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Full text of "Zeitschrift Für Hygiene Und Infektionskrankheiten 69.1911"

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EX LIBR.IS 


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SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER 
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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

HYGIENE 

UND 



HERAUSGEGEBEN 


VON 

Prof. Dr. C. FLÜGGE, und Prof. Dr. G. GAFFKY, 

«*H. MEDIZIN ALRAT UND DIREKTOR OKU. OBEKMRDIZINALRAT UND DIREKTOR 

HTOIKNI8CUKN INSTITUTS DBB DES INSTITUTS FÜR INFRKTIONBKRANKHElTKf 

UNIVERSITÄT BERLIN, ZU BERLIN. 


NEUNDNDSECHZIflSTEB BAND. 

MIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT. UND ACHT TAFELN. 



LEIPZIG 

VERLAG VON VEIT & COMP. 
1911 


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Druck tou Metzger Je Wittig in Leipzig. 


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Inhalt. 


Seite 


L Schwarz und Aumann, Über Trink Wasserbehandlung mit ultravioletten 
Strahlen. 1 

Jos. Koch und Stutzer, Zur Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae 17 

K. Stutze*, Die einfachste Färbungsmethode des Negrisehen Körperchens . 25 

M. Bullt, Über die therapeutische Wirkung des Chloroforms bei der Typhus¬ 
infektion .29 

Horhimakh, Beitrag zur Frage über die Bakteriendurchlässigkeit der Schleim¬ 
haut des Magendarmkanals.39 

L. Schwarz und Aumank, Weitere Mitteilung über die Behandlung von Trink- 

wasser mit ultravioletten Strahlen.68 

C. Nibhwo, Ein Beitrag zur vergleichenden Untersuchung der Paratyphus B- 

und Mäusetyphusbazillen.92 

Rudolf Nkumann, Zur Kenntnis der Immunität bei experimenteller Trypano¬ 
someninfektion .109 

Arth. Korpf- Pbtrrskh, Oesundheitsgefährdung durch die Auspuffgase der 
Automobile.135 

Wilhelm Hallwachs, Über Komplementbindungsversuche mit dem Serum 

lapinisierter Kaninchen.149 

R- Rrichehbach, Die Absterbeordnung der Bakterien und ihre Bedeutung für 

Theorie und Praxis der Desinfektion.171 

B« v. Frnyvessy und L. Dirkes, Ist das gebackene Brot steril?.223 

Willum Leeds, Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie.225 

Rühr, Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche.243 

Theodor Altschül, Die geistige Ermüdung der Schuljugend. Ermüdungs¬ 
messungen und ihre historische Entwicklung.267 

Riobn Frabnkel und Haks Much (unter teilweiser Mitwirkung von S. Starke), 

Über experimentelle Cholezystitis, zugleich ein Beitrag zur Pathogenität 
des Bact paratypbi B. (Hierzu Taf. I.).342 

^Uwnn, Mikrobiologische Erfahrungen bei den epidemischen Darmerkrankungen 
des Schutzgebietes Kiautschou und der Provinz Schantung in den Jahren 
1907 bis 1911.376 

^ Babe«, Bemerkungen über „Atypische Wutfälle“.397 


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1 


2 tft» 


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IV 


Inhalt. 


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Seit« 

L. Kandiba, Zur Frage von der ätiologischen Bedeutung der choleraähnlichen 

Vibrionen.405 

Josef Koch, Über die Bedeutung und Tätigkeit des großen Netzes bei der 

peritonealen Infektion. (Hierzu Taf. II u. III.).417 

Josbf Koch, Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien, das Verhalten 
des Knochenmarkes und die Veränderungen der Knochen, insbesondere der 
Epiphysen, bei Infektionskrankheiten. Mit Bemerkungen zur Theorie der 

Rachitis. (Hierzu Taf. IV—VIII.) . . -.436 

Wilhelm Spät, Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaufimmunserums . 463 
Ludwig Bittrr, Über das Absterben von Bakterien auf den wichtigeren 

Metallen und Baumaterialien .... -. 483 

P. Schmidt, Studien über das Wesen der Wasser mann sehen Reaktion . . . 513 
Erich Hesse, Das Berkefeldfilter zum Nachweis von Bakterien im Wasser . . 522 

M. Taute, Experimentelle Studien über die Beziehungen der Glossina morsitans 

zur Schlafkrankheit. 553 


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[Aus dem Staatlichen Hygienischen Institut zu Hamburg.] 

(Direktor: Prof. Dr. Dunbar. AbteilungsVorsteher: Prof. Dr. Kister.) 


Über 

Trink Wasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 

Von 

Dr. L. Schwarz und Oberarzt Dr. Aumann. 


Die Frage der Sterilisierung von Trinkwasser mit ultravioletten 
Strahlen ist in Frankreich eingehend behandelt worden; vor allem haben 
die Untersuchungen Courmonts und Nogiers 1 , sowie ihrer Mitarbeiter 
sehr günstige Ergebnisse gezeitigt. In Deutschland waren zur Zeit des 
Beginns unserer Versuche Nachprüfungen von anderer Seite noch nicht 
veröffentlicht, und so hielten wir es für erwünscht, durch eigene Ver¬ 
suche die Einwirkung ultravioletter Strahlen auf den Keimgehalt des 
Wassers festzustellen. 

Auf die geschichtliche Entwicklung, sowie auf die Physik der ultra¬ 
violetten Strahlen wollen wir dabei nur insoweit eingehen, als es zum 
Verständnis der gesamten Versuche notwendig erscheint. Die wichtigsten 
darauf bezüglichen Punkte finden sich bei Deelemann 2 , der auch ein 
ziemlich umfassendes Literaturverzeichnis beigefügt hat, aufgeführt. 


1 Courmont u. Nogier, Revue d’hygiene. 1910. Nr. 4 u. 6. 

1 Deelemann, Die Trinkwassersterilisation mittels ultravioletter Strahlen usw. 
Deutsche militär■ äretl. Zeitschrift. 1910. XXXIX. Jahrg. Hft. 11. S. 409. 

Zeitachr. £ Hygiene. LXIX 1 


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2 


L. Schwarz und Aumann: 


Zur Verfügung stand uns eine von der Quarzlampengesellschaft 
Hanau hergestellte Quecksilberdampfquarzlampe, die uns mit dem gläsernen 
Sterilisierungsgefäß von Hm. Direktor Pollatschek in Wilhelmsburg 
freundlichst für unsere Versuche überlassen war. Das Licht wird hierbei 
in einem Sterilisationsbrenner mit doppeltem Quarzmantel (siehe Abbildung) 
zum Brennen unter Flüssigkeit, einem sogenannten Unterwasserbrenner, 
erzeugt. Die Länge des Lichtbogens beträgt etwa 6 cm , der benötigte 
Strom beträgt 4 Ampere und etwa 80 Volt, die unter Vorschaltung eines 
Eisenwiderstandes der elektrischen Leitung entnommen werden. Die Licht¬ 
stärke beträgt etwa 1200 Kerzen. 



Sterilisationsbrenner mit doppeltem Quarziuautel. 


Auf die ausführlichen und genau zu beachtenden Verhaltungs- und 
Vorsichtsmaßregeln müssen wir noch kurz eingehen, da sie bei einer 
Einführung der Apparate in die Praxis von Wichtigkeit sind und auch 
bei anderen Apparaten, die mit ultravioletten Strahlen arbeiten, gegebenen¬ 
falls zu berücksichtigen sein würden. 

Die hier benutzte Lampe darf niemals ohne Wasserumspülung in 
Betrieb gesetzt werden, da der Brenner sonst sofort zerstört wird. Nach 
unseren Erfahrungen sollte nach Möglichkeit die Zündung auch nur bei 
fließendem Wasser erfolgen, da anderenfalls schon innerhalb weniger Se¬ 
kunden eine zu starke Erhitzung stattfinden kann. Es ist zur Genüge 


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Über Trinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 3 

bekannt, daß bereits ganz kurz dauernde Einwirkung der ultravioletten 
Strahlen äußerst schmerzhafte Entzündungen der Augen hervorrufen kann. 
Als Schutz beim Arbeiten mit diesem gläsernen Apparat genügt an¬ 
geblich das Tragen einer die Augen nach allen Richtungen bedeckenden 
farbigen Brille. 1 

Bei der elektrischen Installation ist in den Netzanschluß für die Lampe 
eine Schmelzsicherung von 10 Ampere, sowie ein Regulierwiderstand, der 
zugleich mitgeliefert wird, vorzuschalten. Da falsche Stromrichtung 
eine sofortige Zerstörung des Leuchtkörpers zur Folge hat, so 
ist vor Inbetriebsetzungen eine genaue Feststellung der Po¬ 
larität der Zuleitungsdrähte unerläßlich. Die Feststellung ge¬ 
schieht bekanntlich in der Weise, daß die beiden Pole der Zuleitung auf 
angefeuchtetes Polreagenspapier in etwa 1 cm Abstand aufgedrückt werden: 
der Minuspol erzeugt eine Rotfärbung des Polpapiers, an dem Pluspol 
tritt keine Färbung des Papiers auf. Bei irgend welchen Änderungen an 
der Leitung ist aus obigem Grunde jedesmal unmittelbar an den Klemmen 
des Brenners die richtige Polung durch Polreagenspapier nachzuprüfen. 
Die gleiche Prüfung ist beim Einschalten der Lampe nochmals unmittelbar 
au den Klemmen des Brenners vorzunehmen. Die anfängliche Stromstärke 
von etwa 10 Ampere geht in 2 bis 5 Minuten auf die normale von 
4 Ampöre bei 80 Volt zurück. Geringe Variationen um einige Zehntel 
Ampere sind je nach der Temperatur und der Bewegung des zu behan¬ 
delnden Wassers festzustellen, jedoch ohne Einfluß auf den Effekt der 
Bestrahlung. Die Lampe wird, in der Weise eingeschaltet, daß die be¬ 
sonders kenntlich gemachte Anodenseite des Brenners langsam angehoben 
wird (etwa 5 cm ) bis der Brenner aufleuchtet. Darauf wird die Anode 
wieder langsam in die Ruhelage hinuntergelassen. Die Kathodenseite 
darf keinesfalls zum Einschalten angehoben werden. 

Dem zu untersuchenden Wasser setzten wir in einem eisernen Be¬ 
hälter von etwa 200 Liter Fassungsvermögen unter gutem Durchmischen 
die Aufschwemmung mit Testbakterien zu. Von dem Behälter führte ein 
mit Einstellschraube versehener Gummischlauch zum Sterilisationsgefäß, 
das bei einer Länge von 20 cm , einer Breite von 8*5 cra und einer Höhe 
von 8gemessen bis zur Mitte des Ausflusses einen nutzbaren Fassungs- 
ranm von etwa 1800 cm hatte. Die größte Strecke der Wasserschicht, die 


1 A. Bieber weist in einer inzwischen erschienenen Mitteilung — Deutsche 
med. Wochenschrift , 1911, Nr. 6, S. 645 — daraufhin, daß dieser Schutz nicht genüge. 
Ultraviolette Strahlen von weniger als 300/ia werden allerdings durch Glas ab- 
gcblendet, dagegen treten die Strahlen von 400 bis 300 utt ungehindert hindurch 
and können somit Schädigungen des inneren Auges veranlassen. 

1 * 


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4 


L. Schwarz und Aumann: 


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die Strahlen während der Behandlung zn durchdringen haben, beträgt 
dabei ungefähr 6 cm . 

Unsere Versuche begannen wir zunäohst damit, daß wir festzustellen 
suchten, bei welcher kürzesten Bestrahlungsdauer überhaupt eine völlige 
Sterilisierung zu erreichen war. 

Das Glasgefäß wurde gründlich gereinigt, an den Wasserein- und 
austrittsöffnungen mittels Korkpfropfen verschlossen und mit völlig klarem 
Leitungswasser gefüllt. Wir setzten eine sorgfältig filtrierte Aufschwem¬ 
mung von einer Ose Leuchtvibrionen in Leitungswasser hinzu und mischten 
gut durch. 1 Dann wurde der Strom eingeschaltet und das ultraviolette 
Licht gelangte unter Wechsel der Bestrahlungsdaner bei den verschie¬ 
denen Versuchen zur Einwirkung auf das infizierte Wasser. Die bei dieser 
Bestrahlung nicht fließenden Wassers erzielten Ergebnisse sind in nach¬ 
folgender Tabelle I zusammengestellt. 


Tabelle I. 


Test* 

bakterien 

Bestrahlungs- 
j dauer 

Keimzahl 1 ccm 

Rohwasser beh. Wasser 

Anreicherung 

10 ccln | 200 cc “ 

Leucht¬ 

1 

Sek. 

2000 

1800 

+ 

i + 

vibrionen 

3 

ff 

1800 

1800 

+ 

+ 


5 

ff 

2000 

700 

+ 

+ 


10 

ff 

2100 

15 

+ 

+ 


15 

ff 

1950 

• 8 

+ 

+ 


20 

ff 

2200 

0 

+ 

+ 


25 

ff 

1 2250 

0 

o 

0 


30 

ff 

I 1800 

0 

0 

0 


Eine längere Bestrahlungsdauer als 80 Sekunden konnten wir nicht 
versuchen, da das Wasser zu sehr erwärmt wurde und die Gefahr bestand, 
daß die Lampe durch nicht genügende Kühlung geschädigt und das 
gläserne Sterilisationsgefaß zerspringen würde. 

Nach einer Bestrahlung von etwa 20 Sekunden machte sich ein 
deutlicher Ozongeruch bemerkbar. 

1 Bei Herstellung von Aufschwemmungen der verschiedenen Testbakterien 
beobachteten wir als selbstverständlich die Forderungen, die Nogier (Technique de 
rinfection artificielle de l'eau etc. Comptes rendus de la Socidte de hiologie . 1911. 
T. LXX. Nr. 1. p. 7) als unerläßlich hervorgehoben hat: eine Kultur wird leicht 
abgeschwemmt unter Vermeidung der Mitnahme von Teilchen des Nährbodens, da¬ 
nach sorgfältige Filtration dieser Aufschwemmung. Das zu sterilisierende Wasser 
muß vollständig klar sein und darf keine Suspensionen enthalten. 

Anmerkung zu den Tabellen, -f- = Wachstum. 0 = steril. 


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Cbeb Turxg wa sserb ehan dluxg mit ultravioletten Strahlen. 5 

Des weiteren stellten wir fest, in. welcher kürzesten Zeit bei den von 
uns gewählten Ausflußgeschwindigkeiten von 1 und 2 Liter pro Minute, 
entsprechend ßO.bzw. 12Q Liter pro Stunde, ein Wasserteilcben von der 
Eintrittsstelle zur Austrittsstelle gelangt Höhere Ausflußgeschwindigkeiten 
wandten wir nicht an, da wir in Vorversuchen ungünstige Sterilisierungs¬ 
ergebnisse bei größerer Geschwindigkeit erzielt hatten. Noch geringere 
Ausflußgeschwindigkeiten erschienen uns nicht zweckmäßig, da wir dann 
eine so geringe Ergiebigkeit erhielten, daß eine praktische Verwendung 
doch ausgeschlossen wäre. 

Wir stellten nun die Versuche derartig an, daß wir den Inhalt des 
eisernen Behälters, sowie des Verbindungsscblauches mit Fluoreszein stark 
grün färbten. Der Absperrhahn wurde dann plötzlich geöffnet und die 
Zeit, bis das grüngefärbte Wasser zur Ausflußöffnung gelangte, genau 
bestimmt. Als kürzeste Zeit ergab sich bei einer Ausflußgeschwindigkeit 
von 2 Litern pro Minute 3 Sekunden, bei 1 Liter pro Minute 6 Sekunden. 
Die gleichen Zeiten erzielten wir durch Kontrollversuche mit Leucht- 
vibrioncn und Colibakterien. 

Wir konnten demnach bei unseren Versuchen mit einer Mindest¬ 
bestrahlungsdauer von 3 bzw. 6 Sekunden rechnen. 

Nach dem Ergebnis unserer ersten Versuche hatten wir bereits ge¬ 
sehen, daß zur Erzielung eines tatsächlich keimfreien Wassers eine Be¬ 
strahlungsdauer von etwa 25 bis 30 Sekunden erforderlich war. Diese 
Ersuche waren, wie schon bemerkt, nur mit nichtfließendem Wasser an- 
gestellt, wenn auch durch das Einschalten der Lampe eine allerdings 
genüge Bewegung hervorgerufen wird. Das Ergebnis würde voraussicht¬ 
lich ein weitaus besseres gewesen sein, wenn dieser Versuch bei bewegtem 
Nasser ausgeführt worden wäre. Eine solche Anordnung war jedoch aus 
äußeren Gründen nicht möglich. 

Aber auch so sind die Unterschiede in der scheinbar notwendigen 
Behandlungsdauer und der praktisch möglichen Bestrablungsdauer (25 bis 
30 Sekunden gegenüber 3 bis 6 Sekunden) sehr erhebliche. Wir standen 
daher zunächst, und wohl mit Recht, dem Gedanken einer Verwendungs¬ 
möglichkeit dieses Verfahrens für die Praxis sehr skeptisch gegenüber. 
Unsere Versuche fielen jedoch günstiger als erwartet aus. 

Wir stellten bei unseren weiteren Versuchen die Wassergeschwindig¬ 
keit so ein, daß wir bei einer stündlichen Wasserlieferung von 120 Litern 
mit einer Bestrahlungsdauer von etwa 3 Sekunden für das einzelne 
Wasserteilchen rechnen konnten. Während der Dauer der einzelnen Ver¬ 
suche nahm die Zeit der Bestrahlungsdauer stets etwas zu, wenn auch 
nur sehr gering, da mit geringer werdendem Druck die Durchfluß- 
gnschwindigkeit etwas abnahm. 


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I 


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L. Schwarz und Auhann: 


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6 


Die Menge der zugesetzten Testbakterien war bei unseren Versuchen 
zunächst ungefähr stets die gleiche. Wir nahmen vier gut bewachsene 
Agarröhrchen (18 h Vibrionen, Coli, 40 h Sporenbildner von 20 Minuten 
Resistenz, Prodigiosus, Violaceus), die mit Leitungswasser abgeschwemmt 
und sorgfältig filtriert wurden. 

Die Ergebnisse dieser Versuche .sind in Tabelle II zusammeogestellt: 


Tabelle II. 


Test* 

Wasser- 

Ein- 

Temperatur 

bakterien 

menge in 
einer Std. 

Wirkungs- 

Zeit 

; Rohwasserj w b a ^; r 


Keimzahl in 1 •“* 
Rohwasser 


I. Versuch 


Leucht- 

120 Liter 

3 Sekunden 

8° 

10-5° 

100 000 

vibrionen 



»* 

10*5 

1» 



>> 

» 

11.0 

i 

99 


n 


»> 

1 11*0 

99 



»> 

i» 

li-0 

99 


»» 

»* 

99 

| 11-0 

99 


II. Versuch 


Bacterium 

120 Liter 

3 Sekunden 

8-2° 

10-0° 

75 000 

coli 

i» 

99 

8-2 

10-0 

80 000 


99 

99 

8-2 

10-0 

80 000 


l( 

99 

8-2 

10-0 

80 000 


99 


8-2 

10-0 

80 000 


99 

99 

9-0 

10*5 

70000 



III. 

Versuch 



Bacterium 

120 Liter 

3 Sekunden 

7-5° 

9-2° 

150 000 

prodigios. 

»* 

>» 

7*5 

9-2 

200 000 


99 

99 

7-5 

9-2 

170 000 


99 

99 

1 7-5 

9-2 

170 000 


tt 

\ 

99 

8*0 

9-5 

160 000 


99 

99 

8-0 

9-5 

160 000 



IV. 

Versuch 



Sporenbildner 

120 Liter 

3 Sekunden 

10° 

12° 

3000 

von 20 Min. 





3200 

Resistenz 





3200 

gegen 1 2 3 


” i 

M 

ff 


strömenden , 

l " 1 

M 

99 

n 

1 3200 

Wasserdampf 

99 1 

99 

99 

” 

1 3100 


3000 


50 

45 

12 

17 


20 

14 


63 

35 

25 

40 

69 

7 


4 

7 
•> 

12 

8 
7 


1 

»> 

2 

1 

2 

3 


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ÜBER TRINEWASSERBEHANDLUNG MIT ULTRAVIOLETTEN STRAHLEN. 7 


Das Ergebnis war also eine außerordentliche Keimverminderung in 
amtlichen Fällen und ist in Anbetracht der enorm hohen Keimzahlen, 
mit denen wir zuerst arbeiteten, als überraschend günstig zu bezeichnen. 
Da wir jedoch niemals ein absolut keimfreies Wasser erhielten, so wählten 
vir eine Bestrahlungsdauer von 6 Sekunden, die allerdings nur auf Kosten 
der stündlichen Wasserlieferungsmenge zu erzielen war (60 Liter pro 
Stunde). Die Mengen der zugesetzten Testbakterien blieben hierbei un¬ 
gefähr die gleichen: 


Tabelle III. 


Wasser- Ein- 
T?>tbakterien menge in wirkungs- 
einer Std. zeit 


Temperatur j 

Roh- I beh. 
wasser | Wasser 


V. Versuch. 


Leucht- 

Vibrionen 


60 Liter 6 Sekunden 


ft 


8 - 0 ° 

8-0 

8-5 

8-5 

8-5 

8-5 


10-5° j 

t» 

f* 

>* 

•* 


Keimzahl 
in l ee “ 


Anreicherung 


Roh- 1 
wasser 

1 beh. 

Wasser ! 

10 cc “ 

1 

200 ccm 

25 000 

0 

+ 

+ 

75 000 

1 i 

+ 

' + 

60 000 

0 

0 

! + 

60 000 

1 i 

0 

+ 

60 000 | 

2 ' 

0 

+ 

70 000 

0 

0 

0 


VI. Versuch. 


Bacterium 

60 Liter 

6 Sekunden 

7-5° 

9-0° 

50 000 | 

0 

+ 

+ 

coli 

tt 

i ” 

7-8 

9-0 

60 000 

0 

0 

0 



>t 

8*0 

9-3 

45 000 

1 

+ 

+ 


t* 

1 ft 

8-0 

9-3 

45 000 | 

2 

0 

+ 


ft 

tt 

8*0 

9-3 

55 000 1 

1 

0 

+ 


f* 

tt 

8-0 

9.3 

55 000 

0 

0 

0 


VII. Versuch. 


Bacterium 

60 Liter 

6 Sekunden 

7-0° 

8*7° 

60 00O 

1 

0 

+ 

prodigios. 

tt 

tt 

7-2 

8-8 | 

60 000 

1 

+ 

4- 


t» 

! 

8*0 

10-0 

70 000 

0 

0 

0 


tt 

.. i 

7‘9 | 

10-0 i 

70 000 

0 

0 

0 


1 »» 

tt 

7-9 

9-9 

65 000 

2 

+ 

+ 


tt 

tt 

7-6 

9-5 

65 000 

0 

1 0 

i + 


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8 


L. Schwarz und Aumann: 


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Tabelle III. (Fortsetzung.) 


I 

I Wasser- 

Ein- 

Temperatur j 

Keimzahl 

in 1 ec« 

Testbakterien' menge in 
einer Std. 

wirkungs- 

zeit 

Roh- beh. 1 

Roh- beh. 



wasser Wasser 

wasser Wasser 


VIII. Versuch. 


Sporen bildner 

60 Liter 

6 Sekunden 

O 

O 

© 

12*0° 

3000 

Ton 20 Min. 

•» 


9-7 

11-0 

3500 

Resistenz 

»» 

99 

9-7 

11.0 

3500 


M 

?• 

9-6 

10-9 

3200 


99 

99 

9-5 

11-0 

2900 


»» 

1 

9-9 

11-4 

t 

3400 


Anreicherung 
10““ 200 ccm 


0 0 

+ + 

+ + 

0 0 

0 0 

+ + 


Sämtliche Platten und Anreicherungen wurden bei allen Versuchen mehrere Tage 

beobachtet. 


Die Ergebnisse sind, wie aus Tabelle III ersichtlich ist, günstiger 
als bei unseren ersten Versuchen, wenn auch nur in der Minderzahl der 
Versuche ein absolut keimfreies Wasser erzielt werden konnte. 

Weiterhin suchten wir festzustellen, welche Resultate sich bei ent¬ 
sprechend geringeren Keimzahlen, wie wir sie bereits bei den Versuchen 
mit Sporenbildnern benutzt hatten, ergeben würden. Dadurch glaubten 
wir uns auch möglichst den Bedingungen zu nähern, wie sie bei einer 
Einführung der Apparate in die tägliche Praxis unter im allgemeinen 
günstigen Wasserverhältnissen gegeben sein würden. Dabei erzielten wir 
unzweifelhaft günstigere Resultate. 


Tabelle IV. 



Wasser- 

Ein- 

Testbakterien 

menge in 

wirkungs- 

1 

einer Std. 

zeit 


Temperatur 

Roh- beh. 
wasser Wasser 


Keimzahl 
in l ccm 

Roh- beh. 
wasser Wasser 


Anreicherung 
10 cc “ 200 ccm 


IX. Versuch 


Leucht¬ 

' 120 Liter 

3 Sekunden 

8*0° 

10-5 0 

3100 1 

0 

0 

+ 

vibrionen 

»• 


8-2 

10-4 

2000 

0 

0 

+ 


1 

i 

99 

7.9 

9*0 | 

3050 

u 

0 

+ 


! 

99 

8-1 

9.9 j 

3200 : 

0 

0 

0 


! „ 

99 

7 • 5 

1 9-2 

3700 

0 

0 

+ 


99 

*9 

1 

7*5 

9-2 

! 

4000 

0 

0 

0 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Über Trinkwassebbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 9 


Tabelle IV. (Fortsetzung.) 


Wasser- 

Ein* 

t 

Temperatur | 

Keimzahl 
in 1 com 

menge in 
i einer Std. 

wirkunge- 

zeit 

Roh* 1 beh. 

| w&sser [Wasser 

Roh- I beh. 
wasser 'Wasser 1 


Anreicherung 
10 00011 200 ccm 


Versuch. 


Bacterium 

coli 


Bacterium 

prodigios. 


3 Sekunden 

8*1° 

9-8° 

3060 

0 

+ 

» 

8-2 

10-0 

4000 

1 

+ 

11 

7-9 

9-0 

2500 

0 

+ 

11 

7-5 

9*0 

2100 

0 

0 

11 

7*6 

9-2 

3000 

1 

+ 

11 

XI. 

7*2 | 8-9 

Versuch. 

2900 

0 

0 

8 Sekunden 

7-5° 

9-2° 

1900 

0 

0 

11 

7*4 

8-8 

2100 

0 

0 

11 

7*6 

9.3 

3000 

0 

0 

11 

7*0 

8-7 

2500 

0 

0 

11 

6*9 

8-4 

2800 

0 

0 

11 

XII. 

6-8 | 8-2 
Versuch. 

2000 i 

0 

0 

8 Sekunden 

7-2° 

9-0° 

1000 

9 


>* 

7.5 

9.3 

1100 

8 i 



7.5 

9-3 

1100 

16 



7-6 

9.4 

1000 

4 

I 

' 1 

7-6 

9-5 

1000 

2 

1 

” | 

7-6 

9*5 

1000 

3 

1 

i 


Die gleichen Versuche wiederholten wir daun nochmals bei einer 
rahlungsdauer von 6 Sekunden. 

Tabelle V. 

XIII. Versuch. 


Leucht- 

60 Liter 

6 Sekunden 

7-2° 

8-9° 

2100 

0 

0 

Vibrionen 

11 

11 

7-4 

9-2 

2000 

0 

0 


11 

11 

7-0 

9*0 

1800 

0 

0 


11 

ii 

6-8 

8-7 

1700 

0 

0 


11 

11 

6-9 

8-4 

2000 

0 

0 


11 

11 

7-2 

9-1 

1900 

0 

0 


XIV. Versuch. 


60 Liter 

6 Sekunden 

6*9° 

8-7° 

1700 

0 

+ 

11 

11 

6-9 

8-5 

1900 

0 

+ 

1 ” 

11 

7-0 

9-0 

2050 

0 

0 

tj 1 » 

11 

7-1 

9-1 

1970 

1 

+ 

11 

11 

6-8 

8-8 

1890 

1 

+ 

11 

11 

7-2 

9-0 

2000 

0 

0 


Difitized by Gougle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 













10 


L. Schwarz und Aumakx: 


Tabelle V. (Fortsetzung.) 



1 

Testbakterien |j 

lj 

• i 

Wasser- Ein- . Temperatur 

menge in wirkungs-1 

einer Std.f zeit ; b®* 1 * 

1 i wasser Wasser 

Keim 
in 1 

Roh¬ 

wasser 

zahl 

[ ccm 

beh. 

Wasser 

i 

Anreicherang 

, 

10"“ 200 ccm 


XV. Versuch. 


Bacterium 

60 Liter 

6 Sekunden 

7-0° 

8.7° 

1500 

0 

0 

0 

prodigios. \ 

yy 

1 

yy 

7-5 

9*2 j 

1900 

1 

+ 

4- 


yy 

yy 

7-2 

9-0 i 

| 

1850 

1 

4 

4- 


yy 

yy 

8*0 

9-7 1 

1800 

o 

+ 

-4 

1 

yy 

yy 

81 

10-0 | 

1790 

o 

0 1 

0 


yy 

yy 

8-0 

9-9 

1820 

1 i 

+ 1 

4- 


XVI. Versuch. 


60 Liter 

6 Sekunden! 6*9° 

8-1° 

1200 

5 

n 

» 6-9 

8-1 

1200 

7 

» 

„ i 7-1 

9-0 

1100 

6 

ji 

1 7-1 

9-0 

1100 

4 


.. [ 7-3 

9-i 

1000 

1 

yy 

* 7-3 

i 

9-1 1 

I 

i ; 

1000 

3 1 

£ 


Zunächst sehen wir bei einem Vergleich dieser Ergebnisse, daß die 
Resultate auch bei einer längeren Einwirkungsdauer (6 Sekunden) der 
ultravioletten Strahlen nicht entsprechend günstiger sind als bei einer 
kürzeren (3 Sekunden). 

Des weiteren fanden wir aber auch bei diesen verhältnismäßig günstigen 
Versuchsanordnungen nicht eine durchaus gleichmäßige Einwirkung der 
ultravioletten Strahlen. Neben absolut keimfreien Wasserproben erhielten 
wir immer solche, die, wenn auch nur in ganz geringen Mengen, Keime 
enthielten. 

Aus den bisherigen Versuchen dürfte wohl schon hervorgehen, daß 
neben der Dauer der Bestrahlung und einer ausgiebigen Bewegung des 
zu behandelnden Wassers die Zahl der im Wasser befindlichen Keime eine 
erhebliche Rolle spielt. 

Wir gingen daher dazu über, die Wirkung der ultravioletten Strahlen 
auf keimarmes Wasser festzustellen. Der Apparat wurde direkt an die 
Wasserleitung aDgeschlossen. Der Keimgehalt des Hamburger Leitungs¬ 
wassers betrug während unserer Versuche im Durchschnitt 5 bis 7 Keime 
pro Kubikzentimeter. Nach Entnahme einer Rohwasserprobe schalteten wir 
den Strom ein und prüften dann wieder bei verschiedener Bestrahlungs¬ 
dauer. Die Ergebnisse finden sich in Tabelle VI. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 











Cbeb Tbinkwassebbehandlung mit ultbavioletten Stbahlen. 11 


Tabelle VI. 

1 

Leitungs* ; 

wasser 

Wasser- 
menge in 
einer Std. 

Ein- 

wirknngs- 

zeit 

Keimzahl 

Roh- | bell, 
wasser | Wasser 

Anreicherung 

10 cc “ |200 ec “ 

Temperatur 

Roh- beli. 

wasser Wasser 



XVII. Versuch. 






60 Liter 

6 Sekunden 

1 

0 

o 

0 

12-5° 

13-0° 


n 

77 

5 

0 

0 

+ 

12*0 

18*1 


n 

77 

6 

0 

0 

0 

12*0 

13« l 



77 

6 

0 

0 

0 

11-9 

12-8 


„ 

:7 

5 

0 

0 

0 

10-5 

11.7 



77 

5 

0 

0 

+ 

10-5 

11-7 



XVIII. Versuch. 






120 Liter 

2 Sekunden 

- 8 

0 

0 

0 

12-8° 

13-9° 


tt 


& 

0 

0 

0 

12-8 

13-9 


tr 


7 

0 

0 

0 

12-7 

14-0 


77 

77 

8 

0 

0 

0 

13*0 

15-0 


77 

77 

8 

0 

0 

0 

13-1 

14-9 


77 

77 

6 

2 

+ 

+ 

13-1 

14-9 



XIX. Versuch. 





i 

240 Liter 

1'/, Sek. 

7 

0 

i 0 

! o 

8-9° 

i 9-4° 


77 

77 

6 

1 

; + 

+ 

f 9-0 

9*5 


77 

77 

6 

0 

0 

1 0 

! 9*2 

9-9 



77 

7 

0 

0 

0 

, 9-5 

9-4 


77 

77 

8 

0 

0 

0 

8-7 

9-1 



77 

5 

1 

+ 

i + 

1 

i 8 - 9 

9*4 

i 


Im ganzen wurde also ein günstiges, wenn auch nicht gerade gleich¬ 
mäßiges Resultat erzielt. Die guten Ergebnisse bei einer Bestrahlungs¬ 
dauer von nur l 1 /, Sekunden sind wohl in erster Linie auf die durch 
den stärkeren Druck bewirkte ausgiebige Bewegung und Durchmischung 
des Wassers zurückzuführen, abgesehen von dem günstigen Umstand des 
sehr niedrigen Keimgehaltes überhaupt. 

Des Interesses wegen suchten wir noch festzustellen, ob die bisherigen 
immerhin günstigen Ergebnisse stark beeinträchtigt würden, wenn wir auf 
Filtration des Testmaterials verzichteten. Da wir bei einer Bestrahlungs- 
dauer von 3 Sekunden nach unseren früheren Versuchen annehmen 


» durften, daß wir nicht sehr günstige Ergebnisse erzielen würden, so prüften 
*ir nur bei einer Bestrahlungsdauer von 6 Sekunden. Aus dem gleichen 
Grunde prüften wir auch nur mit geringem Zusatz von Testmaterial. Die 
Unterschiede gegenüber unseren bisherigen Ergebnissen sind, wie aus 
Tabelle VII hervorgeht, durchaus nicht so wesentlich, wie wir eigentlich 
nach den Angaben in der Literatur hätten erwarten sollen. 


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12 


L. Sch w abz und Atlmann 


Tabelle VII. 


Testbakterien 

Wasser¬ 
menge in 
einer Std. 

Ein¬ 

wirkungs¬ 

zeit 

i 

Temperatur 

Rohwasser w ^ r 

Keimzah 

Rohwasser 

1 in 1 ccm 

beh. 

Wasser 



XX. 

Versuch, 




Leucht- 

60 Liter 

6 Sekunden 

8*5° 

10-2° 

4000 

3 

Vibrionen 

i 

n 


8-5 

10*4 

3700 

4 


n 


8-6 

10-5 

3900 

2 




7-2 

9-2 

2750 

5 


n 


7-5 

9-5 

3000 

7 


ii 


7-0 

9-0 

3300 

11 



XXI. 

Versuch 

. 



Bacterium 

60 Liter 

6 Sekunden 

6-9* 

8.5* 

2100 

6 

coli 

ii 

i» 

7-0 

9-0 

3000 

4 


ii 

ii 

7-0 

9-0 

3500 

5 


ii 

ii 

6-7 

8-8 

4200 

9 


ii 

ii 

6-8 

8-2 

, 3300 

8 


M 

ii 

7-3 

9-0 

3000 

12 



XXII 

. Versuch. 



Bacterium 

60 Liter 

6 Sekunden 

7*5° 

9*4° 

1 2900 

7 

prodigios. 

ii 


7-4 

9-0 

| 3100 

6 

! 

n 

11 

7*4 

9-2 

3700 

15 


ii 

11 

8-0 

10-0 I 

4000 

9 


i ** 

11 

7-9 

: 9 ’ 8 

3850 

12 

■ 

>» 

11 

6-8 

8-7 

3600 

7 


ii 


6-9 

8-5 

3050 

8 



XXUI. Versuch. 



Sporenbildner 

60 Liter 

6 Sekunden' 

6.8° 

8*5° 

4000 

4 

von 20 Min. 

11 

V 

7-2 

9-0 

3700 

7 

Resistenz 

11 

11 

7-0 

9-0 

3500 

9 


11 

11 

7-5 

9-5 

2900 

8 


11 

11 

8-0 

10-0 

3000 

5 

i 

11 1 

” 1 

7-8 

9*8 i 

3100 

10 


Schließlich setzten wir noch bei einem weiteren Versuch auf etwa 
200 Liter Wasser 200 ccm Abwasser zu. Das Abwasser wurde durch 
Filtration durch ein. Papierfilter nur von den gröbsten Bestandteilen 
befreit, eine völlige Klärung dadurch nicht erzielt. Die Wasser-Abwasser¬ 
mischung war klar. 


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Original frnm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




£beb Trinkwassebbkhandluno mit ultravioletten Stbahlen. 13 


Wasser- 


Ein- 


Temperatur 


Keimzahl in 1 **■ 


Testbakterien || menge in 
i einer Std. 

wirkungs- 

zeit 

Rohwasser 

beb. 

Wasser 

Rohwasser 

. 

beh. 

Wasser 


XXIV. Versuch. 



Abwasser 60 Liter 

6 Sekunden 

7-0° 

8-8° 

1200 

2 

» 


7-0 

8*8 

1200 

1 

» 

*> 

7-0 

8-8 

1200 

2 


» 

7*5 

9-0 

1500 ; 

8 


>> 

7-5 

9-0 

1500 

1 

i 

»» 

>> 

7-5 

9-0 

1500 

l 


Die Ergebnisse unserer Untersuchungen, die sich, wie wir bemerken 
wollen, auf dies eine von uns geprüfte Modell, sowie auf Wasser von der 
chemischen Zusammensetzung des Hamburger Leitungswassers erstreckten, 
sind folgende: 

Bei Bestrahlung von sehr keimhaltigem Wasser mit ultraviolettem 
Licht tritt innerhalb weniger Sekunden eine außerordentlich starke Keim- 
verminderung ein. Bei längerer Bestrahlungsdauer, die in praxi nach Zahl, 
Resistenz und Art der abzutötenden Keime gewählt werden müßte, ist in 
rielen Fällen ein steriles Wasser zu erhalten. Der Apparat liefert jedoch 
bei seiner jetzigen Konstruktion zu ungleichmäßige Ergebnisse, um als 
Ersatz für die gewöhnlichen Wassersterilisationsverfahren, wie sie bisher 
besonders in Krankenhäusern, wissenschaftlichen Instituten usw. in Ge¬ 
brauch sind und sich auch durchaus bewährt haben, in Betracht zu 
kommen. Vorläufig jedenfalls können wir die Sterilisierung von Wasser 
mit ultraviolettem Licht weder als „sicherer“ noch „einfacher“ bezeichnen 
und wir glauben, jetzt schon sagen zu können, daß bei der Versorgung 
selbst kleinerer Orte mit Trinkwasser die Behandlung des Wassers mit 
ultraviolettem Licht die bisher üblichen Verfahren wohl kaum im weiteren 
Umfange verdrängen wird, zumal eine Vorklärung oder Filtration durch 
geeignete Filter zur Sicherstellung der Lieferung einwandfreien Wassers 
als Vorbehandlung unerläßlich erscheint. 

Über die Betriebskosten in der Praxis gibt eine inzwischen von 
Grimm und Weldert 1 erschienene Arbeit eingehend Aufschluß. 

Die Ergebnisse unserer Versuche haben gezeigt, daß der Sterilisations¬ 
erfolg im wesentlichen von dem Keimgehalt des Rohwassers abhängig ist, 
und zwar dürfte die Keimzahl höchstens etwa zwischen 500 bis 2000 Keimen 
pro Kubikzentimeter schwanken. Eine Abtötung dieser Keimmenge müßte 

1 Grimm u. Weldert, Mitteilungen aus der Kgl. Früf’ungsanst. f. Wasser¬ 
versorgung u. Abvoasserbeseitigung. 1911. Hft. 14. S. 85. 


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Gck igle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




14 


L. Schwabz und Aumann: 


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aber sicher verlangt werden, da wir an Sterilisationsverfahren ganz andere 
Anforderungen zu stellen haben, als an die Leistungen der im Gro߬ 
betriebe gebräuchlichen Sandfilter. 

Die Trinkwassersterilisation mittels der ultravioletten Strahlen kann 
dagegen bei fortschreitender Technik wohlberufen erscheinen, in einfacherer 
W eise die Aufgabe zu lösen, Truppen vor allen Dingen im Felde mit 
Trinkwasser zu versorgen, das sicher frei von pathogenen Keimen s< in 
muß. De eie mann 1 hat zu diesem Zwecke einen fahrbaren Trinkwasser- 
bereiter entworfen. Als Sterilisationsgefäße verwendet er zwei von No gier 
modifizierte Apparate, mit einer Minutenleistung von 10 Liter (600 Liter 
pro h.) pro Lampe, eine Leistung, die wohl als ausreichend zu betrachten 
ist, da die zurzeit Verwendung findenden fahrbaren Trinkwasserbereiter 
eine durchschnittliche Stundenleistung von 500 Litern haben. 

Praktische Versuche sind mit dem zunächst nur theoretisch konstruierten 
Trinkwasserbereiter noch nicht bekannt geworden. Über die Wirksamkeit 
der Lampen nach der Nogierschen Modifikation können wir kein Urteil 
abgeben, da wir nicht mit ihnen gearbeitet haben. Wir wollen nur mit 
einigen Worten auf die Art der zur Verwendung gelangenden Filter eingehen, 
da uns dieser Punkt bei der praktischen Nutzbarmachung der ultravioletten 
Strahlen für die Wasserversorgung nächst der Verbesserung der Lampe 
selbst der wichtigste zu sein scheint. Deelemann schaltet bei seinem 
Trinkwasserbereiter nach einem der Vorreinigung dienenden Grobfilter, 
das unerläßlich ist, zwei Feinfilter ein und zwar wählt er Berkefeldfilter 
„als zweckmäßig, weil diese leicht, dauerhaft und ergiebig sind und neben 
einer sehr guten Reinigung auch sehr leicht Bedienung und Ersatz der 
unbrauchbar gewordenen Filterkerzen gewährleisten“. 2 

Unserer Meinung nach dürften jedoch im Ernstfälle nur solche Triuk- 
wasserbereiter Verwendung finden, die nicht mit so subtilen Einrichtungen 
ausgestattet sind, wie sie gerade die Berkefeldfilter — genau wie alle 
anderen Filterkerzen — darstellen. 

Auf die Zerbrechlichkeit brauchen wir nicht weiter einzugeheu, da 
dieser Nachteil genügend bekannt sein dürfte. 

Die Ergiebigkeit der Berkefeldfilter ist allerdings innerhalb der ersten 
24 Stunden wohl ausreichend, ebenso wie ihre Leistungsfähigkeit in bak¬ 
teriologischem Sinne. Dann aber befriedigen sie weder meist bezüglich 
des bakteriologischen Ergebnisses noch der Liefermenge. Selbst bei Ver- 

1 A. a. O. 

* Deelemann hat nach einer während der Drucklegung erschienenen Mit¬ 
teilung — Deutsche miHtiir-ärztl. Zeitschrift, 1911, Nr. 6, S. 247 — diese Feinfilter 
ausgeschaltet, da „es sich hei neueren Versuchen herausgestellt hat, daß .... ein 
Feinfilter nur Widerstand für den Betrieb bietet.“ 


Gck igle 


Original frum 

UNIVERS1TY OF CALIFORNIA 



ÜBER TBINKWA88ERBEHANDLÜNG MIT ULTRAVIOLETTEN STRAHLEN. 15 

wendung von absolut klarem Wasser scheiden sich aus diesem Bestandteile 
auf und in der Filtersubstanz ab, so daß innerhalb kurzer Zeit das 
Durchpumpen immer schwerer und in gleichem Maße die Ergiebigkeit 
geringer wird. 

Eine Reinigung der Filterkerzen müßte also, um eine ausreichende 
Leistung sicberzustellen, mindestens einen um den anderen Tag erfolgen, 
ein Verlangen, das im Ernstfälle doch wohl öfters auf Schwierigkeiten 
stoßen dürfte. 

Ein Versagen der Filter in bakteriologischer Beziehung würde aller¬ 
dings nicht von besonderer Bedeutung sein, da zur sicheren Abtötung 
pathogener Keime das Wasser noch der Einwirkung der ultravioletten 
Strahlen ausgesetzt wird. 

Bei dem fahrbaren Armeetrinkwasserbereiter (Modell 1909 l ) ist aus 
den oben erwähnten Gründen auch wieder von der Anwendung von Berke- 
feldfiltern und ähnlichen Filterkerzen gänzlich abgesehen worden. Eine 
Einführung der erwähnten Filter können wir nach unseren Erfahrungen 
nicht als Verbesserung betrachten. 

Als Grobfilter würden wir die Verwendung der von der Sukrofilter- 
uud Wiisserreinigungsgesellschaft-Berlin vertriebenen Sukrofilter vorschlagen. 
Das Wasser, das der Behandlung mit ultravioletten Strahlen unterworfen 
werden soll, braucht nur die eine Forderung zu erfüllen, daß es vollständig 
klar ist. Den bakteriologischen Anforderungen, die an Trinkwasser gestellt 
werden, braucht es nicht zu entsprechen, da ja sonst die Behandlung mit 
ultravioletten Strahlen überflüssig ist. Schon die von Barr 3 in unserem 
Institut an einem kleinen Modell eines Sukrofilters ausgeführten Unter¬ 
suchungen haben ergeben, .,daß diese Filter wohl geeignet sind, ein Wasser 
von Verunreinigungen mancher Art zu befreien und dabei auch eine nicht 
unerhebliche Herabsetzung der im Rohwasser enthaltenen Keime zu be¬ 
wirken.“ Versuche mit einem großen Modell, das als Vorklärer für die 
Zwecke der Beschaffung von Trinkwasser im Felde in Betracht kommen 
könnte, sind von Hilgermann 3 angestellt worden. Das Filter ist 
..quantitativ außerordentlich leistungsfähig. Die Klarheit des Filtrats war 
im Gegensatz zu dem sehr trüben schmutzigen Rohwasser (Rheinwasser) 
einwandfrei.“ 


1 Hoffmann u. Kutscher, Zur Trinkwasserversorgung der Truppen ira Felde. 
Berliner klin. Wochenschrift. 1910. Nr. 21. S. 1137. 

1 Barr, Versuche mit einem Sukrofilter. Gesundheitx-Liijenieur. 1910. Nr. 25. 
S. 461. 

1 Hilgermann, Untersuchungen über die Leistungsfähigkeit der Sukrofilter. 
Ebenda. 1911. Nr. 10. S. ISS. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



16 L. Schwarz und Aumann: Über Trinkwasserbehandlung üsw. 


Schlußsätze. 

1. Schon durch kurz dauernde Behandlung mit ultraviolettem Licht 
wird die Keimzahl selbst sehr keimhaltiger Wässer erheblich herabgesetzt 
Auch die Dauerformen der Sporenbildner werden in gleicher Weise be¬ 
einflußt. 

2. Das Sterilisationsergebnis ist, klares Rohwasser vorausgesetzt, ab¬ 
hängig von dem Keimgehalt des Rohwassers, der ausgiebigen Durch¬ 
wirbelung des Wassers während der Bestrahlung, sowie von der Be¬ 
strahlungsdauer. 

3. Mit dem Apparat Type U. 110 (100 bis 120 Volt, 4 Ampere) 
läßt sich unter den von uns gewählten Versuchsbedingungen bei Benutzung 
eines nicht sehr keimhaltigen klaren Wassers (500 bis 2000 Keime pro 
Kubikzentimeter) ein für praktische Zwecke in den meisten Fällen hin¬ 
reichendes Trinkwasser in einer Menge von 60 Litern pro Stunde erzielen. 

Sehr keimreiches bzw. nicht klares Wasser müßte einer geeigneten 
Vorbehandlung unterzogen werden. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



[Aus dem Eönigl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin] 
(Direktor: Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaffky) 

Zur 

Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae. 

Von 

Prof. Dr. Jos. Koch, und Dr. Stutzer (Moskau). 

Mitglied des Instituts. 


Der Madurafuß oder das Mycetoma pedis ist bekanntlich eine im 
Orient öfter vorkommende chronische Erkrankung des Fußes, die durch 
eine Streptothriiart, Streptothrix Madurae, verursacht wird; viel seltener 
befallt die Erkrankung Hände und Kiefer. Der Name rührt von der 
Java gegenüberliegenden Insel Madura her, auf der die Erkrankung 
häufig beobachtet wird. 

NachBockenheimer (1), der eine vorzügliche Abbildung eines Madura- 
fußes wiedergibt, beginnt die chronische Erkrankung gewöhnlich mit einer 
wenig schmerzhaften Anschwellung der Fußsohle; im weiteren Verlaufe 
bilden sich dann zahlreiche, viel verzweigte Fisteln, die sich bis auf 
den Knochen verfolgen lassen. Durch die Granulations- und Schwielen¬ 
bildungen, die mit Aktinomykose große Ähnlichkeit haben, werden Weich¬ 
teile, Knochen und Gelenke zerstört. In dem dünnflüssigen, übelriechen¬ 
den Eiter finden sich hellgelbliche und schwärzliche Pilzrasen, ähnlich 
wie bei der Strahlenpilzerkrankung. Je nach dem Aussehen der Pilz- 
kömchen unterscheidet man eine weiße, rote und schwarze Varietät. 

Kulturen von Streptothrix Madurae hat zuerst Vincent im Jahre 1894 
aus Geweben des Fußes eines Patienten mit „Madurafuß“ erhalten. 
Außer Vincent haben diese Streptothrix noch Babes, Petruschky, 
Boyce und Surveyor u. a. erforscht. Die Verschiedenheit der Angaben, 

Zeitachr. L Hygiene. LXIX 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



18 


Jos. Koch und Stutzeb: 


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die wir in den Beschreibungen der Streptothrix Madurae bei den oben¬ 
genannten Autoren finden, hat uns veranlaßt, eine Neuuntersuchung der 
Kulturen dieses Pilzes zu unternehmen. Hr. Dr. Avad hatte uns in 
liebenswürdiger Weise Glyzerinagarkulturen von Streptothrix Madurae im 
Januar 1911 aus Kairo gesandt. Die nachfolgenden Ausführungen be¬ 
schränken sich auf das Verhalten dieses uns überlassenen Stammes. 

Die Überimpfung auf verschiedene Nährböden hatte zuerst nicht ganz 
befriedigende Resultate ergeben. Auf den meisten Nährböden wurde zwar 
ein Wachstum erzielt, aber ein sehr langsames und meistenteils sehr 
spärliches. Es ist uns gelungen, die Ursache dieses Verhaltens festzustellen. 
Es zeigte sich nämlich, daß das Wachstumsoptimum der uns zur Ver¬ 
fügung stehenden Streptrothrix Madurae nicht bei 37° C lag (Vincent), 
sondern bedeutend niedriger bei 16 bis 22° C. Bei den weiteren Unter¬ 
suchungen wurden daher die Serien der Nährböden stets in zwei Hälften 
geteilt, wobei die eine Hälfte im Schrank bei Zimmertemperatur nicht 
über 22° C auf bewahrt wurde, während die andere Hälfte in den Brut¬ 
schrank von 37° C kam. 

Unsere Kulturen der Streptothrix Madurae weisen auf den verschie¬ 
denen Nährböden folgende Eigenschaften auf. Von den üblichen, in der 
bakteriologischen Praxis angewandten flüssigen Nährböden wird ein be¬ 
friedigendes Wachstum bei einer Temperatur nicht über 22° C in Pepton- 
wasser erhalten. Schon einige Tage nach der Impfung entwickeln sich 
einzelne Kolonien bis zum Durchmesser von 2 bis 3 mm . Allmählich ver¬ 
mehrt sich die Anzahl der Kolonien, besonders rasch bei täglichem 
stärkerem Umschütteln; nach 2 bis 3 Wochen bedecken sie mit dünner 
Schicht den ganzen Boden des Reagensglases oder des Erlenmeyerkölbchens. 
Ein Teil der Kolonien haftet an den Wänden des Gefäßes, ein anderer 
Teil entwickelt sich freischwebend. Die Dimensionen der Kolonien über¬ 
steigen nicht 3 bis 4 mm im Durchmesser. Ihre Gestalt ist halbkugelförmig 
bei den festsitzenden und nahezu kugelförmig bei den freiwachsenden. 
Sie sind von weißer Färbung, mit flockigen und halbdurchsichtigen 
strahligen Rändern. 

Bei 37° C ist das Wachstum in Peptonwasser bedeutend geringer. 
In einigen der geimpften Kolben wurde bei 37° mit Peptonwasser über¬ 
haupt kein Wachstum erzielt. 

Am meisten eignete sich zur Kultivierung unserer Kultur der Strepto¬ 
thrix Madurae Bouillon mit ungeronnenem Pferdeserum (1 Teil 
Serum auf 3 Teile Bouillon, d. h. der Nährboden, der im Laboratorium 
von J. Koch für Streptokokken angewandt wird). Bei Zimmertemperatur 
ist das Wachstum der Streptothrix Madurae auf diesem Nährboden mehr 


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Original frum 

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Zcr Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae. 19 

als befriedigend. Nach 5 bis 7 Tagen schon erhält man eine üppige 
Kultur. Wenn das Gefäß .mit der Kultur keinen Erschütterungen aus¬ 
gesetzt wird, so bildet sich ein weißliches lockeres Häutchen, das sich 
leicht senkt und dessen Bänder an den Wänden des Gefäßes festhaften. 
Das Wachstum vollzieht sich sowohl auf der Oberfläche, als auch am 
Boden des Gefäßes. Der flockige Niederschlag ist dabei bedeutend lockerer 
und reichlicher als im Peptonwasser. 

Von Interesse ist, daß auf demselben Nährboden bei 37° gar kein 
Wachstum stattfindet. Die geimpften Flocken der Streptothrix Madurae 
weisen nicht nur keine Entwicklung auf, sondern werden sogar kleiner 
und zerfallen. 

In Bouillon wächst Streptothrix Madurae am Boden und an den 
Wänden des Gefäßes. Der Charakter der Kolonien ist dem in Pepton¬ 
wasser ähnlich, das Wachstum ist hier aber geringer. 

Das Hinzufügen von 1 bis 2 Prozent Traubenzucker verbessert die 
Entwicklungsbedingungen des Pilzes nicht. Bemerkt sei nur, daß es 
manchmal gelingt, in Bouillon mit Traubenzucker einzelne sehr große, 
weiche und flockige Kolonien von halbkugelförmiger Gestalt zu erhalten. 

In Milch wächst Streptothrix Madurae am Boden des Reagensglases 
gut. Die Milch gerinnt nach 2 bis 3 Tagen, aber das Kaseingerinnsel 
verflüssigt sich allmählich, so daß-nach Verlauf von ungefähr 4 bis 
6 Wochen der Nährboden durchsichtig wird. 

Die Lackmusmolke (Petruschky) verändert ihre Farbe nicht. 
Das Wachstum geschieht am Boden in Form eines flockigen Nieder¬ 
schlages. Eine Temperatur über 22° hemmt das Wachstum. 

Barsiekows Nährböden mit Trauben- und Milchzucker werden nicht 
verändert. 

Auf Grund des Verhaltens unserer Kultur der Streptothrix Madurae 
zu den oben erwähnten Nährböden darf man schließen, daß der unter¬ 
suchte Stamm ein peptonisierendes Ferment ausscheidet, das Milchkasein 
auflöst. Alle übrigen biologischen Merkmale sind negativer Natur: Traubeu- 
und Milchzucker werden nicht zersetzt, reduzierende Eigenschaften sind 
nicht vorhanden, Säuren oder Basen werden nicht abgeschieden. 

Auf festen Nährböden entwickelt sich Streptothrix Madurae bei 
16 bis 22 °C bedeutend schneller und üppiger als bei 37°. Von den 
festen Nährböden ergibt das beste Wachstum geronnenes, defibri- 
niertes Pferdeblut. Nach 5 bis 6 Tagen erhält man eine gut ent¬ 
wickelte Kultur, die weit schneller wächst als die Kulturen auf Glyzerin 
oder auf einfachem Agar. 

Alle Nährböden haben folgende Eigenschaften der Streptothrix Madurae- 
Kultur gemeinsam. Das Wachstum ist vun mittlerer Geschwindigkeit. 


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20 


Jos. Koch und Stutzer: 


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Gut entwickelte Kulturen erhält man bei günstigen Bedingungen (Nähr¬ 
boden und Temperatur) nach 5 bis 10 Tagen. Die Kolonien, die isoliert 
auf der Oberfläche liegen, haben die Form von weißen, später leicht ge¬ 
bräunten Kreisen, die fest am Nährboden haften. Man kann sie nur 
entfernen, indem man eine Schicht des Nährbodens mitnimmt. Sie er¬ 
scheinen wie eingedrückt in die Oberfläche des Nährbodens. Die nahe 
aneinander liegenden Kolonien verschmelzen zu einer ununterbrochenen 
festen Membran von wellenförmiger und glänzender Oberfläche. Die alten 
Kulturen nehmen eine bräunliche Färbung an. Ihre Oberfläche wird matt. 

Auf einem Nährboden, der aus Vs defibriniertem Pferdeblut 
und */s Nähragar besteht, entwickelt sich unsere Kultur fast ebenso 
gut und rasch als auf geronnenem Pferdeblut. Nach der Ansicht einzelner 
Autoren eignet sich geronnenes Blutserum für die Kultivierung von 
Streptothrix Madurae nicht, da darin kein Wachstum erreicht wird. Indes 
entwickelt sich die zu unserer V erfügung stehende Kultur auf dem Serum 
durchaus befriedigend; dabei löst sie das Serum nach und nach auf. Der 
Peptonisierungsprozeß geht rascher bei 37° vor sich und vollzieht sich 
langsamer bei 16 bis 22°. 

Das Wachstum der Streptothrix Madurae wird durch ge¬ 
steigerte Alkaleszenz des Nährbodens besonders begünstigt. 
Stark alkalischer Agar, wie er für die Kultur von Choleravibrionen an¬ 
gewandt wird, ist zugleich ein vorzüglicher Nährboden für Streptothrix 
Madurae. Die Wachstumsgeschwindigkeit auf diesem Agar tritt hinter 
dem Wachstum auf geronnenem Pferdeblut nicht zurück. 

Glyzerinagar ist für Kultivierung von Streptothrix Madurae geeignet, 
steht aber hinter dem obengenannten Nährboden bedeutend zurück. 

Das Hinzufügen von Aszitesflüssigkeit zum Agar fördert einigermaßen 
das Wachstum von Streptothrix Madurae, die Kulturen bleiben jedoch 
dabei zart und entwickeln sich verhältnismäßig schwach. 

Gewöhnlicher Nähragar ist für diesen Pilz relativ wenig brauchbar. 
Streptothrix Madurae wächst zwar darauf, aber nur sehr schwach und 
langsam im Vergleich mit den obengenannten Nährböden. Das Hinzu¬ 
fügen von Traubenzucker verringert noch mehr seine Brauchbarkeit. 

Das Wachstum auf Kartoffel ist langsam. 

Gelatine wird sehr langsam verflüssigt. Zuerst bildet sich ein 
Trichter, dann entsteht oben eine ganze Schicht peptouisierter Gelatine. 
Die flockige Kultur der Streptothrix Madurae befindet sich an der Grenze 
zwischen dem flüssigen und dem festen Nährboden. Die Fähigkeit der 
Streptothrix Madurae, Gelatine zu verflüssigen, wurde auch von Petruschky 
beobachtet. Vincent verneint jedoch diese Eigenschaft. 


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Zur Biologie und Morphologie der Streptothrix Madurae. 21 

Die beschriebenen Beobachtungen ermöglichen folgende Schlüsse: 

1. Das Wachstumsoptimum unseres Stammes der Streptothrix Madurae 
liegt zwischen 16 bis 22° C. 

2. Von den flüssigen Nährböden sind für die Kultivierung des Pilzes 
am geeignetsten Bouillon mit Blutserum und Peptonwasser. 

3. Von den festen Nährböden ergibt das beste Wachstum geronnenes 
defibriniertes Pferdeblut, Pferdeblutagar und stark alkalischer Agar. 



Fig. l. 

lOOOfache Vergrößerung. Verästelte Mycelfäden einer 24 Tage alten Kultur aus dem 
Kondenswasser eines Löfflerserumröhrchens. Einzelne Fäden zeigen Zerfall in spören- 
ähnliche Elemente, sind aber wohl absterbende Fasern, deren chromatinreichere 
Stellen den Farbstoff festgehalten haben. Grampräparat. 

Nach einem Mikrophotogramm vom Hm. Prof. Zettnow. 

4. Bei der Kultur der Streptothrix Madurae bildet sich ein peptoni- 
sierendes Ferment, das Milchkasein, Gelatine und geronnenes Pferdeserum 
auflöst. 

Morphologie. Die Kultur der Streptothrix Madurae stellt ein Mycel 
dar, das aus sehr feinen Fäden mit einem Durchmesser von höchstens 
0-3 bis 0*5 mm besteht. Ein kleiner Pilzrasen zeigt ein Geflecht feiner 


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22 


Jos. Koch und Stutzer: 


verästelter Fäden, die im Centrum einen unentwirrbaren Knäuel mit 
lockerem Rande bilden. Die Fasern der Streptothrix weisen echte Ver¬ 
zweigungen auf, die senkrecht zu den Mutterfäden verlaufen. Der senk¬ 
rechte Abgang der Verzweigungen wird nur bei den jungen Mycelien 
beobachtet; in den alten Mycelien geht er verloren. Die Fasern der 
Streptothrix Madurae zerfallen an vielen Stellen in Gebilde (s. Fig. 1), die 
eine runde oder ovale Form haben. Ihr Querschnitt übertrifft gewöhnlich 
nicht den Durchmesser der Faser selbst. 



Fig. 2. 

Aus einer 4 Wochen alten Kultur auf stark alkalischem Agar. Fäden und stäbchen- 
artige Pilzelemente von verschiedener Länge. Färbung nach Gram. 

Nach einem Mikrophotogramm vom Hrn. Prof. Zettnow. 

Man könnte bei erster Betrachtung geneigt sein, sie für Sporen zu 
halten, doch spricht nach unserer Ansicht dagegen, daß in den Kulturen 
von flüssigen und festen Nährböden stark lichtbrechende Gebilde, die man 
für Sporen des Pilzes halten könnte, nicht zu finden sind; auch bei der 
Betrachtung der Fäden im hängenden Tropfen ist nichts zu sehen, was 
man als Sporen deuten könnte. Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier 
um absterbende Fäden, deren chromatinreichere Stellen den Farbstoff 


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Z üb Biologie und Morphologie leb Stbeptothbix Madubae. 23 


festhalten, während die anderen Teile sich bereits entfärbt haben. Die 
Fäden des Mycels in den Kulturen sind im allgemeinen von gleichmäßiger 
Dicke und bilden keine stärkeren Verdickungen an den Enden oder An¬ 
schwellungen in ihrem Verlauf, wie sie Vincent an den Drusen der 
Streptothrix Madurae im erkrankten Gewebe beschrieben hat. 

Zu den charakteristischen Merkmalen unserer Kultur scheint eine 
ungewöhnliche Zähigkeit und Festigkeit ihrer Fasern zu gehören. Auf 
festen Nährböden bildet der Pilz ein dichtes Mycel von lederartiger Kon¬ 
sistenz; um ein gutes Ausstrichpräparat von einer Kultur zu erhalten, 
maß mau sie zwischen zwei Objektträgern energisch zerdrücken, aber 
trotzdem bleibt der größte Teil der Fasern intakt. An Kulturen, die auf 
stark alkalischem, auf Pferdeblut- und Glyzerinagar gezüchtet waren, 
beobachteten wir jedoch außer den typischen verästelten langen Mycel- 
fäden auch noch bazillenähnliche, kürzere und längere Pilzelemente, die 
an die stäbchenförmigen diphtheroiden Formen des Aktinomycespilzes 
erinnern (s. Fig. 2). 

Streptothrix Madurae wird gefärbt nach Gram. 

Der Farbstoff wird sehr gut festgehalten, so daß man bei einem ge¬ 
nügenden Grade von Differenzierung Präparate erhält, die nichts zu 
wünschen übrig lassen. 

Ziehls verdünntes Fuchsin färbt die Fäden gut Alle übrigen Farb¬ 
stoffe ergeben Resultate, die hinter Gram Zurückbleiben. 

Für Versuchstiere (Warmblüter) erwiesen sich unsere Kulturen 
der Streptothrix Madurae als nicht pathogen. Wir infizierten Mäuse, 
Hatten, Meerschweinchen und Kaninchen subkutan, intraperitoneal und 
intravenös. Ein Teil der Tiere ging allerdings ein (Giftwirkung?), aber 
Obduktion und mikroskopische Untersuchung haben keine krankhaften 
Veränderungen infolge Streptothrixinfektion feststellen können. Dieser 
negative Befund stimmt mit den Versuchsresultaten von Vincent, No¬ 
card, Babes u. a. überein. 

Da sich ein wachstumhemmender Einfluß der Temperatur von 37° 
auf die Streptothrix Madurae feststellen ließ, entstand die Frage, ob nicht 
Kaltblüter empfindlicher für die Infektion waren. In der Tat kann bei 
subkutaner Impfung von Fröschen ein pathologischer Prozeß hervorgerufen 
werden. Wurde die Impfung in den Schenkel vorgenommen, so entstand 
daselbst eine bedeutende Anschwellung. Die Erkrankung verläuft sehr 
langsam. Zurzeit sind diese Versuche noch nicht abgeschlossen. Von den 
geimpften vier Fröschen starb nach 3 Wochen einer, bei den anderen be¬ 
steht der Tumor im Schenkel weiter. Bei der mikroskopischen Unter¬ 
suchung des toten Frosches fand sich folgendes: im Unterhautzellgewebe 
des Fußes sind zahlreiche Mycelrasen zu sehen, die durchaus das Bild 


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24 Jos. Koch u. Stutzeb: Zub Biologie und Mobphologie usw. 


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von Drosen darbieten, aber keine kolbigen Yerdioknngen der strahlig an¬ 
geordneten Pilzfäden der Peripherie aufweisen. Zahlreiche Mycelfäden 
liegen auch isoliert und durchsetzen in geringer Entfernung vom Haupt¬ 
herde das intermuskuläre Bindegewebe. Der erkrankte Abschnitt des 
Unterhautzellgewebes ist reichlich mit Leukozyten infiltriert. In der um¬ 
gebenden Muskulatur finden sich Hämorrhagien. Die inneren Organe 
sind vollkommen normal. Die Erkrankung zeigt bis jetzt also einen rein 
lokalen Charakter. 


Literatur. 


Bockenheimer, Archiv f. klin. Chirurgie. Bd. XC. — Kanthak, Madura- 
fuss. Transactions of Patholog. Society . London 1892. — Gemy et Vincent, Soc . 
fran$aise de dermatologie et de syphilographie. 1892. — H. Vincent, fitude sur le 
parasite du „pied de Madora“. Annales de TInstitut Pasteur. 1894. T. VIIL Nr. 3. 
— J. Petruschky, Die pathogenen Trichomyceten. Handbuch von Kolle and 
Wassermann. Bd. II. S. 839. — V. Bahes, Der Madurafuß. Ebenda . Bd. III. 
S. 454. 


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[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin.] 
(Direktor: Geh. Oberraed.-Rat Prof. Dr. Gaffky.) 
(Laboratorium: Prof. Dr. J. Koch.) 


Die einfachste 

Färbnngsmethode des Negri sehen Körperchens. 

Von 

Dr. M. Stutzer. 


Es ist bekannt, daß die alkalische Lösung des Methylenblaus außer 
dem blaufärbenden auch noch einen violettfärbenden Bestandteil enthält 
Nach Bernthsen resultiert als rotes Produkt bei der Zersetzung des 
Methylenblaus unter der Einwirkung von Alkalien ein Methylenazur und 
ein Methylen violett. Bei der gewöhnlichen Färbung mit Löfflers Me¬ 
thylenblau verbleibt im Präparat fast ausschließlich eine blaue Farbe, 
röhrend die violette hei der weiteren Behandlung ausgelaugt wird. Dieser 
^ngel wird durch die Differenzierung des Präparates, nach der Färbung 
röt Löfflerschem Blau, durch Tannin beseitigt. Eine derartige Methode 
’wde von Nicolle zur Färbung von Bakterien vorgeschlagen. Nicolle 
färbt mit Löfflers verdünntem Methylenblau und differenziert mit einer 
10 prozentigen Tanninlösung. Durch eine geringe Variation dieser Methode 
habe ich sehr schöne Resultate bei der Färbung der Negrischen Körper¬ 
ten erzielt. 

^Die Technik der Färbung ist folgende: 

1. Ein Paraffinschnitt wird, wie gewöhnlich, durch Xylol, Alkohol 
aod Wasser geführt; 

2. er wird hierauf 5 bis 15 Minuten lang mit Löfflers Methylen¬ 
blau gefärbt, welches in destilliertem Wasser bis zur Durchsichtigkeit im 


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26 


M. Stutzeb: 


Probierglas gelöst worden ist. Es empfiehlt sich, lieber intensiver, als 
nur schwach zu färben; 



Auf der Zeichnung ist eine Stelle aus dem Ammonshorn abgebildet, das von 
einem an Straßenwut gestorbenen Hunde stammt und mit Löfflers Methylen¬ 
blau und nachfolgender Differenzierung mit 1 prozentiger Tanninlösung gefärbt war. 
Eine Ganglienzelle unten rechts enthält drei Negri sehe Körperchen, von denen zwei 
als kleine Pünktchen mit hellem Hof erscheinen. In derselben Zelle ein größeres 
Negrisches Körperchen mit einem scheinbaren dichteren Kern im Zentrum, der 
mit symmetrisch angeordneten „chromatoiden Granulationen“ kreisförmig umgeben 
ist. Die übrigen Ganglienzellen enthalten in ihrem Protoplasma größere Negrische 
Körperchen, in denen die Innenkörper deutlich zu sehen sind. 

3. dann wird mit einer 1 prozentigen Tanniniösung differenziert. Die 
Dauer der Behandlung mit Tannin hängt von der Intensität der Färbung 
und der Schnittstärke ab. Schnitte in der Stärke von 4 u dürfen nicht 


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Die einfachste Fäbbongsmbthodb des Nbgeischen Köbpebohens. 27 

Hoger als 1 bis 2 Minuten in der Lösung bleiben; dickere bis 5 Minuten. 
Das Fortschreiten der Differenzierung muß bei schwacher Vergrößerung 
unter dem Mikroskop beobachtet werden. Sobald sich die Kernumrisse 
der Nervenzellen deutlich zeigen, wird das Präparat aus der Tanninlösung 
herausgenommen, mit Wasser abgespölt, mit Löschpapier abgetrocknet, 
rasch durch absoluten Alkohol und Xylol geführt und in Kanadabalsam 
eingebettet. 

Die Negrischen Körperchen werden rötlich-violett, die Nervenzellen 
blau gefärbt Bei genügender Behandlung mit Tannin treten die Einzel¬ 
heiten der Struktur der Negrischen Körperchen mit überraschender 
Deutlichkeit zutage. 

Während bei der Borrelschen Färbung, welche Negri bei seinen 
letzten Versuchen über den Tollwutparasiten (Romanowsky-Färbung und 
Differenzierung mit Tannin) anwandte, sich sämtliche Einschlüsse der 
Negrischen Körperchen einförmig azurblau färben, gestattet das Methylen¬ 
blau, bei nachträglicher Behandlung mit Tannin, diese Einschlüsse in 
zwei Gruppen zu teilen: 1. in solche, die sich blau und 2. in solche, die 
sich mit Methylenazur färben. Die blaue Farbe wirkt nur auf größere 
Einschlüsse und zwar auf diejenigen, welche Negri als Parasitenkern 
bezeichnet. Meistens enthält das Negri sehe Körperchen nur einen ein¬ 
zigen derartigen „Kern“. Violett färben sich die kleineren „chromatolden 
Granulierungen“ (Williams-Lowden). 

Der beschriebenen Methode nähert sich die Färbung nach v. Krogh. 
Sie besteht in der Färbung mit polychromem Methylenblau, Beizung mit 
Chromsäure und der weiteren Behandlung mit 5 prozentiger Tanninlösung. 
Diese Methode ist in manchen Fällen unersetzlich, z. B. bei der Färbung 
der „kokkenartigen Gebilde“ bei Tollwut, die von Jos. Koch beschrieben 
wurden. Jedoch ist diese Methode etwas zu kräftig für die Färbung der 
Negrischen Körperchen. Trotz der ziemlich langen Einwirkung von 
5 prozentiger Tanninlösung treten die Einzelheiten der inneren Struktur 
der Negrischen Körperchen nicht mit solcher Deutlichkeit hervor, wie 
bei der einfachen Färbung mit Methylenblau und Tanninbehandlung. 

Die gegenwärtig vielfach angewandte Methode nach Lentz (Eosin- 
Xethylenblau) zur Färbung der Negrischen Körperchen, gibt bei einer 
gewissen Übung gute Resultate; trotzdem wage ich es, die Färbung mit 
Löfflerschem Blau, nebst Tanninbehandlung, aus folgenden Gründen 
Torzuschlagen: 

1. ist die Technik dieser Färbung sehr einfach, 

2. wird mit ihr der wirkliche Aufbau des Körperchens sichtbar gemacht, 


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28 


M< Stutzeb: Die einfachste Fäbbünusmethode usw. 


