
Eigene Versuche.
Sedimentierung im Luesserum-Extraktgemisch.
Ähnliche Beobachtungen, wie sie E. Jacobsthal 3 , Bruck und
Hidaka 4 * bei Serum-Extraktgemischen in Gestalt von Ausfällungen machten,
veranlaßten mich, diesen Ausfallungserscheinungen meine Aufmerksamkeit
zu widmen. Es zeigte sich bei meinen Versuchen, daß tatsäch¬
lich in den Luesserum-Extraktröhrchen beim längeren Stehen
oder Zentrifugieren nach der Bindung bei 37° eher und deut¬
licher Sedimente eintraten als in den Röhrchen mit Normal¬
serum. Der Erfolg war der gleiche, ob ich mit oder ohne Komplement
im Mischungsverhältnis der Wassermannschen Reaktion arbeitete. Unter
20 Versuchen sah ich allerdings eine Ausnahme, wo ein Wassermann¬
negatives Normalserum wesentlich eher und deutlicher Ausfüllung gab als
das Vergleichsröhrchen mit Luesserum.
Auch bei Untersuchungen mit dem Paraboloidkondensor zeigten sich
bei den Luesseren größere Schollen und Kügelchen. Immerhin waren die
ultramikroskopischen Untersuchungen weniger befriedigend als die makro¬
skopische Betrachtung nach mehrtägigem Stehen.
Physikalisch-chemische Untersuchungen. 6
Vor allen Dingen war es von Interesse, die elektrische Ladung des
bei den Versuchen verwandten Extrakts (vorzüglich bewährter Ätherextrakt
1 Elias, Neubauer, Porges, Salomon, Wiener Hin . Wochenschrift. 190$.
Nr. 21.
* U. Friedemann, Diese Zeitschrift Bd. LXVII. S. 279.
8 E. Jacobsthal, Zeitschrift für Immunitätsforschung und experim . Therapie .
Orig. 1911. Bd. VIII. S. 107.
4 Bruck u. Hidaka, Ebenda . S. 476.
6 Dieselben wurden im physikalisch-chemischen Institut der Universität mit
gütiger Erlaubnis des Vorstandes, des Hm. Prot. Dr. Le Blanc, unter Leitung des
Hrn. Prof. Dr. H. Freundlich ausgeführt.
Gck igle
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Studien über das Wesen der Wassebmannschen Reaktion. 515
aus normalen Menschenherzen nach Fritz Lesser, bezogen von der
Tauentzienapotheke, Berlin) festzustellen. Die dazu nötige Kataphorese
wurde zur Vermeidung von Störungen infolge der Salzelektrolyse in
destilliertem Wasser, nicht in physiologischer Kochsalzlösung vorgeuommen.
Sie ergab in einwandfreier Weise, daß die Teilchen des Ex¬
traktkolloids negativ geladen sind.
Des weiteren sollte die Ladung einer feinsten, dünnsten Suspension
von Luesserumglobulin 1 in destilliertem Wasser festgestellt werden (nur
Spuren von Globulin); man kann physikalisch-chemisch erwarten, daß
klare Globulinkochsalzlösungen, wenn auch in geringerem Maße, so doch
gleichsinnig geladen sind, wie in sichtbarer Suspension. Diese Versuche
mißlangen, da sich das Globulinkolloid an den Polen völlig löste.
Ferner kamen Extrakt-Albumin- und Extrakt-Globulingemische in
destilliertem Wasser zur Kataphorese. Es ergab sich, daß die Ex¬
trakt-Albumingemische sich ebeuso verhielten wie das Extrakt-
kolloid allein, d. h. die Teilchen bewegten sich zum positiven Pol hin,
sie blieben negativ geladen.
Dagegen zeigten Extrakt-Globulingemische ein ganz anderes Verhalten.
Äußerlich schon trüber, neigen sie zur Ausflockung und müssen bei Be¬
ginn des Versuches nochmals aufgeschüttelt werden. Bei der Kataphorese
zeigen die Gemische einen mehr amphoteren Charakter; der Raum an den
Elektroden wird klarer und die Hauptmenge der Teilchen sammelt sich in
der Mitte des Röhrchens, allerdings deutlich mehr in der Richtung
zum negativen Pole hin. Sie verhalten sich also eher wie Gelatine¬
lösung; es ist eine Tendenz zur Umladung im positiven Sinne
vorhanden. Bei der außerordentlichen Kompliziertheit der Kataphorese
mehrerer Kolloide wären Versuche mit variierenden Mengen sehr er¬
wünscht. Ich verweise zur Orientierung auf Herbert Freundlichs
Kapillarchemie S. 444 (Einwirkung von Solen aufeinander).
Bei den Versuchen betrug der Gehalt an Albumin und Globulin etwa
V 4 Prozent, während das Lipoidkolloid wie bei der Wassermann sehen
Reaktion mit V 3 des Volumens zur Verwendung kam.
Der Kataphoreseversuch hat also mit größter Wahrschein¬
lichkeit ergeben, daß die Vorbedingung einer Kolloidfällung
im Globulin-Extraktgemisch in Gestalt einer elektrischen Um¬
ladung des negativen Extraktbolloids durch Globulinkolloid
erfüllt ist.
* Die yerwandten Albumine und Globuline waren aus 2 Exsudaten (I luetisch)
und 3 Seren (1 luetisch) durch Aussalzen mit Ammonsulfatlösung und Dialyse ge¬
wonnen. Siehe U. Friedemann, Diese Zeitschrift. Bd. LXVII. S. 287.
33*
Digitizeit by
Gck igle
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UNIVERS1TY OF CALIFORNIA
516
P. Schmidt:
Digitized by
Antagonismus zwischen Albumin und Globulin bei der Wasser-
mannschen Reaktion.
Es war wichtig, diese Resultate noch nach einer anderen Richtung
zu verfolgen. U. Friedemann nimmt für normale Sera an, daß die
Wassermann sehe Reaktion durch eine antagonistische Wirkung der
Albumine negativ wird, derart, daß die Globuline bei normalen Seren
durch Albumin an ihrer Reaktion gehindert würden. Bei Luesserum sollen
die Globuline schon quantitativ prävalieren.
Die Schutzwirkung der Albumine versuchte ich in möglichst augen¬
fälliger Weise mit Alaunfällung darzustellen. Den Ätherextrakt konnte
ich bei einem bestimmten Mengenverhältnis (2 cem Extraktverdünnung mit
physiologischer Kochsalzlösung äi + 0 • 3 ccm Kalialaunlösung 1 °/ 00 in phy¬
siologischer Kochsalzlösung) im Wasserbad bei 37° sehr rasch, d. h. in
wenigen Minuten zur Ausfüllung bringen. 1
Albuminlösungen in physiologischer Kochsalzlösung vermögen nun d;<-
Ausfüllung bei einem Zusatz von 0-5 ccm einer Verdünnung 1:1000 tat¬
sächlich noch ganz zu hindern oder doch um viele Stunden zu verzögern:
dagegen tritt bei den Globulinen erst bei einer Konzentration von etwa
1:80 eine solche Schutzwirkung ein. Von dieser Konzentration abwärts
findet prompte Ausfüllung statt, wobei geringe Mengen Globulin mii
gerissen werden.
Übrigens beschleunigt schon die geringste Opaleszenz der
Globulinlösung (infolge Beimischung gröberkolloidalen Globulins) die
Ausfüllung um ein bedeutendes, während Albumintrübungen
(durch Alkoholfällung, Evakuation bei 60° C und Papierfiltra¬
tion gewonnen) so gut wie ohne Einfluß sind. 2
Man kann mithin sagen, daß die Schutzwirkung der Albu¬
mine gegenüber Extraktkolloid etwa lOmal stärker ist als die
der Globuline bei Anwendung von Kalialaun als Fällungsmittel.
Mischt man Albumin und Globulin so, daß man sich noch inner¬
halb der Schutzzone der Albumine befindet, so tritt mit Alaun zwar all¬
mählich eine allerfeinste Flockung, aber keine Ausfüllung und Sedimen-
tierung mehr ein. — Unterschiede zwischen Lues- und Normalglobulin
1 Bei diesen Versuchen leistete mir das von mir angegebene Wasserbad für
die Wassermannsche Reaktion vorzügliche Dienste.*\Siehe P. Schmidt, Zur
Apparatur und Technik der Wassermann sehen Reaktion. Münchener med. Wochen¬
schrift. 1911. Nr. 15.
* Vielleicht waren die Hemmungen bei den Versuchen von Levaditi-Yama-
nouchi mit Alkoholextrakten aus positivem Serum oder Liquor die Folge von
Globulintrübungen. Siehe Comp/es Rendus de l a Socifte de Biologie, Seance du
11 Janvier 1908.
Gck igle
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Studien über das Wesen der Wassermannschen Reaktion. 517
konnte ich nicht konstatieren. Betont sei nochmals, daß selbst
minimale Trflbungen der Globulinlösung durch grob disperses
Globulin von größtem Einfluß waren.
Wassermannsche Reaktion mit Albumin- und Globulinlösung.
Bei Anstellung der Wassermannschen Reaktion zeigte sich, daß
die isolierten, schwach opalisierenden Globuline von dem genannten Ex¬
sudat eines Luetikers noch bis zu einer Verdünnung 1:3000 mit Extrakt
deutliche, wenn auch keine kräftige Hemmung gaben, während die Kon¬
trollen gelöst waren. 1 Diese Globulinlösungen neigen, obwohl steril im
Eisschrank auf bewahrt, stets zu Trübungen beim Stehen. In stärkeren
Konzentrationen von etwa 1 / i00 trat oft schon Eigenhemmung auf, ganz
besonders wenn Trübungen vorhanden waren. Der außerordentlichs
Einfluß selbst minimaler Trübungen auf den Grad der Hem¬
mung ließ sich experimentell durch künstliche Beimengung
von Spuren trüber Globulinlösung zu völlig klaren, durch
Berkefeldkerzen filtrierten Globulinlösungen erweisen, während
Albumintrübungen fast wirkungslos waren.
Gerade bei schwach opalisierenden Lösungen der Globuline etwa in
der Verdünnung 1:400 habe ich die stärksten Wassermannschen Reak¬
tionen gesehen mit zwar etwas verspäteter, aber doch völliger Lösung
der Kontrolle ohne Extrakt. Die Hemmungen bei völlig klaren,
filtrierten Globulinlösungen waren stets schwächer und lösten
langsam nach.
Mit Albuminlösungen trat noch in der Konzentration 1:100 glatte
Hämolyse ein wie bei Normalseren.
Bei Gemischen von beiden, gleichviel ob mit Normal- oder Lues¬
globulin, schien mir die Schutzwirkung der Albumine zurückzutreten.
Dasselbe war der Fall, wenn ich Normalserum mit einem Überschuß von
Globulin beschickte. Besonders betont sei, daß Normalsera,
künstlich mit Spuren von trübem Globulinkolloid versetzt,
die schönsten positiven Wassermannschen Reaktionen mit früh¬
zeitiger Lösung der Kontrollen ohne Extrakt geben.
Der Umstand, daß die Wassermannsche Reaktion mit völlig klaren,
durch Berkefeldkerzen filtrierten Globulinen meist schwächere Hemmungen
gibt als mit selbst klaren luetischen Seren, liegt vielleicht an der ein¬
greifenden Art der Darstellung. — Es ist mit isoliertem Globulin natur-
1 Es wurde mit halben Mengen gearbeitet, von den Globulin- bzw. Albumin¬
lösungen dementsprechend immer 0-5 ccm zugesetzt.
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gemäß nicht möglich, künstlich den Grad der Dispersität genau so wie
im Serum herzustellen. Inwieweit schwache Opaleszenzen besonders des
aktiven Serums, die auf dem Kolloidzustand der Globuline beruhen könnten,
den Ausfall der Wassermannschen Reaktion zu beeinflussen vermögen,
ist nicht bekannt. Mir scheint aber, daß sich in dieser Hinsicht
selbst schwache Globulintrübung wesentlich anders verhält
als etwa Fetttrübung. Die letzteren sind von keinem oder doch
geringem Einfluß, wohl weil sie mit dem Extrakt kolloid gleichsinnig, d.h.
negativ geladen sind.
Normal- und Luesglobuline.
Die Annahme Friedemanns, daß die Schutzwirkung der Albumine
durch ein quantitatives Überwiegen der Globuline aufgehoben würde,
scheinen die Fälle zu widerlegen, wo bei positivem Wassermann von einer
Vermehrung der Globuline keine Rede ist. 1 2 Wenn auch das Verhalten
des Liquor bei Paralyse für Friedemanns Ansicht sprechen könnte*,
so muß man doch wohl auf Grund der genannten Beobachtungen die
Möglichkeit offen lassen, oder sogar betonen, daß den Lues¬
globulinen im nativen Luesserum eine größere Reaktions¬
fähigkeit, eine größere Affinität zum Extraktkolloid als Normal¬
globulin im nativen Normalserum eigen ist. Und dafür sprechen
mehrere Tatsachen, z. B. die Veränderung der Normalglobuline im aktiven
Normalserum beim Stehen. Bekanntlich wird Normalserum beim Stehen
unter Verminderung der Alkaleszenz in 4 bis 5 Tagen, im aktiven Zu¬
stande Wassermann-positiv, ich vermute durch eine Dissoziation der
Globuline unter Freiwerden von H-Ionen. s Dieser Vorgang geschieht unter
leichter Trübung des Serums, die beim Inaktivieren wieder schwindet.
Mit solcher Trübung geht offenbar die Bildung neuer Ober¬
flächen Hand in Hand und zwar vermutlich in der Globulin¬
fraktion. Beim Inaktivieren werden die freien H-Ionen vertrieben oder
zerstört, so daß die Globuline wieder in feinere Lösung gehen können.
Vielleicht, daß beim Luesserum die Dispersität der Globuline
soweit vergrößert und stabilisiert ist, daß eine weitergehen-k
Lösung beim Inaktivieren nicht mehr möglich ist. Eine geringe
Verringerung der hemmenden Fähigkeiten findet ja auch beim Luesserum
durch Inaktivieren statt.
1 Elias, Neubauer, Borges, Salomoo, Wiener klin. Wochenschrift 190S.
Nr. 11 u. 21.
2 Nonne, Deutsche Zeitschrift für Servenheilkunde . Bd. XXXVI.
s 8. H. Handovsky, Fortschritte in der Culloidchemie der Fttceißkorper.
Dresden PU1.
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Studien übee das Wesen der Wassekmannschen Reaktion. 519
Ähnliche Verhältnisse bieten Eklampsiesera, welche aktiv schon
am Tage der Entnahme positiv und zwar oft stark positiv sind,
dagegen inaktiv größtenteils negativ reagieren; von 12 Eklampsieseren
aus der hiesigen Frauenklinik blieben nach dem Inaktivieren noch zwei
positiv, das eine mittelstark, das andere nur schwach. Es wäre denkbar,
daß unter dem Einflüsse der Vermehrung der organischen Säuren, die bei
Eklampsie erwiesen ist, eine stärkere Dissoziation und gröbere Dispersität
des Globulins einträte, die nach Zerstörung der H-Ionen teilweise oder
ganz wieder schwände. Die CO, scheint dabei eine geringe Rolle zu
spielen, da die eklamptischen aktiven Sera nach Evakuieren noch positiv
reagieren, desgleichen auch nach Filtrieren durch BerkefeldAlter. Das
letztere schwächt die Eklampsiereagine ebenso wie die „Luesreagine“ nur
wenig.
Mechanismus der Wassermannschen Reaktion.
Es kann meines Erachtens kaum einem Zweifel unterliegen, daß der
Eintritt der Hämolyse bei normalen Seris im Sinne Friedemanns durch
die Schutzwirkung der Albumine bedingt ist Je kräftiger dieselbe ist,
desto weniger werden Globuline und Extrakt reagieren können. Es ist
klar, daß alle Grade solcher Schutzwirkung möglich sind, wie man ja
auch de facto bei den normalen Seris sehr verschiedene Grade der Stärke
bzw. Schnelligkeit der Hämolyse beobachtet. 1
Überwiegen nun die Globuline, sei es quantitativ oder qualitativ, so
tritt eine Umladung des Extraktkolloids ein, und es bilden sich neue
freie Oberflächen in Form feinster Globulinteilchen und vergrößerter
Extraktteilchen. Bei diesen Vorgängen, die progredienter Natur sind,
findet nun Komplementadsorption auf die neuen Oberflächen statt. 2
Für das Auge sichtbar braucht diese Veränderung natürlich nicht
zu sein. Befinden sich die Globuline vorher schon in einem labilen Zu¬
stande (wenn sie z. B. etwas gröber dispers sind), so bedarf es vielleicht
nur noch eines geringen Anstoßes durch das Extraktkolloid und sie fallen
in feinster Verteilung aus. Wärme beschleunigt diesen Vorgang wesentlich.
Auf dieser großen Variabilität der Kolloidgröße der aus-
1 Vielleicht wäre es zweckmäßig, durch Zusammenmischen vieler Normalsera
ein Durchschnitts-Normalserum zu schaffen, ebenso ein Luesserum von durchschnitt¬
licher Hemmung. Zur Aufbewahrung ließen sich solche Gemische durch Filtrieren
mit Berkefeldfiltern sterilisieren. Wie ich mich überzeugte, wurden alte verdorbene
und selbst hemmend gewordene Luessera auf diese Weise wieder gut brauchbar, da
die „Luesreagine * 4 größtenteils die Berkefeldfilter passieren.
% E. Seligraann u. Pinkus, Zeitschrift für Immunitätsforschunq u. experim.
Th erat ie. 1910. Bd. V.
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fallenden and am Extraktkolloid angelagerten Globulinteilchen
scheint mir die außerordentliche Empfindlichkeit und Schärfe
der Wassermannschen Reaktion zu beruhen, mit welcher die
Ausflockungsreaktionen natürlich nicht konkurrieren können. — Durch
längeres Stehen treten allmählich naturgemäß auch stärkere Zusammen¬
ballungen und Sedimentierungen des von Globulinteilchen umhüllten Ex¬
traktkolloids auf.
Die Adsorption des Komplements wird wahrscheinlich durch seinen
ebenfalls kolloidalen Charakter erleichtert. Daß es sich beim Komplement
um ein Kolloid von sogar ziemlich grober Dispersität handelt, geht ans
seinem Verhalten bei der Filtration durch Berkefeldfilter hervor. Da?
Komplement passiert das Berkefeldfilter in der üblichen Ver¬
dünnung 1:10 überhaupt nicht mehr und geht im unverdünnten
Zustande zu etwa 50 oder mehr Prozent hindurch, ein Beweis dafür,
daß das Komplementkolloid beim Verdünnen mit physiologischer
Kochsalzlösung noch gröber dispers wird als im Serum.
Zusammenfassung.
1. Die Wassermannsche Reaktion ist eine Kolloidreaktion
im Sinne von 0. Porges und seinen Mitarbeitern.
2. Sie beruht auf der Bildung neuer freier Oberflächen
durch Ausfällung äußerst feiner Teilchen auf dem Extrakt-
kolloid wahrscheinlich durch Umladung der an sich elek¬
trisch negativ geladenen Extraktkolloidteilchen.
3. Diese Bildung neuer Oberflächen erfolgt durch ein Zu¬
sammenwirken der Globuline mit dem Extraktkolloid, zwischen
denen eine starke Affinität besteht.
4. Im Normalserum wird diese Reaktion durch die Schutz¬
wirkung der Albumine verhindert oder doch stark verzögert.
5. Beim Luesserum überwiegen die Globuline, sei es quan¬
titativ oder qualitativ durch den Grad der Dispersität oder
beides. Die Dispersität könnte durch stärkere Dissoziation mit
Vorherrschen der H-Ionen (Fermente) beeinflußt sein.
6. Normal- und Luesglobuline geben mit Extrakt mehr
oder weniger starke Hemmungen. Dieselben sind am stärksten,
wenn die Globulinlösungen von feinsten suspendierten Globulin¬
teilchen opalisierend sind. Albuminlösung verhält sich wie
normales Serum. Albumintrübungen sind ebenso wie die Fett¬
trübungen fast wirkungslos. — Die schönsten Wassermann¬
schen Reaktionen liefern Normalsera + Globulintrübungen.
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Studien übee das Wesen dee Wasseemannschen Reaktion. 521
7. Die Schutzwirkujng von Albuminlösungen für Extrakt¬
kolloid gegenüber Alaun als Fällungsmittel ist etwa lOmal so
groß als die von Globulinlösnngen. Bei der Wassermannschen
Reaktion sind die Globuline direkt als Fällungsmittel gegen¬
über Extraktkolloid aufzufassen. Die Fällung von Globulin-
Extraktgemischen durch Alaun geschieht um so prompter, je
trüber das Gemisch ist.
8. Das mit physiologischer Kochsalzlösung 1:10 verdünnte
Komplement passiert Berkefeldfilter nicht, ist also ein Kolloid
von relativ grober Dispersität. Von konzentriertem frischen
Meerschweinchenserum passiert ungefähr die Hälfte Komple¬
ment das Berkefeldfilter. Es ist also offenbar im unverdünnten
Serum in einem feiner dispersen Zustande.
Am Schlüsse dieser Arbeit erfülle ich die angenehme Pflicht, Hm.
Prof. Dr. Herbert Freundlich, jetzigem Vorstand des physikalisch¬
chemischen Instituts der technischen Hochschule in Braunschweig, für
die liebenswürdige Beratung und Hilfeleistung bei meinen Studien meinen
verbindlichsten Dank abzustatten.
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Leipzig.]
(Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. Hofmann.)
Das Berkefeldtilter
zum Nachweis von Bakterien im Wasser.
Von
Dr. Erioh Hesse,
Oberarzt im 11. Infanterie-Regiment Nr. 139, kommandiert zum Institut.
Das Vorkommen und der Nachweis pathogener Keime im Wasser hat
infolge vervollkommneterer Untersuchungsmethoden der modernen Bakterio¬
logie gegen früher eine große Bedeutung gewonnen. Wie der Verbreitung
von Cholera durch infiziertes Wasser, besonders das schiffbarer Flüsse,
Vorschub geleistet wird, so ist es sowohl beim epidemischen wie auch
beim endemischen Typhus oft genug das Wasser, das für die Unterhaltung
und Verschleppung der Keime verantwortlich zu machen ist. Und was für
Cholera und Typhus gilt, das hat seine Berechtigung auch für Dysenterie
(besonders in den Tropen) wie überhaupt für die verschiedensten Formen
infektiöser Darmerkrankungen, deren Erreger nicht nur durch den Genuß
verseuchter Wässer, sondern auch infolge ihrer Benutzung zu Reinigungs¬
zwecken im Haushalt und beim Baden in den menschlichen Organismus
gelangen können.
Der Nachweis des Cholerabacillus im Jahre 1883 durch Robert
Koch hatte ein intensives Forschen nach seinen biologischen Eigentüm¬
lichkeiten zur Folge und es gelang durch die bekannte Peptonwasser¬
anreicherung relativ leicht, ihn, wenn er nicht gar zu spärlich vorhanden
war, aus dem Wasser zu isolieren.
Leider ließ sich diese oder eine analoge Nächweismethode für den
Typhusbacillus und andere ähnliche Keime nicht anwenden, wenigstens
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Erich Hesse: Berkefeldfilter z. Nachweis v. Bakterien dsw. 523
haben die zahlreichen in dieser Richtung angelegten Versuche keine be¬
friedigenden Erfolge gehabt. Das Prinzip dieser Arbeiten war einerseits,
Nährböden zu suchen, die infolge bestimmt wirkender chemischer Zusätze
(Karbolsäure, Salzsäure, Zitronensäure, Methylviolett, Naphthol, Jodtrichlo-
rid, Jodkalium, Malachitgrün) die Typhusbazillen und ihre nächsten Ver¬
wandten wachsen lassen, andere Keime, so die zahlreichen das Bild ver¬
schleiernden Wasserkeime, die Colibazillen u. a. unterdrücken sollten.
Andererseits wurde eine Temperatur zum Bebrüten infizierter Bouillon¬
kölbchen gewählt, die für eine große Anzahl (nicht pathogener) Keime zu
hoch war und deshalb schon eine Einengung der gesuchten Krank¬
heitserreger eintreten ließ.
Die Beweglichkeit der Typhusbazillen wurde zwecks ihrer Isolierung
in dem Sinne nutzbar gemacht, daß sie die Chamberlandsche Porzellan¬
kerze schneller als andere Keime durchwachsen sollten.
Auch für den Nachweis von Bacterium coli, dessen Bedeutung für
die Beurteilung des Trinkwassers nach den heutigen Ansichten [Gärtner (1)]
früher sicher überschätzt oder nicht immer richtig gedeutet wurde, sind
verschiedene Methoden im Sinne elektiv wirkender Nährböden (Heuinfus,
Laktosebouillon) ausgearbeitet und spezifische biologische Eigentümlich¬
keiten (Vergärung von Traubenzucker) herangezogen worden.
Im Jahre 1901 beschrieb Vallet (2) eine Methode, darin bestehend,
daß er dem zu untersuchenden Wasser Natriumhyposulfit und Bleinitrat
zusetzte und so eine Fällung der in das flockige Sediment eingeschlossenen
Bakterien herbeiführte. Der Niederschlag wurde mit Natriumhyposulfit
wieder gelöst und die Lösung auf Nährböden verarbeitet. Von Schüder (3)
wurde im Jahre 1903 diese Methode weiter ausgearbeitet
Bei einer Nachprüfung dieses Verfahrens konnte Ficker (4) bei weitem
nicht die ausgesäte Bakterienmenge wiederfinden und er benutzte, von
der Voraussetzung ausgehend, daß die ungünstigen Ergebnisse in unvoll¬
kommener Fällung ihren Grund hätten, Eisensulfat (Ferrisulfat) als
Fällungsmittel, nachdem er vorher das Wasser mit Soda alkalisiert hatte.
Den mit neutralem weinsauren Kali gelösten Niederschlag verdünnte er
mit Bouillon und verarbeitete einen Teil davon auf Drigalskiplatten. Die
Zahl der gefundenen Kolonien berechnete er auf das ganze Sediment. Er
konnte auf diese Weise in 2 Liter Wasser 97 bis 98 Prozent der ein¬
gesäten Bakterien wiederfinden.
Von Müller (5), der die günstigen Resultate Fickers mit der
Ferrisulfatfällung nicht erreichen konnte, wurde zu diesem Zweck der
Liquor fern oxychlorati ausprobiert, von dem er 5 ccra in 2 Liter Wasser,
das mit Typhusbazillen infiziert worden war, brachte. Eine vorherige Alkali¬
sierung war nicht notwendig. Der nach 1 / 2 Stunde abgesetzte Nieder-
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Ebich Hesse:
schlag wurde durch ein steriles Filter filtriert, mit einem Platinspatel ab¬
geschabt und ganz oder zu einem bestimmten Bruchteil auf Drigalski-
platten verarbeitet. Es gelang ihm, in einem Falle 98.2 Prozent der
Einsaat nachzuweisen (von 900 Keimen 884). Er ist der Ansicht, daß
dem Eisensulfat eine geringere Fällungskraft wie dem Liquor ferri oxy-
chlorati zukommt.
Als weiteres Fällungsmittel wurde von Feistmantel (6) vorgeschlagen,
dem zu untersuchenden Wasser Soda und Alaun zuzusetzen. Bei einer
Nachprüfung dieser Methode durch Müller (lit. conf. 5) blieben die Resul¬
tate aber weit hinter denen der beiden Eisenpräparate zurück.
Um die sich widersprechenden Angaben Fickers und Müllers zu
prüfen, stellte Nieter (7) vergleichende Parallel versuche nach den Metho¬
den beider Autoren an. Er kam zu dem Ergebnis, daß er bei dem Ferri-
sulfatverfahren nicht nur regelmäßig weniger Kolonien erzielte wie beim
Liquor ferri oxychlorati, sondern daß ersteres bei Verdünnungen bereits
versagte, wo er nach der Müllersehen Methode noch erfolgreich arbeitete.
Allerdings konnte Nieter die günstigen Resultate Müllers auch nicht
immer erreichen.
Es wurden daraufhin von Hilgermanu (8) nochmals Versuche mit
den beiden Eisenpräparaten vorgenommen. Als Durchschnittswerte fand er
nach Ficker bei keimarmen Wässern 53-5 Prozent, bei keimreichen (Flu߬
wasser) 31 Prozent der Aussaat wieder, während die entsprechenden Zahlen
nach Müller sich auf 33 Prozent und auf 0 Prozent stellten.
Hilgermann betont ausdrücklich als einen besonderen Vorzug der
Fickerschen Methode, bei der ein kleiner Teil des Sediments gelöst und
mit Bouillon verdünnt verarbeitet wird, daß man je nach dem Grad der
vorausgegangenen Verdünnungen die ermittelten Kolonien bei der Berech¬
nung ihrer Gesamtzahl mit einem mehr oder weniger hohen Betrag mul¬
tiplizieren müsse. Die Resultate würden dadurch erheblich günstiger wie
in den Fällen, wo — bei ungelöstem Sediment — die Multiplikatiouszahl
eine niedrigere ist. Bei der großen Schwierigkeit, Bakterien, namentlich
wenn es sich um geringe Mengen handelt, in einer Flüssigkeit gleich¬
mäßig zu verteilen, kann ich es nicht für angängig erachten, den Schluß
zu ziehen, daß, wenn z. B. in einem Kubikzentimeter Flüssigkeit oder
Sediment ein Keim gefunden wurde, in 10Ü ccra deren 100 sein müssen.
Eine Serie von Zählplatten, die aus demselben peiulichst durchgeschüttelten
Tropfglas angefertigt werden, legt das sofort dar. Und Hilgermann
arbeitet mit Verdünnungen und entsprechender Multiplikation bis zu 260
(bei 11 Versuchen im Mittel 75)! Er hat also, wenn er im 260. Teil
des Sediments 1 Keim findet — sein Versuch 1 —, 260 wiedergefunden!
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Das Bebkefeldfilteb z. Nachweis von Baktebien im Wasseb. 625
Wie bei derartigem Vorgehen leicht Fehlerfolge eintreten können, so ist es
auch möglich, daß er ein Vielfaches der Aussaat wiederfindet. Einen An¬
spruch auf Genauigkeit können solche Zahlen jedenfalls nicht machen.
Außerdem setzt die Verdünnung selbstverständlich der Nachweismöglich -
keit überhaupt eine Grenze. Denn wenn in 2 Liter Wasser z. B. noch
30 Keime sind und ich untersuche nur den 40. Teil des Sediments, so
kann korrekterweise — annähernd gleiche Verteilung vorausgesetzt —
überhaupt ein Erfolg nicht mehr erwartet werden. So fällt denn
Versuch V, bei dem 14 Keime in 2 Liter zur Aussaat kamen, negativ
aus, vielleicht aus dem Grunde! Leider fehlen hier nähere Angaben.
Wo aber Hilgermann größere Mengen ungelösten Sediments verar¬
beitet und dementsprechend mit niedrigeren Zahlen die gefundenen Kolo¬
nien multiplizieren muß, da lassen seine Resultate in deutlicher Weise
nach. Gerade die tatsächlich ermittelte Kolonienzahl, nicht
die durch Multiplikation berechnete, bedingt in Anbetracht
der wohl nie gleichmäßigen Verteilung die Zuverlässigkeit in
bezug auf quantitativen Nachweis! Und die positiv vorhandenen
Kolonien waren in Hilgermanns Versuchen bei der Fickerschen
Fällung stets geringer an Zahl wie bei der Müll ersehen (infolge weniger
starker Verdünnung).
Wenn Hilgermann das Müllersche Verfahren bei keimarmen,
d. h. bei durch andere Keime weniger stark verunreinigten Wässern,
immerhin als brauchbar bezeichnet, so verwirft er es völlig bei solchen
mit hohem Keimgehalt, da er in 2 Fällen negativen Erfolg hatte, in denen
er mit der Fickerschen Methode noch befriedigende Resultate verzeichnen
durfte. Er säte in je 2 Liter Spreewasser, das durch Bakterien stark
verunreinigt ist, einmal 2142, das andere Mal 539 Typhusbazillen und
fällte in beiden Versuchen sowohl nach Ficker wie nach Müller. Die
durch die Fickersche Methode erzielten Drigalskiplatten ließen im ersten
Fall neben zahlreichen Wasserkeimen eine Kolonie durch Agglutination
als Typhus feststellen — „mit Berücksichtigung Verdünnungen = 260“ —,
im zweiten Fall wurden durch das Multiplikationsverfahren (mit 90)
270 Keime wiedergefunden. Die mit dem Müllersediment beschickten
Platten zeigten ein derartig dichtes Bakterienwachstum, daß eine Identifi¬
zierung der Kolonien völlig ausgeschlossen und bei einer Anzahl vorge¬
nommener Agglutinationen das Ergebnis in allen Fällen negativ war. Die
Müllersche Methode hatte also in den beiden Versuchen, in denen er mit
Ferrisulfat gute Erfolge hatte, versagt.