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3. wegen der deutlichen Sichtbarkeit der Struktureinzelheiten der 
Negrischen Körperchen können dieselben mit niohts anderem verwechselt 
werden. Es genügt zur sicheren Diagnose die Auffindung eines einzigen 
Körperchens. 


Literatur. 


M. Nicolle, Annalen de l f Institut Pasteur . 1892. T. VL p. 783. — Laveran 
et Mesnil, Paris 1904. p. 10—11. — Bernthsen, Liebigs Annalen . Bd. CCXXX 
nnd CCLL — J. Koch, Diese Zeitschrift . Bd. LXVL — v. Krogh, Centralblatt 
für Bakteriologie . Bd. LVIII. 


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[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.] 
(Direktors Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaffky.) 
(Abteilnngsyorsteher: Prof. Dr. Lentz.) 

Über die therapeutische Wirkung des Chloroforms 
bei der Typhusinfektion. 

Von 

Dr. M. BuUy. 


Auf der vierten Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie in 
Berlin (1910) berichtete Conradi 1 * 3 über Versuche, durch die er eine 
keimtötende Wirkung des Chloroforms auf Typhusbazillen im Tierkörper 
erwiesen zu haben glaubte. Er ging bei seinen Versuchen von der Vor¬ 
stellung aus, daß gewisse lipoidlösliche Narcotica durch ihre starke Lösungs¬ 
affinität zu den Zellipoiden imstande wären, in die Bakterien und Körper¬ 
zellen hineinzudringen und so durch Abtötung der Bazillen eine Heilung 
des Organismus herbeizuführen. Die größte Schwierigkeit lag dabei darin, 
die Leber- und Gallengänge von den Typhusbazillen zu säubern, von 
welchen aus diese in die Gallenblase hineingeschwemmt werden, wo sie 
in der Galle einen günstigen Nährboden finden, und von wo aus sie in 
den Darm gelangen. Wie nämlich Dörr®, Lentz und Hoffmann 8 , 
Chiarolanza 4 * und E. Blumenthal 8 gezeigt haben, gelangen die 
Typhusbazillen aus der Blutbahn in der Leber in die Gallengänge und 
aus diesen mit der Galle in die Gallenblase. Blumenthal erwähnt auch 


1 ZeiUchr. f. Immunitätsforschung u. experim. Therapie. 1910. Bd. VII. S. 156. 

* Dörr, CentraVblatt für Bakteriologie. Abtl. I. Orig.-Bd. XXXIX. S. 624. 

3 Lentz, Bericht Über den XIV. intern. Kongreß für Hygiene u. Demographie. 
Bd.ll. S. 73. 

4 Chiarolanza, Diese Zeitschrift. 1909. Bd. LXII. S. 11. 

3 Blnmenthal, Centralblatt für Bakteriologie. 1910. Orig.-Bd. LV. S. 341. 


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30 


M. Bully: 


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bereits in seiner Arbeit, daß es vielleicht möglich wäre, durch ein Des- 
infizienz die Typhusbazillen in den Gallengängen zu vernichten, nnd da¬ 
durch die Typhusbekämpfung bedeutend zu erleichtern. 

Auf Veranlassung von Prof. Lentz habe ich die Versuche Conradis 
einer Nachprüfung unterzogen. Inzwischen wurden auch im Kaiserlichen 
Gesundheitsamte die Angaben Conradis nachgeprüft, worüber Hailer 
und Rimpau* berichteten. 

Bei unseren Versuchen hielten wir uns streng an die Angaben von 
Conradi. Eine Öse einer 24 ständigen Typhusagarkultur — es wurde 
immer derselbe Stamm (151) benutzt — wurde in 1 fCm physiologischer 
Kochsalzlösung aufgeschwemmt und dem Kaninchen in die Ohrvene inji¬ 
ziert, und zwar kam auf l k & Körpergewicht 1 “ m einer solchen Typhus¬ 
kochsalzaufschwemmung. Die Tiere wurden vor der Infektion und nach 
dem Exitus genau gewogen. Die Behandlung mit dem Chloroform ge¬ 
schah bei unseren Versuchen nur rektal und es wurde gemäß den An¬ 
gaben Conradis frisches Chloroform „Anschütz“ in einem Gemenge von 
2*5 Teilen Milch und 2 Teilen Rahm in einem Verhältnis 1:10 durch 
intensives Schütteln gelöst. Die Kaninchen wurden nun in Bauchlage 
auf ein Operationsbrett festgeschnallt und ihnen dann vorsichtig ein 
weicher Nelathonkatheter in das Rektum eingeführt. Mittels einer 5 ccm 
fassenden Pravazspritze gossen wir langsam das Chloroformmilchgemenge 
(0-5 ccm Chloroform + 4*5 com Rahmmilch) in den Mastdarm ein. Der 
Katheter wurde dann nach 10 Minuten langsam herausgezogen. In 
wenigen Fällen flössen einige Tropfen nach. Von einer Abklemmung 
des Mastdarmes sahen wir ab, da wir den Verlust einiger weniger Tropfen 
der Chloroformmilch im Verhältnis zu der injizierten Menge (5 ocm = etwa 
100 Tropfen) vernachlässigen zu dürfen glaubten. Bei den von uns be¬ 
handelten 54 Tieren konnten wir nur bei einem Kaninchen eine starke. 
Injektion der Därme nach weisen, und dies bei einem Tiere, welchem wir 
0-8 ccm Chloroform versuchsweise infundierten. 

Die Behandlung der Kaninchen geschah täglich, und zwar bis zu 
10 Tagen. Dann wurden die Behandelten entweder am Tage nach der 
letzten Einverleibung des Chloroformrahmgemisches oder 2 bis 8 Tage 
später durch Nackenschlag getötet und seziert. In derselben Weise wurden 
auch die Unbehandelten getötet. Unter sterilen Kautelen nahm ich Herz, 
Milz und Gallenblase heraus und strich mehrere Ösen aus diesen Organen 
auf Drigalski-Conradi-Platten aus. Diese kamen darauf 24 Stunden in 
einen 37°-Brutofen. Die typhusverdächtigen blauen Kolonien wurden 
dann mit einem Typhusserum in einer Verdünnung 1:100 auf ihre 

2 Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt. 1911. lid. XXXVI. 


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Original fro-m 

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Therapeut. Wirkung des Chloroforms bei d. Typhüsinfektion. 31 


Versuch I. 

a) Mit Chloroform behandelte Tiere. 



n 6x0*5 2000 1910 21. VI. 24. VI. 30. VI. | — J—j —|—J 

b) Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolliere). 


l.M. Nr. 

Gramm-Gewicht! 
vor der Infektion 

Gramm-Gewicht 
nach Exitus 

! Tag der 
Typhus¬ 
infektion 

Getötet 

Spontan 

einge¬ 

gangen 

Typhu 

bazille 

nachwei 

| .2 | N 
|£ 1 

18- 

n- 

s in 

o 
! 3 

N 

s 

X 

Bemerkungen 

1 1 1300 

1160 

14. VL 


20. VI. 

Ty. 

Ty. 

Ty. 

Milz vergrößert. Galle 
eitrig 

2 1500 

1230 

99 

— 

20. VI. 

Ty. 

Ty. 

Ty* 

desgl. 

3 1700 

1580 

99 

— 

27. VI. 


— 



4 1C50 

1700 

99 

28. VI. 

— 

Ty. 

— 

— 

Milz stark vergrößert 

5 1750 i 

1650 

99 

28. VI. 

— 

— 

— 

— 


6 1700 

I 

1700 

” 

28. VI. 


Ty. 


— 

Milz stark vergrößert. 

Galle eitrig 

1 2050 

1800 

99 

29. VI. 

— 

Ty. 

— 

— 

Galle eitrig 

8 1900 

1720 

»9 

29. VI. 

— 

— 

— 1 

— 

Milz vergrößert 

9 2300 

2150 

99 

30. VI. 

— 

Ty. 

— i 

— 

desgl. 

10 1560 

1420 

99 

30. VI. — 

Versuch I 

A. 

— 

— 

desgl. 

11 2012 

1900 

21. VI. 1 

28. VI. 

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Ty. 

Ty. 

Ty. 

desgl. 

12 2020 

1870 


29. VI. 

— 

Ty. 

— 

- 1 



Digitized by Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






32 


M. Bully: 


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Agglutinabilität untersucht. Zweifelhafte Kolonien wurden auf den 
üblichen Testnährböden identifiziert und bezüglich ihres agglutinatorischen 
Verhaltens austitriert. 

Im ganzen wurden 102 Kaninchen mit Typhusbazillen infiziert. 
Davon gingen vor Beginn der Behandlung 20 Tiere ein und scheiden 
damit für die Beurteilung unserer Versuche aus. Sie wurden daher in 
die Tabellen nicht aufgenommen. Von den übrig gebliebenen 82 Kanin¬ 
chen wurden 42 Tiere mit Chloroform behandelt, die anderen 40 dienten 
als Kontrolliere. Über diese Versuche geben die Tabellen I bis IV 
Auskunft. 

Zu Versuch I wurden 20 Tiere verwendet. 10 Kaninchen wurden 
mit Chloroform behandelt, 10 Tiere dienten als Kontrolltiere. (Voraus¬ 
schicken möchten wir, daß, wie aus den Tabellen zu ersehen ist, einige 
Tiere noch nach Beendigung der Behandlung 2 bis 3 Tage am Leben 
gelassen wurden, um zu sehen, ob nicht einige Bazillen, die durch das 
Chloroform vielleicht nur geschwächt wurden, sich nach Beendigung der 
Behandlung wieder erholen und doch noch weiter entwickeln konnten.) 
Von den behandelten Tieren gingen vier vor Beendigung des Versuches 
spontan ein. Davon zeigte ein Tier, das zweimal mit 0*5 Chloro¬ 
form behandelt worden war, nur in der Galle Typhusbazillen. Bei den 
anderen drei Tieren, die 3- bis 6 mal 0*5 ccm Chloroform erhalten 
hatten, erwiesen sich alle Organe als steril. Die übrigen sechs Kaninchen, 
die 10mal mit 0-5 ccm Chloroform behandelt worden waren, zeigten in 
keinem Organe Typhusbazillen. Von den Kontrollieren gingen drei Tiere 
vor Beendigung des Versuches spontan ein. Zwei Tiere, die 6 Tage nach 
der Infektion ad exitum kamen, wiesen in allen untersuchten Organen 
Typhusbazillen auf, bei dem dritten, das 13 Tage nach der Infektion 
einging, konnten keine Typhusbazillen nachgewiesen werden. Von den 
bis zum Abschluß der Behandlung am Leben gebliebenen Kaninchen 
wurden zwei mit Chloroform behandelte und drei Kontrolltiere am Tage 
nach dem Abschluß der Behandlung, zwei unbehandelte 1 Tag und zwei 
behandelte und zwei unbehandelte 2 Tage später getötet. Während bei 
keinem der behandelten Tiere Typhusbazillen nachzuweisen waren, wiesen 
vier der Kontrollen, uud zwar von den am 28. VI. getöteten zwei, von 
den an den beiden folgenden Tagen getöteten je ein Tier Typhusbazillen 
in der Galle auf. Es enthielten also von den mit Chloroform behandelten 
Tieren 1 = 10 Prozent, von den Kontrollieren 6 = 60 Prozent Typhus¬ 
bazillen, frei von letzteren waren während der Behandlung 9 Behandelte 
= 90 Prozent, ohne Behandlung 4 = 40 Prozent. 

Anschließend an diesen Versuch wurden 7 Tage später noch vier 
Tiere infiziert, davon ging ein Tier noch vor Beginn der Behandlung ein. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Thebapeut. Wirkung des Chloroforms bei d. Typhusinfektion. 83 


Versuch II. 

a) Mit Chloroform behandelte Tiere. 


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2 8x0*5 1800 j 1650- „ „ | 

3 8x0«5'17601 1600 ' 


4 9x0-5 2020 1960 


5 9x0-5 

6 9x0-5 
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8 9x0-5 

9 9x0-5 


2300,2200 
1800 j1780 
2000'2150 
1600 1520 
1750 1700 


14. VIII. — — — Milz vergröß. 
19. VIII. - | — 

19. VIII. Ty.-Milz vergröß., 

Galle eitrig 

21. VIII. Ty. Ty. Ty. Galle eitrig, 
Milz vergröß. 


21. VIII. 
23. VIII.! 
25. VIII. 
25. VIII. 
27. VIII. 


Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolliere). 



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25. VIII. 

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2000 

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2020 

1900 

ii 

27. VIIL 

— 

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Typihus- 
bazillen- 
ichweis in 


Bemerkungen 


enorm vergrößert 


Milz vergrößert, Galle 
eitrig 


Milz vergrößert 
desgl. 
des gl. 


f. Hygiene. LXIX 


Digitized fr, 


Google 


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34 


M. Bully: 


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Von den übrig gebliebenen drei Tieren wurde das eine 6mal behandelt; 
seine Organe waren bazillenfrei. Die anderen beiden als Kontrollen 
dienenden Kaninchen wiesen nach 7 und 8 Tagen Typhusbazillen auf. 

Für Versuch II wurden 19 Tiere benutzt. Davon gingen zwei Tiere 
einen Tag vor Beginn der Behandlung ein und scheiden somit aus. "Von 
den neun behandelten Kaninchen ging ein Tier, das 4mal mit 0*5 ecm 
Chloroform behandelt worden war, spontan ein. Dieses Tier zeigte in 
keinem der untersuchten Organe Typhusbazillen. Zwei Tiere, die 8 mal 
mit 0-5 ccm Chloroform behandelt worden waren, kamen ebenfalls spontan 
ad exitum. Die Organe des einen Tieres waren bazillenfrei, das zweite 
Kaninchen wies dagegen in der Galle Typhusbazillen auf. Ein Tier, das eine 
vollständige Behandlung durchgemacht hatte, ging 2 Tage nach Abschluß 
der Behandlung ebenfalls spontan ein; dieses enthielt in allen unter¬ 
suchten Organen Typhusbazillen. Getötet wurden nach 9 maliger Be¬ 
handlung fünf Kaninchen. Sie erwiesen sich in allen Organen bazillen- 
frei. Von den acht Kontrolltieren ging nur ein Tier 6 Tage nach der 
Infektion vor Beendigung des Versuches ein. Aus der Galle, Milz und 
Herzblut dieses Tieres konnten Typhusbazillen gezüchtet werden. Korre¬ 
spondierend zu den 8- und 9 mal behandelten, spontan eingegangenen 
Tieren wurden drei Kontrolltiere getötet. Nur das eine, 11 Tage nach 
der Infektion getötete Tier zeigte in Galle und Milz Typhusbazillen. Die 
noch übrigen vier Kontrolltiere wurden mit den behandelten Kaninchen 
korrespondierend getötet. Ihre Organe waren ebenso wie die der be¬ 
handelten Kaninchen vollständig frei von Typhusbazillen. Insgesamt 
wurden also in diesem Versuch neun Tiere behandelt; von diesen waren 
zwei Tiere = 22 Prozent noch mit Typhusbazillen infiziert, die anderen 
= 78 Prozent waren bazilleufrei. Von den acht Kontrolltieren waren 
ebenfalls nur 2 = 25 Prozent mit Typhusbazillen infiziert, während 
6 = 75 Prozent spontan bazillenfrei geworden waren. 

Für den Versuch III wurden 30 Tiere verwendet. Bei 10 von diesen 
wurde am 10. IX. mit der Behandlung augefangen; sie gingen jedoch 
alle zwischen dem 11. IX. und 15. IX. an Seuche eiu; zwei von diesen 
Tieren waren bazillenfrei, alle anderen Tiere zeigten in allen Organen 
Typhusbazillen. Ebenso ging ein unbehandeltes Tier am 15. IX. an der 
Seuche, außerdem noch drei Tiere, 5, 18 und 20 Tage nach der Infektion 
eiu, von denen die beiden letzteren bereits frei von Typhusbazillen waren. 
Diese 14 Tiere mußten wir folglicherweise ausscheiden. Von den übrig 
gebliebenen 16 Tieren behandelten wir 8 Kaninchen, und zwar begannen 
wir mit der Behandlung am 28. IX., also 20 Tage nach der Typhus- 
infektiou. Ein 5mal mit 0*5 ocm behandeltes Tier ging spontan eiu uud 
erwies sich in allen Organen steril. Alle übrigen 7 Kaninchen wurden 


Go^ 'gle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Thebapeüt. Wirkung des Chloroforms bei d. Typhusinfektion. 35 

Versuch III. 


a) Mit Chloroform behandelte Tiere. 


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Gramm-Gewicht bei 
Begiu d* Behiadhng 

Gramm-Gewicht am 
Ende der Behandlung 

Tag der 
Typhusinfektion 

Anfangstag 
der Behandlung 

Getötet 

nach Beendigung 
der Behandlung 

Spontan eingegangen 

Typhus¬ 
bazillen¬ 
nachweis in 

Bemerkungen 

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1 5x0-5 

2900 

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8. IX. 

28. IX. 

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2. X. 


— — Milz vergröß. 

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1900 

1640 

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8 8x0-5 

2900 

2740 

99 


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b) Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolliere). 



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Bemerkungen 

Milz vergrößert 
desgl. 

Galle körnig 

Milz vergrößert 

Milz vergrößert, Galle 
körnig 


3* 


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36 


M. Bully: 


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29 Tage nach der Infektion, nachdem sie 8mal mit 0*5 ccm Chloroform 
behandelt worden waren, getötet und seziert. Bei keinem dieser Tiere 
konnten in irgend einem Organ Typhusbazillen nachgewiesen werden. Die 
am Leben gebliebenen 8 Kontrolltiere wurden korrespondierend mit den 
behandelten Kaninchen am 6. X. getötet, also ebenfalls 29 Tage nach 
der Infektion. Es zeigten Ton diesen Tieren vier noch in der Galle 
Typhusbazillen, die übrigen Tier waren in allen Organen bazillenfrei. Die 
behandelten acht Tiere waren also sämtlich frei von Typhusbazillen, also 
100 Prozent. Bei den Konfrontieren waren je 4 » 50 Prozent mit 
Typhusbazillen infiziert bzw. bazillenfrei. 

Am 13. X. wurden für den vierten Versuch 29 Tiere infiziert, von 
diesen wurden 14 Tiere behandelt, und zwar wurde bei 10 Kaninchen 
5 Tage und bei 4 Tieren 25 Tage nach der Infektion mit der Behand¬ 
lung begonnen. Von den 15 Konfrontieren gingen 6 Kaninchen vor 
Beginn der Behandlung 1 bis 3 Tage nach der Infektion ein und sind 
demzufolge in den Tabellen nicht aufgenommen worden. Von den be¬ 
handelten Kaninchen zeigten zwei in der Galle Typhusbazillen; das 
eine von diesen war nach einer 5 maligen Behandlung mit 0*5 ecni 
Chloroform, das andere, das als einziges jedesmal 0-8 ccm Chloroform er¬ 
halten hatte, nach einer 6 maligen Behandlung spontan eingegangen. Es 
waren also von den behandelten Kaninchen 12 = 86 Prozent bazillenfrei 
und 2 Tiere = 14 Prozent trotz der Behandlung mit Bazillen behaftet. 
Von den Kontrolltieren ging ein Tier 21 Tage nach der Infektion ein 
und wies in der Galle und in der Milz Typhusbazillen auf. Außerdem 
zeigten 2 Tiere 12 Tage und 1 Kaninchen 25 Tage nach der Infektion 
in der Gallenblase Typhusbazillen. Es waren also von den 9 Kontroll¬ 
tieren 44-4 Prozent noch mit Typhusbazillen infiziert, während 5 Tiere 
= 45*6 Prozent spontan bazillenfrei geworden waren. Nehmen wir da¬ 
gegen jede der beiden Gruppen, bei deren einen die Behandlung am 
18. X., bei der anderen am 7. XI. begann, mit den ihnen entsprechenden 
Kontrolltieren für sich, so wiesen in Gruppe 1 von den behandelten 
9 Tieren noch 2 = 22 Prozent Typhusbazillen auf, während 7 = 88 Pro¬ 
zent frei waren, von den Kontrollen hatten 3 = 75 Prozent noch Typhus¬ 
bazillen, 1=25 Prozent keine; in der 2. Gruppe waren sämtliche be¬ 
handelten Kaninchen frei, von den fünf unbehandelten 4 = 80 Prozent, 
während nur 1 = 20 Prozent noch Typhusbazillen aufwies. 

Betrachten wir nun sämtliche behandelten und unbehandelten Tiere, so 
können wir folgende Schlußfolgerungen ziehen: Von 42 behandelten Ka¬ 
ninchen wiesen 5 Tiere, also 15 Prozent Typhusbazillen auf. Es waren 
also 85 Prozent bazillenfrei. Von den uubehandelteu 40 Kontrolltieren 
waren mit Typhusbazillen infiziert 19 Tiere, also 48 Prozent. Es waren 
also 52 Prozent spontan bazillenfrei geworden. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Teebapect. Wibkung des Chlobobobms bei d. Typhcsinfektion. 37 


Versuch IV. 

a) Mit Chloroform behandelte Tiere. 


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Typhus¬ 
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Bemerkungen 


i 4x0-5 2800 2680 13. X. 18. X. — j 22. X. Ty 


2 6x0-8 1900 1900 „ „ I — 24. X. Ty. — - 


3 7x0-5 

4 7x0-5 

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6 7x0-5 

7 7x0*5 
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9 7x0*5 

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11 5x0-5 

12 7x0*5 

13 7x0*5 

14 7x0*5 


, 26.X. | - 
XI. — 12. XI. 

, i 6 . xi. — ; 


Galle eitrig, Milz ver¬ 
größert 

Gallenblase schmutzig¬ 
grau, Galle körnig, 
Darm injiziert 


25. X. --- 


Unbehandelte typhusinfizierte Kaninchen (Kontrolltiere). 


| J j Tag der 

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Typhus- Getötet einge* 
i 5 'S infektion ; gangen 

! X CS o n 


| Typhus* 

c _, bäzillen- 

^ n nachweis in 


Bemerkungen 


1 2400 

2 2so0 

3 2200 

4 1!*00 

5 2900 

6 2400 
" 2500 
8 2200 
9 1700 


2230 13. X. 

2460 

2250 

1710 


- | Ty. - 

- Ty. - 
5. XI. Tv. Tv. 


Galle eitrig 

Galle eitrig 
Galle eitrig, Milz stark 
vergrößert 

Milz vergrößert 
Galle eitrig 

Milz vergrößert 


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38 M. Bully: Therapeut. Wirkung des Chloroforms usw. 


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Schalten wir bei allen vier Versuchen die spontan eingegangenen 
Tiere aus, unter denen sich auch ein Tier befindet (vgl. Versuch II), 
das erst 2 Tage nach Abschluß einer 9 maligen Behandlung mit 0-5 ccm 
Chloroform einging, so kommen wir zu folgendem Resultat. Es wurden 
30 Tiere 7-, 8-, 9- und 10 mal mit 0• 5 ccra Chloroform behandelt. Bei 
keinem von diesen Kaninchen konnten in irgend einem der untersuchten 
Organe Typhusbazillen nachgewiesen werden. Es waren also 100 Prozent 
dieser Tiere bazillenfrei. Von den 30 Konfrontieren waren 40 Prozent der 
Kaninchen infiziert, also 60 Prozent auch ohne Behandlung bazillenfrei. 

Erwähnen möchte ich noch, daß die Galle in den meisten Fällen, 
in welchen sich Typhusbazillen in ihr fanden, eitrig war und die Gallen¬ 
blase dann schon äußerlich eine schmutzig-grüne oder weißliche Ver¬ 
färbung zeigte. Ebenso war in einer großen Zahl sowohl der behandelten 
als auch der unbehandelten Tiere, und zwar unabhängig von einem Be¬ 
fund von Typhusbazillen, bei den betreffenden Kaninchen die Milz ver¬ 
größert. 

Unsere Versuche lehren also in annähernder Übereinstimmung mit 
den aus dem Gesundheitsamt veröffentlichten Resultaten, daß nach der 
künstlichen Infektion von Kaninchen mit Typhusbazillen ein recht erheb¬ 
licher Prozentsatz (60 Prozent) der Tiere schon spontan die Bazillen 
wieder verlieren kann, daß aber dieser Prozeß durch die Einwirkung des 
Chloroforms doch anscheinend begünstigt wird. Wenn sonach die von 
Conradi, Hailer und Rimpau und auch von uns an Kaninchen er¬ 
zielten Resultate die von Conradi ausgesprochene Hoffnung, daß die 
Chloroformbehandlung imstande sein könnte, Typhusbazillenträger von 
ihren Infektionskeimen zu befreien, gerechtfertigt erscheinen mag, so hat 
doch ein Versuch am Menschen diese Erwartung nicht bestätigt, wie der 
nachstehend mitgeteilte Versuch zeigt. Zwei chronische Typhusbazillen¬ 
träger, bei denen seit Jahren im Stuhle konstant Typhusbazillen nach¬ 
gewiesen werden konnten, und die im Rudolf-Virchow-Krankenhaus zu 
Berlin (Abtl. Prof. Jochmann) aufgenommen waren, um womöglich 
durch eine geeignete Behandlung von ihren Typhusbazillen befreit zu 
werden, wurden, nachdem bereits eine ganze Reihe anderer Mittel bei 
ihnen nicht zu dem gewünschten Ziele geführt hatte, mit aufsteigenden 
Dosen von Chloroform behandelt. Sie erhielten das Chloroform in Dosen 
von 0*5 ccm in Geloduratkapseln per os bis zu vier Kapseln täglich 
20 Tage lang. Eine dauernde Verminderung oder gar ein Verschwinden 
der Typhusbazillen in ihrem Stuhle konnte jedoch nicht erzielt werden. 


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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin.] 
(Direktor: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Flügge.) 


Beitrag zur Frage über die Bakteriendurchlässigkeit 
der Schleimhaut des Magendarmkanals. 

Von 

Stabsarzt Hornemann, 

kommandiert zum Institut. 


Die Frage der Bakteriendurchlässigkeit der Schleimhaut des Intestinal- 
traktus ist noch nicht ein wandsfrei entschieden. Bei den zahlreichen 
Fehlerquellen der Untersuchungsmethoden nnd den Schwierigkeiten, die 
sich einer richtigen Deutung der gewonnenen experimentellen Ergebnisse 
entgegenstellen, ist das wohl erklärlich, trotzdem eine große Zahl wissen¬ 
schaftlicher Arbeiten die Lösung der Frage herbeizuführen suchte. Ich 
möchte in der vorliegenden Arbeit nicht die gesamte einschlägige Literatur 
aufzählen, sondern beschränke mich bezüglich der älteren Literatur auf 
die ausführlichen Zusammenstellungen in den Arbeiten von Neisser 1 , 
Opitz*, Marcus 8 , sowie auf die kritische Zusammenstellung von Schott 4 , 
der auf Grund seines reichen experimentellen und klinischen Materials 
keine Berechtigung zu der Annahme zu haben glaubt, „daß pathogene 
oder nichtpathogene Bakterien die Wand des gesunden Mageudarmkanals 
durchwandern können“. 

1 M. Neisser, Diese Zeitschrift. Bd. XXII. S. 12. 

* E. Opitz, Ebenda. Bd. XXIX. S. 505. 

8 Marcus, Zeitschrift für Heilkunde. 1899. S. 427. — Wiener kl ui. Wochen- 
tchrift. 1901. S. 11. 

* Schott, Centralblatt für Bakteriologie. I. Orig. 1901. Bd. XXIX. S. 239 
und 291. 


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40 


Hornemann: 


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Nur über einige Arbeiten, die nach jener Zeit erschienen sind, möchte 
ich kurz berichten. Klimenko 1 , der seine Versuche an Hunden, Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen anstellte, kommt zu dem Resultat, daß die 
unverletzte Darmwand vollkommen gesunder Tiere für Mikroorganismen 
undurchgängig ist und daß eine Durchwanderung durch die gesunde, 
unverletzte Darmwand nur bei kranken Tieren stattfindet. Er betont 
aber, daß vollkommen gesunde Tiere sehr selten sind, und daß schon die 
geringste pathologische Schädigung des tierischen Gesamtorganismus oder 
eine unbedeutende Verletzung der Darmmukosa zur Bakteriendurchwande- 
rung genügt. Er erblickt in den Mesenterialdrüsen Schutzvorrichtungen, 
die das Eindringen der Mikroorganismen in die Blutbahn verhindern 
sollen. 

Santi Rindone 2 berichtet, daß schwere und unheilbare Verletzungen 
der serösen Haut und der Muskelmembran den Darm für die Keime nicht 
durchgängig machen, daß aber ähnliche Verletzungen der Schleimhaut 
das Durchdringen der Keime in die Gekrösedrüsen und in die Blutbahn 
gestatten. 

Ficker 3 fand bei seinen sorgfältigen Untersuchungen, daß eine 
Durchwanderung saprophytischer Keime (ProdigioSus), die er in großen 
Mengen mit der Nahrung an die Tiere verfütterte, bei 3 von 8 aus¬ 
gewachsenen Kaninchen stattgefunden hatte; bei ausgewachsenen Hunden 
und Katzen wurde sie nicht beobachtet. Es verhalten sich also die Tier¬ 
gattungen in dieser Beziehung ganz verschieden. Außer dem Einfluß der 
Gattung kommt in hohem Grade der Einfluß des Alters in Betracht; bei 
säugenden Kaninchen, Hunden und Katzen fand ein Durchtritt der ver¬ 
fütterten Keime innerhalb der Verdauungszeit fast regelmäßig statt, so daß 
sie im Blut und in den Organen nachweisbar waren. Es ist Fickers Ver¬ 
dienst, durch quantitative Experimente festgestellt zu haben, daß sich die 
Magendarmwand jugendlicher Tiere bezüglich ihrer Bakteriendurchlässig¬ 
keit anders verhält, als die der ausgewachsenen. 

Durch weitere Arbeiten wies Ficker nach, daß sich bei erwachsenen 
Kaninchen, Hunden, Katzen, Mäusen und Ratten verfütterte saprophytische 
und im Darm heimische Bakterien in Lymph- und Blutbahn und den 
inneren Organen zeigten, wenn er die Tiere längere Zeit hungern oder 
die Hunde in der Tretmühle laufen ließ. 

1 Klimenko, Diese Zeitschrift. 1904. Bd. XLV1II. S. 6T. 

s Santi Rindone, Riforma med. 1905. Nr. 18. 

» M. Ficker, Archiv für Hygiene. Bd. UI. S. 179. - Bd. LIV. S. 354. - 
Bd. LV1I. S. 56. 


Gck igle 


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Bakteeiendubchlässigkeit des Dabms. 


41 


Die Ergebnisse Fickers bezüglich des Einflusses des Hungers auf 
die Keimdurchlässigkeit des Darmes und seiner Drüsen konnte Moro 1 
bestätigen. 

Hilgermann 2 * wies in Schnittserien nach, daß verfütterte Blind¬ 
schleichen - Tuberkulosebazillen beim ganz jungen Kaninchen in großen 
Mengen durch die Darmschleimhaut hindurchdringen; in viel geringerer 
Zahl beim jungen Meerschweinchen. 

Im Gegensatz zu den Untersuchungsergebnissen von Behrings 8 
konnte Uffenheimer 4 * feststellen, daß der Darm junger Meerschweinchen 
nicht für Milzbrandbazillen durchgängig ist, desgleichen auch nicht für 
Tetragenus und Prodigiosus. Dagegen konnte er die Durchgängigkeit der 
Darmwand alter wie junger Meerschweinchen für Tuberkelbazillen bestä¬ 
tigen. Er will bei dem Durchgang der Tuberkelbazillen nie eine Reizung 
der Schleimhaut gesehen haben. Er nimmt deshalb an, daß der Durch¬ 
gang dieser Bazillen sehr rasch nach der Fütterung erfolgt. Durch 
Schnitte gelang ihm der Nachweis der Tuberkelbazillen in den Epithel¬ 
zellen und ihren Interstitien. Im übrigen konnte er die Fick er sehen 
Versuche bestätigen, indem es ihm gelang, verfütterte Prodigiosuskeime 
im Blut und in den Organen besonders junger Kaninchen, des öfteren 
aber auch älterer Kaninchen wiederzufinden. 

In einer späteren Arbeit macht derselbe Autor darauf aufmerksam, 
daß Keime, die per Klysma Kaninchen ein verleibt waren, durch Darm, 
Magen und Ösophagus in den Rachenraum und von hier durch Aspiration 
in die Trachea und in die Lungen gelangen können, indem sie entgegen 
der Peristaltik hinaufsteigen. Er betont ausdrücklich, daß diese Möglich¬ 
keit der Bakterienwanderung bei Beurteilung experimenteller Befunde in 
Betracht zu ziehen ist, weil sie leicht zu Fehlschlüssen bezüglich der 
Durchgängigkeit der Darmwand verleiten kann. 

Selter 6 kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Schluß, 
daß die intakte Darmwand für Bakterien nicht ganz undurchlässig ist, 
daß diese aber in den Mesenterialdrüsen zurückgehalten werden, und daß 
deshalb Leber, Milz, Niere und Blut normalerweise keimfrei sind. 

Ungefähr dieselben Ergebnisse teilt Rogozinski 6 mit. Durch Ver¬ 
suche, die er in der Mehrzahl an Hunden und vereinzelt auch an Katzen 

1 Moro, Archiv für Kinderheilkunde . 1906. 43. S. 340. 

* Hilgermann, Archiv für Hygiene. 1905. Bd. L1Y. S. 335. 

8 v. Behring, Hft. 8 seiner Beiträge. 

4 Uffenheimer, Archiv für Hygiene. 1906. Bd. LV. S. 1. — Deutsche med. 
Wochenschrift. 1906. S. 1851. 

* Selter, Diese Zeitschrift. 1906. Bd. LIV. S. 363. 

6 K. Rogozifiski, Bulletin de V academie des Sciences de Cracovie. Fevrier 1902. 


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42 Hoenemann: 

anstellte, konnte er nacliweisen, daß bei 21 unter 26 dieser Tiere das 
Bact. coli in den Mesenterialdrüsen vorhanden war. Nach Verfütterung 
des B. prodigiosus, kieliensis, mycoides an sieben Hunde fand er bei fünf 
von diesen Tieren die Keime in den Mesenterialdrüsen mittels des Kultur¬ 
verfahrens wieder; dagegen konnte er einen Durchgang durch diese Drüsen 
nicht konstatieren. 

Altana Giuseppe 1 verfütterte pathogene und saprophytische Keime 
an ausgewachsene und neugeborene Meerschweinchen und fand, daß die 
Magen- und Darmschleimhaut den Keimen einen absoluten Widerstand 
entgegensetzt, und daß in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen 
ausgewachsenen und neugeborenen Meerschweinchen besteht. Die Wider¬ 
standskraft der Magendarmwand sei aber nur unter normalen und physio¬ 
logischen Verhältnissen vorhanden. Nur einige Keime scheinen eine Ab¬ 
weichung von dieser Regel darzustellen. Den Grund hierfür erblickt der 
Forscher in besonderen spezifischen Eigenschaften der betreffenden Arten, 
nämlich Veranlassung mikroskopischer Verletzungen der Schleimhaut oder 
Herabsetzung der lokalen oder allgemeinen Widerstandsfähigkeit des Orga¬ 
nismus. Zu dieser Art von Keimen scheint besonders der Tuberkelbacillus 
zu gehören. 

Zahlreiche Arbeiten beschäftigen sich ausschließlich mit dem Tuberkel¬ 
bacillus. Von diesen möchte ich nur die Versuche von Schlossmann 
und Engel 2 an laparotomierten jungen Meerschweinchen erwähnen, die 
positiven Ausschlag gaben; während eine Wiederholung der Versuche 
durch Strassner 3 in fehlerfreierer Versuchsanordnung zu dem entgegen¬ 
gesetzten Resultat führte. Auch Oberwarth und Rabinowitsch 4 * machten 
ihre Versuche an operierten Tieren (Ferkeln); es ist wohl mit Recht gegen 
diese Versuche der Einwaud erhoben, daß ein positiver Ausfall für nor¬ 
male Verhältnisse nichts beweise. 

Demgegenüber sprechen sich Takeya und Dold 6 neuerdings gegen 
die Auffassung aus, daß ein Durchtritt von Tuberkelbazillen durch die 
Darmschleimhaut ohne tuberkulöse Veränderungen der letzteren stattfinde. 
Sie bestreiten auch eine anstandslose Passage der Bazillen durch die 
regionären Lymphdrüsen. Beim Vorhandensein einer Mesenterialdrüsen¬ 
tuberkulose sei stets eine Darmtuberkulose nachzuweisen, auch wenn die 


1 Altana Giuseppe, Rivista d'Igiene e Sanita Publica. 1908. T. XIX. Nr. 19. 
p. 581. 

2 Schlossmann u. Engel, Deutsche med . Wochenschrift . 1906. S. 1075. 

3 Strassner, Münchener med. Wochenschrift . 1907. S. 1774. 

4 Oberwarth u. liabinowitsch, Berliner klin. Wochenschrift 1908. S. 298. 

3 Takeya u. Dold. Arbeiten a. d. pathol. Institut Tübingen. Bd. VI. S. 710. 


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Bakteriendubchlässigkeit des Darms. 


43 


I Darm wand makroskopisch normal erscheine; ebenso würden bei nachweis¬ 

licher Darmtuberkulose auch in den anscheinend intakten Mesenterial¬ 
drüsen Tuberkelbazillen gefunden. 

Indem ich eine Reihe von anderen Arbeiten übergehe, weil sie für 
| die speziell von mir behandelten Fragen ohne Belang sind, habe ich nur 

' noch über eine Versuchsreihe zu berichten, die Hr. Dr. Ballin in dem 

I Breslauer hygienischen Institut unter der Leitung von Hm. Geheimrat 
i C. Flügge vor einigen Jahren angestellt hat, die aber aus äußeren 
Gründen nicht abgeschlossen werden konnte, und zu deren Ergänzung 
nnd Abschluß meine eigenen Versuche unternommen sind. 

Dr. Ballin benutzte zu seinen Untersuchungen nur junge Tiere: 
Hunde, Ziegen, Kaninchen und Meerschweinchen. Zweimal untersuchte 
er auch sein eigenes Blut, nachdem er eine Frodigiosusaufschwemmung 
in sterilisierter Milch genossen hatte. Ein Teil der jungen Versuchstiere 
wurde ohne vorherige Darreichung bestimmter Bakterienemulsionen per os 
getötet und verarbeitet. Die Tötung erfolgte 2 bis 4 Stunden nach der 
letzten Nahrungsaufnahme. Einer zweiten Gruppe von Versuchstieren 
verabreichte Dr. Ballin eine Aufschwemmung körperfremder, aber un¬ 
schädlicher und leicht erkennbarer Mikroorganismen per os. Bei den 
jungen Kaninchen und Meerschweinchen bediente er sich durchweg der 
Sondenfütterung. Aus seinen protokollarischen Aufzeichnungen ist er¬ 
sichtlich, daß er sich der Fehlerquellen, welche dieser Einverleibungs- 
j methode anhaften, wohl bewußt war. Wenn er trotzdem dieselbe benutzte, 

1 so tat er es von dem Gedanken aus, daß auch andere Fütterungsmethoden 
| bei jungen Tieren Veranlassung zu erheblichen Fehlerquellen bieten können. 

J Es sei nur an die Verwendung von Saugfläschchen bei jungen Kaninchen 
1 erinnert: die jungen Tiere verschlucken sich sehr leicht hierbei, was eine 
Aspiration der Keime in die Lunge und von da aus — wie aus Fickers 
I Untersuchungen bekannt ist — eine Verschleppung der Keime durch 
den Lymph- und Blutstrom auch in andere Organe zur Folge haben 
kann. Die Sondenfütterung hat den Vorzug der genauen Dosierung der 
zn verfütternden Keimmengen, andererseits aber den großen Nachteil, 
daß leicht in der zarten Rachen-, Ösophagus- und Magenschleimhaut der 
jungen Tiere Läsionen gesetzt werden, durch die den Keimen Gelegenheit 
geschaffen wird, direkt in die Blutbahn zu kommen. Auch ist ein nicht¬ 
gewolltes Einführen der Sonde in die Luftröhre oder ein Abstreifen von 
Material am Kehlkopfeingang leicht möglich. Diese Punkte müssen bei 
der Bewertung der Resultate berücksichtigt werden. Die jungen Ziegen 
und Hunde tranken die Keime mit Milch. 

Zur Verfütterung gelangten Prodigiosuskeime zugleich mit einer nicht 
pathogenen Staphylokokkenart. 


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Hobnemann: 


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In den vier ersten Versuchen ohne Bakterienverfütterung wurde die 
Tötung und Sektion der Tiere sowie die Verarbeitung der Organe in 
demselben Raum ausgeführt, ein Umstand, der aus naheliegenden Gründen 
große Verunreinigungsmöglichkeiten der Kulturen in sich schloß. Bei 
allen übrigen Versuchen wurden die genannten Manipulationen in ge¬ 
trennten, wenig betretenen Zimmern vorgenommen. 

Die Tötung der Tiere erfolgte durch Nackenschlag. Die Tiere wurden 
in den ersten Versuchen abgebalgt. Es zeigte sich aber hierbei, daß 
beim Abziehen des Felles die Bauchorgane gedrückt und dadurch künst¬ 
liche Läsionen geschaffen werden können, weshalb bei den späteren Ver¬ 
suchen darauf verzichtet wurde. Nach der Tötung wurden die Tiere mit 
Sublimat und Alkohol abgewaschen und dann auf ein mit Sublimat be¬ 
feuchtetes Brett gespannt. Es folgte nochmaliges Abspülen des Tieres 
mit Alkohol und die Eröffnung der Bauchhöhle mit Instrumenten, die 
durch Kochen sterilisiert waren. Die Organstücke wurden in trocken 
sterilisierten Reibschalen zerrieben; ein Teil der einzelnen Organstücke 
wurde mit verflüssigtem Agar und Gelatine gemischt und zu Platten aus¬ 
gegossen, der Rest in Gefäße mit Nährbouillon verimpft. Die Nährböden 
wurden 5 Tage beobachtet. Zeigten die Bouillonröhrchen Bakterien¬ 
wachstum, so wurde ihr Inhalt zwecks Erkennung der Keimarten 
auf Agarplatten verimpft, und mehrere Verdünungsplatten angelegt. 
Untersucht wurden in allen Fällen Leber und Milz, in einigen Fällen 
auch Blut und Mensenterialdrüsen. Außerdem wurden Agarplatten 
während des Versuches offen neben den Kadavern aufgestellt und so lange 
offen gehalten, bis die Verarbeitung der Tiere erledigt war. Zeigten Luft- 
und Organplatten die gleichen Bakterienarten, so wurden letztere als aus 
der Luft stammend, angesehen. 


Versuchsreihe I. 

Bailins Versuche an jungen Tieren ohne Verfütteruug körperfremder 

Bakterien. 

1. Meerschweinchen, 14 Tage alt, Gewicht 130 * nn , 2 Stunden nach 
der letzten Nahrungsaufnahme durch Nackenschlag getötet. Fell wird ab¬ 
gezogen, Instrumente durch Kochen sterilisiert. 

Resultat: Kulturen von Leber, Milz und Blut Kokkenwachstum an der 
Oberfläche; die mit Blinddarminhalt außerdem Colibazillen. 

2. Meerschweinchen, 14 Tage alt, Gewicht 130 ?rm , von demselben Wurf 
wie das vorige, ebenfalls 2 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme 
durch Nackenschlag getötet. Technik dieselbe wie im vorigen Versuch. 

Resultat: Leber und Milz Kokkenwachstum an der Oberfläche; Blut 
steril: Blinddarminhalt Kokken- und Coliwachstum. 


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Baktebienduechlässigkeit des Dabms. 


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3. Meerschweinchen, 10 Tage alt, Gewicht 110 ff™, 2 Stunden nach 
dem Absetzen von der Mutter durch Nackenschlag getötet, vorsichtig abge¬ 
zogen. Technik dieselbe wie in den vorigen Versuchen. 

Resultat: 1 Gelatineplatte mit Leber zeigt 3 oberflächliche Kolonien 
Kokken* und 1 oberflächliche Kolonie kurze Stäbchen, 1 Agarplatte von 
Leber 2 oberflächliche Kolonien Kokken. 1 Gelatineplatte von Milz zeigt 
ebenfalls 2 Kolonien Kokken an der Oberfläche. Sämtliche Bouillon¬ 
röhrchen steril. Blinddarminhalt zahlreiche Kolonien von Kokken und 
kurzen Stäbchen. 

4. Meerschweinchen, 3 Tage alt, Gewicht 70 ff™, in derselben Weise 
wie die vorigen behandelt. 

Resultat: 1 Agarplatte von Leber zeigt 1 oberflächliche Kokkenkolonie; 
1 Agarplatte von Milz 4 oberflächliche Kokkenkolonien. Sämtliche andere 
Kulturen steril. Blinddarminhalt reichliche Stäbchen-, vereinzelte Kokken¬ 
kolonien. 

5. Meerschweinchen, 12 Tage alt, Gewicht 130 ff™, in derselben Weise 
wie die vorigen behandelt. 

Resultat: Sämtliche Bouillon-, Agar- und Gelatinekulturen steril Darm¬ 
inhalt meist Stäbchen, vereinzelt Kokken. 

6. Kaninchen, 3 Wochen alt. 165 ff™, wie die vorigen behandelt. 

Resultat: Alle Kulturen steril. Danninhalt reichliches Stäbchen- und 

vereinzeltes Kokkenwachstum. 

7. Kaninchen, 22 Tage alt, Gewicht 185 ff™, 2 Stunden nach der letzten 
Nahrungsaufnahme durch Nackenschlag getötet. 

Resultat: 1 Agarplatte von Milz enthält eine oberflächliche Kokken¬ 
kolonie, alle übrigen Röhrchen steril. Blinddarminhalt reichliches Coli- und 
Kokkenwachstum. 

8. Ziege, 21 Tage alt, Gewicht 4230 ff™, mit sterilisierter Büchsenmilch 
gefüttert, 4 Stunden nach dem letzten Trinken getötet. 

Resultat: Kulturen mit Blut, Leber, Milz und Mesenterialdrüsen steril; 
Blinddarminhalt reichlich Coli, vereinzelt Kokken. 

9. Hund, 5 Wochen alt, Gewicht 2650 ff™, mit steriler Milch gefüttert, 
4 Stunden darnach durch Strangulation getötet. 

Resultat: Leber, Milz, Blut steril, Darminhalt meist Coli. 

In den ersten vier Versuchen ohne Einverleibung bestimmter Bak¬ 
terien durch Verfütterung fällt die verhältnismäßig große Anzahl ober¬ 
flächlich gewachsener Kokkenkolonien auf. Sie sind wohl alle als zufällige 
Verunreinigungen anzusprechen und stammen zum weitaus größten Teil, 
wenn nicht ganz und gar, aus der Luft des Operationszimmers. Diese 
Annahme ist um so berechtigter, als Sektion der Tiere sowie die weitere 
Verarbeitung derselben in einem Raum geschah, der häufig betreten wurde, 
so daß ein Aufwirbeln von Staub, Tierhaaren usw. und somit auch Kokken 
sehr leicht möglich war. Andere Untersucher (Klimenko) machten ähn¬ 
liche Erfahrungen, wenn sie für die Versuche nur einen Raum verwendeten. 
Auch die oberflächliche Lagerung der fraglichen Kokkenkolonien spricht 


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Hornemann: 


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für Luftverunreinigungen, namentlich aber der Umstand, daß auch die 
Luftkontrollplatten reichliches Wachstum von Kokken zeigten. In gleicher 
Weise ist die oberflächliche Kokkenkolonie auf der Milzplatte in Versuch 7 
zu bewerten. 

Bei allen anderen Versuchen, auch bei denen mit Bakterienverfütterung, 
wurde die Tötung der Versuchstiere und die Verarbeitung ihrer Organe 
in getrennten Räumen vorgenommen. Hier blieben die mit Organteilen 
beimpften Röhrchen und Platten stets steril. Ohne Frage spielt wohl 
auch das allmähliche Erlernen der spezifischen, für diese Versuche er¬ 
forderlichen Technik bei dem Fehlen von Verunreinigungen in den 
späteren Versuchen eine nicht unwichtige Rolle. 

Leider wurden nur in einem Falle (Versucht) die Mesenterial¬ 
drüsen untersucht; sie erwiesen sich als frei von Keimen. 

Das Gesamtresultat dieser Untersuchungsreihe ist somit das, daß in 
den verarbeiteten Organen niemals Keime nachgewiesen werden konnten. 

Versuchsreihe II. 

Ballins Versuche an jungen Tieren mit Verfütterung körperfremder 

Bakterien. 

1. Ziege, 4 Wochen alt, Gewicht 3950 grra , erhält eine Aufschwemmung 
von Prodigiosus und nicht pathogenem Staphylococcus albus in 1 / 2 Liter 
sterilisierter Milch zu trinken. Menge der Keime: je 1 Drigalski-Schale 
2 Tage alter Agarkultur. Nach 4 Stunden getötet. 

Resultat: Blut, Leber, Milz, Mesenterialdrüsen steril. Blinddarminhalt 
reichlich Staphylokokken und Prodigiosus. 

2. Hund, 6 Wochen alt, Gewicht 2600 f?rm , trinkt in ca. */« Liter steri¬ 
lisierter Milch je 1 Drigalski-Schale 2 Tage alter Agarkulturen Prodigiosus 
und Staphylococcus albus (nicht pathogen); wird nach 4 Stunden getötet. 

Resultat: Blut, Leber, Milz, Mesenterialdrüsen steril; im Blinddarm¬ 
inhalt reichlich die verfütterten Keime. 

3. Meerschweinchen, 12 Tage alt, Gewicht 120 prm , erhält mittels 
Sondenfütterung 10 ccm einer dicken Aufschwemmung von Prodigiosus und 
der nicht pathogenen Staphylokokkenart in Milch. Tötung nach 1 '/ 2 Stunden. 

Resultat: Leber, Milz, Prodigiosus positiv. Blinddarminhalt reichlich 
positiv. Mesenterialdrüsen nicht untersucht. 

4. Kaninchen, 14 Tage alt, Gewicht 125 grm , erhält ebenfalls mittels 
Sondenfütterung I0 ccm einer dicken Aufschwemmung von Prodigiosus und 
Staphylococcus albus in Milch. Tötung nach 2 Stunden. 

Resultat: Leber, Milz steril; Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus, 
weniger Kokken. Mesenterialdrüsen nicht untersucht. 

5. Meerschweinchen, 10 Tage alt, Gewicht 125 s™, bekommt mittels 
Sondenfütterung 5 ccin einer Aufschwemmung von Prodigiosus und Staphylo¬ 
coccus albus in Milch, und zwar je 1 / 2 Schriigagarröhrchen. Tötung nach 
2 Stunden. 


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Bakteriendurchlässigkeit des Darms. 


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Resultat: Leber, Milz steril. Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus. 
Mesenterialdrüsen nicht untersucht. 

6. Kaninchen, 15 Tage alt, Gewicht 165 grm , erhält mittels Sonden¬ 
fütterung I0 ccm Milch mit je 1 Schrägagarkultur Prodigiosus und Staphylo- 
coccus albus. Tötung nach 2*/* Stunden. Beim Abpräparieren des Felles 
riü das Bauchfell in der Lebergegend ein. 

Resultat: Leber, Milz steril; Blinddarminhalt Prodigiosus und Kokken 
positiv. Mesenterialdrüsen nicht untersucht. 

7. Meerschweinchen, 12 Tage alt, Gewicht 110 srm , erhält mittels Sonden¬ 
fütterung je 1 Schrägagarkultur von Prodigiosus und Staphylococcus albus 
in 10 ccm sterilisierter Milch. Tötung nach 4 1 / a Stunden. 

Resultat: Leber, Milz steril; im Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus 
nnd Kokken. 

8. Kaninchen, 15 Tage alt, Gewicht 170 gnn , erhält mittels Sondenfütte¬ 
rung I0 com Milch mit 2 Schrägagarkulturen Prodigiosus und 1 Schrägagar¬ 
kultur Slaphylococcus albus. Tötung nach 4 1 / 2 Stunden. 

Resultat: Leber, Milz steril; im Blinddarminhalt reichlich Prodigiosus, 
weniger Kokken. 

9. Versuch am Menschen: Nach Neutralisation des Magensaftes durch 

1 Teelöffel Natr. bicarb. trank Dr. Ballin 1 / 2 Liter sterilisierter Milch mit 
drei 2 Tage alten, bei 22 0 gewachsenen Prodigiosus-Schrägagarkulturen. 

2 Stunden später sterile Entnahme von 10 ccm Blut aus der Ellenbogenvene. 

Resultat: Sämtliche Agarplatten und Bouillongefäße, mit je 0 • 5 ccm Blut 
beimpft, steril. Auf Fäces-Kontrollplatten reichlich Prodigiosus. 

10. Zweiter Versuch am Menschen: wie der vorige, nur werden 
5 Agarkulturen in */i Liter Milch genossen. 

Resultat: Sämtliche Agarplatten und Bouillonröhrchen steril; aufFäces- 
und Milchkontrollplatten reichlich Prodigiosus. 

Wie die Versuche der ersten Versuchsreihe, zeigen auch die der 
zweiten ein eindeutiges Resultat; in Leber und Milz 1 jungen Ziege, 
1 jungen Hundes, 2 juDger Meerschweinchen, 3 junger Kaninchen, denen 
eine Aufschwemmung von Prodigiosus zugleich mit nicht pathogenen 
Staphylokokken per os mittels Sonde einverleibt wurde, konnten diese 
Keime niemals nachgewiesen werden. In Versuch 1 und 2 wurden auch 
die Mesenterialdrüsen untersucht und ebenfalls steril befunden. Nur 
Versuch 3 fällt mit seinem Resultat aus dem Rahmen der übrigen Er¬ 
gebnisse heraus. Es zeigt sich hier Prodigiosus - Wachstum, in Röhrchen 
und auf Platten, die mit Leber und Milz des jungen Meerschweinchens 
geimpft sind. Nach den Angaben des Protokolls ist anzunehmen, daß 
diese Keime aus den betretlenden Organen stammen. Es möge hier 
genügen, diese Tatsache festzustellen; ich komme später auf den Versuch 
zurück. 


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Hoknemann: 




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Die zwei Versuche am Menschen ergaben kein Wachstum von Pro- 
digiosuskeimen in den mit dem Blute der Versuchsperson angelegten Kul¬ 
turen, obwohl die Versuchsperson, namentlich beim zweiten Versuch, an 
leichter Enteritis litt. 


Meine eigenen, auf Anregung von Hrn. Geheimrat C. Flügge an- 
gestellten Untersuchungen sollten in die Lücke eingreifen, welche Ballins 
Versuche offenbar noch gelassen hatten. Ballin hatte nur mit sapro- 
phytischen Bakterien gearbeitet, während es sehr wohl möglich ist, daß 
pathogene und halbpathogene Bakterien sich wesentlich anders verhalten 
und sich leichter einen Weg durch die Darmwand bahnen. 

Von pathogenen Keimen verwandte ich den Milzbrandbacillus, zum 
Teil auch Milzbrandsporen, letzteres in der Erwägung, daß vielleicht die 
Milzbrandbazillen durch die Salzsäure des Magensaftes derartig nachteilig 
beeinflußt würden, daß nur ein Teil der verfütterten Keime für den Durch¬ 
tritt durch die Darmwand in Frage käme. Die Sporen werden ja be¬ 
kanntlich von der Magensäure so gut wie nicht angegriffen. Der Milz¬ 
brandbacillus besitzt ferner den Vorzug einer leichten Erkennbarkeit seiner 
Kolonien. Von den halbpathogenen Keimen benutzte ich den Bacillus 
des Schweinerotlaufs, der im Gegensatz zu dem großen Milzbrandbacillus 
sich durch besondere Kleinheit auszeichnet und auch noch um ein Be¬ 
trächtliches schlanker und zierlicher ist als der Prodigiosuskeim. 

Als Versuchstiere benutzte ich Kaninchen und Meerschweinchen, und 
zwar alte und junge. Die Einverleibung der Bakterien geschah so, daß 
sie dem Futter beigemengt wurden. Als Futter wurden ausschließlich 
geschabte Mohrrüben verwandt. Die Menge dieses Mohrrübenbreies wurde 
dem Alter und Größe der Tiere entsprechend, genommen. Wenn ich die 
Tiere vor dem Fressen 10 bis 12 Stunden hatte hungern lassen, wurde 
das Futter regelmäßig vollständig gefressen, so daß ich die gefressene 
Bakterienmenge genau kannte. 

Die Tötung erfolgte abweichend von Dr. Ballins Methode 4 bis 
13 Stunden nach der Fütterung. Ein längerer Zeitraum zwischen Fütte¬ 
rung und Tötung wurde deshalb gewählt, weil ich mich des öfteren über¬ 
zeugen konnte, daß bei Tötung in kürzerer Zeit nach der Fütterung der 
Dünndarm noch vollständig leer und beinahe steril war, während der 
noch gänzlich gefüllte Magen die verfütterten Keime in großen Mengen 
enthielt. Auch der Dickdarminhalt war alsdann noch vollständig frei von 
den verfütterten Mikroorganismen. Es war also ein Auftreten der Keime 
in den Drüsen und Organen dieser Tiere von vornherein ziemlich aus¬ 
geschlossen, da sie ja mit der Schleimhaut des Dünndarms als des Teiles 


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Bakteeiendubchlässigkeit des Daums. 


49 


* 


| des Yerdauungstraktus, in dem nach Fickers Untersuchungen derDurch- 
| tritt am häufigsten stattfindet, noch nicht in Berührung gekommen waren. 

Die Tötung der Tiere erfolgte durch Nackenschlag, in einzelnen Fällen 
durch Strangulation. Auf eine Abbalgung der Tiere wurde aus oben an¬ 
geführten Gründen grundsätzlich verzichtet. Die Methodik wählte ich in 
einzelnen Punkten abweichend von der Ballinschen: nach Entfernung 
der Haare von Hals, Brust und Bauch wurden die Tiere in toto (nur 
Maul und Nase ragten aus der Flüssigkeit hervor) in eine 1 promillige 
Sublimatlösung für die Dauer einer 1 / 4 Stunde gelegt und sorgfältig damit 
gewaschen. Der Kopf wurde in ein mit Alcoholus absolutus befeuchtetes 
Tuch geschlagen. Die Aufspannung der Tiere erfolgte auf Sektionsbrettern 
und mit Firiernadeln, die ebenfalls einer gehörigen Waschung mit Sublimat 
unterzogen waren. Fütterung, Tötung und Sektion der Tiere wurden 
stets von verschiedenen Personen ausgeführt, ebenso war es nach den 
Erfahrungen früherer Untersucher selbstverständlich, daß diese drei Mani¬ 
pulationen in drei vollständig voneinander getrennten Bäumen vor sich 
gingen. Speziell geschah die Sektion in einem Baume, der sonst fast 
gar nicht betreten wurde. Der noch von Sublimat feuchte Kadaver wurde 
nun mehrmals mit Alcoholus absolutus übergossen, dann wurde er ganz 
und gar mit einem ausgekochten Leinentuch überdeckt. Das Tuch zeigte 
über der Brust und dem Bauch des Tieres einen Einschnitt, der die Er¬ 
öffnung des Kadavers ermöglichte. Nach nochmaligem Übergießen des 
Tieres mit Alcoholus absolutus wurden die Bauchdecken mittels Instru¬ 
menten eröffnet, die teils durch */* ständiges Kochen, teils durch trockene 
flitze im Eeagensglase sterilisiert waren. Vor dem jedesmaligen Gebrauch 
derselben wurden sie außerdem noch in der Flamme ausgeglüht. Selbst¬ 
verständlich standen für jedes Organ besondere Instrumente zur Verfügung. 
Oie Organe kamen gesondert in sterile Beibschalen, in denen sie in ge- 
' nügender Weise zerkleinert wurden. Die Drüsen wurden mittels der 
Scheere zerschnitten. Sodann gelangten die präparierten Organe mittels 
steriler Pinzetten in die Nährsubstrate. 

Als Nährmedien wurden bei allen Versuchen Bouillon als Anreiche¬ 
rungsflüssigkeit, außerdem Agar- und Gelatineplatten verwendet. Die Organe 
der Tiere wurden fast stets vollständig verarbeitet, nur bei den größeren 
Versuchstieren begnügte ich mich mit der Verimpfung eines größeren 
Teiles der Organe. Es wurde besonders Kücksicht darauf genommen, 
daß zur möglichsten Verdünnung etwaiger wachstumshemmender Stoffe 
in den Organen die Quantität des Nährmaterials zu der des Orgauteils 
in richtigem Verhältnis stand. Das Blut entnahm ich entweder direkt 
dem Herzen oder ich saugte mit Hilfe einer sterilen Pravazschen Spritze 
aus der großen Hohlvene ein genügendes Quantum auf, lim es sodann 

Zeitschr. £ Hygiene. LXIX 4 


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50 


Hoknemann: 


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iu die Nährsubstrate zu bringen. Die beimpften Agarplatten wurden 
5 Tage lang bei 87°, die Gelatineplatten 8 Tage lang bei Zimmer¬ 
temperatur beobachtet. Die Bouillongefäße kamen für 4 Tage in den 
Brutschrank von 37°; sodann wurden aus allen, auch wenn sie makro¬ 
skopisch kein Wachstum erkennen ließen, je drei Platinösen auf Agar- 
platten gebracht, mit Drigalski-Spatel darauf verrieben und zwei Verdün¬ 
nungen angelegt. Die Platten wurden 3 bis 4 Tage bei 37° auf bewahrt. 
Auf diese Weise konnten auch spärliche Mengen der verfütterten Keime 
in der Regel erkannt werden. In zweifelhaften Fällen schritt ich zur 
Impfung weißer Mäuse, indem ich den Tieren von der infizierten Bouillon 
0-25 ccm intraperitoneal injizierte oder von fraglichen Agar- bzw. Gelatine¬ 
kolonien eine angemessene Menge in einer Hauttasche verrieb. Bei den 
Versuchen mit Rotlaufbazillen wurde die Mäuseimpfung grundsätzlich zu 
Hilfe genommen, weil ich mir der Schwierigkeit der Identifizierung dieser 
Keime auf der Agar- und Gelafcineplatte bewußt war. Ich konnte so um 
so mehr auf die Erkennung auch spärlicher Rotlauf bazillen rechnen, als 
ich einen Stamm benutzte, der in einer Menge von 0*01 ccm einer 24 stän¬ 
digen Bouillonkultur eine Maus bei intraperitonealer Injektion in spätestens 
2 Tagen tötete und der durch Meerschweinchenpassage in seiner Virulenz 
nicht beeinträchtigt wurde. 

Ich glaube, daß bei Befolgung dieser Versuchsanordnung es wohl 
möglich sein mußte, die übergetretenen Keime auch in den spärlichen 
Mengen, mit denen man in der Mehrzahl der Versuche wohl rechnen 
mußte, mit einiger Sicherheit nachzuweisen. 

Um vor Luftverunreinigungen gesichert zu sein, stellte ich während 
der Sektion um das Sektionsbrett herum geöffnete Agar- und Gelatine- 
platten auf, die während der Dauer der ganzen Manipulationen geöffnet 
blieben. Es ist mir niemals möglich gewesen, die verfütterten Keime 
oder spezifische Darmbakterien auf den Luftplatten nachzuweisen: die an¬ 
gewandten Vorsichtsmaßregeln genügten also wohl, um eine Verunreinigung- 
der Luft und der Kulturen auszuschließen. 

Versuchsreihe III. 

Versuche an ausgewachsenen Tieren. 

1. Kaninchen, Gewicht 2750 s™, erhält in Mohrrübenbrei 1 / l 24 Stunden 
alte Schrägagarkultur Milzbrandbazillen. Frißt gut auf. Tötung nach 
4 Stunden. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lungen steril; Dünn¬ 
darm leer; keine Milzbrandbazillen nachzuweisen, auch nicht im Blinddarm. 

2. Kaninchen, Gewicht 2290 grra , bekommt in Mohrrübenbrei 2 24 Stunden 
alte Kulturen Milzbrandbazillen. Frißt gut auf. Tötung nach 7 Stunden 
durch Nackenschlag. 


Go^ 'gle 


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Baktekiexdurchlässigkeit des Darms. 


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Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge steril. Blinddarm- 
iiikalt Milzbrandbazillen + . 

3. Kaninchen, Gewicht 2260 grm , Fütterung mit 2 24 Stunden alten 
Milzbrandschrägagarkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden 
durch Nackenschlag. 

Resultat: Sämtliche Blut- und Organkulturen steril. Blinddarminhalt 
Milzbrand + . 

4. Kaninchen, Gewicht 2360 grn \ erhält 6 24 Stunden alte Schrägagar- 
kulruren Milzbrandbazillen in Mohrrübenbrei. Frißt gut auf. Tötung nach 
12 Stunden durch Nackenschlag. 

Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen kein Milzbrand. Blind- 
darminlialt Milzbrand +. 2 Lungenröhrchen enthalten Staphylokokken und 

Heubazillen. 

5. Kaninchen, Gewicht 2680 grm , erhält 6 24 Stunden alte Schrägagar¬ 
kulturen Milzbrandbazillen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 1 / 8 Stunden 
durch Nackenschlag. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge Milzbrand nega¬ 
tiv. Blinddarminhalt zeigt reichlich Milzbrand. 1 Drüsenbouillonrührchen 
enthält plumpe, kurze, mäßig bewegliche Stäbchen und 2 Lungenröhrchen 
Kokken und Heubazillen. 

6. Kaninchen, Gewicht 2100 * rm , erhält 6 24 Stunden alte Schrägagar¬ 
kulturen von Milzbrand in Mohrrübenbrei. Tötung 12 1 /2 Stunden später 
durch Strangulation. 

Resultat: Sämtliche Blut- und Organkulturen steril. Blinddarminhalt 
reichlich Milzbrand. 

7. Kaninchen, Gewicht 2370 grm , erhält 6 Schrägagarkulturen von Milz¬ 
brandsporen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 11 Stunden durch Strangulation. 

Resultat: Sämtliche Blut- und Organkulturen steril. Blinddarminhalt 
Milzbrand + . 

8. Meerschweinchen, Gewicht 240 grm , erhält in Mohrrübenbrei 2 
24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach 4 Stunden. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge frei von Milz¬ 
brand; Dünndarm leer. Schleim enthält ganz vereinzelt Ileubazillen. Magen 
stark gefüllt, im Inhalt reichlich Milzbrand. 

9. Meerschweinchen, Gewicht 255 grm , erhält in Mohrrübenbrei zwei 
24 Stunden alte Kulturen Milzbrandbazillen. Tötung nach b l j 2 Stunden 
durch Strangulation. 

Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen steril; Magen stark gefüllt, 
enthalt reichlich Milzbrand. Dünndarm leer, Blinddarm frei von Milzbrand. 

10. Meerschweinchen, Gewicht 270 grm , erhält in Mohrrübenbrei 6 Kul¬ 
turen (24 Stunden alt) Milzbrandbazillen. Tötung nach 12 Stunden durch 
Sackensehlag. 

Resultat: Mesenterialdrüsen, Blut, Lungen Milzbrand +, ebenfalls Milz¬ 
brand reichlich im Blinddarmin halt. 

11. Meerschweinchen, Gewicht 285 grm , erhält in Mohrrübenbrei sechs 
24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach 12 Stunden 
durch Strangulation. 

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Hobnemann: 


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Resultat: Mesenterialdrüsen Milzbrand +> desgleichen reichlich im 
Blinddarminhalt. 

12. Meerschweinchen, Gewicht 295 grm , erhält 6 Milzbrandsporenkulturen 
in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden. 

Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen, auch Danninhalt, Milz¬ 
brand -f. 

13. Meerschweinchen, Gewicht 276 grm , erhält 3 24 Stunden alte Milz¬ 
brandschrägagarkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden. 

Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen frei von Milzbrand; 
2 Lungenröhrchen Staphylokokken. Blinddarminhalt Milzbrand + . 

14. Meerschweinchen, Gewicht 265 grm , erhält 4 Sporenkulturen Milz¬ 
brand in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden durch Strangulation. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Milzbrand. 
Blinddarminhalt Milzbrand +. 

15. Meerschweinchen, Gewicht 280 gTm , frißt in Mohrrttbenbrei 10 Kul¬ 
turen 24 Stunden alter Milzbrandbazillen. Tötung nach 12 Stunden durch 
Nackenschlag. 

Resultat: Milz, Drüsen, Leber, Blut Milzbrand 0; 8 Drüsenröhrchen 
enthalten Coli, 1 Lungenröhrchen Staphylokokken und Milzbrand. Blind¬ 
darminhalt Milzbrand +. 

16. Meerschweinchen, Gewicht 280 grm , frißt in Mohrrübenbrei zehn 
48 Stunden alte Bouillonkulturen Rotlaufbazillen. Tötung nach 12 Stunden. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Rotlauf. 
Blinddarminhalt Rotlauf +. 

17. Meerschweinchen, Gewicht 245 grm , frißt in Mohrrübenbrei zehn 
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkulturen. Tötung nach 13 Stunden. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge Rotlauf 0; Lunge 
enthält Diplokokken. Blinddarminhalt Rotlauf -f. 

Von diesen Versuchen sind zunächst Nr. 1, 8 und 9 beachtenswert. 
Sie zeigen, daß bei einer Tötung 4 bis 5 1 j t Stunden nach der Fütterung 
die verfütterten Keime im Darm nicht nachgewiesen werden konnten, 
während sie im stark gefüllten Magen reichlich vorhanden waren. Eben 
diese bereits oben erwähnte Beobachtung veranlaßte mich, die Tötung der 
Tiere erst längere Zeit, 7 bis 13 Stunden, nach der Fütterung vorzu¬ 
nehmen. 

Des weiteren ist hervorzuheben, daß bei Versuch Nr. 4 und 5 je zwei 
Luugenröhrchen Staphylokokken und Heubazillen, bei Versuch Nr. 13 zwei 
Lungenröhrchen Staphylokokken, bei Versuch Nr. 15 ein Lungenröhrchen 
Staphylokokken und Milzbrand und außerdem bei Versuch Nr. 5 ein und 
bei Versuch Nr. 15 drei Drüsenröhrchen Bacterium coli enthielten. Das 
Vorhandensein von Staphylokokken, Heu- und auch Milzbrandbazillen in 
den Lungen dieser Versuchstiere allein ist am zwanglosesten mit der 
Annahme zu erklären, daß bei diesen durch Nackenschlag getöteten Tieren 
infolge forcierter Atembewegungen während der Tötung eine Aspiration 


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Baktebiendurchlässigkeit bes Darms. 


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der gefundenen Keime bis in die feineren Bronchien stattgefnnden hat. 
Daß das möglich ist, hat Nenninger 1 bewiesen, indem er feststellte, daß 
die vertieften Atemzüge in der Agone keimhaltige Tröpfchen aus dem 
Bachen loszulösen and in die Lungen zu bringen vermögen. Wenn bei¬ 
spielsweise bei Versuch Nr. 15 die Milzbrandbazillen wirklich aus dem 
Magendarmkanal stammten, so wäre schwer einzusehen, warum sie nicht 
auch im Blut und in anderen Organen aufzufinden waren. Beim alleinigen 
Vorhandensein solcher Keime in den Lungen ist in erster Linie an eine 
Aspiration zu denken, eine Ansicht, die durch Versuche von Oettinger 2 
bestätigt wird. Derselbe stellte fest, daß Bazillen, die in den kleinen 
Kreislauf gelangen, nur zum kleinsten Teil in den Lungen zurückgehalten 
werden. Die meisten passieren die Lungenkapillaren und werden erst in 
den eigentlichen Abfangorganen, Milz und Leber, zurückgehalten. Ein 
alleiniger Befund von Bakterien in den Lungen spricht deshalb gegen ein 
Hineingelangen derselben auf hämatogenem Wege und vielmehr für eine 
direkte Aspiration. Die Untersuchung von Leber und Milz schützt bei 
Versuchen über den Keimtransport zu den Lungen geradezu also vor einem 
leicht zu Täuschungen Anlaß gebenden Versuchsfehler. 

Es bleiben übrig die Drüsenröhrchen mit Bacterium coli bei Versuch 
Nr. 5 und 15. Darmwürmer waren bei diesen Versuchen nicht zu sehen, 
ebenso waren irgend welche makroskopisch sichtbaren pathologischen Zu¬ 
stände der Darmschleimhaut nicht zu erkennen. Bezüglich dieses Befundes 
schließe ich mich der Argumentation Fickers an, der ähnliche Befunde 
bei seinen Untersuchungen feststellen konnte. Mit ihm glaube ich, daß 
das Hineingelangen dieser Keime in die Mesenterialdrüsen nicht während 
der Verdauung des Milzbrandfutters, sondern vielleicht schon früher statt¬ 
gefunden hat. Hätte während des Versuches ein Durchtritt von Coli- 
bazillen durch die Darmschleimhaut stattgefunden, wäre also die Schleimhaut 
nicht keimdicht gewesen, so ist nicht recht einzusehen, warum nicht auch 
von den reichlich im Darminhalt vorhandenen Milzbrandbazillen einige 
hindurchgetreten wären. Vielleicht hat also für die Zeit des Versuches 
eine vollständige Keimdichtigkeit der Darmwand Vorgelegen, dagegen waren 
früher pathologische Zustände vorhanden, die keine sichtbaren Verände¬ 
rungen hinterließen. 