Es dürfte aber doch wohl ein recht mitspreebender Faktor darin zu
suchen sein, daß bei den Ferrisulfatfällungen vom Gesamtsediment der 260.,
bzw. der 90. Teil, bei den Fällungen mit Liquor ferri oxychlorati aber der
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Erich Hesse:
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4., bzw. der 8. Teil verarbeitet wurde! Man darf es doch wohl kaum auf das
Eisenoxychlorid zurückführen, wenn aus der 65 fachen Menge Spreewasser
mehr Keime aufgehen als aus der einfachen! Sicherlich würden bei Ver¬
arbeitung gleicher Mengen, was in einer der Fickerschen Methode ent¬
sprechenden Weise oder mit Hilfe von Kreissektoren, die vor der Steri¬
lisierung in bestimmter Größe in das Filter eingezeichnet wurden, leicht
geschehen konnte, die Ergebnisse nach Müller ganz erheblich anders aus¬
gefallen sein.
Endlich kann ich mich nicht damit einverstanden erklären, daß
Hilgermann für die Versuche selbst Drigalskioberflächenkulturen, für die
Kontrollzählplatten aber Agargußplatten verwendet, da die in beiden Fällen
angehende Bakterienzahl sich keinesfalls entspricht.
Zum Nachweis von Colibazillen im Wasser hat Federolf (9) Ver¬
gleiche zwischen der Ferrisulfatfällungund den Methoden nach Petruschkv
und Eijkmaun angestellt. Er konnte mit der Fällung noch 7 Keime
in 1 Liter nachweisen, während die beiden anderen Methoden bereits er¬
heblich früher im Stich ließen. Sehr richtig bemerkt er, würde er bei
Verarbeitung des ganzen Liters Wasser nach Eijkmann oder Petruschk v
vielleicht auch noch positive Resultate erzielt haben, eben aus dem Grunde,
weil eine gleichmäßige Verteilung einer geringen Anzahl von Keimen in
1 Liter Wasser kaum durchführbar ist. Das geht ja auch aus seinen nach
der Fickerschen Methode angestellten Versuchen hervor. Freilich muß
ohne weiteres zugegeben werden, daß die Verarbeitung größerer Mengen,
also etwa 1 Liter, nach Petruschky oder Eijkmann praktisch großen
Schwierigkeiten begegnet.
Seine am Schluß der Arbeit ausgesprochene Ansicht über die Er¬
kennung der Colikolouien auf Drigalskiagar allein aus Rotfarbung, Größe
und Undurchsichtigkeit kann ich nicht anerkennen, da es doch außer den
Colibazillen noch eine große Anzahl anderer Keime gibt, die Säure bilden und
deshalb als rote Kolonien erscheinen. Auch habe ich seine „dunkelroten'*
Kolonien bei Colireinkulturen nie gesehen, wohl aber oft bei verunreinigten
Wässern. Es handelte sich dann aber, wie die weitere Prüfung ergab,
um Prodigiosus. Alle roten Kolonien auf Drigalski ohne weiteres als
Coli zu deuten, würde zu recht unangenehmen Fehlschlüssen Veran¬
lassung geben.
Auch Federolf verwendet zum Zählen Agargußplatten, während er
die Versuche mit Drigalskiplatten anstellt.
Jedenfalls ist aber so viel sicher, daß durch Einführung der beiden
Eisenfällungsmethoden ein ganz bedeutender Fortschritt in der bakterio¬
logischen Wasseruntersuchung herbeigeführt wurde, denn die damit er-
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Das Beekefeldfiltee z. Nachweis von Baktebien lm Wasseb. 527
reichte Einengung ermöglichte es zum erstenmal, größere Mengen von
Wasser einer erfolgreichen Untersuchung zugänglich zu machen.
Wenn trotzdem in der Literatur immer wieder der Mangel eines noch
intensiveren Einengungsverfahrens betont wird, so hat das seine Veran¬
lassung darin, daß, wenn nicht eine sehr große Zahl von Platten ange¬
legt werden soll, immer nur ein Teil des Sediments verarbeitet werden
kann was bei sehr geringem Keimgehalt besonders bei den nach Ficker
notwendigen Verdünnungen doch sehr in die Wagschale fällt. Ferner
würde eine Verarbeitung noch größerer Wassermengen wie 2 Liter in
mehrfacher Beziehung auf große technische Schwierigkeiten stoßen, wie¬
wohl sie bisweilen recht erwünscht sein dürfte.
Schließlich möchte ich noch auf eine Arbeit von Ri ecke (10) ver¬
weisen, worin er an eingehenden Versuchen darlegt, daß Ferrisulfat infolge
der dem chemisch nicht reinen Präparat anhaftenden 4 bis 5 Prozent
Schwefelsäure sich den Bakterien gegenüber, besonders den Cholera- und
Typhusbazillen, als keinesfalls indifferent, sondern noch in 0*03 Prozent
Verdünnung als ein energisches Desinfektionsmittel erwies. Neben der
Schwefelsäure führt Ri ecke die desinfizierende Wirkung auf die Metall¬
salze zurück. Besonders empfindlich dem Ferrisulfat gegenüber erwiesen
sich die Cholerabazillen, weswegen eine erfolgreiche Anwendung der
Fickerschen Methode zum Nachweis dieser Keime recht fraglich sein
dürfte. Analoge Versuche für den Liquor fern oxychlorati fehlen, doch
wird auch bei diesem Stoff mit der Möglichkeit gerechnet werden dürfen,
daß namentlich hei längerer Einwirkung eine Schädigung der Bakterien
nicht ausgeschlossen ist.
Sind also diese Bedenken bei einer durch chemische Vorgänge
bedingten Trennung von Bakterien und Flüssigkeit nicht von
der Hand zu weisen, so dürfte eine auf geeignete Weise erreichte mecha¬
nische Isolierung ihre Beseitigung erhoffen lassen.
Lange vor Einführung der Fällungsmethoden verwandte Klein (11)
das Berkefeldfilter im obigen Sinne zum Nachweis von Typhusbazillen.
Er sog mehrere Liter verdächtigen Wassers durch einen Filter hindurch,
schabte den auf der Oberfläche befindlichen Schlamm ab und brachte ihn
auf Karbolgelatine. Die Erfolge entsprachen jedoch nicht den Erwartungen
und die Methode konnte sich keine Anerkennung verschaffen.
Im Jahre 1898 wurde von Jackson (12) ein modifizierter Sandfilter
beschrieben, durch den er das zu untersuchende Wasser filtrierte. Der
Rückstand wurde mikroskopisch untersucht. Da der zum Füllen benutzte
Quarzsand ein Korngröße von etwa 0.5 rara besaß, konnte der Filter auf
Bakteriendichtheit wohl keine Ansprüche erheben und die Resultate be¬
treffs Auffindens der gesuchten Keime blieben demgemäß bescheiden.
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Ebich Hesse:
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Chantemesse (13) verwandte analog den Klein sehen Versuchen
das Chamberland sehe Porzellanfilter, sog 6 Liter Wasser hindurch und
verarbeitete die an der Außenfläche haftenden Bakterien mit Peptonwasser.
Das in der weiteren Ausführung sehr umständliche Verfahren hat sich
ebenfalls keinen Eingang verschaffen können. Wenn in bezug auf Bak-
terienundurchlässigkeit das Chamberlandfilter auch vorzüglich arbeitet, so
ist doch seine Ergiebigkeit so gering, daß größere Mengen Flüssigkeit
nur in längeren Zeiträumen und unter Anwendung stärkeren Druckes
filtriert werden können, zwei Umstände, die für die Keime gewiß nicht
ohne Einfluß sind.
Durch P. Schmidt (14) wurde der Mechanismus der Bakterieu-
filtration durch Berkefeldfilter und zwar vom neuen, verbesserten Typus
mit Innenkittung genau studiert. Schmidt konnte zunächst nach-
weisen, bis zu welcher Bakteriengröße das Berkefeldfilter noch dicht war
und konnte weiterhin bestätigen, daß die das Filter nicht passierenden
Keime fast nur auf der Oberfläche der Kerze niedergeschlagen wurden
und dadurch eine Verstopfung der oberflächlichsten Poren herbeiführten.
Durch rückläufige Spülung mit einer Druckpumpe gelang es ihm, eine
fast völlige Reinigung der Kerze zu erzielen. Die die Kerze verstopfenden
Keime durften daher größtenteils in der Rückspülflüssigkeit vermutet
werden!
Auf eine von Schmidt ausgehende Anregung hin, für die ich ihm
ebenso wie für zahlreiche wertvolle Ratschläge bei den späteren Unter¬
suchungen meinen ergebensten Dank ausspreche, versuchte ich mir über
den Verbleib der aus den Kerzen durch rückläufige Spülung entfernten
Keime Klarheit zu verschaffen und im speziellen auszuprobieren, ob aut
diese Weise ein der Einsaat nahekommender Prozentsatz der Keime wieder¬
gefunden werden könnte.
Ich habe daher eine große Reihe von Versuchen angestellt, die mit
verschiedenen Kerzentypen ausgeführt und bezüglich der Verarbeitung
der Rückspülflüssigkeit nach den verschiedensten Gesichtspunkten hin
unternommen wurden. Die untersuchten (filtrierten) Wassermengen
schwankten zwischen 1 und 10 Liter.
Wenn ich aus äußerlichen Gründen darauf verzichten muß, das ganze
umfangreiche Material wiederzugeben, so erscheint es mir doch notwendig,
eine Anzahl charakteristischer Versuche, unabhängig von ihrem Ausfall,
in näheren Einzelheiten anzuführen. Im übrigen werde ich mich auf
Angabe der berechneten Prozentzahlen, denen, je nach der Modifikation,
bis zu 168 Filtrationsversuche zugrunde liegen, beschränken.
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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 529
Vorversuche.
Für meine orientierenden Vorversuche, die zunächst einmal feststellen
sollten, ob von dem Verfahren überhaupt ein Erfolg zu erwarten sei oder
nicht, verwandte ich die unter der Bezeichnung „Liliput“ im Handel be¬
findliche Berkefeldkerze von 6 0m Länge und Vj t cm Durchmesser. Mit dem
Vakuum der Wasserstrahlpumpe (bei gut arbeitender Pumpe 74 cm Hg)
wurde 1 Liter Wasser in 30 bis 40 Minuten durch die Kerze gesogen.
Die rückläufige Spülung wurde mit der Druckpumpe des „kleinen Armee¬
filters“ der Berkefeldfilter-Gesellschaft mit reinem Leitungswasser vor¬
genommen, das indes später, namentlich wenn mit Gelatinenährböden
gearbeitet wurde, durch physiologische sterile Kochsalzlösung ersetzt
wurde. Ebenso mußte bei den Gelatineversuchen vor jedem Gebrauch,
um etwa in dem rückständigen Pumpenwasser angereicherte Keime zu
vernichten, die Pumpe mit kochendem Wasser durchgespült werden, wo¬
durch allerdings eine öftere Erneuerung der Dichtungen notwendig wird.
Als Bakterienmaterial verwandte ich eine 20 ständige Agarkultur von
Bacterium coli, von der eine Normalöse zunächst mit 2 ccm physiologischer
Kochsalzlösung verrieben wurde, um eine möglichst feine Verteilung der
Bakterien herbeizuführen. Hiervon wurden die weiteren Verdünnungen
mit steriler physiologischer Kochsalzlösung hergestellt, und zwar im Inter¬
esse größtmöglicher Gleichmäßigkeit mit nicht zu kleinen Mischquanten.
Sämtliche Apparate und Gefäße wurden vor Gebrauch sterilisiert, die in
Fließpapier verpackten Kerzen mit gelockerter Schraubenmutter 1 Stunde
im Dampftopf. Die während der Sterilisation angezogene Schraube hat
leicht ein Zerspringen der sehr empfindlichen Glaszylinder zur Folge.
Als Nährböden dienten vorläufig große Drigalskiplatten. Das Ergebnis
wurde nach 24 ständiger Bebrütung (37°) abgelesen.
1. Versuch: Je 1 Liter physiologischer Kochsalzlösung wird mit
V3000 Gse Kultur infiziert und filtriert.
Kerze I wird mit sterilem Messer abgekratzt, der Brei auf eine Drigalski-
platte verrieben.
Kerze II wird mit 3 ccm Wasser durchgespült, dieses auf 2 Drigalski¬
platten verteilt.
Resultat: I. Handtellergroßer verwaschener roter Belag, in dessen Um¬
gebung 85 einzelne Kolonien.
II. Auf beiden Platten zusammen 710 Kolonien.
2. Versuch: Je 1 Liter physiologischer Kochsalzlösung wird mit
1 / 3 oooo Dse infiziert und filtriert.
Kerze I. Rückspülung durch einen kurzen kräftigen Stoß auf eine
Drigalskiplatte.
Zeitsohr. f. Hygiene. LX1X
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Original fro-m
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530
Ebich Hesse:
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Kerze II. I0 ccm Rückspülung in Tropfglas (14 Tr. = 1 <cm ). 1. 2, 3
und 4 Tropfen auf je eine Drigalskiplatte.
Kerze HI. Je ein kurzer Stoß auf 3 Drigalskiplatten.
Resultat: I. = 975 Kolonien.-
II. 1 Tr. = 23 Kolonien, 2 Tr. = 36 Kolonien, 3 Tr. = 35 Kolonien.
4 Tr. = 86 Kolonien. Es müßten demnach in 10 ccm Rückspülflüssigkeit
2900 Keime gewesen sein.
III. « = 1124 Kol., ß so 675 Kol., y = 239 Kol., Summa = 2038 Kol.
3. Versuch: Je 2 Liter physiologischer Kochsalzlösung werden mit
Vioo ooo ^ 8e nnd filtriert.
Kerze I: lr Stoß (1 ccm ), Platte u.
2. Stoß (l ccm ), Platte ß.
3. Stoß, weglaufen lassen.
4. Stoß (l ccm ), Platte r .
Kerze II. 10 fCm Rückspülflüssigkeit in Tropfglas (14 Tr. = 1 tcm ).
1 Tr. = «, 2 Tr. = ß, 5 Tr. = y.
Resultat: I. « = 282 Kol., ß = 99 Kol., y = 54 Kol. = 435 Kolonien.
ü. « = 7 Kol., (3 =6 Kol., r = 24 Kol.
In 10 ccm Rückspülflüssigkeit wären demnach 647 Keime gewesen.
4. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Viooooo ()se > n *
fiziert und filtriert. Auf 3 Drigalskiplatten je ein Stoß mit der Druckpumpe,
ohne dabei etwas fortlaufen zu lassen.
Resultat: 1. Stoß = 516 Kol., 2. Stoß = 847 Kol., 3. Stoß = 137 Kol.
5. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / 1 oooooo 0 se
infiziert und filtriert. Verarbeitung wie bei Versuch Nr. 4.
Resultat: 1. Stoß = 20 Kol., 2. Stoß = 8 Kol., 3. Stoß = 1 Kolonie.
6. Versuch: Je 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vicooooo (U
Viooooooo (II) un< I Vl’ooooooo (HI) Ö se infiziert und filtriert. Rückstoß direkt
auf Drigalski.
Resultat: I. = 6 Kol., II. = 9 Kol., III. = 1 Kolonie.
Wenn ich nur diese sechs Vorversuche aufgeführt habe, so muß ich
bemerken, daß ich deren im ganzen 24 gemacht habe und daß diese
sechs keine Auswahl hinsichtlich günstigen Erfolges darstellen, sondern
als Beispiele einzelner Modifikationen gewählt wurden. Von den 24 Vor¬
versuchen konnte ich 20 als unbedingt günstig bezeichnen, einen als
mäßig, einen als schlecht und zwei als negativ. Der eine negative Erfolg
war auf Verwendung eines noch heißen Glasspatels zurückzuführen, der
zweite war einwandfrei durch völlig ungenügende Verteilung der Bakterien
bedingt, ein Grund, der auch bei dem einen schlechten Erfolg verant¬
wortlich gemacht werden konnte. Diese Vorversuche, die zunächst fest¬
stellen sollten, ob überhaupt und nach welcher Richtung hin die Methode
praktisch verwendbar wäre, waren allerdings geeignet, mich zur Fort¬
setzung der Versuche und einem genauen, auf quantitative Untersuchung
hinzielenden Ausbau der Technik zu ermutigen!
Gck igle
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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 531
Ich durfte au9 ihnen zunächst folgendes entnehmen:
1. Es ist möglich, mittels der Filtration und rückläufiger
Spülung selbst bei einer so geringen Aussaat von ’/jooooooo Nor¬
malöse Agarkultur, die etwa 3 bis 6 Keimen entsprechen dürfte,
diese in der Rückspülflüssigkeit noch nachzuweisen.
2. Das meiste Bakterienmaterial wird mit den ersten kräf¬
tigen Stößen aus der Kerze entfernt. Wenn Versuch 4 dem wider¬
spricht, so kann das seinen Grund in kleinen unvermeidlichen Fehlern
der Kerzen gehabt haben, etwa in der Weise, daß eine Anzahl Bakterien
in einer tieferen Pore festsaßen, die erst auf den zweiten, vielleicht etwas
heftigeren Stoß entfernt wurden. Jedenfalls konnten eine ganze Anzahl
von Versuchsergebnissen mir diese Vermutung bekräftigen.
3. Bei Verwendung größerer Mengen Rückspülflüssigkeit,
etwa 10 ccm , von denen mittels geeichten Tropfglases eine ge¬
wisse Menge verarbeitet wird, können bessere Resultate er¬
zielt werden. Ich möchte aber bereits jetzt darauf hin weisen, daß ein
derartiges Verfahren, wenn ein zu kleiner Teil des Rückstoßes
verarbeitet wird, eine bedenkliche Fehlerquelle bedingen kann,
da selbst ein intensives Durchschütteln (mit Glasperlen) nie eine
absolut gleichmäßige Verteilung der Keime garantiert.
Endlich zeigt der erste Vorversuch, der ebenfalls mehrfach ausgeführt
wurde, daß ein Abkratzeu der Kerzen und Verarbeiten des Breies
auf den Nährboden keine brauchbaren Resultate liefert.
Weitere Versuche.
Für die folgenden Versuche wurden stets vom gleichen Nährmedium
Zählplatten angelegt, um ein annähernd genaues Prozentverhältnis der
wiedergefundenen Keime berechnen zu können. Eine kritische Betrach¬
tung der prozentualen Werte muß ich am Schluß der Versuche folgen
lassen. Zur Verarbeitung kamen Agar-, Bouillon- und Peptonwasser-
kulturen von Bact. coli, Bact. paratyphi ß, Vibrio cholerae und Vibrio
Finkler et Prior, die ein Alter von 18 bis 20 »Stunden hatten. Die
günstigen Erfolge, die ich mit der Filterkerze 10V 3 (6 cra lang, 2 , /.> < ' ra
Durchmesser) zu verzeichnen hatte, die bei absoluter Dichtheit eine wesent¬
lich schnellere Filtration ermöglicht, veranlaßten mich, in Zukunft diese
Form anzuwenden.
Zunächst sollte an der Hand einer größeren Versuchsreihe entschieden
werden, wie sich prozentual die Ergebnisse gestalten, wenn die Kerze
durch einige kräftige Stöße direkt auf das Nährmaterial — wieder große
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532
Erich Hesse:
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Drigalskiplatten — verarbeitet wird oder wenn etwa 10 ccm durchgedrückt
und ein bestimmter Teil hiervon mit dem Tropfglas für die weitere Enter-
suchung verwandt wird. Ich lasse eine Anzahl diesbezüglicher Versuche
folgen.
a) Direkte Übertragung des BüokstoBee auf die Platten.
7. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vsooco 01 “ Coli-
bouillonkultur infiziert, filtriert, rückläufige Spülung durch drei kräftige
Stöße, <*, ß, y.
Resultat: a = 301 Kol., ß = 221 Kol., y = 269 Kol. Summa =
781 Kolonien, bei einer Aussaat von 2240 Keimen = 35 Prozent.
8. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vsooooo e<n! Coli-
bouillonkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch.
Resultat: a = 51 Kol., ß = 24 Kol., y = 7jKol. Summa = 82 Kol.
= 37 Prozent der Aussaat.
9. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit */i oooojo c °"' Coli-
bouillonkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch.
Resultat: a = 18 Kol., ß = 18 Kol., y = 5 Kol. Summa = 41 Kol
= 37 Prozent der Aussaat.
10. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / l t()00< , 0 Üsc
Coliagarkultur infiziert: Verarbeitung wie im 7. Versuch.
Resultat: a = 83 Kol., ß = 8 Kol., y = 3 Kol. Summa = 94 Kol.
= 100 Prozent der Aussaat.
11. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / i0000
Colibouillonkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch.
Resultat: n = 1 Kol., ß = 3 Kol., y = 2 Kol. Summa = 6 Kol.
= 42 Prozent der Aussaat.
12. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit V«, 0 oooono C'se
Coliagarkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch.
Resultat: « = 0 Kol., ß = 0 Kol., y = 1 Kol. Summa = 1 KoL
= 33 Prozent der Aussaat.
b) Verarbeitung mit dem Tropfglaa.
Bei den folgenden Versuchen wurden 10 bis 40 ccnl Rückspültiüssig-
keit in ein mit Glasperlen beschicktes Tropfglas (14 Tropfen = 1 cc,u ) ge¬
drückt, von denen nach gründlichem Schütteln ein bestimmter Teil unter¬
sucht und auf die Gesamtrückstoßmenge berechnet wurde.
13. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vjooooo cf,I! Coli¬
bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 10 C0[u .
Resultat: 5 Tr. = 27 Kol., 5 Tr. = 16 Kol., 4 Tr. = 17 Kol. = 60X1Ü
= 600 Kol. = 42 Prozent der Aussaat.
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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 533
14. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Viooooo Öse
Coliagarkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit I0 rcm .
Resultat: 7 Tr. = 15 Kol., 7 Tr. = 16 Kol. = 31 X 10 Kol. = 310 Kol.
= 76 Prozent der Aussaat.
15. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 /i 4 ooooo ccn ’
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 10 ccm .
Resultat: 7 Tr. = 4 Kol., 7 Tr. = 3 Kol. = 7 X 10 = 70 Kol. =
51 Prozent der Aussaat.
16. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vsoooooo Öse
Coliagarkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 10 ccm .
Resultat: 7 Tr. = 3 Kol., 7 Tr. = 0 Kol. = 3 X 10 = 30 Kol.
= 63 Prozent der Aussaat. •
17. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit V 4000000 cotn
Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 40 ccm .
Resultat: 7 Tr. = 2 Kol., 7 Tr. = 1 Kol., 7 Tr. = 0 Kol., 7Tr. = 0Kol.,
7 Tr. = 0 Kol., 7 Tr. = 0 Kol., 7 Tr. = 0 Kol., 7 Tr. = 0 Kol = 3 X 10
= 30 Kol. = 86 Prozent der Aussaat.
Wenn aus diesen beiden Versuchsreihen hervorzugehen scheint, daß die
Ergebnisse bei dem Tropfglasverfahren erheblich günstiger sind wie bei
der direkten Verarbeitung, so liegt das daran, daß zufällig die aus¬
gewählten Versuche der ersten Serie weniger günstige waren, die der
zweiten aber über dem Durchschnitt standen. Tatsächlich ist der Unter¬
schied nicht groß. Ich konnte bei 23 Versuchen mit ersterer Methode
43 Prozent, bei 58 Versuchen mit der letzteren 42 Prozent der Aussaat
wiederfinden.
Die bereits in den Vorversuchen besprochene Beobachtung, daß eine
eigentlich zu erwartende Abstufung der Bakterienzahl bei direkter Ver¬
arbeitung der Reihenfolge der Stöße nach nicht immer zu bemerken ist,
zeigt sich auch hier wieder. Der Intensität des Rückstoßes kommt
in diesem Punkte unbedingt eine große Bedeutung zu. Denn
in einem Versuch, bei dem'jedesmal recht kräftig gedrückt wurde und
der Rest der Rückspülflüssigkeit, deren Menge durch den starken Druck
für Drigalskiplatten zu groß war, jedesmal weggegossen wurde, konnte
ich im ersten Stoß 189, im zweiten 31, im dritten 6 und im vierten
Stoß 0 Keime wiederfinden. In einem anderen Fall, wo zunächst sehr
schwach, dann erst stärker gedrückt wurde, konnte die bedeutende Mehr¬
zahl der Keime in der den letzten, kräftigen Stößen entsprechenden Rück¬
spülflüssigkeit nachgewiesen werden. Da es nun kaum möglich ist, den
Druck immer so zu wählen, wie er im einzelnen Fall am besten an¬
gebracht ist, da jede Kerze einen anderen Widerstand entgegensetzt, da
ferner durch einen zu starken Druck leicht so viel Spülflüssigkeit ge¬
wonnen wird, daß sie nicht aufgearbeitet werden kann, so möchte ich
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Gck igle
Original frorn
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534
Eeich Hesse:
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doch der Methode mit dem Tropfglas das Wort reden, ganz abgesehen von
den um 1 Prozent besseren Erfolgen. Freilich zeigen gerade die Tropfglas-
versuche deutlich, daß trotz lebhaften Schütteins mit (und ohne) Glas¬
perlen eine gleichmäßige Verteilung der Bakterien nicht immer erreicht
wird, aber man geht der dadurch bedingten Fehlerquelle aus dem Wege,
indem man von der Rückstoßflüssigkeit, die man unter recht kräftigen
Stößen auf 10 ccm bemißt, einen größeren Bruchteil verarbeitet. 5" a
z. B. lassen sich bequem auf fünf Drigalskiplatten, besonders wenn diese
vor Beschickung durch längeres Offenstehen (1 Stunde) etwas ausgetrockuet
waren, unterbringen. Sie können dann noch 1 bis IV 2 Stunden in den
Brutschrank gebracht werden.
Verschiedene Nährböden.
Die Wahl des Nährmediums, auf das die Rückspülflüssigkeit ver¬
arbeitet wird, kann in mancher Beziehung natürlich nicht ohne Einfluß
sein! Denn die Schwierigkeiten, die bei den Drigalskiplatten eben daraus
erwachsen, daß nur ein beschränkter Teil der Rückspülflüssigkeit ver¬
wertet werden kann und infolgedessen leicht ein Teil der Keime für den
Nachweis verloren geht, kommen bei Gelatine gar nicht in Betracht. Wenu
diese ursprünglich lOprozentig ist, so kann ihr ohne weiteres annähernd
die gleiche Menge Wasser, bei kleinen Platten also immerhin 8 bis IO* 30 ,
zugesetzt werden. Der Vorteil der Gelatine besteht weiterhin darin, dal:
annähernd alle Keime aufgehen, während auf dem Drigalsbi sehen
Kristallviolettagar immer ein gewisser Teil zugrunde geht, sei es infolgt
der hemmenden Eigenschaften des Nährbodens selbst, sei es infolge der
Austrocknung, die bei etwas zu langem Offenstehen der Platten eintretet
kann. Allerdings verbietet sich die Anwendung der Gelatine von vorn¬
herein bei verunreinigten Wässern, weil zahlreiche verflüssigende Keime
den Nährboden völlig vernichten, ehe andere, und meist gerade die ge¬
suchten Keime (Typhus, Coli), zu erkennbaren Kolonien ausgewachsen
sind. Jedenfalls aber erweist sich die Gelatine aus den eben erwähnten
Gründen für alle quantitativen theoretischen Studien als der geeignetes:"
Nährboden.
Eine Verwendung höher (15) prozentiger Gelatine verzögert zwar die
Verflüssigung etwas, beeinträchtigt dafür aber auch das Wachstum gan:
erheblich. Recht gut eignet sich für Wasseruntersuchungen der vos
Hesse angegebene Agar, der später besprochen werden soll.
Als Rückspülflüssigkeit bei Gelatineplatten ist unbedingt nach voraus¬
gegangener Durchspülung der Pumpe mit kochendem Wasser
(nach völliger Abkühlung!) sterile Kochsalzlösung zu verwenden.
Gck igle
iffiginal from
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i
Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 535
Große Plattenseriell.
Die Schwierigkeiten, die einerseits der direkten Verarbeitung der
Rückspülflüssigkeit und andererseits infolge ungleichmäßiger Verteilung
der Keime hei der Tropfglasmethode erwachsen, legten den Gedanken nahe,
ob man ihnen nicht durch Anlegen größerer Plattenserien beikommen
könnte. Einerseits ließen sich durch Verarbeitung größerer Mengen Rück¬
spülwassers, die auf zahlreichen Platten eher untergebracht werden konnten,
die Gefahren ungleicher Verteilung beseitigen, andererseits durfte man
hoffen, mit der größeren Menge — wenigstens theoretisch gedacht —
anuähernd alle Keime zu bekommen. Von vornherein schien Gelatine
für diesen Zweck mehr geeignet zu sein wie der Drigalskische Agar,
und die Erfahrung bestätigte diese Vermutung vollkommen. Einige Bei¬
spiele mögen dies erläutern:
a) Drigalski:
18. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / 30 00 oo ccra Coli-
bouillonkultur infiziert, Filtration, rückläufige Spülung, direkte Verarbeitung
auf Platten.
Resultat: a = 128 Kol., ft = 7 Kol., y = 8 Kol., S = 10 Kol., e = 19 Kol.,
«T = 10 Kol., t) — 4 Kol., & = 4 Kol., i — 3 Kol., x = 3 Kol. Summa
= 196 Kol. = 30 Prozent der Aussaat.
19. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 00ü ccm
Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte
Verarbeitung auf Platten.
Resulatat: n = 11 Kol., ft = 7 Kol., y = 5 Kol., A == 2 Kol., e » 0 Kol.
Summa = 25 Kol. = 45 Prozent der Aussaat.
20. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit V 4000000 ccm
Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte
Verarbeitung auf Platten.
Resultat: a = 4 Kol., (9 = 4 Kol., y = 4 Kol., «'s = 2 Kol., t = 3 Kol.,
s '=4 Kol. = 21 Kol. = 60 Prozent der Aussaat.
21. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit Vnoooooo^™
Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte
Verarbeitung auf Platten.
Resultat: a = 0 Kol., ft — 0 Kol., y = 1 Kol., A = 1 Kol., <• = 1 Kol.
= 3 Kol. = 33 Prozent der Aussaat.
b) Gelatine:
22. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / SO oooo ccm
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬
arbeitung zu 10 Platten.
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Gck igle
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536
Ekich Hesse:
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Resultat: Rest=3 Kol., « = 87 Kol., 0= 10 Kol., ?-=2 Kol, >5 = 4 Kol..
e = 2Kol, »=lKol, i?=3Kol, #=0Kol, i = 3Kol. = 115 Kol. = 53Prozent
der Aussaat
23. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit */, twi om cce
C olibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬
arbeitung auf 10 Platten.
Resultat: Rest = 5 Kol, «=36 Kol, 0 = 1 Kol., ?-=9 Kol, ö=5 KoL
* = 3 Kol, ; = 3 Kol, v — 0 Kol, if = 1 Kol, i = 0 Kol. = 63 Kol. = 58 Pro¬
zent der Aussaat.
24. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit 1 / s70 oooo cc1E
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬
arbeitung auf 10 Platten.
Resultat: Rest = 1 Kol, a = 16Kol, 0=5Kol, ^ = 2Kol, d=OKol..
e = 1 Kol, 4 = 0 Kol, = 1 Kol, £ = 0 Kol, <= 0 Kol. = 26 Kol. = 78 Prozent
der Aussaat.
25. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit V 30 , <,ooo KK
inklerbouillonkultur infiziert. Filtration, direkte Verarbeitung auf 7 Platten.
Resultat: Rest = 0Kol., «=12Kol, 0=5Kol, ^ = 0Kol, <5=1 Kol,
e = 1 Kol, 4 = 1 Kol. = 20 Kol. = 100 Prozent der Aussaat.
26. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vihoiooih/™
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬
arbeitung auf 10 Platten.
Resultat: Rest = 0 Kol., a = 1 Kol, 0= 0 Kol, y — 2 Kol, <5—< = OKol.
= 3 Kol. = 64 Prozent der Aussaat.
27. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit 1 / 2S(J „„„ 00 cnE
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬
arbeitung auf 9 Platten.
Resultat: Rest = 0 Kol, « = 1 Kol, 0=1 Kol, /-—& = 0 Kol. = 2 Kol.
= 40 Prozent der Aussaat.
Wie aus den angeführten zehn Versuchen hervorgeht, gestalten sich
die Ergebnisse bei der Gelatineserie wesentlich günstiger wie bei der
Drigalskiserie. Ich fand im Durchschnitt bei 35 Versuchen mit Gelatine
43 Prozent, bei 10 Versuchen mit Drigalski 32 Prozent der Aussaat wieder.
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Die Verarbeitung auf Ge¬
latine gestattet erheblich größere Mengen von Rückspül¬
flüssigkeit anzuweuden und bietet somit die Möglichkeit, tat¬
sächlich nahezu alle Keime aus der Kerze zu entfernen und
dem Nährboden zuzuführeu. In der Tat konnte ich unter 35 der¬
artigen Versuchen 4 mal 94 bis 100 Prozent der Einsaat wiederfinden.