Ferner bedarf Versuch Nr. 12 einer näheren Erklärung: Bei den dort 
in allen Organen und im Blut nachgewiesenen Milzbrandbazillen handelt 
es sich offenbar um Verunreinigung von außen. Irrtümlicherweise hatte 
ich in diesem Versuche zum Bedecken des Tieres ein Tuch verwendet, 


1 Nenninger, Diese Zeitschrift. Bd. XXXVIII. S. 94. 
1 Oettinger, Ebenda. Bd. LX. S. 557. 


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Hobnemjlnn : 


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das früher zu einem Versuche mit Milzbrandbazillen benutzt war, und 
Milzbrandsporen in reichlicher Menge enthielt, wie sich durch nachträg¬ 
liche Untersuchung feststellen ließ. Der Versuch ist daher auszuschalten. 

Dagegen wurden in einwandfreier Weise bei Versuch Nr. 10 Milzbrand¬ 
bazillen in Mesenterialdrüsen, Blut und Lunge und bei Versuch Nr. 11 
in den Mesenterialdrüsen nachgewiesen. Ich möchte hier nur dieses 
auffallende Ergebnis feststellen, um später noch eingehender darauf zurück¬ 
zukommen. 

Bei den mit Rotlaufbazillen gefütterten Tieren konnten diese Keime 
niemals im Blut oder den inneren Organen nachgewiesen werden. 

Versuchsreihe IV. 

Versuche an jungen Tieren. 

1. Meerschweinchen, 10 Tage alt, Gewicht 115 grm , frißt eine 24 Stunden 
alte Milzbrandschrägagarkultur in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden 
durch Nackenschlag. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Milzbrand; 
1 Drüsenröhrchen enthält Coli und Staphylokokken, 2 Lungenröhrchen 
Staphylokokken. Blinddarminhalt Milzbrand +. 

2. Meerschweinchen, 4 Wochen alt, Gewicht 145 grm , erhält in Mohr¬ 
rübenbrei vier 24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach 
12 Stunden durch Nackenschlag. 

Resultat: 1 Drüsenagarplatte Milzbrand +; desgleichen reichlich im 
Blinddarminhalt. 

3. Meerschweinchen, 14 Tage alt, Gewicht 125 grm , frißt eine 24 Stunden 
alte Milzbrandschrägagarkultur in Mohrrübenbrei. Tötung nach 12 Stunden. 

Resultat: Mesenterialdrüsen Milzbrand +; 1 Lungenröhrchen enthält 
Staphylokokken. Blinddarminhalt Milzbrand +. 

4. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 135 grra , frißt in Mohr¬ 
rübenbrei zwei 24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen. Tötung nach 
12 Stunden. 

Resultat: Mesenterialdrüsen, Milzbrand und Bact. coli +, desgleichen 
reichlich im Blinddarminhalt. 

5. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 140 grm , erhält zwei 
24 Stunden alte Milzbrandschrägagarkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung 
nach 8 Stunden. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Milzbrand; 
Blinddarminhalt Milzbrand +. 

6. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 130 gTra , bekommt eine 
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkultur in Mohrrübenbrei zu fressen. Tötung 
nach 12 Stunden. 

Resultat: Sämtliche Organ- und Blutgefäße kein Rotlauf. Blinddarm¬ 
inhalt Rotlauf 4-. 


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Bakteriendcrchlässigkeit des Darms. 


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7. Meerschweinchen, 4 Wochen alt. Gewicht 150 • Irm , frißt 3 Bouillon¬ 
kulturen (48 Stunden alt) Rotlaufbazillen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 
8 Stunden. 

Resultat: Sämtliche Organ- und Blutkulturen kein Rotlauf. Blinddann- 
inhalt Rotlauf + . 

8. Meerschweinchen, 3 Wochen alt, Gewicht 135 s rm , bekommt vier 
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkulturen in Mohrrübenbrei zu fressen. Tötung 
nach 12 Stunden. 

Resultat: Milz, Mesenterialdrüsen, Leber, Blut, Lunge kein Rotlauf; 
Blinddarminhalt Rotlauf + . 

9. Meerschweinchen, 4 Wochen alt, Gewicht l45 ?rm , erhält sechs 
48 Stunden alte Rotlaufbouillonkulturen in Mohrrübenbrei. Tötung nach 
12 Stunden. 

Resultat: Lunge Rotlauf +, desgleichen Blinddarminhalt. 

Auch bei diesen Versuchen an jungen Tieren zeigt sich in zwei 
Lungenröhrchen des Versuches Nr. 1 und in einem solchen Röhrchen des 
Versuches Nr. 3 Staphylokokkenwachstum. Außerdem enthält ein Drüsen- 
rOhrchen des Versuches Nr. 1 Staphylokokken und Colibakterien. Bezüg¬ 
lich dieser Befunde gilt das Gleiche, was ich betreffs der ähnlichen Be¬ 
funde bei ausgewachsenen Tieren gesagt habe. 

Ferner geht aus den Untersuchungen hervor, daß bei Versuch Nr. 2, 
3 und 4 die Mesenterialdrüsen Milzbrand enthielten, und daß in den 
Drusen des Versuches Nr. 4 außerdem noch Colibazillen nachgewiesen 
werden konnten. Auch auf diese Befunde komme ich wie auf die posi¬ 
tiven Befunde an ausgewachsenen Tieren später eingehender zurück. 

Die verfütterten Rotlaufbazillen konnten auch bei diesen jungen 
Tieren weder im Blut noch in den Organen wiedergefunden werden. Nur 
in Versuch Nr. 9 wurden in der Lunge des jungen Meerschweinchens 
Rotlaufbazillen festgestellt. Auch hier handelt es sich, wie bei früheren 
Versuchen, im Hinblick auf den alleinigen Befund der verfütterten Ba¬ 
zillen in den Lungen, zweifellos um Aspiration während der Tötung. 

Fasse ich die gewonnenen Resultate kurz zusammen, so ergibt sich 
folgendes: 

1. Bei jungen Tieren — Meerschweinchen, Kaninchen, Ziege, Hund 
— konnten Keime, insbesondere Vertreter der Darmflora, 2 bzw. 4 Stunden 
uach der letzten Nahrungsaufnahme in Leber, Milz, Blut und Mesenterial¬ 
drusen niemals nachgewiesen werden. 

2. Nach Verfütterung von Prodigiosuskeimen zugleich mit nicht 
pathogenen Staphylokokken an junge Kaninchen, junge Meerschweinchen, 
einen jungen Hund und eine junge Ziege konnten diese Keime in Leber, 
Milz und auch den Mesenterialdrüsen der Tiere niemals aufgefunden 
werden. 


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I 



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Hobnemann: 


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3. Nach Verabreichung von Prodigiosuskeimen an einen erwachsenen 
Menschen erwies sich das Blut dieser Versuchsperson 2 Stunden nach 
Genuß der Keime steril. 

4 . Nach Verfütterung von Schweinerotlaufbazillen an ausgewachsene 
und junge Meerschweinchen wurden die Keime in Leber, Milz, Blut, 
Mesenterialdrüsen niemals und nur einmal in der Lunge (Aspiration) 
eines 4 Wochen alten Meerschweinchens wiedergefunden. 

5. Bei der Verfütterung von Milzbrandbazillen bzw. -sporen an 7 aus¬ 
gewachsene Kaninchen, 8 ausgewachsene Meerschweinchen und 5 junge 
Meerschweinchen konnten die Keime bei einem ausgewachsenen Meer¬ 
schweinchen in den Mesenterialdrüsen, Blut und Lunge, bei einem anderen 
in den Mesenterialdrüsen, bei einem dritten in der Lunge (Aspiration) 
und bei drei jungen Meerschweinchen in Mesenterialdrüsen wiedergefundeu 
werden. 

Als Ergebnis dieser Versuche glaube ich den Satz aufstellen zu dürfen: 
ein Durchtritt von Mikroorganismen durch die Darmwand findet unter 
physiologischen', durchaus normalen Verhältnissen bei Kaninchen, 
Meerschweinchen und Ziegen nicht statt. Das zeigen die Versuche 
Bailins; ferner die negativen Colibefunde in meinen Versuchen sowohl 
an erwachsenen wie an jungen Tieren. Ich befinde mich mit diesem Satz 
in Übereinstimmung mit Neisser und Opitz (s. oben), welche beide auf 
Grund ihrer Versuchsergebnisse die Durchgängigkeit der normalen Darm- 
wand für Darmbakterien bestreiten. 

Eine völlig entgegengesetzte Ansicht vertreten Porcher und Desou- 
bry, 1 zum Teil Rogozinsky (s. oben) und Selter (s. oben). Die fran¬ 
zösischen Forscher glauben auf Grund ihrer Untersuchungsergebnisse die 
stetige Auwesenheit großer Mengen Bakterien im Chylus und Blute des 
in Fettverdauung begriffenen normalen Tieres annehmen zu müssen. 

Daß diese Arbeit und die aus ihr gezogenen Folgerungen einer 
strengeren Kritik nicht standhalten, hat bereits Opitz dargelegt. Auch 
spätere Autoren schließen sich im wesentlichen dieser Beurteilung an. 
Mit Recht betonen Klimenko und Ficker, daß die Arbeit von Porcher 
und Desoubry wohl unter dem Einflüsse der Lehre von dem Durchtritt 
emulgierten Fettes durch das Darmepithel zustande gekommen ist, einer 
Lehre, die bekanntlich in letzter Zeit von der größten Mehrzahl der 
früheren Anhänger wieder fallen gelassen ist. 

Auch Rogozinski erkennt das häufige Vorkommen von Darmbak¬ 
terien im Chylus und Blut des normalen Tieres keineswegs an, behauptet 


1 Porcher u. Desoubry, Compt. rend. de la Soc. biolog. 1S95. p. 104 u. 344. 


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Baktebiendubchlässigkeit BES Dabms. 


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aber seinerseits, daß die Resorption von Darmbakterien stets und normaler* 
weise erfolge, daß aber die Mesenterialdrüsen die Darmbakterien vor dem 
Einbruch in die Blutbahn aufzuhalten vermögen. Rogozinski operierte 
zumeist an Hunden, nur ein paarmal an Katzen. Seine Methodik und 
Technik scheinen mir einwandfrei. Wohl zu bedenken ist aber, daß nach 
Fickers Versuchen gewisse besondere Bedingungen den Durchtritt von 
Dannbakterien durch die Darmwand zu begünstigen scheinen, wie längeres 
Hungern, starkes Arbeiten der Tiere usw. Vielleicht benutzte Rogozinski 1 
aufgefangene Tiere, die ähnlichen Schädigungen, besonders dem Hungern, 
Tor den Versuchen ausgesetzt gewesen sein konnten, so daß die gefundenen 
Bakterien auf eine frühere Invasion in die Drüsen zur Zeit des Hungers 
zurückzuführen sind. Rogozinskis Arbeit fällt ja in eine Zeit, in der 
man an derartige Fehlerquellen noch gar nicht denken konnte. 

Auch Selter benutzte zu seinen Versuchen Hunde; seine Ergebnisse 
sind daher mit meinen an Kaninchen und Meerschweinchen angestellten 
Versuchen nicht direkt vergleichbar. Vielleicht hat er übrigens auch Tiere 
benutzt, die zu Versuchszwecken nicht als einwandfrei gelten können. 

Ich glaube, daß man trotz dieser gegenteiligen Resultate daran fest- 
halten muß, daß der normale tierische Organismus im allgemeinen über Ein¬ 
richtungen verfügt, die ihn befähigen, einer Invasion von Darmbakterien 
erfolgreich zu widerstehen. Dahin gehört zunächst die Peristaltik; sie 
Termag wenigstens indirekt insofern einen Einfluß auf die Darmflora aus¬ 
zuüben, als sie die Bakterien zwingt, Ortsveränderungen mit ganz 
verschiedenen Säure- bzw. Alkaleszenzgraden des Chymus durchzumachen. 
Ferner ist der Dünndarm, also gerade der Teil des Darmes, in welchem 
am leichtesten ein Bakteriendurchtritt erfolgt, unter gewöhnlichen Um¬ 
ständen meist vollständig bakterienfrei, weil er über wirksame bakterizide 
Kräfte verfügt, die von der lebenden Dünndarmschleimhaut ausgeheu. 
Drittens zeigen die Untersuchungen Uffenheimers 2 , daß der Alexin¬ 
gehalt des Blutes in letzter Linie entscheidet, ob Bakterien die Darm¬ 
wand passieren, in das Blut übergehen uud sich dort halten können. Ist 
doch nach seinen Feststellungen die Darmwand eines ausgewachsenen 
Kaninchens, dem sein Alexin durch Injektion von Ziegenblutkörperchen 
genommen ist, für Prodigiosuskeime durchgängig, während die normalen 
Kaninchen keinen Durchtritt dieser Mikroben zeigen. 

Man könnte einwenden, daß ein Durchtritt von Bakterien durch das 
Schleimhautepithel sehr wohl erfolgen könne, daß aber diese Bakterien 
an einer Stelle, die nahe der Durchtrittsstelle gelegen ist, vermehruugs- 


1 A. a. 0. 

1 Uffenlieimer, Münchener med. Wochenschrift. 1907. I. S. 9S1. 


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58 


Hoenemann: 


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unfähig gemacht werden, so daß deshalb ihr kultureller Nachweis mi߬ 
lingen muß. Von Bizzozero 1 , Bibbert 2 , Manfredi 3 sind bekanntlich 
in den Lymphfollikeln des Processus vermiformis und des Sacculus rotundus 
beim normalen Kaninchen Bakterien gefunden worden, und Manfredi 
hat diese Bakterien nicht züchten können. Wenn dieser letzte Umstand 
auf einer Entwicklungshemmung der betreffenden Bakterien beruhen würde, 
so wären damit die negativen Resultate der kulturellen Blut-, Lymph- 
und Organuntersuchungen vollauf erklärt. Man müßte dann also an¬ 
nehmen, daß vielleicht in der Epithelzelle oder in den Lymphfollikeln 
die in der Darmwand enthaltenen Bakterien geschädigt und entwicklungs¬ 
unfähig gemacht werden. Aber in der Literatur finden sich doch zu 
wenig Angaben von positiven Bakterienbefunden in der Darmwand unter 
physiologischen Verhältnissen; und Manfredis Untersuchungen beziehen 
sich nur auf Kaninchen. 

Noch ein anderer Ein wand wäre möglich, nämlich daß die entwick¬ 
lungshemmende bzw. auf lösende Kraft erst einsetzt, nachdem die Mikro¬ 
organismen bereits in die Chylus- und Lymphgefäße des Darmes oder in 
die Lymphdrüsen oder sogar erst jenseits dieser, zwischen ihnen und der 
Eintrittsstelle des Chylus ins Blut vorgedrungen sind (Ficker); auch an 
eine Summation der in den einzelnen Stadien wirkenden entwicklungs¬ 
hemmenden Kräfte könnte gedacht werden. Dagegen sprechen aber u. a. 
die Versuche Bogozinskis, der in Ergänzung seiner durch das Kultur¬ 
verfahren erhaltenen Resultate die Mesenterialdrüsen auch mikroskopisch 
in Schnitten untersuchte. Bei den meist negativen Befunden, die er auf 
diese Weise wohl wegen der Schwierigkeit des Auffindens der ja nur ver¬ 
einzelt vorhandenen Keime erhielt, kam er auf den Gedanken, die etwaigen 
in den Drüsen vorhandenen Keime erst in Bouillon anzureichem. Dabei 
stellte es sich heraus, daß nach 4stündigem Verweilen der Drüsen in 
Bouillon bei 37° in denselben durch Schnittpräparate hier und da ganze 
Anhäufungen von mitunter ganz verschiedenen Mikroorganismen nach¬ 
zuweisen waren. Hieraus geht deutlich hervor, daß die in den Drüsen 
vorhandenen Keime sowohl auf dem Wege hierher wie in den Drüsen 
selbst eine erhebliche Entwicklungsfähigkeit sich bewahrt haben. Auch 
sollte man meinen, daß bei einer stetigen oder wenigstens häufigen An¬ 
wesenheit von Bakterien in Darmwand, Drüsen usw. der Körper die 
Bildung spezifischer Abwehrmittel durch die Anwesenheit von bakteriziden 
und agglutinierenden Substanzen im Blut zu erkennen geben würde. 


1 Bizzozero, Centralblatt f. med. Wissetisch. 1885. S. SOI. 

2 Ribhert, Deutsche med . Wochenschrift . 1885. S. 197. 

3 Manfredi, Baum gartens Jahresbuch. 1886. S. 376. 


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BaKTERIENDURCU LÄSSIGKEIT DES DaRMS. 


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V.>n solchen Substanzen dem häufigsten Darmbewohner, dem Bact. coli, 
i. B. gegenüber besitzt aber das normale Blut nur verschwindend geringe 
Mengen, die in keiner "Weise als der Ausdruck einer spezifischen Gegen- 
i-istung des Körpers gedeutet werden können. 

Ich glaube daher nicht, daß durch jene Einwände die Annahme der 
physiologischen Bakterienundurchlässigkeit der normalen Darmwand er¬ 
schüttert werden kann. Wohl aber ist zuzugeben, daß in praxi wahr¬ 
scheinlich gar nicht so selten durch irgendwelche Zufällig¬ 
keiten im Darm Verhältnisse geschaffen werden, die sich von 
ien physiologischen entfernen, und daß solche Zufälligkeiten 
auch die Funktionsfähigkeit einzelner Teile der Darmwand 
derart beeinträchtigen können, daß sie ihre Undurchlässigkeit 
vorübergehend einbüßen. Zunächst ist hier an pathologisch veränderte 
•Stellen der Darmwand zu denken, die mikroskopisch Läsionen erkennen 
lassen: Hyperämie und Desquamation oder Epithellockerung der Darm¬ 
mukosa, kleine Verletzungen, wie sie besonders durch Darmwürmer, die 
man ja häufig bei Tieren findet, verursacht werden können. Ferner ist 
an Beizung der Darmschleimhaut durch ungewöhnliche Nahrungsmittel 
zu denken, z. B. Tiermilch bei Pflanzenfressern. Die Veranlassung zur 
endogenen Infektion kann in solchen Fällen der veränderte Darmiuhalt 
bilden, der gewissen Darmbakterien als guter Nährboden dient und ihre 
Verbreitung in andere Darmabschnitte befördert. Ficker stellte fest, 
äaß bei hungernden Tieren ein Hinaufsteigen der Bakterien aus dem 
Dickdarm in den sonst meist bakterienfreien Dünndarm stattfindet, eine 
Erscheinung, die auch Moro bei schweren Verdauungsstörungen der 
Säuglinge beobachtet haben will, und in der er einen direkten Hinweis 
auf die vermehrte Aggressivität der Darmbakterien sieht. 

Durch die Untersuchungen von Ficker ist ferner erwiesen, daß bei 
länger währender Nahruugsentziehuug und unter dem Einfluß der Er¬ 
schöpfung Keime aus dem Darmlumen ins Körperinnere hineingelangen 
können und daß eine Kombination von Nahrungsentziehung und Ermüdung 
den Übertritt von Darmbakterien außerordentlich begünstigt. Durch 
Hunger und Erschöpfung wird die Funktion der Verdauungsdrüsen ge¬ 
schädigt, die Peristaltik vermindert; speziell der Hunger veranlaßt eine 
erhebliche Desquamation des Schleimhautepithels. Man wird daher nicht 
fehlgehen, diese auf einer Infirmität der Einzelzelle beruhenden Momente 
als die Hauptursachen eines Bakterienübertritts zu betrachten. 

Diese Annahme, daß kleinste Läsionen der Darmschleimhaut den Ein¬ 
tritt von Keimen gestatten, kontrastiert allerdings mit den Ansichten, die 

Neisser 1 in seiner Arbeit auf Grund seiner experimentellen Ergebnisse 

1 Siehe Nr. 1. 


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Hoenemann: 


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ausspricht. Er stellte fest, daß die Darmschleimhaut von Kaninchen, Meer¬ 
schweinchen usw., auch wenn sie künstlich geschädigt wird, für Bakterien 
undurchlässig bleibt. Als epithelschädigende Mittel verfütterte er unter 
anderem Krotonöl und Fluornatrium. Es lag mir daran, nachzuprüfen, ob 
hier vielleicht in der Yersuchsanordnung Fehlerquellen vorhanden waren, die 
zu so auffälligen Resultaten führen konnten. Ich verfütterte Fluornatrium per 
Sonde in verschiedenen Mengen zugleich mit drei 24 Stunden alten Schräg*- 
agarkulturen vonBacterium coli an ausgewachsene Meerschweinchen. Gleich¬ 
zeitig erhielten Kontrolliere Colikulturen allein. 

Die Versuche ergaben folgendes: 

1. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 350 s™, erhält 5 ccm einer 
0*2°/ 0 igen Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen, vorher die Auf¬ 
schwemmung von 3 Schrägagarkulturen Coli. Tötung nach 13 Stunden. 

Resultat: Magen und Darm zeigen keine Veränderung. Leber, Milz, 
Drüsen, Blut frei von Coli. Lungen Coli + . Blinddarminhalt reichlich Coli. 

2. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 400 grra , erhält 3 Colikul¬ 
turen und 5 ccm einer 0.4 °/ 0 igen Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen. 
Tötung nach 13 Stunden. 

Resultat: Magen und Darm zeigen geringe Rötung. Leber, Lunge, Blut, 
Drüsen, Milz frei von Coli. Blinddarminhalt reichlich Coli. 

3. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 380 grm , erhält ebenfalls 
3 Colikulturen und 5 ccm einer 0*4°/ 0 igen Fl. Na.-Lösung. Tötung nach 
13 Stunden. 

Resultat: Magen und Darm zeigen geringe Rötung, Mesenterialdrüsen 
Coli +. Lunge, Leber, Milz, Blut Coli O. Blinddarminhalt Coli reichlich. 

4. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 390 grra , erhält drei Coli¬ 
kulturen und 0.025 * rm Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen. Tötung 
nach 12 Stunden. 

Resultat: Magen und Darm zeigen ziemlich starke Rötung. Lungen, 
Blut, Mesenterialdrüsen Coli +, ebenfalls reichlich im Blinddarminhalt. 
Leber, Milz Coli O. 

5. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 370^“, erhält 3 Colikul¬ 
turen und 0 • 03 ^ Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen. Tötung nach 
I 2 V 2 Sünden. 

Resultat: Magen und Darm ziemlich stark gerötet. Lunge und Drüsen 
Coli +; Leber, Blut, Milz Coli O. Blinddarminhalt reichlich Coli. 

6. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 405 ? rm , erhält 3 Colikul¬ 
turen und 0*04 fr 1 ™ Fl. Na.-Lösung per Sonde in den Magen. 

Resultat: Das Tier wird 6 Stunden nach der Fütterung tot aufgefunden. 
Magen und Darm zeigen starke Rötung. 

7. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 410 ^ rra , erhält 3 Colikul¬ 
turen ohne Fl. Na.-Lösung. Tötung nach 13 Stunden. 

Resultat: Lungen Coli +, ebenso reichlich Blinddarminhalt; sonst 0. 
Magen und Darm normal. 

8. Meerschweinchen, ausgewachsen, Gewicht 360 grm , erhält 3 Colikul¬ 
turen per Sonde in den Magen ohne Fl. Na.-Lösung. Tötung nach 13 Stunden. 


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Bakteriendürchlässigkeit des Darms. 


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Resultat: Magen und Dann normal: Leber, Lunge, Blut, Drüsen, Milz 
Coli O. Blinddarminhalt reichlich Coli. 

Ans diesen Versuchen geht hervor, daß 0*01 Rral Fl. Na. einen Bak¬ 
terien dorchtritt nicht bewirkt, dagegen Dosen von 0*02—0*03 srm fast 
regelmäßig einen solchen ermöglichen. 0 • 04 prm Fl. Na. töteten das Tier 
in kurzer Zeit. 

Ich muß daher annehmen, daß M. Neisser vielleicht entweder zu kleine 
Dosen Fluornatrium verfüttert hat, oder daß die Versuchsanordnung, durch 
welche ein Eliminieren aller zufälligen Verunreinigungen bewirkt werden 
sollte» auch die Versuchsbakterien mitbetroffen hat. Für eine zweifellos lädierte 
Darmschleimhaut wird man einen Bakteriendurchtritt trotz der Neissersclien 
Versuche für wahrscheinlich halten müssen. 

Übrigens zeigt sich auch bei diesen Versuchen wieder, wie relativ häufig 
durch Sondenfütterung ein verleibte Bakterien in den Lungen der Versuchs¬ 
tiere nachgewiesen werden können. 

Auch solche Darmzustände wird man als abweichend vom physio¬ 
logischen bezeichnen dürfen, die unter dem Einfluß einer experimentellen 
Verabreichung sehr großer Dosen angeblich gänzlich harmloser, tat¬ 
sächlich aber doch toxischer Bakterien entstehen. Dahin gehört z. B. der 
Bac. prodigiosus, der, in kleinen Mengen genossen, meist reaktionslos den 
Verdauungskanal passiert, aber in großen Mengen durch gewisse Stoff¬ 
wechselprodukte und beim Absterben frei werdende Endotoxine Darm¬ 
reizung veranlassen kann. Gelegentlich anderer Versuche worden im 
hiesigen Institut bei Versuchstieren, die große Mengen Prodigiosus per 09 
erhalten hatten, Hyperämie der Dannschleimhaut und kleine Ekchymosen 
in der Tat beobachtet; und wie oben erwähnt, löste auch bei Dr. Ballin 
der reichliche Genuß von Prodigiosus leichte Enteritissymptome aus. 1 Viel¬ 
leicht können sogar eingeführte Bakterien durch die veränderten Lebens¬ 
bedingungen im Darm zur Bildung neuer, das Epithel schädigender Stoff¬ 
wechselprodukte augeregt werden (Klimenko). Beim Experimentieren 
mit sehr großen Mengen körperfremder Bakterien wird es sich daher 
schwer einwandfrei entscheiden lassen, ob eine ganz normale Darm wand 
Vorgelegen hat oder nicht. Jedenfalls sprechen vereinzelte positive Versuchs¬ 
befunde nicht ohne weiteres für physiologische Durchlässigkeit der Darm¬ 
wand, während allerdings negative Piesultate für eine physiologische 
l'ndurchlässigkeit als beweisend angesehen werden können, falls die 
Versuchstechnik keine Fehler zuläßt, durch die der negative Befand auch 
in anderer Weise erklärt werden kann. 

Wenn zwischen den Ballinschen Versuchen und anderen einwand¬ 
freien Versuchsreihen, wie z. B. denen von Ficker, gerade bezüglich des 
Prodigiosus Differenzen zutage treten, der Art, daß z. B. Ballin selbst 

1 Genauere Mitteilungen über die Gifte des B. prodigiosus machte E. Klein, 
C’eniralblatt für Bakteriologie , 1893 und Bertarelli, Ebenda. 1903. 


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62 


Hoknemann: 


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bei jungen Tieren nur negative Resultate hatte, so liegt dies vermutlich 
daran, daß erstens die Mengen der verfütterten Keime differierten (die 
ungefähren Angaben über die Anzahl der verwendeten Kulturröhrchen 
lassen sehr starke Schwankungen der Zahl zu); und daß zweitens die 
Toxizität der Prodigiosusstämme verschieden war. 

Gehen wir von den saprophy tischen Keimen zu den halbpathogene n 
und pathogenen über, so ist in meinen Versuchen zunächst auffallend, 
daß gerade die von mir absichtlich gewählte kleinste Sorte halb pathogener 
Bakterien, die Rotlaufbazillen, nur negative Resultate ergaben. Vielleicht 
haben sie unter den ihnen fremden Verhältnissen keine Toxine gebildet; 
vielleicht war auch ihre Zahl zu gering, oder ihre Neigung, längere Fäden 
zu bilden, störend. Die sogenannten „Massenkulturen“ dieser Bazillen 
sind vermutlich mit anderen Massenkulturen in bezug auf die Zahl der 
freien Einzelindividnen schwer vergleichbar. 

Anders liegt die Sache bezüglich pathogener Bakterien, speziell virulenter 
Milzbrand bazillen. Ein einfach mechanischer Durchtritt durch die Darm¬ 
wand innerhalb weniger Stunden nach der Aufnahme scheint allerdings 
auch hier nicht möglich zu sein. Beiausgewachsenen Kaninchen gelang 
es mir niemals, die verfütterten Bazillen im Blut und den Organen 
wiederzufinden. Aber bei einem ausgewachsenen Meerschweinchen zeigten 
sich die Bazillen in den Mesenterialdrüsen, Blut und Lunge, bei einem 
anderen nur in den Mesenterialdrüsen. In den letzten Fällen wird man 
geringfügige pathologische Änderungen der Darmschleimhaut kaum als 
alleinige Ursache ansehen dürfen; und sicher nicht in den Fällen — 3 von 
5 Versuchstieren —, wo junge Tiere gefüttert waren und also in der 
Mehrzahl der Versuche in den Mesenterialdrüsen Milzbrand aufwiesen. 

Dies Ergebnis scheint zunächst weder den früher von Behring ge¬ 
wonnenen Resultaten, noch denen von Uffenheimer zu entsprechen. 

Behring fand, daß Meerschweinchen im Alter bis zu 8 Tagen bei 
Fütterung mit virulenten sporenfreien Milzbrandbazillen in Milch ebenso 
schnell an Milzbrand starben, wie nach der sonst üblichen Infektions- 
methode, und daß nach Verfütterung abgeschwächter Milzbrandbazillen 
an neugeborene Meerschweinchen das Blut bazillenhaltig war, ohne daß 
die Versuchstiere hinterher zugrunde gingen. Uffenheimer dagegen 
berichtet, daß auch die Verfütterung sehr großer Mengen von Milzbrand¬ 
bazillen in 25 Versuchen ohne jeglichen Nachteil für das neugeborene 
Meerschweinchen vertragen wurde; während drei andere Tiere, die mit 
sporenhaltigem Material gefüttert wurden, an typischem Milzbrand starben. 
Uffenheimer macht hierfür allerdings nicht den Sporengehalt der Kultur, 
sondern kleine Verletzungen verantwortlich, die bei der Fütterung mög¬ 
licherweise vorgekommeu seien. 


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Baktebiendubchlässigkeit des Daems. 


63 


Ich möchte glauben, daß der Sporengehalt bei derartigen Versuchen 
doch von ausschlaggebender Bedeutung ist, und daß auch meine relativ 
häufigen positiven Resultate darauf zurückzuführen sind, daß in meinen 
Kulturen widerstandsfähige Sporen vorhanden waren. Nebenher mag auch 
noch die Virulenz des Stammes in Betracht kommen; der von mir be¬ 
nutzte war stark virulent, er tötete bei subkut. Impfung eine Maus in 
24 Stunden, ein Meerschweinchen in etwa 2 Tagen. 

Derartigen pathogenen Keimen, insbesondere in Sporenform, ist es 
offenbar möglich, sich selbst einen Weg durch die Darmwand zu bahnen. 
Lagern sie längere Zeit in einer Schleimhautfalte, so werden sie eine ge¬ 
wisse Vermehrung leisten, und vermöge ihrer Stoffwechselprodukte die 
Darmepithelzellen schädigen, mit denen sie in Berührung sind, und das 
Epithel mindestens in einen Zustand versetzen, daß es dem Durchgang 
keinen Widerstand mehr entgegensetzt. Besonders leicht wird dieser 
Prozeß sich an solchen Epithelzellen abspielen, die schon an und für sich 
einen- locus minoris resistentiae bilden: solche, die im Absterben begriffen 
und ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen sind, oder auch die ganz jungen 
Zellen, die eben für abgestoßene als Ersatz eingerückt sind (Ficker). 
Insofern wird auch hier der Zufall eine gewisse Rolle spielen, und es ist 
ohne weiteres verständlich, wenn nicht alle in der gleichen Weise behan¬ 
delten Tiere gleich reagieren. 

Noch eine andere Möglichkeit für die Beförderung pathogener Keime 
darf wohl nicht ganz unberücksichtigt bleiben, nämlich die durch die Leuko¬ 
zyten. Infolge der Reizwirkung, die die Parasiten zweifellos auszuüben 
vermögen, werden die Leukozyten vielleicht in erhöhtem Maße, als es ge¬ 
wöhnlich der Fall ist, veranlaßt, in das Darmlumen hindurchzutreten, um 
ihrer Aufgabe, die Eindringlinge in sich aufzunehmen und unschädlich 
zu machen, gerecht zu werden. Walz 1 und andere Autoren glauben, 
daß eine Rückwanderung der Leukozyten oder wenigstens eines Teiles 
derselben aus dem Dannlumen in und durch die Schleimhaut stattfinde, 
1 so daß dann diese zurückwandernden Leukozyten Milzbrandbazillen trans¬ 
portieren könnten. Solange letztere sich in den Leukozyten befinden, 
hört ihre zellschädigende und infizierende Wirkung natürlich auf. Die 
! beladenen Leukozyten können bis in die regionären Lymphdrüsen oder 
sogar noch weiter durch den Lymphstrom transportiert werden. Fallen 
sie den Bazillen zum Opfer, so werden letztere wieder frei und können 
dort, wo sie liegen bleiben, von neuem schädigend oder infizierend wirken. 
Ich habe mich bemüht, einige Beweise für die Richtigkeit dieser hypo- 
; thetischen Annahme beizubringen. Fertigte ich aus dem Dünndarm- 


1 Walz, Arbeiten a. d . yathol. Institut Tübingen. Bd. VI. S. 244. 


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64 


Hobnemann: 


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schleim eines normalen Meerschweinchens unmittelbar nach der Tötung 
mikroskopische Präparate an und färbte sie mit Löfflers Methylenblau, 
so konnte ich nur höchst selten polymorphkernige Leukozyten nachweisen. 
Das Bild änderte sich dagegen, wenn dem Tier mit der letzten Nahrungs¬ 
aufnahme Milzbrandbazillen in großen Mengen (6 Schrägagarkulturen) 
verfüttert wurden. Hier ließen die mikroskopischen Präparate eine be¬ 
deutend größere Anzahl polymorphkerniger Leukozyten erkennen, ein Be¬ 
fund, der auf eine vermehrte Durchwanderung der Leukozyten in das 
Darmlumen schließen läßt. 

Ich versuchte auch, durch eine große Anzahl Schnittserien im Darm¬ 
epithel selbst Leukozyten, womöglich solche, die Milzbrandbazillen in sich 
aufgenommen hatten, nachzuweisen. Die wenigen Leukozyten, die ich im 
Epithel erkennen konnte, lassen indes Deutungen in obigem Sinne nicht 
zu. Solche mit gefressenen Milzbrandbazillen habe ich niemals finden 
können. Ich kann einstweilen also nur die Möglichkeit eines solchen 
Invasionsmodus betonen. 

Für die Weiterwanderung der Milzbrandbazillen in den Lymphstrom 
ist aktive Vorwärtsbewegung auszuschließen, da der Bacillus unbeweglich 
ist. Ein Durchwachsen — das nach entsprechender Zeit selbstverständlich 
sowohl in die Blut* wie in die Lymphbahn erfolgen kann — wird in 
den 12 Stunden, die zwischen Fütterung und Tötung der Tiere liegen, 
schwerlich stattfinden, zumal Uffenheimer sogar nach 17 3 / 4 Stunden 
einen solchen Durchtrittsmodus nicht beobachten konnte. Am wahr¬ 
scheinlichsten ist es vielmehr, daß die Bazillen zunächst durch Resorption 
weitergelangen. Zur Erklärung der erleichterten Einwanderung in jugend¬ 
liche Individuen weist Ficker daraufhin, daß im jugendlichen Magen¬ 
darmkanal intensivste Resorptionstätigkeit herrscht, erheblich Btärker als 
beim Erwachsenen. 

Ist die Passage durch die Darmwand beendet, so walten die Lymph- 
drüsen ihres Amtes und halten zunächst die Mikroben zurück. Eine 
rasche Weiterwanderung habe ich nur einmal bei einem ausgewachsenen 
Meerschweinchen beobachtet, bei dem ich nach 12 Stunden die Para¬ 
siten auch im Blut und in der Lunge nachweisen konnte; bei allen 
übrigen Versuchstieren mit positivem Befunde gelangten die Bazillen 
innerhalb der in meinen Versuchen eingehaltenen Fristen nur bis in die 
Drüsen. Diese Ergebnisse stimmen mit denen Rogozinskis und Kli- 
meukos vollkommen überein. Daß virulente Milzbrandbazillen schließlich 
in den Drüsen proliferieren und nach einiger Zeit in die Blutbahn ein- 
dringen können, ist aus früheren Beobachtungen bekannt. 


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Bakteriendurchlässigkeit des Darms. 


Ü5 


Es bedarf kaum einer besonderen Betonung, daß die geschilderten 
experimentellen Untersuchungen mit natürlichen Verhältnissen in 
keiner Weise verglichen werden können. In praxi wird es, insbesondere 
beim Menschen, nie Vorkommen, daß so ungeheure Mengen pathogener 
Keime auf einmal verschluckt werden. 

Überhaupt wird man nur mit größter Vorsicht die an Versuchstieren 
gewonnenen Ergebnisse über Darmdurchgängigkeit auf den Menschen 
übertragen dürfen. Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, daß schon 
die verschiedenen Gattungen von Versuchstieren die größten Differenzen 
bei sonst gleich angeordneten Versuchen gezeigt haben, daß Hunde sich 
anders verhalten wie Kaninchen und diese anders wie Meerschweinchen. 
Des weiteren hatten das Alter der Tiere und ihr sonstiger Gesundheits¬ 
zustand erheblichsten Einfluß. 

Am- Menschen sind experimentell nur die 2 Ergebnisse ge¬ 
wonnen, die ich in der vorliegenden Arbeit mitgeteilt habe, die Selbst¬ 
versuche Ballins. Sie ergeben nach reichlicher Prodigiosusaufuahme ein 
Fehlen dieser Keime in allen untersuchten Blutproben. 

Aber außerdem liegt noch eine große Reihe von Blutuntersuchuugen 
am Menschen, gesunden und kranken, erwachsenen und jugendlichen vor, 
die schließlich auch ohne experimentelle Bakterieuzufuhr ein gewisses Ur¬ 
teil über die Darmdurchgängigkeit beim Menschen gestatten. 

Abgesehen von den zahlreichen Blutuntersuchungen auf Typhus-, 
Tuberkelbazillen usw., die eine Anwesenheit von Darmbakterien fast immer 
vermissen ließen, hat neuerdings zunächst Strauch 1 über 2000 Leichen¬ 
blutuntersuchungen berichtet, die er im Eppendorfer Krankenhaus angestellt 
hat. Von diesen 2000 Leichen hatten 998 steriles Blut. Es handelt sich 
hier besonders um Patienten, die an chronischen, nicht infektiösen Erkran¬ 
kungen gestorben waren. Hier erwies sich das Blut auch stets frei von 
Bact.coli. Aber auch bei den Leichen mit keimhaltigem Blut beliefen sich die 
Colibefunde auf nur 13*2°/ 0 und auch hier handelt es sich gewöhnlich um 
Erkrankungen, die sich insbesondere in der Bauchhöhle abspielten, und 
da wieder in erster Linie um Peritonitis und die mannigfaltigen Affek¬ 
tionen des Magendarmkanals. Bei Kindern und älteren Erwachsenen 
waren die Colibefunde im Blute häufiger als bei den übrigen Personen. 
Mit Recht führt Strauch diese Erscheinung auf die in diesem Lebens¬ 
alter oft vorkommenden gastrointestinalen Störungen bzw. auf maligne 
Neubildungen der Unterleibsorgane zurück. Also nur bei pathologi¬ 
schen Affektionen des Magendarmkanals finden wir typische Darmbewohner 
im Blutstrom. Das seltene Einbrechen dieses Erregers in die Blutbahn 

1 Strauch. Diese Zeitschrift. Ed. LXY. S. 18S. 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX j 


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66 


Hobnemann: 


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ist auch andern Forschern aufgefallen und findet meines Erachtens damit 
die natürlichste Erklärung, daß unter gewöhnlichen, normalen Verhält¬ 
nissen ein Durchtritt dieser Mikroben durch die Darmwand nicht statt¬ 
findet, bzw. daß die Keime in den Mesenterialdrüsen zurückgehalten 
werden. 

Auch bei Kindern scheint ein physiologischer Durchtritt von Darm¬ 
bakterien nicht stattzufinden. Czerny und Moser 1 untersuchten von 
80 lebenden magendarmgesunden Kindern 60 mal das Blut und fanden 
es stets steril; bei 11 dyspeptischen Säuglingen hatten sie einmal einen 
positiven Blutbefund, während bei 15 Kindern mit Gastroenteritis 12 mal 
Bakterien im Blut gefunden wurden. Die Forscher glauben an eine Ein¬ 
wanderung der Bakterien aus dem erkrankten Darm und halten daher 
die Gastroenteritis für eine Allgemeininfektion. 

Slawyk* berichtet über bakteriologische Blutuntersuchungen an 
infektiös erkrankten Kindern. Es zeigte sich, daß unter den positiven 
Befunden (36*5°/ 0 ) kein einziges Mal Bact. coli vorhanden war. Als 
Eingangspforte für die im Blute gefundenen Mikroben (besonders Strepto¬ 
kokken und Staphylokokken) bezeichnet er in erster Linie die Mundhöhle, 
dann die Lungen und zuletzt den Darm, aber er setzt ausdrücklich hin¬ 
zu, „wenn ulzerös-enteritische Prozesse sich entwickeln, wie dies im Kindes¬ 
alter sehr oft vorkommt. Der Zusammenhang von pyämischen Prozessen 
mit Enteritis ist ja bekannt, ebenso, daß in einer Reihe von Dickdarm¬ 
entzündungen Streptokokken eine ätiologische Rolle spielen.“ Auch dieser 
Autor nimmt also stillschweigend an, daß der Darm, solange er gesund 
ist, überhaupt nicht oder wenigstens außerordentlich selten die Eingangs¬ 
pforte für die im Blut gefundenen Mikroben darstellt. 

Schließlich möchte ich noch die Befunde von Moro 3 erwähnen. 
Dieser Forscher fand bei atrophischen Säuglingen häufig saprophytische 
Bakterien im Blut und nimmt an, daß dieselben aus dem Darm stammen. 
Mit Recht, glaube ich, erklärt er sich diese Befunde dadurch, daß er 
ähnliche Befunde des Darmepithels bei diesen Kindern annimmt, wie er 
sie (ebenso wie Ficker) bei hungernden Tieren nachgewiesen hat. Er 
nimmt au, daß sich der atrophische Säugling in einer Art Hungerzustand 
befindet und daß sein Dünndarm eine beträchtliche Desquamation oder 
eine Ernährungsstörung des Epithels und eine dadurch bedingte Beein¬ 
trächtigung der Leistungsfähigkeit desselben aufweist, und daß hierdurch 
der Bakteriendurchtritt ermöglicht wird. 

1 Czerny und Moser, Jahrbuch für Kinderheilkunde. 1894. Bd. XXXVIII. 
S. 430. 

’ Slawyk, Ebenda. N. F. Bd. LIII. S. 505. 

s A. a. 0. 


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Baktebiendubchlässigkeit des Daems. 


67 


Ich glaube, daß die Somme dieser Feststellungen am Menschen nns 
gestattet, die Folgerungen, die wir für die Darmdurchgängigkeit aus den 
Experimenten an Tieren ableiteten, in vollem Umfang auch auf den 
Menschen zu übertragen. 


Zusammenfassung: 

1. Ein physiologischer Bakteriendurchtritt durch die normale Darm- 
vand erwachsener Menschen, ausgewachsener Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen sowie junger Hunde, Ziegen, Kaninchen und Meerschweinchen 
findet nicht statt. 

2. Nur bei pathologisch veränderter Darmwand kann ein solcher be¬ 
obachtet werden; allerdings auch dann, wenn die Veränderung nur sehr 
geringfügig ist. 

3. Milzbrandbazillen treten zuweilen bei ausgewachsenen, häufig bei 
jungen Meerschweinchen durch die Darm wand hindurch, wenn große 
Mengen dieser Mikroben verfüttert werden. 

4. Die durch den Darm hindurchgetretenen Keime werden unter 
normalen Verhältnissen in der Regel in den Mesenterialdrüsen eine Zeit¬ 
lang oder dauernd (bei Saprophyten) zurückgehalten. 

5. Zahlreiche Blutuntersuchungen am Menschen weisen überein¬ 
stimmend darauf hin, daß nur bei krankhaften Veränderungen der Darm¬ 
schleimhaut ein Vordringen von Darmbakterien in die Blutbahn er¬ 
folgen kann. 


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[Aus dem Staatlichen Hygienischen Institut zu Hamburg.] 
(Direktor: Prof. Dr. Dunbar. AbteilungsVorsteher: Prof. Dr. Kister.) 


Weitere Mitteilung über die Behandlung von Trink - 
wasser mit ultravioletten Strahlen. 

Von 

Dr. L. Schwarz und Oberarzt Dr. Aumann. 


In unserer ersten Mitteilung „Über Trinkwasserbehandlung mit ultra¬ 
violetten Strahlen“ 1 brachten wir zum Ausdruck, daß bei der Nutzbar¬ 
machung dieses Verfahrens auf eine längere Bestrahlungsdauer sowie auf 
eine ausgiebige Bewegung des Wassers während der Behandlung besonderer 
Wert zu legen sei. Dabei setzten wir voraus, daß nur absolut klares und 
nicht zu keimhaltiges Rohwasser (bis zu 2000 Keime pro Kubikzentimeter) 
zur Verwendung gelange. 

Es war daher für uns von um so größerem Interesse, einen Apparat auf 
seine Brauchbarkeit zu prüfen, der, wie der von der Westinghouse Cooper 
Hewitt Gesellschaft in den Handel gebrachte 2 , obige Forderungen erfüllt. 
Auf unseren Wunsch stellte uns die genannte Gesellschaft ihren Wasser¬ 
sterilisator Type B2 für Versuchszwecke in dankenswerter Weise bereit¬ 
willigst zur Verfügung. Dieser Wassersterilisator (s. Figg. 1 und 2) ist ein 
zylinderförmiger, aus weißemailliertem Eisen hergestellter Behälter, in dem 
der Sterilisationsbrenner — eine Quecksilberquarzlampe — oberhalb des zu 
behandelnden Wassers hängend angebracht ist. Diese „freie Strahlung“ 
soll gegenüber den Unterwasserbrennern mehrere Vorteile haben, da bei 
letzteren die Lampe einmal durch das vorbeiströmende Wasser stark ab¬ 
gekühlt und dadurch der Nutzeffekt herabgesetzt wird, des weiteren durch 


1 Schwarz u. Aumann, Diese Zeitschrift. 1911. Bd. LXIX. Heft 1. S. 1. 
* v. Recklinghausen, Industrielle Wassersterilisation mit ultraviolettem Licht. 
Gesuiulh.-Inq. 1911. XXXIV. Jahrg. Nr. 9. S. 166. — Die Entkeimung des Trink¬ 
wassers. Wasser und Gas. 1911. I. Jahrg. Nr. 10. S. 277. 


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L Schwarz ukd At tman n: Übeb Trinkwasserbehakdlung üsw. 69 

die mit der Zeit aas dem Wasser auf der Lampenoberfläche abgeschiedenen 
Salze and organischen Bestandteile die ultravioletten Strahlen in ihrer 
Wirkung gehemmt werden. 

Das Wasser wird durch im Innern des Apparates konzentrisch an* 
gebrachte kegelförmige Scheidewände gezwungen, einen vorgeschriebenen 
Weg zurückzulegen. Hierdurch wird eine ausgiebige Durchwirbelung des 
zu behandelnden Wassers hervorgerufen; zugleich wird auch die Dauer 



Fig. 1. Fig. 2. 

Westinghou8e*SterilisatorTypeB2. Durchschnitt, Schaltung und Weg des Wassers. 
A Begulierhahn u. Wasserzufluß. A. Regulierhahn und Wasserzufluß. 

Blu.IL Entleerungshähne. BI u. IL Entleerungshähne. 

BIII. Abfluß d. sterilis. Wassers. BIII. Abfluß des sterilisierten Wassers. 

der Bestrahlung im Vergleich zu dem von uns zuerst geprüften Apparat 
erheblich verlängert, da infolge der eingebauten Zwischenwände die Durch- 
flußzeit vermehrt wird. 

Auch für diesen Apparat gelten im großen und ganzen die gleichen 
Verhaltungs- und Vorsichtsmaßregeln, wie wir sie bereits früher ausführlich 
dargelegt haben, so daß wir auf diese hier nicht weiter einzugehen 
brauchen. Wir möchten jedoch noch einmal darauf hinweisen, daß damit 
zu rechnen ist, daß das an dem Apparat angebrachte blaue Glasfenster 
feinen absol uten Schutz für die Augen darstellt. 1 

1 Bieber, Deutsche med. Wochenschrift. 1911. Nr. 6. S. 645; vgl. aber auch 
Vogt, Med. Klinik. 1911. Nr. 20. S. 783. 



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70 


L. Schwaez und Aumann: 


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Die zur Benatznng gelangende Lampe soll einen Strom von 37 2 bis 
4 Amp. 110 Volt erfordern. Mittels des von der Gesellschaft mit ge¬ 
lieferten Vorschaltwiderstandes ist der Strom so zu regulieren, daß 
20 Minuten nach Inbetriebsetzung die Spannung 75 Volt beträgt. Da za 
hohe Spannung den Brenner gebrauchsunfähig, zu niedrige Spannung 
(nach unseren Untersuchungen eine Spannung unter 59 bis 60 Volt) da¬ 
gegen die Sterilisationswirkung erheblich beeinträchtigt, so ist die unter 
Umständen ziemlich zeitraubende Einstellung des Widerstandes genau vor¬ 
zunehmen, zumal außerdem nach einer Angabe der Firma auch be¬ 
sonderer Wert darauf zu legen ist, daß die erforderliche Spannung 
von 75 Volt erst 20 Minuten nach Inbetriebsetzung erreicht wird. Wir 
werden auf diese physikalischen Fragen später noch genauer eingeben 
müssen. 

Die Leistungsfähigkeit des Apparates soll bis zu 600 Liter sterilen 
Wassers pro Stunde betragen, also eine für manche Zwecke durchaus aus¬ 
reichende Wassermenge. Ferner befindet sich in der Gebrauchsanweisung 
folgende Angabe: „Nach Verlauf von 2 Minuten enthält das heraus¬ 
laufende Wasser keine pathogenen Mikroben mehr, es ist also gebrauchs¬ 
fertig. Will man vollkommen sterilisiertes Wasser haben, so lasse man 
etwa 10 bis 20 Minuten verstreichen, ehe man das Wasser herausläßt 
bzw. benutzt, da erst nach Verlauf dieser Zeit der Brenner seine normale 
Leuchtkraft bzw. sein Sterilisationstermögen erreicht.“ Damit wird unserer 
Meinung nach zum Ausdruck gebracht, daß die ultravioletten Strahlen 
elektiv auf die pathogenen Mikroorganismen gegenüber den gewöhnlichen 
Wasserbakterien einwirken, eine Behauptung, die wir durch unsere Ver¬ 
suche in keiner Weise haben bestätigen können; wir haben im Gegenteil 
fast stets feststellen können, daß in erster Linie die Wasserbakterien ge¬ 
schädigt wurden und erst in zweiter Linie die von uns gewählten Test¬ 
bakterien, wobei allerdings die Resistenz der einzelnen Bakterienarten eine 
große Rolle spielte. Es werden also Keime, die ungefähr die gleiche 
Resistenz wie die gewöhnlichen Wasserbakterien haben, in gleicher Weise 
wie diese abgetötet, resistentere Keime erst nach längerer Bestrahlungs¬ 
dauer. Für weniger resistente Bakterien würde naturgemäß der um¬ 
gekehrte Fall gelten. Nach Verlauf von 2 Minuten sind bei unseren 
Versuchen in keinem Falle die von uns gewählten Testbakterien sämtlich 
abgetötet. 

Auf dem Apparat selbst ist nochmals vermerkt, daß das Wasser erst 
nach 10 Minuten Brenndauer zu benutzen ist. Nach jedesmaligem Ge¬ 
brauch ist der Behälter mittelst der beiden Abflußhähne „gründlich zu 
entleeren“ und, wie wir nach unseren Erfahrungen hinzufügen wollen, 
gründlich durch Bürste und rückläufige Spülung zu reinigen. 


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Über Trinkwasserbehandlüng mit ultravioletten Strahlen. 71 

Eiue unerläßliche Voraussetzung bei Benutzung des Apparates ist, 
daß nur vollkommen klares Wasser der Behandlung unterworfen wird. 
Zur ausreichenden Klärung kann bei trüben Wässern unter Umständen 
eine Vorbehandlung durch Sandfilter genügen; andere Wässer müßten 
durch umständlichere Verfahren wie z. B. Zusatz von Aluminiumsulfat, 
Permanganat usw. vorgereinigt werden. Diese Schwierigkeit wäre wohl 
auch besonders bei einer Einführung der fahrbaren Trinkwasserbereiter für 
die Zwecke der Versorgung der Truppe im Felde 1 mit einwandfreiem 
Wasser in Betracht zu ziehen, wenn man nicht auf kleinere Filter z. B. 
Sucrofilter, wie sie hier in Frage kommen können, zurückgreifen will. 


A. 

I. 

Die Versuchsordnung war bei der Prüfung dieses Apparates im all 
gemeinen die gleiche, wie wir sie bei unseren früheren Untersuchungen 2 
gewählt hatten. 

Nachdem wir, wie es erforderlich ist, durch Regulierung des Stell¬ 
hahns den Wasserzufluß so eingestellt hatten, daß wir eine Wasser¬ 
lieferung von 600 Liter pro Stunde erzielten, stellten wir zunächst 
wiederum die Geschwindigkeit fest, mit der sich das Wasser bei der an¬ 
gegebenen Höchstleistung durch den Apparat bewegte. Diese Zeit ent¬ 
spricht auch ungefähr der Dauer der Bestrahlung durch die ultravioletten 
Strahlen. 

Durch mehrere Kontrollversuche mit Fluoreszeinzusatz ermittelten wir, 
daß die einzelnen Wasserteilchen von der Stelle des Eintritts in den 
Apparat bis zum Ausfluß etwa 15 Sekunden gebrauchen. Bei einer ge¬ 
ringeren Wasserlieferung als 600 Liter pro Stunde würde diese Zeit natür¬ 
lich entsprechend länger sein, z. B. bei nur 300 Liter stündlicher Wasser¬ 
abgabe etwa 80 Sekunden. 

Allerdings ist wohl das Wasser während der gesamten Dauer von 
15 Sekunden nicht ständig den ultravioletten Strahlen ausgesetzt, da durch 
die kegelförmigen Zwischenwände ein Teil des Wassers nach dem ersten 
Überlauf verdeckt wird. Dieses Wasser wird aber dann vor dem zweiten 
Überlauf nochmals den ultravioletten Strahlen ausgesetzt und tatsächlich 
dadurch auch erst, wie wir uns durch eine große Zahl von Versuchen 
überzeugen konnten, ein vollkommener Sterilisationserfolg erzielt, v. Reck- 

1 Deeleman, Deutsche milit.-ärstl. Zeitschrift. 1910. XXXIX. Jithrg. Hft. 11. 
8.409. u. 1911. Hft. 6. S. 247. 

s A. a. O. 


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72 


L. Schwarz ünd Aumann: 


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linghausen 1 gibt zwar an, daß das zu behandelnde Wasser nur während 
5 Sekunden den Strahlen der Quecksilberlampe ausgesetzt würde und daß 
diese Zeit genüge, ein steriles Wasser zu erhalten. Wir konnten jedoch 
feststellen, daß einmal die Wasserteilchen von der Stelle des Eintritts bis 
zum ersten Überlauf bereits etwa 5 Sekunden gebrauchen, des weiteren 
aber auch, wie bereits angedeutet, daß nach dieser Zeit das Wasser tat¬ 
sächlich noch nicht keimfrei ist. Ihre Hauptwirkung üben allerdings die 
ultravioletten Strahlen, wie es bei dem Bau des Apparates ja auch ver¬ 
ständlich ist, innerhalb der ersten 5 Sekunden aus, zur Erzielung eines 
keimfreien Wassers genügt diese Zeit aber nicht. Einige Beispiele mögen 
dieses zeigen.* 

Tabelle I. 


Testbakterien 

1 Wassermenge 
pro Stunde 

1 in Eitern 

Ungefähre 
Einwir- | 
1 kungszeit:] 

Keimzahl 

in 1 

u. 2 

i ccm 

I 

Anreicherung 

10 ccm | 200 ccm 

so 
i, <= 

3 

halbbeh. 

Wasser 

! voll bell, 
j Wasser 

i u 

1 . o 

i ° 2 

! * 

halbbeh. 

Wasser 

1 2 „ 

vollbeh. 

Wasser 

1. j 2. 

| halbbeh. 
Wasser 

vollbeh. 

Wasser 

halbbeh. 

! Wasser 

vollbeh. 

Wasser 

Ä* 

za 

i 


i 

I Sekunden ; 



i 





i 

I 



Kein Zusatz . 

600 

5 

15 1 

| 300 

3 

12 

0 

0 

+ 1 

0 

1 + 

0 

75 

Bact. prodig.. 

; 600 

1 5 

15 1 

50 

1 

3 

0 

0 

+ 

0 

' + 

1 0 

75 

Bact. violac. . 

: 600 

5 

15 

100. 

5 

8 

0 

0 

+ 

o 

+ 

i o 

75 

Bact. coli . . . 

600 ! 

• 5 

15 

1000 ^ 

30 

i 

| 50 

0 

0 

+ ! 

! o 

i + j 

i 

0 

! 75 


Bei unseren sämtlichen Prüfungen begnügten wir uns nicht nur damit, 
Mengen bis zu 10 ccm auf Sterilität zu untersuchen, sondern wählten noch 
solche von 100 bis 200 ccm , da uns unsere früheren Untersuchungen 
bereits von der Notwendigkeit dieses Verfahrens überzeugt hatten. Wir 
gingen stets gleichmäßig in der Art vor, daß wir bei allen Proben 
Gelatineplatten mit 1 und 2 ccm zur Feststellung der Keimzahl überhaupt 
anlegten, außerdem wurden dann noch 10 CCID und mindestens 100 ccm mit 
den bei den einzelnen Testbakterien in Betracht kommenden spezifischen 
Anreicherungsmedien bebrütet — also bei Leuchtvibrionen Peptonwasser, 
bei Colibakterien Glukose usw. Die weitere Identifizierung der getrübten 

1 A. a. o. 

2 Die Roh wasserproben entnahmen wir, wie auch bei allen folgenden Unter¬ 
suchungen am I. Entleerungshahn (B I), der sich außerhalb des den Strahlen aus¬ 
gesetzten Raumes befindet, die Proben, die den ersten Überlauf passiert hatten — 
wir wollen sie als „halbbehandelte" bezeichnen — am II. Entleerungshahn (B II). 
Diese Proben nahmen wir jedesmal am Schluß einer über eine längere Zeit aus¬ 
gedehnten Versuchsreihe, nachdem wir nach Öffnung des Hahnes B II längere Zeit 
hatten ablaufen lassen. 


Gck 'gle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



I 


CbEK TßlNKWASSEBBEHANDLUNG MIT ULTEAVIOLETTEN SlHAHLEN. 73 

Wasserproben war von den jedesmal gewählten Testbakterien abhängig, 
j Leuchtvibrionen wurden analog den bei Cholerauntersuchungen gebräuch¬ 
lichen Methoden (Peptonwasser, Choleraagarplatten, Gelatinestich usw.) 
identifiziert. Bact. prodig. wurde dadurch nachgewiesen, daß von 48 stän¬ 
digen bei 22° bebrüteten Glukoseanreicherungen Globigsche Kartoffeln 
mit 1 bis 2 ccm beschickt und mehrere Tage bei 22° beobachtet wurden. 
Für Bact. violac. erwies sich diese Methode als nicht sehr geeignet. Es 
wurden daher jedesmal von den verdächtigen getrübten Böhrchen, die 
mit Glukose angereichert waren, Gelatineplatten angelegt, auf denen 
Bact. violac. das charakteristische violette .Wachstum zeigte. Bact. coli 
wurde in der Art nachgewiesen, daß von den getrübten Röhrchen je ein 
Traubenzuckerbouillonröhrchen zum Nachweis von Gasbildung sowie eine 
Eudoplatte beschickt wurden. Sporenbilder zeigten in Bouillonröhrchen 
charakteristische Häutchenbildung. 

Wir glauben, auch Grimm und Weldert 1 würden nicht ganz so 
| günstige Ergebnisse erzielt haben, wenn sie gleichfalls Wassermengen bis 

i zu 100““ und nicht nur bis zu 10 ccm einer Prüfung auf Sterilität unter¬ 

zogen hätten. Allerdings hatten sie bei ihrer Versuchsanordnung den 
Vorteil, daß sie in einem wohl in Anlehnung an das Nogiersche Vorbild 
konstruierten Blechgefaß länger dauernde Bestrahlung mit Durchwirbelung 
des Wassers vereinigen konnten. Wir hatten dagegen bei unseren 
früheren Untersuchungen den von der Quarzlampengesellschaft Hanau 
konstruierten gläsernen Wasserbehälter benutzt, der die genannten Vor¬ 
teile nicht bietet. 

I 

II. 

Bei unseren Untersuchungen mit dem Westinghouse-Modell stellten wir 
j zunächst fest, welche Ergebnisse wir bei Benutzung von klarem, keim¬ 
armem Wasser erhalten würden. Als die in der Stunde gelieferte Wasser¬ 
menge wählten wir gleich 600 Liter, um dadurch auch sofort einen Anhalt 
zu erhalten, ob der Apparat unter sonst günstigen Bedingungen imstande 
wäre, wie behauptet, 600 Liter sterilen Wassers pro Stunde zu liefern. 

Wir füllten den bereits früher benutzten eisernen Behälter von etwa 
200 Liter Fassungsvermögen mit klarem Leitungswasser und ließen das 
Wasser einige Stunden stehen. Während der Dauer des Versuches ließen 
vir ständig frisches Wasser zulließen, so daß der Druck und damit auch 
die gelieferte Wassermenge stets gleichmäßig blieben. 

1 Grimm u. Weldert, Sterilisation von Wasser mittels ultravioletter Strahlen. 
Mitteilungen aus der kgl. Prüfungsanstalt f. Wässerversorg, u. Abwässerbes. 1911. 
Hft. 14. S. 85. 


□ igitized by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




74 


L. Schwarz und Aumann: 


Die Ergebnisse waren folgende: 

Tabelle II. 


Klares Wassermenge 

Wasser pro Stunde 

Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in 1 cc “ 

An¬ 

reicherung 

Spannung 

Volt 

Temperatur 

. o 
^=3 co 

o =2 

** 

Beh. 

Wasser 

a 

u 

V 

© 

a 

8 

o 

o 

JNj 

Roh¬ 

wasser 

Beh. 

Wasser 

Ohne 600 Liter, 

_ 

300 

_ 

_ 

_ 

_ 

8-5 

_ 

Test- entsprechend 

5 Min. 


0 

0 


68 

_ 


bakteriell etwa 15 Sek. 




A 


•70 



! Bestrahlungs- 

w „ 


u 


0 

72 



dauer 

15 ,, 


o 

0 

0 

74 

— 

— 


20 „ 


0 

0 

0 

75 

— 

9-0 


25 „ 

290 

0 

0 

0 

75 

— 

— 


30 „ 

1 — 

0 

0 

0 

75 

— 

— 


35 „ 


0 

0 

0 

75 

— 

— 


40 „ 

__ 

0 

0 

0 

75 

— 

— 


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1 — 

0 

0 

0 

75 

— 

— 


50 „ 

— 

0 

; o 

0 

75 

— 

— 


55 „ 

— 

0 

0 

0 

75 

— 

— 


60 „ 

300 

o 

0 

0 

75 

— | 

— 


Der Apparat lieferte also bei Verwendung klaren, nicht zu keim- 
haltigen Wassers, wie es nach einer rohen Vorklärung etwa zur Verfügung 
stehen würde, in der Stunde 600 Liter sterilen Wassers. Allerdings 
handelte es sich bei diesen Keimen nur um die gewöhnlichen Wasser¬ 
bakterien; ob wir auch bei auderen Mikroorganismen die gleichen 
günstigen Ergebnisse erzielen würden, mußten erst die folgenden Ver¬ 
suche zeigen. 

Zunächst erschien es noch wünschenswert, festzustellen, bei welchem 
Keimgehalt die Grenze der Leistungsfähigkeit erreicht wird. Wir glauben 
auch bereits auf Grund unserer früheren Erfahrungen, daß die bei sehr 
bakterienreichem Wasser erhaltenen ungünstigen Ergebnisse durchaus 
nicht so sehr auf die Mängel der Bakterienaufschwemmungen zurückzu¬ 
führen sind, als auf ein durch den hohen Keimgehalt an sich überhaupt 
bedingtes Moment. 

Die Methoden zur Herstellung von Bakterienaufschwemmung sind 
so grobmechanische, daß es auch trotz sorgfältigster Verreibung und Fil¬ 
tration durch Papierfilter kaum gelingt, eine Verfilzung einzelner Bak¬ 
terien zu vermeiden, besonders auch, wenn es sich um bewegliche, also 
mit Geißeln versehene Mikroorganismen handelt. Versuche, die wir an¬ 
stellten, um durch Bebrütung von mit ganz geringen Mengen infiziertem 
Leituugswasser ausreichende Anreicherungen zu erhalten und dadurch die 


Difitized by Gougle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 





Ceee Tbinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 75 


Bakterienaufschwemmungen za umgehen, führten nicht zu befriedigenden 

Besu] taten. 

Wir haben aber auch unter natürlichen Verhältnissen mit Ver¬ 
klumpungen von Bakterien 1 zu rechnen, die dann bei der Anwendung 
ultravioletter Strahlen die gleichen Schwierigkeiten bereiten würden, wie 
äe bei artifiziell infizierten Wässern vorhanden sind. 

Bei einem hohen Keimgehalt — schon von etwa 5000 Keimen pro 
Kubikzentimeter an und höher — liegen jedoch Verhältnisse der Art vor, 
'laß, auch wenn dem Auge das Wasser noch vollständig klar erscheint, 
die Wirkung der ultravioletten Strahlen erheblich eingeschränkt wird. 

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen mit außerordentlich bakterien¬ 
reichem Wasser finden sich in Tabelle III bis VI. 


Tabelle M. 


Test¬ 

serien 

Wassermenge 
pro Stunde 

Entnahme 
nach | 
Beginn | 
d<f$ 1 
Versuchs j 

üLeimzani 
in 1 ccm 

An¬ 

reicherung 

| Spannung 
j Volt 

Temperatur 

| Roh- 
| Wasser 

• 2 

JS SO 
^ X 

a 

o 

o 

2 

a 

u 

V 

§_ 

» o 

-< SC 

3 a 

! Beh. 
j Wasser 

Bact. 

600 Liter 


— 

250 000 

_ 

_ 

_ 

! _ 

7-7 

_ 

predig. 

entsprechend 

5 Min. 

_ 

12 

+ 

+ 

' 70 


_ 


einer Be- 
i Strahlung von 

10 


— 

10 

+ 

+ 

72 | 


— 


ungefähr 

15 

** i 

— 

18 

+ 

+ 

75 | 

— 

— 


15 Sekunden 

20 

»» 

— 

12 

+ 

+ 

75 

— 

8-0 



25 

ft 


19 

+ 

+ 

75 | 

— 

— 



30 

tt 

— 

17 

+ 

+ 

1 75 

— 

— 



35 

i 

tt 

— 

18 

+ 

+ 

75 

— 

— 



40 

tt 

— 

15 ; 

+ 

+ 

75 

— 

— 




Tabelle IV. 






Bact. 

600 Liter 


_ 

50000 

_ 

_ 

_ 1 

_ ! 

_ 

__ 

coli 

wie oben 

5 

Min. 

— 

4 

+ 

+ i 

68 

7-2 

— 



10 

tt 

— 

3 

+ 

+ 1 

70 

— 1 

— 



15 

tt 

— 

2 

+ 

+ 

i 75 , 

— 

7-5 



20 

tt 

— 

4 

+ 

+ 1 

; 75 

— 

— 



25 

tt 


5 

1 + 

+ : 

75 

! _ 

— 



30 


— 

7 1 

+ 

4- 1 

75 | 

1 — 

— 


| 

30 


— 

7 

+ 

+ 

75 

1 

— 



35 


_ 

4 

+ 

+ 

75 

1 — 

— 



40 


— 

5 

+ 

+ ; 

1 75 , 

— 

— 

1 Eine Bestätigung unserer Ansicht fanden wir bei 

Amann: „ 

Die direkte 


Zählung der Wasserbakterien mittels des Ultramikroskops“, (Centralblatt für Bak- 
kriologie. IL Bd. XXIX . S. 382), der schreibt: „Die ultramikroskopische Beobach- 
^ug zeigt öftere im Wasser Bakterienhaufen, welche von zahlreichen oder sehr zahl¬ 
reichen Individuen gebildet sind. 


Digitized b' 


'V Google 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






76 


L. Schwabz und Aumann: 


Digitized by 


Tabelle V. 


Test¬ 

bakterien 

Wassermenge 
pro Stunde 

i. . . 

Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in 1 «*“ 

An¬ 

reicherung 

| Spannnng 
Volt 

Temperatur 

Roh- 

Wasser 

3| 

£ 

I 

1 © 

a 

s 

<M 

Roh- 

Wasser 

Beh. 

Wasser 

Leucht- j 

600 Liter 

. 

i 

5000 

— 

— 

— 

— 

13 

i - 

vibrio 

wie oben 

2 

Min. 

— 

800 

4- 

+ 

30 

— 




4 

»» 

— 

15 1 

4- 

+ ! 

48 , 

— 


i 

5 

>» i 

— 

15 1 

+ 

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48 

— 

— 

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6 

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— 

8 - 

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1 

10 



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+ 

62 

— 

13-5 


15 

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— 

5 

+ 

4- 


1 

_ 


20 

•* 

— 

4 

4- 

4- 

72 

— 

— 


25 


— 

3 

4- 

+ 1 

75 

— 

— 

1 

30 

»» 

— 

1 

+ 

4- 

75 

i 


i j 

35 

»» 

— 

2 

4- 

4- 

75 

| — 

— 


40 

| 

— 

2 

+ 

4- 

75 

— 

— 


45 

»» 

— 

1 

+ 

+ i 

75 


— 


50 


— 

0 

4- 

+ i 

75 

— 

— 

; 

55 

»» 

— 

1 

4- 

4- ! 

75 


— 


60 

t* 

— 

1 

+ 

4- 

75 | 


— 



Tabelle VI. 






Bact. 

600 Liter 


_ 

5000 

_ 

_ 

_ 

— 

9-2 

— 

coli 

wie oben 

2 Min. 

— 

150 | 

4- 

4- 

30 

— 

— 



4 


— 

16 ' 

4- 

4- 

43 

— 

— 



5 

» 

— 

20 

4- 

4- 

! 49 ! 

— 

— 


6 

M 

— 

9 

+ 

4- 

! 53 j 


' — 


8 

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— 

7 

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4- 

| 60 

— 

9-5 


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M 


4 ! 

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4* 

64 

, — 

— 


15 


_ 

4 

I + 

4- 

1 70 1 

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— 


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— 

2 

4- 

4* 

74 | 

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— 

2 

l + 

4- 1 

75 

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1 

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4- | 

75 1 

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— 


35 

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1 

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1 75 i 

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— 

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75 i 

— 

— 

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f * 

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75 

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— 


50 


— 

1 

i + 

4- ; 

75 

1 

— 

i 

. 

55 

ff 

— 

1 

4- 

+ 

75 

| ; 

— 


60 


— 

1 

+ 

4- 1 

, 75 | 

j 

1 — 1 

— 


Wir fanden also wiederum eine beträchtliche Keimverminderung, er¬ 
hielten jedoch auch bei längerer Dauer des Versuchs kein einziges Mal 
keimfreies Wasser, ein Ergebnis, das sich mit unseren früheren Erfah¬ 
rungen deckte. Wir haben bereits in unserer ersten Mitteilung betont, 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 









Cbeb Tbinkwassebbehandlung mit ultbavioletten Stbahlen. 77 

daß bei der Behandlung von Wasser mit ultravioletten Strahlen wegen 
des Mangels einer elektiven Wirkung auf pathogene Mikroorganismen 
ein praktisch keimfreies Wasser zu verlangen sei, eine Forderung, die im 
Gegensatz hierzu bei der langsamen Sandfiltration z. B. nicht zu stellen 
ist. Daher verwendeten wir bei unseren weiteren Versuchen nur noch 
Rohwasser mit bedeutend geringerem Keimgehalt. 

Die in der Praxis vorkommenden Wässer mit Keimzahlen von 5000 
und mehr Keimen pro Kubikzentimeter dürften wahrscheinlich auch schon 
aus anderen Gründen für eine Behandlung mit ultravioletten Strahlen 
ungeeignet sein, bzw. müßten erst einer geeigneten Vorbehandlung unter¬ 
worfen werden. 


Als Testbakterien hatten wir bei unseren weiteren Untersuchungen 
zunächst solche Keime gewählt, die bezüglich ihrer Resistenz den Wasser¬ 
bakterien im allgemeinen ziemlich nahe stehen, oder wenn auch nur um 
ein geringes resistenter sind als diese. Diese von uns verwendeten Mikro¬ 
organismen gehen auch einen zweckmäßigen Ersatz für pathogene Bak¬ 
terien, da sich ein Experimentieren mit Krankheitserregern in größerem 
Maßstabe doch nur mit erheblichen Schwierigkeiten durchführen läßt. 

Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in folgenden Tabellen zu- 
sammengestellt: 


Tabelle VII. 


Test¬ 

bakterien 

Wassermenge 
pro Stunde 

Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in l cc “ 

| An- 
1 reicherung 

Spannung 

Volt 

Temperatur 

L* 1 U 

• 1 • © 

CO ■ rO «3 

o !fl 1 D M 

M £ i 

! s 

o 

^ o 

s 

o 

u 

o 

o 

Roh¬ 

wasser 

Beh. 