Der bei den Gelatineserien mit „Rest“ eingeführte Betrag bezieht
sich auf die 4 bis 6 ccra betragende Flüssigkeitsmenge, die infolge der
Konstruktion der Kerze (Metallring am unteren Ende) notwendigerweise
Zurückbleiben muß. Es zeigte sich, daß bei einem relativ großen Keim-
Gck igle
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Das Beekefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 537
gehalt der filtrierten Flüssigkeit dieser Best eine nicht zu vernachlässigende
Menge von Bakterien enthalten kann, während er bei sehr geringen Einsaat¬
mengen unberücksichtigt bleiben darf, obwohl es freilich auch dann
nicht ausgeschlossen ist, daß gelegentlich in solchen Fällen ein Keim,
der dann natürlich doppelt ins Gewicht fallt, in der Restflüssigkeit vor¬
handen sein kann. Ich empfehle daher, den Rest stets zu ver¬
arbeiten! Und hierin besteht wieder der Vorzug der Gelatine. Ein
Gelatineröhrchen (etwa 10 ccm ) nimmt ohne weiteres dieses Flüssigkeits¬
quantum auf, während bei Drigalskiversuchen allein 4 bis 6 Platten, die
im Brutschrank schon einen beträchtlichen Raum einnehmen, notwendig
sein würden. Dies ist eben der springende Punkt bei dem Vorzug, den
die Gelatine vor dem Drigalskischen Nährboden für solche Versuche,
wo es sich um nicht verflüssigende und bereits bekannte Keime
handelt, unstreitig besitzt. Wenn bei einer großen Gelatineserie
von 10 Platten ohne weiteres 50 bis 60«"" Rückspülflüssigkeit
in Anwendung kommen können, so beträgt die entsprechende
Menge bei 10 Drigalskiplatteu, deren jede kaum mehr als 1 ccm
aufnehmen kann, erst 10 ccm . Es können also bei Drigalskiserien,
wie aus der Abstufung bei den Gelatineserien deutlich hervor¬
geht, höchstens nur unter besonders günstigen Umständen an¬
nähernd alle Keime von der Kerzenoberfläche entfernt werden!
Außerdem ist es kaum zu vermeiden, daß auch nach Aufhören des Druckes
auf den Pumpenkolben infolge der federnden Kraft der erweiterten Schlauch¬
stücke noch nachträglich eine gewisse Menge Wassers durch die Kerze
gedrückt wird, die infolge ihrer langsamen Strömung auf die in den Poren
oft recht fest eingepreßten Bakterien keine Wirkung ausüben kann. Man
verdünnt sieh nutzlos die Bakterienaufschwemmung, und die Folge ist,
daß man auf Drigalskiplatten nicht alles Wasser verarbeiten kann und
ein oft recht beträchtlicher Teil der Keime für den Nachweis verloren ist.
Bei allen Versuchen, die mit Drigalskiplatten gemacht werden,
soll man recht kurz, aber kräftig stoßen und soll sich bemühen,
mit jedem Stoß nur so viel Flüssigkeit durch die Kerze zu
pressen, wie man tatsächlich jedesmal auf eine Platte ver¬
arbeiten kann, also nicht mehr als 1 ccm . Und gerade das mißlingt
sehr leicht. Die Folge ist, daß zuviel Flüssigkeit auf die Platten kommt,
daß diese sehr lange Zeit zum Trocknen brauchen, in einer Partie bereits
völlig ausgetrocknet sind, so daß hier die Keime zugrunde gehen können,
während an einer anderen, noch völlig feuchten Stelle eine sekundäre
Vermehrung eintritt: Die Resultate werden auf diese Weise un¬
genau oder völlig unbrauchbar.
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538
Eiiich Hesse:
Das Wiederflnden sehr geringer Einsaatmengen.
Waren die bisher aufgeführten Ergebnisse der Filtrationsmethoie
schon recht günstige, so bewährte sie sich geradezu überraschend beim
Nachweis minimaler Einsaatmengen. Gerade dieser Funkt hat praktisch
ein außerordentlich großes Interesse und hier näherten sich die bisherigen
Nachweismethoden mehr und mehr der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.
Ich war in der Lage mit dem Filtrationsverfahren in 17 Fällen,
wo in 1 Liter Flüssigkeit weniger als 10 Keime eingesät waren,
im Durchschnitt noch 48 Prozent wiederzufinden, wobei ich in
4 Fällen sogar 100 Prozent der Aussaat vermerken durfte! Nur
in einem Fall (3 Keime in 2 Liter) hatte ich ein negatives Resultat. In
einem anderen Fall gelang es mir, von 3 Colibazillen, die in 2 Liter
zur Aussaat gebracht worden waren, einen mit Sicherheit (kul¬
turelle Prüfung) wiederzufinden. Dreimal konnte ich bei einer Aus¬
saat von 5 Keimen in je 2 Liter je 2 Keime nachweisen, deren
Identität ebenfalls durch kulturelle Prüfung festgestellt wurde
(zweimal Coli, einmal Finkler-Prior). Sowohl bei Gelatinenährböden,
wie auch bei Drigalski konnte ich derartig günstige Resultate verzeichnen,
was insofern praktisch sehr wichtig ist, als auf Drigalski sich verdächtige
Kolonien sehr leicht, in Gelatine aber erheblich schwerer ansprechen
lassen, zumal die Verflüssigung der Gelatine durch Begleitbakterien eine
weitere Untersuchung oftmals direkt unmöglich macht
Untersuchung größerer Flttssigkeitsmengeu.
Mit dem Auffinden eines von drei in 2 Liter Flüssigkeit vor¬
handenen Keimen dürfte die Nachweismöglichkeit überhaupt
ihre Grenzen erreicht haben. Auch die Praxis dürfte nicht leicht
jemals höhere Forderungen stellen. Theoretisch gedacht ist es nun bei
der Filtrationsmethode völlig gleichgültig, ob diese 3 Keime in 2 oder
10 Liter vorhanden sind, sie müssen, da sie auf der Filteroberfläche
zurückgehalten werden, immerhin nachweisbar bleiben. Praktisch werden
sich die Verhältnisse allerdings etwas anders gestalten, da selbst ein
gesundheitlich absolut einwandfreies Wasser in 10 Litern viele tausende
von Begleitbakterien enthalten kann, die das Auffinden eines einzelnen
Krankheitserregers natürlich sehr erschweren. Trotzdem wird aber, wenn
es sich z. B. um den Nachweis von Typhus oder ihm ähnlicher Keime
handelt, der Drigalskische Kristallviolettagar, der Malachitgrünagar und
die Temperatur von 37° eine große Anzahl von Wasserkeimen unter¬
drücken und dadurch eine erfolgreiche Untersuchung in Aussicht stellen.
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Das Bf.rkeeeedeilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 539
Um auch diesen Fragen näher zu treten, habe ich eine Anzahl ent¬
sprechender Versuche angestellt. Es wurden 5 bis 10 Liter physiologische
Kochsalzlösung, denen 0-5 bis 1*0 Prozent Bouillon zugesetzt waren, mit
wechselnden Mengen von Bakterien (B. coli und Paratyphi B) infiziert
und filtriert. In 8 Litern konnte ich so von 35 eingesäten Paratyphus¬
bazillen 18 = 51 Prozent wiederfinden und in sechs derartigen Versuchen
waren im Durchschnitt 54 Prozent der eingesäten Bakterien in der Rück¬
spülflüssigkeit nachweisbar.
Allerdings stießen diese Versuche in mancher Beziehung auf Schwierig¬
keiten, die mir von der Filtration kleinerer Quanten her unbekannt waren.
Zunächst die Dauer! Eine gut filtrierende Kerze braucht bei dem höchst
erreichbaren Minusdruck für 10 Liter immerhin 2 bis 3 Stunden, bis¬
weilen, namentlich wenn das Wasser durch organische oder mineralische
Suspensa (Eisenhydroxyd) verunreinigt ist, erheblich länger. Wenn man
während der ganzen Zeit daneben stehen muß, um die abgesaugte
Flüssigkeit fortwährend durch Nachgießen zu ersetzen, ist eine ander¬
weitige Beschäftigung, sofern sie nicht rein mechanisch ist, völlig aus¬
geschlossen. Eine Arbeitskraft wird also für diese wenig anregende Tätig¬
keit absorbiert. Ich konstruierte mir daher eine automatisch wirkende,
sterilisierbare Hebervorrichtung, die, einmal in Tätigkeit gesetzt, absolut
sicher arbeitete. Die beigegebene Abbildung stellt den sehr einfachen
Apparat dar. Ballon a, mit einem doppelt durchbohrten Gummistopfen
verschlossen, enthält das zu filtrierende Wasser, das durch ein bis auf
die tiefste Stelle des Ballons reichendes Heberrohr (e) in den Kerzeu-
zylinder geleitet werden kann. Die 2. Bohrung ist für das Luftrohr (/*),
das ein Nachströmen von Luft in Ballon a gestattet. Ballon b ist eben¬
falls mit einem doppelt durchbohrten Gummistopfen verschlossen. Die
eine Bohrung nimmt ein mit der Saugstrahlpumpe ( c ) verbundenes Rohr
auf, die andere dient zum Einlassen der Kerze. Der Kerzenzylinder
ist durch eine doppelt durchbohrte Korkscheibe verschlossen, die dem
längeren Heberrohr (<?) und dem kürzeren Luftrohr (f) zum Halt dient
und den Zylinder selbst während der Filtration vor Staub und anderen
Verunreinigungen schützt. Sowohl das Wasserrohr, wie auch das Luft¬
rohr, so weit nicht die in den Gummistopfen und in die Korkscheibe ein¬
gelassenen Teile in Frage kommen, bestehen aus einem weitlumigen (8 mm )
Gummischlauch, der des Heberrohrs ist mit einem Quetschhahn versehen.
Vor Gebrauch werden alle Teile außer Ballon b im Dampftopf sterilisiert,
Ballon a wird mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllt und auf eine
in ihrer Höhe den Verhältnissen der Zeichnung entsprechende Unterlage
gestellt. Durch das Heberrohr (e) wird (mit der Säugpumpe) Flüssigkeit
aus Ballon a angesogen und nach Füllung des nunmehr mit der Kork-
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Ebich Hesse:
scheibe zu schließenden Kerzenzylinders durch Anziehen des Quetsch¬
hahns ein weiterer Zufluß abgesperrt. Die Kerze saugt, nachdem in
Ballon b die nötige Luftverdünnung besteht, den Zylinderinhalt ab
und bevor das Luftrohrende aus dem Wasserspiegel emportaucht, wird
durch öffnen des Quetschhahns neue Flüssigkeit zugelassen. Diesen
Vorgang läßt man bei annähernd gefülltem Ballon a, sich höchstens
zweimal wiederholen und die über der Flüssigkeit im Ballon a befindliche
Luft ist so weit verdünnt, daß ein weiteres Nachströmen von Flüssigkeit
nur dann möglich ist, wenn durch das infolge abgesogener Flüssigkeit
a Ballon mit dom za. filtrierenden
frei gewordene Luftrohr Luft eintreten kann. Sofort strömt Wasser nach,
das Luftrohr verschließt sich wieder, wodurch weiterer Wasserzufluß ver¬
hindert wird. Ich war mit der absolut gleichmäßigen und sicheren
Funktion dieses recht einfachen Apparates sehr zufrieden. Zu beachten
ist, daß die Rohre einschließlich der Glasteile 7 bis 8 mm inneren Durch¬
messer haben müssen, daß das Luftrohrende senkrecht stehen muß
und dem Glaszylinder nicht anliegen darf, weil sonst durch Adhäsions¬
wirkung von Wasser und Glas ein rechtzeitiges Nachströmen von Luft
erschwert wird.
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J
Das Berkefeldeilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 541
Weiterhin besteht für den theoretischen Laboratoriums¬
versuch mit längere Zeit hindurch fortgezüchteten Stämmen
die Schwierigkeit, daß auch in physiologischer Kochsalzlösung
die eingesäten Keime bei längerer Filtrationsdauer in mehr
oder minder hohem Maße absterben. So konnte ich an Zählplatten
mehrfach beobachten, daß von einer Bakterienaufschwemmnng, die bei
Zimmertemperatur und unter Lichtabschluß aufbewahrt wurde, nach 5 bis
6 Stunden von den ursprünglich 300 bis 400 Paratyphusbazillen im
Kubikzentimeter noch 3 bis 4, am nächsten Tag überhaupt keine mehr
nachweisbar waren, daß sogar nach 1 1 / 2 Stunden die Keimzahl schon um
3 bis 4 Prozent gesunken war. Durch einen Zusatz von 1 Prozent Bouillon
zur physiologischen Kochsalzlösung erreichte ich wiederum in 4 bis
5 Stunden eine erhebliche Vermehrung der Keime. Wenn eine solche
in etwas geringerem Grade auch bei 1 / 2 Prozent Bouillonzusatz noch wahr¬
nehmbar war, so wandte ich diese Konzentration bei meinen Versuchen trotz¬
dem an, mußte sie aber selbstverständlich durch Zählplatten, die zu Beginn
und am Ende der Filtration angefertigt wurden, berücksichtigen und das
Ergebnis danach berechnen. In praxi werden derartige Bedenken indes
insofern eine geringe Rolle spielen, als in einem mit lebenskräftigen, dem
Darm entstammenden Typhusbazillen verunreinigten Brunnenwasser stets
genügend organische Stoff vorhanden sein werden, so daß ein schnelles Ab¬
sterben nicht zu befürchten ist, eine Vermehrung aber im Interesse des
Nachweises nur mit Freuden zu begrüßen wäre. Allerdings wird letztere
nicht erwartet werden dürfen.
Wenn ich alle Veranlassung habe, mit den Ergebnissen der Filtra¬
tion größerer Quanten zufrieden zu sein, so ist doch ihre weitere Ausge¬
staltung in mancher Beziehung noch weitgehender Verbesserung fähig und
es ist gerade in dieser Hinsicht recht viel Günstiges zu erwarten. Eine Ab¬
kürzung der Filtrationsdauer ist ohne weiteres durch Verwendung größerer
Kerzen, die entsprechend ihrer Oberfläche natürlich viel leistungsfähiger
sein werden, möglich. Der Anfertigung einer besonders geeigneten
Zwischen große, die zurzeit noch nicht im Handel ist, stehen laut Aussage
der Berkefeld-Filter Gesellschaft in Celle technisch keine Bedenken entgegen.
Knlturniaterial.
Als Ausgangsmaterial für die theoretischen Versuche verwendete ich
Agar-, Bouillon- und Peptonwasserkulturen. Die besten Erfolge hatte die
Verarbeitung 20 stündiger Agarkulturen. Diese erfordern aber ein äußerst
peinliches Verreiben der Keime zunächst mit einer geringen Menge phy¬
siologischer Kochsalzlösung, etwa in der Weise, wie man beim Verreiben
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Erich Hesse:
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einer Normalüse beim Agglutinieren nach Kolle-Pfeiffer verfährt.
Wendet man die nötige Sorgfalt nicht an, so besteht die Gefahr, daß
Klümpchen Zurückbleiben und dadurch falsche Resultate bedingt werden.
Recht günstig waren die Ergebnisse ebenfalls bei Verdünnungen mit
Bouillonkulturen, obwohl auch hier bisweilen die Ergebnisse nicht gleich¬
mäßig sind. Das bezieht sich in erster Linie auf Keime mit sehr leb¬
haftem Sauerstoff bedürfnis, die sich besonders an der Oberfläche ansammeln,
dort ein für Versuchszwecke unbrauchbares Häutchen bilden, während
unterhalb desselben so wenig Bakterien gefunden werden, daß bei hoch¬
gradigen Verdünnungen Fehlerfolge eintreten. Die gleichzeitig angelegten
Zählplatten geben hierüber sofort Aufschluß.
Das gleiche gilt infolge des an und für sich spärlicheren Wachstums
auch von Peptonwasserkulturen.
Für die Filtrationsversuche ist natürlich nicht jeder Keim geeignet.
Wie Schmidt (14) und vor ihm v. Esmarch (15) nachgewiesen haben,
sind die Berkefeldkerzen nicht für alle Keime undurchlässig. Die im
praktischen Fall in Frage kommenden Keime der Coli-Typhusgruppe
werden aber von einer einwandfreien Kerze nahezu vollständig zurück¬
gehalten. Auch ein Durchwandern der Cholerabazillen durch die Kerzen
konute ich nicht beobachten. Über die günstigen Erfolge, die mit
B. Paratyphi B. und B. coli zu verzeichnen waren, ist im einzelnen schon
berichtet worden. Recht zufrieden war ich wegen seines guten Wachs¬
tums und seiner Widerstandsfähigkeit mit einem aus Pleißenwasser ge¬
züchteten Colistamm.
Von großem Interesse war es mir nun, auch mit Keimen, die den
Cholerabazillen nahe stehen und mit solchen selbst Versuche anzustellen.
Ein dem Erreger der Cholera sehr nahestehender Keim ist der Vibrio
Finkler-Prior. Sein gutes Wachstum lieferte mir ein recht zuverlässiges
Ausgangsmaterial und die Eigenschaft, sich leicht und gleichmäßig ver¬
teilen zu lassen, sicherten die Möglichkeit, auch größere Wasserquanten
mit einer sehr geringen Aussaatmenge zu infizieren. Er erwies sich
daher bei mehreren Versuchen als ein Keim, für dessen Nachweis die
Filtratiousmethode sich vorzüglich eignet.
Dieser Umstand berechtigte mich zu der Hoffnung, daß auch der Nach¬
weis der Cholerabazillen in gleicher Weise gelingen würde. Leider konnten
die Ergebnisse von 30 Versuchen diese Erwartung nicht bestätigen, denn
nur in 3 Fällen gelang es mir, befriedigende Resultate zu erzielen, von
denen eins allerdings ein sehr gutes war. Ich hatte die Versuche in einer
der Reichsvorschrift analogen Modifikation mit Peptonwasserkölbchen an¬
gestellt. Den Aufschluß über die Mißerfolge lieferten mir die Zählplatton
und eine Reihe von Versuchen bezüglich der biologischen Eigentümlich-
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Das Berkefeldfiltee z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 543
keiten unserer Laboratoriumsstämme, die sich infolge zum Teil langjähriger
Kultur auf den künstlichen Nährböden als sehr wenig lebenskräftig und
daher in ihrem Wachstum als höchst unzuverlässig erwiesen. Von den
27 negativen Versuchen waren in 25 Fällen auch die Zählplatten steril
geblieben, ein Beweis dafür, daß überhaupt kein Bakterienmaterial bis in
die letzten Verdünnungsstufen mehr gelangt war. Der Grund - hierfür
war darin zu suchen, daß Cboleraagarkulturen sich überhaupt nicht zu
einer homogenen Aufschwemmung verreiben ließen, Cholerabouillon- oder
Peptonwasserkulturen aber in der unter dem Häutchen befindlichen Schicht
nur sehr spärliche und wahrscheinlich überdies noch geschwächte Keime
enthielten. Das Ausgangsmaterial war daher mangelhaft bzw. bezüglich
seines Keimgehaltes unberechenbar. Ein weiterer erschwerender
Umstand bestand in dem außerordentlich schnellen Absterben
der Bazillen, welches ich an der Hand von Zählplatten schon
nach 1^ bis 2 Stunden beobachten konnte. In Leitungswasser
waren sie bereits nach 4 Stunden bei Lichtabschluß völlig vernichtet, und
in physiologischer Kochsalzlösung konnten nach 7 Stunden nur noch
10 Prozent der ursprünglichen Menge nachgewiesen werden. Wenn daher
trotzdem in 3 Versuchen die Resultate zur Zufriedenheit ausfielen, so
konnte ich das nur auf eine zufällig günstige Beschaffenheit des Aus¬
gangsmaterials zurückführen. Es dürfte dieser Umstand aber eine wert¬
volle Bestätigung sein dafür, daß unter normalen Verhältnissen der
Choleranachweis durch die Filtration^ gelingt.
Zudem werden ja die geschilderten Schwierigkeiten, wenn es sich
darum handelt, verseuchtes Brunnen- oder Flußwasser zu untersuchen,
in welchem also lebenskräftige, vielleicht in organische Stoffe eingehüllte
Keime zu erwarten sind, in Wegfall kommen, und die Verwendung
spezifischer Nährböden (Dieudonnes Blutalkaliagar) wird eine Iso¬
lierung der Bazillen aus der natürlich stark verunreinigten Rücksto߬
flüssigkeit ermöglichen.
Praktisch wichtige Versnobe.
Während die bisherigen Untersuchungen mehr theoretischer Art waren
und einem Ausbau der Methode nach verschiedenen Gesichtspunkten hin
dienen sollten, möchte ich im folgenden einige Fälle anführen, die ge¬
eignet sind, die praktische Bedeutung der Filtrationstechnik zu beleuchten
und ihre Brauchbarkeit zu erweisen.
Eine große Bedeutung für die Hygiene der Wasserversorgung hat
eine regelmäßige bakteriologische Untersuchung des Trinkwassers, wie sie
in zahlreichen größeren Städten auch in bestimmten Zeitabschnitten vor-
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544
Erich Hesse:
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genommen wird. Die Technik der Ausführung besteht gewöhnlich dann,
daß 1 ccra in verschieden großen Teilquanten mit einem Nährsubstra:
(meist Gelatine) vermischt und zu Platten ausgegossen wird. Was für
die ungleiche Verteilung der Bakterien beim künstlichen Infizieren von
Flüssigkeit gilt, hat eine gewisse Berechtigung auch unter natürlichen
Verhältnissen beim Leitungswasser. Es kann daher leicht der Fall ein-
treten, daß ein zur Untersuchung gelangender Kubikzentimeter Wasser
sehr wenig Keime enthält, während in einem anderen Kubikzentimeter
aus demselben Tropfglas erheblich mehr gefunden werden. Ich habe
das des öfteren beobachten können. Eben deshalb wäre es er¬
wünscht, größere Mengen zu verarbeiten, um auf diese Weise
viel wertvollere Durchschnittszahlen zu ermitteln. Leider
haben die in diesem Sinn angelegten 3 Versuche ihrer geringen Zahl
wegen zu keinem abschließenden Urteil geführt. Zweimal habe ich je
10 Liter Leitungswasser filtriert und die Rückspülflüssigkeit direkt zu
Gelatineplatten verarbeitet. In beiden Fällen fand ich in dem doch
sehr reinen Leipziger Leitungswasser, das im Durchschnitt 3 Keime
im Kubikzentimeter enthält, ein ungemein üppiges Bakterienwachstum.
Darunter befanden sich aber so zahlreiche Kolonien von Bact. fluorescens.
daß eine völlige Verflüssigung der Gelatine eingetreten war, ehe eine
Zählung der au der Grenze der Sichtbarkeit befindlichen anderen Kolonien
vorgenommen werden konnte. Ich verwandte daher bei einem dritten
Versuch mit 10 Liter Leitungswasser den für Wasseruntersuchung ange¬
gebenen Agar vou Hesse, bei dessen Gebrauch man zweckmäßigerwei-e
die Kolonien erst nach 14 Tagen bis 3 Wochen auszählt. In der Tat
konnte ich nach 18 Tagen derartig massenhaft entwickelte Kolonien vor-
finden, daß ein Auszählen derselben auch nur mit einiger Sicherheit un¬
möglich war, daß aber ihre Menge der etwa zu erwartenden Zahl von
30000 bei ganz grober Schätzung annähernd entsprechen konnte. Wenn
diese 3 Versuche auch kein positives Ergebnis gehabt haben, so geh;
aus ihnen doch hervor, daß Keimzählungen im Trinkwasser mit der
Filtrationsmethode höchstwahrscheinlich vorgenommen werden können. Es
muß aber selbst bei sehr reinen Wässern mit Mengen von 0*5 bis 1 Liter
gearbeitet werden. Die aus dieser Menge gefundenen Durchschnittswerte
würden aber schon einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiet der
Wasseruntersuchung und -beurteilung bedeuten. Festzustellen wäre indes
noch, ob nicht eine Anzahl verschiedener Wasserkeime auch unter dem
nur etwa 1 Atmosphäre betragenden Druck der Säugpumpe bereits im¬
stande sind, die Filterkerze zu durchdringen.
Die besonders bei Talsperrwässern oft vorgenommene Untersuchung
zur Bestimmung des „Colititers“ dürfte nach den bisherigen Methoden auch
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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 545
wohl nicht annähernd mit derselben Sicherheit und Einfachheit vorge¬
nommen werden können wie mit der Berkefeldkerze. 1
Wie gestaltet sich nun die Untersuchung stark verunreinigten
Wassers? Ich wählte für derartige Untersuchungen das sehr keimreiche
Pleißenwasser. 500 ccm wurden durch eine Kerze filtriert, was infolge der
Verunreinigungen etwa die dreifache Zeit wie bei Leituugswasser erforderte.
Rückläufige Spülung mit 50 ccm in ein Tropfglas (14 Tropfen = 1 ccm ).
Sowohl die Gelatineplatten, wie die Hesseagarplatten, die mit 1, 2 und
3 Tropfen beschickt wurden, erwiesen sich, erstere wegen völliger Ver¬
flüssigung schon nach 30 Stunden, letztere wegen der absoluten Unmög¬
lichkeit, die einzelnen Kolonien scharf voneinander zu unterscheiden, für
solche Zwecke als unbrauchbar. Ganz anders verhielten sich die Drigalski-
platten, die mit 14 Tropfen infiziert worden waren. Sie zeigten zwar
auch eine sehr stattliche Zahl roter und blauer Kolonien, aber diese waren
ohne Schwierigkeit voneinander zu unterscheiden und wiesen zahlreiche
charakteristische Merkmale in ihren kulturellen Eigentümlichkeiten auf.
Diese Tatsache eröffnete einen Ausblick in das wichtige Gebiet des
Nachweises pathogener Keime in Wässern, die auch durch andere Bak¬
terien stark verunreinigt sind, eine der schweren und oft undankbaren
Aufgaben, mit denen die Praxis an den Bakteriologen herantritt.
Nun wird es freilich weniger von Interesse sein, ein derartig hoch¬
gradig verunreinigtes Wasser auf Krankheitserreger zu untersuchen, da
Flußwasser für Trink- und häusliche Zwecke kaum in Frage kommt. Und
wenn entschieden werden soll, ob ein Wasser zum Baden geeignet ist oder
nicht, so hat man schließlich noch andere hygienische Maßnahmen an der
Hand, vor allem genaue Lokalbesichtigung, Prüfung der Art und des
Grades der zugeführten Verunreinigungen, als daß man auf bakterio¬
logische Untersuchung allein angewiesen wäre.
Praktisch wird vielmehr die Forderung gestellt werden, in einem
Dorf, auf einem einzelnen Gehöft oder in einer Straße, wo Typhus aus-
gebrochen ist oder auch endemisch vorkommt, etwa verdächtige Brunnen
auf Krankheitserreger zu untersuchen. Derartige Brunnen, in denen
Typhuskeime vermutet werden dürfen, müssen natürlich oberflächlichen
Verunreinigungen zugänglich sein und ihr Wasser wird ungleich mehr
Keime enthalten wie gutes Leitungswasser. Immerhin wird aber die
Keimzahl ganz erheblich geringer sein wie im Fiußwasser und es müßte
auf Grund obiger Beobachtungen mit Pleißenwasser ohne große Schwierig-
1 Eine Kombination mit zurzeit üblichen Methoden, z. B. Verarbeitung einiger
Kubikzentimeter des zu untersuchenden Wassers in Zuckerbouillon und Brutofen¬
behandlung bei 46 °C könnte sehr aussichtsreich in der Weise durch geführt werden, daß
man größere Mengen filtriert und die Kücksjoilliüssigkeit dem Mährmedium zusetzt.
Zeitsehr. f. Hygiene. LXIX
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keiten möglich sein, etwa vorhandene Typhuskolonien unter den zahl¬
reichen anderen auf der Drigalskiplatte zu ermitteln. Es erschien mir
daher notwendig, nach dieser Richtuug hin die Brauchbarkeit der Filtra¬
tion durch einige Versuche zu erproben. Ich legte sie so an, daß ich
einer bestimmten Menge physiologischer Kochsalzlösung ein Quantum
Fleißenwasser zusetzte und Paratyphusbazillen einsäte. Zählplatten vou
der Aufschwemmung ließen die Einsaatmengen bestimmen und direkt mit
Pleißenwasser beschickte Drigalskiplatten in größerer Zahl sollten, wenn
auch in unzulänglicher Weise, ermitteln, ob nicht etwa vor der künstlichen
Iufektion bereits Paratyphusbazillen im Pleißenwasser vorhanden waren.
28. Versuch: 925 ccm physiol. Kochsalzlösung + 75 cc,u Pleißenwasser
werden mit 56 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Filtration, rückläufige Spülung,
direkte Verarbeitung auf Drigalskiserie.
ßesultat: Auf allen (5) Platten 345 Wasserkeime und 25 Paratyphus¬
kolonien, die durch Agglutination festgestellt wurden. Es wurden also
45 Prozent der Aussaat gefunden.
29. Versuch: 1900 ccm physiol. Kochsalzlösung + 100 ccra Pleißenwasser
werden mit 140 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Verarbeitung wie bei Vers. 28
auf Drigalski.
Resultat: Zahlreiche Kolonien überwuchern besonders die ersten Platten.
Von 20 verdächtigen Kolonien erweisen sich 6 als Paratyphus B (Agglut.}.
30. Versuch: 1900 ccra physiol. Kochsalzlösung 4* 100 ccra Pleißenwasser
werden mit 70 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Verarbeitung wie bei Vers. 28
auf Drigalski.
Resultat: Die Platten bieten das gleiche Bild wie bei Vers. 29. Von
9 verdächtigen Kolonien erweisen sich 2 als Paratyphus B (Agglut.).
31. Versuch: 1700 ccm physiol. Kochsalzlösung + 300 ccm Pleißenwasser
werden mit 140 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Verarbeitung wie bei Vers. 28
auf Drigalski.
Resultat: Besonders auf den ersten Platten sehr dichte Kolonien, die
sich aber genau differenzieren lassen. Von 6 verdächtigen Kolonien er¬
weisen sich 2 als Paratyphus B (Agglut.).
Diese Versuche beweisen, daß es bei so stark verunreinigtem Wasser,
wie dies in höherem Maße auch bei einem schlechten Brunnenwasser wohl
kaum je der Fall sein wird, möglich ist, auch bei relativ geringem Ge¬
halt an den gesuchten Krankheitserregern noch in Mengen bis zu 2 Liter
eine erfolgreiche Untersuchung vorzuuehmen. Durch weitere, allerdings
sehr zeitraubende Agglutinationsprüfungen hätten sich auf jeden Fall noch
mehr Paratyphuskolonien ermitteln lassen.
Es schien mir weiterhin von Wichtigkeit, zu untersuchen, wie sich
die Erfolge gestalten würdeu, wenn, wie es meist der Fall sein wird,
zwischen Entnahme und Untersuchung geraume Zeit verstreicht. 2 Ver¬
suche konnten mir darlegen, daß auch dann die Keime, die in dem au
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Das Bebkefeldfilteb z. Nachweis von Baktekien im Wasseb. 547
organischen Stoffen reichen Wasser genügend Nährmaterial finden konnten,
noch nachweisbar waren.
32. Versuch: 1900 ccm physiol. Kochsalzlösung -j- 100 ccm Pleißenwasser
werden mit 280 Paratyphus B* Bazillen infiziert und bei 22° C 6 Stunden
in dunklem Schrank auf bewahrt. Filtration, rückläufige Spülung, direkte
Verarbeitung auf 6 Drigalskiplatten.
Resultat: Die Platten zeigen zahlreiche rote und blaue Kolonien,
trotzdem klarer Überblick. Von 8 verdächtigen Kolonien sind bei der
Agglutination 2 positiv.
33. Versuch: 1900 ccm physiol. Kochsalzlösung + 100 ccm Pleißenwasser
werden mit 540 Paratyphus B-Bazillen infiziert und bei 22° C in dunklem
Schrank 20 Stunden aufbewahrt. Verarbeitung wie bei Vers. 32, außerdem
eine Malachitgrünplatte.
Resultat: Platten bieten das gleiche Bild wie bei Vers. 32. Auf der
Malachitgrünplatte 76 Kol. Von 12 derselben erwiesen sich 3 als Paratyphus B.
Fine weitere Prüfung der auf Drigalski gewachsenen Kol. unterblieb daher.