Wasser 

Bact. 

600 Liter 


50 — 


j _ | 


13 


prodig. ■ 

wie oben 

10 Min. 

i — i 0 

0 

| 0 

| 72 





1 20 „ 

j — 0 

0 

0 

75 

— 

— 



25 „ 

— , 0 

0 

0 

— 

— 

— 



i 30 „ 

- 0 

0 

0 

1 — 

i — 

— 



— 

50 — ! 

! 

— 

i 

— 

— 


1 

85 „ 

- | 0 

0 

0 

- 

— 

13*5 


i 

. 40 „ 

— ! o 

0 : 

0 

— 

| — 

— 


■ 

45 „ 

— 0 

0 

0 

1 ~ | 

— 

— 



50 „ 

— | o 

, 0 

0 

74 

— 

— 



55 „ 

— 0 

o : 

0 

— 

— 

— 



60 „ 

60 ! — 

— 

— 

— 

— 

— 


Digitized by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



78 


L. Schwabz und Aumann: 


Digitized by 


Tabelle YIII. 


Testbakterien 

Wassermenge 

Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in 1 0010 

Anreicherung 

50 

c 

0 

pro Stunde 

Roh¬ 

wasser 

Beh. 

Wasser 

| io ecm 

200 «e» 

2 ° 

p. 

i °° 

Leuchtvibrio 

600 Liter 
wie oben 

2 Min. 

100 

1 

+ 

4- 

30 



4 „ : 

_ 

2 

+ 

4- 

43 



^ »i 

— 

2 

1 + 

+ 

49 



6 » 

— 

0 

1 + 

+ 

53 

l 


8 „ 

— 

0 

! 0 

0 

58 

1 


10 „ 

— 

0 

o 

0 

62 




100 

— 

— 

— 

— 



15 „ 

— 

0 

0 

0 

67 



20 „ 

— 

0 

0 

0 

72 



25 „ 

— 

0 

0 

0 

74 



30 „ 

— 

0 

0 

0 

— 



35 „ 

— 

0 

0 

0 

! — 

I 


40 „ 

— 

0 

0 

0 

72 



45 „ 

i — 

0 

0 

0 

72 

1 


55 „ 

— 

0 

! o 

0 

72 



60 „ 

— 

0 

0 

0 

72 

■ 



100 

_ 






Tabelle IX. 





- 

Testbakterien 

j Wassermenge 

Entnahme 
nach 
Beginn 
des ! 

Versuchs 

Keimzahl 
in 1““ 

| Anreicherung 

tc 

I P 

CS A 

pro Stunde j 

! | 

Roh- 

wasser 

Beh. 1 
Wasser 

10 ccm 

200 j 

2 o 

i §> 

! 

Bact. 

violaceum 

600 Liter 
wie oben 

2 Min. 

100 

17 

+ 

+ 

\ _ 

30 



4 „ 

— 

3 I 

+ 

+ 

44 


I 

5 „ 

— 

1 

+ 

4- 

50 



6 „ 

— 

0 

4- 

4- 

55 



8 „ 

— 

0 

0 

0 

62 



10 „ 

— 

0 

0 

0 

64 



15 „ 

— 

0 

0 

0 

69 



20 „ 

— 

0 

0 

0 

1 72 



25 „ 

— 

0 

0 , 

o 

1 73 



30 „ 

— 

0 

0 j 

0 

75 



— 

75 

— 

o 1 

0 

— 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 













Tbib Tbinkwassebbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 79 


Tabelle X. 


Tt-: bakterien 

Wassermenge 
pro Stande 

Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in !•“ 

Anreicherung 

Spannung 

Volt 

Roh¬ 

wasser 

Beh. 

Wasser 

10 «■" 

200 ccra 

Bad ribrio 

600 Liter 

— 

1050 

— 

— 

— 

— 


wie oben 

2 Min. 

— 

10 

+ 

+ 

20 



4 „ 

— 

8 

+ 

+ 

40 



6 „ 

— • 

1 

+ 

+ 

50 



8 „ 

— 

0 

0 

+ 

56 



10 „ 

— 

0 

0 

+ 

59 



— 

1000 

— 

— 

— 

| “ 



15 „ 

— 

0 

0 

0 




20 „ 

— 

0 

0 

0 

67 


25 „ 

1 

0 

0 

0 

- 

i 

80 „ 

1 _ 

0 

0 

0 

— 

i 

35 „ 

— 

0 

0 

0 

70 

| 

40 „ 

— 

0 

0 

0 

— 


45 „ 

- 

0 

0 

0 

'1 - 

i 

50 „ 

— 

0 

0 

0 

il 


55 „ 

— 

| 0 

0 

0 

— 


60 „ 

— 

0 

0 

0 

— 

i' 

1 - 1 

j 1000 

1 — 

— 

— 

— 


Tabelle XI. 


Testbakterien | 

Wassermenge 

1 pro Stande 

Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in 1 ,cm 

Anreicherung 

Spannung 

Volt 

Roh- 

wasser 

Beh. 

Wasser 

i 

10 «m 

200 ccm 

Bact coli 

600 Liter 



1500 

_ 

_ 

_ 

_ 


wie oben 

4 Min. 

— 

8 

+ 

+ 

48 



6 

i} 

— 

9 

4- 

+ 

58 


i 

8 

>4 

— 

0 

0 

0 

64 


i 

10 

44 

— 

0 

0 

0 

68 


12 

49 

— 

0 

0 

0 

72 


15 


— 

0 

0 

0 

73 


17 

>1 

1 _ 

0 

0 

0 

74 

i 


20 

»> 

j — 

0 

0 

0 

75 




- 

1800 

i 

— 

— 

l 




25 

»» 


0 

0 

* 0 

i 

75 



30 

>» 

— 

0 

0 

0 

75 



35 


— 

0 

0 

0 

75 


1 

40 


' — 

0 

0 

0 

75 



45 

1 ) 

— 

0 

0 

0 

75 


1 

50 

»> 

— 

0 

0 

0 

1 75 



55 

| 

49 

— 

0 

0 

0 

75 


1 

60 

94 

— 

0 

0 

0 

75 


i 



1800 

— 

— 

— 

— 


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80 


L. Schwarz und Aumann: 


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Wir erhielten also in sämtlichen Versuchsreihen auch noch bis zu 
einer Keimzahl von etwa 1800 pro Kubikzentimeter ein praktisch keim¬ 
freies Wasser bei einer Höchstleistung von 600 Liter pro Stunde. Die 
Grenze der Leistungsfähigkeit dürfte nach einem Überblick über die Ver¬ 
suche der Tabellen X und XI, sowie der Tabellen V und VI zwischen 
einem Keimgehalt von etwa 2000 bis 5000 liegen. Da es uns aus¬ 
reichend erscheint, wenn Wasser mit einem Keimgehalt bis zu 2000 Keimen 
pro Kubikzentimeter praktisch sterilisiert wird, so haben wir von weiteren 
Versuchen zur genaueren Bestimmung der Grenze der Leistungsfähigkeit 
abgesehen. 

Bei unseren Versuchen mit Keimzahlen bis zu 1800 Keimen haben 
wir keine Fehlresultate erzielt, die etwa auf eine ungeeignete Zubereitung- 
des Testmaterials zurückzuführen gewesen wären. Dies scheint uns eine 
Stütze für unsere bereits oben geäußerte Ansicht, daß die ungünstigen 
Ergebnisse bei höherem Keimgehalt nicht so sehr auf Mängel der Bak¬ 
terienaufschwemmung als auf den hohen Keimgehalt überhaupt zurückzu¬ 
führen sind. Diese Frage ist sicherlich von nicht zu unterschätzender 
Bedeutung bei Flüssigkeiten, die, wie z. B. Milch, im allgemeinen einen 
außerordentlich hohen Keimgehalt haben, ganz abgesehen von den Schwierig¬ 
keiten, die einer Sterilisierung von Milch mit ultravioletten Strahlen aus 
anderen Gründen überhaupt entgegenstehen. 


Nachdem wir somit gefunden hatten, daß Keime, die bezüglich ihrer 
Resistenz und Lebensbedingungen den in unseren Gegenden am meisten 
in Betracht kommenden pathogenen Mikroorganismen annähernd ent¬ 
sprechen, bei nicht zu hohen Zahlen schon nach kurzer Bestrahlungs¬ 
dauer abgetötet werden, gingen wir dazu über, die Wirkung der ultra¬ 
violetten Strahlen auf resistentere Keime (Sporenbildner) festzustellen. Aller¬ 
dings spielen diese Art Keime unter praktischen Verhältnissen wohl eine 
untergeordnetere Rolle; es schien uns aber doch von Interesse, festzustellen, 
in welchem Maße bei steigender Resistenz der Keime die Wirksamkeit 
der ultravioletten Strahlen sich gestalten würde. Als Testmaterial wählten 
wir Kartofl'elsporen mit verschiedener Resistenz gegen strömenden Wasser¬ 
dampf, und zwar von 10 Minuten, 1 / 2 Stunde und V/ 2 Stunde. Höher 
resistente Sporen standen uns zurzeit nicht zur Verfügung. Aber auch die 
mit unseren Sporenbildnern erhaltenen Ergebnisse lassen einen gewissen 
Schluß zu auf die Resultate, die bei Verwendung höher resistenter Sporen 
zu erzielen sind. 

Die Sporenaufschwemmuug stellten wir so her, daß wir etwa 10 Ösen 
einer 48 Stunden alten Agarkultur zunächst in Leitungswasser sorgfältig 


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Über Tbinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 81 

Terrieben and dann diese Aufschwemmung nochmals im Mörser etwa 
5 Minuten lang behandelten. 

Wir glauben, auf diese Art gleichmäßige Sporenaufschwemmungen 
erhalten zu haben; jedenfalls haben wir auch bei diesen Versuchen keine 
Fehlresnltate erzielt, die wir durch Sporenverklumpungen hätten erklären 
müssen. Die Keimzahlen wählten wir in dem Bestreben, den Verhält¬ 
nissen der Praxis nahe zu kommen, sehr niedrig. 

Wir geben zunächst in folgenden Tabellen die Ergebnisse, die wir 
bei der Prüfung mit den Sporenbildnem erzielten. 


Tabelle XII. 


Test¬ 

bakterien 

Wassermenge 
pro Stunde 

Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in 1“* 

Anreicherung 

tc 

p 

0 

p 'S 

S> 

Pa 

CO 

Roh¬ 

wasser 

Beh. 

Wasser 

IQ ccm 

200 ce “ 

Sporenbildner 

600 Liter 



50 


_ 

_ 

_ 

10 Minuten ! 

wie oben 

f 4 

Min. 

. 

0 

4- 

4- 

44 

Resistenz 

treten 


i 5 

M 

— 

0 

4- 

4- 

50 

stromenden 


6 

»• 

— 

0 

4- 

4- , 

55 

Wasserdampf 


8 

» 


0 

4- 

+ 

59 



10 


i 

0 

0 

0 

62 



12 

ft 

— 

0 

0 

0 

63 



15 

>» 

— 

0 

0 

0 

65 



17 

ft 

— 

0 

0 

0 

70 



20 

tt 

_ 

0 

0 

0 

72 



25 

tt 

— 

0 

0 

0 

75 



30 

»» 


0 

0 

0 

75 



Ta 

belle XIII. 





Sporen bildner 

! 600 Liter 


__ 

20 

_ 

_ 

_ 


7* Stunde 
Resistenz 

wie oben 

4 

Min. 


0 

4- 

4- 

48 

gegen 

! 

5 

»> 

— 

0 

+ 

+ ! 

54 

strömenden 


6 


— 

0 

+ 

4- i 

59 

Wasserdampf 


8 

tt 

— 

0 

+ 

4- 

60 


i 

10 

tt 

— 

0 

0 

4- j 

65 

1 


12 


— 

0 

0 

4- 

68 

£ 1 . 


15 


— 

0 

0 

+ 

70 



17 

tt 

— 

0 

0 

0 

75 


i 

20 


— 

0 ; 

0 

4- j 

75 



25 

tt 


0 ! 

0 

4- 

75 



30 


— 

0 

0 

4- 1 

75 

i 


35 


— 

0 1 

0 

0 

75 


Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 


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82 


L. Schwarz und Aumann: 


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Testbakterien 


Sporenbildner 
l / 2 Stunde 
Resistenz 
gegen 
strömenden 
Wasserdampf 


Sporenbildner 
1 7 t Stunde 
Resistenz 
gegen 
strömenden 
Wasserdarapf 


Sporenbildner 
1 1 / 2 Stunde 
Resistenz 
gegen 
strömenden 
Wasserdampf 


II Wassermenge 
: pro Stunde 

II 

ji 300 Liter 
entsprechend 
I ungefähr 
30 Sekunden 
Bestrahlungs¬ 
dauer 


600 Liter 
entsprechend 
ungefähr 
15 Sekunden 
Bestrahlungs¬ 
dauer 


300 Liter 
entsprechend 
ungefähr 
30 Sekunden 
Bestrahlungs¬ 
dauer 


Tabelle XIV. 


Entnahme 

nach 

Beginn 

des 

Versuchs 

Keimzahl 
in l cca 

Anreicherung i 

bc 

c 

p 

g C 
1 > 

Boh- 

wasaer 

Beh. 

Wasser 

10 cem 

100 ccm 

1 — 

| 30 

— 

— 

_ 

— 

4 Min. 

— 

O 



48 

5 

— 

0 

+ 

+ 

54 

6 

— 

0 

+ 

+ 

59 

8 „ 

— 

0 

+ 

+ 

60 

10 „ 

— 

0 

1 0 

+ 

65 

12 „ 

— 

0 

0 

0 

68 

i 15 „ 

— 

0 

0 

i 

0 

68 

17 „ 

— 

0 

o 

0 

70 

' 20 „ 

— ; 

0 

o 

0 

75 

25 „ 

— | 

0 1 , 0 

0 

75 


Tabelle XV. 

- ' 25 





4 

Min. 

— 

0 

4- 

4- 

46 

I 5 

1? 

— 

0 

+ 

4- 

52 

6 

17 

— 

0 

4- 

+ 

57 

8 

77 

— 

0 

+ 

+ 

60 

10 

7» 

— 

0 

4- 

4- 

65 

12 


— 

0 

4- 

4- 

68 

15 

77 

— 

0 

1 + 

+ 

70 

17 

77 


0 

4- 

4- 

72 

20 

M 

— 

0 

+ 

4- 

75 

25 


— 

0 

0 

+ 

75 

30 

77 

— 

0 

0 

4- 

75 

Tabelle XVI. 

- 20 

4 Min. — 

0 

4- 

+ 

48 

5 

77 

— 

0 1 

4- 

+ 

- 52 

6 

7» 

— 

0 ’ 

+ 

1 + 

56 

8 

77 

— 

0 

+ 

4* 

60 

10 

77 

— 

0 

4- 

4- 

64 

12 

77 

— 

0 

+ 1 

4- 

es 

15 

>7 

— 

0 

4- 1 

4- 

70 

17 

77 

— 

0 1 

1 0 

4- 

72 

20 

” 

— 

0 

0 

4- 

75 

25 

77 

— 

0 

0 

+ 

75 

30 

77 

— 

0 

0 

4- 

75 


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Cbes Trinkwasserbehandlung mit ultravioletten Strahlen. 83 


Wir sehen somit, daß Sporenbildner von 10 Minuten Resistenz be¬ 
reits bei kurz dauernder Einwirkung der ultravioletten Strahlen abgetötet 
werden, jedoch tritt diese Wirkung erst bei einer Spannung von über 
60 Volt ein. 

Bei Sporenbildnern von 1 / t Stunde Resistenz ist die Wirkung der 
Strahlen bei einer ungefähren Bestrahlungsdauer von 15 Sekunden sehr 
angleichmäßig. Die Wirkung wird jedoch eine sichere und gleichmäßige, 
sobald die Bestrahlungsdauer auf */» Minute verlängert wird. 

Sporenbildner von V/ 2 Stunde Resistenz schließlich werden weder bei 
15 Sekunden noch bei l / 8 Minute Bestrahlungsdauer völlig abgetötet. 
Bemerkenswert ist, daß bei den resistenteren Keimen eine ausgiebigere 
Wirkung erst bei einer Spannung von über 70 Volt eintritt 


Unsere in vorstehenden Ausführungen angegebenen, bei gut arbeiten¬ 
dem Brenner erzielten günstigen bakteriologischen Ergebnisse bei der Be¬ 
handlung von Trinkwasser mit ultravioletten Strahlen lassen es immerhin 
möglich erscheinen, daß man der Frage einer Einführung dieser Apparate 
in Anstalten, für die steriles Wasser erforderlich ist, näher treten wird. 
Wir müssen allerdings erklären, daß wir die Sterilisierung des 
Wassers mit ultraviolettem Licht nicht für „sicherer“ betrachten 
als andere bisher durchaus erprobte Verfahren, wie z. B. Kochen, Er¬ 
hitzen usw. Denn unsere Untersuchungen haben uns nicht davon über¬ 
zeugen können, daß ein Wasser, das hoch resistente Sporen enthält, 
..sicher“ sterilisiert wird. Darum möchten wir trotz der Einfachheit des 
Verfahrens schon aus diesem Grund einer Einführung dieser Hausapparate 
in Krankenhäusern usw. zur Herstellung sterilen Wassers als Ersatz für 
andere Apparate nicht das Wort reden. 


IH. 

Als wichtiger Punkt würde außerdem die Frage der Rentabilität in 
Betracht zu ziehen sein. Von interessierten Kreisen wird allerdings 
behauptet, daß dieses neue Verfahren „ökonomischer“ sei als andere zur 
vollkommenen Sterilisierung von Wasser bisher im Gebrauch befindliche. 

Für Hamburg würden sich bei dem in Frage stehenden Apparat die 
Betriebskosten allein für elektrischen Strom bei einem Verbrauch von 
S l /j Amp. 110 Volt, den Preis für technischen Strom die Kilowattstunde 
mit 20 Pfg. zugrunde gelegt, auf 7-7 Pfg. pro 600 Liter, also etwa 
12-8 Pfg. pro Kubikmeter stellen. 

Dazu sind noch die nicht unerheblichen Kosten für Anschaffung des 
Sterilisationsbrenners, des Widerstandes, Ersatzgebühren bei Lampen- 
»echsel usw. in Rechnung zu ziehen. 

6 * 


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L. Schwabz und Aumann: 


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Die Betriebskosten der im allgemeinen in Krankenhäusern usw. im 
Gebrauch befindlichen Wassersterilisatoren, die bei Kostenvergleichen 
in Betracht kämen, sind auch ziemlich erhebliche. Berechnungen stehen 
uns zurzeit allerdings nicht zur Verfügung. Dafür haben diese Apparate 
aber den Vorzug der sicheren und zuverlässigen Sterilisierung. 

Bei der Verwendung von Apparaten zur „Sterilisation** von Trink¬ 
wasser in sehr großen Quantitäten, z. B. des Westinghouse-Sterilisator 
Type C3, der etwa 600 cbm in 24 Stunden liefern soll, würden sich die 
Kosten entsprechend der erheblich gesteigerten Liefermenge bedeutend 
verringern, da Stromkosten usw. ziemlich unverändert bleiben. Aber 
auch dann würde sich das Verfahren nach den von Grimm und Weldert 
gegebenen Berechnungen sehr teuer stellen. Ein abschließendes Urteil 
abzugeben, werden aber erst Erfahrungen in der Praxis gestatten. 


B. 

I. 

Die im Vorstehenden mitgeteilten bakteriologischen Ergebnisse be¬ 
ziehen sich nur auf Versuche, die ohne jegliche Störung verliefen und 
unter vorsichtiger Anwendung sämtlicher in Betracht kommender Faktoren 
angestellt wurden. Wir haben jedoch während unserer Untersuchungen 
mit diesem Wassersterilisator einige Erfahrungen machen müssen, die einer 
Einführung des Apparates in die Praxis außerordentlich hinderlich sein 
dürften, ganz abgesehen von den Kosten, die wir bereits im vorigen als 
außerordentlich hoch bezeichnet haben. 

Wie wir am Anfänge erwähnt haben, ist der Wassersterilisator nach 
jedesmaligem Gebrauch „gründlich zu entleeren“. Wir fügten noch hin¬ 
zu, daß dieses nicht genüge, sondern daß noch eine sorgfältige Reinigung 
durch Bürste und rückläufige Spülung hinzutreten müsse. Schon nach 
kurzem Gebrauch scheiden sich nämlich auf den kegelförmigen Zwischen¬ 
wänden aus dem Wasser Substanzen ab, die, durch das vorbeiströmende 
Wasser mitgerissen, die Wirkung der ultravioletten Strahlen erheblich be¬ 
einträchtigen. Da zudem die Emaillierung des Apparates auch in seinen 
inneren Teilen keine durchaus gute und gleichmäßige ist, so konnten wir 
schon nach kurzer Zeit Stellen bemerken, an denen sich die Emaille ge¬ 
löst hatte. An diesen dadurch entstandenen rauhen Flächen werden sich 
natürlich um so leichter Ausscheidungen aus dem Wasser ablagern können, 
je weniger sorgfältig die Reinigung nach dem Gebrauch vorgenommen 
werden kann bzw. vorgenommen wird. 


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ÜBEB TRINKWASSERBEHANDLUNa MIT ULTRAVIOLETTEN STRAHLEN. 85 

Auf diesen zur Erreichung einer ausgiebigen Sterilisierung so wichti¬ 
gen Punkt wurden wir erst aufmerksam, als wir nach unseren ersten, 
durchaus befriedigenden Versuchen, wie wir sie zum Teil oben angegeben 
haben, mehrere Fehlschläge erzielten. Wenn es sich auch stets nur um 
einige wenige Keime handelte, die sich der Einwirkung der ultravioletten 
Strahlen entzogen, so wird doch bei Aufnahme des den Apparat durch* 
strömenden Wassers in ein Sammelgefäß das bereits sterilisierte Wasser 
von neuem infiziert. Auch schon bei unseren ersten Versuchen hatten 
wir stets an eine völlige Entleerung des Apparates ein länger dauernde 
rückläufige Spülung angeschlossen. Da sich diese Reinigungsmethode aber 
nicht als ausreichend erwies, so ließen wir nach Entleerung des Behäl¬ 
ters unter rückläufiger Spülung die Wandungen mit einer langgestielten 
Bürste gründlich abreiben. Natürlich muß dabei auch vor allem auf die 
Winkel und Ecken geachtet werden. Allerdings ist diese Art der Reini¬ 
gung etwas mühsam, zumal die Zwischenwände, nicht wie erforderlich, ge¬ 
nau konzentrisch angebracht waren, außerdem aber auch schon nach kurzer 
Zeit an einzelnen Stellen des Apparates, besonders am Boden, der schein¬ 
bar nicht völlig dicht gefügt war, Rostbildung auftrat. 

Immerhin erzielten wir bei peinlicher Innehaltung de3 angegebenen 
Reinigungsverfahrens wiederum günstige Resultate. Zu verlangen wäre 
aber jedenfalls, daß bei der Herstellung der Apparate auf sorgfältige und 
gleichmäßige Arbeit mehr Wert gelegt würde. Vielleicht ließe sich auch 
durch eine andere Anordnung der Zwischenwände eine einfachere, leichtere 
und dabei doch sichere Reinigung ermöglichen. 


II. 

Bei unseren sämtlichen Versuchen waren wir in der Lage, durch ein 
zuverlässig anzeigendes Voltmeter die im Stromkreis herrschenden Span¬ 
nungsverhältnisse ständig kontrollieren zu können. Nur diesem Umstand 
haben wir es zuzurechnen, daß wir auf einige Mängel der Lampe auf¬ 
merksam wurden, die wir sonst nicht hätten feststellen können. 

Bei der Montierung der Anlage zu Beginn unserer Untersuchungen 
batten wir den Vorschaltwiderstand so reguliert, daß die Spannung be¬ 
reits nach etwa 5 Minuten 75 Volt betrug; allerdings stieg dann die 
Spannung innerhalb etwa 1 Stunde auch nicht höher. Wir müssen zu¬ 
geben, daß wir uns in diesem Punkte nicht au die Instruktion gehalten 
haben, die eine Spannung von 75 Volt erst nach 20 Minuten verlangt. 
Einen stichhaltigen Grund für diese Forderung haben wir bisher nicht 
erfahren können, haben uns jedoch bei späteren Versuchen bemüht, dieser 
Vorschrift nachzukommen. 


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86 L. Schwaez und Aumann: 

Ohne daß wir inzwischen irgend eine Änderung an dem Vorschaltwider¬ 
stand vorgenommen hatten, konnten wir bereits nach einigen Versuchen be¬ 
obachten, daß die Zeit, innerhalb der wir die erforderliche Spannung von 
75 Volt erreichten, allmählich zunahm. An unserem 5. Versuchstage — 
bei einer täglichen Brenndauer von etwa 1 Stunde — hatten wir erst 
nach 20 Minuten die Spannung von 75 Volt erreicht. Seitdem schwankten 
dann die einzelnen Zeiten im allgemeinen um einige Minuten: von großer 
Bedeutung können aber diese geringen Schwankungen sicherlich nicht 
sein. Jedenfalls müssen. wir aus der angegebenen Beobachtung den 
Schluß ziehen, daß innerhalb der Lampe selbst irgend welche Vorgänge 
sich abgespielt haben, durch die der in der Lampe bestehende Widerstand 
erhöht wurde. 

Des weiteren stellten wir mehrmals fest, daß während eines Versuches 
ohne irgend eine nachweisbere Ursache die Spannung plötzlich abfiel und 
zwar sogar bis auf 60 Volt, nachdem sie bis über 15 Minuten lang be¬ 
reits 75 Volt betragen hatte. Im weiteren Verlauf stieg die Spannung 
dann allmählich wieder an, erreichte jedoch während der Dauer des Ver¬ 
suches nicht wieder die ursprüngliche Höhe von 75 Volt. Für die keim¬ 
tötende Wirkung der ultravioletten Strahlen scheint dieser plötzliche 
Spannungsabfall — falls die Spannung nicht unter 60 Volt sinkt — aller¬ 
dings nicht von besonderer Bedeutung zu sein, denn wie aus unseren 
Versuchsprotokollen (siehe Tabelle VIII bis XI) hervorgeht, dürfte die 
untere Grenze der Wirksamkeit bei etwa 59 bis 60 Volt liegen. Ausge¬ 
nommen sind sehr hoch resistente Keime, wie z. B. Sporenbildner von 
über 1 / 2 Stunde Resistenz. 

Die beiden vorstehend erwähnten Momente wären ja nun nach unseren 
Erfahrungen nicht weiter von besonderer Bedeutung gewesen, da durch 
sie der Erfolg der Versuche nicht sonderlich beeinträchtigt wurde. Wir 
wurden aber bei unseren Untersuchungen noch auf einen großen Nachteil 
der Einrichtung aufmerksam, der uns zwingt, den „Sterilisator“ nach 
seiner jetzigen Konstruktion als für einen Betrieb ohne Wartepersonal 
nicht geeignet zu bezeichnen. 

Wir beobachteten nämlich zunächst nur bei einigen Versuchen, daß 
die Lampe plötzlich erlosch. Auch hierfür konnten wir wiederum keine 
uns Aufschluß gebende Erklärung finden. Die Spannung im Stromnetz 
betrug, wie wir durch den sofortigen Ausschlag des Voltmessers feststellen 
konnten, 108 bis 110 Volt. Diese Beobachtung konnten wir an mehreren 
Versuchstagen erheben — zunächst an 3 Tagen unter insgesamt 20 Ver¬ 
suchstagen — und zwar erlosch die Lampe im allgemeinen, nachdem sie 
bereits längere Zeit bei 75 Volt Spannung gebrannt hatte. Diese 3 Tage 
waren der 5., 15. und 19. Versuchstag, waren also über unsere Versuchs- 


Go^ 'gle 


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ÜBEB TßLNKWASSEBBEHANDLÜNG MIT ULTRA VIOLETTEN STRAHLEN. 87 

zeit rerstreut und lagen nicht, wie vielleicht zu erwarten ist, erst am 
Eude einer längeren Reihe von Versuchen. Erst nach dem 19. Tage ver¬ 
sagte die Lampe aber so oft, daß wir uns an die Westinghouse-Gesell- 
scbaft wendeten mit der Bitte um Zusendung einer neuen Lampe, da wir 
der Meinung waren, daß der Brenner irgendwie schadhaft geworden sei. 
Unserer Bitte wurde in entgegenkommender Weise entsprochen; zugleich 
teilte uns die Firma mit, daß der von uns zurückgesandte Brenner bei 
ihnen tadellos funktioniere — er habe 2 Stunden ohne Unterbrechung 
gebrannt Des weiteren schrieb sie: „Wir können daher nur annehmen, 
daß bei der Installation irgend ein Punkt nicht berücksichtigt wurde und 
zwar vermuten wir, daß die Regulierung zu früh erfolgte und nicht . . . 
erst nach erfolgtem Einbrennen, d. h. 20 Minuten nach Inbetriebsetzung. 
Wird die Lampe zu früh einreguliert, so sinkt die Spannung später über 
das zulässige Maß und der Brenner erlischt.“ 

Diese Angabe kann uns eine stichhaltige Erklärung für das plötzliche 
Erlöschen der Lampe nicht abgeben, denn dann hätten wir diese Erschei¬ 
nung auch bei sämtlichen übrigen Versuchsreihen haben müssen, bei 
denen wir unter genau den gleichen Bedingungen bezüglich Vorschalt¬ 
widerstand usw. gearbeitet haben; außerdem erzielten wir auch, wie bereits 
erwähnt, vom 5. Tage an eine Spannung von 75 Volt im allgemeinen 
erst nach ungefähr 20 Minuten. Nach unseren Erfahrungen halten wir 
diese Angaben als zeitraubend und umständlich für sehr unglücklich ge¬ 
wählt Jedenfalls empfiehlt es sich anzugeben, die Regulierung mit mög¬ 
lichst hoch eingestelltem Widerstand zu beginnen und durch allmähliche 
Reduzierung des Widerstandes die richtige Einstellung zu erreichen, um 
so eine Schädigung der Lampe durch eine zu hohe Spannung, die bei zu 
geringem Widerstande erreicht würde, zu vermeiden. 

Wir begannen nun von neuem unsere Versuche mit dem zweiten 
Modell der Quecksilberquarzlampe in der Erwartung, mit weiteren Schwie¬ 
rigkeiten der Lampe nicht rechnen zu brauchen. Bei dem ersten Versuch 
funktionierte sie auch tadellos. Wir hatten zunächst den Vorschaltwider¬ 
stand von neuem regulieren müssen, da wir jedoch bei der ersten Ein¬ 
stellung eine Spannung von 75 Volt schon nach 15 Minuten erhalten hatten, 
mußten wir durch weitere Versuche experimentell die richtige Einstellung 
zu finden suchen. Schon beim zweiten Versuche versagte die Lampe wieder¬ 
um mehrmals, und zwar erlosch sie jetzt wie auch an den folgenden 
Tagen im allgemeinen, sobald die Spannung zwischen 50 bis 60 Volt be¬ 
trug. Nach dem vierten Regulierungsversuch war dann der Widerstand 
so eingestellt, daß die Spannung nach 20 Minuten 75 Volt betrug. Da 
nun auch weiterhin die Lampe sehr ungleichmäßig brannte, baten wir 
Herrn Dr. Ing. Voege vom hiesigen Physikalischen Staatslaboratorium um 


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88 


L. Schwarz und Aumann: 


fachmännischen Rat sowie Beistand bei unseren weiteren Untersuchungen, 
der uns auch bereitwilligst gewährt wurde. Wir wollen nicht verfehlen, 
Herrn Dr. Ing. Yoege nochmals an dieser Stelle unseren Dank für seine 
liebenswürdige Hilfe auszusprechen. 

Die nächsten Prüfungen der Lampe nahmen wir nun gemeinsam mit 
Herrn Dr. Ing. Yoege im Physikalischen Staatslaboratorium vor, und 
zwar benutzten wir eine Akkumulatorenbatterie — 110 Volt Spannung —, 
um einen gleichmäßigen Strom zur Verfügung zu haben und daher von 



Fig. 8. 

etwaigen Stromschwankungen unabhängig zu sein. Neben Benutzung 
eines Voltmeters wurde an einem Amperemeter auch die Stromstärke 
verfolgt. 

Bei regelrecht verlaufenden Versuchen sinkt die anfängliche Strom¬ 
stärke von 10 Ampere innerhalb 20 Minuten auf S l / 3 Amp., unterdessen 
steigt die Spannung langsam auf 75 Volt. Eine der Kurven (Fig. 8), die 
wir während unserer zahlreichen Versuche aufgenommen haben, mag ein 
Bild über das Verhalten von Abnahme der Stromstärke und Zunahme 
der Spannung geben. Wir bemerken jedoch dazu, daß die Spannung 
nicht bei jedem Versuch so ansteigt, wie aus der Kurve ersichtlich ist. 
Man kann daher aus der Spannungshöhe (Ordinatenachse) nach 5 oder 10 


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Übeb Tbinkwassebbehandlung mit ultbavioletten Stbahlen. 89 


Minuten (Abszissenachse) nicht mit Sicherheit einen Schluß auf die nach 
20 Minuten zu erwartende Spannung ziehen; zumal wenn die Lampe 
während des „Einbrennens“ verlöscht. Aus diesem Grunde muß die Ein* 
Stellung des Widerstandes durch Versuche von mindestens 20 Minuten 
Dauer vorgenommen werden. 

Unsere Beobochtungen zeigten uns nun, daß bei einer Stromstärke 
von etwa 5 Amp. und einer Spannung von 55 bis 60 Volt starke Schwan¬ 
kungen auftraten. Zu diesem Zeitpunkte pflegte die Lampe dann kurz 
hintereinander mehrmals zu erlöschen. Sie brannte erst wieder ruhiger 
und gleichmäßiger, wenn die Stromstärke allmählich bis auf S l / 2 Amp. 
gefallen und die Spannung auf 70 bis 75 Volt gestiegen war. Jedoch 
auch dann ist die Lampe noch öfters erloschen, selbst wenn sie bis zu 
2 Stunden und länger ruhig gebrannt hatte. 

Zur Vermeidung dieses Erlöschens wäre es unter Umständen vielleicht 
nützlich, eine Stromstärke von 57 2 bis 6 Amp. zu verwenden. Es würden 
aber hierdurch die Kosten, die, wie bereits erwähnt, schon außerordent¬ 
lich hoch sind, noch um ein bedeutendes gesteigert werden. Für die 
Praxis ist es aber von großem Wert, Apparate mit möglichst geringem 
Stromverbrauch zur Verfügung zu haben. Außerdem würde durch die 
höhere Stromstärke die Brenndauer der Lampe vermutlich beeinflußt 
werden. Diese Fragen sind nur durch länger ausgedehnte Versuche zu 
klären, die anzustellen wir aus äußeren Gründen nicht in der Lage sind. 

Die zu Beleuchtungszwecken Verwendung findenden Lampen sind 
bekanntlich im allgemeinen mit einer automatischen Kippvorrichtung zum 
Selbstzünden konstruiert, die auch beim spontanen Erlöschen der Lampe 
in Tätigkeit tritt. Versagt der elektrische Strom aber überhaupt, so kann 
natürlich auch die zur Zündung nötige Kippvorrichtung nicht in Funktion 
treten. Für die Lampen zur Wassersterilisation scheint uns allerdings 
eine automatische Kippvorrichtung nicht zweckmäßig, da immerhin in der, 
wenn auch noch so geringen Zeitspanne, die zwischen Erlöschen und 
wieder erreichter genügender Spannung vergeht, nicht abgetötete Keime 
den Apparat passieren können. 

Schon allein die Möglichkeit des Versagens des elektrischen Stromes, 
mit der doch immer gerechnet werden muß, sollte dazu führen, nur solche 
Apparate zu verwenden, die mit einem Ventil versehen sind, das bei Er¬ 
löschen der Lampe automatisch in Tätigkeit tritt. Warum die Westing- 
house-Gesellschaft nun gerade bei diesem von uns geprüften Apparat von 
einem Sicherheitsventil abgesehen hat, können wir nicht angeben, während 
sie doch bei einem anderen Wassersterilisator (Type C 8 für Großbetrieb) 
selbst mit der angegebenen Möglichkeit rechnet und ein Ableitungsventil 
eingebaut hat. Soweit wir haben feststellen können, wird auch von 


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90 


L. SCHWAEZ UND AüMANN: 


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anderen Seiten bei dem Bestreben, die ultravioletten Strahlen zur Behand¬ 
lung von Trinkwasser heranzuziehen, stets mit Sicherheitsventilen ge¬ 
rechnet (Nogier, Deeleman). Ein Sicherheitsventil müßte also 
als durchaus erforderlich verlangt werden. 


III. 

Unsere Prüfungen von Apparaten zur Wassersterilisation mit ultra¬ 
violetten Strahlen haben uns noch dazu geführt, die Frage der zweck¬ 
mäßigsten Anbringung von Sicherheitsventilen zu berücksichtigen. Aller¬ 
dings waren wir nicht in der Lage, unsere Ansicht, die wir im Folgenden 
darlegen, durch praktische Untersuchungen zu stützen. Wir wollen aber 
nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt zu lenken. 

Bei den uns bekannten Modellen sind die Ventile vor dem eigent¬ 
lichen Sterilisierungsgefäß angebracht. Exakte Untersuchungen über den 
Wert dieser Ventile liegen zurzeit nach der uns zugänglichen Literatur 
nicht vor. 

Von Wichtigkeit schien uns daher, festzustellen, wieviel Wasser noch 
an dem Reinwasserabflußrohr austritt, sobald das am Zufluß angebrachte 
Ventil in Tätigkeit tritt. Da sich in dem von uns geprüften Modell in 
dem dicht vor dem Abflußrohr gelegenen Raum noch keimhaltiges Wasser 
befindet, wie uns unsere bereits oben erwähnten Feststellungen (s. Tabelle I) 
ergeben haben, so würden wir damit zu rechnen haben, daß bei Erlöschen 
der Lampe auch trotz gleichzeitig in Tätigkeit tretenden Ventils (ein wenn 
auch noch so geringer Zeitintervall wäre doch wohl zu berücksichtigen) 
noch Keime mit hindurchgerissen werden, sobald eine gewisse Menge 
Wasser noch an dem Abflußrohr abläuft. Wie groß diese Menge in jedem 
betreffenden Falle sein wird und wieviel Keime darin enthalten sind, könnte 
nur durch praktische Versuche geklärt werden. Wir suchten nun an 
unserem Modell, das, wie erwähnt, ohne ein automatisch wirkendes Ventil 
gebaut ist, einen Einblick in diese Fragen zu erhalten. Es wurde auf 
ein gegebenes Zeichen der elektrische Strom unterbrochen, gleichzeitig der 
Wasserzuflußhahn abgesperrt und das nun noch abfließende Wasser auf¬ 
gefangen. Der Nachweis der spezifischen Keime wurde dann wie bei den 
übrigen bakteriologischen Untersuchungen geführt. 

Bei solchem Vorgehen stellten wir in mehreren gleichmäßig verlau¬ 
fenden Versuchen fest, daß noch etwa 20 ecm Wasser nach Absperren des 
Zuflusses ablaufen. Unsere bakteriologischen Untersuchungen ergaben 
uns des weiteren, daß dieses Wasser, wenn auch sehr keimarm, im Ver¬ 
gleich zu unseren übrigen Ergebnissen doch nicht als steril bezeichnet 
werden konnte. 


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Cbeb Teinkwassebbehandlcng mit ultba violetten Stbahlen. 91 


Nachstehende Tabelle möge einen Überblick über unsere Resultate 


geben: 


Tabelle XVII. 


Test¬ 

bakterien 

Wassermenge 
pro Stande 

Keimzahl 
Roh wasser 

Keimzahl 

Beh. 

Wasser 

Wasser menge 
nach 

Absperrung 
des Zuflusses 

i 

Keimzahl 
in ccm | 

1 | 2 

Anreicherung 
der übrigen 
! 17«“ 

i 

Bact. coli 

600 

| 1500 

0 

ca. 20 ccm 

0 : 

1 

+ 

»* 

99 

200 

0 

n 

0 

0 

4* 

Bact. viol. 

1 

100 

0 


0 

0 

4- 

Leuchtvibrio 

99 

100 

0 


1 

1 

4- 

r> 

1 

. 

99 

1000 

0 

» 

0 

i o 

4- 


Wie weit unsere Versuche nun mit den tatsächlichen Verhältnissen 
im Einklang stehen, vermögen wir nicht anzugeben, glauben aber immer¬ 
bin annehmen zu können, daß sehr erhebliche Unterschiede nicht vor¬ 
liegen. Würde unsere Annahme in praxi bestätigt, so wäre die notwen¬ 
dige Folgerung, eine Verbesserung der Sicherheitsvorrichtung vorzunehmen 
und zwar wird es dann wohl am zweckmäßigsten sein, abgesehen von dem 
am Wasserzuflußrohr zu belassenden Abflußventil, am Reinwasserabflu߬ 
rohr ein Absperrventil anzubringen. 


Schloßsätze. 

1. Mit dem Apparat Type B2 läßt sich unter den von uns gewählten 
Versuchsbedingungen bei Benutzung eines nicht sehr keimhaltigen klaren 
Wassers (bis zu 2000 Keimen pro Kubikzentimeter) — ein fehlerloses 
Funktionieren des Brenners vorausgesetzt — ein bakteriologisch einwand¬ 
freies Trinkwasser in einer Menge von 600 Liter pro Stunde gewinnen. 

2. Die Kosten für Anlage und Betrieb lassen den Apparat als für 
die Praxis nur unter ganz besonderen Umständen anwendbar erscheinen. 

3. Es ist Sache der Technik, geeignete, einwandfrei funktionierende 
Brenner für ultraviolettes Licht herzustellen. Eine sorgfältige Konstruk¬ 
tion des Bestrahlungsapparates mit Berücksichtigung der Möglichkeit einer 
leicht ausführbaren, gründlichen Reinigung dieser Apparate ist unbedingt 
erforderlich. 

4. Wir halten es für notwendig, bei Wasserversorgungsanlagen mit 
Verwendung ultravioletten Lichtes automatisch wirkende Ventile anzu¬ 
bringen, die einen Abfluß nicht vollkommen bestrahlten Wassers mit 
Sicherheit verhindern; denn man hat mit einem Verlöschen der Lichtquelle 
infolge Versagens des elektrischen Stromes oder aus anderen noch nicht 
näher aufgeklärten Ursachen zu rechnen. 


L 


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[Aus dem Kaiserl. Institut für Infektionskrankheiten in Tokio.] 

Ein Beitrag zur vergleichenden Untersuchung der 
Paratyphus B- und Mäusetyphusbazillen. 

Von 

Dr. C. Nishino, 

Assistent Im Institut. 


Die Bedeutung der Frage, ob die Paratyphus B- und Mäusetyphus¬ 
bazillen identisch sind oder nicht, ist nicht nur theoretisch, sondern auch 
praktisch sehr groß, weil von ihr die Maßnahmen zur Verhütung der 
Paratyphuserkrankungen abhängen. 

Diese Frage ist seit mehreren Jahren sehr eifrig von verschiedenen 
Seiten erörtert worden, ohne irgend einer endgültigen Entscheidung näher 
geführt worden zu sein; die beiden Bakterienarten zeigen sowohl biologisch 
als auch immunisatorisch ein ganz gleiches Verhalten, so daß viele Autoren, 
ausgenommen die Anhänger von Löffler, sie als identisch zu betrachten 
geneigt sind. 

Bei uns in Japan, wo seit Jahren die Mäusetyphusbazillen in aus¬ 
gedehntem Maße und unter ziemlich mangelhaften Vorsichtsmaßregeln zur 
Mäusevertilgung angewandt worden sind, ist bisher niemandem eine Para¬ 
typhusepidemie aufgefallen, welche einwandfrei als von der Anwendung der 
Mäusetyphuskultur verursacht betrachtet werden könnte. Der akute Brech¬ 
durchfall dabei, welcher auf Aufnahme einer größeren Menge Mäuse¬ 
typhuskultur zurückzuführen wäre, kommt ja nicht selten vor, wie schon 
Shibayma (1) mitgeteilt hat. 

Sind nun die genannten Bakterien arten miteinander identisch, so 
muß natürlich das heutige Verfahren für die Mäusevertilgung mit den 
Mäusetyphusbazillen streng verboten werden. Sind sie dagegen in Wirk¬ 
lichkeit verschieden, so muß es bei ihnen irgend ein Unterscheidungs¬ 
merkmal geben und dasselbe muß gefunden werden. 

Ich habe im ganzen folgende 16 Stämme zur vergleichenden Unter¬ 
suchung benutzt: 


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C. Nishino: Pakatyphus B- r. Mausetyphusbazielex. 


93 


A. Als Mäusetyphus und sonstige für Mäuse pathogene 

Bakterien. 

1. Mäusetyphusbazillen (verabfolgt von Prof. Shiga). 

2. Mereschkowskysche Bazillen (verabfolgt von Prof. Shibayama). 

3. Danyszsche Bazillen (verabfolgt vom Landwirtschaftlichen In¬ 
stitut zu Nishigahara). 

4. Danyszsche Bazillen (Laboratoriumsstamm). 


B. Als Paratyphus B-Bazillen. 


1. Yoshisaki-Stamm (übergeben 

von 

Prof, Shibayama). 

2. Asano „ ( „ 

yy 

yy yy )• 

3. Conradi „ ( „ 

4. Laboratoriumsstamm. 

yy 

yy yy )• 

5. Rüsselstamm ( „ 

yy 

„ Shiga). 

6. Paratyphus Nr. 1 ( „ 

yy 

yy yy )• 

7. Paratyphus Nr. 7 ( „ 

yy 

yy yy )• 

8. Paratyphus Nr. 12 ( „ 

yy 

yy yy )• 

9. Iguchistamm ( „ 

yy 

Dr. Nakagawa). 


10. Sekiyamastamm (aus dem Blute eines Kranken, isoliert von mir). 

11. Takayastamm ( „ „ Harn „ „ „ „ „ ). 

12. Kondostamm ( „ „ Darminhalt einer Leiche, isoliert v. mir). 

Erster Abschnitt. (Biologisches Verhalten.) 

Was nun ihr kulturelles und morphologisches Verhalten betrifft, so 
verhielten sich alle zur Untersuchung benutzten Bakterienarten voll¬ 
kommen gleich, wie die Lehrbücher und viele Abhandlungen angeben, 
ausgenommen der Laboratoriumsstamm von Danyszvirus, der im Gegensatz 
an allen sonstigen Bazillenarten nach Gramm sich färbt. Deshalb sehe 
ich von einzelnen Beschreibungen ab; nur die dabei benutzten Nährböden, 
sowie einzelne Reaktionen seien hier erwähnt: 

1. Gewöhnlicher schwach alkalischer Agar. 

2. Gewöhnliche schwach alkalische Bouillon. 

3. Drigalskischer Nährboden. 

4. Eothberger scher Neutralagar. 

5. Hoher Traubenzuckeragar. 

6. Kartoffel. 

7. Lackmusmolke. 

8. Milch. 

9. Indolreaktion. 


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94 


C. Nishino: 


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Nach der mündhchen Angabe von Shibayama sieht die Kolonie des 
Mänsetyphusbacillns auf der Gelatineplatte feinkörnig, fast homogen, leicht 
gelblich gefärbt und rundlich aus, während die des Paratyphusbacillus 
grobkörnig, gelbbräunlich gefärbt und rundlich ist 

Im Gegensatz hierzu geben Trautmann, Bonhoff, Kutscher and 
Meinicke (2) an, daß im Gelatinewachstum keine wesentlichen Unter¬ 
schiede zwischen ihnen vorhanden seien: Ferner gibt Shibayama an, 
daß die genannten Bazillenarten in Lackmuspeptonwasser mit Saccharose, 
Laktose, Dextrin, Dextrose, Mannit, Galaktose und Maltose ganz gleiches 
Wachstum zeigen. 

Bezüglich der Tierpathogenität der genannten Bazillen habe ich 
hauptsächlich Fütterungsversuche an weißen Mäusen angestellt. Eine 
gewisse Menge einer 24 Stundenkultur wurde in einigen Kubikzentimetern 
Bouillon aufgeschwemmt, auf ein kleines Stückchen Brot geträufelt und 
n den Mäusekasten geworfen, wo man die Mäuse einen ganzen Tag ab¬ 
sichtlich hatte hungern lassen. 

Die Resultate der Versuche mit Mäusen zeigt folgende Tabelle: 


Stamm j 

Kultur* 1 
menge 

Ausgang 

Sektionsbefund 

Kultur 
aus Herzblut 

Mäusetyphus 

*/ g Öse 

ohne Ausnahme 
tot nach 9—10 Tagen 

hochgradiges Ödem 
u. Hämorrhagie der 
i Darmschlinge, deutl. 

1 Milztumor 

positiv 

(unzählbar) 

Mereschk. 

*/, Öse 

ebenfalls 

nach 9—16 Tagen 

desgl. 

|. | 

desgl. 

Danysz 

(Nishigakara) 

1 Öse 

ebenfalls 

j nach 8—16 Tagen 

1 


Danysz 

(Laborator.) 

V* Agar 

gesund bleibend 

i — 

— 

Yoshisaki 

l / t Öse 

eine unter zwei 
starb nach 7 Tagen 

Ödem u. Hyperämie 
der Darmscnlinge, 
aber kein Milztumor 

negativ 

Asano 

2 Ösen 

gesund bleibend 

— 

i 

Conradi 

1 Agar 

eine von zwei 
starb nach 8 Tagen 

Ödem u. Hyperämie 
der Darmscnlinge, 
aber kein Milztumor 

1 positiv 

(spärlich) 

Laboratorium 

\’ s Agar 

gesund bleibend 

— 

i 

Rössel 

1 Agar 

eine unter zwei 
starb nach 3 Tagen 

Ödem u. Hyperämie 
der Darmscnlinge, 
aber kein Milztumor 

negativ 

Paratypk.Nr.l 

\> Agar 

gesund bleibend 

; — 

— 

V V 4 

1 j Agar 

M >» 

— 

— 


1 , Agar 


— 

— 

Igueki 

1 i Agar 


— 

— 


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Untersuchung der Paratyphus B- u. Mäusetyphusbazillen. 95 


(Fortsetzung.) 


Stamm 

Kultur¬ 

menge 

Ausgang 

Sektionsbefund | aus K £b, ut 


Vio Öse 

eine von zwei 
starb nach 4 Tagen 

Ödem u. Hyperämie | negativ 
der Darmschlinge, , 

Sekivama 


aber kein Milztumor 


1 Agar 

ohne Ausnahme 

desgl. bald negativ, 


tot nach 3—6 Tagen 

! 

bald positiv 



(spärlich) 

Takaya 

V* Agar 

eine von zwei 

Odem d. Darmschlinge. negativ 

starb nach 4 Tagen 

1 kein Milztumor 

Rondo | 

| \io Öse 
| 1 Agar 

eine von zwei 
starb nach 8 Tagen 

desgl. ,. 


eine von zwei 

•» M 


starb nach 4 Tagen 



Aus der Tabelle kaun man folgende Schlüsse ziehen: 

1. Der Laboratoriumsstamm von Danyszvirus übt bei Verfütterung 
keine pathogene Wirkung mehr auf Mäuse aus. 

2. Die Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und Danysz - (Xishigahara-) 
Bazillen führen die Mäuse durch Verfütterung einer ganz kleinen Menge 
Kultur ausnahmslos unter Septikämie zum Tode. 

3. Gewisse Stämme von Paratyphus B können zwar die Mäuse durch 
Verfütterung einer kleinen Menge Kultur töten; aber die Bazillenzahl im 
Herzblut der gestorbenen Tiere, selbst bei Aufnahme von weit größeren 
Mengen (bis 1 Agar Kultur), ist jedesmal ganz spärlich. Ferner wurde 
in meinen Fällen kein Mal die merkwürdige Milzanschwellung wie bei 
Septikämie beobachtet. Die Auswanderung der Bakterien (überhaupt in 
nicht so großer Anzahl) aus dem Darmiunern ins Blut kann auch post 
mortem Vorkommen, während bei Septikämie die Bakterienanzahl beim 
Kultivieren des Blutes weit zahlreicher sein müßte. Kurz, bei meiner 
Untersuchung handelte es sich in keinem einzigen Falle um eine wahre 
Septikämie von Paratyphusbazillen. 

Nach Kutscher und Meinicke (2) töteten einige der von ihnen 
untersuchten Paratyphusstämme die Mäuse bei Verfütterung jedesmal durch 
Septikämie. 

Zweiter Abschnitt. (Agglutinationsversuch.) 

Es wurden im ganzen 8 Kaninchensera zu meinen Agglutinations- 
Versuchen angewandt Die zur Immunisierung benutzten Stämme und 
einzelne Titer zeigt die folgende Tabelle: 


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96 


C. Nishino 


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Stamm 

Titer 

1. Mäusetyphus .... 

1:10 000 

2. Mereschkowsky . . . 

1:10 000 

3. Danysz (Nishigahara) . 

1:10000 

4. „ (Laboratorium). 

1 :20 000 

5. Paratyphus „ 

1 : 5000 

6. Yoshisaki. 

1: 5000 

7. Sekiyama. 

1: 5000 

8. Kondo. 

1:10 000 


1. Agglutination mit Mäusetyphusserum. 


Stamm 

8 

O 

lO 

H 

1:200 

1:500 

1:1000jl :2000jl: 5000|l:10000 

Mäusetyphus. 

+ + +, + + + 

+ 4* 4- 

+ + 

+ + 

+ + 

+ 

1 4- 

Mereschkowsky .... 

+ + + + + + 

+ + + 

+ + 

+ + 

+ + 

+ 

j 4- 

Danysz (Nishigahara) . . 

+ + + + + + 

+ + + 

+ + 

+ + 

+ + 

+ 

1 4- 

„ (Laboratorium) 

[ 

— 

— 

— 

— 

— 

i 

Paratyphus „ 

++++++ 

+ + + 


+ + 

+ 

4- 

+ 

Yoshisaki. 

+ + + + + + 

+ + + 

+ + + 

+ + 

+ 

4- 

| — 

Asano. 

+ + + + + + 

+ + + 

+ + 

+ + 

+ + 

4- 

4- 

Conradi . 

+ + +: + + + 

+ + + 

— 


— 

— 

— 

Rüssel. 

++++++ 

+ + + 

+ + 

+ + 

+ + 

+ 

+ 

Paratyphus Nr. 1 . . . 

++++++ 

+ + + 

+ + 

+ + 

+ + 

+ 

+ 

99 >» 7 . • . 

+ + ++ + + ' 

+ + + 

+ + + 

! + + i 

i 

+ + 

+ + 

4- 

99 99 12 • 

+ + ++ + + 

+ + + ; 

— 


— : 

— 

— 

Iguchi. 

+ + + + + + 

+ + + i 

— 

— 

— 

| — 

— 

Sekiyama. 

+ + + , + + + 

+ + + 


+ + 

+ + 

+ 

+ 

Takaya . 

+ + + ' + + + 

+++ 

+ + 

+ + 1 

+ + 

' + 

1 + 

Kondo . 

+ + + I+ + + 

+++i 

+ + 

+ + 1 

i + + 

| 4- 

4- 


2. Agglutination mit Mereschkowsky-Bazillenimmunserum. 


Mäusetyphus .... 

. 4-4-4- 

+ 4-4- 

Mereschkowsky . . . 

. 4-4-4- 

+ + + 

Danysz (Nishigahara) . 

• 4-4-4- 

+ + + 

„ (Laboratorium) . 

. ! — 

— 

Paratyphus „ 

. 4-4-4- 

+ + + 

Yoshisaki . 

. +4-4- 

+ + + 

Asano . 

. +4- 4- 

+ + + 

Conradi . 

. 4-4-4- 

+ + + 

Rüssel . 

. 4-4-4- 

+ + + 

Paratyphus Nr. 1 . . 

. + + + 

+ + + 

»♦ J9 7 . 

. + + + 

+ + + 

12 

99 99 1 • • 

• + + + 

+ + + 

Iguchi . 

. + + + 

+ + + 

Sekiyama . 

. 4-4-4- 

+ + + 

Takava . 

. + + + 

+ + + 

Kondo . 

. 4-4- + 

+ + + 


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+ + 

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i + i 

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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




























l'jfTEBSUCHUNG DEB PaBATYPHDS B- U. MaüSETYPHUSBAZILLEN. 97 


3. Agglutination mit Danysz-(Nishigahara-)Bazillenimmunserum. 


Stamm 


0 

»0 

0 

0 

200 

500 

1000 

2000 

.5000 

— 

10000 


1 

- 

- 



- 

- 

w-» 

^ * 

Mäusetyphus .... 

. 

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Mereschkowsky . . . 

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Danysz (Nishigahara) . 


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Yoshisaki. 

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Paratyphus (Laboratorium) 

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Asano. 


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Conradi . 


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Rüssel. 


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Paratyphus Nr. 1 . . 


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4-4- , 

4- 


4. Agglutination mit Danysz-(Laborat.-)Bazillenimmunserum. 

Während das Serum die homogenen Bazillen in 20000facher Ver¬ 
dünnung deutlich agglutiniert, fielen die Agglutinationsversuche mit den 
übrigen 15 Bazillenstämmen alle negativ aus, selbst in öOfacher Ver¬ 
dünnung. 

Aus den mitgeteilten Versuchen 1 bis 3 geht hervor, daß sich die 
Paratyphusstämme bei der Agglutination mit dem Kaninchenserum von 
Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und auch von Danysz-(Nishigahara-)Bazillen 
in zwei verschiedene Gruppen auflösen lassen. Die eine umfaßt die 
Stämme, welche von demselben Serum, nur in geringerem Grade beeinflußt 
werden. Die übrigen werden entweder bis zur Titergrenze oder nur in 
mäßigem Grade mit dem Serum agglutiniert. Diese Tatsache hat mich 
ebenso wie Kutscher und Meinicke (2) auf die Vermutung gebracht, „ 
daß ich solche Paratyphusarten auch durch Agglutination mit Paratyphus¬ 
sera in zwei Arten auflösen könnte. Aber als ich die Agglutinations¬ 
versuche mit dem Serum angestellt habe, welches mit von Mäusetyphus¬ 
serum stark beeinflußten Paratyphusbazillen hergestellt war, fand ich ebenso 
wie die genannten Autoren diese Vermutung nicht bestätigt. (Vgl. die 
nachfolgenden Versuche [5 bis 8]). 

Ferner sieht man aus dem 4. Versuch, daß der nach Gram positive 
Danysz-(Laboratorium-)Bacillus auch in Agglutination ganz anders als die 
übrigen sich verhält. 

Zeitschr. f. Hygiene. LXJX 7 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 














98 


C. Nishino: 


5. Agglutination mit Paratyphus (Laboratoriumsernm). 


Stamm 

1:50 l 

1:100 j 

1:200 

1:500 1:1000 

1:2000 1 

5000 1:10000 

Mäusetyphus. 

+ + + 

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4 4 

4 

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— 

— 

Mereschkowsky .... 

4 4 4 

4 4 4 

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4 

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— 

— 

Danysz (Nishigahara) . . 

4 4 4 

4 4 4 

4 4 

4 

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— 

— 

Paratyphus (Laboratorium) 

4 4 4 

4 4 4 

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4 4 

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Yoshisaki. 

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Asano. 

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4 4 

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4 4 

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Rüssel. 

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44 

4 

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— 

Paratyphus Nr. 1 . . . 

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4 4 4 

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4 4 4 

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4- 4- 4- 

44 4 

4 4 

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4 4 

4 

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Iguchi . 

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4 4 4 

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44 

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— 

Sekiyama . 

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4 4 4 

4 4 

4 4 

4 4 

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— 

Takaya . 

4- 4- 4- 

4 4 4 

4 4 4 

4 4 

4 4 

4 

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— 

Kondo . 

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4 4 

4 4 

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— 

6. Agglutination mit Yoshisaki-Bazillenimmunserum. 



Mäusetyphus . 

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4 44 

4 4 

4 

4 

— 

— 

— 

Mereschkowsky .... 

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4 4 4 

4 4 

4 

4 


— 

— 

Dauysz (Nishigahara) . . 

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4 4 4 

4 

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4 

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— 

— 

Paratyphus (Laboratorium) 

4-4-4- 

4 4 4 

4 4 4 

4 4 

44 

4 + 

4 

— 

Yoshisaki. 

4- 4- 4- 

44 4 

4 4 4 

4 4 

4 4 

4 4 

4 

- 

Asano. 

4- 4 4- 

4 4 4 

4 4 4 

+ 4 

4 4 

4 4 

4 

— 

Conradi. 

+ 4- 4- 

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4 

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— 

Rüssel. 

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Paratyphus Nr. 1 . . . 

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Iguchi. 

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Kondo. 

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4 

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— 

7. Agglutination mit Sekiyama-Bazillenimmunserum 



Mäusetyphus. 

4 4 4 

4 4 

4 4 

4 

4 

4 

— 

- 

Mereschkowsky .... 

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Danysz (Nishigahara) . . 

4 4 4 

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4 

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— 

- 

Paratyphus (Laboratorium) 

4 4 4 

4 4 4 

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4 4 

44 

4 

— 

Yoshisaki. 

4 4 4 

4 4 4 

4 4 4 

4 4 

4 4 

4 4 

4 

- 

Asano . 

4 4 4 

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4 4 

4 4 

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— 

Conradi. 

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Rüssel. 

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Paratyphus Nr. 1 ... 

4 4 4 

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— 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
































I'JJTEBSÜCHÜNÖ DEB PaBATYPHÜS B- U. MÄUSETYPHÜSBAZILLEN. 99 


8. Agglutination mit Kondo-Bazillenimmunserum. 


Stamm 

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1: 

100 

t: 

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1:500 

1:1000 

1:20001 

[i 

1:10000 

Mäusetyphus. 

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Mereschkowsky .... 

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+ 4- 


Aus den obigen Tabellen 5 bis 8 ersieht man, daß alle zwölf Para- 
typhusstämme gegenüber den vier Paratyphussera nur geringe individuelle 
Unterschiede zeigen, während die Mäusetyphus-, Hereschkowsky- und 
Dauysz-Bazillen weit schwerer agglutinabel als die Paratyphusbazillen sind 
und niemals die Titergrenze erreichen. Im Gegensatz hierzu geben 
Kutscher und Mein icke (2) an, daß die Mäusetyphusbazillen auch die 
Titergrenze der Paratyphusbazillen erreichen, indem die Autoren diese 
Tatsache als einen wichtigen Stützpunkt für die Identität der zwei in 
Frage kommenden Bazillenarten ansehen. Da aber die Höhe der Agglu- 
tinabilität kein entscheidendes Merkmal bei der Unterscheidung der zwei 
Bazillenarten sein soll, möchte ich nicht ohne weiteres behaupten, daß der 
durch Paratyphussera weniger agglutinierte Mäusetyphusbacillus eine 
andere Art als der Paratyphusbacillus sei. Wenn man außerdem noch 
die oben angegebene Tatsache berücksichtigt, daß ein Stamm von Para¬ 
typhus in hoher, ein anderer nur in niedriger Verdünnung durch ein 
Mäusetyphusserum agglutiniert wird, so gibt es keinen Grund, wenigstens 
nicht bei der vergleichenden Untersuchung der Paratyphus- und Mäuse¬ 
typhusbazillen, einfach aus der Höhe der Agglutinabilität eine end¬ 
gültige Entscheidung abzuleiten. 

Kurz, man muß sich bei den Agglutinationsversuchen mit Paratyphus und 
Mäusetyphusbazillen das Wesen der Höhendifferenz der Agglutinabilität der 
beiden Bakterienarten klarmachen: d.h. wenn erstens Paratyphus- und Mäuse¬ 
typhusbazillen die gleichartigen Agglutininrezeptoren besitzen, so muß die 
Höhendifferenz der Agglutinabilität beider Bazillenarten einfach durch eine 
Mengendifferenz der Agglutiniurezeptoren verursacht werden (individuelle 

:" .T* 


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100 


C. Nishino: 


Verschiedenheit); wenn zweitens dagegen die beiden Bazillenarten ungleich¬ 
artige Rezeptoren besitzen, so muß diese Höhendifferenz auf die außerdem 
noch gleichzeitig vorhandenen gemeinsamen Agglutininrezeptoren zurück- 
geführt werden (sogenannte Gruppenagglutination). 

Um diese zwei Möglichkeiten voneinander zu unterscheiden, schien 
mir das Castelianische Verfahren (3) am geeignetsten zu sein, welches 
eigentlich wie bekannt zur Diagnose der Krankensera bei Mischinfektion 
angewandt worden war. 

Bei der Anwendung des CasteDänischen Verfahrens haben wir zwei 
Fälle zu denken: a) wenn Paratjphus- und Mäusetyphusbazillen in toto 
gemeinschaftliche Agglutininrezeptoren besitzen, so muß das durch Para¬ 
typhusbazillen absorbierte Mäusetyphusserum nicht mehr die Mäusetyphus¬ 
bazillen agglutinieren. 

b) Wenn dagegen die beiden Bazillenarten außer gewissen Mengen 
von gemeinschaftlichen Agglutininrezeptoren ganz andere Rezeptoren be¬ 
sitzen, so muß das durch Paratyphusbazillen absorbierte Mäusetyphusserum 
noch die Mäusetyphusbazillen zu agglutinieren imstande sein. In analoger 
Weise muß das durch Mäusetyphusbazillen absorbierte Paratyphusserum 
das umgekehrte Resultat zutage bringen. 

Dritter Abschnitt. (Absorption der Agglutinine.) 

Was nun zuerst die literarische Angabe über die Absorption beim 
Paratyphus- oder Mäusetyphusserum betrifft, so geben Le vy und Fornet (4) 
bei der Untersuchung der Paratyphusbazillen bei Fleischvergiftungslallen 
an, daß das durch Mäusetyphusbazillen absorbierte Paratyphusserum 
(Titer: 1 bis 5000) die Paratyphusbazillen bis zu 100 facher Verdünnung 
deutlich und die Mäusetyphusbazillen selbst in 50 facher Verdünnung 
keineswegs agglutiniert hatte. Bainbridge (5) hat auch die Absorptions¬ 
methode zur vergleichenden Untersuchung des Paratyphus-, Mäusetyphus- 
und Fleischvergiftungsbacillus eingeführt und fand, daß die zwei unter den. 
von ihm untersuchten vier Stämmen von Mäusetyphusbazillen Gärtner¬ 
sehe Bazillen waren, während der dritte Stamm ein Gemisch von Gärtner- 
schen und Aertrykbazillen und der letzte wieder ein Gemisch von Para¬ 
typhus- und Aertrykbazillen war; daher scheint der Autor ein selbständiges 
Dasein der Mäusetyphusbazillen zu bezweifeln geneigt zu sein. Wenn es 
aber mir gestattet ist, die Bainbridgesche Absorptionsmethode zu disku¬ 
tieren, bei welcher die Absorption aus einem 20 bis 40 fach verdünnten 
Serum (Titer: 1:5000 bis 10000) mit 1 bis 3stündigem Verweilen im 
Brutofen genügt, so muß eine Methode nicht subtil genug sein, weil nach 
meiner Untersuchung eine weit stärker verdünnte (100 fach) Serumlösung 
selbst nach zweitägigem Verweilen noch deutlich das zum Verschwinden 



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Untersuchung der Pabatyphus ß- u. Mäusetyphusbazillen. 101 

zu bringende Agglutinin beibehält; seine Resultate lauten einfach + oder 0, 
ohne daß er irgend eine Beschreibung in bezug auf Verdünnung gibt. 

Da nun nicht nur die Agglutinationstiter der Paratyphussera gegen 
die Mäusetyphusbazillen, sondern auch die Titer des Mäusetyphusserums 
gegen die Paratyphusbazillen relativ hoch ist, so war die totale Absorption 
des Agglutinins aus den Sera durch die darin aufgeschwemmten Bazillen 
sehr erschwert worden. Unter den mancherlei Methoden, welche versucht 
wurden, schien mir die folgende am besten zu sein, nämlich: das Serum 
wird zuerst mit einer 0*5 prozentige Karbolsäure enthaltenden physiolo¬ 
gischen Kochsalzlösung 100fach verdünnt, 100 ccm dieser Lösung werden 
mit der Kulturmenge von 20 schräg erstarrten Agarröhrchen gut gemischt, 
einen ganzen Tag im Brutofen oder einige Tage lang im Zimmer stehen 
gelassen, dann wird durch Zentrifuge der Hauptteil der Bazillenleiber ent¬ 
fernt. Wenn man dergleichen Manipulationen dreimal hintereinander wieder¬ 
holt, so gewinnt man zuletzt ein ganz klares Serum, welches nicht mehr 
die zur Absorption benutzten Bazillen zur Agglutination zu bringen vermag. 

1. Absorption mit Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und Danysz- 
(N’ishigahara-)Bazillen aus den diesbezüglichen Immunsera. 

1. Wenn man aus dem Mereschkowsky-Bazillenimmunserum mit den 
Mäusetyphusbazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht 
das Zentrifngat nach dem Zentrifugieren keine Agglutination mehr, nicht 
nur gegen Mäusetyphusbazillen, sondern auch gegen Mereschkowsky-, 
Danysz- und alle zwölf Paratyphus-Bazillen in 100 bis 10000 facher Ver¬ 
dünnung. 

2. Wenn man aus dem Mäusetyphusserum mit Mereschkowsky-Bazillen 
das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentrifugat 
nach dem Zentrifugieren keine Agglutination mehr, nicht nur gegen 
Mereschkowsky-Bazillen, sondern auch gegen Mäusetyphus-, Danysz- und 
alle zwölf Paratyphus-Bazillen in 100 bis 10 000 facher Verdünnung. 

3. Endlich, wenn man aus dem Mereschkowsky-Bazillenimmunserum 
mit Danysz-Bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so ver¬ 
ursacht das Zentrifugat keine Agglutination mehr, nicht nur gegen 
Danysz-Bazillen, sondern auch gegen Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und 
alle zwölf Paratyphus-Bazillen in 100 bis 10 000 facher Verdünnung. 

Aus dem 1. bis 3. Versuche kann man folgende Schlüsse ziehen: 

A. Die Agglutininrezeptoren der Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und 
Danysz-Bazillen, wie auch das Agglutinin in den Immunsera dieser drei 
Bazillenarten stimmen in toto untereinander überein. 

B. Das Agglutinin in diesen drei Immunsera, welches bei gewöhn¬ 
licher Agglutinationsmethode die Paratyphusba/.illen zu agglutiuieren im- 


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102 


C. Nishino: 


Stande ist, ist durch das Absorptionsverfahren zum Schwinden gebracht 
worden. Diese Tatsache beweist zwar, daß sie das die Paratyphusbazillen, 
agglutinierende Agglutinin enthalten, aber nicht, daß alle Agglutininrezep¬ 
toren der Paratyphusbazillen dem Agglutinin in solchen Seris entsprechen, 
weil die betreffenden Bazillen doch noch gleichzeitig sonstige Rezeptoren 
besitzen können. 

II. Absorption mit den Paratyphusbazillen aus den dies¬ 
bezüglichen Immunsera. 

4. Wenn man aus dem Sekiyama-Bazillenimmunserum mit den Kondo- 
bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentri— 
fugat keine Agglutination mehr, nicht nur gegen Kondobazillen, sondern 
auch gegen die Mäusetyphus- und die zwei 'anderen nahestehenden, wie 
auch gegen alle übrigen elf Paratyphusbazillen in 100 bis öOOOfacher 
Verdünnung. 

5. Wenn man aus dem Kondo-Bazillenimmunserum mit den Sekiyama- 
bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentri- 
fugat keine Agglutination mehr, nicht nur gegen Sekiyamabazillen, sondern 
auch gegen die Mäusetyphus- und die zwei anderen nahestehenden, wie 
auch gegen die übrigen elf Paratyphusbazillen in 100 bis lOOOOfacher 
Verdünnung. 

6. Wenn man aus den Sekiyama-Bazillenimmunsesum mit den Yoshi- 
sakibazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das 
Zentrifugat keine Agglutination mehr, nioht nur gegen dieselben Bazillen, 
sondern auch gegen die Mäusetyphus- und die zwei anderen nahestehenden, 
so auch gegen alle übrigen elf Paratyphusbazillen in 100 bis 5000 facher 
Verdünnung. 

Aus dem 4. bis 6. Versuche folgen die Schlüsse: 

A. Die Agglutininrezeptoren aller untersuchten Paratyphusstämme, 
wie auch das Agglutinin aller untersuchten Paratyphussera stimmen ia 
toto miteinander überein. 

B. Das Agglutinin in den Paratyphussera, welches bei gewöhnlicher 
Agglutinationsmethode die Mäusetyphus- und die zwei anderen nahe¬ 
stehenden Bazillenarten zu agglutiuieren imstande ist, ist durch das Ab¬ 
sorptionsverfahren zum Schwinden gebracht worden. Diese Tatsache be¬ 
weist zwar, daß die Paratyphussera das Mäusetyphus- und das zwei 
anderen nahestehenden Bazillenarten agglutinierende Agglutinin enthalten, 
aber nicht, daß alle Agglutininrezeptoren dieser drei Arten Bazillen dem 
Agglutinin in solchen Sera entsprechen, weil die betreffenden drei Arten 
Bazillen doch noch gleichzeitig sonstige Rezeptoren besitzen können. 


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Untebsuchüng deb P abatyphus B- u. Mäusetyphusbazillen. 103 


III. Absorption mit Paratyphus- oder Mäusetyphusbazillen aus 
dem Mäusetyphus- bzw. Paratyphusserum. 

7. Wenn man aus dem Mäusetyphusserum mit Kondobazillen das 
entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentrifugat keine 
Agglutination mehr, gegen sämtliche zwölf Paratyphusstämme in 100 bis 
10 000 facher Verdünnung, während die Reaktion mit demselben Zentrifugat 
gegen Mäusetyphus und die zwei anderen deutlich positiv wie folgt ausfiel: 


Stamm 


1:100 I 1:200 1:500 


1:1000 1:2000] 1:5000 ;i: 10000 


Mäusetyphns .....+ 4- + + 4 - + + + + 

Mereschkowsky ....++++ + + + + + 

Danysz (Nishigahara) . . + + + + -*-, + , + ,+ + 


8. Wenn man aus dem Kondo-Bazillenimmunserum mit Mäusetyphus¬ 
bazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentri¬ 
fugat keine Agglutination mehr gegen Mäusetyphus- und die zwei anderen 
Bazillen in 100 bis 10 000 facher Yerdünnnng, während die Reaktionen 
mit demselben Zentrifugat gegen die Paratyphusstämme deutlich positiv 
wie folgt ausfielen: 


Stamm | 1:100 j 1:200 | 1:500 j 1:1000 1 1:2000 | 1:5000'1:10000 

Conradi. ++++++ + + ++ 4-4- + + + + 

Sekiyama.+ + ++++ ++ ++ ++ ++ + — 

Kondo.+ + + t- 4- + ++ ++,++ ++ - + 


9. Wenn man aus dem Mäusetyphusserum mit Sekiyamabazillen das 
entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das Zentrifugat keine 
Agglutination mehr gegen die sämtlichen Paratyphusstämme in 100 bis 
10 000 facher Verdünnung, während die Reaktionen mit demselben Zentri¬ 
fugat gegen Mäusetyphus- und die zwei sonstigen Bazillen deutlich positiv 
wie folgt ausfielen: 


Stamm 

! 1:100 | 1:200 1 

1:500 1:1000 1:2000 

1:5000 1 : 

: 10000 

Mäusetyphus . . 

. . ' 4 - 4 - 4 - - L ' 

4 - + f 4- 

4 - 

+ 

Mereschkowsky 

4 - 4 * 4 - - i - 

4 - -4 ' 4- 

4 - 

4 - 

Danysz (Nishigahara) 

4-4- 4 - 4 - 

4- -4 4 - 

4 - 

-U 


10. Wenn man aus dem Sekiyama-Bazillenimmunserum mit Mäuse- 
typhusbazillen das entsprechende Agglutinin absorbiert, so verursacht das 
Zentrifugat keine Agglutination mehr gegen Mäusetyphus- und die zwei 
sonstigen Bazillen in 100 bis 5000 facher Verdünnung, während die Reak¬ 
tionen mit demselben Zentrifugat gegen die sämtlichen Paratyphusstämme 
deutlich positiv wie folgt ausfielen: 


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104 


C. Nishino: 


Stamm 

1 1:100 

1:200 , 

1:500 

1:1000 

1:2000 

1:5000 

Paratyphus (Laboratorium) 

- 4 4 

4- -+- 

4- -- 

4 4 | 

4 

-r- 

Yoshisaki. 

4 4 4 

4- 4- 

~ 4- 

4 4 

4 

4 

Asano . 

+ 4 4 

4- 4- 

4- -r 

4 4 

T 4 

— 

Couradi. 

4 4 4 

4- 4- 

-f r 

_—i- 

4 4 

-+- 

Rüssel. 

4 4 4 

4- 4- 

4- 4- 

4 4 : 

4 4 

-4 

Paratyphus Nr. 1 ... 

- 4- 4 

4- 4 

4- 4- 

4 4 

4 

- 


4— \ — 

4- 4 

4- 4- 

4 4 

4 4 

-4 

>, „ 12 . . . 

: + + 1- 

4- 4- 

4- -4 

4 4" 

4 4 

4 

Iguchi. 

4 4- 4 

4- 4- 

-r 4- 

4 4 

4 4 

— 

Sekiyama. 

4 4 4 

-4 4 

4* 4- 

4 4 

- T 

4 

Takaya . 

4 4 r 

J-!_ 

4- 4 

-- 4 

4 4 

- 

Kondo. 

4-4-4- 

4- 

4 4* 

4 4 

4 4 

-f- 


Aus dem 7. bis 10. Versuche folgen die Schlüsse: 

A. Das Mäusetyphusserum enthält außer dem gegen Mäusetyphus- 
und Paratyphusbazillen gleich wirksamen Agglutinin gewisse Mengen von 
spezifischem Agglutinin gegen Mäusetyphusbazillen. 

Die Mäusetyphusbazillen enthalten außer den gegen Mäusetyphus- 
und Paratyphusserum gemeinschaftlichen Agglutininrezeptoren gewisse 
Mengen von spezifischen Rezeptoren gegen das Mäusetyphusserum. 

B. Analog enthält das Paratyphusserum bzw. der Paratyphusbacillus 
gleichzeitig die gemeinschaftlichen und spezifischen Agglutinine bzw. Re¬ 
zeptoren. 

Wenn man also das Agglutinin im Mäusetyphusserum mit m + a 
und das im Paratyphusserum mit p 4- a bezeichnet, so ist a das gemein¬ 
schaftliche Agglutinin im Mäusetyphus- und Paratyphusserum, m das im 
ersteren und p das im letzteren spezifische Agglutinin. Analog, wenn 
man die Rezeptoren im Mäusetyphusbacillus mit m' + a und die im 
Paratyphusbacillus mit p + a bezeichnet, so sind a die gemeinschaft¬ 
lichen Rezeptoren im Mäusetyphus- und Paratyphusbacillus, m die im 
ersteren und p' die im letzteren spezifischen Rezeptoren. 

Daher kann man hier mit Bestimmtheit sagen, daß eine spezifische 
Agglutination zwischen Mäusetyphusbazillen und Paratyphusserum bzw. 
zwischen Paratyphusbazillen und Mäusetyphusserum nur dann zum Vor¬ 
schein kommt, wenn das Absorptionsverfahren vorangegangen ist; und die 
Agglutination ohne dieses Verfahren ist nichts anderes als eine sogenannte 
Gruppenreaktion. 

Vierter Abschnitt. (Bakteriolyse.) 

Daß das Mäusetyphus- und Paratyphusserum nicht nur bei Aggluti¬ 
nationsversuchen mit den diesbezüglichen Bakterien arten wechselseitig 
wirken, sondern auch beim Tierversuch gegen die betreffenden Bakterien 


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Untersuchung der Paratyphus B- u. Mäusettphusbazellen. 105 

ihre Schntzwirkungen wechselseitig entfalten, hatten schon Kutscher 
und Meinicke (2) bezeugt; meine eigenen Versuche stimmen mit den 
ihrigen überein. Die- Ausgänge der Meerschweinchen, welche mit einem 
Gemisch von Bazillen und Serum intraperitoneal injiziert wurden, waren 
wie folgt: 


I. Versuche mit Mäusetyphusserum. 


Serummenge 

‘ Art u. Menge der Bazillen 

Gewicht des 
Meerschweinchens 

Ausgang 

0-005 Mm 

li 

Mäusetyphus 

V'io Öse 

245 grm 

lebt 

0-001 „ 

» 

i 

. 10 

255 „ 

» 

- 

1 

1 

50 

255 „ 

tot 

0-005 „ 

Paratyphus 

(Kondostamm) 

V,. - 

260 

lebt 

0-001 „ 


1/ 

HO »• 

240 „ 

V 

— 

, - ? 

1 ! 

‘50 »v 

260 „ 

tot 

II. Versuche mit Paratyphusserum (Kondostamm). 


Serummenge 

Art u. Menge der Bazillen 

Gewicht des 
Meerschweinchens 

Ausgang 

0-005 ctm 

Paratyphus 

(Kondostamm) 

7.» Öse 

250 * r£U 

i 

lebt 

0-001 


1/ 

10 M 

250 ,. 

u 

— 

u 

1/ 

/-*■ 0 

269 

tot 

0-005 

Mäusetyphus 

Vl O V * 

250 .. 

lebt 

0-001 


1 ' 

'10 

300 


- 

,, 

1 /50 i» 

255 „ 

tot 


Diese zwei Versuche beweisen zwar das Vorhandensein von gemein¬ 
schaftlichem Bakteriolysin bzw. gemeinschaftlichen Rezeptoren in den 
zwei genannten Sera bzw. den zwei Bazillenarten, aber man kann mög¬ 
licherweise noch andere, uud zwar spezifisches Lysin bzw. einen spezifischen 
Rezeptor darin vorhanden annehmen, wie es bei den Agglutinationen der 
Fall war. Ich habe mit dem oben angegebenen Zentrifugat (100 fach 
verdünntem Serum) nach der Absorption die Tierversuche augestellt, indem 
ich dabei Serum und Bazillen anstatt gemischt jedesmal mit besonderer 
Spritze und an besonderer Stelle den Meerschweinchen intraperitoneal 
injizierte, weil das Zentrifugat wie oben erwähnt, 0 • 5 prozentiges Phenol 
in sich enthält. Ferner, weil das Zentrifugat beim Absorptionsverfahren 
verschiedenen äußeren schädlichen Einflüssen ausgesetzt war, und infolge¬ 
dessen seine Wirksamkeit stark beeinträchtigt worden sein mußte, so habe 
ich eine weit größere Menge Serum zu den Versuchen angewandt. 


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106 


C. Nishino: 


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III. Versuche mit dem Zentrifugat des Mäusetyphusserums nach 
der Absorption mit Paratyphusbazillen (Kondostamm). 


Serum menge 

_ 

j Art u. Menge der Bazillen J 

Gewicht des 
Meerschweinchens 

Ausgang 

0*02 cc ® 

1 Mäusetvphus l j l0 Öse 

290 fTm 

lebt 

0-01 „ 

7 10 •• 

290 .. 

»» 

0-005 

7.« •• 

295 o. 

tot 

— 

»• h so 

290 ,. 


0*02 

Paratyphus \' l0 

(Kondostamm) 

310 

•• 

0-01 

7,o •• 

300 .. 


0*005 „ 

7,o 

310 .. 

M 

— 

** ‘50 ** 

289 

- 

IV. Versuche mit dem Zentrifugat des 

Paratyphus- (Kondostamm-) Serum 

nach der Absorption mit Mäusetyphusbazillen. 


Serummenge 

j Art u. Menge der Bazillen 

Gewicht des 
Meerschweinchens 

Ausgang 

0*02 ctm 

Paratvphus V I0 Öse 

240 grra 

lebt 


(Kondostamm) 



0*01 .. 

Paratyphus V l0 .. 

240 .. 

i, 

0-005 

» */ 10 

235 .. 

tot 

— 

i 

*» 150 

230 .. 


0*02 

Mäusetyphus */ 10 

250 .. 


0-01 .. 

• Vio •• 

230 . 


0-005 

1/ 

*10 

240 .. 


— 

7,o 

220 .. 



Aus dem III. und IV. Versuche kaun man schließen, daß das Mäuse¬ 
typhus- und Paratyphusserum außer dem gemeinschaftlichen Bakteriolysin 
gewisse Meugen von spezifischem Lysin in sich beibehält. 

Wenn man also das Lysin im Mäusetyphusserum mit m + u, das 
im Paratyphusserum mit p + a bezeichnet, so ist a das gemeinschaftliche, 
m das im ersteren und p das im letzteren vorhandene spezifische Lysin. 
Die Analogie besteht bei der Vorstellung der Rezeptorenvorrichtung bei 
beiden Bazillenarten. 

Schlußfolgerung. 

1. Die von mir untersuchten Mäusetyphus-, Mereschkowsky- und 
Danysz-(Nishigaharastamm-)Bazillen lassen sich mittels biologischer Ver¬ 
suche, Agglutination sowie Absorptionsverfahren nicht von einander unter¬ 
scheiden. 

2. Bei den mehrfachen Fütterungsversuchen an Mäusen mit den 
zwöf Paratyphusstämmen hat kein einziger unter Septikämie zum Tode 
geführt. 


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Untersuchung der Paratyphus B- u. Mäusetyphüsbazillen. 107 


3. Die Mäusetyphus- und Paratyphusbazillen lassen sich bei gewöhn¬ 
lichen Untersuchungsmethoden nach Morphologie, Kulturen, Färbungen, 
Reaktionen oder Agglutination keineswegs voneinander unterscheiden; sie 
werden erst durch das Absorptionsverfahren leicht und deutlich voneinander 
getrennt. 


Hier möchte ich mir erlauben, einige kasuistische Mitteilungen über 
Paratyphusbazillen zuzusetzen. 

I. Ein Fall von saprophytischem Vorhandensein des Paratyphus A- 
ßacillus. 

Paratyphus A-Erkrankungen gehören eigentlich zu den seltenen Vor¬ 
kommnissen, noch mehr das saprophytische Auftreten dieses Bacillus. 
Soweit ich aus der Literatur ersehen konnte, haben Paladino-Blandini(6) 
aus Quellwasser und Morgan (6) aus Tierdarm denselben isoliert. Was 
nun meinen Fall betrifft, so zeigte er sich wie folgt: 

Eine 30 jährige Frau K. 0. war im Juli vorigen Jahres in unserem 
Hospital wegen akuter Kakke aufgenommen worden; angeblich hatte sie 
niemals fieberhafte Krankheiten oder akute Magendarmleiden durcbgemacht. 

Bei der bakteriologischen Untersuchung ihres Kotes, und zwar mit der 
Agarplatte, wurde ich auf zahlreiche typhusähnliche Kolonien aufmerksam. 
Durch genauere biologische und immunisatorische Untersuchungen dieser 
Kolonien habe ich festgestellt, daß der fragliche Bacillus Paratyphus A war. 
Als Kontrolle habe ich das von Prof. Shiga gelieferte Paratyphus A Nr. 1 
parallel untersucht. 

II. Ein Fall von saprophytischem Dasein des Paratyphus B-Bacillus. 

In bezug auf das saprophytische Vorkommen des Paratyphus B-Bacillus 
haben neulich Uhlenhuth und Hübener (7) eine zusammenfassende Mit¬ 
teilung gemacht. Bei meinem Falle ist der Bacillus vom Darminhalt einer 
24jährigen Kakkeleiche namens K. K. isoliert worden; dieser Bacillus ist 
der oben Kondostamm genannte Bacillus selbst. Anamnestisch hat der 
Patient niemals eine fieberhafte Krankheit oder akuten Brechdurchfall usw. 
durchgemacht. Ferner, bei der Sektion war außer den für Kakke charak¬ 
teristischen Veränderungen, sowie Tuberkulose der Lunge und der Bronchial¬ 
drüsen keine merkwürdige anatomische Veränderung konstatiert worden. 

III. Ein Fall von dysenterieähnlicher Paratyphus B-Erkrankung. 

Im Oktober letzten Jahres hat unser Hospital einen 8 jährigen Knaben 
unter der Diagnose Dysenterie, von einem praktischen Arzt gesandt, auf¬ 
genommen. Nach der Angabe desselben Arztes brach die Krankheit mit 
mehrmaliger blutigschleimiger Diarrhoe und leichter Fieberbewegung aus. 
^ach der Aufnahme im Krankenzimmer entleerte er täglich ein- bis zwei¬ 
mal schleimigen Stuhl. Bei den wiederholten bakteriologischen Unter- 


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108 C. Nishino: Paratyphus B- und Mäusetyphüsbazillen. 


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suchungen der Schleimmasse konnte ich anstatt der erwarteten Dysenterie¬ 
bazillen jedesmal eine kolossale Anzahl von Paratyphus B-Bazillen züchten, 
welche allmählich mit der Abnahme der Schleimbeimengung des Kotes auch 
verschwanden. Klinisch, ausgenommen den leichten und zwar nur gelegent¬ 
lich auftretenden Bauchschmerz, subjektiv nichts konstatierbar. Das Colon 
descend. und sigmoid. waren mäßig dick und hartinfiltriert und leicht druck¬ 
empfindlich, die Zunge weißlich belegt und feucht. Die typhösen Symptome 
wie Kopfschmerz, geistige Störung, Milztumor oder Roseala wurden nicht 
konstatiert. 

Die Körpertemperatur war im allgemeinen nicht so hoch; während eines 
etwa 3 wöchentlichen Aufenthaltes im Krankenzimmer stieg sie nur zweimal 
bis 38*3° C und an den meisten Krankheitstagen schwankte sie zwischen 
36*5° bis 37*5° C. Die am 10. Krankheitstage entnommene Blasen¬ 
flüssigkeit agglutinierte den homogenen und den oben erwähnten Sekiyama- 
Bacillus in 200 facher Verdünnung. 

Bei akutem unter Erscheinung der Cholera verlaufenden Paratyphus 
haben Hetsch (8) und Rolly (9) usw. die schleimigfetzigen Darment¬ 
leerungen beschrieben, aber über den von Paratyphus B-Bacillus ver¬ 
ursachten und in toto unter dem Bilde einer leichten Dysenterie ver¬ 
laufenden Fall habe ich niemals eine Mitteilung gelesen. 

Zum Schlüsse spreche ich Herrn Direktor Prof. Dr. Kitasato und 
Herrn Abteilungsvorsteher Prof. Dr. Shibayama für die Anregung und 
Leitung bei diesen Untersuchungen und Herrn Prof. Dr. Shiga für seine 
gütige Überlassung des Materials meinen herzlichen Dank aus. 

Tokio, Februar 1910. 


Literatur. 


1. Shibayama, Münchener med. Wochenschrift . 1907. Nr. 20. 

2. Kutscher u. Meinicke, Diese Zeitschrift . 1906. Bd. L1I. 

3. Castellani, Ebenda. 1902. Bd. XL. 

4. Levy u. Fornet, Centralblatt für Bakteriologie . 1906. Bd. XLI. 

5. Bainbridge, The Journ. of Fath. etc . 1909. Vol. XIII. Nr. 4. 

6. Paladino-Blandini u. Morgan; refer. v. Kayser, Centralblatt für Bak¬ 

teriologie. 1906. Bd. XL. 

7. Uhlenhuth u. Hübener, Med . Klinik. 1908. Nr. 48. 

8. Hetsch, Klin. Jahrbuch. 1906. Bd. XVI. 

9. Rolly, Deutsches Archiv für Klin. Med. Bd. LXXXYII. Hft. 5 u. 6. 


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[Aus der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen Instituts 
der Universität Berlin.] 

Zur Kenntnis der Immunität 
bei experimenteller Trypanosomeninfektion. 

Von 

Rudolf Neumann. 


Im Verlaufe ihrer chemotherapeutischen Studien au mit Trypanosomen 
^zierten Mäusen haben Ehrlich und mehrere seiner Mitarbeiter auch 
'ias Problem der Immunität bei Trypanosomenkrankheiten, das schon 
fiederholt Forscher beschäftigt hatte, von neuem einer Untersuchung 
unterzogen. In dem der Gruppe der Azofarbstoffe angehörigen Trypanrot 
hatte Ehrlich eine wirksame Substanz entdeckt, die Trypanosomen im 
Blut von Mäusen und Hatten zum Verschwinden zu bringen. Allerdings 
w är damit eine Dauerheiluug im allgemeinen nicht zu erreichen, nach 
einiger Zeit trat das Rezidiv auf, dem die Tiere nun schnell erlagen. 
•Ins dem Auftreten des Rezidivs ergab sich mit Notwendigkeit der Schluß, 
daß ein Teil der Trypanosomen in irgend einer Weise der trypanoziden 
Wirkung des chemotherapeutischen Agens entgehen müsse, und es lag 
uun die Frage nahe, warum die zurückgebliebenen Trypanosomen sich 
röcht sofort, sondern erst nach einer Zeit von Wochen und Monaten wieder 
^nnehrten, während die Schutzwirkung des Heilmittels schon einige Tage 
nach dessen Injektion verschwindet. 

Um diese Frage zu klären, welches die Faktoren seien, die eine Ver¬ 
ehrung der zurückgebliebenen Trypanosomen nach Ablauf der Trypanrot- 
schatzwirkung verhinderten, wurde von Ehrlich, Shiga und Franke 
folgende Versuchsmethodik eingeschlagen: sie infizierten Mäuse, die durch 


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L 



110 


Rudolf Neumann: 


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Trypanrot von ihrer Mal de Caderas-Infektion geheilt waren, nochmals mit 
diesen Trypanosomen nach, nachdem die trypanozide Wirkung des Trypanrot 
bereits abgeklungen war. Sie stellten nun fest, daß diese Neuinfektion 
nicht anging, ebensowenig wie alle Nachinfektionen, welche innerhalb von 
etwa 22 Tagen nach der Heilung der Infektion vorgenommen wurden. 
Aus diesen Beobachtungen ziehen Ehrlich und seine Mitarbeiter den 
Schluß, daß durch die Abheilung der Trypanosomeninfektion eine echte, 
zeitlich begrenzte Immunität entstehe. 

Der nächste Schritt war der, die Spezifität dieser Immunität zu 
prüfen. Zu diesem Zweck wurde den z. B. von ihren Nagana-Trypano- 
somen geheilten Mäusen irgend eine andere Trypanosomenart nachgeimpft, 
z. B. Mal de Caderas- oder Dourineerreger. Diese Stämme gingen glatt, 
ohne Verzögerung, an. Ergab sich hieraus als Konsequenz die Annahme 
einer Bildung artspezifischer Antikörper, so bestätigte sich doch in weiteren 
Versuchen die Hoffnung nicht, mit Hilfe dieser Immunitätsreaktion die 
verschiedenen Trypanosomenspezies voneinander trennen und identifizieren 
zu können. Browning impfte eine Anzahl Mäuse mit einem parafuchsin¬ 
festen Naganastamm vor und infizierte nach: 1. mit Normalnagaua- 
stamm, 2. mit parafuchsinfestem und 3. mit atoxylfestem Naganastamm. 
Es zeigte sich, daß nur gegen den vorgeimpften, also parafuchsinfesten 
Stamm eine Immunität eingetreten war, während sich bei den beiden 
anderen Stämmen die nachinfizierten Trypanosomen schnell vermehrten. 
Er kommt deshalb zu dem Schluß, daß die Immunitätsreaktion bereits 
feinste biologische Unterschiede zu erkennen gebe, und daß Differenzen 
in dieser Reaktion keine genügende Grundlage für die Klassifizierung 
von verschiedenen Trypanosomenspezies bieten. Ehrlich konnte dann 
weiter dartun, daß die Trypanosomen, welche sich einige Zeit nach 
einer nicht völlig sterilisierenden Dosis irgend eines Heilmittels im 
Blut der Maus wieder einstellen, sich anders wie der Ausgangs¬ 
stamm bezüglich der Immunitätsreaktion verhalten, und daß diese neu¬ 
gewonnene Eigenschaft des Rezidivstammes durch hunderte von Passagen 
vererbt wird. 

Durch diese Immunitätsreaktion lassen sich somit prinzipielle bio¬ 
logische Differenzen zwischen den verschiedenen Trypanosomenspezies 
einerseits, sowie zwischen Normalstamm, Rezidiv- und festem Stamm 
der gleichen Trypanosomenart andererseits nachweisen. So weit reichen 
die bisherigen Ergebnisse der Ehrlichschen Schule. An diese Tatsachen 
knüpfen meine Versuche an, die unter Leitung von Ilrn. Prof. Dr. Morgen - 
roth und mit freundlicher Unterstützung von Hrn. Dr. Rosenthal aus¬ 
geführt worden sind und folgende Fragen zu beantworten versuchen: 


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Immunität bei Tbypanosomen Infektion. 


111 


1. Ist das aDgewandte chemotherapeutische, trypanozide Ageus von 
Einfluß auf die Dauer der Immunität? 

2. Sind die Rezidivstämme untereinander identisch oder lassen sich 
auch zwischen ihnen mit Hilfe der Immunitätsreaktion feinere biologische 
Unterschiede nachweisen? 

Als Versuchstiere wurden weiße Mäuse von einem Gewicht von 
15 018 22*™ benutzt. Zur Infektion diente ein Stamm von Trypanosoma 
Brucei (Dr. von Prowazek, Hamburg). Dieser Stamm hatte durch sehr 
zahlreiche Passagen durch weiße Mäuse einen konstanten, hohen Virulenz¬ 
grad für diese erreicht: Vom ersten Erscheinen der Parasiten im Blut der 
Versuchstiere bis zu ihrem Tod vergehen im allgemeinen 3 oder 4 Tage. 
Einmal wurde auch ein Stamm von Mal de Caderas-Trypanosomen ver¬ 
wendet, der ungefähr dieselbe Virulenz für Mäuse besitzt. Die Infektion der 
Tiere geschah fast immer intraperitoneal, wodurch ein rascheres Angehen 
der Parasiten als bei subkutaner Impfung erzielt wird. Gewöhnlich traten 
schon am Tage nach der Infektion vereinzelte Trypanosomen im Blut auf, 
die sich dann sehr rasch vermehrten. Zur Untersuchung dienten Präparate 
Ton frischem Blut, das der Schwanzspitze der Maus entnommen und zwischen 
Objektträger und Deckglas in möglichst dünner und gleichmäßiger Schicht 
verteilt wurde. Die Bezeichnungsart ist die bei chemotherapeutischen 
Experimenten allgemein übliche. Es bedeutet: 


0 = keine Trypanosomen im Präparat. 

(4-) = ganz vereinzelte Trypanosomen im ganzeu Präparat. 

+ = I bis 2 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld. 

+ 4- = 5 bis 8 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld. 
r44 — 10 bis 30 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld. 

4 4-4-4- = unzählbar viele Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld, wie 
sie sich kurz vor dem Tode der Maus fiuden. 

t = tot. 

— = nicht nachgesehen. 

Das Infektionsmaterial wurde so bereitet: Das Blut einer Maus, die 
reichüch (+ + +) Trypanosomen aufwies, wurde durch Dekapitation ge¬ 
wonnen und mit physiologischer Kochsalzlösung so weit verdünnt, daß 
sich ungefähr 3 bis 5 Trypanosomen in jedem Gesichtsfeld fanden. Von 
dieser Blutverdünnung wurden meist 0-2 ccm mittels Pravazspritze den 
zu infizierenden Tieren intraperitoneal injiziert. Diese Infektion ist als 
eine starke zu bezeichnen. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



112 


Rudolf Neumann: 


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Von trypanoziden Mitteln wurden folgende angewandt: 

1. Am häufigsten Kaliumantimonyltartrat, dessen Wirksamkeit zuerst 
Mesnil und Nico Ile beobachtet haben, dessen genauere Kenntnis wir 
aber den eingehenden Untersuchungen von Plimmer und seinen Mitar¬ 
beitern verdanken. Es kommt ihm von allen bisher bekannten trypano¬ 
ziden Agentien die schnellste Heilwirkung zu, und selbst kurz vor 
dem Tode des Versuchstieres vermögen noch geringe Mengen von 
Brechweinstein die Trypanosomen aus der Zirkulation zu beseitigen 
und das Tier zu retten. Als Heildosen wurden Kaliumantimonyl- 
tartratmengen verwendet, welche, wie aus eingehenden Versuchen von 
Morgenroth und Rosenthal hervorgeht, eine sicher heilende Wirkung 
entfalten, ohne eine Antimonintoxikation der Versuchstiere im Gefolge zu 
haben. Die Dosen bewegen sich zwischen 0*2 bis 0*35 ccm einer Ver¬ 
dünnung von 1 : 1000. Die Lösungen wurden mit physiologischer Koch¬ 
salzlösung unter mäßigem Erwärmen hergestellt und möglichst frisch be¬ 
nutzt. Die Nachinfektion konnte bereits 24 Stunden nach der Abheilung 
mit Kaliumantimonyltartrat vorgenommen werden, da, wie sich aus den 
prophylaktischen Versuchen der eben genannten Autoren ergibt, Tartarus 
stibiatus in den von mir verwendeten Dosen keine prophylaktische Wirkung 
nach Ablauf dieses Intervalls entfaltet. Um Zufälligkeiten, wie sie jedem 
biologischen Experimente anhaften, zu begegnen, wurden jedoch in fast 
allen unseren Versuchen prophylaktische Kontrollen eingereiht, die stets 
eine solche vorbeugende Kaliumantimonyltartratwirkung auszuschließeu 
gestatteten. 

2. Ferner wurde Arsacetin in einer Dosis von 1.0 ccm einer 1 prozen- 
tigen physiologischen Kochsalzverdünnung benutzt, die sich für unseren 
Naganastamm als sicher kurative Dosis bewährte. Dies Mittel wirkte in 
dieser Menge nach 2 Tagen ebenfalls sicher nicht mehr prophylaktisch. 

3. Schließlich gebrauchten wir noch zur Abheilung das von Ehrlich 
in die Therapie eingeführte Arsenophenylglycin in der Dosis von 2 • 0 ccm 
einer Verdünnung von 1 : 500 physiologischer Kochsalzlösung. Arseno¬ 
phenylglycin wirkt, wie Roehl angibt, 4 Tage prophylaktisch, deshalb 
wurde bei diesen Versuchen die Nachiufektion erst am 5. Tage ausgeführt. 

Sämtliche Heilmittel wurden den Mäusen subkutan verabreicht. 

Um uns eine experimentelle Grundlage für weitere Versuche zu 
schaßen, haben wir zunächst die Angaben von Ehrlich, Franke und 
Browning hinsichtlich ihrer Gültigkeit auch für den von uns verwendeten 
Naganastamm einer Nachprüfung unterzogen. Doch wurden unsere Ver¬ 
suche in der Weise modifiziert, daß statt des von jenen gebrauchten 
Trypanrots die vorher erwähnten Heilpräparate zur Verwendung gelangten. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Immunität bei Trypanosomeninfektion. 


113 


Unsere ersten Versuche gestalteten sich nun im einzelnen zunächst so, 
daß wir, in Anlehnung an die Technik der genannten Forscher, den Nor- 
malnaganastamm vorimpften, dann durch eins der oben angeführten 
Agentien die Infektion bei einem Trypanosomengehalt von + + + im 
Blut zur Abheilung brachten und nun an einem der nächsten Tage, meist 
schon am folgenden, die geheilten Mäuse mit verschiedenen Trypanosomen- 
stämmen nachinfizierten. Zur Nachinfektion wurden benutzt zunächst 
der gleiche Normalnaganastamm, der vorgeimpft wurde, dann Rezidiv- 
Stämme desselben, ferner ein von Morgenroth und Halberstädter 
durch Arsacetinbehandlung gegen verschiedene Arsenikalien und Antimon¬ 
präparate gefestigter Naganastamm, der weiterhin kurz als arsacetinfester 
Stamm bezeichnet wird. Über die Gewinnung der benutzten Rezidiv¬ 
stämme ist kurz zu bemerken, daß sie sich von den Trypanosomen eines 
ersten Rezidivs herleiteten, das nach Abheilung der Normalaganainfektion 
durch 0*25 ccm Kaliumantimonyltartrat 1 : 1000 gewöhnlich zwischen dem 
8. bis 15. Tage auftrat, und das entweder ganz frisch oder unter mög¬ 
lichster Beschränkung der Tierpassagen verimpft wurde. 

Die folgende Tabelle I gibt einen Versuch wieder, in welchem 
Xormalaganastamm vorgeimpft und der gleiche Normalstamm nach Ab¬ 
heilung der Infektion durch Kaliumantimonyltartrat nachgeimpft wurde. 
Dabei waren mehrere Arten von Kontrolltieren nötig, ebenso in allen 
folgenden Versuchen, deren Bedeutung die ist: 

1. Tiere, die, mit dem Heilmittel vorbehandelt, anzeigen, daß keine 
prophylaktische Wirkung mehr von diesem ausgeht, sog. „prophylaktische 
Kontrollen“ (s. z. B. Tabelle I, Nr. 67 bis 68). 

2. Unbehandelte Tiere, die das Angehen der Nachinfektionen demon¬ 
strieren, sogenannte Infektionskontrollen (s. z. B. Tabelle I, Nr. 73 u. 76). 

3. Tiere, die nach der Heilung nicht nachinfiziert wurden und den 
Zeitpunkt des Recidiveintrittes veranschaulichen sollen, sogenannte Rezi¬ 
divkontrollen (s. z. B. Tabelle I, Nr. 63 und 65). 

Es ergibt sich aus diesem Versuche, daß auch für den von uns in 
unseren Experimenten benutzten Naganastamm die Tatsache besteht, daß 
die Abheilung der Infektion eine Immunität gegen eine Neuinfektion mit 
dem gleichen Stamm bedingt. 

Diesem Versuche wollen wir nun einen zweiten, in gleicher Weise 
angesetzten, anreihen, der im wesentlichen das gleiche Resultat wie der 
erste aufweist. (Tabelle II.) 

Auch hier geht also der nachgeimpfte Normalstamm bei Vorimpfung 
und Abheilung der gleichen Trypauosomenart nicht an. Über die Natur 
i der hier am 9. Tage nach der Vorinfektion von neuem in der Zirkulation 

Zeitscbr. f. Hygiene. LXIX 

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114 


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Nacliinf. N-N. — Nachimpfung mit Nagana normal. — Infekt. N-N. = Infektion mit Nagaua normal. 



Vorinfektion mit Nngana norm. Prowazek. — Heilung mit Tartarus stibiat. — Nachinfektion mit Nagana normal 


Immunität bei Trypanosomeninfektion. 


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116 


Rudolf Neumann: 


erscheinenden Trypanosomen geben die Rezidivkontrollen bis zu einem 
gewissen Grade Aufschluß, indem mit dem Erscheinen- dieser Trypano¬ 
somen das Rezidiv des vorgeimpften Normalstammes in einer Kontrolle 
(Nr. 222) zeitlich bis auf einen Tag zusammenfällt. Gleichwohl ist die 
Divergenz zwischen den bei allen nachgeimpften Mäusen am 9. Tag post 
infectionem gleichmäßig auftretenden Trypanosomen und dem davon 
dauernden Freibleiben der Maus Nr. 223 bemerkenswert. Es ist bei 
diesem Ergebnisse immerhin die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, daß 
die am 9. Tage nach der Infektion bei Nr. 210 bis 213 erscheinenden 
Parasiten verschiedenen Ursprungs sind, und daß es sich vielleicht zum 
Teil um gewöhnliche Rezidivtrypanosomen handelt, zum Teil aber um 
Trypanosomen, die dem nachgeimpften Naganastamm angehören und bloß 
ein verlangsamtes Angehen zeigen. Ähnliches begegnete uns nämlich 
noch in anderen Versuchen, und wir werden bei späteren Experimenten 
auf letztere Möglichkeit noch ausführlicher zurückzukommen haben. 

Den nächsten Versuchen liegt folgende Anordnung zugrunde: Es 
wurden, wie in den beiden ersten Tabellen, Nagananormaltrypanosomen 
vorgeimpft, bei vollentwickelter Infektion mit Kaliumantimonyltartrat ab¬ 
geheilt und nun nachgeimpft: 

1. I.Tartarus-Rezidiv-Naganastamm; 

2. Arsacetinfester Naganastamm; 

3. Normaler Mal de Caderasstamm. 

Aus den Tabellen III bis V geht hervor, daß der erste Rezidivstamm 
bereits biologisch scharf von seinem Ausgangsstamm differenziert ist, ebenso 
wie der feste Stamm, und daß beide mit dem Mal de Caderasstamm in¬ 
sofern übereinstimmen, als eine mit diesen Stämmen vorgenommene 
Nachiufektion prompt augeht, als ob es sich um eine ganz andere Spezies 
handelt. 

Der folgende Versuch VI befolgt im wesentlichen die Technik von 
Browning. 

Wir haben, wie jener, zunächst den obenbeschriebenen festen Stamm 
vorgeimpft. Da dieser, wie bereits erwähnt, auch eine absolute Antimon¬ 
resistenz besaß, so haben wir zu seiner Abheilung statt des Kaliumanti- 
monyltartrats Arsenophenylglycin in einer Dosis von 2 • 0 ccm 1 : 500 ver¬ 
wendet. Entsprechend der Dauer der prophylaktischen Wirkung dieses 
Präparates wurde die Nachinfektion erst fünf Tage nach dem therapeuti¬ 
schen Eingriff vorgenommen und zwar: 

a) mit Normalnaganastamm, 

b) mit demselben festen Stamm, der vorgeimpft wurde. 


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Immunität bei Tbypanosomeninfektion. 


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118 


Rudolf Neumann: 


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Tabelle V. 

Vorinfektion mit Nagana normal. Prowazek. — Heilung mit Tartarus 
stibiatus. — Nachinfektion mit Mal de Caderas-Stamm. 



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Browning, daß bei Vorimpfung von festem Stamm der nachgeimpfte gleiche 
feste Stamm nicht angeht, daß aber die Vorimpfung und Abheilung des 
festen Stammes keine Schutzwirkung für den Normalstamm bedingt. 

In ähnlicher Weise verhalten sich Normal- und Rezidivstamm zu 
einander. Geht, wie Tabelle III ergibt, bei Heilung des Normalstammes 
die Neuinfektion mit Rezidivstamm ohne weiteres an, so zeigt das folgende 
Experiment das gleiche Ergebnis für den Fall, daß man umgekehrt Rezi¬ 
divstamm vor- und Normalstamm nachimpft. Allerdings bedarf es dazu 
frischer Rezidivstämme, wie ein späterer Versuch lehren wird. 

Das Resultat der bisher angestellten Experimente (Tabellen I bis VII) 
ist also folgendes: 

Es besteht eine Immunität nur in den Fällen, wo derselbe Stamm, 
der vorgeimpft, auch nachinfiziert wurde, wie die Tabellen I, II und Via 
demonstrieren. Dagegen ist in allen übrigen Versuchen eine Immunität 
nicht nachweisbar, und die Nachinfektion geht glatt, in Übereinstimmung 
mit den Kontrolltieren, an. Es lassen sich also mit Hilfe der Immuni¬ 
tätsreaktion prinzipielle Differenzen zwischen diesen Stämmen nachweisen, 
Differenzen, die somit nicht nur zwischen den verschiedenen Trypanosomen¬ 
spezies, hier den Erregern der Tsetsekrankheit und des Mal de Caderas, 
bestehen, sondern auch bei Stämmen, die von dem vorgeimpften Normal¬ 
stamm ihren Ausgang nahmen. Es stimmen diese Resultate mit denen 
von Ehrlich und Browning überein, die bereits, ebenso wie wir, für 


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Immunität bei Tbypanosomeninfektion. 


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120 


Rudolf Neumann: 


Tabelle VII. 

Vorinfektion mit I. Tartarus-Rezidiv von Nagana norm. — Heilung mit 
Tartarus stibiatus. — Nachinfektion mit Nagana norm. Prowazek. 

Infektionskontrollen 
für 

Nagana normalis 
229 230 


Inf. m. I Inf. m. 
Nag. norm. Nag. norm. 

(+) (+) 

+ + + + + +- 
7 + + -I- + 


den I-Rezidivstamm und weiter auch für ihre festen Stämme die gleichen 
Divergenzen beobachteten. Daß aber innerhalb der nachgeimpften Stämme 
noch weitere biologische Differenzen wesentlicher Natur vorhanden sind, 
werden wir in späteren Versuchen noch zeigen können. 

Wir haben uns nun im weiteren bemüht, die Dauer der Immunität 
festzustellen. Wir sind dabei von der Erwägung ausgegangen, daß mög¬ 
licherweise hierbei die Art des pharmakologischen Agens von Einfluß sein 
könne, und wir haben deshalb, um Vergleiche mit den Versuchen von 
Ehrlich und Franke, die eine Maximalimmunitätsdauer von 22 Tagen 
feststellen konnten, nicht mit Trjpanrot, sondern mit Arsacetin abgeheilt. 
Von dem in den bisherigen Versuchen verwendeten Kaliumantimonyltar- 
trat mußte abgesehen werden, da mit den verwendbaren Antimondosen 
eine sicher sterilisierende Wirkung meist nicht erreichbar ist, und das 
Auftreten des Rezidivs des vorgeimpften Stammes den Betrachtungen über 
die Immunitätsdauer hinderlich im Wege ist. Bei Arsacetingabe aber 
konnte dieser Schwierigkeit umgangen werden, da die verwendeten Dosen 
von zweimal 0*5 ccm 1:100 fast in allen Fällen eine völlige Sterilisation 
des Tierkörpers hervorriefen. Es wurde in dem angeführten Versuch nun 
so vorgegangen, daß der Normalnaganastamm sowohl vor-, als auch 
nachgeimpft wurde, und zwar geschah die Nachinfektion zu wiederholten 
Malen. 

Es geht aus Tabelle VIII hervor, daß sich auch durch Abheilung 
mit Arsacetin eine langdauernde Immunität gegen eine Neuinfektion mit 
dem gleichen Stamm erzielen läßt, deren Dauer in unserem Falle bis jetzt 


£ Intrap. Vorinfektion mit I. Tartarus-Rezidiv v. Nagana. 
gj'g Bei + + + : Heilung durch 0*8 Tartarus stib. 1: 1000. 
*—•1 Bei 0: Nachinfektion mit Nagana norm. Prowazek. 


§. Nr.: 224 

225 

226 

227 

228 

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2 -1- + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

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Nachinf. m. Nachinf.m 

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Nag. norm. 

Nag. norm 

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122 


Rudolf Neumann: 


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24 Tage währte. 1 Es scheint demnach die Wahl des pharmakologischen 
Agens bei der Intensität der Antikörperbildung nicht von ausschlaggebender 
Bedeutung zu sein. — Wir möchten an dieser Stelle noch einfügen, daß 
wir im Verlaufe des eben skizzierten Gedankenganges als Kurativmittel auch 
Menschenserum, dessen Wirksamkeit zuerst von Laveran und Mesnil an¬ 
gegeben wird, gebraucht haben, welches bei zweimaliger Injektion an zwei 
aufeinander folgenden Tagen in einer Menge von je 0*8 ccm in aktivem 
Zustande die vollentwickelte Trypanosomeninfektion zur Abheilung brachte. 
Wir erhielten das überraschende Resultat, daß die in unserem Versuch als 
prophylaktische Kontrollen benutzten Tiere auf Wochen hinaus selbst 
gegen die stärksten Trypanosomeninfektionen völlig immun waren. Dem¬ 
entsprechend ergab sich auch bei den eigentlichen Versuchstieren, daß in 
gleicher Weise sehr lange Zeit ein Angehen der Nachinfektion nicht zu 
ermöglichen war. Es ist dies Resultat im Hinblick auf das Verhalten der 
prophylaktischen Kontrollen mit größter Wahrscheinlichkeit auf eine lang¬ 
dauernde primäre Schutzwirkung von Menschenserum gegen die Trypa¬ 
nosomeninfektion der Mäuse zu beziehen.. Das Serum stammte von frisch 
entbundenen Wöchnerinnen, und es ist die Möglichkeit vorhanden, daß 
dem menschlichen Serum in dieser Periode derartige Eigenschaften zu¬ 
kommen, wie ja auch Ehrlich bei dem Serum von leberkranken Menschen 
eine gegen die Norm schwächere Wirkung gegenüber der Trypanosomen¬ 
infektion nachweisen konnte. 

Hatte sich aus unseren vorher angeführten Versuchen das Resultat 
ergeben, daß Normalstamm und Rezidivstamm in Bestätigung der An¬ 
gaben früherer Autoren sich bei der Immunitätsreaktion als völlig ver¬ 
schieden erweisen, so wurde in weiteren, hieran sich anschließenden Ver¬ 
suchen der Frage näher getreten, ob auch zwischen den Rezidivstämmen 
untereinander biologische Unterschiede bestehen, die sich in dem Ausfall 
der Immunitätsreaktion offenbaren. 

In drei verschiedenen Versuchskombinationen wurde eine Beantwortung 
dieser Frage versucht: 

1. Durch Vergleichung zweier Rezidivstämme, die mit differenten 
therapeutischen Agentien gewonnen worden waren; 


1 Der Versuch (Tabelle VIII) wurde unterdessen weiter fortgesetzt und die 
Mäuse Nr. 316 und 318—320 noch mehrmals zugleich mit entsprechenden Kontrollen 
infiziert. Es stellte sich dabei noch eine bedeutend längere Immunitätsdauer heraus, 
die bei Nr. 316 und Nr. 320 zwar nur 27 Tage, bei Nr. 319 dagegen 56 Tage währte, 
während endlich Nr. 318 noch nach 70 Tagen nach siebenmaliger Nachinfektion frei 
von Trypanosomen war. Die Rezidivkontrollen blieben dauernd geheilt. 


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Immunität bei Trypanosomeninfektion. 


123 


2. Durch Gegenüberstellung von Rezidivtrypanosomen, die auf völlig 
gleiche Art erzeugt worden waren und sich im selben Rezidivgrad befanden; 

3. Durch Vergleichung verschiedener Rezidivgrade. 

ad. 1. Zwei Mäuse wurden mit Normalnaganastamm infiziert; bei 
voli entwickelter Infektion wurde darauf die eine mit Kaliumantimonyltar- 
trat. die andere mit einer nicht sterilisierenden Dosis von Arsacetin ge¬ 
heilt und nun bei beiden das Rezidiv abgewartet. Es entstand so ein 


Tabelle IX. 

Vorinfektion mit I. Tartarus-Rezidiv von Nagana Prowazek. 
Heilung durch Tartarus stibiatus. 
Nachinfektion mit I. Arsacetin-Rezidiv von Nagana. 


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Intraperit. Infektion mit I. Tartarus-Rezidiv v. Nagana. 
Bei 4-4- + : Heilung durch 0-35 Tartarus stib. 1:1000. 
Bei 0: Nachiüfektion mit I. Arsacetin-Rezidiv v. Nagana. 

Prophylak¬ 

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Infektions¬ 

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Nr.: 336 337 

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I. Ars.-Rez. 

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behandelte 

Infektions¬ 

kontrolle 


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Infekt, in. 
1. Ars.- Rez. 


4- 


4- 4- 4- 4- 
7 


I. Tartarus-Rezidiv und ein I. Arsacetin-Rezidiv, die sich beide vom Aus- 
gaDgsstamm biologisch unterschieden. Weiterhin wurde nun eine Anzahl 
von Mäusen mit diesem I. Tartarus-Rezidiv vorgeimpft, bei + + + im Blut 
die Trypanosomen durch Kaliumantimonyltartrat zum Verschwinden ge¬ 
bracht und nun das I. Arsacetin-Rezidiv nachgeimpft, wie dies die 
Tabelle IX zeigt. 

Das Resultat des Versuches ist also folgendes: Die I. Arsacetin Rezidiv¬ 
trypanosomen gehen nach Vorimpfung und Abheilung eines I. Tartarus- 
Rezidivs glatt an. Beide haben also, neben der gemeinsamen 
Eigenschaft, vom Ausgangsstamm verschieden zu sein, noch 
untereinander differente biologische Merkmale, da die frei 
werdenden Schutzstoffe der einen Art keine Wirksamkeit für 


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124 


Rudolf Neumann: 


die andere haben. Der Einwand, der geltend gemacht werden konnte, 
daß das pharmakologische Agens von Einfluß auf die sich bildenden 
Rezidiveigenschaften ist, wird am besten durch den nun folgenden Ver¬ 
such widerlegt. 

ad 2. Es wurden 8 völlig gleiche I. Tartarus-Rezidivstämme geschaffen. 
Zu diesem Zwecke wurde so vorgegangen: Drei Mäuse wurden in gleicher 
Weise mit Naganaerregem infiziert, bei + + + Trypanosomen im Blut mit 
Kaliumantimonyltartrat geheilt, sodann der Eintritt des Rezidivs erwartet. 
Die Protokolle dieser 3 Mäuse waren also folgende: 


23. XII. 10 
26. XII. 10 

28. XII. 10 
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Maus A. 
Infektion mit 
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stib. 1:1000 
0 

+ + + 


Maus B. 
Infektion mit 
Tryp. Brucei 
+ + + 

0.2 cc ® Tart, 
stib. 1:1000 


Maus C. 
Infektion mit 
Tryp. Brucei 
+ + + 

0 . 2 cc” Tart. 
stib. 1:1000 


0 0 
+++ +++ 

= I. Tartarus-Rezidiv von Maus A, B und C. 


Die auf solche völlig analoge Weise gewonnenen Rezidivstämme seien im 
Folgenden kurz mit I-R-A, I-R-B und I-R-C bezeichnet Es wurden 
nun 15 Mäuse mit den nötigen Kontrollen mit I-R-B infiziert, die voll 
entwickelte Infektion mit Tartarus stibiatus zur Abheilung gebracht und 
nun gruppenweise je 5 Mäuse mit I-R-A und I-R-B und I-R-C nachin¬ 
fiziert (Tabelle X). 

Das Ergebnis dieses Experimentes ist: Auch auf völlig gleiche 
Art und Weise, mit demselben Heilmittel erzeugte und in der¬ 
selben Periode stehende Rezidivstämme zeigen bei der Im¬ 
munitätsreaktion biologische Unterschiede. Denn, wie der Ver¬ 
such zeigt, bedingt die Vorimpfung und Abheilung von I-R-B, von 
kleinen Abweichungen abgesehen, einen deutlichen Schutz gegen die 
Nachinfektion von I-R-B und I-R-A, wie Nr. 231 bis 235 und Nr. 238 
bis 242 lehren. Dagegen bleibt diese Schutzwirkung bei Nachimpfung 
mit I-R-C aus (Nr. 245 bis 249). Daß es sich aber bei dem vorgeimpften 
I-R-B in der Tat um einen Rezidivstamm handelt, zeigt die frühere 
Tabelle VII, in der derselbe hier benutzte I-R-B-Stamm vorgeimpft und 
Normalstamm nachgeimpft worden war, und wo entsprechend unseren 
früheren Erfahrungen der nachinfizierte Normalstamm glatt auging. 
Wir lernen somit aus diesem Versuche innerhalb der Gesetzmäßigkeiten, 
die zwischen Ausgangs- und Rezidivstamm bestehen, noch erhebliche 


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Immunität bei Trypanosomeninfektion 


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Immunität bei Trypanosomen Infektion. 


127 


Variationen der Rezidivstämme untereinander kennen, die dar¬ 
auf hindeuten, daß wir es bei der Bildung der Rezidivstämme mit außer¬ 
ordentlich komplizierten Prozessen zu tun haben, die weitgehenden indivi¬ 
duellen Schwankungen unterliegen. Will man ein klares Bild dieses 
Versuches gewinnen, so richtet man sein Hauptaugenmerk am besten nur 
auf die Vorgänge bis zum 6. Tage nach der Vorinfektion. Bis zu diesem 
Termin treten die eben geschilderten Differenzen deutlich hervor, dagegen 
verwischen sich an den folgenden Tagen die Unterschiede mehr oder 
weniger. Es treten jetzt, wie sich aus den Rezidivkontrollen 252 und 253 
ergibt, bei den einzelnen Tieren Rezidivtrypanosomen früher oder später 
auf. Auffällig ist nur noch das Verhalten der Nr. 247 und 248 und 233 
und 235, wo nach anfänglichem Auftreten der Trypanosomen diese bald 
wieder verschwinden. Es müssen da sehr verwickelte Prozesse im Spiele 
sein, über die sich mit der später entwickelten Rezeptorentheorie immer¬ 
hin einige Vorstellungen gewinnen lassen. 

ad 3. Der dritte Versuch endlich, der zu dem Zwecke angestellt 
wurde, Aufschluß über das gegenseitige Verhalten der Rezidivstämme zu¬ 
einander zu schaffen, wurde mit Rezidivstämmen verschiedenen Grades, 
aber von denselben Ausgangstrypanosomen, unternommen. Dazu wurde 
zunächst wieder eine Maus mit Normalnaganaerregern infiziert, und in der 
schon öfters beschriebenen Weise entstand nach Abheilung der Infektiou 
mit Kaliumantimonyltartrat nach einiger Zeit ein I. Tartarus-Rezidiv. 
Dieses wurde auf neue Mäuse übertragen und in diesen weiter gezüchtet. 
Die Ursprungsmaus aber wurde nochmals mit Brechweinstein geheilt und 
nach mehreren Tagen erschienen wieder Trypanosomen in ihrem Blut, 
„das II. Tartarus-Rezidiv“. So wurde nun nochmals verfahren und noch 
ein III. Tartarus-Rezidiv geschaffen. Das Protokoll dieser Maus ist also 
folgendes: 

23. XII. 10 Infektion mit Tryp. Brucei. 

26. XII. 10 + + +; 0 * 2 ccra Tart. stib. 1 : 1000 . 

28. XII. 10 0 

2. I. 11 + + + = I. Tartarus-Rezidiv — wird weiter gezüchtet. 

0 . 3 mn Tart. s tib. 1:1000. 

4.1.11 0 

14. I. 11 + + + = II. Tartarus-Rezidiv — wird weiter gezüchtet. 

0 • 3 ccra Tart. stib. 1 : 1000 . 

16.1.11 0 

24. I. 11 + + + = III. Tartarus-Rezidiv — wird weiter gezüchtet. 

Im folgenden wird kurz folgende Bezeichnung für diese 3 Stämme ge¬ 
wählt: I. T-R., 1I.T-R. und III. T-R. Jetzt wurde folgende Versuehsanord- 


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128 


Rudolf Neumann: 


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(Fortsetzung.) 


Immunität bei Trypanosomeninfektion, 


129 



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130 


Rudolf Neumann: 


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nung getroffen: 12 Mäuse wurden mit dem II. T-R. vorgeimpft, darauf 
die Trypanosomen bei + + + durch Kaliumantimonyltartrat beseitigt und 
nun je 4 Mäusen I. T-R., II. T-R. und III. T-R. nachgeimpft. 

Dies veranschaulicht Tabelle XI. 

Als Resultat ergibt sich auch hier wieder eine markante Differenz in 
dem Verhalten der Rezidivstämme zueinander wie im vorhergehenden 
Versuch. Die bei der Auflösung der Trypanosomen des II. T-R. ent¬ 
stehenden Antikörper sind wirksam gegen die Trypanosomen des I. T-R. 
und II. T-R. — die Nachinfektion versagt —, dagegen unwirksam gegen 
das III. T-R., welches infolgedessen bei der Nachinfektion glatt angeht. 
Auch hier trübt sich aber das anfänglich völlig klare Versuchsergebnis 
vom 7. Tage nach der Vorinfektion ab durch das Auftreten von Trypa¬ 
nosomen bei mehreren Individuen. Auch hier wird, wie der Vergleich 
mit der Rezidivkontrolle Nr. 303 lehrt, ein großer Teil der auftretenden 
Trypanosomen als Rezidivtrypanosomen anzusprechen sein. Immerhin ist 
das völlige Freibleiben der beiden anderen Rezidivkontrollen Nr. 301 und 
302, und im Gegensatz dazu bei sämtlichen Versuchstieren das Auftreten 
von Trypanosomen und bei einzelnen Mäusen, z. B. Nr. 284 und 279, das 
so überaus frühe Erscheinen derselben auffällig. Wie schon früher bei 
Tabelle II angedeutet, muß jedoch daran gedacht werden, daß es sich 
mitunter nur um ein verzögertes Angehen der Nachinfektion handelt, was 
aber an den biologischen Unterschieden der einzelnen Stämme nichts 
ändert. 

Bei einer kurzen Zusammenfassung aller unserer Experimente kommen 
wir nun zu folgender Beantwortung der von uns im Anfang gestellten 
Fragen: 

1 . Bei der mit Hilfe verschiedener trypanozider Mittel er¬ 
zeugbaren Immunität, die erkennbar ist in dem Versagen der 
Nachiufektion desselben Stammes, der vorgeimpft wurde, 
scheint das Mittel selbst keine wesentliche Rolle bei der 
Dauer der Immunität zu spielen. Die bei der Kaliumanti- 
timonyltartratheilung meist vom 6. oder 7. Tage nach der Vor- 
infektiou ab im Blut der Versuchstiere wieder erscheinenden 
Trypanosomen sind im allgemeinen, wie die Rezidivkontrollen 
beweisen, als das Rezidiv des vorgeimpften Stammes auf¬ 
zufassen; sie bedeuten also noch nicht das Ende der Immunität. 
Dieser störende Faktor fiel bei der Arsacetinheilung weg, bei 
der es uns ähnlich, wie Ehrlich und Franke bei der Trypan- 
rotheilung, gelang, eine länger dauernde Immunität nach¬ 
zuweisen, die bis jetzt ungefähr 24 Tage betrug. 


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Immunität bei Tbypanosomeninfektion. 


131 


2. Neben der Bestätigung früherer Ergebnisse durch unsere 
Experimente, nämlich der biologischen Differenzen bei der 
Immunitätsreaktion einmal zwischen verschiedenen Trypano¬ 
somenspezies, sodann zwischen Normal-, Rezidivstamm und 
festem Stamm derselben Trypanosomenart konnten von uns 
noch interessante biologische Unterschiede zwischen Rezidiv¬ 
stämmen desselben Ausgangsstammes festgestellt werden. Wie 
unsere Experimente lehren, sind die Rezidivstämme zunächst 
durch eine gemeinsame Eigenschaft gegenüber dem Normal¬ 
stamm markant verschieden, zeigen aber neben diesen gemein¬ 
samen Eigentümlichkeiten unter sich mehr oder weniger aus 
gesprochene Charakteristika, wodurch sie sich ihrerseits unter¬ 
einander unterscheiden. Wir haben gesehen, daß allen unseren 
untersuchten Rezidivstmämmen die gemeinsame Eigenschaft 
zukommt, sich gegenüber den Schutzkörpern, wie sie durch 
die Abheilung des Normalausgangsstammes ausgelöst werden, 
refraktär zu verhalten, und es hat sich weiter aus den Ver¬ 
suchen ergeben, daß die Immunität, welche sich an die Ab¬ 
heilung des einen Rezidivstammes anschließt, noch nicht not¬ 
wendigerweise eine Immunität gegen andere Rezidivstämme 
desselben Ausgangsstammes bedingen muß. 

Wenn wir nun zum Schluß noch ein Verständnis für diese kompli¬ 
zierten, biologischen Vorgänge, wie sie in unseren Versuchen hervortreten, 
zu gewinnen versuchen, so knüpfen wir zweckmäßig an die Ehrlichschen 
Begriffe der Rezeptoren an. In seinem Aufsatz: „Über Partialfuuktionen 
der Zelle“ gibt Ehrlich für das Phänomen des differenten Verhaltens 
von Ausgangs- und Rezidivstamm folgende Erklärung: 

„In dem Ausgangsstamm ist eine bestimmte einheitliche Art von 
Nutrizeptoren, die wir als Gruppe „A u bezeichnen wollen, in reichem 
Maße vorhanden. Werden nun die Parasiten innerhalb des Mäuseorganis¬ 
mus abgetötet und aufgelöst, so wirkt die Gruppierung „A“ als Antigen 
und erzeugt nun einen Antikörper, der seiner Entstehung nach Verwandt¬ 
schaft zur Gruppe „A u besitzt. Wenn man nun lebende Parasiten, sei 
es im Reagenzglas, sei es in vivo mit diesem Antikörper, in Berührung 
bringt, so wird derselbe von den Trypanosomen verankert. Unter dem 
Einfluß dieser Besetzung erleiden in vivo die Parasiten diejenige biolo- 
logische Abänderung, die zu dem Rezidivstamme überführt. Diese Abän¬ 
derung geschieht in der Weise, daß in dem neuen Stamm die ursprüng¬ 
liche Gruppierung „A“ verschwindet und dafür eine neue Gruppierung, 

die als „B“ bezeichnet werden möge, auftritt. Wir haben hier 

also einen Fall immunisatorisch erzeugten Rezeptorschwundes unter Bil¬ 
dung einer ganz neuen Rezeptorart. u 

9 * 


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132 


Rudolf Neumann: 


Um diese Theorie mit unseren Ergebnissen in Einklang zu bringen, 
bedarf es mancher Erweiterung und Abänderung. Wir führen zunächst 
statt der einen Rezeptorgruppe des Ausgangsstammes eine Mehrheit 
solcher Rezeptorarten ein, unter denen solche zu unterscheiden sind, 
die bei der Auflösung der Trypanosomen, als Antigen wirkend, einen 
Antikörper hervorzurufen vermögen, die Dominanten- oder Hauptrezeptoren, 
von denen jedes Trypanosoma gewöhnlich nur einen besitzt, und ferner 
solche, die normalerweise in größerer Anzahl in latentem Zustande vor¬ 
handen sind und die sich an der Antikörperbildung nicht beteiligen, die 
sogenannten Nebenrezeptoren. Den Übergang vom Normal- in den Rezi¬ 
divstamm stellen wir uns nun, ähnlich wie Ehrlich, so vor, daß die 
dem chematheropeutischen Agens entgehenden Trypanosomen unter dem 
Einfluß der in der Zirkulation kreisenden Schutzstoffe eine Verschiebung 
ihres Rezeptorenapparates erfahren. Diese Verschiebung findet in der 
Richtung statt, daß die dominanten Rezeptoren durch irgend welche, nicht 
näher zu präzisierende Prozesse eine Alteration erfahren und daß andere 
Nebenrezeptoren eine verstärkte Ausprägung erhalten und zu Hauptrezep¬ 
toren werden. Diese Umgestaltung der beim Normalstamm nur wenig 
entwickelten Rezeptoren zu Hauptrezeptoren bedingt nun die Wirkungs¬ 
losigkeit der bei der Abheilung des Normalstammes entstehenden Anti¬ 
körper, die Rezeptorenapparate beim Rezidivstamm vorfinden, an welchen 
sie nicht angreifen können. Wenn man nun annimmt, daß diese Ver¬ 
schiebung im Rezeptorengerüst des einzelnen Trypanosoma eine mehr oder 
weniger individuelle ist, so ist es möglich, daß die der Abtötung ent¬ 
gehenden Trypanosomen durch den Einfluß der vorhandenen Antikörper 
individuell eine verschiedene Differenzierung ihres verschiedenen Rezep¬ 
torenapparates erleiden, daß also hier dieser und dort jener Nebenrezeptor 
zum Hauptrezeptor wird. Unter diesem Gesichtspunkte, d. h. also durch 
den individuell abgeänderten Rezeptorenapparat der einzelnen Rezidiv¬ 
stämme, wird es alsdann verständlich, daß Rezidivstämme, die sich alle 
hinsichtlich der Immunitätsreaktion dem Normalausgangsstamme gegen¬ 
über anscheinend völlig gleich verhalten, doch unter sich markante Diffe¬ 
renzen aufweisen. Welche Faktoren im einzelnen diese experimentellen 
Abänderungen bewirken, läßt sich natürlich bei der Unklarheit der be¬ 
stehenden Prozesse nicht angeben. Daß aber die dominanten Rezeptoren 
des Ausgangsstammes nicht völlig verschwinden, wie Ehrlich annimmt, 
sondern in irgend einer Form bestehen bleiben, um sich unter geeigneten 
Bedingungen wieder als dominante Rezeptoren zu repräsentieren, zeigt der 
noch folgende letzte Versuch. Dieser wurde angestellt mit einem auf 
schon beschriebene Art gewonnenen II-Tartarus-Rezidivstamm, der aber 
vor Anstellung des Experimentes etwa 20 Tierpassagen durchgemacht hatte. 


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Immunität bei Tbypanosomeninfektion. 


138 


Dieser Stamm wurde einer Anzahl Mäusen injiziert, bei voUentwickelter 
Infektion diese durch Kaliumantimonyltartrat abgeheilt und nun ein Nor¬ 
malausgangsstamm nachinfiziert. 


Tabelle XII. 


Vorinfektion mit II. Tartarus-Rezidiv (nach etwa 20 Passagen) von Nagana 
Prowazek. — Heilung durch 0*35 Tartarus stibiatus. — Nachinfektion 

mit Nagana normal. Prowazek. 


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20 Passagen). Bei + + +: Heilung durch 
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kontrollen 
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Das Ergebnis ist also, daß der Normalstamm im Gegensatz zu allen 
bisherigen Experimenten nach Vorimpfung und Abheilung eines Rezidiv¬ 
stammes, mit einer Ausnahme, nicht angeht. Daraus muß geschlossen 
werden, daß im Verlaufe vieler Tierpassagen ein Rezidivstamm 
die Tendenz hat, zu seinen neuerworbenen Eigenschaften 
seine verlorengegangenen, ursprünglichen Eigentümlichkeiten 
wieder zurück zu gewinnen, oder im Sinne unserer Auffassung 
ausgedrückt: der ursprüngliche Hauptrezeptor ist bei dem 
Rezidivstamm wieder voll ausgebildet. 


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134 Rudolf Neümann: Immunität bei Tbypanosomeninfektion. 


Literatur-Verzeichnis. 


1. Carl H. Browning, Chemo-Therapy in Trypanosome Infection. An ex¬ 
perimental Study. Reprinted from the Journal of Pathology and Bakteriology . 
1908. Yol. XII. 

2. Ehrlich nnd Shiga, Farbentherapeutische Versuche bei Trypanosomen¬ 
erkrankung. Berliner klin. Wochenschrift. 1904. Nr. 18 u. 14. 

3. Ehrlich, Beiträge zur experimentellen Pathologie und Chemotherapie. 
AJcad . Verlagsgesellschaft. Leipzig 1909. 

4. Ewald Franke, Therapeutische Versuche bei Trypanosomenerkrankung. 
Inauguraldissertation. Gießen 1905. 

5. Laveran et Uesnil, Recherches sur le traitement et la pr6vention du 
Nagana. Annales de VInstitut Pasteur. 1902. Nr. 11. 

6. W. Roehl, Heilversuche mit Arsenophenylglyzin bei Trypanosomiasis. Zeit¬ 
schrift für Immunitätsforschung. Bd. I. 

7. Morgenroth u. Rosenthal, Experimentell - therapeutische Studien bei 
Trypanosomeninfektionen. I. Mitteilung. Diese Zeitschrift. 1911. 

8. Plimmer u. Batemann, Proceed. Boy. Soc. 1908. Bd. LXXX. 

9. Morgenroth u. Halberstädter, Archiv für Schiffs • und Tropenhygiene . 
1911. Bd. XV- 


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[Aus dem hygienischen Institut der Kgl. Universität Berlin.] 
(Leiter: Prof. C. Flügge.) 


Gesundheitsgefährdung durch die Auspuffgase 
der Automobile. 

Von 

Dr. med. Arth. Korff-Petersen, 

Assistenten am Institut. 


Durch den fast ungeahnten Aufschwung, den das Automobilwesen in 
neuester Zeit genommen hat, ist das Straßenbild besonders in den großen 
Städten wesentlich verändert. Immer mehr erobert sich der Kraftwagen 
die erste Stelle unter allen Verkehrsmitteln. Im Personenverkehr dürfte 
er fast schon diese Stelle erreicht haben, und auch der Güterverkehr hat 
durch ihn einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die Zunahme der 
Automobile in einigen unserer wichtigsten Städte ist aus nachstehender, 
nach Angabe der betreffenden Polizeibehörden zusammengestellter Tabelle 
ersichtlich: 



1906 

1907 

1908 

1909 

1910 

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Charlottenburg. 

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17 

488 

18 

693 

20 

747 

29 

München . . . 

586 

10 

1055 

15 

1234 

30 

1484 

45 

1570 

63 

Dresden . . . 

491 


520 

— 

680 

— 

889 

1 

— 

— 

Leipzig . . . 

187 

I 

454 

— 

552 

— 

638 

12 

738 

12 

Hamburg. . . 

406 

1 

632 

47 

713 

55 

867 

101 

1115 i 

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186 


Abth. Kobff-Petebsen: 


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Von Berlin war nur die Anzahl der im Jahre 1910 behördlich ein¬ 
geschriebenen Kraftfahrzeuge zu erfahren. Sie betrug 5486 mit Explosions¬ 
motor und 364 elektrisch betriebene. In Wien verkehrten im Jahre 1910 
etwa 3000 Automobile. 

Den großen Vorteilen, die der Kraftwagen durch die Erleichterung 
des Verkehrs bietet, stehen aber gewisse Mängel entgegen, denen auch 
die Hygiene ihr Augenmerk zuwenden muß. Neben der Staub¬ 
frage, die bisher die meiste Beachtung gefunden hat, verdient noch 
eine zweite, nämlich die der hygienischen Bedeutung der Auspuffgase, 
unser Interesse. In den Städten ist sie von nicht zu unterschätzender 
Wichtigkeit. Ist es doch gerade der durch Explosionsmotor betriebene 
Kraftwagen, der, wie obige Tabelle zeigt, die stärkste Zunahme aufweist, 
und dessen Vorsprung durch das hygienisch einwandfreie elektrisch be¬ 
triebene Automobil in absehbarer Zeit schwerlich eingeholt werden wird. 
(Die relativ starke Zunahme des Elektromobils in Hamburg erklärt sich 
daraus, daß dort im öffentlichen Fuhrwesen nur elektrisch betriebene 
Kraftwagen zugelassen werden.) In den größeren Städten tritt die Staub¬ 
plage dank der guten Straßenreinigung mehr zurück. Die Gerüche der 
Auspuffgase dagegen drängen sich hier in einer außerordentlich lästigen 
Weise auf, und an verkehrsreichen Straßenkreuzungen und an den Halte¬ 
stellen der Automobildroschken wird den Passanten das Atmen zuweilen 
fast unmöglich gemacht. Sogar ein Ausflug in die nähere Umgebung der 
Großstädte bietet oft nicht mehr die erwünschte Erholung für die Lungen, 
da die Luft in der Nähe belebterer Landstraßen so mit diesen Gasen er¬ 
füllt ist, daß ein Anreiz zu tiefem Atmen nicht mehr besteht. 

Die teilweise noch recht starke Abneigung des Publikums gegen das 
Automobil hat auch größtenteils in diesen Belästigungen ihren Grund. 
So begegnet man denn in der Tagespresse häufig Klagen darüber. 

In der medizinischen Literatur dagegen ist verhältnismäßig wenig 
von den Automobilgasen die Rede. Nur hin und wieder finden sich 
einige kurze Bemerkungen. 

Boruttau 1 meint sogar, daß die Auspuffgase eine „immerhin 
hygienisch harmlose Belästigung der Riechnerven darstellen“. 

In neuerer Zeit dagegen ist doch auch über schädliche Einflüsse der 
Auspuffgase berichtet worden. So schreibt die „Deutsche med. Wochen¬ 
schrift“ 1908 (S. 1950), daß bei ungenügender Verbrennung im Motor 
Methan, Acetylen und Kohlenoxyd entstehen. In London sollen sogar 
Polizisten, die den Verkehr regelten, an Kohlenoxydvergiftung erkrankt 

1 Borrutau, Hygiene des Fahrrades, Gesundheit in Wort und Bild. 1905. 


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Gescndheitsgefährdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 137 

sein. In Paris sei die Belästigung weniger stark als in London 1 , wegen 
der besseren Aufsicht der Polizei, trotzdem in Paris mehr Automobile ver¬ 
kehren, als in London. Daraufhin regt die Zeitschrift an, auch in Berlin 
die Aufsicht zu verschärfen. 

An anderer Stelle (S. 2184) weist dieselbe Zeitschrift darauf hin, daß 
der internationale Hygienekongreß in Berlin 1907 die Benzindämpfe der 
Automobile als einen besonders gesundheitsschädlichen Faktor des gro߬ 
städtischen Verkehrs anerkannt habe. 

le Gendre* erwähnt den Fall eines Arztes, der durch das Automobil¬ 
fahren schwer herz- und nervenleidend wurde, und meint, „daß auch die 
vom Auto erzeugten Gase unter der Form einer langsamen Vergiftung 
ätiologisch wirksam gewesen sein können“. Der Arzt fühlte eines Tages, 
als er besonders viel von derartigen Gasen eingeatmet hatte, eine heftige 
Herzbeklemmung, die sofort wich, als er sich in die freie Luft flüchtete. 

The Lancet 1907: Motor traffic and the pollution of the air, weist 
ebenfalls darauf hin, daß die ungenügende Verbrennung des Benzins im 
Automobilmotor das Auftreten größerer Mengen von Kohlenoxyd und 
Acetylen im Gefolge habe, außer sichtbarer und stinkender Bauch¬ 
entwicklung. Hierdurch könne eine Art Halbbewußtlosigkeit, als ob ein 
Narkoticum genommen sei, entstehen. Durch gute Bedienung des Motors 
ließen sich diese Gase vermeiden. 

Auf Veranlassung von Herrn Geh. Rat Flügge habe ich die Aus¬ 
puffgase in hygienischer Beziehung näher untersucht. 

Die blaugraue Wolke, die so oft hinter den Automobilen herzieht, 
enthält naturgemäß eine beträchtliche Menge Wasserdampf, der als Ver¬ 
brennungsprodukt des Benzins entsteht Daneben findet sich eine be¬ 
deutende Rußmenge, die größtenteils die Farbe der Auspuffgase bedingt. 
Unter Umständen hat man bei längerem Aufenthalt in der Nähe derartig 
rauchender Automobile auf der Haut der unbedeckten Körperteile ein un¬ 
angenehmes Empfinden, als ob sich eine feine Schmierschicht darüber 
lagere. Diese zuweilen recht starke Rußentwicklung ist gewiß schon eine 
Unannehmlichkeit, deren Beseitigung zu wünschen wäre; unsere besondere 
Aufmerksamkeit jedoch verdienen die unsichtbaren und bei gewöhnlicher 
Temperatur nicht kondensierten Bestandteile der Auspuffgase. 

Durch eine Reihe von Analysen dieser Gase stellte ich fest, daß ihre 
Zusammensetzung im Mittel folgende ist: Stickstoff 85 Prozent, Kohlen¬ 
säure 4-9 Prozent, Sauerstoff 5.3 Prozent, Kohlenoxyd 3-7 Prozent. 
Dazu kommen dann noch geringe Mengen von Methan, schweren Kohlen- 

1 In neuerer Zeit sollen auch in London die Zustände besser geworden sein, 
und jedenfalls die von Berlin übertreffen. 

* le Gendre, Der Automobilismus u. die Gesundheit. Wiener med. Presse. 1907. 