Zu einer praktischen Anwendung des Verfahrens bot mir ein Brunnen¬
wasser willkommene Gelegenheit. Es handelte sich um einen gegrabenen
Brunnen in einem alten Stadtteil in Leipzig, wo in einem Grundstück
mehrere Typhusfälle vorgekommen waren, die auf den gemeinsam be¬
nutzten verdächtigen Brunnen zurückgeführt wurden. Der Brunnen
war allerdings bereits 8 Tage vor der Wasserentnahme polizeilich ver¬
schlossen worden, wodurch einerseits ein Absterbeu etwa vorhanden ge¬
wesener Typhusbazillen, andererseits eine beträchtliche Vermehrung anderer
Keime bedingt sein konnte. Das Wasser, von dem erst einige Eimer abge¬
pumpt wurden, enthielt zahlreiche, mit bloßem Auge sichtbare suspendierte
Teile und zeigte leichte Opaleszenz. Es wurden 1. 1500 ccm filtriert und
der Rückstoß direkt auf Drigalskiplatten verarbeitet, 2. 1000 ccm filtriert,
die Kerze mit 40 ccm rückläufig gespült und 2 Drigalskiplatten mit 0*5,
4 mit 1.0 ccm beschickt. Für beide Modifikationen wurden auch Malachit¬
grünplatten augelegt Bei den direkt mit dem Rückstoß verarbeiteten
Platten war a und ß wegen sehr dichten Wachstums kaum brauchbar,
während die weiteren getrennte, charakteristische Kolonien aufwiesen. Die
der Serie 2 zugehörigen Platten zeigten zwar auch getrennte Kolonien,
die aber infolge ihres äußerst dichten Wachstums keine typische Entwick¬
lung mehr erkennen ließen. Auf den Malachitgrünplatten waren
in beiden Fällen nur eine mäßige Anzahl von Kolonien ge¬
wachsen. Eingehende Prüfung zahlreicher verdächtiger Kolo¬
nien mit der Agglutination, insbesondere Abschwemmung der
Malachitgrünplatten nach Lentz-Tietz, konnten eine Anwesen¬
heit sowohl von Typhus- wie auch von Paratyphuskolonien
ausschließen.
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Ebich Hesse:
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Ist also diese Untersuchung negativ ausgefallen, so wage ich doch
auf Grund meiner Ergebnisse (Vers. 28 bis 33) bei dem für die Unter¬
suchung ungemein günstigen Wachstum der Platten von Serie 1. sowie
bei dem negativen Ausfall der zuverlässigen Malachitgrünmethode, mit
aller Entschiedenheit zu behaupten, daß das Brunnenwasser zur Zeit der
Untersuchung in 1500 com keine der fraglichen Krankheitserreger enthielt.
Der Wert der Filtrationsmethode für derartige Unter¬
suchungen, in Verbindung mit geeigneten Kulturverfällen
(Malachitgrünagar und Lentz-Tietzsche Abschwemmung) ist meiner
Ansicht nach ein nicht zu unterschätzender, jedoch wird ein
feinerer Ausbau der Modifikationen (eventuelle Einengung der
Rückstoßflüssigkeit durch Zentrifugieren oder bei 37° im Vakuum) zu
weiteren Verbesserungenn führen!
Die Filterkerzen.
Wenn die Ergebnisse des Bakterienuachweises mit den Kieselguhr-
filtern im großen und ganzen so sind, daß sie selbst weitgehenden Anforde¬
rungen genügen werden und seine erfolgreiche praktische Nutzbarmachung
kaum ausbleiben wird, so hatte ich doch einige Male recht wenig erfreu¬
liche Resultate. Es war aber ziemlich einleuchtend, daß, wenn bei
H>3 Versuchen im Durchschnitt 42 Prozent der Einsaatmenge wieder¬
gefunden wurden, ein negativer Ausfall eine außergewöhnliche Veranlassung
haben mußte. Eine solche war bei den schlecht ausgefallenen Versuchen
denn auch meist nachzu weisen. Über die Folgen ungenügenden Aussaat-
materials habe ich bereits gesprochen. Eine genaue Beobachtung der
markierten Kerzen zeigte mir nun, daß bisweilen ein und dieselbe Kerze
wiederholt schlechte bzw. negative Ergebnisse lieferte. Es gibt also
Kerzen, die infolge kaum vermeidlicher Fehler für derartig
subtile Arbeiten unbrauchbar sind! Zu beachten ist, daß auch die
beste Kerze durch häufiges Sterilisieren, durch den hohen Druck bei der
rückläufigen Spülung, der doch immerhin auf 2 bis 4 Atmosphären zu
bemessen ist, Veränderungen in ihrem Bau erleiden kann, die entweder
ihre Dichtheit oder die Möglichkeit, durch rückläufige Spülung die Keime
wieder zu entfernen, beeinträchtigen können. Es ist daher unbedingt
nötig, die Kerzen durch Marken an den Metallteilen zu be¬
zeichnen. neue Kerzen systematisch auszuprobieren, im Ge¬
brauch befindliche einer ständigen Kontrolle zu unterwerfen.
Immerhin ist aber die Haltbarkeit einmal als geeignet befundener Kerzen
bei schonender Behandlung eine sehr langdauernde. Eine mechanische
Reinigung der Kerzen, etwa mit einer Bürste, schädigt die Oberfläche uud
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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien lm Wasser. 549
ist deshalb zu verwerfen. Außerdem ist die Reinigung durch die rückläufige
Spülung eine so gründliche, daß, zumal die Kerzen vor jedem Gebrauch
sterilisiert werden, jedes weitere Reinigungsverfahren überflüssig ist.
Durch das verschieden starke Brennen der Masse läßt sich die Poren¬
weite der Kerzen bei der Herstellung beeinflussen und ich habe für-meine
Versuche von der Berkefeld-Filter Gesellschaft in Celle .»extra engporig“-
gebrannte Kerzen bezogen, die ich besonders empfehlen möchte.
Die Filtrationsgeschwindigkeit einer Kerze braucht nicht
im Zusammenhang mit ihrer Dichtheit zu stehen! Es kann eine
Kerze schnell filtrieren und für Keime relativ undurchlässig sein, eine
andere langsam filtrierende gestattet ihnen Passage!
Den Kerzen von 6 cm Länge und 2 1 / i em Durchmesser räume ich, weil
sie bei gleicher Bakterieudichtheit doppelt so schnell arbeiten wie die von
l 1 /, 0 ™ Durchmesser, unbedingt den Vorzug ein. Da, wie schon erwähnt,
die Berkefeld-Filter Gesellschaft in der Lage ist, bei gleicher Engporigkeit
noch größere Kerzen zu liefern, dürften Versuche mit solchen weitere Ver¬
besserungen der Methode ermöglichen. 1 Je größer die Kerze, desto
größer muß natürlich auch die Menge der Rückspülflüssigkeit
sein. Vielleicht besteht ein gangbarer Weg darin, daß man zunächst mit
großen Kerzen arbeitet und die vielleicht 100 ccm betragende Rückspül¬
flüssigkeit nochmals mit einer Liliputkerze durch eine zweite Filtration
eineugt.
Mehrere Versuche mit Kerzen, die mit einer abgetöteten Bakterien¬
aufschwemmung künstlich verstopft worden waren, konnten mich von
einem ausgesprochenen Vorteil dieses Verfahrens nicht überzeugen.
Jedenfalls eröffnen sich bei eingehender Prüfung der
Prinzipien und Modifikationen der Filtrationstechnik immer
mehr Gesichtspunkte für einen weiteren Ausbau derselben!
Fehlerquellen.
Wenn ich bei meinen Versuchen 10 mal annähernd alle ausgesäten
Keime wiederfinden und 8 mal direkt das Resultat „100 Prozent“ ver¬
zeichnen konnte, so möchte ich nicht verfehlen, ausdrücklich zu betonen,
daß bei allen Zahlenergebnissen mit einer gewissen Fehlergrenze gerechnet
werden muß. Die Kontrollzählplatten, die stets von derselben Verdünnungs¬
stufe hergestellt wurden, aus der die Einsaat erfolgte, können infolge
der mehrfach erwähnten Unmöglichkeit absolut gleichmäßiger Verteilung.
1 Es werden zwar auch größere Kerzentypen hergestellt» jedoch erscheinen mir
diese (13 c “ lang und darüber) bereits zu groß. Eine geeignete Mittelsorte für vor¬
liegende Zwecke wird demnächst von der Firma auf den Markt gebracht werden.
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namentlich bei sehr geringer Einsaatmenge, keinen Anspruch auf un- '
bedingte Genauigkeit erheben. Es ist leicht möglich, daß in don
14 Tropfen, die zur Herstellung der Zählplatten dienten, 20 Keime waren,
während die gleiche Menge, mit der das zu untersuchende Wasser infiziert
wurde, deren 25 bis SO enthielten. Daß derartige Umstände tatsächlich
mitspielen, bewiesen mir einige Fälle, in denen ich bis zu 130 Pro¬
zent der Einsaat wieder fand! Ich muß daher davor warnen, d-r
Prozentzahl im einzelnen Fall eine allzugroße Bedeutung beizumessen.
Aber nicht nur bei besonders guten, sondern auch bei gelegentlich
schlechten Ergebnissen muß dieser Punkt naturgemäß Berücksichtigung
finden. Nur der Durchschnitt einer großen Versuchsreihe kann
einen brauchbaren Maßstab für den Wert der Methode liefern!
Aus rein mechanischen Gründen halte ich es für vollständig un¬
möglich, daß tatsächlich alle eingesäten Bakterien wiedergefunden werden.
Die Rauhigkeit der Kerzenoberfläche, die Wände der Gefäße,
die Glasspatel, die bei Gelatinegußplatten in den Röhrchen
zurückbleibenden Reste müssen einzelne Keime zurückhalten.
Und so möchte ich im Sinne der oben geschilderten Fehlerquellen meinen
verschiedentlich wiedergefundenen „100 Prozent“ eine gewisse Einschrän¬
kung zuteil werden lassen.
Parallelversuche nach den Methoden von Ficker und Müller.
Die bisher in bezug auf den Bakteriennachweis in Flüssigkeiten im
Vordergrund stehenden Methoden der Eisenfällung ließen es mir not¬
wendig erscheinen, einige Parallelversuche mit der Filtration anzustellen.
Bezüglich der Ergebnisse dieser Methoden muß ich mich den eingane?
erwähnten Resultaten Nieters voll und ganz anschließen. Speziell die
Ficker sehe Methode habe ich in allen sowohl von Ficker wie von
Hilgermann gebrauchten Anwendungsformen ausprobiert. Das be?t-
Resultat war, daß ich aus 1 Liter Flüssigkeit von 412 eingesäten Keimet
75 = 18 Prozent wiederfand, und zwar aus dem gelösten Sediment. Tr*:
Verwendung einer elektrisch betriebenen Zentrifuge gelang es mir. im
Durchschnitt (16 Versuche) nur 4 Prozent der Einsaat nachzuweisen.
Wesentlich günstiger fielen die Ergebnisse bei der Müller sehet
Methode aus. Bei 10 Versuchen fand ich durchschnittlich 35 Prozeit
der eiugesäten Keime wieder. Dreimal konnte ich nach Müller besser-
Resultate erzielen wie bei den parallel gehenden Filtrationsversuchen. P*
beste bei der Müll er sehen Fällung beobachtete Resultat waren 59 Prozent
der Einsaat.
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f
Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 551
Karze Zusammenfassung.
Die Ergebnisse meiner Versuche über den Nachweis von Bakterien
in Flüssigkeiten mit dem Berkefeldfilter möchte ich in folgenden Sätzen
zusammenfassen:
1. Bei der Filtration bakterienhaltiger Flüssigkeiten können
die auf der Kerzenoberfläche zurückgehaltenen Keime durch
rückläufige Spülung nahezu völlig entfernt und in der Rück¬
spülflüssigkeit nachgewiesen werden.
2. Bei kurzen, aber energischen Stößen mit der Druckpumpe
gelingt es, die Hauptmenge der Keime mit 4 bis 5 Stößen zu
entfernen. Eine Anwendung größerer Plattenserien und da¬
durch ermöglichter vermehrter Rückspülflüssigkeit, verbessert
die Ergebnisse.
3. Auch bei sehr geringem Keimgehalt (unter 10 Keimen
im Liter) bewährt sich die Methode vorzüglich.
4. Mittels einfacher automatischer Vorrichtung ist es mög¬
lich, größere Wassermengen (10 Liter und mehr) durch Filtra¬
tion zu untersuchen, wodurch die Brauchbarkeit der Methode
wesentlich erhöht wird. Eine Verwendung größerer Kerzen¬
typen mit gesteigerter Leistungsfähigkeit wird sich besonders
zweckmäßig erweisen.
5. Die Methode verspricht außerordentlich günstige prak¬
tische Erfolge bei Untersuchung von Brunnen- und Nutzwässern
auf ihren Keimgehalt überhaupt, wie auch auf Anwesenheit
etwa vorhandener pathogener Keime, vor allem in geeigneter
Verbindung mit spezifischen Nährböden (Malachitgrünagar, Dieu-
donne - Blutalkaliagar) und unter Verwertung spezifischer bio¬
logischer Eigentümlichkeiten mancher Keime.
6. Die den Versuchen dienenden Kerzen müssen auf ihre
Brauchbarkeit stets erst ausprobiert werden und erheischen
auch weiterhin ständige Kontrolle.
7. Die niemals gleichmäßige Verteilung von Bakterien¬
aufschwemmungen in Flüssigkeiten verbietet, im einzelnen
Fall einen allzugroßen Wert auf die Prozentzahl der wieder¬
gefundenen Keime zu legen.
8. Die Filtrationsmethode gibt bessere Resultate wie die
Fällungsmethode mit Liquor ferri oxychlorati und übertrifft
bei weitem die Fällung mit Ferrisulfat.
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552 Erich Hesse: Das Bebkefeldfilteb usw.
Am Schlüsse dieser Ausführungen gestatte ich mir Herrn Geheimen
Rat Hofmann für das Interesse, das er der Arbeit entgegengebracht hat,
sowie für die Beschaffung der notwendigen Apparate, meinen ergebensten
Dank auszusprechen.
Literatur - Verzeichnis.
1. Gärtner, l>as Bacterium coli als Indikator fäkaler Verunreinigungen eines
Wassers. Diese Zeitschrift. Bd. LXVII. S. 55.
2. Vallet, Une nouvelle technique pour la recherche du bacille typhique dans
les eaux de boissons. Arcli. de mtdecine exper. et d'anatom. pathoL Juillet 1901.
3. Schüder, Zum Nachweis der Typhusbakterien im Wasser. Diese Zeitschr.
Bd. XLII. S. 317.
4 . Ficker, Cher den Nachweis von Typhusbaziilen ira Wasser durch Fällung
mit Eisensulfat, Hygien. Rundschau . Bd. XIV. S. 7.
5. Müller, Über den Nachweis von Typhusbazillen im Trinkwasser mittels
chemischer Fällungsmethoden, insbesondere durch Fällung mit Eisenoxychlorid.
Diese Zeitschrift. Bd. LI. S. 1.
6. Feistmantel, Trinkicasser und Infektionskrankheiten . Leipzig 1904.
7. Nieter, Über den Nachweis von Typhusbazillen im Trinkwasser durch
Fällung mit Eisenoxychlorid. Hygien. Rundschau. Bd XVI. S. 57.
8. Hilgermann. Der Nachweis der Typhusbazillen im Wasser mittels der
Eisenfällungsmethoden. Archiv für Hygiene. Bd. LIX. S. 355.
9. Fedcrolf, Über den Nachweis des Bacterium coli im Wasser durch die
Fällungsmethode. Ebenda. Bd. LXX. S. 311.
10. Ri ecke, Über die keim widrigen Eigenschaften des Ferrisulfats. Diese
Zeitschrift. Bd. XXIV. S. 303.
11. Klein, 2.‘i. ann. Rep. Loc. Gov. Board I893j94. Suppl. p. 47. London 1895.
12. Jackson, An improved filter for microscopical water analyses. Ref. Hip.
Rundschau. Bd. X. 8. 212.
13. Chantomesse, Sem. med. 1901. p. 186.
14. P. Schmidt, Über den Mechanismus der Bakterienfiltration mit Berkefeld-
filtern. Diese Zeitschrift. Bd. LXV. S. 423.
15. v. Esmarch, Über kleinste Bakterien und das Durchwachsen von Filtern.
Centratblatt für Bakteriologie. Bd. XXXII. S. 561.
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Experimentelle Studien über die Beziehungen
der Glossina morsitans zur Schlafkrankheit.
Voll
l)r. M. Taute,
St»b»airt in der Kaiser!. Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, kommandiert x. Schlafkrankheitsbekämpfun*.
Noch bis vor kurzem konnte es für ausgeschlossen oder zum miudesten
sehr unwahrscheinlich gelten, daß neben der Glossina palpalis auch die
gewöhnliche Tsetsefliege (Glossina morsitans) eiu geeigneter Wirt für das
Trypanosoma gambiense sei. Diese Annahme hatte ihre berechtigten
Gründe: Wo Schlafkrankheit herrschte, fand sich auch Glossina palpalis
und das ausnahmsweise Auftreten der Seuche in palpalisfreien Gegenden
hatte noch immer zwanglos und einwandfrei durch den Nachweis einer
Einschleppung der betreffenden Krankheitsfälle aus Palpalisgebieten oder
auch manchmal mit der Möglichkeit einer Infektion durch den Geschlechts¬
verkehr (R. Koch, Kudicke) erklärt werden können.