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Abth. Kobff-Petebsen : 


Wasserstoffen, Wasserstoff und Stoffen von aldehydischem Charakter, die in 
erster Linie den unangenehmen Geruch der Auspuffgase bedingen. 

Die untersuchten Gase wurden stehenden Automobilen bei un¬ 
belastetem und teils langsam, teils sehr schnell laufendem Motor ent¬ 
nommen. Als Brennstoff wurde sowohl leichtes Benzin, d. h. solches, 
dessen spezifisches Gewicht unter 715 beträgt, als auch schweres verwandt. 

Clerk \ der die Auspuffgase vom verbrennungstechnischen Stand¬ 
punkt aus sehr eingehend untersucht hat, gibt an, daß unter Umständen 
hei fahrendem Automobil der Gehalt der Gase an Kohlenoxyd ganz er¬ 
heblich steigt, so daß wahrscheinlich viele Wagen herumfahren, die bis 
zu 7 Prozent Kohlenoxyd an die Luft abgeben. 

Die Schädlichkeit derartiger Gase ist natürlich ohne weiteres klar. 
Trotzdem stellte ich, um ihre toxische Wirkung etwas genauer kennen 
zu lernen, eine Reihe von Versuchen an Tieren an. Wurden die in einer 
Flasche aufgefangenen Auspuffgase unverdünnt in ein Glas geleitet, in 
welchem sich eine Maus befand, so starb diese in weniger als 1 Minute 
unter Krämpfen. Auch, wenn gleichzeitig reichlich Luft zugöleitet wurde, 
traten heftige Vergiftungserscheinungen auf, die sich zunächst in starker 
Unruhe, bald aber in stoßweisem, krampfartigem Atmen zeigten. Wurden 
die Mäuse rechtzeitig in frische Luft gebracht, so erholten sie sich zumeist 
wieder. Die Versuchsanordnung war bei diesen Versuchen folgende: In 
die Auspufföffnung des betreffenden Automobils wurde eine Glasröhre ein¬ 
geführt und abgedichtet Diese Glasröhre wurde bis fast auf den Boden 
einer 5-Literflasche geführt, und dann der Motor angelassen. Nach etwa 
1 Minute wurde die Flasche durch eine Gummikappe verschlossen. Bei 
der großen Anzahl der Explosionen kann wohl mit hinreichender Sicher¬ 
heit angenommen werden, daß in dieser Zeit die Luft völlig aus der 
Flasche verdrängt, und durch die Auspuffgase ersetzt ist. Im Laboratorium 
wurde dann die Gummikappe durch einen doppelt durchbohrten Korken 
ersetzt, durch welchen eine bis fast auf den Boden reichende, und eine 
kurze Glasröhre hindurchführten. Durch die kurze Röhre wurden die 
Gase zunächst in ein Mischgefäß geleitet, während durch die lange Luft 
nachtreten konnte. In das Mischgefäß konnte gleichzeitig durch ein ver¬ 
stellbares Ventil Luft eintreten. Von hier wurden dann die Gase in das 
Mäuseglas geleitet. Trotzdem also eine zweimalige Vermischung mit Luft 
ein trat, erfolgten doch, wie erwähnt, schwere Vergiftungserscheinungen, 
bzw. der Tod, wenn nicht absichtlich eine sehr starke Verdünnung her- 


1 Clerk, The principles of carburating, as deterinined by exhausted gaz analysis. 
The liorseless Age. Vol. XXI. 


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Gfsundheitsgefährdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 139 

gestellt wurde. Ebenso erlag ein ausgewachsenes Meerschweinchen in 
kurzer Zeit den Gasen; auch ein 2200 p® schweres Kaninchen starb unter 
den gleichen Erscheinungen, wie die Mäuse, nach etwa 20 Minuten; 
allerdings war hier eine stärkere Konzentration nötig. Im Blute der Tiere 
war CO nachweisbar. — Daß das Kohlenoxyd der giftigste Bestandteil 
der Auspuffgase ist, ergibt sich aus folgendem Versuche. Die konzentrierten 
Gase wurden zunächst direkt einer Maus zugeleitet, die in kürzester Zeit 
starb. Dann wurden sie durch eine starke Kaliumpermanganatlösung ge¬ 
leitet, wodurch alle riechenden Stoffe zurückgehalten wurden, und hierauf 
wieder ein Mäuseglas eingeschaltet. Die darin befindliche Maus lebte im 
Durchschnitt 7 Minuten. Im Blute dieser Mäuse ließ sich Kohlenoxyd 
nachweisen. Wurde dann ein Kolben mit defibriniertem Blut ein¬ 
geschaltet, um das Kohlenoxyd zu absorbieren, und darauf die Gase wieder 
einer Maus zugeleitet, so lebte diese noch bei Beendigung des Versuches 
nach s / 4 Stunden. Die Maus zeigte zwar auch leichte Vergiftungs¬ 
erscheinungen, die wahrscheinlich von geringen Mengen nicht absorbierten 
Kohlenoxyds herrührten; erholte sich aber in frischer Luft rasch wieder. 

Wenn nun auch diese Gase im Freien sofort sehr stark durch die 
Luft verdünnt werden, so kann es sicherlich an verkehrsreichen Straßen¬ 
kreuzungen und an Droschkenhaltestellen zu einer nicht mehr gleich¬ 
gültigen Anhäufung von Kohlenoxyd kommen, von dem schon eine Kon¬ 
zentration von 0-5 Promille schädlich wirkt. Die einleitend erwähnten 
Erfahrungen in England sprechen auch dafür, daß geradezu Vergiftungs¬ 
erscheinungen bei Passanten und Polizisten entstehen können. 

Durch Umfragen habe ich erfahren, daß es auch bei Passagieren der 
Motoromnibusse in Berlin zu leichten Krankheitserscheinungen, bestehend 
in Kopfschmerz und Übelkeit, gekommen ist. Die Motoromnibusse ent¬ 
wickeln nämlich besonders unangenehme Auspuffgase, die auch teilweise 
ins Innere der Wagen gelangen. Einige sehr empfindliche Personen 
müssen sogar Straßen mit regem Automobilverkehr meiden. Bewohner 
eines Hauses in der Nähe eines Platzes, auf dem eine größere Anzahl 
Motoromnibusse hielt, mußten sich beschwerdeführend an die Polizei 
wenden, da ihnen der Aufenthalt auf ihrem Balkon in der zweiten Etage 
unmöglich wurde. 

In diesen Fällen waren allerdings neben dem Kohlenoxyd auch die 
in den Auspuffgasen enthaltenen Riechstoffe in sehr erheblichem Maße 
an der unangenehmen Wirkung beteiligt. Denn auch sie, die ja zunächst 
am unangenehmsten auffallen, sind durchaus nicht nur eine sehr unlieb¬ 
same Belästigung, sondern auch sie müssen als hygienisch bedenklich an¬ 
gesehen werden, wenn auch ihre Giftigkeit geringer ist, als die des 
Kohlenoxyds. 


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Um ein Urteil über die Natur dieser Geruchsstoffe zu gewinnen, 
wurde versucht, sie getrennt von den anderen Bestandteilen der Aus¬ 
puffgase aufzufangen. Zu dem Zwecke habe ich die Geruchsstoffe in 
Wasser oder Alkohol absorbiert, weil hierin die übrigen Bestandteile 
der Gase, mit Ausnahme der Kohlensäure, nur sehr wenig löslich sind. 
Es ergab sich aber, daß auch bei längerem Durchleiten der Gase durch 
Wasser bzw. Alkohol nur ein kleiner Teil der Geruchsstoflfe absorbiert wird, 
weil die Auspuffgase in zu großen Blasen durch die Flüssigkeit hindurch¬ 
traten. Immerhin ließen sich einige bemerkenswerte Tatsachen feststellen. 

Das Wasser, und in weniger ausgesprochenem Maße der Alkohol, 
nahm den bekannten Geruch dieser Gase an. Es reagierte ganz schwach 
sauer, reduzierte ammoniakalische Silbernitratlösung und gab mit Fuchsin- 
Schwefeligsäure Rotfärbung (letztere Reaktion war allerdings nicht immer 
sehr ausgesprochen). Hieraus ergibt sich, daß es sich um ein Gemisch 
verschiedener Aldehyde handelt. Unter diesen läßt sich nun mit ziem¬ 
licher Sicherheit eins feststellen, nämlich das Akrolein. Hält man eine 
Porzellanplatte, auf der ein Tropfen Piperidin mit einem Tropfen blaß ge¬ 
färbter Lösung von Nitroprussidnatrium gemischt ist, in den Auspuff eines 
Automobils, so färbt sich die Mischung nach kurzer Zeit blau. Diese, von 
Lewin angegebene Reaktion 1 , kommt zwar nicht ausschließlich dem 
Akrolein zu, jedoch tritt sie bei den übrigen Aldehyden, die überhaupt 
diese Reaktion geben, mit Ausnahme des Acetaldehydes, nur bei stärkerer 
Konzentration ein. Für Acetaldehyd ist die Reaktion allerdings feiner 
als für Akrolein, aber nach Lewins Angaben schlägt die Farbe nach 
einiger Zeit in Grün um. Da außerdem der Geruch der Auspuffgase sehr 
an den verdünnten Akroleins erinnert, glaube ich das Vorhandensein dieses 
Aldehydes in den Auspuffgasen annehmen zu dürfen. Über die Wirkung 
des Akroleins, dessen Giftigkeit schon Lewin nachgewiesen hatte 2 , sind 
in letzter Zeit quantitative Untersuchungen von Iwanoff angestellt worden. 3 
Er hat gefunden, daß bei Katzen bereits bei ganz geringen Dosen 
(0-025 in 1 Liter Luft) Schleimhautreizungen auftraten. Bei 0-2 
pro Liter beobachtete er bereits schmerzhafte Lungenreizungen, und bei 
höheren Mengen gingen die Tiere schließlich mit Lungenödem und Lungen¬ 
blutungen zugrunde. 

Mit der Lewin sehen Methode lassen sich noch etwa 0-025 meT Akrolein 
in 1 Liter Luft nachweisen. So viel muß also von diesem Aldehyd min¬ 
destens in den Auspuffgasen vorhanden sein. Wahrscheinlich ist aber in 
vielen Füllen weit mehr darin. 

1 Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft. 1899. XXXII. 

* Archiv für experimentelle Pathologie u. Pharmakologie. 1900. Bd. XLIII. 

3 Archiv für llj/giene. 1911. Bd. LXXIII. 


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Gesundheitsgefährdükg durch d. Auspuffgase d. Automobile. 141 


Da nun noch zu der Wirkung des Akroleins die der übrigen Aldehyde 
hinzukommt, so ist hieraus schon ersichtlich, daß die Geruchsstoffe der 
Auspuffgase keineswegs hygienisch indifferent sein können. 

Es wurde nun auch versucht, ob eine direkte Wirkung der in Wasser 
absorbierten Geruchsstoffe auf Tiere nachweisbar war. Hierzu wurde durch 
das leicht erwärmte Wasser ein Luftstrom hindurchgesogen. Leitete man 
die wieder gekühlte Luft in ein Glas mit weißen Mäusen, so zeigten diese 
bald große Unruhe und boten die Zeichen starker Schleimhautreizungen 
dar (Kratzen an der Schnauze, Zukneifen der Augen). Auch gewisse Atem¬ 
beschwerden waren erkennbar, indem die Frequenz der Atemzüge abnahm 
und stoßweise erfolgte. Freilich gelang es nicht, auf diese Weise die Tiere 
zu töten. Nur in einem Falle traten ständig zunehmende Atembeschwerden 
und leichte Lähmungserscheinungen der Extremitäten auf. Nach 1 1 / i Tagen 
wurde diese Maus getötet. Es fand sich ein mäßiger Meteorismus, und 
mikroskopisch eine beträchtliche Hyperämie der Lungen mit Blutungen in 
das Lungengewebe und die Bronchien, Befunde, die denen von Iwanoff 
bis zu einem gewissen Grade gleichen. 

Da die Geruchsstoffe fast ausschließlich aus den Schmierölen 
entstehen, was sich daraus ergibt, daß richtig geölte Automobile fast ge¬ 
ruchlos fahren, habe ich einige Versuche in der Art angestellt, daß ich 
die Zersetzungsprodukte des Schmieröls direkt herstellte, indem ich durch 
Schmieröl, das auf etwa 300° erhitzt war, Luft leitete. Es entstanden 
dann ganz ähnlich riechende Dämpfe wie die Auspuffgase der Automobile. 
Solche übelriechende Zersetzungsprodukte sind bereits von der Destillation 
der Schmieröle her bekannt (vgl. Roßmäßler: Fabrikation von Photogen 
und Schmieröl). Im Motor sind die Temperaturen noch weit höhere als 
bei meinen Versuchen und betragen etwa 800° bis 900°. Leitete man 
die Dämpfe durch Wasser, so nahm dieses dieselben Eigenschaften an, 
wie das, durch welches man Auspuffgase geleitet hatte, vor allem reduzierte 
es stark ammoniakalische Silberlösung und gab die Akroleinreaktion. Mit 
solchem Wasser ließen sich dann die gleichen Versuche an Mäusen au- 
stellen wie oben, nur waren alle Erscheinungen entsprechend dem größeren 
Gehalte dieses Wassers an Geruchsstoffen viel ausgeprägter. 

Versuch X. Durch erhitztes Schmieröl wird Luft gesogen. Schon 
bei etwa 180° treten graue Dämpfe auf, deren Entwicklung am stärksten 
bei etwa 300 0 ist. Diese Dämpfe werden zunächst durch zwei eisgekühlte 
U-Röhren und dann durch Wasser geleitet. In den Röhren kondensieren 
sich zwei Schichten Öliger Flüssigkeit, jedoch werden die Dämpfe nicht völlig 
kondensiert. Das Wasser wird leicht getrübt, riecht stechend, ammoniaka¬ 
lische Silberlösung wird reduziert. Durch dieses Wasser wird unter leichtem 
Erwärmen Luft geleitet und in ein Mäuseglas gesogen. Die Maus zeigt 
schnell Atembeschwerden und Schleimhautreizungen. Tod nach 1 / 2 Stunde. 


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Arth. Korff-Petersen: 


Versuch XI. Zur Kontrolle wird zunächst eine Maus in einen Luft¬ 
strom gebracht, der vorher durch erwärmtes reines Wasser geleitet ist. 
Nachdem keinerlei Krankheitserscheinungen aufgetreten sind, wird wie im 
vorigen Versuch verfahren. Maus zeigt schnell starke Dyspnoe, lebt jedoch 
noch nach s / 4 Stunden. Versuch wird abgebrochen, Maus in frische Luft 
gebracht. Sie erholt sich jedoch nicht wieder, sondern geht im Laufe der 
Nacht ein. 

Versuch XIX. Weiße Maus wird längere Zeit (etwa 1 / 2 Stunde) dem 
Luftstrom, der durch Wasser, welches die Schmieröldämpfe absorbiert hat, 
geleitet ist, ausgesetzt. Es treten rasch Schleimhautreizungen auf. Maus 
wird in frische Luft gebracht. Nach 2 Tagen tot aufgefunden. Im Blute 
läßt sich spektroskopisch kein Kohlenoxyd nachweisen. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die aldehydischen Geruchs¬ 
stoffe der Auspuffgase schädliche Wirkungen hervorrufen können. Wenn 
auch in der Praxis die Geruchsstoffe der Auspuffgase kaum eine solche 
Konzentration annehmen werden, daß schwere Gesundheitsstörungen ein- 
treten, so ist doch außerdem damit zu rechnen, daß solche Stoffe die 
Tiefe der Atemzüge verflachen, bei vielen Menschen Ekel erregen und 
die Schleimhäute reizen; und darin liegt Grund genug, ihre Beseitigung 
mit allen Mitteln zu erstreben. Daneben ist es durchaus nicht aus¬ 
geschlossen, daß sie auf besonders empfindliche Personen direkt schädigende 
Wirkungen ausüben können. 


Die Frage, wie diesen Übelstäudeu abzuhelfen sei, setzt zunächst 
eine Erkenntnis der Ursache des Auftretens der schädlichen Gase voraus. 
Die wichtigsten hierauf bezüglichen Vorgänge im Automobilmotor sind 
folgende: 

In den Zylindern des Motors kommt durch einen elektrischen Funken 
ein Gemisch von Benziudampf und Luft zur Verbrennung. Dies Gemisch 
wird in einem besonderen Apparate, dem „Vergaser“ erzeugt. Haupt¬ 
bedingung einer guten Vergasung ist es, die Luft sehr kräftig mit dem 
Benzin in Berührung zu bringen. Dies geschieht dadurch, daß man die 
Luft schnell durch den Vergaser streichen läßt und dabei das Benzin fein 
verteilt, oder daß die Luft mit einer großen Verdunstungsfläche des 
Benzins in Berührung gebracht wird (Spritzvergaser bzw. Oberflächen¬ 
vergaser). In neuerer Zeit fiudet fast nur noch der Spritzvergaser Anwen¬ 
dung. Das Prinzip eines solchen Vergasers ist dasselbe wie bei einem 
Parfümzerstäuber. Aus dem Benzinbehülter fließt das Benzin in ein Ge¬ 
fäß, dessen Niveau durch eine besondere Einrichtung immer konstant 
gehalten wird. Von hier führt ein sich stark verengendes Rohr in die 
Mitte eines weiteren Rohres, durch welches Luft angesaugt wird. Die 


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Gesundheitsgefährdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 143 

strömende Luft saugt das Benzin nach. Dieses tritt in feinem Strahl aus 
der ersterwähnten Röhre aus und trifft gegen einen kegelförmigen Zapfen, 
der der Abflußöffnung gegenüber angebracht ist. Hierdurch findet eine 
Verteilung auf eine große Oberfläche statt und damit eine starke Ver¬ 
dunstung und innige Mischung des so entstandenen Benzindampfes mit 
Luft. Durch Vermehrung oder Verminderung der angesaugten Luftmenge 
kann das Mischungsverhältnis von Luft und Benzin geregelt werden. 

Der Motor selbst arbeitet zumeist im sogenannten „Viertakt“. Beim 
ersten Takt, der Saugperiode, bewegt sich der Kolben im Zylinder von 
seinem höchsten Stande zum niedrigsten. Hierbei wird das Benzingas¬ 
gemisch durch das geöffnete Einströmventil angesaugt. Hat der Kolben 
seinen tiefsten Punkt erreicht, so schließt sich das Ventil. Während der 
Bewegung des Kolbens nach oben findet ein Zusammendrücken des Gases 
statt, wodurch die Wirkung der nachher folgenden Explosion erhöht wird 
(zweiter Takt, Kompressionsperiode). Wenn jetzt der Kolben ungefähr 
wieder den höchsten Punkt erreicht hat, erfolgt durch einen elektrischen 
Funken die Zündung. Aus hier nicht näher zu erörternden Gründen er¬ 
folgt die Zündung nicht genau beim höchsten Kolbenstand, sondern ent¬ 
weder etwas früher oder später. Das verbrennende Gas treibt jetzt den 
Kolben vor sich her (dritter Takt, Arbeitsperiode). Jetzt öffnet sich das 
Auspuflfventil, und bei seiner Aufwärtsbewegung treibt der Kolben das 
verbrannte Gas zu diesem Ventil hinaus (vierter Takt, Auspuffperiode). 
Bei den gebräuchlichen Vierzylindermotoren sind die Perioden eines jeden 
Zylinders um je einen Takt gegeneinander verschoben, so daß bei je einer 
Umdrehung zwei Explosionen erfolgen. 

Eine Maschine, die, wie der Automobilmotor, in der Minute bis zu 
1000 und mehr Umdrehungen macht, bedarf natürlich einer ausgiebigen 
Ölung. Auf diesen Teil des Betriebes wird bisweilen noch zu wenig Wert 
gelegt, was, wie später eingehender besprochen wird, sowohl für die 
Maschine selbst direkt schädlich wirkt, als auch zu einer großen Belästi¬ 
gung des Publikums führt 

Bei den neueren Automobilen erfolgt die Ölung meist vollkommen 
automatisch durch zwangsläufig augetriebeue Pumpen oder Schöpfwerke, 
während Handpumpen Notbehelfe sind, die im Interesse des Automobilis¬ 
mus verschwinden sollten. 1 

Was nun zunächst das Kohlenoxyd anlangt, das seine Entstehung 
der unvollkommenen Verbrennung des Benzins verdankt, so ist in erster 
Linie zu untersuchen, ob es bei Explosionsmotoren überhaupt möglich ist, 
eine vollkommene Verbrennung des Betriebsstofles zu Kohlensäure und 

1 Lehmbeck, Der Automohilm < Aor . Leipzig 1907. 


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Arth. Korff-Petersen : 


Wasser zu erreichen. Es müßte zu dem Zwecke das Gasgemisch, das im 
Zylinder zur Verbrennung kommen soll, unter allen Umständen, d. h. hei 
jeder Geschwindigkeit und allen Belastungen des Motors das beste 
Mischungsverhältnis von Luft und Benzindampf aufweisen. Daneben ist 
noch Gewicht auf eine rechtzeitige Zündung zu legen, die so früh, wie 
es sich nur mit einer guten Kräftentwicklung vereinigen läßt, er¬ 
folgen muß. 

Einen Vergaser zu konstruieren, der der oben gekennzeichneten Auf¬ 
gabe genügt, ist eine große Schwierigkeit. Freilich gibt es eine Reihe 
von Vergasern, die diesem Ideale nahe kommen. Clerk 1 hat bei seinen 
Versuchen zum Teil Auspuffgase erhalten, die kein Kohlenoxyd, Wasser¬ 
stoff und Methan enthielten. Er weist nach, daß die Produktion hygie¬ 
nisch unbedenklicher Auspuffgase mit der größten thermischen und 
ökonomischen Ausnutzung der Brennstoffe Hand in Hand geht, daß 
sich somit das öffentliche Interesse mit dem des Automobilbesitzers völlig 
deckt, zumal auch noch durch die bessere Ausnutzung des Brennstoffes 
eine bedeutend geringere Abnutzung des Motors selbst bedingt ist. Clerk 
schlägt dann vor, durch Versuche am Motor in Verbindung mit einer 
Analyse der Auspuffgase die Bedingungen festzustellen, unter welchen die 
beste Mischung bei allen Betriebsverhältnissen hergestellt wird. 

Auch auf eine gute Beschaffenheit des Benzins ist zu achten. Als 
Motorbenzin kommt hauptsächlich Benzin mit dem Siedepunkt 100° und 
dem spezifischen Gewicht 675 bis 720 in Betracht. Dieses besteht haupt¬ 
sächlich aus Hexan und Heptan. Schwerere Benzine, die höhere Grenz¬ 
kohlenwasserstoffe enthalten, bedürfen naturgemäß einer größeren Sauer¬ 
stoffmenge zum Verbrennen und bedingen daher leicht eine unvollkommene 
Verbrennung. Nun wird aber zuweilen das spezifische Gewicht des Motor¬ 
benzins durch Mischen von Leicht- und Schwerbenzin hergestellt, was 
aus obigem Grunde durchaus zu verwerfen ist. L. Schütte* fordert, 
daß ein gutes Motorbenzin folgenden Bedingungen entsprechen muß: 

I. Reinheit: Beim Schütteln mit konzentrierter 66°-Schwefelsäure darf 
nur schwache Gelbfärbung eintreten. 

II. Zusammensetzung: Fraktionierte Destillation muß ergeben: untere 
Siedegrenze nicht wesentlich über 50°, obere Siedegreuze nicht wesent¬ 
lich über 110°. 

Es sollen mindestens 10, womöglich 20 Volumprozent bis zu 70°, der 
Rest möglichst vollständig und gleichmäßig bis zu 110° über destillieren. 

III. Spezifisches Gewicht: höchstens 715 bis 720 bei +15°. 

1 A. a. 0. 

* L. Schütte (zitiert nach Isendahl: „ Automobil und Automobilsport “). 


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Uesundheitsgefähbdung durch d. Auspuffgase d. Automobile. 145 


Für einen Motor, für den die günstigsten Verbrennungsbedingungen 
einmal festgelegt sind, muß natürlich auch immer Benzin von gleicher 
Zusammensetzung verwendet werden, da sich mit der Zusammensetzung 
des Benzins auch die Verbrennungsbedingungen ändern. 

Wenn nun das Vermeiden von Kohlenoxyd eine technisch immerhin 
uicht ganz leichte Aufgabe ist, so kann man das Auftreten von Rauch 
und Geruch fast immer auf vermeidbare Fehler zurückführen. In 
erster Linie ist hier das zu starke ölen der Zylinder anzuschuldigen. 
Ein Übermaß von Schmiermaterial ist keineswegs für den Moter von 
Nutzen, führt vielmehr nur zur Bildung einer Schicht von Kohlenstoff auf 
den Zylinderflächen, die für den Gang des Motors hinderlich ist. Für 
die Auspuffgase aber hat es, wie schon erwähnt, das Auftreten jener un¬ 
angenehmen Geruchsstoffe im Gefolge. Da es jetzt automatisch wirkende 
Schmiervorrichtungen gibt, die fast unter allen Umständen die gerade 
nötige ölmenge den Zylindern zuführen, sollten die alten Handschmierun¬ 
gen möglichst ganz verschwinden. Daß es möglich ist, ein Automobil 
fast geruchlus zu betreiben, beweisen die vielen gut bedienten Benzin¬ 
kraftwagen, die fast wie elektrische fahren. Naturgemäß ist eine Grund¬ 
bedingung für das gute Funktionieren der Schmiervorrichtung, daß der 
Motor nicht zu sehr abgenutzt ist. Sobald die Kolbenringe nicht gut 
schließen oder sich irgendwelche Verschlüsse lockern, findet ein unrichtiges 
Eindringen von öl statt, und der Motor raucht. 

Als die drei Hauptbedingungen für einen hygienisch einwandfrei und 
zugleich auch ökonomisch guten Betrieb der Kraftwagen ergeben sich also: 
gute Vergasung, gutes Benzin, richtige Schmierung bei nicht zu stark 
abgenutztem Motor. 

Es verdienen aber auch noch eine Anzahl Apparate unser Interesse, 
die dazu dienen sollen, die Auspuffgase zu verbessern bzw. ganz un¬ 
schädlich zu machen. 

Diese Apparate lassen sich in drei Gruppen einteilen. Gruppe I will 
durch besondere Einrichtungen angenehme Riechstoffe, ätherische öle usw. 
zerstäuben, so daß der unangenehme Geruch der Auspuffgase dadurch ver¬ 
deckt wird. Vom hygienischen Standpunkte aus dürfte diesen Einrich¬ 
tungen wenig Wert beizulegen sein, da eben im besten Falle nur die 
Wahrnehmung der üblen Gerüche verdeckt wird, während die schädlichen 
Stoffe selbst keineswegs entfernt werden. 

Die zweite Gruppe ordnet in verschiedener Weise im Ausputftopfe 
Absorptionsmittel und Stoffe an, durch die die Geruchsstoffe zurückgehalten 
bzw: zu unschädlichen Stoffen oxydiert werden sollen. Solche Mittel sind 
Kaliumpermanganat, Chlorkalk, Calciumoxyd, Eisenvitriol, Kohle, Leim 
und andere. Zweifellos lassen sich hierdurch hygienisch bessere Wir- 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 


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Original fro-m 

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kungen als mit den Mitteln der Gruppe I erzielen. Laboratoriumsversuche 
ergaben, daß es gelingt, nicht zu große Mengen der Abgase mittels 
Durchleiten durch Kaliumpermanganat geruchlos zu machen. Die durch 
die Geruchsstoffe bedingten schädlichen Einwirkungen würden also immer¬ 
hin beseitigt werden. Ob es aber in der Praxis gelingt, bei der großen 
Menge der Gase und der Schnelligkeit, mit der sie durch die Absorptions- 
bzw. Oxydationsmittel hindurchtreten müssen, eine Verminderung, die 
wirklich von einiger Bedeutung wäre, herbeizuführen, ist nicht ohne 
weiteres erwiesen. Leider war es mir nicht möglich, selbst eine Prüfung 
dieser Apparate vorzunehmen, trotzdem ich mit verschiedenen Patent¬ 
inhabern in Verbindung trat und teilweise auch Zusagen erhielt, die aber 
demnächst nie eingehalten wurden. Ob hieraus ein Schluß auf die 
Leistungsfähigkeit der Apparate zu ziehen ist, möge dahingestellt bleiben. 

Die Apparate der dritten Gruppe beruhen auf dem Prinzip, die aus 
dem Motor austretenden Gase einer Nachverbrennung zu unterziehen. 
Es wird z. B. ein unverbrennbares Material zur Weißglut gebracht und 
darüber die Gase hinweggeleitet, was eine Nach Verbrennung bewirken soll. 
Bei einer anderen Einrichtung werden die Gase durch Brenner geleitet, 
die von einer besonderen Lampe entzündet werden. Auch der elektrische 
Lichtbogen wird zur Nachverbrennung herangezogen. "Weiter sind Vor¬ 
richtungen konstruiert, welche die kinetische Energie der Auspuffgase durch 
Aufhebung der Eigengeschwindigkeit in W T ärme umsetzen, so daß unter 
Zutritt frischer Luft eine Nachverbrenuuug eintreten soll. Eine Prüfung 
"dieser Apparate konnte ich ebenfalls, trotz eifriger Bemühungen, nicht 
erreichen. 

Wenn nun auch wohl das Prinzip dieser Apparate im allgemeinen 
als richtig anzusehen ist, so haften ihnen doch manche Mängel an, die 
ihrer allgemeinen Einführung im Wege stehen, selbst wenn ihre Leistungen 
zufriedenstellend sein sollten. So ist z. B. allen Apparaten der Fehler 
gemein, daß durch sie die zu leistende Arbeit vermehrt wird, weil in 
jedem Falle den Auspuffgasen Widerstände entgegengesetzt werden. 
Zweifellos ist der hierdurch bedingte Kraftverlust nicht sehr groß; aber 
er würde doch gewiß in sehr vielen Fällen von der Anschaffung solcher 
Apparate abschreckeu, wenn nicht etwa behördlicherseits auf die An¬ 
schaffung gedrungen wird. 

Wenn es daher gelänge, den Brennstoff der Motore selbst so zu prä¬ 
parieren, daß immer eine vollkommene Verbrennung eintritt, so wäre das 
vielleicht die beste Lösung der Aufgabe. Dies Prinzip sucht ein Herr Paul 
Suchy zu verfolgen. Er will aus den Rohbenzinen durch ein besonderes Ver¬ 
fahren die ungesättigten Kohlenwasserstoffe entfernen und dann das Benzin 
mit aktivem Sauerstoff" sättigen-. Hierdurch würde, seiner Meinung nach. 


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Gesundheitsgeiährduxg durch d. Auspuppgase d. Automobile. 147 

die Verbrennung eine vollkommene oder doch fast vollkommene werden. 
Durch dies Verfahren würde das Brennmaterial gleichzeitig kalorisch wertiger 
werden, und seine Ausnutzbarkeit erhöht sein. Auch dem Schmieröl ließe 
sich vielleicht durch ein analoges Verfahren ein großer Teil seiner un¬ 
angenehmen Wirkung nehmen, indem der übersohüssig in den Zylinder 
gelangende Teil auch vollkommen verbrannt werden würde. Die Versuche 
sind noch nicht abgeschlossen, sie scheinen aber der Beachtung wert zu sein. 

Von allen diesen angeführten Rauchbeseitigungsapparaten darf man 
vorläufig wohl noch keine allzugroße Besserung der Geruchsplage er¬ 
warten. Wenn aber die oben erwähnten drei Forderungen: gute Ver¬ 
gasung, gutes Benzin, richtige Schmierung immer erfüllt werden, würde 
damit schon sehr viel gewonnen sein. Daß in dieser Richtung mehr geschieht, 
ist Sache der Polizei. Es wäre durchaus wünschenswert, daß die Behörden 
mehr als bis jetzt darauf sehen, daß der Automobilbetrieb das Publikum 
weniger belästigt. Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen geben den 
Behörden meines Erachtens hinreichende Möglichkeit, in dieser Richtung 
einen entscheidenden Druck auszuüben. 

In der auf Grund des § 6 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraft¬ 
fahrzeugen vom 3. Mai 1909 erlassenen Bundesratsverordnung vom 
3. Februar 1910 lautet § 3, Absatz I: „Die Kraftfahrzeuge müssen ver¬ 
kehrssicher und insbesondere so gebaut, eingerichtet und ausgerüstet sein, 
daß Feuers- und Explosionsgefahr, sowie jede vermeidbare Belästigung 
von Personen und Gefährdung von Fuhrwerken durch Geräusch, Rauch, 
Dampf oder üblen Geruch ausgeschlossen ist.“ Nach § 26 kann die 
Polizeibehörde jederzeit auf Kosten des Eigentümers eine Untersuchung 
darüber veranlassen, ob ein Kraftfahrzeug den nach Maßgabe dieser Ver¬ 
ordnung zu stellenden Anforderungen entspricht. Genügt ein Kraftwagen 
diesen Anforderungen nicht, so kann seine Ausschließung vom Befahren 
der öffentlichen Wege usw. durch die höhere Verwaltungsbehörde verfügt 
werden. Die „Anweisung über die Prüfung von Kraftfahrzeugen“ ver¬ 
langt, „daß die Verbrennung der Gase in der Maschine so vollkommen 
und die Ölzufuhr so eingerichtet sein muß, daß, abgesehen vom Anfahren 
nach längerem Stillstand, ein belästigender Rauch nicht entwickelt wird“. 
Da hierdurch der Polizei die Macht gegeben ist den Betrieb eines in 
dieser Hinsicht nicht völlig einwandfreien Kraftwagens unmöglich zu 
machen, ist es nicht recht verständlich, warum m an noch täglich auf den 
Straßen Kraftwagen sieht, die nicht nur beim Anfahren einen undurch¬ 
dringlichen Qualm entwickeln, deren Spuren vielmehr noch lange, nach¬ 
dem sie selbst schon verschwunden sind, durch langhinziehende Rauch¬ 
streifen und Geruch kenntlich sind. Vielleicht dürfte auch das Beispiel 
der Münchner Polizeidirektion nachahmenswert sein, die in einem Schreiben 

io* 


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148 


Arth. Korff-Peteesen : Autohobllgase. 


an Besitzer öffentlicher Kraftdroschken darauf hinweist, daß es im eigenen 
Interesse der Droschkenbesitzer liege, dem Mißstande des Rauchens der 
Kraftdroschken vorzubeugen, da sonst die Behörden unter dem Drucke 
der öffentlichen Meinung gezwungen werden könnten, den Verkehr der 
Kraftdroschken zu beschränken. Gleichzeitig weist sie auf die Bedingungen 
des geruchlosen Betriebes hin und empfiehlt unter Umständen die 
Anschaffung von Rauchbeseitigungsapparaten (in dem mir vorliegenden 
Schreiben den sogen. ,,Saduynapparat). Freilich ist von derartigen An¬ 
regungen ein voller Erfolg wohl nicht zu erwarten. 

Neben den Besitzern der Kraftfahrzeuge können auch die Führer 
derselben wegen der Rauch Verbreitung zur Verantwortung gezogen werden. 
Nach § 16 und 17 der oben erwähnten Verordnung hat sich der Fahrer 
vor der Fahrt von dem Zustande des Fahrzeugs zu überzeugen, und ist 
insbesondere verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß eine nach der Be¬ 
schaffenheit des Kraftfahrzeuges vermeidbare Entwicklung von Geräusch, 
Rauch, Dampf oder üblem Geruch in keinem Falle ein tritt. Ein auf 
Grund der Droschkenordnung für Berlin vom 26. September 1906 er¬ 
gangenes Kammergerichtsurteil stellt fest, daß der Automobilführer ver¬ 
pflichtet sei, während der Fahrt darauf zu achten, ob übelriechende 
Dämpfe aus dem Fahrzeuge ausgestoßen werden. Ist dies der Fall, so 
muß er sie sofort beseitigen, eventuell nach Hause fahren. 

Daß ein entschiedenes Vorgehen der Behörden nötig ist, glaube ich 
gezeigt zu haben. Ein solches würde aber zweifellos auch von Erfolg be¬ 
gleitet sein; denn eine zielbewußte Beaufsichtigung des Verkehrs würde 
bald dahin führen, daß die Kraftwagenführer es lernen, die übelriechenden 
Gase, die ja zum allergrößten Teile nur durch deren Nachlässigkeit ent¬ 
stehen, zu vermeiden. In Frankreich, wo die gesetzlichen Vorschriften 
(ebenso wie in Österreich und England) in den wichtigsten Punkten zum 
Teil wörtlich mit den deutschen übereiustimmen, ist die Belästigung durch 
die Auspuffgase bei weitem geringer als in Deutschland. Hier ist eben 
schon in erzieherischer Weise auf die Kraftwagenführer eingewirkt, oder 
diese sind an sich schon rücksichtsvoller als ihre deutschen Kollegen. 

Eine strengere Prüfuug auf wirklich vollkommene Verbrennung bei 
der Abnahme der Automobile seitens der Behörden würde die Industrie 
veranlassen, sich noch mehr der Verbesserung der Vergasung zuzuwenden, 
und würde auf diese Weise dahin wirken, daß allmählich auch die Kohlen¬ 
oxydproduktion geringer würde. 

Eine besondere Verkehrsbeschränkung für Explosionskraftwagen, die 
auf die Dauer doch nicht aufrecht zu erhalten wäre, würde dann wohl 
überflüssig werden. 


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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin 
(Leiter: Geh. Medizinalrat Prof. C. Flügge.) 


Über Komplementbindungsversuche mit dem Serum 
lapinisierter Kaninchen. 

Von 

Dr. med. Wilhelm Hallwachs, 

Kreiftassistenzarst in Zeven, 
früherem Asaietenten des Instituts. 


Die Frage, ob die nach Variola- oder Vaccineinfektion eintretende 
Immunität bzw. Allergie mit dem Auftreten von spezifischen Amboceptoren 
im Blut verknüpft ist, hat in den letzten Jahren mehrere Arbeiten ge¬ 
zeitigt, welche sich alle auf Anwendung der Bordet-Gengouschen 
Komplementbindungsmethode stützen. 

Was zunächst die Variola anbetrifft, so scheinen die bisherigen 
Forschungen die soeben aufgeworfene Frage übereinstimmend zu bejahen. 
Sugai 1 nämlich untersuchte das komplementbindende Vermögen der 
Sera von 5 Pockenkranken gegen Pockenpustelinhalt oder Vaccine als 
Antigen mit regelmäßig positivem Resultat. Kontrollversuche stellte er 
mit dem Serum Gesunder und, das Antigen betreffend, mit Eiterserum 
eines Senkungsabszesses einer 52 jährigen Frau an, die angeblich als Kind 
Pocken überstanden hatte. 

Beintkes 2 ferner fand sowohl die Seren von 3 Pockenkranken, als 
auch das Serum eines mit Milzextrakt aus einer menschlichen Pocken¬ 
leiche vorbehandelten Kaninchens bezüglich ihres Komplementbindungs- 

1 Sugai, Über den Komplementbindungsversuch bei Variola vera. Centralblatt 
ßr Bakteriologie. Orig. Bd. XLIX. 

1 Beintkes, Über den Komplementbindungsversuch bei Variola vera. Ebenda. 
Orig. Bd. XLIX. 


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150 


Wilhelm Hallwachs: 


Vermögens gegenüber Kälberlymphe positiv reagierend (unter Berück¬ 
sichtigung der erforderlichen Kontrollen). Dahm 1 berichtet in einer vor¬ 
läufigen Mitteilung über die Untersuchung von 10 Pockenseren. Er 
stellte bei Anwendung von Kälberlymphe oder von Leber- oder Milz¬ 
extrakt aus einer Variolaleiche als Antigen Komplementhindung fest. 
Kontrollen mit Normal- oder Luesleber als „Antigen“ blieben negativ. 
Ebenso wie Pockenkrankenserum verhielt sich auch das Extrakt aus der 
Leber einer Pockenleiche gegenüber Kälberlymphe als Antigen. Nach 
Ablauf von 3 bis 4 Wochen waren die komplementbindenden Körper aus 
den Seris von Pockenrekonvaleszenten wieder verschwunden. 

Weniger übereinstimmend, als bei Variola, lauten die Mitteilungen 
über Vorkommen von spezifischen Ambozeptoren bei Vaccineimmunität. 

Versuche mit menschlichen Seris stellten Bermbach 2 3 und 
Xylander* an. Ersterer untersuchte Sera von 34 Personen, deren letzte 
Vaccination schon sehr weit zurücklag (zwischen 1 / 2 und 55 Jahren, meist 
über 10 Jahre) durchweg mit negativem Resultat, wie gemäß unserer 
Keuntnis von der Dauer der Vaccineimmunität nicht anders zu erwarten 
war. Xylander dagegen prüfte das Serum von 31 Wiederimpfungen 
vor, sowie 10 bis 16 Tage nach der Revaccination unter Verwendung von 
Kälberlymphe als Antigen (und alkoholischem Herzextrakt als Kontroll- 
antigen). Nur in etwa 1 j 3 der Fälle erhielt er eine schwach positive 
Reaktion. Beim vaccinierten Kalb wies Jobling 4 * , unter Verwendung 
eines Schüttelextraktes aus zerriebenen frischen Impfpusteln als Antigen, 
im Serum komplementbiudende Stoffe „in geringer Menge“ nach. Heller 
und Tomarkin 6 dagegen konnten in dem in verschiedenen Zeitabstäuden ent¬ 
nommenen Serum eines kutan geimpften, unter später wiederholt intravenös 
mit Lymphe weiterbehandelten Kalbes mit der Methode der Komplement¬ 
verankerung gegenüber „künstlichen Lymphaggressinen“ spezifische Stoffe 
nicht nachweisen. Dahm (a. a. 0.) endlich erwähnt ohne nähere Angaben, 
daß er mit Leberextrakt eines vor 4 Wochen geimpften Kalbes gegen 
Kälberlymphe Komplementbindung erhalten habe. 


1 Dahm, Serologische Untersuchungen bei Variola vera. Centralblatt für 
Bakteriologie . Orig. Bd. LI. 

2 Bermbach, Untersuchungen über den Impfschutz mittels der Bordetschen 
Reaktion. El)enda. Orig. Bd. XL1X. 

3 Xylander, Die Komplementbindungsreaktion bei Syphilis, Impfpocken und 
anderen Infektionskrankheiten. Ebenda . Orig. Bd. LI. 

4 Jobling, Journ . of exper. med. 19U6. Vol. VIII. Nr. 6. 

6 Heller u. Tomarkin, Ist die Methode der Komplementbindung beim Nach¬ 

weis spezifischer Stoffe für Hundswut und Vaccine brauchbar? Deutsche med . Wochen - 
schrift. 1907. S. 795. 


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KOMPLEMENTBINDUNG MIT SeBUM LATINISIERTER KANINCHEN. 151 


Gänzlich negativ verliefen Untersuchungen Bermbachs (a. a. 0.) au 
Meerschweinchen und Kaninchen. Im Serum kutan geimpfter 
Meerschweinchen waren 14 Tage nach der Impfung, bei kutan geimpften 
Kaninchen am 8. sowie am 16. Tage und später keine Ambozeptoren 
nachweisbar. Ebenso wie die Sera verhielten sich Extrakte aus Milz und 
Leber. Auch subkutan geimpfte Kaninchen bildeten keine nachweisbaren 
Ambozeptoren. 

War bei den eben erwähnten Tierversuchen ausschließlich mehr oder 
weniger präparierte Kälberlymphe als Antigen im Reagensglas zur An¬ 
wendung gekommen, so müssen noch Beobachtungen gesondert angeführt 
werden, bei welchen als Antigen im Reagensglasversuch nicht Vaccinelymphe 
sondern Präparate von Variolakranken oder aus Variolaleichen stammend 
benutzt wurden. Sugai (a. a. 0.) fand im Serum eines vor 15 Tagen 
Vaccinierten Komplementbindung gegen frischen Pockenpustelinhalt (Kon¬ 
trollen mit dem Serum nicht Vaccinierter verliefen negativ); und 
Beintkes (a. a. 0.) hatte ein positives Resultat mit dem Serum eines 
iutraperitoneal mit Lymphe vorbehandelten Kaninchens gegen Extrakt aus 
der Milz einer menschlichen Pockenleiche. — Daß Beintkes bei einem 
Impf kalb 3 Tage nach der Impfung unter Anwendung von Pocken leicheu- 
milzextrakt als Antigen keine Komplementbinduug beobachtete, sei 
schließlich noch erwähnt. 

Überblickt man die soeben kurz referierten Arbeiten in ihrer Ge¬ 
samtheit, so ist leicht zu ersehen, daß sie zwar eine ganze Reihe wert¬ 
voller Aufschlüsse über die uns interessierende Frage geben, daß jedoch 
von einer lückenlosen Kenntnis des Vorkommens Bordetscher Körper im 
Serum der verschiedenen Spezies noch nicht die Rede sein kann. Es muß 
vielmehr als gerechtfertigt erscheinen, noch weiteres Beobachtungsmaterial 
beizubringen. Um einen Beitrag in diesem Sinne zu geben, habe ich auf 
Veranlassung des Hm. Prof. C. Flügge Untersuchungen an mit Lapine 
behandelten Kaninchen vorgenommen, über welche ich im folgenden be¬ 
richten will. — Zunächst einiges über die Technik. Die von mir zuerst 
benutzte Lapine stammte aus dem Hamburger Staatsinstitut für Lymphe¬ 
gewinnung. 1 

In der Folge stellte ich mir Lapine durch Weiterimpfung des Aus¬ 
gangsmaterials auf Kaniuchen selbst dar. Zur Lapinegewiuuung und auch 
teilweise zur Immunisierung benutzte ich anfangs junge Albinos, die zum 
Teil besonders schöne Impfresultate gaben. Später verwendete ich auch 
braune Kaninchen mit einem Gewicht von 1500 bis 2000 gim mit gutem 
Erfolg. 

1 Für freundliche Überlassung derselben danke ich Hrn. Physikus Dr. Voigt 
an dieser Stelle besonders. 


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152 


Wilhelm Hall wachs: 


Was die Technik der Impfung anlangt, so depilierte ich anfangs 
mit Calciumhydrosulfid, späterhin aber rasierte ich einen kleinhandgroßen 
Bezirk der Rückenhaut, rieb nach sorgfältiger Reinigung mit Sandpapier 
ab und strich dann die auf das Zehnfache verdünnte Lapine auf. 

Die Sera wurden teils aus der Ohrvene, teils aus der Carotis ge¬ 
wonnen, baldigst durch V 2 ständiges Erhitzen auf 56° inaktiviert mit 
0 • 5 Prozent Phenol versetzt und im Eisschrank auf bewahrt. 

Als Antigen diente durchweg Kälberglyzerinlymphe, die vor ihrer 
Verwendung folgendermaßen behandelt wurde. Durch 24 ständiges Dialy- 
sieren wurde sie ihres Glyzeringehaltes beraubt; das Dialysat wurde so 
mit destilliertem Wasser und 10 Prozent Kochsalzlösung aufgefüllt, daß eine 
0-85 Prozent Kochsalz enthaltende, das Fünffache der ursprünglich vor¬ 
handenen Menge von Glyzerinlymphe betragende Aufschwemmung resultierte. 
Alsdann wurde 1 / 2 Stunde auf 56° erwärmt und mit 0*5 Prozent Phenol 
versetzt. Nach Zentrifugieren und mehrtägigem Absitzen im Eisschrank 
erhielt ich eine kaum opaleszierende, gleichmäßig haltbare Flüssigkeit. 
Es wurde mehrfach festgestellt, daß diese inaktivierte und karbolisierte 
Lymphverdünnung sich im Komplementbindungsversuch genau so verhielt 
wie nicht erhitzte und nicht karbolisierte, sonst aber geradeso hergestellte 
Lymphverdünnung. Als Ausgaugsmaterial diente stets dieselbe, in der 
Kugelmühle außerordentlich fein verriebene und gut virulente Glyzeriu- 
lymphe, die mir in größerer Menge und in bereitwilligster Weise von dem 
Königl. Impfinstitut zu Berlin zur Verfügung gestellt wurde. 1 — Eine 
Reihe von Versuchen machte ich auch mit einem Antigen, welches ich 
durch Auflösen von vorher zentrifugierter Lymphe mit 2 Prozent Anti¬ 
formin erhielt. Dieses Präparat erwies sich indes als völlig unwirksam. 

Als Komplement benutzte ich frisches Serum von jungen Meer¬ 
schweinchen in der Verdünnung 1:10. 

Der hämolytische Ambozeptor war in Kaninchenserum, auf 
Hammelblut eingestellt, enthalten. Titer 1:2000. 

Es wurde stets die doppelt lösende Ambozeptordosis genommen. Das 
zur Hämolyse bestimmte Hammelblut wurde in 5 Prozent Auf¬ 
schwemmung nach zweimaligem Waschen mit physiologischer Kochsalz¬ 
lösung zugesetzt. 

Die Proben wurden in einem Volum von 2*5 ccm augesetzt, so daß 
auf 0*5 Erythrozytenaufschwemmuug 0*0005 hämolytischer Ambozeptor 
und 0*05 Komplement kamen. 


1 Dein Leiter dieses Instituts, Hrn. Gell. Medizinalrat O. Schulz, bin ich hierfür 
zu besonderem Danke verpflichtet. 


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K OatPTiKMKNTBLN'DUNG MIT SEBUM LAPINISLEBTEB KANINCHEN. 153 


Das oben beschriebene Antigen wurde in Mengen von 0-05 bis 0-2, 
das zu prüfende Serum in der Regel in abfallenden Mengen von 0*125 
bis 0*015 zugesetzt. 

Zunächst wurde nun festgestellt, daß die als Antigen dienende Lymphe 
auch unverdünnt in der Menge von 0*5 allein noch nicht hemmend 
wirkte. Auch eine Lösung durch Lymphe allein fand nicht statt. 

Was die Sera der mit Lapine vorbehandelten Kaninchen betraf, so 
kam der Umstand, daß auch normale Kaninchensera Hammelblut bei 
Komplementzusatz in zuweilen beträchtlicherem Grade lösen, für die Be¬ 
urteilung von Komplementbindungsversuchen nicht in Betracht. 

Wohl zu beachten war aber die sowohl bei Normalseris als auch bei 
Seris lapinisierter Kaninchen öfter und bei den einzelnen Tieren in ver¬ 
schiedener Stärke vorkommende alleinhemmende Wirkung. Sie zwingt 
zu einer ganz besonders sorgfältigen Berücksichtigung der entsprechenden 
Kontrollen. 

Die meisten Versuche wurden doppelt oder in größerer Anzahl an¬ 
gestellt. Die Resultate stimmten überein. Es können hier nicht sämtliche 
Protokolle veröffentlicht werden. Ich habe die in den beigegebenen Tabellen 
niedergelegten Versuche so ausgewählt, daß ein rascher Überblick ohne 
zu große Belästigung durch die Menge des Materials ermöglicht wird. 


Tabelle I. 


Lymphe- j 
Ver¬ 
dünnung 

Immun- , 
serum 
(12. Tag) 

Normal- j 
serum 

Komple¬ 

ment 

Hammel- 

Ambozeptor erythrozyten 
i i 5 Prozent j 

i_L__! 

Resultat 

0-2 

0*12 1 

— 

0-05 

0*0005 

! 0-5 

H—!—i—b 

0-2 

0-06 

— 

0-05 

0-0005 

! 0*5 

+ + r + 

0-2 

0-03 

— 

0-05 

0-0005 

| 0-5 

+ + + -f 

0-2 

0-015 

— 

0-05 

0*0005 

1 0*5 

+ + -r + 

0*2 ! 

— 

0-12 

0-05 

0*0005 

0-5 

0 

0-2 

— 

0-06 

0-05 

0-0005 

0-5 

0 

0-2 

— 

0-03 

0-05 

jj 0*0005 

0-5 

0 

0-2 

— 

0-015 

0-05 

,, 0-0005 

0-5 

0 

0-4 

— 

— 

0-05 

0-0005 

1 0*5 

0 

0-2 

— 

— 

0 • 05 

0-0005 

0-5 

0 

— 

0*25 

— 

0-05 

0-0005 

0*5 : 

0 

— 

0*12 ' 

— 

0-05 

0-0005 

0*5 '[ 

0 

— 

- 1 

0-25 

0*05 

0-0005 

0-5 

0 

— 

— 

0-12 

0*05 

0-0005 

0-5 

0 

— 1 

— 

— 

0*05 

0-0005 

0-5 

0 

— 

— 

— 

0-05 

— 

0-5 

+ + + + 

— 

— 

— 

— 

— 

0-5 

-r -r -r + 

0-2 

— 

— 

— 

— 

0*5 

-r -r -r + 


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154 


Wilhelm Hallwachs: 


Aus Tabelle I 1 ist zu ersehen, daß das verwendete „Immunserum“ 
eines vor 12 Tagen mit Lapine kutan geimpften Kaninchens allein, 
selbst in stärkerer Konzentration nicht hemmte, dagegen mit 0*2 des 
Antigens (Lympheverdünnung) zusammen eine komplette Hemmung be¬ 
wirkte. Das Kontrollserum eines nicht geimpften Kaninchens hemmte 
weder für sich allein noch mit Lymphe zusammen. 


Tabelle II. 


Lymphe¬ 

ver¬ 

dünnung 

Immun¬ 
serum 
(12. Tag) 

Normal¬ 

serum 

Komple¬ 

ment 

Ambozeptor 

Hammel¬ 
erythrozyten 
5 Prozent 

l' 

Resultat 

0-05 

0-12 

— 

0-05 

0*0005 

0-5 

4-4- 4 - + 

0-05 

0*06 

— 

0*05 ■ 

0-0005 

0-5 

4- 4- + + 

0-05 

0*03 

— 

0-05 1 

0*0005 

0-5 

+ + + 

0-05 

0-015 

— 

0*05 | 

0*0005 

0-5 

+ 

0-05 

— 

0*12 

0*05 

0-0005 

0*5 

+ + 

0*05 

— 

0-06 

0-05 

0-0005 

0*5 

+ + 

0*05 


0-03 

0-05 

0*0005 

0-5 

+ + 

0-05 


0-015 

0-05 

0*0005 

0-5 

0 

0-1 

0*12 

— 

0-05 

0-0005 

0*5 

4-4- + + 

0-05 

0-12 

— 

0-05 

0-0005 

0-5 

+ + + + 

0-025 

0-12 

— 

0*05 

0*0005 

0-5 

+ + + + 

0*012 

0-12 

— 

0-05 

0*0005 

0-5 

+ + + 

0-1 

— 

0-12 

0-05 

0*0005 

0-5 

+ *+ 

0-05 

— 1 

— 

0-05 | 

0*0005 

0-5 

+ + 

0-025 

— ' 

— 

0-05 i 

0*0005 

0-5 

+ + 

0-012 

! — | 

— i 

0-05 i 

0*0005 

f 0-5 

+ + 

0-2 

— 

— 

0-05 j 

0-0005 

| 0-5 

0 

0-1 

j — 

— 

0-05 

0-0005 

' 0-5 

0 

— 

1 0-25 

— 

0-05 | 

0-0005 

j 0-5 

0 

■ — 

0« 12 

— 

0-05 

0-0005 

0-5 

ü 

— 

— 

0-25 

0*05 i 

0-0005 

0-5 

+ + 

— 

— 

0-12 

0*05 1 

| 0*0005 

0-5 ,[ 

+ + 

— 

— 

— 

0-05 

0-0005 

1 0*5 | 

0 

— 

- 

— 

r o• 05 i 

— 

0*5 

+ + + + 

— 

1 — 

1 - 

— 

i 

0-5 

+ + + + 

0-1 

— 

i — 

— ' 

— 

0-5 

+ + + + 


1 In den Tabellen bedeutet: 

+ + 4- + = komplette Hemmung. 
+ + + = starke „ 

+ + = mäßige 

t = geringe 

Spur = Spur Hemmung. 

0 = völlige Hämolyse. 


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Komplementbindung mit Sebum lapinisieetee Kaninchen. 155 


Tabelle II zeigt ebenfalls das Verhalten des Serums eines vor 
12 Tagen kutan geimpften Tieres (starke Hemmung mit Antigen zu¬ 
sammen) gegenüber einem Kontrollserum, welches zwar mit Antigen zu¬ 
sammen ebenfalls geringgradig und nicht abgestuft hemmt, aber nicht 
mehr, als in den Kontrollen, in welchem es ohne Antigenzusatz zur An¬ 
wendung kam. 


Tabelle III. 


Lymphe- 

ver- 

«irinDung 

! Immun. 

! serura 

1 (12. Tag) 

Normal- 

Serum 

Komple¬ 

ment 

• Hammel- I 
Ambozeptor erythrozytenjj 
i 5 Prozent 

Resultat 

0-2 

| 0-12 

-- 

0-05 

0*0005 

0-5 

+++ + 

0*2 

| 0*06 

— 

0*05 

0*0005 

0-5 

+ -+-4-4- 

0-2 

0-03 

— 

0-05 

0-0005 1 

0-5 

4- 4- 4- 4- 

0-2 

0-015 

— 

0-05 

0*0005 1 

0-5 

4- 4- + 4- 

0-2 

— 

0-12 

0*05 

0-0005 

0-5 

4- + 4-4- 

0-2 

— 

0-06 

0*05 

0-0005 

0*5 

4- 4- 4- 

0-2 

— 

0-03 

0.05 

0*0005 

0-5 

4- 4- 

0-2 

—- 

0-015 

0-05 

0-0005 

0-5 

0 

0*4 

— 

— 

j 0-05 

0*0005 

0-5 

0 

0-2 

— 

— 

0-05 

, 0-0005 

0-5 

0 

— 

0-25 

— 

0-05 

0-0005 

0-5 

0 

— 

0-12 

— 

0*05 

0-0005 

0-5 

0 

— 

— 

0*25 

0-05 

0-0005 

0*5 

+ 4-4- 

— 

— 

0-12 

0-05 

0-0005 

0-5 

+ 

— 

— 

— 

0-05 

0-0005 

0-5 

0 

— 

— 

- 

0-05 

- 

0-5 " 

+ + + + 

— 

— 

- 

— 

— 

0-5 

+ + + + 

0*2 

— 

— 

i — 

-- 

0-5 

4 — i — 1 — b 


Tabelle HI ist bemerkenswert dadurch, daß zwar das Immuuserum 
(ebenfalls vom 12. Tage) komplett hemmt, daß dagegen im Gegensatz zu 
den obenstehenden Beispielen das normale Vergleichsserum gleichfalls eine 
hemmende Wirkung mit Antigen zusammen erkennen läßt, welche die 
alleinhemmende Wirkuug dieses Serums übertrifft. 

Der Ausfall dieses Versuches ist typisch für viele andere. Ich be¬ 
gegnete wieder und wieder der Tatsache, daß auch normale Kaninchensera 
mit Kälberlymphe zusammen stärker hemmen können, als allein. Ja bei 
genügender Konzentration wird sogar komplette Hemmung beobachtet. 
Vergleicht man aber diese Wirkung der Normalseren mit Immunseren 
(und zwar, wie ich vorausnehmen will, mit Immunseren, die an einer be¬ 
stimmten Anzahl von Tagen nach der Impfung gewonnen sind), so ist 
doch die mit Antigen komplementbindende Wirkung der Immunsera stets 


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156 


Wilhelm Hall wachs: 


bedeutend stärker als die der Normalsera. Ob die nächstliegende Er¬ 
klärung für die beobachtete komplementbindende Eigenschaft von vielen 
Normalseris mit Antigen zusammen, nämlich die Erklärung, daß es sich 
um Anwesenheit normaler, gegen Lapinevirus gerichteter Antikörper handle 
zu Recht besteht, kann ich nicht entscheiden. 

Die nächste Tabelle Nr. IV zeigt, daß bei geeigneten Mengenverhält¬ 
nissen auch eine gut abgestufte Eomplementbindung besteht. 


Tabelle IV. 


Lymphe- 

ver- 

diinnung 

Immun¬ 
serum 
(12. Tag) 

Normal- 
serum 

Komple¬ 

ment 

Ambozeptor 

Hammei¬ 
erythrozyten 
5 Prozent 

1 

Resultat 

0-05 

0-1 

— 

0-05 

J 0-0005 


0-5 

4* 4 4 4- 

0*05 

0*05 

— 

0-05 

0-0005 


0-5 

-4-4 4- 

0-05 

0-02 

— 

0*05 

0*0005 


0-5 

4 4-4- 

0-05 

O-Ol 

— 

0*05 

0*0005 


0-5 

4 4 

0*05 

— 

0-1 

0*05 

1; 0*0005 


0-5 

4 4 

0-05 

— 

0*05 

0-05 

0*0005 


0-5 

! 4- 

0-05 

_ 

0-02 

0-05 

0-0005 


0*5 

0 

0*05 

— 

0-01 

0*05 

0*0005 


0-5 

0 

0*1 

— 

— 

0*05 

0*0005 


0-5 

0 

0*05 

— 

— 

0-05 

j 0*0005 


0-5 

0 

— 

0*2 

1 

0*05 

0-0005 


0-5 

4 

— 

0-1 

— i 

0-05 

0-0005 ' 


0-5 

0 

___ i 

— 

0-2 

0-05 

i 0-0005 


0-5 

4 

— 

- 

0*1 

0-05 

0-0005 


0*5 

0 

— 

— 

— 1 

0*05 

0-0005 1 


0-5 

0 

— 

j 

— 

0-05 

— 


0-5 

n. r 

4 4-4 

1 

0*05 

_ 

_ 

_ 

_ 


u • 0 

0-5 , 

| _ __ 

4 4 4 4 


In einer Anzahl von Fällen habe ich das am Tage der Wahl ent¬ 
nommene Immunserum mit dem Normalserum je desselben Tieres aus 
einer Probe, die vor der Impfung aus der Ohrvene entnommen war, ver¬ 
glichen. 

Hierbei konnte ich einigemal die auffallende Tatsache beobachten, 
daß auch die allein hemmende Wirkung des Serums sich eine gewisse 
Zeit nach der Impfung anders verhielt, als vor der Impfung, und zwar, 
ohne erkennbaren Grund, in geringem Grade stärker oder schwächer 
hemmend. Eine Erklärung hierfür habe ich nicht. Jedenfalls war diese 
alleinhemmende Wirkung nie so stark, daß die Evidenz der hemmenden 
Wirkung der Kombination: Antigen -f Immunserum dadurch beeinträchtigt 
worden wäre. 


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K o:\irLEiiENTBiNDUNG mit Serum latinisierter Kaninchen. 157 


Nachdem ich an fünf Impfkauinchen des 12. Tages übereinstimmend 
einen positiven Ausfall des Komplementbinduugsversuches festgestellt hatte, 
untersuchte ich auch Sera, die an teils früheren, teils späteren Terminen 
nach kutaner Impfung entnommen waren. Da ergab sich dann auch am 
10. und 9. Tage nach der Impfung ein positiver Ausfall der Reaktion, 
wenn auch schwächer als am 12. Tage; am 5., 6. und 7. Tage verliefen 
dagegen die Versuche gänzlich negativ. Über den 12. Tag hinaus erhielt 
ich ein zwar schwach positives Resultat am 14., nicht mehr aber am 16., 
*25. und 83. Tag. Es beschränkte sich demnach die komplement¬ 
bindende Kraft der Kombination Lymphe + Serum kutan ge¬ 
impfter Kaninchen auf den kurzen Zeitraum vom 9. bis 14. Tage 
nach der Impfung; fürwahr eine auffallende Erscheinung. 

Ist nun diese Komplementbiudung spezifisch? d. h. handelt es sich 
hier wirklich um eine Reaktion zwischen Vaccinevirus und spezifischem 
Antikörper? Diese Frage wird, solange nicht Reinkulturen des Erregers 
zur Verwendung kommen, stets nur mit einer gewissen Reserve bejaht 
werden können. Für den vorliegenden Fall müssen wir jedenfalls 
noch berücksichtigen, daß das im Reagensglas sowohl, wie das im 
Tierkörper wirksame Antigen, also sowohl die verimpfte Lapine, als 
auch die im Reagensglas zugesetzte Vaccine, außer dem spezifischen 
Erreger oder dessen Derivaten noch eine ganze Reihe in ihrer Art und 
Menge unkontrollierbarer tierischer Eiweißkörper und deren Zerfallsprodukte 
enthielten, sowie weiterhin eine mehr oder weniger große Anzahl von 
Bakterien. — Soweit die bei der Impfung auf die Haut des Kaninchens 
gebrachte Lapine in Betracht kommt, ist ein störender Einfluß dieser Stoffe 
wohl kaum zu befürchten, denn einmal handelt es sich dabei nur um 
artgleiches Eiweiß und andererseits darf wohl angenommen werden (mangels 
des Zutagetretens von Krankheitserscheinungen), daß die von der möglichst 
keimarmen Lapine (sie enthielt in geringer Zahl fast nur einen gelben, 
nicht pathogenen Staphylococcus) etwa in die oberflächlichen Haut¬ 
verletzungen eingedrungenen Bakterien nicht zu wesentlicher Vermehrung 
und Antikörperbildung gelangen. Eine Antikörperbildung infolge Bakterien¬ 
invasion wäre aber auch insofern von wenig Belang, als die im Reageus- 
glas als Antigen verwendete Kälberlymphe in erster Linie die Haut- und 
Fellflora des Kalbes repräsentiert, die mit den Fellbakterien des Kaninchens, 
wie bekannt, nicht übereinstimmt. 

Um zu eruieren, ob durch die rasierte Kaninchenhaut überhaupt 
Eiweißstoffe nachweislich eiudringen, habe ich ein auf dem Rücken 
rasiertes und mit Glaspapier abgeriebenes Kaninchen energisch mit Rinder¬ 
serum eingerieben, ohne in dem nach 12 Tagen entnommenen Serum eine 
Spur von Präzipitin gegen Rinderserum nacliweisen zu können. 


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158 


Wilhelm Hall wachs: 


Mehr ins Gewicht fällt das Bedenken, ob die im Reagensglas zuge¬ 
setzte Kälberlymphe nicht durch die in ihr enthaltenen, von der Epider¬ 
mis des Kalbes stammenden Bestandteile eine komplementbindende Reak¬ 
tion mit den zu prüfenden Kaninchenseris eingehe. 

Tabelle Y. 


Normal- 

epidermis- 

extrakt 

Saf' 5 
s 2 H § 
a s 

Immun¬ 
serum 
(12. Tag) 

! (Kan. b) 

Normal¬ 
serum 
(Kan. a) 

• > 

§ a-° 

E S g 

o O W 

£ “w 

Qm Q 

a | 

O P 

Ambo¬ 

zeptor 

Hammel- 
i erythro- 
zyten 

5 Prozent 

i 

Resultat 

1 

0-15 

0-1 

— 

— 

— 

lM)5’ 

0*0005 

0*5 

+ 

0-15 

0-05 

— 


— 

0-05 

0-0005 

0*5 

Spur 

0-15 

0*02 


— 

— 

0-05 

0*0005 

0*5 

0 

0-15 

0-01 

— 

— 

— 

0-05 

0*0005 

1 0*5 

0 

0-15 

: — 

0-1 

— 

-- 

0-05 

0*0005 

0*5 

| -f 

0*15 

! — ! 

0*05 

— 

— 

0-05 

0*0005 

0*5 

Spur 

0-15 

— 

0-02 

— 

— 

0-05 

! 0*0005 

0*5 

0 

0*15 

— 

0-01 

— 


0-05 

| 0*0005 

0*5 

0 

0-15 

— 

— 

0-1 

— 

0-05 

0*0005 

| 0*5 

-f- 

0*15 

— 

! — 

0*05 

— 

0-05 

| 0*0005 

0*5 

Spur 

0*15 

— 

— 

0-02 

— 

0*05 

0*0005 

0*5 

0 

0*15 

— 

; — 

0-01 

— 

; 0-05 

: o*ooo5 

0*5 ; 

0 

0-15 

— 

— 

— 

0-1 

! 0-05 

I 0*0005 

0*5 

+ 

0*15 

— 

— 

— 

0*05 

0-05 

0.0005 

1 0*5 

Spur 

0-15 

— 

— 

— 

0*02 

0*05 

0*0005 

0*5 

0 

0*15 



— 

0-01 

0*05 

0*0005 

0*5 

0 

0-3 

1 

— 

— 

— 

0-05 

I 0*0005 

0*5 

0 

0-15 


1 — 

— 

— 

0*05 

0-0005 

0*5 

i 0 

— 

0-2 

— 

— 

— 

0-05 | 

, 0*0005 

0*5 

+ 

— 

0-1 

— 

1 — 

— 

0-05 

0*0005 

0*5 

Spur 

— 

— 

0*2 

-- 

— 

0-05 , 

0*0005 

0*5 

Spur 

— 

— 

! o-i 

— 

— 

0-05 

0*0005 

0*5 | 

0 

— 

— 

— 

0-2 

— 

0-05 

0*0005 

I °’ 5 

+ 

— 

— 

— 

! 0*1 

— 

0*05 

0*0005 

0-5 

Spur 

— 

— 

— 

i _ 

0-2 

0-05 

1 0*0005 

1 0*5 

4- 

— 


— 

— 

0*1 

0-05 

0*0005 

| 0-5 

4- 

— 

— 

— 

— 

— 

0*05 

0-0005 

0*5 

0 

— 

— 

! — 

- 

— 

i 0-05 

i — 

0-5 

+ + + + 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

0*5 

+ + -b + 

0-15 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

0*5 

+ -b 4- + 


Um diese Frage zu prüfen, habe ich von rasierter Kalbshaut nach 
Art der Thierschschen Transplantationsmethode Epidermisstückchen in 
abgewogener Menge abgetragen, dieselben mit Quarzsand verrieben und 
in der Kugelmühle gemahlen. Von dem erhaltenen Mehle legte ich ein 


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KOMPLEilEXTBrNDOG MIT SeBTM LAPIMSrEBTEB KaXINCHEX. 159 


Schüttelextrakt au. das im Heim-Faustseheu Apparat bei 37° auf ein 
so berechnetes Volumen eingeengt wurde, daß der Gehalt der Raumeiu- 
heit an Epidermisrohstoff dem Gehalt der Raumeinheit der als Antigen 
verwendeten Lympheverdünnung an Vaccinerohstoff gleichkam. Die 
Lösung wurde isotonisch gemacht, inaktiviert, zentrifugiert und mit 
0-5 Prozent Phenol versetzt. 

Dieses Extrakt normaler Kälberepidermis ergab nun sowohl mit 
Kaninchennormalseris als auch mit den Seris geimpfter Kaninchen 
Hemmung sehr geringen Grades. Aber es bestand kein Unterschied in 
Hemmung mit jedem von beiden Seris. d. h. Xormalkauinchenserum ergab 
unter gleichen Bedingungen eine gleichstarke Hemmung wie das Serum 
geimpfter Kaninchen (12 Tage nach der Impfung, s. Tabelle V). 

Tabelle VI. 


Lymphe- 
ver¬ 
dünn an e 

Xormal- 

epidermis- 

extrakt 

Im m un¬ 
ser um 
fl2. Tag) 

Komple¬ 

ment 

Ambozept« 

Hammel- 
>r erythrozyten 

5 Prozent 

Resultat 

0*05 

— 

0-1 

0*05 

0 • 0o05 

0*5 

— -p -p — 

0-05 

— 

0*05 

0-05 

0-0O05 

0-5 

+ -r -f t 

0-05 

— 

0-02 

0.05 

0•0005 

0-5 

-r + + 

0*05 

— 

0-01 

0-05 

0*0u05 

0*5 

-r - 

— 

0-05 

0-1 

0*05 

0*0005 

0*5 

£>pur 

— 

0*05 

0*05 

0*05 

0•0005 

0*5 

0 

— 

0-05 

0*02 

0*05 

0*0005 

0*5 

0 

— 

0*05 

0*01 

0 • 05 

0*0005 

0*5 

0 

0-1 

j 

— 

0 • 05 

0*0005 

0*5 

0 

0-05 


— | 

0*05 

0*0005 

0-5 

0 

— 

0-1 

— 

0-05 

0*0005 

0*5 

0 

— 

0-05 

— 

0 * 05 

0-0005 

0*5 

0 

— 

— 

0-2 

0-05 

0*0005 

0*5 

0 

— 

— 

0-1 

0*05 

0*0005 

0*5 

0 

- 

— 

— 

0-05 

0*0005 

0*5 

0 

— 

— 

— 

0-05 

— 

0*5 

b TT T 

— 

— 

— 

— 

-- 

0*5 

+ I + T 

0*05 

— 

— 



0*5 

-J-i-7-P 

— 

0*05 

— 

— 

— 

0*5 

rrlr 


Verglich mau die Wirkung des normalen Kalbsepidermisextrakts auf 
12 tägiges Immunserum mit der Wirkung der gleichkonzentrierteu Kälber¬ 
lymphe, so gab die Kälberlymphe einen ungleich größeren Ausschlag wie 
das Normalepidermisextrakt (s. Tabelle VI). 

Es würde also von seiten dieser Kontrolle der Annahme einer spezifi¬ 
schen Wirkung des Vaccineerregerantigens auf die Immunsera in den 
mitgeteilten Versuchen nichts im Wege stehen. 


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160 


Wilhelm Hallwachs: 


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Nach Abschluß meiner Versuche an kutan geimpften interessierte 
mich weiterhin das Verhalten intraperitoneal geimpfter Kaninchen. 
Im folgenden teile ich einige diesbezügliche Versuche mit. Ich hoffte, 
durch fortgesetzte intraperitoneale Behandlung mit großen Dosen frischer 
Glyzerinlapine eine stärkere immunisatorische Wirkung zu erzielen. 