Eine experimentelle Stütze fand die Anschauung von der Bedeutungs¬
losigkeit der Glossina morsitans für die Verbreitung der Schlafkrankheit
in einem Versuch, den ich auf Veranlassung von Kleine im Jahr 1909
in Kirugu bei Schirati am Viktoria-Nyanza ausgeführt hatte. Damals war
mit 437 gezüchteten Glossina morsitans eiue Übertragung des Trypano¬
soma gambiense auf gesunde Affen trotz einwandfreier Versuchsauordnung
nicht gelungen.
Da wurden Ende 1909 mehrere Schlafkrankheitsfälle aus Xordost-
Rhodesia und Nyasaland bekannt, bei deren Ätiologie auch nach sorg¬
fältigster Nachforschung Glossina palpalis auszuschließen war, während
morsitans sich neben zerstreuten Glossitiae fuscae an den mutmaßlichen
Orten der Infektion in Mengen vorfand. Seit dieser Zeit sind in jener
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554
M. Taute:
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Gegend weitere Fälle von menschlicher Tiypanosomiasis aufgetreten, bei
deren Entstehung die Glossina palpalis gleichfalls nicht beteiligt sein
konnte. Unter diesen Umständen erklärte sich leicht, daß die Frage nach
der Ursache dieser Erkrankungen nicht mehr zur Buhe kam.
Manche Autoren glauben, daß die Erkrankungen in Bhodesia und
Nyasaland nicht durch das Trypanosoma gambiense, sondern durch ein
anderes Trypanosoma hervorgerufen wurde, eine Auffassung, die sehr
viel für sich hat, aber über die Art der Entstehung der Krankheit keine
Aufklärung gibt.
Kleine und der Verfasser erwogen wiederholt das auffallende Resultat
der bisherigen Forschungen, wonach in der Glossina palpalis eine Reihe
von verschiedenen Trypanosomen zur Entwicklung kam, während um¬
gekehrt das Trypanosoma gambiense nur von einer Fliege, der Glossina
palpalis, übertragen wurde.
Im Hinblick auf die große praktische Wichtigkeit der Angelegenhrit
erhielt ich im Anfang des Jahres von Herrn Professor Kleine den Auf¬
trag, von neuem einen Versuch der Übertragung des Trypano¬
soma gambiense mit Glossina morsitans anzustellen, und zwar
diesmal am Tanganika.
Versuche.
Beginn am 21. IV. 1911 in Niansa. Niansa liegt drei Tagemärsch-
nördlich von Udjidji unmittelbar am Tanganika und ist frei von jed-r
Art von Glossinen. Während des Versuchs unterblieb zur sicheren Ver¬
meidung von Verwechslungen jedes Experiment mit Glossina palpalis.
Warum nur gezüchtete Fliegen verwandt werden konnten, ist au
anderer Stelle wiederholt auseinandergesetzt. Die zur Zucht nötigen
Muttertliegen wurden im Hinterland von Udjidji eingefangen und dann in
Udjidji bei täglicher Fütterung an Hammeln in Fliegengläsern gehalten.
Die gesammelten Puppen wurden serienweise nach Niansa gesandt, wo
das Ausschlüpfen der jungen Glossinen abgewartet wurde. Die Kontroli-,
ob es sich bei den zum Versuch benutzten Fliegen wirklich um die Spezies
„morsitans“ handelte, war eine dreifache. Erstens besichtigte Oberarzt
Dr. Koch, der sich ein großes Verdienst um die Vorbereitung des Ex¬
periments erworben hat, in Udjidji regelmäßig die zur Zucht dienenden
Vlutterfliegen. Zweitens prüfte ich selbst in Niansa jede einzelne aus?o-
schlüpfte junge Fliege auf ihre Artzugehörigkeit und drittens wurden all:
während des Versuchs eingegangenen Glossinen bei der Sektion auch
äußerlich genau besichtigt.
Den Affen, welche zur Infektion der Fliegen dienten, waren kurze
Zeit vor Beginn des Versuchs je 5 ecm Blut von 3 verschiedenen schlaf-
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Glossina morsitans und Schlafkrankheit.
555
kranken Menschen der hiesigen Gegend injiziert worden. — Große Sorg¬
falt mußte auf gute Pflege und Ernährung dieser Versuchstiere verwandt
werden; nur so konnte es gelingen, daß z. B. die Affen Nr. 1, 2, 3 und 4
keine Schädigung ihres Gesundheitszustandes erfuhren, trotzdem sie monate¬
lang den täglichen Stichen von durchschnittlich über 100 Fliegen aus¬
gesetzt wurden.
Versuch 1. Die frisch ausgeschlüpften Fliegen wurden zunächst
4 Tage hintereinander zum Saugen an den schlafkranken Affen A, B
und C angesetzt; dann wurden für die Fliegen, um eine mechanische
Übertragung der von den schlafkranken Affen aufgenommenen Trypano¬
somen auf die gesunden Affen zu vermeiden, 2 Hungertage eingelegt.
Nun erst wurde an gesunden Affen weiter gefüttert. Es glangten zur
Fütterung nach dem ersten Saugen am kranken Affen:
Am
Am
Am
Am
Am
Am
Am
Am
Am
Am
Am
Am
6 .
10 .
14.
18.
22 .
26.
30.
34.
38.
42.
46.
50.
bis 9. Tage
bis 13. Tage
bis 17. Tage
bis 21. Tage
bis 25. Tage
bis 29. Tage
bis 33. Tage
bis 37. Tage
bis 41. Tage
bis 45. Tage
bis 49. Tage
bis 53. Tage
883 Glossinen am gesunden Affen Nr. 1.
Der Affe blieb dauernd gesund.
805 Glossinen am gesunden Affen Nr. 2.
Der Affe blieb dauernd gesund.
730 Glossinen am gesunden Affen Nr. 3.
Der Affe blieb dauernd gesund.
602 Glossinen am gesunden Affen Nr. 4.
Der Affe blieb dauernd gesund.
515 Glossinen am gesunden Affen Nr. 5.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
429 Glossinen am gesunden Affen Nr. 6.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
334 Glossinen am gesunden Affen Nr. 7.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
248 Glossinen am gesunden Affen Nr. 8.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
181 Glossinen am gesunden Affen Nr. 9.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
127 Glossinen am gesunden Affen Nr. 10.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
82 Glossinen am gesunden Affen Nr. 11.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
41 Glossinen am gesunden Affen Nr. 12.
Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis.
Die Fliegen waren also in einem Zeitraum von 21 Tagen nach der
ersten Fütterung am schlafkranken Affen nicht infektiös geworden (die
Affen Nr. 1, 2, 3, 4 blieben gesund) und hatten von da ab fortlaufend
infiziert (die Affen Nr. 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 12 erkrankten).
Damit war es bewiesen, daß die gewöhnliche Tsetsefliege die
Rolle eines richtigen Wirts und nicht etwa eines nur rein me¬
chanischen Überträgers für den Erreger der Schlafkrankheit
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M. Taute:
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spielen kann und daß die Entwicklung der Trypanosomen im
Körper der Glossina morsitans etwaf dieselbe Zeit beansprucht
wie in der Glossina palpalis. — Immerhin konnte es sich um eiu
außergewöhnliches Vorkommnis handeln, das praktisch ohne Bedeutung
war. Von den im Anfang des Experiments verwendeten 883 Fliegen
mochte nur eine einzige infektiös geworden sein, die bis zuletzt am
Leben blieb und allein alle Affen infizierte. Um dies festzustellen,
mußten wir den Prozentsatz der infektiösen Fliegen kennen lernen. Hierzu
genügten mikroskopische Untersuchungen nicht. Hätte ich z. B. alle meine
Fliegen etwa 20 Tage nach ihrem ersten Saugen am kranken Tiere ge¬
tötet und auf Trypanosomen untersucht, so hätte ich sicher eine Reihe
von Parasiten getroffen, die noch in der Entwicklung begriffen waren,
ohne dabei entscheiden zu können, ob diese Entwicklung zu einem Ende
gekommen wäre. Es sei daran erinnert, daß auch bei jenem ersten
negativen Ubertragungsversuch am Viktoriasee sich Entwicklungsstadien
des Trypanosoma gambiense in den Glossina morsitans fanden. Um
Fehlerquellen auszuschalten, hatte man also durch das Tierexperiment
die eingetretene Infektiosität der Fliegen zu prüfen.
Versuch 2. 670 Fliegen, die mindestens 20 Tage vorher an einem
kranken Affen gesogen hatten, teilte ich in 16 Gruppen und ließ jede
Gruppe 3 Tage an einem gesunden Affen saugen (siehe Tabelle I).
Tabelle I.
Nummer Zahl der na,:h der
, ersten Fütterung
der Gruppe ani kranken Ausgangstier
1
20—23
2
22—25
3
24 — 27
4
*26—23
5
2S-31
6
30—33
i
32—35
s
34—37
3 ;
30 — 33
10
3s -n
11
40— 16
12
44 — 50
i;s
4 S — 53
14
51-54
15
53-57
16
55 — 63
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Zahl
der Fliegen
Resultat
78
Alte bleibt gesund.
34
M »1
48
*• »•
41
„ „
45 |
'» «•
50
„ „
45
Affe erkrankt.
47 ,
** »♦
33
Affe bleibt gesund.
43
Affe erkrankt.
65 |
35
Affe bleibt gesund.
Affe erkrankt.
30
M ♦»
21 1
Affe bleibt gesund.
12
M *•
27
Affe erkrankt
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Glossina morsitans ünd Schlafkrankheit.
557
Aus der Tabelle geht hervor, daß sich unter den insgesamt 670 zur
Fütterung gelangten Glossinen 6 verschiedene Fliegeugruppen befanden,
die nach dem Saugen am schlafkranken Affen infektiös geworden waren.
Im Hinblick auf die Untersuchungen von D. Bruce* der bei seiner
Bestätigung der Entdeckung Kleines von der Entwicklung der Trypano¬
somen in den Glossinen fand, daß Fliegen nach dem Saugen am kranken
Tiere manchmal eine ungewöhnlich lange Periode der Nichtinfektiosität
durchmachen können, um dann schließlich doch noch infektionstüchtig zu
werden, wurden die nicht infektiösen Fliegengruppen später nochmals teils
an denselben, teils an neuen Affen geprüft (siehe Tabelle II).
Tabelle II.
Nummer
der Gruppe
Zahl der Tage nach der
ersten Fütterung
am kranken Ausgangstier
Zahl
der Fliegen j
R e s u 1 t a t
1
36—40
69
Alle bleibt gesund.
2
38-42
30
»• »«
3
1
o
43
Affe erkrankt.
4
42-46
36
Affe bleibt gesund.
5
44—48
37
Affe erkrankt.
6
46-50
42
Alle bleibt gesund.
9
52—56
33
Affe erkrankt.
11
56-63
40
»» >»
14
67—71
13
Alle bleibt gesund.
15
69—73
7
** »*
Es sind, wie Tabelle II zeigt, im Laufe der Zeit in 4 weiteren Gruppen
Glossinen infektiös geworden. Wir haben somit unter den 670 Fliegen,
mit denen wir den Versuch II begannen, zum mindesten 10 infektiöse.
Das wahre prozentuale Verhältnis zu eruieren, war mir leider nicht mög¬
lich; ich hätte daun die Gruppen noch erheblich verkleinern und viel
mehr Affen zur Verfügung haben müssen. Doch die gewonnene Zahl genügt
schon völlig, um zu beweisen, daß die Übertragung des Trypanosoma
gambiense durch die Glossina morsitaus keinen Ausuahmefall
bedeutet, soudern eiue Erscheinung ist, mit der wir rechnen müssen.
Die mikroskopische Untersuchung der Versuchsfliegen wurde im all¬
gemeinen prinzipiell auf die spontan eingegangenen beschränkt, um zu
vermeiden, daß durch ein vorzeitiges Töten gerade solche Glossinen dem
Experiment entzogen würden, die vielleicht später Überträger der Trypa¬
nosomen geworden wären. Die Sektion konnte hierbei nur den Darm¬
inhalt berücksichtigen; zu einem feineren Zerlegen der Fliegen fehlte jede
Zeit. Es sei kurz erwähnt, daß in 282 untersuchten Glossinen 22 mal
= 7*8 Prozent Entwicklungsformen von Trypanosomen gefunden wurden,
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558 M. Taute: Glossina morsitans und Schlafkrankheit.
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in drei Fliegen wurde das Endstadium der Entwicklung festgestellt, näm¬
lich fertig ausgebildete Trypanosomen, wie wir sie im Blute der Sauce:
zu sehen pflegen. — Nur in einem Falle, wo eine infektiöse Gruppe au:
3 Fliegen zusammengeschmolzen war, wurden die Fliegen getötet, nach¬
dem sie (am 69. bis 71. Tag nach dem ersten Saugen am kranken Tier
einzeln an 8 gesunden Affen gefüttert waren. Während 2 von ihnen b-,
der Sektion sich als frei von Parasiten erwiesen, stand der bei der dritten
Glossine erhobene mikroskopische Befund vollkommen in Einklang m:‘
den von Kleine und Taute beschriebenen Entwicklungsformen des Try¬
panosoma gambiense im Körper der Glossina palpalis.
Befund: Männliche Glossina morsitans. Im Rüssel mehrere fertig
ausgebildete Trypanosomen. Im Proventrikel große Mengen weib¬
licher Trypanosomen, daneben eine Anzahl wohl charakterisierter männ¬
licher Parasiten, ferner zahlreiche Trypanosomen, die dem sogenannrei.
Trypanosoma tullochii entsprachen. Im Mitteldarm reichlich welt¬
liche, vereinzelte männliche Trypanosomen, ferner amöboide Formen. End-
darm anscheinend frei von Parasiten. In der Speicheldrüse zahlreick¬
weibliche, vereinzelt männliche Trypanosomen, viele amöboide und Ruhr-
formen.
Dieser Feststellung entspricht die Tatsache, daß der Affe, an d-n.
die parasitenhaltige Fliege gesogen hatte, in der Folge an Trypanosoma:-
erkrankte, während die beiden anderen Affen gesund blieben.
Das Gesamtergebnis meiner Untersuchungen steht im Gegensatz zu
dem Experiment, das in gleicher Anordnung vor 2 Jahren am Viktoria.-*
zu einem negativen Resultat führte. Es wird die Aufgabe weiterer For¬
schungen sein, die Gründe hierfür aufzudecken. Bags hawe neigt zu de:
Ansicht, daß bei der Entwicklung der Trypanosomen in den Fliegen be¬
sonders geeignete klimatische Verhältnisse eine Rolle spielen. Vielleich'
ist dem so. Die Küsten des Tanganika liegen etwa 400 Meter tiefer al-
die des Viktoria-Nyanza. Wenn mir auch genaue Angaben darüber nieh:
bekannt sind, so kann doch als sicher angenommen werden, daß an
Tnnganika die Lufttemperatur und -feuchtigkeit im allgemeinen eine h"b?:-
ist; es bestehen hier also möglicherweise günstigere Bedingungen fl*
die Entwicklung des Trypanosoma gambiense in der Glossiua morsiia'.-
als am Viktoriasee.
Bei der praktischen Bewertung des gelungenen Übertragungsversucb-
dürfen wir nicht vergessen, daß es sich vorläufig nur um ein Laborato-
riumsexperiment handelt, welches, wie die Erfahrungen von Bou-‘
und Roubaud zeigen, nicht immer mit dem Geschehen in der Na:r
übereinzustimmen braucht. Immerhin mahnt es uns nachdrücklich zu:
Aufmerksamkeit und Vorsicht.
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Zeitschrift für Hygiene, ßd. LXIX.
Tafel 1.
Fig. 3.
Verlag von VEIT § COMP. Leipzig.
GEBRÜDER DIETRICH. LEIPZIG
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Tafel II.
Fig. 1.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXIX.
Tafel III.
Mikrophotogramm Nr. 1.
Mikrophotograimn Nr. 2.
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Mikrophotogramm Nr. 1.
,V i • V!
Mikrophotogramm Nr. 2.
Verlag von \ L1T & COMP, in Leipzig.
t veriag
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Mikrophotogramin Nr. 6.
Mikrophotogramm Nr. 5.
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Mikrophotogramm Nr. 10.
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Vnrlnc* vnn VFIT A COMP, in T oinritr
1
I
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXIX.
Tafel VI.
Mikropliotogramin Nr. 8.
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Mikrophotogramm Nr. 3.
Verlag von VEIT A COMP, in Leipzig
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Mikrophotogramm Nr. 9
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Fig. 2.
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