Kaninchen Nr. 1 (2160 &"") war kutan geimpft; nach 4 Wochen 
wurde die kutane Impfung wiederholt (schwach positiv); später erhielt das 
Tier in mehrwöchigen Zwischenräumen 3mal 1-5 bis 3*0 1 l l0 verdünnter 
virulenter Glyzerinlapine intraperitoneal. Das Tier vertrug die Injektionen 
gut und nahm dauernd zu. Am 7. Tage nach der letzten Intraperitoneal¬ 
injektion wurde das Serum untersucht und bewirkte mit Antigen zusammen 
starke Hemmung (s. Tabelle VII). Nach einer erneuten Injektion ging 
das Kaninchen leider an Peritonitis ein. 


Tabelle VII. 


Lymphe¬ 

ver¬ 

dünnung 

Immunserum 
(3 mal intra¬ 
peritoneal 
vorbehandelt) 

Normal¬ 

serum 

Komple- i 
ment 

Ambozeptor 

l_ 

j Hammel¬ 
erythrozyten 
5 Prozent 

| Resultat 

0-05 

0-12 

— 

1 0-05 1 

0*0005 

0*5 

4* + 4- + 

0-05 

0-06 

— 

0*05 

0-0005 

0*5 

+ + + 4- 

0-05 

0-03 

— 

0*05 

0-0005 

0-5 

4- 4- 4- 

0*05 

0-015 

— 

0*05 

| 0*0005 

0-5 

4- 4- 

0*05 

— 

0-12 

0-05 | 

0-0005 

0-5 

0 

0*05 | 


0*06 

0*05 

0-0105 

0-5 { 

0-5 

1 0 

0-05 


0-03 

0-05 

0*0005 

0 

0-05 1 

— 

0*015 

0-05 

1 0-0005 

0-5 

1 0 

0-1 

0*12 

— 

0*05 

| 0-0005 

0-5 

4-4-4- + 

0-05 1 

0-12 , 

— 

0*05 

1 0*0005 

0-5 

4- 4- 4- + 

0*02 

0-12 | 

— 

0*05 

0-0005 

0-5 

4-4-4- 

0-01 

0-12 1 

— 

0-05 

0-0005 

0-5 

4-4- 

0-1 

— 

0*12 

0*05 

; o-ooo5 

°-5 i, 

1 0 

0*05 

— 

0-12 

0-05 | 

0-0005 

; 0*5 i 

I o 

0*02 

— 

0-12 

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0 • 0005 

0-5 

0 

0*01 

— 

0*12 

0-05 

! 0-0005 

0-5 ! 

0 

0-2 ! 

— I 

— 

0-05 j 

: 0-0005 

0-5 1 

0 

0.1 1 

— 1 

— 1 

0 • 05 1 

0-0005 

0*5 1 

0 

_ 1 

0-25 

— 

0-05 

0-0005 

0-5 

0 

— 

0-12 

— 

0*05 

0-0005 

0-5 i 

0 

— 

— 

0*25 

0-05 ,i 

0-0005 | 

0*5 | 

0 

— 1 

— 

0-12 | 

0-05 ! 

0-0005 

0-5 | 

0 

_ j 

_ 

— 1 

0*05 1 

0-0005 | 

0*5 

0 


0-05 I — | 0*5 + + + + 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


0-1 


Google 




Komplementbindung mit Serum lapenisierter Kaninchen. 161 


Bei drei weiteren Kaninchen, die ebenfalls zu Anfang kutan, dann 
4, 7 und 10 Wochen laug wöchentlich intraperitoneal behandelt waren, 
war das Resultat ein ähnliches, d. h. das Serum dieser Tiere hatte 7 bis 
12 Tage nach der letzten Injektion mit Antigen zusammen ausgesprochene 
komplementbindende Wirkung. 

Da wir in den zuvor angestellten Versuchen, die nur kutan ge¬ 
impfte Tiere betrafen, sahen, daß schon bald nach dem 14. Tage nach 
der Impfung keine komplementbindenden Körper mehr nachzuweisen 
waren, so kann die hämolysehemmende Wirkung bei den intraperitoneal 
geimpften Kaninchen nicht auf die vor mehreren Wochen durchgemachte 
Kutanimpfung, sondern nur auf die intraperitoneale Injektion, die 7 bis 
12 Tage vorherging, bezogen werden. 

Neben der Prüfung des zeitlichen Verlaufs der Anwesenheit von 
Ambozeptoren im Blut hatte ich mir auch die Untersuchung der Organe 
als etwaiger Bildungsstätten komplementbindender Stoffe zur Aufgabe 
gemacht. 

Ich stellte mir deshalb von sämtlichen untersuchten Tieren Organ- 
extrakte her, und zwar auf folgende Weise. Das entblutete Tier wurde 
bei noch schlagendem Herzen mit physiologischer Kochsalzlösung in toto 
durchgespült; dann wurden die Organe (Leber, Nieren, Herz, Milz, Knochen¬ 
mark, Lungen, Muskeln, Blutknochen, Epidermis) abgewogen; mit Quarz¬ 
sand zerrieben, in flachen Schalen ausgebreitet und möglichst rasch, zuerst 
im Faustschen Apparat bei 37°, dann im Exsiccator getrocknet und im 
letzteren auf bewahrt. 

Die weitere Behandlung erfolgte erst kurz vor dem jeweilig beabsich¬ 
tigten Versuch und bestand darin, daß das Organpulver 24 Stunden in 
der Kugelmühle fein zermahlen, dann mit 1 Liter Wasser aufgeschwemmt 
und 12 Stunden im Schüttelapparat geschüttelt wurde. Alsdann ließ ich 
absitzen, engte die überstehende Flüssigkeit bei 37° im Faustschen 
Apparat auf das beabsichtigte Volum ein, stellte die physiologische Koch¬ 
salzspannung her, inaktivierte ’/s Stunde bei 56°, versetzte mit 0*5 pro- 
zentigem Phenol, zentrifugierte und ließ es 14 Tage im Eisschrank nach¬ 
klären. 

Komplementbindungsversuche habe ich trotz dieser großen Vor¬ 
bereitungen nur mit Knochenmark-, Leber- und Epidermisextrakt je zweier 
12tägiger Immun- und eines Normaltieres angestellt, da das vollständig 
negative Resultat dieser kurzen Reihe von Versuchen zum Fortfahren 
durchaus nicht ermutigte. 

Es ist nach diesen letzten Versuchen nicht wahrscheinlich, daß freie 
Ambozeptoren in den untersuchten Organen in größerer Menge vorhanden 
waren. Ein sicherer Gegenbeweis gegen ein Vorhandensein derselben ist 

Zeitachr. f. Hygiene. LXIX 


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11 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



162 


WilheijM Hallwachs: 


jedoch,nicht erbracht, da sie ja durch die umständliche Präparation in 
Verlust geraten sein konnten. Ausschließen kann ich nur, daß ein solcher 
Verlust etwa durch 1 / a ständiges Erhitzen auf 56 0 eintrat, da ich Kontroll- 
versuche mit nicht erhitztem Extrakt angestellt habe, die genau ebenso 
verliefen. 

Die Ergebnisse meiner Untersuchungen sind demnach folgendermaßen 
zusammenzufassen: 

Bei Anwesenheit von Kälberlymphe als Antigen waren 
komplementbindende Stoffe in den Seris von kutan mitLapine 
geimpften Kaninchen in der Zeit vom 9. bis 14. Tage nach¬ 
weisbar. 

Vor dieser Zeit kreisten sie nicht im Blut, nach dieser 
Zeit waren sie wieder verschwunden. 

Bei wiederholt intraperitoneal geimpften Kaninchen waren 
am 7. und 12. Tag nach der letzten Injektion Bordet-Gengou- 
sche Körper nachzuweisen. Eine potenzierte Immunisierung 
durch öftere intraperitoneale Zufuhr selbst großer Mengen 
von virulenter Lapine war nicht möglich. 

Mit Extrakten aus Epidermis, Knochenmark und Leber 
konnte 12 Tage nach kutaner Impfung keine spezifische Kom¬ 
plementfixation erzielt werden. 

Sehen wir nun zu, wie die im vorstehenden niedergelegten Beobach¬ 
tungen mit den Angaben anderer Autoren im Einklang stehen. Ledig¬ 
lich Bermbach (a. a. 0.) hat, wie oben berichtet, Komplementbindungs¬ 
versuche mit Serum geimpfter Kaninchen gegen Kälberlymphe an¬ 
gestellt, uud zwar mit negativem Erfolg. Das Ergebnis Bermbachs 
widerspricht nun aber durchaus nicht meinen Feststellungen, denn die 
Versuche dieses Autors wurden mit Seren, die am 8., 16. und an späteren 
Tagen gewonnen waren, augestellt, während meine Versuche einen posi¬ 
tiven Ausschlag zwischen dem 9. und 14. Tage ergaben, also gerade in 
einem Zeitraum, in dem Bermbach nicht untersucht hatte. 

Diese geringe Dauer des Kreisens von spezifischen Ambozeptoren im 
Blut geimpfter Kaninchen hat nun aber doch etwas sehr Frappierendes. 
Dauert denn etwa die Immunität der Kaninchen auch nur wenige 
Tage? Da ist denn allerdings zu bemerken, daß die Immunität des 
Kaninchens, verglichen mit der uns geläufigen Anschauung der Immuni¬ 
tätsdauer beim Menschen, eine sehr kurz währende ist. Nach Calmette 
et Guerin 1 wird sie nach kutaner Impfung am 6. Tage erstmalig fest- 

1 Calmette et Guerin, Reclierches sur la vaceine experimentales. Annales 
de l’Institut Pasteur. 1901. p. 161. 


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KOMPLEMENTBINDUNG MIX SeRÜM LAPINISIERTER KaNIKCHEN. 163 


gestellt. Arndt 1 * 3 konstatierte sie am 8., 17., 18., 19. Tag, sowie nach 
5 Wochen. Süpfle* sah sie vom 7. Tag an bis zum 20. vollkommen. 
Kelsch, Camus und Tan non 8 gebeu die Dauer als sehr schwankend 
an; sie betrage 17 Tage bis 6 Monate, gewöhnlich aber nur 2 bis 3 
Monate. Rehns 4 dagegen berichtet, er habe eine völlige Immunität 
beim Kaninchen überhaupt nicht beobachtet, und Paschen 5 * endlich sah 
eine unvollständige Schutzwirkung der Horuhautimpfung beim Kanin¬ 
chen. Wie dem auch sei, eine zeitliche Übereinstimmung zwischen der 
Immunität oder Allergie des Kaninchens gegenüber zweitmaliger 
kutaner Impfung einerseits und dem Auftreten Bordetscher Körper im 
Blute andererseits kann durchaus nicht ersehen werden; es muß vielmehr 
anerkannt werden, daß in der Regel die kutane Immunität eher eintritt 
und länger anhält als die Anwesenheit jener Stoffe im Serum. 

Untersuchen wir nun dieselbe Frage, nämlich nach dem zeitlichen Über¬ 
einstimmen von Immunität und Vorkommen Bordetscher Körper auch bei 
anderen Spezies nach Vaccination, so sehen wir überraschenderweise mit 
Jobling (a. a. 0.) und Heller und Tomarkin (a. a. 0.), daß beim Rind, 
welches doch bine ausgesprochene Immunität besitzt, Ambozeptoren entweder 
überhaupt nicht oder doch nur in sehr geringer Menge angetroffen wurden, 
und wir sehen weiter, daß beim Menschen, dessen langdauernde und außer¬ 
ordentlich zuverlässige Immunität nach Vaccination uns so wohl bekannt 
ist. von Xylander (a. a. 0.) nur in einem Drittel zahlreicher Fälle geringe 
Autikörpermengen zwischen dem 10. und 16. Tag nach der Impfung 
mittelst der Komplementbindungsmethode nachgewiesen werden konnten. 

Nicht anders steht es bei Variola vera, deren Überstehen, wie wir 
wissen, zwar einen sehr langen, vielleicht meist lebenslänglichen Schutz 
verleiht, die aber dem Serum der Rekonvaleszenten nur ganz vorüber¬ 
gehend, nach Dahm (a. a. 0.) jedenfalls nur unter 3 Wochen laug, Ambo¬ 
zeptoren zuteil werden läßt. 

So sehr also unser Wissen über diese Punkte auch noch der Ergän¬ 
zung bedarf, dies scheint doch klar erwiesen zu sein, daß die im Blut 
bisher nachgewiesenen Bordetschen Ambozeptoren weder bei 
Variola noch bei Vaccine die hauptsächliche oder alleinige 
Ursache der Immunität sein können. 


1 Arndt, Studien zur Immunität und Morphologie bei Vaccine. CentvalUlatt 
für Bakteriologie. Orig. Bil. XLVII. 

* Süpt'le, Archiv für Hygiene. T3tl. LX.YIIL 

3 Kelsch, Camus et Tunnon, Determination de la durec de Pimmunitee 
vaccinale chez le lapin. Acad. de mtd. de Baris. 23. juillet 1907. 

4 Rehns, Campt. rend. de la soc. de BiuL 1902. p. 378. 

5 Paschen, Medizinaistat. Mitteil, des Kaiserl. Gesundheitsamtes. 1903. H. 1. 

11 * 


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164 


Wilhelm Hall wachs: 


Wir kommen zu einer zweiten Frage. Wie verhalten sich die von 
anderen und mir festgestellten Ambozeptoren zu dem zuerst von Stern* 
berg 1 * * sowie von Böclöre, Chambon und Mönard* studierten „anti¬ 
virulenten“ Vermögen des Serums geimpfter Tiere und des Menschen. 

Wie bekannt, wird diese antivirulente Eigenschaft dadurch nach¬ 
gewiesen, daß man einige Kubikzentimeter des zu untersuchenden Serums 
sowie gleiche oder abgestufte Mengen virulenter Vaccine im Reagensglas 
verschieden lange Zeit aufeinander einwirken läßt, und daß man dann mit 
dem Bodensatz Impfversuohe anstellt, die bei wirksamem Serum negativ 
ausfallen. 

Solche Versuche haben an dem uns zunächst interessierenden Kaninchen 
zuerst Böclöre, Chambon und Mönard (a. a. 0.) angestellt, sie berichten 
ebenso wie neuerdings v. Prowazek und Yamamoto* über unsichere 
Resultate. Supfle (a. a. 0.) dagegen sah am 10. Tag nach der Impfung 
kräftige virulicide Wirkung und Camus 4 konnte die vaccineneutrali¬ 
sierende Eigenschaft des Kaninchenserums zwischen dem 35. und 62. Tag 
nach der Impfung prompt nachweisen. Wenn wir demnach über den Be¬ 
ginn des Auftretens virulicider Körper im Kaninchenserum noch nicht 
hinreichend unterrichtet sind, so können wir doch aus dem Umstande, 
daß diese Körper viel länger im Serum nachweisbar sind, wie die Bordet- 
schen, schließen, daß eine Identität nicht besteht. 

Klarer liegen die Verhältnisse beim Rind. Hier steht die antivirulente 
Kraft des Serums in ganz auffallendem Gegensatz zu der Ausbildung seiner 
nach Bordet-Gengou komplementbindenden Eigenschaften. Während 
letztere sich bisher überhaupt nicht mit Sicherheit nachweisen ließen, 
ist erstere sehr prompt zu beobachten, und zwar nach Böclöre, Chambon 
und Mönard (a. a. 0.) zwischen dem 10. (meist 12.) und 50. Tag nach 
der Impfung. 

Beim Menschen ist das Verhalten des antivirulenten Vermögens 
des Serums ein außerordentlich schwankendes; es kann noch nach 25, ja 
nach 50 Jahren nach der Impfung vorhanden sein, es kann aber auch 
schon nach Monaten, Wochen oder Tagen fehlen oder auch überhaupt 
niemals auftreten (Bdclöre, Chambon und Mönard) (a. a. 0.), ebenso 
unsicher scheint aber auch nach Xylander (a. a. 0.) die Komplement- 
bindung beim Menschen einzutreten. 


1 Sternberg, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIX. 

* Bdclfcre, Chambon et Mdnard , Annales de VInstitut Pasteur. 1896 u. 1899. 

* v. Prowazek u. Yamamoto, Münchener med. Wochenschrift. 1909. 

4 Camus, Recherches sur l’immunitee vaccinale. Joum. d. Physiol. et d. Pathol. 
generale. Tom. X. p. 455. 


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IvOMPLEM ENTBINDUNG MIT SeBUM LAPINISIEBTEB KANINCHEN. 165 


Nach alledem ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen 
Bordetschen und „antivirulenteü“ Körpern im Serum nicht zu 
erweisen, noch weniger eine Identität. 

Sahen wir im vorhergehenden, daß einmal das Vorkommen komple¬ 
mentbindender Antikörper im Serum nicht in Parallele steht zur Immu¬ 
nität, auch nicht andererseits in zeitlichem Zusammenhang mit dem Be¬ 
stehen antivirulenter Kräfte des Serums, so bleibt als drittes noch zu 
erörtern, ob denn Immunität der Haut und antivirulentes Ver¬ 
halten des Serums ihrerseits zeitlich Zusammentreffen. Auch 
diese dritte Frage muß verneint werden, denn nach den schon 
oben erwähnten Daten tritt beim Menschen, ebensowohl wie beim Rinde 
und beim Kaninchen, die Hautimmunität (bzw. Allergie) früher in die 
Erscheinung und hält länger an als die vaccineneutralisierende Fähig¬ 
keit des Serums. Ja bei vielen Menschen besteht die erstere Eigenschaft, 
ohne daß letztere überhaupt je sich entwickelte. 

In jüngster Zeit endlich haben Halberstädter und v. Prowazek 1 
ihre Untersuchungen an Affen (Makaken) veröffentlicht. Auch bei diesen 
Tieren tritt die nur geringgradig und vorübergehend bestehende, erst vom 
13. Tag ab allmählich sich entwickelnde virusabschwächende Wirkung 
des Serums ganz in den Hintergrund gegenüber der ausgeprägten Haut¬ 
immunität. Nach allen uns bisher bekannten Tatsachen scheint demnach 
eine weitgehende Unabhängigkeit der Immunität bzw. Allergie der Haut 
von den Eigenschaften des Serums zu bestehen, derart weitgehend, daß 
man die ursächliche Rolle des Serums für die Hautimmunität wohl mit 
Recht in Frage ziehen darf. So hat denn auch v. Prowazek (a. a. 0.) 
und ihm folgend Süpfle (a. a. 0.) von einer „histogenen Immunität“ 
gesprochen. Während der erstgenannte Forscher nähere Erörterungen 
über das Wesen dieser histogenen Immunität nicht gab, spricht sich 
Süpfle zusammenfassend folgendermaßen aus: 1. Die lokale Insertion des 
Vaccineerregers hat nur eine lokale Manifestation und Reproduktion des 
Erregers zur Folge. 2. Von der Haftstelle aus bewirkt der Vaccine¬ 
erreger die Entstehung der Immunität. 3. Diese Immunität ist eine 
histogene und erstreckt sich auf diejenigen Epithellagen, welche mit der 
Stelle der Pustelbildung eine ernährungsphysiologische Einheit bilden. 

Ich muß gestehen, daß diese Sätze Süpfles mich zum großen Teil 
nicht überzeugen, und daß sie mir auf den springenden Punkt nicht 
einzugehen scheinen. 

Vergegenwärtigen wir uns einmal die wichtigste und eigentümlichste 


1 Halberstädter u. v. Prowazek, Experimentelle Untersuchungen über die 
Vaccine der Affen. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. XXXVII. S. 601. 


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166 


Wilhelm Hall wachs: 


Tatsache im ganzen Ablauf der uns bekannten Erscheinungen, so ist es 
doch die, daß nach kutaner Impfung zunächst zwar nur ein eigenartiger, 
deutlich in die Augen springender lokaler Prozeß sich abwickelt, daß danach 
aber, und zwar nach Ablauf einer ganz bestimmten Reihe von Tagen, 
eine uns unsichtbare Veränderung in der gesamten Hautdecke sich 
ereignet hat, und zwar an allen Stellen fast gleichzeitig, die sich uns nur 
dadurch kennzeichnet, daß eine zweite Impfung nicht mehr haftet. — 
Erwägen wir nun alle Möglichkeiten, nach denen diese Gesamthautimmu¬ 
nität zustande kommen könnte. 

Es könnte zuerst an der Impfstelle eine aktive Immunität eintreten; 
dieselbe könnte von da aus sich per continuitatem über die ganze 
Körperoberfläche verbreiten. Diese Möglichkeit ist wohl ausgeschlossen, denn 
abgesehen davon, daß wir über das Wie einer solchen Ausbreitung uns 
nur mehr oder weniger mystische Vorstellungen machen könnten, spricht 
auch die Tatsache dagegen, daß ja die Hautimmunität überall gleichzeitig 
eintritt. (Eine Ausnahme macht vielleicht nur die von derselben Körper¬ 
lymphe bespülte unmittelbare Umgebung der Insertionsstelle.) 

Wenn nun eine Ausbreitung der Ursache der Hautimmunität nicht 
per continuitatem erfolgt, so kann sie nur auf dem Blutwege sich bewerk¬ 
stelligen. Hierfür gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten. Es könnte 
erstlich Antikörperproduktion ausschließlich an der Impfstelle stattfinden; 
diese Antikörper würden vom Blut aufgenommen und an die gesamte Haut¬ 
decke abgegeben und da von der Epitelzelle quasi wieder verankert werden; 
dort blieben sie lange Zeit, ja jahrzehntelang wirksam, während das 
Serum meist von Antikörpern sehr bald wieder frei würde. Die Möglich¬ 
keit eines solchen Hergangs müssen wir stark bezweifeln, denn eine solche 
lange dauernde Immunität der Epithelzelle könnte nach allen unseren 
sonstigen Erfahrungen nur eine aktiv erworbene sein; für eine Umwand¬ 
lung abgestoßener freier Rezeptoren in verankerte fixe haben wir bisher 
keine Analogien. 

Ganz aus demselben Grunde müßte weiterhin die Annahme ab¬ 
gewiesen werden, die v. Pirquet (a. a. 0.) vertritt, nämlich daß von der 
Impfpustel aus das Virus (in lebendem oder abgetötetem Zustand) durch 
die Blutbahn nach besonderen Antikörper produzierenden, inneren Organen 
gebracht würde, die Antikörper aber von den Lymphdrüsen, Knochen¬ 
mark, Milz usw. aus wiederum auf dem Blutwege in die Hautdecke ge¬ 
langten. Auch hier ständen wir wieder vor der unhaltbaren Annahme, 
daß, lange nachdem das Serum seine Antikörper verloren, die Epithelzellen 
der Hautdecke diese, nachdem sie sie sozusagen passiv aus dem Serum 
überkommen haben, dauernd festhielten, ohne aktive Leistung. Noch ein 
Umstand spricht gegen die primäre Rolle der Serumantikörper. Diesen 


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Komplementbindung mit Serum lapinisierter Kaninchen. 167 


Umstand hat Süpfle 1 besonders hervorgehoben, nämlich die Tatsache, 
daß vollständige Hautimmunität eintritt, ehe noch die antivirulente Fähig¬ 
keit des Serums ihren Höhepunkt erreicht hat. 

Welche Möglichkeit aber verbleibt nun noch für die Propagierung 
der Hautimmunität? Meines Erachtens nur folgende: 

Von der Impfstelle aus gelangt das Virus abgetötet oder schon ab¬ 
gebaut bis auf seine als Antigen noch wirksamen Bestandteile auf dem 
Blutwege zu jeder ihm spezifisch verwandten Deckepithelzelle, wird elektiv 
von ihr angezogen, reagiert mit ihr in der Weise, daß es sie verändert, 
„allergisch“ macht, ihr „histogene Immunität“ verleiht, sie nach Ver¬ 
ankerung an präformierte Rezeptoren befähigt, diese Rezeptoren im Über¬ 
schuß zu bilden und auch abzustoßen. Die von den Deckepithelzellen ab¬ 
gestoßenen Rezeptoren fluten nun zurück ins Blut und durch den ganzen 
Körper, sind im Serum eine Zeitlang nachweisbar und geben durch 
Antigen-Antikörperreaktion mit Anlaß zur Bildung der Areola. 

Im weiteren Verlauf verhalten sich die Zellen des Gesamthautepithels 
verschieden, je nach Spezies und Individuum, sie kann jahrelang oder 
aber auch nur tagelang Rezeptoren abstoßen und dadurch dem Serum 
seine spezifischen Eigenschaften verleihen. Sie kann mit dieser Abstoßung 
sparsamer werden, ja sie ganz einstellen; das Serum verliert dann seine 
Spezifität. Die Zelle dagegen behält die Eigenschaft, auf den geringsten 
Reiz von neu an sie herantretendem Virus (baldige Revaccination) in 
kürzester Zeit mit Abstoßung von Rezeptoren zu antworten, welche das 
Virus a tempo unwirksam machen. Aber auch diese Fähigkeit der Zelle 
kann nach und nach erlahmen, d. h. die Zelle antwortet dem Virus der 
Revaccination nicht mehr sofort mit Bildung freier Rezeptoren in ge¬ 
nügender Anzahl, läßt ihm Zeit zur Vermehrung, ja geht vielleicht selbst 
zugrunde. Erst der Reiz der nun bis zu einem gewissen Grade an¬ 
gewachsenen Antigenmasse, die sowohl auf benachbarte Zellen als auch 
eventuell durch Vermittlung des Blutes auf das Gesamtepithel wirkt, ver¬ 
anlaßt beschleunigte Abstoßung massenhafter Rezeptoren und Vernichtung 
des Erregers unter Eintreten örtlicher Reaktion. 

Daß außer dem Haut- und Schleimhautepithel auch noch andere Ge¬ 
webe eine spezifische Verwandtschaft zum Vaccineerreger haben, wie es 
Hückel 2 für Bindegewebszellen der Hornhaut nach wies, indem er 
Guarnierische Körperchen in denselben feststellte, kann an der Auf¬ 
fassung der Hautimmunität als „histogener“ Immunität nichts ändern. 


1 Süpfle, Leitfaden der Vaccinationslehre. Wiesbaden 1910. 
* Hückel, Die Vaccinekörperchen. Jena 1898. 


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168 


Wilhelm Hallwachs: 


Ich konnte es mir nicht zur Aufgabe setzen, im Rahmen dieser Arbeit 
eine theoretische Besprechung aller klinischen Erscheinungen der Vaccine 
und Variola zu versuchen, doch möchte ich noch zwei Punkte erörtern. 

v. Pirquet (a. a. 0.) erklärt alle klinischen Erscheinungen durch 
Annahme zweier verschiedener Arten von Antikörpern, lytischer und anti- 
toxischer, die mehr oder weniger unabhängig voneinander auftreten. Ich 
möchte dagegen Süpfle 1 lieber zustimmen, der glaubt, daß zur Annahme 
antitoxischer Antikörper kein zwingender Grund vorliegt. Der Umstand, 
der v. Pirquet bestimmte, die zwei erwähnten verschiedenartigen Anti¬ 
körper zu supponieren, ist der, daß er sich nicht erklären konnte, wie 
einmal kurze Zeit nach der Erstvaccination eine kutane Revaccination gar 
keine sichtbare Reaktion erzielt, während andererseits eine Revaccination 
nach längerem Intervall eine mehr oder weniger lebhafte Reaktion (Aula 
und Areola) bei abgekürzter Inkubation ergebe; v. Pirquet meint, in 
dem ersten Fall seien beide Antikörper, der lytische sowohl wie der anti¬ 
toxische gleich prompt zur Stelle, während im zweiten Falle der anti- 
toxische Antikörper dem lytischen sozusagen nachhinke. Ich möchte nun 
folgende Erklärung an Stelle der eben erwähnten v. Pirquetschen Vor¬ 
schlägen: Es werden nur lytische Antikörper gebildet. In der ersten Zeit 
nach der Erstimpfung sind diese lytichen Körper (freie Rezeptoren) derart 
prompt zur Stelle, daß die wenigen in die verletzte Zelle eingedrungenen 
Keime sofort gelöst werden unter Bildung von Endotoxin (oder, wenn man 
will, „Anaphylatoxin“ nach Friedberger), aber in so geringer Menge, 
daß der zu einer lokalen entzündlichen Reaktion benötigte Schwellenwert 
nicht erreicht wird. Diese Annahme erscheint uns allerdings nur dann 
als berechtigt, wenn man die Hilfsannahme zuläßt, daß bei Anlegung 
des Impfschnittes stets nur sehr wenige Erreger in die verletzten Epithel¬ 
zellen hineingelangen und daß die Hauptmasse der nicht sofort in die 
Zelle gelangenden Erreger in der sich sehr bald bildenden Kruste unwirk¬ 
sam ausgeschaltet bleibt. 2 

Die bei späterer Revaccination auftretenden allergischen Erscheinungen 
(beschleunigte, eventuell verstärkte lokale Reaktion) lassen sich einmal da¬ 
durch erklären, daß nicht sofort freie Rezeptoren zur Stelle sind, das 
Virus sich also kurze Zeit vermehren kann, und daß weiterhin die Zelle 
sessile Rezeptoren in größerer Anzahl, vielleicht auch von stärkerer Avidität. 


1 Süpfle, Archiv für Hygiene. Bd. LXVIII. 

* Daß die Erreger ursprünglich nur in die traumatisch geöffneten Zellen ein¬ 
zudringen vermögen, dafür scheint mir auch der von Calmette und Guerin an¬ 
gegebene Versuch zu sprechen, wonach Keime, welche nach intravenöser Injektion 
in die Haut gelangten, nur daun eine Hautaffektion verursachen, wenn die Haut 
durch Epilieren oder Basieren lädiert wird. 


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Komplementbindung mit Sebum lapiniseebteb Kaninchen. 169 


als bei der Erstvaccination besitzt. Bei der nach kurzer Inkubation sehr 
lebhaft einsetzenden Abstoßung freier Rezeptoren, woran sich unter Um¬ 
ständen die ganze Hautdecke beteiligen mag (wenn nämlich auf dem Blut¬ 
wege Antigen in sie gelangte), wird nun eine mehr oder weniger erhebliche 
Menge Endotoxin (Anaphylatoxin) gebildet, so daß es zu mehr oder weniger 
bedeutender frühzeitiger Lokalreaktion kommt. 

Nobl 1 und Knöpfelmaeher 2 haben die klinischen Erscheinungen 
bei subkutaner Injektion von verdünnter Vaccine am Menschen näher 
studiert. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit (etwa 12 Tage) tritt hierbei 
ganz plötzlich eine lokale Reaktion auf, ein subkutanes Infiltrat und 
Rötung der Haut. Knöpfelmaeher (a. a. 0.) setzt diese Erscheinung in 
Parallele mit der Areabildung bei kutaner Impfung, eine Parallele, die 
sich auch auf das Auftreten einer Frühreaktion bei wiederholter Injektion 
erstreckt. Die Reaktion ist nach diesem Autor eine Folge von Anti¬ 
körperbildung. 

Auch für dieses Phänomen bei subkutaner Impfung möchte ich die 
Annahme einer vorzugsweise in der epithelialen Decke stattfindenden Anti¬ 
körperproduktion betonen. Das subkutan deponierte Virus bleibt mut¬ 
maßlich zum Teil an Ort und Stelle liegen und wird in fixe oder mobile 
Phagozyten aufgenommen; zum anderen Teil aber gelangt es auf dem 
Lymphblutwege in die Gesamthaut, gibt dort Anlaß zur Ausbildung der 
aktiven, histogenen Immunisierung sowie zur Abstoßung freier Rezeptoren, 
die als Antikörper auf dem Blutwege an die Depotstelle zurückgelangen 
und dort unter Endotoxin-(Anaphylatoxin-)bildung die beschriebene lokale 
Reaktion verursachen. 

Eine jede Erklärung der Vaccineimmunität muß heute noch eine mehr 
oder weniger gewaltsame und willkürliche sein, da unsere Kenntnis der 
offenbar sehr feinen und verwickelten Vorgänge, zumal mangels der Zücht¬ 
barkeit des Erregers, nur eine oberflächliche und lückenhafte ist. 

Auch der Willkürlichkeit der oben aufgestellten Deutungen bin ich 
mir wohl bewußt, glaube aber, daß um Aufstellen von Hypothesen nicht 
herumzukommen ist, wenn man neue Fragestellungen für weitere Forschung 
gewinnen will. 

Die vorstehenden theoretischen Erwägungen lassen sich folgendermaßen 
zusammenfassen: 

1. Eine Identität der „antivirulenten“ Körper des Serums 
mit Bordetschen Körpern hat sich nicht erweisen lassen. 

1 Nobl, Wiener klin. Wochenschrift. 1906. 

* Knöpfelmaeher, Zeitschrift für experimentelle Pathologie u. Therapie. 1907, 
sowie Münchener med. Wochenschrift. 1908. 


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170 Wilhelm Hallwachs: Komplementbindung usw. 

2. Die Hautimmunität ist im wesentlichen weder durch die 
Bordetschen noch durch die antivirulenten Körper des Serums 
bedingt, sie ist vielmehr nach dem Vorgang v. Prowazeks als 
histogene aufzufassen, aber in dem Sinne, daß die Gesamt¬ 
hautdecke eine aktive Immunisierung durchmacht. 

3. Es liegt bisher kein zwingender Grund zur Annahme 
verschiedenartiger lytischer und antitoxischer Antikörper im 
Sinne v. Pirquets vor. 


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[Aus dem hygienischen Institut in Bonn.] 


Die Absterbeordnung der Bakterien und ihre Bedeutung 
für Theorie und Praxis der Desinfektion. 

Von 

Prof. H. Reiohenbach. 


Es gibt in der belebten wie in der unbelebten Natur eine große An¬ 
zahl von gesetzmäßigen Vorgängen, die so verlaufen, daß der Zuwachs oder 
die Abnahme einer Größe in jedem Augenblick dieser Größe selbst propor¬ 
tional ist. Da die Größe in steter Änderung begriffen ist, ändert sich 
somit auch fortwährend der Zuwachs: wächst die Größe, so ist der Zu¬ 
wachs zuerst klein und nimmt zu in demselben Maße, wie die Größe wächst. 
Nimmt die Größe ab, so geht die Abnahme erst rasch, dann immer lang¬ 
samer vor sich, in demselben Maße, in dem sich die Größe selbst ver¬ 
mindert 

Von den verschiedenen Prozessen, die nach der eben geschilderten 
Gesetzmäßigkeit verlaufen, sind für unsere folgenden Betrachtungen die 
sogenannten monomolekulareu Reaktionen von besonderem Interesse. Das 
sind Reaktionen, bei denen nur eine Molekülgattung eine wesentliche 
Änderung ihrer Konzentration erfährt. Sie verlaufen also so, daß die 
Menge des neugebildeten Bestandteiles in jedem Moment proportional ist 
der Menge des noch vorhandenen ursprünglichen Körpers. Bekannte Bei¬ 
spiele dafür sind der Zerfall des Arsenwasserstoffes in Arsen und Wasser¬ 
stoff, die Inversion des Rohrzuckers unter dem Einfluß von Säure, der 
Zerfall der radioaktiven Substanzen, und viele andere. 

Um einen mathematischen Ausdruck für den Ablauf dieser Um¬ 
setzungen zu erhalten, machen wir folgende Überlegung: Nennen wir die 
zu Anfang des Versuches vorhandene Menge a und die nach der Zeit t 
bereits umgesetzte Menge x, so ist also noch die Menge a — x vorhanden. 


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172 


H. Reichenbach: 


In dem nun folgenden, unendlich kleinen Zeitraum dt wird die ebenfalls 
unendlich kleine Menge dx umgesetzt, die nach unserer Annahme propor¬ 
tional der vorhandenen Menge a — x ist. Es ist also dx — k [a — x) dt, 
worin k eine von der Art des Stoffes und den äußeren Umständen abhän¬ 
gige Konstante bedeutet, oder k- ( a —*)• 

Den Differentialquotienten pflegt man als Reaktionsgeschwindigkeit 

zu bezeichnen: diese Formel ist also der mathematische Ausdruck für 
unsere Annahme, daß der Zuwachs in der Zeiteinheit — eben die Reak¬ 
tionsgeschwindigkeit — proportional sei der noch vorhandenen Menge 
des Stoffes. 

Natürlich ist es nicht möglich, an Stelle der unendlich kleinen Größen 
dx und dt ohne weiteres endliche Werte zu setzen. Denn nur für unend¬ 
lich kleine Zeiträume ist die Annahme zulässig, daß der Umsetzuugspro- 
zeß mit gleichförmiger Geschwindigkeit verläuft: für jedes endliche t muß 
auch x einen endlichen Wert annehmen, und damit auch a — x, die vor¬ 
handene Menge, eine Änderung erfahren, die ihrerseits wieder zu einer 
Änderung der Reaktionsgeschwindigkeit führen muß. Es ist ja das Cha¬ 
rakteristische dieser Prozesse, daß die Reaktionsgeschwindigkeit in fort¬ 
währender Abnahme begriffen ist, eben weil sie der fortwährend abneh¬ 
menden Menge a—x proportional ist. 

Wir können also die obige Formel nicht benutzen, um k experimen¬ 
tell zu bestimmen und die Übereinstimmung etwa gefundener Werte von 
a—x mit dem Gesetze zu prüfen. Dazu müssen wir die Differential¬ 
gleichung integrieren. Wir erhalten dann 


1) 

l = 

i ° 1 

a — x' ic’ 

oder 



(2) 

k = 

1 . / a . 

t a— x 

oder 



(») 

a — x = 

a • . 


Wir können also, da a bekannt, und a — x, d. h. die noch vorhandene 
Menge, experimentell zu bestimmen ist, k ermitteln. Wenn die ange¬ 
nommene Gesetzmäßigkeit wirklich besteht, muß k für sämtliche Werte 
von t konstant sein, und es müssen die nach Gleichung 3 berechneten 
Werte von a—x mit den gefundenen übereinstimmen. Die Logarithmen 
der Formeln sind natürliche Logarithmen mit der Basis e\ wir können 
aber für die folgenden Betrachtungen, da es auf den absoluten Wert der 
Konstante hier nicht ankommt, uns ohne Schaden der gewöhnlichen Loga- 


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Die Absterbeordnüng der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 173 

rirhmen bedienen. Die Konstante wird dann 0*4343 mal zu groß, und 
statt der Zahl e haben wir 10 einzusetzen. Die Gleichung 3 geht danu 
über in a — x«a*10 -w . 

Es ist nun eine sehr merkwürdige Tatsache, daß diesem 
eben entwickelten Gesetze auch der Absterbevorgang bei Bak¬ 
terien entspricht. Wenn wir auf eine größere Anzahl von Bakterien 
oder Bakteriensporen irgend eine Schädlichkeit einwirken lassen, die zur 
Tötung der Bakterien führt, so sterben bekanntlich nicht alle Individuen 
zu gleicher Zeit ab. Die Verringerung der Zahl beginnt gewöhnlich sehr 
bald nach dem Einsetzen der schädigenden Einwirkung, aber die Zeit, die 
bis zur völligen Abtötung verläuft, kann das hundertfache und mehr be¬ 
tragen. Stellt man nun die Zahlen der Überlebenden zu verschiedenen 
Zeiten fest und prüft die erhaltenen Zahlen nach den Gleichungen 2 und 3, 
so zeigt sich, daß in den meisten Fällen der Wert von k eine gute Kon¬ 
stanz besitzt, und daß die berechneten Werte für die Überlebenden mit 
den gefundenen befriedigend übereinstimmen. Die Anzahl der absterben¬ 
den Individuen ist also in jedem Zeitmoment proportional der Anzahl der 
noch vorhandenen: es gilt hier dasselbe Gesetz, daß für die monomoleku¬ 
laren Reaktionen besteht. 

Die ersten genauen Angaben über die Absterbeordnung von Bak¬ 
terien verdanken wir Paul und Krönig 1 , die in ihrer bekannten 
Arbeit über die chemischen Grundlagen der Desinfektion eine ganze Reihe 
von zahlenmäßig verfolgten Desinfektionsversuchen an Milzbrandsporen 
mitteilen. Paul und Krönig selbst haben sich aber jeder Vermutung 
über die Gesetzmäßigkeit, nach der das Absterben stattfindet, enthalten, 
und nur in den an ihre Arbeit angeschlossenen mathematischen Betrach¬ 
tungen von Ikeda ist der Versuch gemacht worden, ein solches Gesetz 
aufzustellen. Die Übereinstimmung der Absterbeordnung mit dem Ver¬ 
lauf der monomolekularen Reaktionen ist aber auch von Ikeda nicht er¬ 
kannt worden. 

Es ist das große Verdienst von Madsen und Ny man 2 , zuerst auf 
diese Übereinstimmung aufmerksam gemacht zu haben. Madsen und 
Nyman haben die Zahlen von Paul und Krönig daraufhin berechnet 
und hier, wie in einer Anzahl eigener Versuche, eine sehr gute Überein¬ 
stimmung der beobachteten Werte für die Überlebenden mit den nach 
der Formel der monomolekularen Reaktionen berechneten gefunden. Später 


1 Th. Paul u. B. Krönig, Die chemischen Grundlagen der Lehre von der 

Giftwirkung und Desinfektion. Diese Zeitschrift . 1897. Bd. XXV. S. 1. 

2 Th. Madsen u. M. Xyman, Zur Theorie der Desinfektion. Ebenda. 1907. 
Bd. LVIL S. 388. 


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174 


H. Reichenbach: 


hat dann Harriette Chick 1 zunächst für die Einwirkung von flüssigen 
Desinfektionsmitteln auf Milzbrandsporen, und in einer weiteren Arbeit 2 3 4 5 
für die Abtötung verschiedener vegetativer Formen durch Hitze und 
flüssige Desinfektionsmittel, ebenfalls das Gesetz bestätigt gefunden. In 
mehreren neuen Arbeiten haben ferner Paul 8,4-6 und seine Mitarbeiter 
für die Einwirkung gasförmiger und flüssiger Desinfektionsmittel auf Sta¬ 
phylokokken, die an Granaten angetrocknet waren, dieselbe Gesetzmäßig¬ 
keit erwiesen. 

Für die theoretische und praktische Desinfektionslehre ist nun die 
Frage von größter Bedeutung, ob diese beiden Vorgänge, die sich, wie wir 
sahen, durch dieselbe mathematische Formel ausdrücken lassen, auch in 
ihrem Wesen identisch sind, oder ob es sich hier um eine rein 
äußere Übereinstimmung handelt. Zur Beantwortung dieser Frage 
müssen wir uns zunächst über die inneren Gründe klar werden, auf denen 
der Ablauf der chemischen Reaktionen einerseits und der Absterbevorgang 
bei Bakterien andererseits beruht. 

Als Beispiel für eine chemische monomolekulare Reaktion nehmen 
wir das bekannteste: die Zuckerinversion. Wird Rohrzucker in wässeriger 
Lösung mit einer Säure zusammengebracht, so wird er bekanntlich unter 
Wasseraufnahme in je ein Molekül Dextrose und Lävulose gespalten nach 
der Gleichuug: 

C 12 H 2 jjO u 4- H 2 0 = 2C 8 H 6 0 6 . 

Wir dürfen annehmen, daß diese Umsetzung in dem Maße erfolgt, wie 
Rohrzucker-Moleküle mit den katalytisch wirkenden Wasserstoffionen zu¬ 
sammen stoßen. Da das Wasser in reichlichem Überschuß vorhanden ist 
und die Säure nicht mit in die Reaktion eintritt, ändert sich praktisch 
nur die Konzentration des Rohrzuckers, und es ist ohne weiteres verständ¬ 
lich, daß die Zahl der Molekülzusammenstöße und damit die Menge des 
invertierten Zuckers in jedem Moment der Menge der vorhandenen Rohr¬ 
zuckermoleküle proportional ist. In demselben Maße, wie die Anzahl der 


1 Harriette Chick, An Investigation of the Laws of Disinfection. Journ. 
of Hygiene. Vol. VIII p. 92. 

* Dieselbe, The Process of Disinfection by Chemical agencies and hat water. 
Ebenda, 1910. Vol. X. p. 237. 

3 Th. Paul, Der chemische Reaktionsverlauf beim Absterben trockner Bakterien 
bei niederen Temperaturen. Biochemische Zeitschrift. 1909. Bd. XVIII. S. 1. 

4 Th. Paul, G. Birstein u. A. Keuß, Beitrag zur Kinetik des Absterbens 
der Bakterien in Sauerstoff verschiedener Konzentration und bei verschiedenen Tempe¬ 
raturen. j Ebenda. 1910. Bd. XXV. S. 367. 

5 Dieselben, Beiträge zur Kinetik der Giftwirkung von gelösten Stoffen. 
1. u. II. Ebenda. 1910. Bd. XXIX. S. 201. 


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Die Absterbeordnung der Bakterien c. ihre Bedeutung usw. 175 

Zuckermoleküle abnimmt, vermindert sich auch die Zahl ihrer Zusammen¬ 
stöße mit den Wasserstoöionen und damit die Menge des invertierten 
Zuckers. Und ganz ähnlich liegt die Sache, wenn die Umsetzung nicht 
nacht der Häufigkeit der Molekülzusammenstöße, sondern nach Maßgabe 
der Temperatur der Moleküle vor sich geht — wenn also immer nur die¬ 
jenigen der vorhandenen Moleküle reagieren, die sich auf der höchsten 
Temperatur befinden. Auch dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein 
Molekül diese Temperatur erreicht, der Anzahl der vorhandenen pro¬ 
portional. Das, worauf es ankommt, ist, daß dieMoleküle, rein nach 
den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit, nacheinander in den zur 
Umsetzung geeigneten Zustand geraten. 

Nun ist die Frage, ob auch bei der Einwirkung von Desinfektions¬ 
mitteln auf Bakterien etwas derartiges vor sich geht, ob auch da etwa die 
einzelnen Bakterien uach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit nachein¬ 
ander einen für die Einwirkung des Desinfektionsmittels disponierten Zustand 
annehmen. Man könnte auch hier allenfalls an die Zusammenstöße der Mole¬ 
külen des Desinfektionsmittels mit den Bakterien denken. Aber ich kann 
mir schwer vorstellen, daß bei dem enormen Unterschied, der noch in der 
Größenordnung zwischen den kleinsten Bakterien und den größten, für 
die Desinfektion in Betracht kommenden, Molekülen besteht, nicht jedes 
Bacterium den Molekülen des Desinfektionsmittels gegenüber sich in der 
gleichen Lage befinden sollte. Die Moleküle sind so klein gegenüber 
den Bakterien, und ihre Anzahl ist so sehr viel größer, daß zweifellos 
auch in sehr verdünnten Lösungen jedes Bacterium von der gleichen An¬ 
zahl von Molekülen umgeben und deshalb der Einwirkung des Desinfek¬ 
tionsmittels in gleichem Maße ausgesetzt ist. Und noch weniger kann natür¬ 
lich davon die Rede sein, daß die Bakterien nacheinander den zur Abtötung 
erforderlichen Temperaturzustand annehmen. Wenn die Bakterien 
also von gleicher Resistenz wären, so wäre nicht einzusehen, 
warum das eine früher absterben sollte als das andere. 

Ich kann mich deshalb auch nicht der Ansicht von Harriette (’hick 
anschließen, die sich in ihrer ersten Arbeit tatsächlich die beiden Vorgänge 
als analog vorzustellen scheint. Sie setzt Moleküle und Bakterien voll¬ 
kommen gleich und betont ausdrücklich, daß das Gesetz der monomolekularen 
Reaktionen auf den Desinfektionsvorgang nur dann angewendet werden 
könne, wenn alle Bakterien gleiche Resistenz besäßen. Nur für die Ab¬ 
weichungen von dem Gesetz nimmt sie die verschiedene Widerstands¬ 
fähigkeit der Bakterien in Anspruch. Wie sie sich aber im einzelnen 
den Mechanismus der Reaktion denkt, ob sie wirklich ein sukzessives Zu¬ 
sammenstößen der Bakterien mit den Molekülen des Desinfektionsmittels 
annimmt, oder ob sie sich vorstellt, daß au-> anderen, inneren Gründen 


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176 


H. Reichenbach: 


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die Bakterien allmählich, rein nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit, 
in einen für die Einwirkung des Desinfektionsmittels geeigneten Zustand 
geraten, darüber ist in dieser Arbeit keine Angabe gemacht. 

In ihrer zweiten Publikation präzisiert die Verfasserin ihre Ansichten 
etwas genauer. Danach sollen es die Eiweißmoleküle der einzelnen 
Bakterien sein, die nacheinander den zur Abtötung disponierten Zustand 
annehmen. Auf diese Ansicht werden wir gleich noch zurückkommen müssen. 

Von den übrigen Autoren haben Madsen und Ny man sich jeder 
Vermutung über den Grund des gesetzmäßigen Absterbens enthalten. Die 
verschiedene Resistenz der Bakterien erkennen sie aber, wenn auch in 
anderem Zusammenhänge, an. 

Paul und Krönig haben in ihrer ersten Arbeit als Grund für die 
verschieden lange Lebensdauer der Bakterien ausdrücklich die Differenzen 
in der Widerstandsfähigkeit angegeben. Sie sagen wörtlich: „Wie Geppert 
bereits nachwies, zeigen auch die einzelnen Sporenindividuen ein und der¬ 
selben Bakterienart bei ganz gleicher Bereitung ein ganz verschiedenes 
Verhalten in bezug auf ihre Resistenz. Es läßt sich dies leicht dadurch 
beweisen, daß wir auf eine größere Zahl von Sporen gleicher Bereitung 
ein Desinfektionsmittel ein wirken lassen. Wäre die Resistenz aller Indivi¬ 
duen die gleiche, so müßte die Keimfähigkeit sämtlicher Sporen gleich¬ 
zeitig aufgehoben werden.“ 

Nun hat aber P aul in einer späteren Arbeit 1 zunächst für das allmähliche 
Absterben angetrockneter Bakterien eine Erklärung gegeben, nach welcher 
sich die Absterbeordnung a priori theoretisch ableiten läßt, und hat dann 
in weiteren Mitteilungen 1 diese Erklärung auch auf die Einwirkung flüssiger 
Desinfektionsmittel übertragen. Paul argumentiert folgendermaßen: Das 
Absterben angetrockneter Bakterien kommt zustande durch die Einwirkung 
des Luftsauerstoffes; und diese Einwirkung ist proportional der Oberfläche 
der Bakterien. Die Zahl der absterbenden Individuen ist also in jedem 
Moment proportional der vorhandenen Oberfläche. In dem Maße nun, 
wie sich durch das allmähliche Absterben die Oberfläche vermindert, muß 
auch die Einwirkung des Sauerstoffes und damit die Absterbegeschwindig¬ 
keit abnehmen. Die Zahl der absterbenden Keime ist also in jedem 
Moment der Zahl der Überlebenden proportional. Damit wäre das Gesetz 
der monomolekularen Reaktionen theoretisch für das Absterben der Bak¬ 
terien abgeleitet. 

Es will mir aber scheinen, als wenn die ganze Deduktion auf einem 
Trugschlüsse beruhe. Denn es ist ja gar nicht zutreffend, daß die Ab¬ 
sterbegeschwindigkeit einer Bakterienmenge, d. h. die Zahl der 

1 Vgl. S. 174. Nr. 8. 

* Vgl. S. 174. Nr. 4 u. 5. 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 177 

in der Zeiteinheit absterbenden Individuen, von der Oberfläche, d. h. von 
der Summe der Oberfläche der einzelnen Individuen abhängig ist. Für 
das einzelne Bacterium ist die Sauerstoffaufnahme, und damit die Ab¬ 
sterbegeschwindigkeit, der Oberfläche proportional, und wenn sich durch 
das Absterben des Bacteriums die Oberfläche vermindern würde, so würde 
sich für den Absterbevorgang des einzelnen Bacteriums das 
Gesetz der monomolekularen Reaktionen ergeben. Der Verlust 
an Lebenskraft, wenn der Ausdruck erlaubt ist, oder vielleicht besser aus¬ 
gedrückt, die Anzahl der absterbenden Protoplasmamoleküle 
würde immer der gerade noch vorhandenen Lebenskraft bzw. 
der noch vorhandenen Anzahl der lebenden Protoplasmamole¬ 
küle proportional sein. Dieses allmähliche Erlöschen der Lebenskraft 
müßte aber, wenn eine Mehrheit von Bakterien vorhanden ist, bei jedem 
Individuum in gleicher Weise und bei allen gleichzeitig vor 
sich gehen. Der Trugschluß liegt nun meiner Meinung nach darin, 
daß diese für das einzelne Bacterium wenigstens logisch zu¬ 
lässige Überlegung auf eine Vielheit von Bakterien und auf die 
Summe ihrer Oberflächen übertragen wird, in der Weise, daß 
statt des allmählichen Absterbens des einzelnen Individuums 
eine allmähliche Abnahme der Gesamtzahl, proportional der 
noch vorhandenen lebenden Gesamtoberfläche, angenommen 
wird. 

Derselbe Einwand läßt sich natürlich auch gegen die von Harriette 
Chick gegebene Deutung erheben. Wenn wirklich die Eiweißmoleküle 
durch Änderung ihres Energiezustandes nacheinander desinfektionstüchtig 
— im passiven Sinne gedacht — werden sollten, so könnte das auch 
nur das allmähliche Absterben eines und desselben Bacteriums, 
aber nicht das nacheinander erfolgende Absterben verschie¬ 
dener Bakterien erklären. 

Außerdem würde, und darin hat H. Chick vollständig recht, jede 
solche theoretische Überlegung nur für den Fall gelten, daß alle Bakterien 
von gleicher Resistenz wären. Jeder einigermaßen erhebliche Unterschied 
in der Widerstandsfähigkeit der einzelnen Individuen muß natürlich solche 
rein mathematische Gesetzmäßigkeit störend beeinflussen. Die neue 
Theorie von Paul steht deshalb auch mit der früher von ihm in Gemein¬ 
schaft mit Krönig geäußerten Ansicht von der ungleichen Resistenz der 
Bakterien in Widerspruch. Das hat übrigens auch Paul neuerdings selbst 
anerkannt: er führt jetzt ebenso wie H. Chick nur die Störungen im ge¬ 
setzmäßigen Ablauf auf die ungleiche Resistenz der einzelnen Individuen 
zurück. 

Zeitschr. f. Hvgiene. LXIX 

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178 


H. Reichenbach: 


Unter der Voraussetzung also, daß sämtliche Individuen einer Bak¬ 
terienmenge gleiche Resistenz besitzen, läßt sich die Absterbeordnung 
nicht befriedigend erklären. Es bleibt demnach nichts anderes übrig, als 
diese Annahme fallen zu lassen und die ungleiche Lebensdauer der ein¬ 
zelnen Keime auf ihre verschiedene Widerstandsfähigkeit zurückzuführen. 
In ähnlichem Sinne haben sich Reichel 1 und Hewlett* geäußert. 

Ein absolut zwingender experimenteller Beweis für die Richtigkeit 
dieser Anschauung wird sich allerdings kaum erbringen lassen. Wir können 
sie aber immerhin sehr wahrscheinlich machen, wenn wir für die Ab¬ 
tötung der Bakterien ein Verfahren wählen, bei dem die Ver¬ 
hältnisse möglichst klar und übersichtlich liegen, und bei dem 
sicher sämtliche Bakterien der Einwirkung der Schädigung 
in demselben Maße ausgesetzt sind; wenn sich auch daun dieselbe 
Absterbekurve ergibt, wird sie kaum auf etwas anderes, als auf die un¬ 
gleiche Resistenz der Bakterien zurückgeführt werden können. 

Ich glaube, daß ein solches Verfahren die Erhitzung ist, und zwar 
die Erhitzung iu flüssigem Medium. Als diese Untersuchungen begonnen 
wurden, lagen einige Versuche über die Einwirkung der Hitze auf trockene 
Milzbrandsporen von Madsen und Ny man vor, bei denen der Absterbe¬ 
vorgang dem Gesetz der monomolekularen Reaktionen entspricht. Aber 
hier läßt sich immer noch ein Einwand erheben. Nach dem Vor¬ 
gänge von Paul und Krönig werden bekanntlich die Granaten nach der 
Eiuwirkung des Desinfektionsmittels eine Zeitlang geschüttelt, und dabei 
werden nicht etwa die sämtlichen an ihnen befindlichen Sporen, sondern 
nur ein bestimmter Bruchteil abgesprengt. Nun wäre es denkbar, daß 
durch die Einwirkung der trocknen Hitze die Größe dieses Bruchstückes 
eine Änderung erlitte, weil die Sporen fester an den Granaten hafteten. 
Wenn es nun auch im höchsten Grade unwahrscheinlich ist, daß diese 
Veränderung gerade in der Weise vor sich geht, daß sich daraus die ge¬ 
fundene Gesetzmäßigkeit ergeben sollte, so glaubte ich doch diese Fehler¬ 
quelle dadurch vermeiden zu sollen, daß ich von der Verwendung von 
Granaten und trockner Hitze absab, und die Sporen, im flüssigen Medium 
suspendiert, der hohen Temperatur aussetzte. Wenn man dann durch 
ständiges Rühren dafür sorgt, daß die Temperatur in allen Teilen der 
Suspension immer die gleiche ist, so befinden sich tatsächlich alle 
Sporen der schädigenden Einwirkung gegenüber iu der gleichen 
Lage, und es ist schlechterdings nicht einzusehen, warum von 


1 Reichel, Zur Theorie der Desinfektion. Biochemische Zeitschrift. 1909. 
Bd. XXII. SS. 149. 

* Hewlett, Disinfection and Disinfectants. The Lancet. 1909. 13. März. 


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Die Absterbeokdnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 179 

zwei Sporen gleicher Resistenz die eine der Einwirkung der 
Schädigung früher erliegen sollte als die andere. 

Die Verwendung von Suspensionen hat außerdem den großen Vorzug, 
daß sie technisch viel einfacher ist, als die Granaten-Methode. Auch 
bleibt die Tatsache, daß durch das Schütteln nur ein Bruchteil der Sporen 
abgesprengt wird, immer eine, wie ich gern anerkenne, durch Übung zu 
verringernde, aber doch nicht mit Sicherheit zu vermeidende Fehlerquelle. 
Ich glaube deshalb, daß für solche Versuche, wie die vorliegenden, bei 
denen es auf genaue Feststellung der Überlebenden besonders ankommt, 
die Verwendung von Suspensionen zweckmäßiger ist, als die Antrocknung 
an Granaten. Die Vorzüge der Granatenmethode für andere Zwecke, be¬ 
sonders für die Prüfung chemischer Desinfektionsmittel, wenn die voll¬ 
ständige Beseitigung des Desinfektionsmittels erforderlich ist, sollen damit 
nicht herabgesetzt werden. 

Versuchstechnik. 

In einzelnen war die Technik der Versuche folgende: Die Milzbrand¬ 
sporen wurden auf einem Agar folgender Zusammensetzung bei 36° ge¬ 


züchtet: 

Wasser.1000 

Agar. 25 

Liebigs Fleischextrakt. 4 

Pepton. 6 

Kochsalz. 20 


Neutralisiert wird mit Sodalösung bis zur eben merklichen Rötung von 
Phenolphtalein. Die Milzbrandbazillen wachsen auf diesem Agar recht 
üppig und die Sporeubildung ist außerordentlich reichlich. Auch andere 
Bakterien, die auf gewöhnlichem Agar schwer oder gar nicht zur Sporen¬ 
bildung zu bringen waren, zeigten auf diesem Nährboden prompte und 
üppige Sporenbildung. Von einer solchen, etwa 8 Tage alten Kultur 
wurde eine Viertelöse in 10 ccm Bouillon sorgfältig verrieben, durch ein 
mäßig dichtes Filter filtriert und von dem Filtrat 2 Tropfen in ein Becher¬ 
glas mit etwa 200 ccra Wasser gebracht, das schon vorher auf die Ver¬ 
suchstemperatur erwärmt war. Die Erwärmung geschah in einem Wasser¬ 
bad mit vorzüglicher automatischer Regulierung; das Becherglas befand 
sich bis zum oberen Rande im Wasser. Seine obere Öffnung war mit 
einem Blechdeckel verschlossen, durch den ein Thermometer hindurchge¬ 
führt war; das Thermometer wurde zugleich als Rührer benutzt. Von 
Zeit zu Zeit wurde auch der ganze Inhalt gründlich umgeschüttelt, aber 
ohne daß das Becherglas aus dem Wasserbad entfernt wurde. Bei den 

12 * 


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H. Reichenbach: 


späteren Versuchen wurde statt der Rührung mit der Hand ein durch 
eine kleine Wasserturbine getriebener Wittscher Rührer verwendet. Sofort 
nach dem Einbringen der Tropfen wurde die erste Probe entnommen und 
von da an die Einwirkungszeit gerechnet Dann wurden in bestimmten 
Zeiträumen 0*2 ccm herausgenommen, in Petrischalen gebracht und mit 
Gelatine vermischt. 

Die Gelatine habe ich aus verschiedenen Gründen dem Agar vorge¬ 
zogen. Einmal wegen der leichteren Verarbeitung: die Verflüssigung und 
Flüssighaltung ist viel einfacher wie beim Agar. Ferner sind die Platten 
viel leichter zu zählen — Kolonien zahlen über 5000, deren Zählung auf 
Gelatine keine Schwierigkeiten macht, bedecken die Agarplatte häufig mit 
einer gleichmäßigen Bakterienschicht, die sich nicht mehr sicher in einzelne 
Kolonien auflösen läßt. Für vegetative Formen ist die Gelatine auch 
deshalb unentbehrlich, weil die Temperatur des flüssigen Agars für viele 
Bakterien schon an der Schädigungsgrenze liegt. 

Der einzige Einwand, den man gegen die Benutzung der Gelatine 
erheben könnte, wäre der, daß bei der niedrigen Temperatur nicht alle 
noch lebenden Keime zum Auswachsen kommen. Dieser Einwand, der 
für manche Verhältnisse gelten mag, trifft aber für diese Untersuchungen 
nicht zu, da es hier nicht unbedingt auf optimale, sondern vor allem 
auf möglichst gleichmäßige Bedingungen ankommt. Der Begriff der 
Abtötung ist ja, wie auch Paul und Krönig mit Recht hervorheben, 
immer relativ: wir nennen abgetötet diejenige Zelle, die unter den ihr 
gebotenen, nach unserer Meinung optimalen Bedingungen nicht mehr 
weiter wächst. Wir wissen aber nie, ob nicht, wenn es gelänge, noch 
bessere Bedingungen zu schaffen, dieselbe Zelle sich noch als lebensfähig 
erweisen würde. 

Natürlich müssen bei Verwendung von Gelatine die Platten sehr viel 
längere Zeit beobachtet werden als bei Agar. Auch auf die richtige Reak¬ 
tion der Gelatine muß unbedingt geachtet werden; durch unpassende 
Reaktion kann die Sporenauskeimung schon bei normalen und noch mehr 
natürlich bei geschädigten Sporen vollständig verhindert werden. Als 
günstigste Reaktion für Milzbrandsporen erwies sich eine gegen Phenol- 
phtalein gerade neutrale Reaktion. 

Einige nähere Angaben möchte ich noch über die Art der Zählung 
machen, von deren Genauigkeit das Resultat der Untersuchung im wesent¬ 
lichen abhängt. Die Frage, ob man mit dem Mikroskop oder mit bloßem 
Auge zählen soll, ist nur zu entscheiden nach der Anzahl der auf der 
Platte vorhandenen Kolonien. Bis zu einer Anzahl von 400 bis 500 habe 
ich mit bloßem Auge gezählt, und zwar die ganze Platte. Wenn mehr 
als 500 Kolonien vorhanden waren, wurde das Mikroskop benutzt; von 


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Die Absterbeordnüng deb Bakterien ü. ihre Bedeutung usw. 181 

der unzweckmäßigen und anstrengenden Lupenzäblung habe ich ganz ab¬ 
gesehen. Statt deren benutzte ich bis zu Keimzahlen von etwa 3000 ein 
sehr schwaches Mikroskopobjektiv (Winkel 00, 54 mm Brennweite), dessen 
Gesichtsfelddurchmesser 9 mm betrug. Das Gesichtsfeld entsprach also 
gerade 7,00 der Plattenfläche, wenn die Platte einen Durchmesser von 
9 cm hatte. Bei höheren Keimzahlen wurden stärkere Vergrößerungen an¬ 
gewandt (Leitz 2, 26 mm Brennweite und Winkel 2, 19 mm Brennweite). Die 
Gesichtsfelddurchmesser betrugen dann 2-5, 3*5 und 4*5 mm . Durch ein 
in der Blendenebene des Okulars befindliches, mit Netzteilung versehenes 
Quadrat konnte außerdem, wenn es passend erschien, ein Bruchteil des 
Gesichtsfeldes abgegrenzt werden. Die Seitenlange des Quadrates ließ 
sich von 1 bis 4 mra variieren. 

Bei der Bestimmung der Gesichtsfeld große tut man am besten, die 
Tubuslänge so lange zu verändern, bis der Durchmesser bzw. die Seiten¬ 
lange des Quadrates eine möglichst runde Zahl darstellt, oder doch wenig¬ 
stens genau mit einem Teilstrich des Mikrometers zusammenfällt. Natür¬ 
lich muß die bei der Messung gewählte Tubuslänge nachher bei der 
Zählung peinlich genau eingehalten werden. Mir ist es nicht ganz ver¬ 
ständlich, wie MaxNeisser 1 zu der Ansicht kommt, daß die Tubuslänge 
keinen erheblichen Einfluß auf die Größe des Gesichtsfeldes habe. Für 
das von mir am meisten benutzte System (Leitz 2) ist in der folgenden 
kleinen Tabelle Durchmesser und Inhalt des Gesichtsfeldes für die ver¬ 
schiedenen Tubuslängen angegeben. 


Tabelle I. 


Tubuslänge 

mm 

Gesi 
| Durchmesser 

c h t s f e 1 d 

Inhalt 


mm 

qmm 

190 

2*87 

6-5 

180 

3*05 

7.3 

170 

3-25 

8*3 

100 

3-48 

9.5 

150 

3-72 

10*8 

142 

3-95 

12-2 


Der Inhalt des Gesichtsfeldes ist also bei eingeschobenem Tubus fast 
doppelt so groß wie bei ganz ausgezogenem, und eine Abweichung von der 
normalen Tubuslänge (160 mm ) um 1 cm macht nach oben einen Fehler 
von 12.6 Prozent und die gleiche Abweichung nach unten einen Fehler 
von 13*7 Prozent aus! 

1 M. Neisser, Die mikroskopische Plattenzählang and ihre spezielle Anwen¬ 
dung auf die Zählung von Wasserplatten. Diese Zeitschrift . Bd. XX. S. 119. 


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182 


H. Reichenbach: 


Bei der so zur Verfügung stehenden großen Auswahl in der Gesichts¬ 
feldgröße ließ es sich erreichen, daß die Zahl der im Gesichtsfeld und im 
Quadrat befindlichen Kolonien fast immer zwischen 5 und 30 betrug, 
wobei ein bequemes und genaues Zählen möglich ist. Die Anzahl der 
gezählten Gesichtsfelder betrug bei der schwächsten Vergrößerung etwa 
40, bei stärkeren Vergrößerungen wurden entsprechend mehr, bis zu 120 
gezählt. Da das größte zur Anwendung gekommene Gesichtsfeld etwa 
27 mal so groß war wie das kleinste, hätten, um denselben Bruchteil der 
Plattenfläche auszuzählen, noch sehr viel mehr Gesichtsfelder gezählt 
werden müssen. Das ist aber unnötig, weil bei dichteren Platten die Ver¬ 
teilung, auf dieselbe Flächeneinheit bezogen, natürlich sehr viel gleich¬ 
mäßiger ist als bei dünn bewachsenen. 

Auf die gleichmäßige Verteilung der Kolonien über die ganze Platte 
wurde besonderer Wert gelegt. Die Einsaat wurde mit möglichster Sorg¬ 
falt mit der Gelatine gemischt, Platten mit ebenem Boden ausgewählt 
und auf einem Nivelliergestell in genau horizontaler Lage zur Erstarrung 
gebracht. 

Die Auswahl der Gesichtsfelder zur Zählung geschah derart, daß die 
Platte systematisch in ganz bestimmter Weise Schritt für Schritt ver¬ 
schoben wurde, so daß die ganze Oberfläche gleichmäßig berücksichtigt 
werden konnte. Ich möchte dies Verfahren für richtiger halten, als wenn 
man planlos mit der Platte beliebig hin und her fährt und die Auswahl 
der zu zählenden Stellen rein dem Zufall überläßt. Dafür ist meines 
Erachtens der gezählte Bruchteil der Platte gewöhnlich zu klein. 

Gegen das geschilderte Zählungsverfahren könnte man noch den Ein¬ 
wand erheben, daß die Zählung mit dem Mikroskop und die mit dem 
bloßen Auge verschiedene Ergebnisse liefern, weil man mit dem Mikroskop 
noch Kolonien auffinuet, die mit unbewaffnetem Auge übersehen werden. 
Dieser Einwand, der für manche Verhältnisse durchaus berechtigt ist, trifft 
aber für diese Versuche nicht zu. Denn mit bloßem Auge wurden die 
Platten nicht vor Ablauf von 10 Tagen gezählt, und während dieser Zeit 
wachsen sämtliche überhaupt vorhandene Kolonien zu solcher Größe 
heran, daß sie bei einiger Aufmerksamkeit nicht übersehen werden können. 
Ich habe oft diese Platten nachträglich mit dem Mikroskop durchmustert 
und kaum jemals eine mit bloßem Auge übersehbare Kolonie entdecken 
können. Auch wurden Platten, deren Kolonienzahl an der Grenze zwischen 
mikroskropischer und makroskopischer Zählung stand, öfter auf beide 
Weisen gezählt, ohne daß sich erhebliche Unterschiede bemerkbar machten. 
Auch sonst wurde beim Übergang von einer Gesichtsfeldgröße auf die 
andere häufig dieselbe Platte auf beide Weise gezählt, wobei ebenfalls 
durchaus befriedigende Übereinstimmung erzielt wurde. 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 183 


Versuche. 

Zunächst wurde ein Versuch mit Sublimat angestellt, um zu konsta¬ 
tieren, daß auch für suspendierte Milzbraudsporen das Gesetz gültig sei, 
da es für Sublimat bislang nur bei angetrockneten Sporen nachgewiesen 
war. Durch Vorversuche wurde als günstigste Konzentration 1 j 2 Promille 
gefunden. Die Versuche selbst wurden folgendermaßen augestellt: In eine 
Beihe kleiner Bechergläser kamen 10 ccm Sublimatlösung, dazu, mit mög¬ 
lichster Sorgfalt abgemessen, Vio ccm e i Qer Sporenaufschwemmung, die 
etwa 2 bis 10 Millionen im Kubikzentimeter enthielt. In 1 ccm Sublimat¬ 
lösung waren also 20000 bis 100000 Sporen. Nach Ablauf der ge¬ 
wünschten Einwirkungszeit wurde das betreffende Glas mit 1 ccm einer 
Schwefelammoniumlösung versetzt, die im Kubikzentimeter das dreifache 
der zur Ausfällung des Sublimats nötigen Menge enthielt. Hierdurch 
wurde die Wirkung des Sublimats sofort aufgehoben. Nach Ablauf einer 
weiteren Minute wurden dann 0-2 ccm des Gemisches zu Gelatineplatten 
verarbeitet. Die auf den Nährboden mit übertragenen geringen Mengen 
von Quecksilbersulfid und Schwefelammonium stören bei dieser Konzen¬ 
tration in keiner Weise. Das Resultat eines solchen Versuches gibt die 
folgende Tabelle (siehe Tabelle II). 


Tabelle II. (Versuch 8.) 

Einwirkung von 1 /' a Promille HgCl 2 auf Milzbraudsporen. 


— 

ü 

- - - — 

_ — - ■— 

t 

gefunden ! 

berechnet 

k 

0 

4308 

— 

— 

1 

3392 

— 

— 

2 

3294 

3192 

0-0127 

5 

2670 

2559 

0-0260 

10 

1980 

1962 

0-026O 

15 

1455 

1448 

| 0-0262 

25 

857 

789 

0-0249 

32 

604 

515 

0-0242 

40 

282 

317 

0-0277 

50 

165 

172 

0-0266 

60 

59 

94 

0-0298 

80 

6 

27 

0-0348 

100 

0 

— 



Mittel: 0-0204 


In der ersten Spalte ist die Einwirkungszeit in Minuten angegeben, 
die zweite Spalte enthält die Zahlen der Kolonien auf der Platte, also 


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184 


H. Reichenbach: 


die Überlebenden in 0-2 ccm . In Spalte 4 ist die Konstante der Des¬ 
infektionsgeschwindigkeit aufgeführt, berechnet nach der Formel: 

log a — log ü 
t ’ 

wenn a die Anzahl bei Beginn des Versuches (t = 0) bedeutet. In Spalte 3 
sind die berechneten Werte für die Überlebenden zusammengestellt, wie 
sie sich nach der Formel ü = Num (log a — kt) ergeben. Für k ist dabei der 
Mittelwert 0-0264 eingesetzt worden. 

Da die Eigentümlichkeit der Rechnung es mit sich bringt, daß Ab¬ 
weichungen von der Gesetzmäßigkeit zu Anfang des Versuches stärker auf 
den Wert der Konstante und zu Ende des Versuches stärker auf den Wert 
für die Überlebenden einwirken, sind zur Beurteilung des Versuches beide 
Spalten zu berücksichtigen. 

Wie man sieht, ist die Übereinstimmung der Werte für k sowie die 
der gefundenen und berechneten Werte für ü zwischen der 5. und 60. 
Minute durchaus befriedigend. Der rasche Abfall in der 1. Minute ist 
wohl auf noch vorhandene vegetative Formen zurückzuführen, die natürlich 
dem Sublimat sehr rasch unterliegen. Der regelmäßige Desiufektions- 
vorgang setzt also erst mit Beginn der 2. Minute ein. Für .die Berech¬ 
nung sind deshalb die nach der 1. Minute Überlebenden als Ausgangs¬ 
punkt genommen, und die Einwirkungszeiten dementsprechend um eins 
vermindert. 

Ganz ähnlich verliefen nun die beiden folgenden Versuche, hei denen 
statt des Sublimats als Ahtötungsmittel die Hitze verwandt wurde. Die 
geeignete Temperatur (87°) wurde wieder in Versuchen ermittelt. Die 
Werte für die Konstante stimmen in dem ersten Versuch (Tabelle III) 

Tabelle III. 

Einwirkung von Hitze (87°) auf Milzbrandsporeu. 



gefunden 

1 berechnet 


0 

20 540 

— 

— 

1 

20 610 

18 690 

— 

2 

18 650 

17 000 

0-0209 

5 

12 580 

12810 

0-0426 

10 

9 680 

7 990 

0-0327 

15 

5 340 

i 4 9s0 

0-0390 

20 

2 680 

3 100 

0-0442 

30 

966 

1 210 

0-0442 

45 

175 

293 

0-0460 

63 

55 

54 

0-0408 

90 

7 

4 

0-0385 



Mittel: 

0-0410 


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Die Absteebeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 185 


vielleicht nicht ganz so gut überein wie in dem Sublimatversuch, und dement¬ 
sprechend sind auch die Abweichungen zwischen gefundenen und berechneten 
Werten etwas größer; aber sie sind keineswegs beträchtlicher, als sie auch 
von den übrigen Autoren gefunden worden sind, und lassen keinen Zweife 
an der Gesetzmäßigkeit aufkommen. Der zweite Versuch (Tabelle IV), 
bei dem die Einsaat wesentlich kleiner genommen wurde, stimmt dagegen 
ganz ausgezeichnet. Auf Einzelheiten in den Tabellen werde ich später 
noch zurückkommen. 


Tabelle IV. (Versuch 46.) 
Einwirkung von Hitze (87°) auf Milzbrandsporen. 


t 

gefunden 

berechnet 

Je 

0 

110 

_ ! 

— 

2 

92 

92 

0-0388 

5 

79 

71 

0-0288 

10 

52 

45 

0-0325 

15 

28 

29 

0-0396 

20 

20 

19 

0-0370 

25 

9 

12 

0-0403 

30 

3 

i 

8 

Mittel: 

0-0521 

0-0384 


Diese Versuche haben also das bestätigt, was sich auf Grund unserer 
Anschauungen Voraussagen ließ: es hat sich für die Abtötung durch Subli¬ 
mat und durch Hitze dieselbe Absterbekurve ergeben. Es erschien mir 
nun von besonderem Interesse, dieselben Versuche auch an anderen Sporen, 
über die bis jetzt noch keine Erfahrungen vorliegen, anzustellen. Ich 
habe deshalb eine ähnliche Versuchsreihe an einem zufällig als Verunreini¬ 
gung aufgefundenen Bacillus angestellt, der sich durch besonders rasche 
und ausgiebige Sporenbildung auszeichnet. Es ist ein ziemlich kleiner, 
schlanker, lebhaft beweglicher Bacillus, der sich mit keinem der bekannten 
Saprophyten identifizieren läßt. Auf Agar bildet er dünne Überzüge, die 
große Neigung haben, sich über die ganze Platte zu verbreiten. Die 
Gelatinekolonien sind dunkelgelb, etwas rauhrandig, vom 5. Tage ab be¬ 
ginnt er die Gelatine ganz langsam zu verflüssigen. 

Mit diesen Sporen habe ich zwei Sublimatversuche mit 1 und 1 / i Pro¬ 
mille und einen Hitzeversuch bei 91*5° angestellt, und zwar mit ganz 
anderem Resultate als beim Milzbrand. Weder in dem Sublimat- noch in 
dem Hitzeversuch entsprach die Absterbeordnung dem Gesetz der mono- 
molekularen Reaktionen. Der Wert für k nimmt im Laufe des Ver¬ 
suches andauernd zu, und zwar ist diese Zunahme, besonders in dem 


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186 


H. Reichenbach: 


langsam verlaufenen Versuch mit 1 / a Promille Sublimat, so stetig und 
regelmäßig, daß sie nicht auf Versuchsfehler zurückgeführt werden kann. 
Eine Berechnung der Überlebenden, die sich auf den Mittelwert von k 
gründet, ist bei diesen Versuchen nicht möglich, weil sich bei der In¬ 
konstanz von k kein Mittelwert ziehen läßt. Nur in Versuch 16 habe ich 
aus den vier ersten, einigermaßen konstanten Werten von k das Mittel 
genommen und damit die Werte für 15 und 20 Minuten berechnet, um 
die großen Abweichungen zu zeigen (siehe Tabelle V bis VII). 


Tabelle V. 

% 

Einwirkung von Sublimat (7* Promille) auf Sporen. 


i 

ü 

gefunden 

berechnet 

k 

i 

0 1 

15 610 | 

— 

— 

1 

13 810 

— 

— 

2 

13 480 1 

i 

0*0105 

5 

13 160 


1 0-00523 

10 

12 050 

— 

0-00658 

15 1 

10 550 

— 

0-00835 

20 

9 230 

i 

0-00922 

26 

6 510 

_ i 

i 

0*0131 

32 

4 110 

— 

0-0170 

40 

1020 

— 

0*0290 

50 

308 

— 

0-0337 

60 

72 

— 

0*0387 

75 

10 

— 

0-0424 

90 

4 

— 

0*0358 

120 

0 

— i 

1 - 


Tabelle VI. 

(Versuch 13.) 

Einwirkung von Sublimat (1 Promille) auf Sporen. 

< i 

Ü 

gefunden | 

berechnet 

1 

* 

% — ! 

15 620 P 

— 

1 _ ' " 

2 

14 850 

— 

0*0109 

5 

6 670 j 

— 

0-0739 

10 

3 140 

— 

0*0697 

15 

915 

— 

0*0822 

20 

115 

— 

0-107 

25 

38 

— 

0-105 

30 

5 

— 

0*116 

40 

0 



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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 187 


Tabelle VII. (Versuch 16.) 
Einwirkung von Hitze (91*5°) auf Sporen. 


t 


u 

Je 



gefunden 

berechnet 



0 

7765 

— 

— 


1 

6644 

— 

0-0677 


2 

5862 

— 

0-0611 

• Mittel: 0-0578 

5 1 

4394 

— 

0-0495 


10 

2293 

— 

0*0529 


15 

294 

1055 

0-0948 


20 

25 

542 

0-125 


25 

4 

— 

0« 131 


30 

1 

— 

0-130 


40 

0 

— 

— 



Aus diesen Versuchen geht also unzweifelhaft hervor, daß wir es nicht 
mit einem für alle Bakteriensporen gültigen Gesetz zu tun haben, und 
auch diese Feststellung läßt sich sehr schwer mit der Annahme eines 
physikalisch-chemischen Vorganges vereinigen. Es wäre gar nicht einzu¬ 
sehen, warum die eine Sporenart dem Gesetze folgen und die andere sich 
ganz anders verhalten sollte. Man könnte ja einwenden, daß in dem 
letzten Fall die Sporen von ungleicher Widerstandsfähigkeit seien, und 
daß dadurch der gesetzmäßige Ablauf des Absterbevorganges gestört worden 
wäre. Aber es ist schwer, sich vorzustellen, warum bei einer Bakterienart 
alle Sporen gleiche Resistenz besitzen und bei der anderen so große Diffe¬ 
renzen vorhanden sein sollen. Ungleiche Mengen der einzelnen 
Resistenzstufen lassen sich dagegen, wie wir später sehen werden, sehr 
wohl an nehmen. 

Wie verhalten sich nun vegetative Formen? Als diese Untersuchungen 
begonnen wurden, existierten über das Verhalten vegetativer Formen erst 
wenige Beobachtungen. Paul hatte über das freiwillige Absterben an¬ 
getrockneter Staphylokokken einige Beobachtungsreihen mitgeteilt, die 
ziemlich gut dem Gesetz der monomolekularen Reaktionen folgten. Außer 
diesen lagen nur einige Versuche von H. Chick über die Einwirkung 
von Phenol auf Paratyphusbazillen vor. In diesen zeigte sich ein deut¬ 
licher Einfluß des Alters auf den Verlauf der Absterbekurve. 
24stündige Bouillonkulturen gehorchen nicht dem Gesetz: der Wert für 
k ist nicht konstant, sondern nimmt mit dem Fortschreiten des Versuches 
ständig ab; das Absterben zieht sich über viel längere Zeit hin, als nach dem 
Anfang des Versuches zu erwarten wäre. Je jünger aber die verwandten 
Kulturen sind, desto mehr nähert sich die Absterbekurve dem Exponential- 
gesetz, um bei ganz jungen Kulturen recht gut mit ihm übereinzustimmen. 


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188 


H. Reichenbach: 


Die Erkläruug, welche die Verfasserin für dieses Verhalten gibt, ist 
von ihrem Standpunkte aus durchaus folgerichtig. Sie meint, daß die 
verschiedene Resistenz der einzelnen Individuen in den älteren Kulturen 
den gesetzmäßigen Absterbevorgang störe, daß dagegen in den jungen 
Kulturen, wo alle Individuen gleiche Widerstandsfähigkeit besäßen, die 
physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeit rein hervorträte. Wir werden 
später noch auf dieses Verhalten ungleichaltriger Kulturen zurückkommen 
müssen. In einer neueren Arbeit hat dann die Verfasserin ihre Versuche 
auch auf andere Bakterienarten ausgedehnt und hat, wie ich, auch die 
Hitze als Abtötungsmittel benutzt. Das Resultat dieser Versuche läßt 
sich dahin zusammenfassen, daß fast sämtliche untersuchten Bakterien¬ 
arten (Typhus, Bacterium coli und Pestbazillen), abgesehen von kleinen 
Abweichungen zu Anfang einiger Versuche, dem Exponentialgesetz folgten. 
Besonders bemerkenswert ist, daß auch der Paratyphusbacillus, 
und zwar auch in 24stündiger Bouillonkultur, der sich bei den 
Phenolversuchen abweichend verhalten hatte, der Hitze gegen¬ 
über, abgesehen vom ersten Anfang der Kurve, dieselbe Ge¬ 
setzmäßigkeit zeigte. Der einzige Mikroorganismus, bei dem größere 
Unregelmäßigkeiten auftraten, war der Staphylococcus pyogenes aureus. 
Aber auch hier betreffen sie nicht alle Versuchsreihen und sind außerdem 
so regellos und wenig gesetzmäßig, daß die Annahme irgend einer Störung 
des eigentlichen gesetzmäßigen Ablaufes gerechtfertigt erscheint. Möglich 
ist es, daß, wie die Verfasserin meint, die Neigung des Aureus, bei Be¬ 
rührung mit heißem Wasser zusammenzuklumpen, an den Unregelmäßig¬ 
keiten die Schuld trägt. 

Um mir ein eigenes Urteil zu bilden, habe ich einige Versuche an 
Paratyphus B angestellt, und zwar zunächst an Agarkulturen. Die Bak¬ 
terien wurden nicht, wie die Sporen, in Wasser, sondern, um jede Schädi¬ 
gung durch osmotische Vorgänge möglichst zu vermeiden, in Bouillon 
erhitzt. Die Widerstandsfähigkeit in Bouillon erwies sich, wie durch Vor¬ 
versuche festgestellt wurde, erheblich größer als in Wasser. Als geeignete 
Temperatur wurde 51 bis 52° gefunden. Es wurden zwei Versuche, einer 
mit einer 18 ständigen und einer mit einer 24 ständigen Agarkultur an¬ 
gestellt, die in Tabelle VIII und IX wiedergegeben sind. Bei beiden ist 
die Übereinstimmung mit dem Gesetze unzweifelhaft. Die Versuche mit 
Bouillonkulturen sollen in anderem Zusammenhänge mitgeteilt werden. 

Überblickt man nun die bisherigen fremden und eigenen Resultate, so 
kann man sagen, daß in der überwiegenden Mehrzahl der untersuchten 
Fälle der Absterbevorgang bei Bakterien mit guter Annäherung dem Ge¬ 
setz der monomolekularen Reaktionen folgt. Eine Ausnahme machen nur 
der von mir untersuchte Sporenbildner und teilweise der Staphylococcus 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 189 


Tabelle VIII. (Versuch 24.) 
Einwirkung von Hitze (51*5°) auf Paratyphus B 
(24stünd. Agarkultur). 



gefunden 

berechnet | 

tv 

0 

26 035 

— 

— 

1 

23 940 

23 700 

0-0364 

2 

20130 

21 580 

0-0558 

5 

15190 

16 280 

0-0468 

10 I 

9 470 

10180 

0-0439 

15 

6 270 

6 362 

0*0412 

20 

4 750 

3 980 

0-0370 

26-25 | 

3 020 

2210 

0-0394 

30 

2 380 

1 555 

0-0346 

40 

930 

604 

0-0362 

50 

429 

238 

0-0357 

60 

138 

93 

0-0379 

75 

30 

23 

0-0392 

90 

2 

5 

0-0457 

105 

0 

1 

— 



Mittel: 

0-0408 


Tabelle IX. (Versuch 22.) 
Einwirkung von Hitze (52°) auf Paratyphus B 
(18stönd. Agarkultur). 


t 

gefunden 1 

! 

berechnet 

k 

0 

16 1)00 

— 

— 

1-25 

14 650 

14 500 

0*0496 

4 

11 430 

10 350 

0-0424 

9 

4 600 

5 610 

0-0627 

15 

, 2 310 

2 690 

0-0576 

19 

15"0 ' 

1 650 

0-0543 

24 

970 

893 

0-0517 

29 

550 

484 

0-0513 

44 

129 

77 

0-0481 

54 

j 22 

23 

0-0535 

64 

2 

7 

0-0613 

76-5 

1 

1 

Mittel: 

0-0553 

0-0532 


aureus, sowie nach H. Chick 24ständige Bouillonkulturen von Para¬ 
typhus B unter der Einwirkung von Phenol. Von diesem letzten Beispiel 
abgesehen, ist aber die Art der Schädigung ohne Einfluß auf den Verlauf 
der Absterbekurve. Mag man trockne oder feuchte Hitze verwenden, mag 


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190 


H. Reichenbach: 


man Sublimat oder Phenol oder andere flüssige oder gasförmige Desinfek¬ 
tionsmittel auf angetrocknete oder suspendierte Bakterien einwirken lassen, 
mag man die Bakterien dem natürlichen Tode durch Austrocknen über¬ 
lassen oder sie dem Sonnenlichte ausselzen, immer gilt dasselbe Gesetz, 
immer ist die Anzahl der Absterbenden proportional der Anzahl der 
Überlebenden. Auch diese Tatsache, daß die Art der Schädigung 
so gar keine Rolle spielt, muß meines Erachtens zu dem 
Schlüsse führen, daß der Grund in den Bakterien oder Sporen 
selbst liegt, daß Verschiedenheiten in der Resistenz und nicht 
etwa Besonderheiten in der Art des Absterbevorganges die eigen¬ 
tümliche Absterbeordnung bedingen. 

Wir kommen also zu dem Schluß, daß in einer größeren Anzahl von 
Bakterien oder Bakteriensporen die einzelnen Individuen verschiedene 
Resistenz besitzen, und daß die Anzahl der in den einzelnen Resistenz¬ 
stufen vorhandenen Individuen so abgestuft ist, daß ihre Absterbeord¬ 
nung einem Exponentialgesetz folgt. Die Frage ist nun, ob wir für 
diese eigentümliche Anordnung eine Erklärung finden, oder uns doch 
wenigstens irgend eine Vorstellung von ihrem Zustandekommen machen 
können. 

Versuch einer Erklärung der Absterbeordnung. 

Es ist eine gute Regel, daß man, wenn es sich darum handelt, für 
einen scheinbar unerklärlichen Vorgang eine Erklärung zu suchen, zu¬ 
nächst erst einmal die Tatsächlichkeit des Vorgangs selbst anzweifeln, 
oder sich doch aufs allerbestimmteste von seiner Realität überzeugen soll. 
Ich muß gestehen, daß mir auch in diesem Falle zuerst Bedenken in 
dieser Hinsicht gekommen sind. Wenn man die zum Teil recht beträcht¬ 
lichen Abweichungen, die sich in manchen Versuchen zwischen beobach¬ 
teten und berechneten Werten ergeben, in Betracht zieht, so könnte man 
wirklich auf den Gedanken kommen, ob nicht die angenommene Gesetz¬ 
mäßigkeit nur eine scheinbare sei. Sind nicht vielleicht in Wirklichkeit 
die Zahlen rein zufällig und wird nicht etwa die Übereinstimmung mit 
dem Exponentialgesetz nur durch eine besonders günstige Art der Be¬ 
rechnung vorgetäuscht? Dieser Ansicht scheint Eijkmann*, 2 zuzuneigen, 
und es könnte wirklich so scheinen, als ob er recht hätte. Wenn man 
nämlich bei der Berechnung in andererWeise vorgeht, wenn man nicht 

1 C. Eijkmann, Die Überlebungskurve bei Abtötung (1er Bakterien durch 
Hitze. Biochemische Zeitschrift. 1008. Bd. XI. S. 12. 

* Derselbe, Investigation of tbe subject of disinfection. Komnklijke Akademie 
ran Wefenschappen te Amsterdam. Proceedings of the meeting of Saturday Febr. 27, 
1009. S. 668. 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 191 

die Überlebenden, sondern die in gleichen Zwischenräumen 
Absterbenden miteinander in Beziehung setzt, erhält man sehr 
viel größere Abweichungen. Würden die Zahlen genau mit der Expouen- 
tialformel stimmen, so müßten, wenn man die Proben in gleichen 
Zwischenräumen entnimmt, nicht nur die Überlebenden, sondern auch die 
in diesen Zwischenräumen Abgestorbenen, also die jeweiligen Differenzen 
der Überlebenden, eine geometrische Keihe bilden. Das ist nun in Wirk¬ 
lichkeit meistens nicht der Fall; es zeigen sich hier sehr große Abweichun¬ 
gen, ja nicht selten gehen die Zahlen so regellos durcheinander, daß von 
einer Gesetzmäßigkeit überhaupt nicht mehr die Rede ist. Als Beispiel 
gebe ich zwei Staphylokokken versuche von Paul 1 wieder, die in der ge¬ 
wöhnlichen Weise, nach den Überlebenden, berechnet, eine nicht gerade 
glänzende, aber durchaus annehmbare Übereinstimmung mit der Forme 
bieten. Berechnet man aber die in dem Zeitraum von 2 Tagen abgestor¬ 
benen Individuen, so erhält man folgende Zahlen: 


I. 

II. 

20 100 

10 700 

21300 

1 300 

15 800 

27 400 

6080 

19 000 

-1360 

1600 

4050 

6900 

1730 

5220 

— 630 

1980 


Wenn man bedenkt, daß die Werte der ersten Reihe im Verhältnis 
von 1 : 1*68, und die der zweiten im Verhältnis von 1 : 1*85 stehen 
sollten, so wird man kaum noch von einer befriedigenden Übereinstimmung 
sprechen können! Die Zahlen scheinen vollständig regellos zu sein, nicht 
einmal eine ständige, geschweige denn eine regelmäßige Abnahme ist vor¬ 
handen. Ich glaube nicht, daß jemand, dem nur diese Zahlen vorliegen, 
auf den Gedanken kommen würde, daß sie Glieder einer geometrischen 
Reihe sein sollten. 

So schlimm, wie in diesem Beispiel ist die Sache allerdings nicht 
immer, aber in allen Versuchen, die ich daraufhin geprüft habe, — meine 
eigenen nicht ausgenommen, — ist die Übereinstimmung der auf diese 
Weise berechneten Zahlen mit der Formel ganz erheblich schlechter, als 
wenn man die Überlebenden in Betracht zieht. 

1 Biochemische Zeitschrift. Bd. XVIII. S. 6. 


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192 


H. Keichexbach: 


Der Grund dafür liegt darin, daß wir es hier nicht mit den be¬ 
obachteten Zahlen selbst, sondern mit ihren Differenzen, also viel kleineren 
Werten, zu tun haben. Nun kommt allerdings auch bei den Fehlern die 
Differenz in Rechnung, aber hier nur dann, wenn die Fehler zweier auf¬ 
einander folgender Zahlen gleiches Vorzeichen haben. Wenn das nicht 
der Fall ist, wenn das Vorzeichen wechselt, so addieren sich 
natürlich die absoluten Beträge der Fehler, und da die Zahlen 
selbst als Differenzen erheblich kleiner sind als die ursprünglichen, kann 
der relative Fehler sehr stark wachsen. Ich glaube also, daß es bei 
den mannigfachen Fehlerquellen, denen diese Untersuchungen ausgesetzt 
sind, nicht richtig wäre, wenn man die Entscheidung von dem Ausfall 
dieser außerordentlich verschärften Probe abhängig machen wollte. Man 
wird mehr den Verlauf der Kurve im ganzen, als die einzelnen Werte ins 
Auge fassen müssen. 

Es könnten aber noch in einer anderen Richtung Zweifel auftauchen. 
Wie ich bereits vorher erwähnt habe, hat Ikeda aus den Versuchen von 
Paul und Krönig auf eine andere Gesetzmäßigkeit geschlossen. Ikeda 
meint, daß in diesen Versuchen die Absterbekurve sich mit ziemlicher 
Genauigkeit dem Ausdruck n '/*. t = A anpasse. Das würde also bedeuten, 
daß die Anzahl der Überlebenden umgekehrt proportional sei dem Quadrat 
der Einwirkungszeit. In den von Ikeda berechneten Versuchen scheint 
diese Formel tatsächlich ganz gut mit den Beobachtungen zu stimmen; 
die Werte von A sind leidlich konstant. In Wirklichkeit sind die Ab¬ 
weichungen aber größer, als sie scheinen, da bei der Berechnung der 
Überlebenden, die von Ikeda nicht vorgenommen worden ist, die Kon¬ 
stante im Quadrat auftritt. Jedenfalls ist kein Zweifel daran, und das 
geht auch aus den Berechnungen von Madsen und Ny man hervor, daß 
auch diese Versuche sich besser durch die Exponentialformel ausdrücken 
lassen. Meine eigenen Versuche und die von H. Chick weichen, soweit 
ich sie daraufhin berechnet habe, sehr stark von der Ikedaschen Formel 
ab. Wir haben also keinen Grund zugunsten dieser Formel von unseren 
bisherigen Vorstellungen abzugehen, zumal diese Anordnung zum mindesten 
ebenso unerklärlich wäre, wie die nach dem Exponentialgesetz. 

Es bleibt also die Notwendigkeit, nach einer Erklärung für diese An¬ 
ordnung zu suchen. Daß eine solche Erklärung tatsächlich notwendig 
ist, tritt noch deutlicher hervor, wenn wir uns klar machen, welchen 
Aufbau einer Bakterienmenge wir nach allgemeinen Erfahrungen er¬ 
warten dürfen. Wenn wir die verschiedenen Grade der Resistenz als 
Variation einer Eigenschaft auffassen, so läge es am nächsten, anzunehmen, 
daß die einzelnen Resistenzstufen in derselben Weise verteilt seien, wie 
wir es sonst bei der sogenannten fluktuierenden Variation organischer Ge- 


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Die Absterbeokdnung dee Bakterien u. ihr« Bedeutung usw. 193 

bilde kennen. Man sollte dann, wie auch Eijkmann durchaus zutreffend 
hervorhebt, erwarten, daß die Individuen mittlerer Resistenz am 
zahlreichsten seien, und daß sich an sie nach beiden Seiten 
mit abnehmender Häufigkeit Individuen von höherer und niedrigerer 
Widerstandsfähigkeit anschlössen. Den Typus der dann entstehenden 
Absterbekurve können wir uns am besten an einem Zahlenbeispiel vor 
Augen führen. Nehmen wir an, wir hätten 100000 Keime. Von diesen 
sollen 5000 eine derartige Widerstandsfähigkeit besitzen, daß sie in der 
1. Minute absterben, 10000 sollen während der 2. Minute zugrunde 
gehen, 20000 während der 3., 30000 während der 4., 20000 während 
der 5., 10000 während der 6. und 5000 wieder während der 7. Minute. 



Minuten 

Fig. 1. 

Dann haben wir also eine Sporenmenge, die so aufgebaut ist, daß sich 
um eine größere Anzahl von Individuen mittlerer Resistenz kleinere 
Mengen von größerer und geringerer Widerstandsfähigkeit gruppieren. 
Tragen wir nun die Überlebenden von Minute zu Minute graphisch auf, 
und nehmen wir an, daß zwischen den einzelnen Stufen ein stetiger 
Übergang vorhanden ist, so erhalten wir die obenstehende Kurve (Fig. 1) 
Sie ist zunächst konkav gegen die Abszissenachse: die Desinfektions¬ 
geschwindigkeit nimmt zu. Bei W liegt der Wendepunkt, von hier an 
nimmt die Desinfektionsgeschwindigkeit ab, die Kurve wird konvex gegen 
die Abszissenachse. Wir erhalten also ein ganz anderes Bild, als es uns die 
experimentell gefundene Exponentialkurve bietet. Diese ist ständig, konvex 
gegen die Abszissenachse, da ja die Desinfektionsgeschwindigkeit ständig 
im Abnehmen begriffen ist. Um auch dafür ein einfaches Zahlenbeispiel 

Zeitachr. f. Hygiene. LXIX 13 


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194 


H. Rbicjhenbach: 


zn geben, nehmen wir an, daB von den 100000 Keimen in der Minute 
immer ein Fünftel der jeweils vorhandenen abstirbt. Dann würden in 
der 1. Minute 20000, in der 2. 16000, in der 3. 12800, in der 4. 10240, 
in der 5. 8192 absterben usw. und die graphische Darstellung der Über¬ 
lebenden würde das Bild der Kurve in Fig. 2 geben. 



Noch stärker in die Augen fallen wird vielleicht der Unterschied, 
wenn wir nicht die Überlebenden, sondern die in der Minute Absterbenden 



selbst darstellen. Die schwarzen Rechtecke in den Figg. 3 und 4 ent¬ 
sprechen der Anzahl der in der Minute abgestorbenen Keime; wir sehen, 
wie im . ersten Falle die Flächen bis zu einem Maxi mum wachsen, um 
dann wieder abzunehmen, und wie im zweiten Falle ein ständiges Sinken 
der Anzahl erfolgt. 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 195 


Ich bin absichtlich auf diese Unterschiede etwas näher eingegangen, 
um mit aller Deutlichkeit zu konstatieren, daß der Absterbeprozeß, wie er 
wirklich ist, keineswegs dem entspricht, was man auf Grund der Wahr¬ 
scheinlichkeit erwarten sollte. Und diese Feststellung ist um so nötiger, 
als die in der Literatur über diese Frage geäußerten Ansichten nicht nur 
voneinander stark abweichen, sondern auch innere Widersprüche schwerster 
Art aufweisen, die den Beweis liefern, daß die Autoren nicht immer ganz 
klare Anschauungen über diese Fragen gehabt haben. Am deutlichsten 
tritt das in den Ausführungen von Hewlett 1 hervor. Hewlett meint 
merkwürdigerweise, daß die Exponentialkurve die wahrscheinlichste Form 
des Absterbevorgangs sei: in jeder Ansammlung von lebenden Individuen 
oder Zellen, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, in der die einzelnen 



Individuen verschiedene Resistenz besäßen, müsse der Absterbeprozeß so 
verlaufen, daß die Zahl der Absterbenden immer der Zahl der Lebenden 
proportional sei. 

Als experimentellen Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung 
* führt er einen Versuch über die Abtötung von Senfsamen durch Queck¬ 
silberchlorid an. Nun will ich gern zugeben, daß, wenn in diesem Ver¬ 
suche wirklich der Absterbevorgang nach der Formel der monomolekularen 
Reaktion verliefe, das für die Ansicht von Hewlett sprechen würde. Aber 
das ist gar nicht der Fall. Trägt man in dem von Hewlett mitgeteilten 
Versuche die Überlebenden graphisch auf, so ergibt sich eine Kurve von 
der Gestalt der Fig. 1, und zwar so typisch, daß ich nicht begreife, wie 
Hewlett diese Versuchsresultate in seinem Sinne deuten konnte. Gerade 
dieser Versuch mit dem Senfsamen beweist aufs schönste, daß der Ab¬ 
sterbevorgang hier ganz anders verläuft, wie bei Bakterien, und daß be¬ 
züglich der Resistenz von Senfsamen dieselben Gesetze gelten, wie wir 
sie für die Variation anderer organischer Gebilde kennen. 


1 A. a. O. S. 891. 

13* 


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196 


H. Reichenbach: 


Ebensowenig zutreffend, aber in entgegengesetztem Sinne, ist das 
zweite Beispiel, welches Hewlett anführt. Hewlett weist auch darauf 
hin, daß das Absterben einer Menschenmenge, wenigstens in den mittleren 
Lebensjahren, so vor sich gehe, daß in gleichen Zeiträumen immer ein 
bestimmter Bruchteil der Überlebenden abstirbt. Hier ist die Tatsache, 
wenigstens annähernd, richtig, aber der Vorgang ist in diesem Falle ein 
ganz anderer wie die Abtötung der Bakterien durch Desinfektionsmittel. 
Die Menschen sterben gar nicht nach Maßgabe ihrer Resistenz ab; es gibt 
doch nicht Menschen von 10, 15, 20 Jahren Resistenz, wie es Bakterien 
von 10, 15, 20 Minuten Widerstandsfähigkeit gibt. Maßgebend für das 
Absterben der Menschen ist ihr Zusammentreffen mit Schädlichkeiten im 
weitesten Sinne des Wortes, die den Charakter von Zufälligkeiten haben, 
und es ist ganz verständlich, daß solange diese Schädlichkeiten dieselbe 
Häufigkeit besitzen, die Zahl der Todesfälle der Zahl der lebenden Indi¬ 
viduen proportional ist, genau wie bei der Zuckerinversion die Zahl der 
Molekülzusammenstöße von der Zahl der vorhandenen Moleküle abhängt. 
Wollte Hewlett ein den Desinfektionsversuchen analoges Experi¬ 
ment mit Menschen anstellen, so mußte er eine große Anzahl 
von Menschen derselben allmählich wirkenden Schädlichkeit 
aussetzen: dann wären die Menschen nach Maßgabe ihrer Resistenz ab¬ 
gestorben, aber dann hätte sich auch keine Exponentialkurve, sondern 
dieselbe Absterbekurve ergeben, wie für den Senfsamen. Der Unterschied 
zwischen dem Senfsamenexperiment und dem natürlichen Absterben der 
Menschen liegt also, um es noch einmal hervorzuheben, darin, daß im 
ersten Falle Samen von sehr verschiedener Resistenz genau der¬ 
selben Schädlichkeit ausgesetzt werden, und deshalb nach Maßgabe 
ihrer Resistenz absterben, während es sich im zweiten Falle um Indi¬ 
viduen von verhältnismäßig geringen Resistenzunterschieden 
handelt, die sich aber unter ganz verschiedenen Bedingungen be¬ 
finden, so daß nur ein* Bruchteil von ihnen mit der tödlichen Schädlich¬ 
keit in Berührung kommt. Sie sterben also ab nicht nach Maßgabe ihrer 
Resistenz, sondern nach der Wahrscheinlichkeit, mit der sie von der 
Schädlichkeit betroffen werden, und diese Wahrscheinlichkeit ist unter 
sonst gleichen Umständen der Anzahl der Individuen proportional. 

Auch die Ausführungen von Ny mann und Madsen leiden an einem 
inneren Widerspruch. Nymann und Madsen sagen wörtlich: „Wie die 
roten Blutkörperchen können Milzbraudsporen als eine Sammlung von 
Einzelindividuen mit verschiedener Resistenz aufgefaßt werden. Doch 
wird der größte Teil eine gewisse mittlere Resistenz aufweisen, um welche 
die Resistenz der anderen Sporen sich gruppiert.“ 


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Die Abstebbeobdnung deb Baktebien u. ihbe Bedeutung usw. 197 

Die Autoren bedenken dabei aber nicht, daß sie gerade vorher selbst 
den Beweis geliefert haben, daß diese Ansicht nicht zutreffen kann. 
Wenn, wie sie selbst nachgewiesen haben, der Absterbevorgang wie eine 
monomolekulare Reaktion verläuft, also nach einem Exponentialgesetz, dann 
kann er nicht eine Kurve vom Typus der Fig. 1 ergeben. Der Exponential- 
vorgang hat eben zur Voraussetzung, daß die Individuen der niedrigsten 
Resistenzstufe am zahlreichsten vorhanden sind: der Aufbau kann also 
nicht zugleich auch so sein, daß die größte Anzahl der mittleren 
Resistenzstufe angehört. 

Im Gegensatz zu Madsen und Nyman hat aber Eijkmann seine 
Erwartung über den Aufbau der Bakterienmenge auch experimentell be¬ 
stätigt gefunden. Er hat tatsächlich, und zwar bei Versuchen über die 
Einwirkung von Hitze und von Phenol auf Suspensionen von Bacterium 
coli, häufig Absterbekurven mit einem deutlichen Wendepunkt erhalten. 
Der Wendepunkt liegt aber ausnahmslos nicht in der Mitte, sondern recht 
nah nach dem Anfang der Kurve zu, und von dem Wendepunkt an 
nähern sich die Kurven, soweit sich das nach ihrem Aussehen beurteilen 
läßt, sehr der Exponentialkurve. Man könnte also die Eijkmannschen 
Kurven als Exponentialkurven mit unregelmäßigem Anfang auffassen. 
Solche Störungen im Anfang des Versuches sind auch von H. Chick 
häufiger beobachtet worden, und auch in einem Teil unserer eigenen Ver¬ 
suche treten sie auf. Eijkmann möchte in dem fehlenden oder sehr 
langsamen Abfall zu Anfang des Versuches den Ausdruck für eine In¬ 
kubationsperiode des Absterbeprozesses sehen. Ich glaube, daß wir in den 
meisten Fällen mit der Deutung auskommen können, daß Keime von so 
geringer Resistenz, wie der Zeit der ersten Probeentnahme entspricht, in 
der betreffenden Bakterienmenge nicht vorhanden waren. Nach dieser 
Deutung muß der zu langsam abfallende Anfangsteil der Kurve jedes¬ 
mal auftreten, wenn wir nur die erste Probeentnahme früh genug machen. 
Die Tatsache, daß in den meisten "Versuchen bei der ersten Entnahme 
die Konstante etwas zu klein gefunden wird, spricht für diese Deutung. 

So gern ich also Eijkmann zugebe, daß sich seine Resultate wenigstens 
zum Teil, dem nähern, was man nach der Wahrscheinlichkeit erwarten 
sollte, bin ich doch der Meinung, daß diese nur an einer Bakterienart 
und nur an vegetativen Formen gewonnenen Ergebnisse sich nicht beliebig 
verallgemeinern lassen. Jedenfalls wird durch sie die Tatsache nicht aus 
der Welt geschafft, daß in einer ganzen Reihe von Fällen der Absterbe¬ 
vorgang wirklich nach einer Exponentialkurve verläuft: diese Fälle be¬ 
dürfen also nach wie vor der Erklärung. 


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198 


H. Reichenbach: 


Wenn man bedenkt, daß nicht nur das Absterben der Bakterien 
sondern auch ihr Aufbau nach einem Exponentialgesetz erfolgt, so ist es 
schwer, sich der Vorstellung zu entziehen, daß zwischen diesen beiden 
Tatsachen ein innerer Zusammenhang bestehe. Ich will versuchen, 
eine Möglichkeit zu zeigen, wie ein solcher Zusammenhang beschaffen 
sein könnte. 

Nehmen wir an, daß sich in einer Anzahl von a Bakterien alle In¬ 
dividuen, und zwar alle zu gleicher Zeit, teilen, so haben wir in der 
zweiten Generation 2a, in der dritten 2 2 a=4a, in der vierten 2 3 a=8a, usw., 
und wenn die Vermehrung bis zu Ende in dieser Weise fortschreitet, haben 
wir in der nten Generation 2 m-1 a Individuen. In einer solchen, auf diese 
Weise entstandenen Bakterienmenge wären also alle Keime gleich alt: 
etwaige Verschiedenheiten in der Resistenz ließen sich nicht auf Alters¬ 
verschiedenheiten zurückführen, und für einen exponentiellen Aufbau wäre 
keine Erklärung vorhanden. Nun ist es aber sehr unwahrscheinlich, daß 
der Teilungsvorgang tatsächlich bis zu Ende in dieser Weise vor sich 
gehen solle, sondern es ist anzunehmen, daß Störungen dieses mathema¬ 
tischen Ablaufes des Vermehrungsprozesses auftreten werden. Diese Stö¬ 
rungen werden zunächst darin bestehen, daß nicht alle Bakterien sich zur 
gleichen Zeit teilen, so daß besonders im späteren Verlauf des Prozesses 
dadurch Individuen von ungleichem Generationsalter vorhanden sein können. 
Eine Anordnung nach einem Exponentialgesetz läßt sich aber auch hier¬ 
durch nicht erklären. 

Ferner ist anzunehmen, daß überhaupt nicht alle Individuen wieder 
zur Teilung gelangen, sondern daß, wenigstens von einer gewissen 
Zeit an, ein Bruchteil ungeteilt Zurückbleiben oder bei Sporen 
bildenden Arten zur Sporulation gelangen wird. Dadurch wäre 
die Möglichkeit der Entstehung zahlreicher Altersstufen, und wenn wir 
aunehmen, daß die Widerstandsfähigkeit mit dem Alter im Zusammenhang 
stehe, auch zahlreicher Resistenzstufen gegeben. 

Eber die Anzahl der in den verschiedenen Altersstufen vorhandenen 
Individuen können wir uns folgende Vorstellung machen. Wir wollen 
zunächst annehmen, der zurückbleibende Bruchteil sei konstant und be¬ 
trage 1 fx der jeweils entstandenen Anzahl. Nehmen wir wieder an, wir 
hätten, wenn die unvollständige Teilung beginnt, a Bakterien 1 , und es 
bliebe immer Ijx also zuerst ajx ungeteilt zurück. Dann werden sich 

1 Es ist dabei natürlich gleichgültig, oh diese Bakterien von vornherein ein¬ 
gesät gewesen oder durch regelmäßige Teilung in der Kultur selbst entstanden sind, 
mit anderen Worten, ob das Zurückbleiben sofort oder erst nach einer gewissen An¬ 
zahl von Generationen beginnt. 


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DlE ÄB8TEBBE0BDNUNG DEB BaKTEBIEN U. IHBE BEDEUTUNG USW. 199 


teilen a — — = a ———, und in der zweiten Generation werden entstehen 
2a ^ x ~~ . Von dieser bleibt wieder 1/x, also 2 a zurück, es teilen 

sich 2 a ^~ 1 1 —, und in der folgenden Generation entstehen 4 a . Da- 
von bleiben wieder zurück 4es teilen sich 4a (x ~~^* usw. 

X X 


Wir erhalten also folgende Reihen: 

1. Für die Zurückbleibenden: 

a 0 x —1 . (x —1)* 0 (x— l) s 

—, 2 a- —_ , 4 a—. , 8 a—usw. 

2. Für die Geteilten: 

x— l 0 (x— n* . (x — i) 3 q (x—i) 4 

, 2 a_ 4 a-,-, 8a y usw. 


X * ' X 

3. Für die neu entstehenden: 

O X - 1 A X ~ 1 O fx— 1)* 

a , 2a- — , 4a , 8a - 


usw. 


Jedes Glied der Reihe 2 muß (x—l)mal so groß sein wie das ent¬ 
sprechende der Reihe 1, jedes Glied von 3 muß den doppelten Wert des 
vorhergehenden Gliedes der Reibe 2 besitzen, und die Summe zweier ent¬ 
sprechender Glieder der Reihen 1 und 2 müssen gleich dem entsprechen¬ 
den Glied der 3. Reihe sein. 

Dividieren wir nun immer ein Glied durch das vorhergehende, so er- 

halten wir für alle Reihen und für alle Glieder den Quotienten 2.—— 

Diesen Wert wollen wir von nun an als Vermehrungsfaktor v bezeichnen. 

Wir haben also geometrische Reihen, die nach Potenzen von 2. — fort- 

schreiten, und da die Werte der Reihe 1 der Anzahl der von den einzelnen 
Generationen ungeteilt Zurückbleibenden, bzw. Sporen entsprechen, so er¬ 
gibt sich, daß eine in der angenommenen Weise gewachsene 
Kultur so zusammengesetzt ist, daß die einzelnen Altersstufen 
eine geometrische Reihe bilden. W’enn wir dann ferner annehmen, 
daß die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Zellen in regelmäßiger Weise 
mit dem Generationsalter zunimmt, eine Annahme, für die sich theore¬ 
tische und experimentelle Gründe beibringen lassen, so wäre damit die 
Grundlage für die Erklärung der Absterbeordnung gegeben. 

Einzelne Punkte bedürfen aber noch einer besonderen Besprechung. 
Die bisherigen Überlegungen gelten zunächst nur für die in jeder 
Altersstufe vorhandenen Individuen, d. h. im Versuch für die An- 


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200 


H. Reichenbach: 


zahl der zwischen zwei Probeentnahmen abgestorbenen Keime. Nun 
sind es ja aber gerade die Überlebenden, d. h. die Summe sämt¬ 
licher jeweils noch vorhandener Altersstufen, die — immer 
Prüfungen in gleichen Zeitintervallen vorausgesetzt — die geometrische 
Reihe bilden. Es fragt sich also, ob in einer geometrischen Reihe, die 
nach Potenzen von v fortschreitet, der Quotient aus der Summe von n 
und von n + 1 Gliedern wieder = v ist. Das ist nun, wie sich leicht 
beweisen läßt, nicht der Fall; wohl aber können wir diese Bedingung er¬ 
füllen, wenn wir jede Summe um einen bestimmten konstanten Wert y 
vergrößern. Wie groß dieser Korrektionswert y ist, läßt sich leicht be¬ 
rechnen. 

Die Summe einer geometrischen Reihe von n + 1 Gliedern mit dem 
Vermehrungsfaktor v und dem Anfangsgliede b ist gleich - ’ 

und die von n Gliedern ist = - — ~ ^ • 

V — 1 

Vermehren wir nun diese beiden Werte um y, so muß ihr Quotient 
gleich v werden. Wir haben also die Gleichung: 

b(v n+1 - l) , 
r 1 ’■!» 


und daraus ergibt sich: y = ,, oder, da iu unserem Falle b = a und 

2(^-1) . , a 

v = — - L ist, y = — 0 • 

-i* t_ 9 


’ Das heißt also auf den praktischen Fall übertragen, daß, wenn wir 
auf eine Bakterienkultur von der angenommenen Zusammen¬ 
setzung eine Schädlichkeit einwirken lassen und in gleichen 
Zeitabständen die Anzahl der Überlebenden bestimmen, 


dann jede der gefundenen Zahlen um —^ vermehrt werden 
muß, damit sie zusammen eine geometrische Reihe bilden. 

Über die Größe des Fehlers —können wir uns am besten ein Urteil 

bilden, wenn wir uns den relativen Fehler, also den Quotienten aus Fehler 
und richtigem Wert, berechnen. Wir erhalten dann, wenn wir wieder der 
Bequemlichkeit wegen die Ausdrücke b und v eiuführen, für den relativen 
Fehler den Wert 

h 

(t--i)_ = l 

b (v n — 1) , h ~ r“ ’ 

v — 1 v — 1 


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Die Abstebbeobdnung deb Baktebien u. ihbe Bedeutung usw. 201 


also eine sehr einfache Beziehung: der relative Fehler ist bei einer 
Summe von n Gliedern gleich dem reziproken Werte der nten 
Potenz des Vermehrungsfaktors. Da v, wie wir gleich sehen werden, 
als eine Zahl zwischen 1 und 2 zu denken ist, kann der Fehler bei den 
ersten Gliedern, bzw. Generationen beträchtlich werden. Er nimmt aber 
mit der Zahl der Glieder rasch ab und wird sehr bald unmerklich. 

Die Werte von x können zwischen 1 und oo liegen, x = 1 bedeutet, 

daß “ = a ist, d. h. daß alle vorhandenen Individuen ungeteilt Zurück¬ 
bleiben, daß also eine Vermehrung überhaupt nicht stattfindet; der Ver¬ 
mehrungsfaktor wird 0. x = oo bedeutet, da = 0 ist, daß keine 

Keime ungeteilt Zurückbleiben; der Vermehrungsfaktor ist in diesem Falle 
*= 2. Für alle Werte von x zwischen 1 und oo muß also der Vermeh¬ 
rungsfaktor zwischen 0 und 2 liegen. Folgende kleine Tabelle gibt für 
einige Werte von x die zugehörigen Werte von v. 


X V 

oc .2 

1000 1-998 

100 .1-98 

'10 . 1-8 

5 .1-6 

4 .1-5 

3 .1-33 

2 . 1-0 

1-8 . 0-888 

1-5.0-666 

1-25 0-400 

1 .0 


Einer besonderen Betrachtung bedürfen noch die Fälle x = 2 und 
x < 2. Wenn x = 2 wird, d. h. wenn immer die Hälfte der neueut- 
standenen Individuen sich teilt, die andere Hälfte ungeteilt zurückbleibt, so 
wird v = 1, das bedeutet: alle Glieder der Reihe sind gleich, in jeder Gene¬ 
ration bleibt dieselbe Anzahl von Individuen zurück. Das Absterben einer 
solchen Kultur müßte also so vor sich gehen, daß in jedem Zeitabschnitt die¬ 
selbe Bakterienzahl abstirbt: die Absterbekurve wird eine gerade Linie. 

Wird x < 2, bleibt also mehr als die Hälfte der Individuen ungeteilt, 
so wird v ein echter Bruch. Dann wird jedes folgende Glied der Reihe 
kleiner als das vorhergehende, und die Reihe konvergiert. Wenn 
also in einer Bakterienkultur die Fortpflanzungsenergie, sei es 
durch Mangel an Nährstoffen, sei es durch hemmende Stoffwechselprodukte 


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202 


H. Reichenbach: 


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oder auf andere Weise, so weit herabgesetzt ist, daß sich weniger 
als dieHälfte der neu entstehendenlndividuen weiter teilt, so ist 
damit die Möglichkeit der Vermehrung mathematisch begrenzt; 

die Summe der Individuen kann dann höchstens den Wert , b erreichen. 

Es ist sehr gut denkbar, daß das Erlöschen der Vermehrung bei Bakte- 
rienkulturen und vielleicht auch bei anderen Zellgemeinschaften in dieser 
Weise vor sich geht. 


Tabelle X. 


1 

2 

Quotient 

3 

4 

5 

6 

Absterbende 

Überlebende 

Quotient 

Überlebende 

(korrigierter 

Wert) 

Quotient 

200 | 

— 

200 

— 

533*333 

— 

320 

1*6 

520 

2*6 

853*333 

1-6 

512 

1*6 

1032 

1*98 

1365*333 

1*6 

819*2 

1-6 

1851-2 

1-79 

2184-533 

1-6 

1310*72 

1*6 

3161*92 

1*71 

3495*253 

1*6 

2097*152 

1*6 

5259-072 

1-61 

| 5592*405 

1*6 


Es wird zweckmäßig sein, die bisherigen Auseinandersetzungen an 
einem konkreten Zahlenbeispiel zu erläutern, a, die Anzahl der vor¬ 
handenen Bakterien, sei 1000 und x = 5, d. h. es soll sich immer 1 / 6 der 
Neuentstandenen nicht weiter teilen, sondern ungeteilt Zurückbleiben. Der 
Vermehrungsfaktor v wird dann =1*6. Von der ersten Generation 

bleiben also zurück 10 c ° 0 =* 200, es teilen sich 800, es entstehen neu 1600, 

D 

davon bleiben wieder 1 / 5 zurück, also 320= 1*6.200, usw. Die Reihe 
für die Zurückbleibenden lautet also 200, 320, 512, usw. (s. Spalte 1 der 
Tabelle X). Das wären im Versuch die Absterbenden: für die Über¬ 
lebenden würde die Reihe lauten 200, 200 + 320, 200 + 320 + 512, 
(s. Spalte 3 der Tabelle). Diese Werte bilden, wie aus dem wechselnden 
Wert für den Quotienten (s. Spalte 4), so wie sie sind, keine geometrische 
Reihe. Damit sie zu einer solchen werden, muß der Korrektionswert 

--“-j- = “ = 333,333 zu jedem Gliede hinzugefügt werden (s. Spalte 5 

und 6). Jeder Wert für die Überlebenden ist also absolut um 333,33 
zu klein. Der relative Fehler läßt sich, wie wir gesehen haben, durch 

den Wert ~ oder in Prozenten des richtigen Wertes 10 n ° ausdrücken. Da- 

V V 

nach beträgt er in unserem Falle, für das erste Glied 62*5 Prozent, für 
das zweite 39*6 Prozent, für das fünfte 9*54 Prozent, für das zehnte 
0*91 Prozent und für das zwanzigste 0*0083 Prozent. Er ist also hei den 


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Die Abstebbeobdnüng deb Baktebiek u. ihbe Bedentung usw. 203 


ersten Generationen recht beträchtlich, nimmt aber sehr rasch ab, and 
wird bei den höheren Generationen unmerklioh. Für den Versuch würde 
das bedeuten, daß die Anzahl der Überlebenden gegen den Schluß rascher 
abnimmt, als man nach der Formel erwarten sollte, und das ist tatsächlich 
in vielen Versuchen der Fall. 


Aber noch in einem anderen Punkte weicht die nach unserer Voraus¬ 
setzung entstehende Reihe der ungeteilten Individuen von der geometrischen 
Reihe ab: das letzte Glied wird «mal zu groß. Wenn nämlich die 
Teilung n Generationen hindurch nach unserer Annahme vor sich ge¬ 
gangen ist, so sind in der nten Generation b • v H ~ l Individuen entstanden, 


und von diesen sollten bei der nächsten Teilung 




Zurückbleiben. 


Sistiert nun die Vermehrung, oder wird sie durch Abtötung der Kultur 
verhindert, so bleibt nicht nur der Bruchteil 1/x, sondern die ganze zuletzt 
entstandene Generation, also das x fache der regelmäßigen Menge zurück. 
Dieser Fehler wird um so größer, je größer x, d. h. je kleiner der un¬ 
geteilt zurückbleibende Bruchteil ist. Im Versuch müßte das dadurch 
zum Ausdruck kommen, daß die Absterbekurve zunächst zu steil abfiele, 
um dann erst in die richtige Exponentialkurve überzugehen. Das kommt, 
wie wir sehen werden, unter gewissen Bedingungen tatsächlich vor. 


Bei den bisherigen Betrachtungen sind wir von der Voraussetzung 
ausgegangen, daß der bei der Teilung zurückbleibende Bruchteil während 
der ganzen Wachstumszeit unverändert bleibe, daß also der Wert von x 
eine Konstante sei. Es ist zwar möglich, daß der Wachstumsvorgang 
so verläuft, ebenso wahrscheinlich aber ist es, daß die Vermehrungsenergie 
allmählich nachläßt, und daß dies sich darin äußert, daß der zurück¬ 
bleibende, an der Vermehrung nicht mehr teilnehmende Bruchteil von 
Generation zu Generation wächst, daß also der Wert von x ständig kleiner 
wird. Was wird nun in diesem Falle aus der Reihe für die Zurück¬ 
bleibenden? Sehr einfach liegt die Sache, wenn wir aunehmen, daß sich 
x in jeder Generation um 1 vermindere. Dann bleiben von der ersten 

Generation wie vorher a zurück, es teilen sich - —- - — , und es ent- 


2a(x-\) 

stehen neu - — 

X 

2a -, es teilen sich 

X 7 


Von diesen bleiben nun zurück - Ä - Jr —also 

x (a: — 1) 

2 (i (x 2) ... 4a (x — 2) , 

— -, es entstehen neu —-, und von 

r 1 r* 7 


1 4 a 

diesen bleibt wieder — „ also 

x — 2 x 

Zurückbleibeuden die Reihe: a , 

X ’ 


zurück, usw. Wir erhalten also für die 
~ a , 4a , usw., also eine einfache, 

X 7 X 1 7 1 


nach Potenzen von 2 scheinbar beliebig weit fortschreitende Reihe. In 




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204 


H. Reichenbach: 


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Wirklichkeit hört sie aber mit dem *ten Gliede auf, da das arte Glied 
für die Geteilten ^ = 0 ist. In einer auf diese Weise ent¬ 


standenen Kultur werden also die Zurückbleibenden eine vollkommene 
geometrische Reihe ohne irgendwelche Abweichung bilden. In Tabelle XI 
ist für a — 1000 und einen Anfangswert für x = 10 ein Zahlenbeispiel ge¬ 
geben, aus dem der Verlauf der Reihen deutlich wird. 


Tabelle XI. 


X 

J Vorhandene 

Zurückbleiben de 1 

Geteilte 

10 

1 1000 

100 

900 

9 

1800 

200 j 

1 600 

8 

3 200 

400 , 

2 800 

7 

5 600 

800 

4 800 

6 

9 600 

1600 

8 000 

5 

16 000 

8 200 

12 800 

4 

25 600 

6 400 

19 200 

3 

88 400 

12 800 

25 600 

2 

; 51200 

25 600 

25 600 

1 

51 200 

51200 

0 


Nun ist allerdings wohl nicht vorauszusetzen, daß die Abnahme 
von x immer gerade in dieser einfachsten Weise vor sich gehe. Man 
kann sich aber von der Schnelligkeit, mit der die Abnahme sich voll¬ 
zieht, eine vielleicht annähernd zutreffende Vorstellung machen, wenn 
man die Zahl von Generationen berücksichtigt, die eine vollentwickelte 
Kultur hinter sich hat. Das mögen etwa 33 sein. Wenn sich dann die 
Abnahme von x regelmäßig auf alle Generationen verteilt, haben wir in 
jeder Generation eine Abnahme von 3 Prozent des Anfangswertes, und 
wir erhalten für die Zurückbleibenden die Reihe: 

a 2a x— 1 . 4a (x — 1 ) (0-<)7x — 1) . 8a (x-1) (0*97x - l)(0.94x-l) 
x ’ x 0*97 x ’ x 0»97x— 0 - 94x ’ x 0*97x. 0*94x. 0*91 x 

16a . (x- 1 ) (0« 97x — 1) (0*94x— 1) (0-91 x — 1) 
x 0-97x . 0*94x. 0*91x . Ö-88x USW. 


Die Quotienten der einzelnen Glieder lauten dann: 

O (•>•-!). n /0.97x-_l\ 2 (0^4x-l\ 

0*97x ’ \ 0-94 x )' \ Ü*91x ) 


USW. 


Wie weit sich diese Quotienten dem Werte 2 nähern, hängt davon 
ab, wie nahe die Werte in den Klammern der Einheit kommen, und das 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 205 


ist wieder abhängig von dem Anfangswert von x. Setzen wir x = 88 — 
genauer 33*33 .. . —, so haben wir den vorhin erörterten Fall, daß x 
regelmäßig um 1 abnimmt: dann werden alle Eiammerwerte = 1, und 
der Vermehrungsfaktor = 2. Wird x größer als 33, so werden die Quo¬ 
tienten größer als 2, und nehmen fortwährend langsam zu. Wird 
der Anfangswert kleiner als 33, so bleiben die Quotienten etwas hinter 2 
zurück und sind in fortwährender Abnahme begriffen. Die Abweichungen 
der Quotienten voneinander sind aber nicht sehr groß, solange sich der 
Anfangswert für x nicht allzuweit von 33 entfernt; nur in den letzten 
Gliedern werden die Abweichungen beträchtlicher. Beispielsweise lauten 
für x = 100 die ersten 5 Quotienten: 


9 9 96 

*97’ J '94’ 


und die 5 letzten: 


15 

'Ts 1 


12 
' io 


2. 93 

2* 90 , 

2* 87 , 

91 ’ 

88’ 

85’ 

9 9 
2 '1 ’ 

9 6 

2 * 4 , 

2* 3 
* l * 


Die Zahlenwerte lauten: 2*041, 2*043, 2,044, 2*045, 2*047 und 
2.308, 2*400, 2*571, 3*000, 6*000. 


Für x =» 20 sind die 5 ersten Quotienten: 


9 1 » 9 18*4 

“ * 19*4 ’ “ ’ 18-8 ’ 

9 17*8 9 17*2 

“" 18*2 ’ 17*6 ’ 

9 18*6 
*" 17*0 ’ 

und die 5 letzten: 



9 2*8 9 2*2 
^* 3 * 2 ’ ^* 2*6 ’ 

2* 1,(5 2* 10 
^ 2*0’ * 1 * 4 ’ 

9 0*4 
^ 0*8 ’ 

und die Zahlenwerte dieser Reihen: 


1*958; 1*957; 

1*956; 1*954; 

1*953 

und 1*750; 1.692; 

1*600; 1.42J; 

1*000. 


Stärkere Abweichungen von der geometrischen Reihe treten also erst 
ganz am Ende auf, und zwar können diese Abweichungen, je nachdem 
der Anfangswert von x größer oder kleiner war als 33, sowohl in einem 
zu raschen, wie einem zu langsamen Anwachsen der letzten Glieder be¬ 
stehen. Für unsern Versuch würde das bedeuten, daß im ersten Falle 
die zuletzt entstandenen Generationen, also die Keime geringster Resistenz, 
zahlreicher vorhanden sind, als der Formel entspricht, daß also der An¬ 
fangsteil der Kurve zu steil verläuft, und im zweiten Falle würde um¬ 
gekehrt diese Generation in zu geringer Anzahl vorhanden sein: die Kurve 
würde zuerst zu langsam abfallen. Beides kommt, wie wir gesehen 
haben, tatsächlich vor. 


I 


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206 


H, Reiohenbach: 


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Natürlich brauchen aber diese letzten Glieder in Wirklichkeit nicht 
in jedem Falle vorhanden zu sein: es ist ebensogut möglich, daß die 
Entwicklung früher aufhört, ehe x = 1 geworden ist. Je früher die Ent¬ 
wicklung aufhört, desto geringer wird die Abweichung von der geometri¬ 
schen Reihe sein, nur die letzte Generation muß dann soviel mal zu groß 
werden wie der, der nächsten nicht mehr erreichten Generation zu¬ 
kommende Wert von x beträgt. Auch das bedeutet ein zu steil ab¬ 
fallendes Anfangsstück der Kurve. 

Fassen wir die letzten Ausführungen kurz zusammen, so ergibt sich 
also, daß unter ziemlich einfachen und, wie ich glaube, durchaus im Be¬ 
reich der Möglichkeit liegenden Annahmen für das Wachstum einer 
Bakterienkultur, sich sämtliche beobachteten Formen der Absterbekurve 
erklären lassen. Natürlich soll damit nicht gesagt sein, daß das Wachstum 
nun gerade so vor sich gehen müsse, und daß insonderheit die Ab¬ 
nahme von x sich immer einfach linear vollziehe. Es ist sogar in vieler 
Beziehung wahrscheinlicher, daß diese Abnahme ungleichförmig, wenn 
auch stetig, verlaufe. Aber auch unter dieser Voraussetzung können, 
wie sich aus der Durchrechnung verschiedener Möglichkeiten ergibt, 
Reihen entstehen, die, abgesehen von stärkeren Abweichungen am Anfang 
und am Ende, innerhalb der Versuchsfehler mit geometrischen Reihen 
zusammenfallen. Natürlich muß das nicht in jedem Falle so sein, — das 
Verhalten des von mir beobachteten Sporenbildners spricht schon da¬ 
gegen, — es kommt hier aber ja nicht darauf an, zu zeigen, daß 
unter allen erdenklichen Annahmen für das Wachstum einer 
Bakterienkultur eine geometrische Reihe entstehen muß, 
sondern daß sie unter ganz plausiblen Annahmen überhaupt 
entstehen kann. 

Versuche zur experimentellen Prüfung der Theorie. 

Eine experimentelle Prüfung der eben entwickelten Anschauungen ist 
natürlich außerordentlich schwierig, weil wir über die inneren Vorgänge 
beim Aufbau einer Bakterienkultur so gut wie gar nichts wissen und auch 
sehr schwer etwas erfahren können. In ein paar Arbeiten, zuerst von 
Büchner und seinen Mitarbeitern 1 dann von Müller 2 , Hehewerth® 
und anderen, ist der Versuch gemacht worden, die Generationsdauer der 
Bakterien zu berechnen. Die Autoren sind sämtlich nach dem Vorgang 
von Büchner so verfahren, daß sie die Anzahl der Generationen n, die 


1 Büchner, Longard u. Riedl in, Centralblatt f. Bakteriologie. Bd. II. S. 1. 
1 Müller, Diese Zeitschrift. Bd. XX. 

* Hehewerth, Archiv f. Hygiene. Bd. XXXIX.S. 321. 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung usw. 207 

zwischen der Anfangszahl a und der nach einer bestimmten Zeit be¬ 
obachteten Anzahl l liegen nach der Formel b = a- 2", oder logarithmisch: 

n == log ^~i° g — berechnet, und dann, indem sie die Versuchszeit durch 
log 2 7 

n dividierten, die „Generationsdauer“ gefunden haben. 

Aber bei dieser Art der Berechnung ist die Voraussetzung gemacht, 
daß die Vermehrung streng nach Potenzen von 2 vor sich gehe, mit 
anderen Worten, daß sich sämtliche neu entstandenen Bakterien ohne 
Ausnahme weiter teilen. Unter „Generationsdauer“ ist hier also, streng 
genommen, nicht die Zeit verstanden, die zum Entstehen einer neuen 
Generation, d. h. von einer Teilung bis zur andern, nötig ist, sondern die 
Zeit, in der sich die gerade vorhandene Bakterienmenge verdoppelt. Diese 
Begriffe sind natürlich nur dann identisch, wenn sich alle Bakterien 
weiter teilen, sie sind es nicht, wenn ein Bruchteil ungeteilt zurück¬ 
bleibt. Wenn also im Laufe des Versuches die „Generations¬ 
dauer“ wächst, so kann das bedeuten, daß wirklich ein größerer 
Zeitraum von einer Teilung bis zur anderen verstrichen ist, 
es kann aber auch darauf beruhen, daß bei gleicher oder wenig 
geänderter Teilungszeit der Bruchteil der nicht geteilten 
größer geworden ist. Welche von beiden Möglichkeiten vorliegt, also 
gerade die Frage, auf deren Beantwortung es uns am allermeisten an¬ 
kommt, läßt sich durch solche Versuche nicht entscheiden. 

Trotzdem ist die Untersuchung der Vermehrungsvorgänge nicht ohne 
Interesse für unser Problem. Denn nach unserer theoretischen Auf¬ 
fassung ist anzunehmen, daß die Absterbekurve verschieden verlaufen wird, 
je nach dem Entwicklungsstadium, in welchem sich die Kultur befindet. 
Es ist zu erwarten, daß eine in voller Vermehrung befindliche Kultur, in 
welcher der zurückbleibende Bruchteil noch als klein anzunehmen ist, 
sich anders verhalten wird, wie eine, deren Wachstum bereits abgeschlossen 
ist Die Untersuchung richtig ausgewählter Kulturen verschiedenen Alters 
kann uns deshalb bis zu einem gewissen Grade zur Probe auf die An¬ 
nehmbarkeit unserer Theorie dienen. 

Ich habe deshalb zunächst an einer Bouillonkultur von Paratyphus B, 
die Wachstumskurve festzustellen versucht, und zwar möglichst unter 
denselben Verhältnissen, unter denen ich später die für die Absterbe¬ 
versuche benutzten Kulturen gehalten habe. Den Gang der Entwicklung 
zeigt die Tabelle XII. 

Als Maß für die Vermehrungsgeschwindigkeit habe ich aus den oben 
angeführten Gründen nicht die sogenannte „Generationsdauer“, sondern 
den Quotienten aus je 2 in einem Zwischenraum von einer Stunde be¬ 
obachteten Werten berechnet. 


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208 


H. Reichenbach: 


Tabelle XII. 

Vermehrung von Paratyphus B in Bouillon bei 37°. 


Zeit 

in Stunden 

Keimzahl 

im Kubikzentimeter 

Quotient 
für die Stunde 

0 

2 300 

— 

0-5 

2 035 

| — 

1-0 

3 558 

| 2-9 

1-5 

7 090 

4-0 

2-5 

33 000 

4-6 

3-5 

185 600 

5-6 

4-5 

1 084 300 

l 5-8 

5-5 

6 425 000 

5-9 

6-5 

37 925 000 

5-9 

7-5 

169 650 000 

4-5 

8-5 

694 500 000 1 

4-1 

9-5 

1133 000 000 

1-6 

11-5 

1722 000 000 

1-2 

12-5 

1950 000 000 , 

1*2 

13-5 

1850 000 000 

— 

25-0 

1740 000 000 

— 

28-0 

1738 000000 

— 


Wir sehen, übereinstimmend mit dem Resultate früherer Autoren, 
daß nach einer kurzen Inkubationszeit von etwa 80 Minuten, die Ent¬ 
wicklung zunächst langsam beginnt, dann rasch ansteigt, etwa 4 Stunden 
nahezu konstant bleibt, um dann wieder abzufallen. In der 13. Stunde 
ist die Entwicklung vollendet, nach 13*5 Stunden ist bereits eine kleine 
Verminderung eingetreten, die bis zur 28. Stunde — länger wurde nicht 
beobachtet —, nur wenig größer geworden ist. 

Wie ich vorher ausgeführt habe, lassen sich aus einem solchen Ver¬ 
such für die Frage, ob ein Bruchteil der Individuen bei der Teilung 
zurückbleibt, und wie sich dieser eventuell im Laufe des Wachstums ändert, 
keine bindenden Schlüsse ziehen. Die Veränderungen des Vermehrungs¬ 
quotienten, die sich tatsächlich ergeben haben, lassen sich in dieses Rich¬ 
tung nicht verwerten. Immerhin läßt sich aber aus der Kurve schließen, 
daß, wenn überhaupt eine solche Vergrößerung des zurückbleibenden Bruch¬ 
teiles statttindet, dies etwa von der 7. Stunde au der Fall sein wird. Bis 
zur 7. Stunde dagegen können wir annehmen, daß der zurückbleibende 
Bruchteil klein, der Wert von x also groß ist. Und wenn wir uns nun 
erinnern, daß in solchen, in voller Entwicklung unterbrochenen Kulturen, 
die letzte Generation x mal zu groß ist, so müssen wir erwarten, daß je 
länger vor der 13. Stunde wir die Kultur benutzen, desto 
steiler zu Anfang des Versuches die Absterbekurve abfallen, 


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Die Abstebbeordnung beb Bakterien ü. ihre Bedeutung usw. 209 

desto größer die Abweichung von der Exponentialkurve sein 
wird, daß dagegen die Übereinstimmung mit der Exponentialkurve, wenn 
sie überhaupt vorhanden ist, von der 13. Stunde an auftreten wird. Das 
ist nun in der Tat in eklatanter Weise der Fall. 

Tabelle XIII. (Versuch 34.) 

6 stündige Kultur, 51°. 

t ü 

0 13 300 

2 128 

5 0 

Betrachten wir zunächst den Versuch 34, Tabelle XIII, der mit einer 
Gstündigen Kultur angestellt wurde. 

Hier hat die Temperatur von 51°, die bei ausgewachsenen Kulturen 
eine Abtötungszeit von etwa 1 Stunde erfordert, in 2 Minuten bereits 
99 Prozent, in 5 Minuten die gesamte Menge vernichtet. In den fol¬ 
genden Versuchen 35 und 36 (Tabelle XIV und XV) wurden deshalb 
niedrigere Temperaturen, 49° und 47 °, angewandt. Hier wurde die völlige 
Abtötung in der Beobachtungszeit nicht erreicht, trotzdem wurden in 
Versuch 85 in den ersten 2 Minuten 68 Prozent der Keime abgetötet 
Bei Versuch 38 liegt das Maximum der Abtötung, und auch das Maximum 
für k, der niedrigeren Versuchstemperatur entsprechend, ein wenig später: 
in den ersten 2 Minuten wurden 17 Prozent, in den folgenden drei 54 Prozent 
und zwischen der 5. und 10. Minute noch 22 Prozent abgetötet Von 
einer Exponentialkurve kann, wie die Inkonstanz des Wertes h zeigt, in 
beiden Versuchen keine Bede sein. 


Tabelle XIV. (Versuch 35.) 
öVjStündige Kultur, 49°. 


t 

ü 

l_„ _ __i 

k 


0 

114 800 

— 


2 

3 659 j 

0*748 


5-2 

1 624 

0*355 


10 

697 

0*222 


15-5 

304 

0*166 


20 

257 

0*133 


25 

150 

0*113 


30 

109 

0*101 


39 

62 

0*083 


50 

35 

0*070 


60 

28 

0*060 


75 

16 

0*051 


90 

9 1 

0*014 


Zeitachr. f. Hygiene. LXIX 



14 

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Original fram 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




210 


H. Reichenbach: 


Tabelle XV. (Versuch 36.) 
5 1 / 2 8tündige Kultur, 47°. 


t \ 

ü 

i k 

0 

! 7812 

— 

2 

6494 

0-041 

5 

2254 

0-108 

10 

455 

0-123 

15 

232 

1 0-102 

20 

174 

0-083 

25 

| 162 

0-067 

30 

128 

— 

40 

124 

— 

50 

128 

— 

60 

99 

— 

75 

99 

1 

90 | 

100 



0-021 


Es ist also in diesen Kulturen eine große Anzahl von 
Keimen mit geringer, ziemlich gleichförmiger Resistenz vor¬ 
handen, an die sich eine kleine Menge mit höherer sehr ver¬ 
schieden abgestufter Widerstandsfähigkeit anschließt. Das ist 
das, was sich nach unseren Anschauungen über die Entstehung der ver¬ 
schiedenen Resistenzstufen erwarten läßt. Die Kulturen befanden sich 
auf der Höhe der Entwicklung — es war also anzunehmen, daß noch 
kein erheblicher Bruchteil bei der Teilung zurückgeblieben war, daß des¬ 
halb die überwiegende Mehrzahl der vorhandenen Keime der letzten 
Generation entstammte, also gleiche Resistenz besaß. Oder anders aus¬ 
gedrückt, da die letzte Generation a?mal zu groß ist uud x hier einen 
großen Wert besitzt, muß diese letzte Generation das ganze Bild der 
Absterbekurve beherrschen, und dadurch jede Ähnlichkeit mit der Expo¬ 
nentialkurve verhindern. Daß sich innerhalb dieser Generation auch 
noch kleinere Abstufungen der Resistenz finden, läßt sich wohl auf die 
nicht gleichzeitige Teilung aller Individuen oder auf unbekannte Ursachen 
„endogener“ Natur zurückführen. 

Dieselbe Eigentümlichkeit, wenn auch nicht mehr in so ausgesprochenem 
Maße, besitzt die Absterbekurve der 8 stündigen Kultur (Tabelle XVI). 
Auch hier ist der Abfall zu Anfang viel steiler, als dem weiteren Verlauf 
der Kurve entspricht. Von der 30. Minute an ist, ähnlich wie bei Ver¬ 
such 36, überhaupt keine sichere Abnahme der Keimzahl mehr vorhanden: 
die wenigen noch lebenden Keime werden offenbar von der relativ niedrigen 
Temperatur überhaupt nicht mehr affiziert. Ganz auders verhielt sich die 
13stündige Kultur (TabelleXVII). Hier ist tatsächlich die Übereinstimmung 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Die Absteebeoednung dee Baktebien u. ihee Bedeutung usw. 211 

mit der Formel, abgesehen von dem ersten Wert für k, so gut, wie sie 
überhaupt bei solchen Versuchen erwartet werden kann. Eine kleine Ab¬ 
weichung ist hier allerdings insofern vorhanden, als die Werte von k nach 
der Mitte des Versuches etwas zu- und nach dem Ende hin wieder etwas 


Tabelle XVI. (Versuch 45.) 
8stündige Kultur, 48°. 


t 

Ü 

k 


0 

2012 

— 


2 

1419 

0*075 


5 

539 

0*114 


10 

209 

0*098 


15 

111 

0*084 


20*5 

! 73 

0*072 


25 

41 

1 0*068 


30 

17 

0*069 


40 

15 

| 

0*053 


50 

13 

— 


60 

12 

— 


75 

15 

— 


90 

10 

0*026 


Tabelle XVII. 

(Versuch 4L) 


13 stündige Kultur, 50*1°. 


t 

u 

gefunden 

i 

berechnet 

k 

0 

27 940 

I 

— 

2 

25 270 

22 290 ; 

0-0218 

5 

16 100 

15 890 

0*0474 

10 

9 160 

9 040 

0*0484 

15 

4 280 1 

5 140 

0*0543 

20 

2190 | 

2 930 | 

0*0552 

25 

1 360 

1 670 | 

0*0525 

30 

948 

947 

0*0484 

40 

372 

306 

0*04 J)4 

50 

134 

99 

0*0464 

60 

56 

32 | 

0*0448 

75 

10 

6 

0*0459 

90 

2 

1 ! 0*0461 

Mittel: 0*0490 


abnehmen, und dieser Gang ist so regelmäßig, daß er schwerlich auf Ver¬ 
suchsfehler zurückzuführen ist. Natürlich ist nach unserer Theorie ein 
solcher Gang der Konstante ebenso wahrscheinlich und ebensogut zu er¬ 
klären, wie die ganz reine Exponentialkurve. 

14* 


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212 


H. Reichembach: 


Tabelle XVIII. (Versuch 38.) 
28stündige Kultur, 48°. 


0 5e29 

120 3183 

Besonders interessant und für unsere Auffassung wichtig ist die Tat¬ 
sache, daß ganz zweifellos die absolute Widerstandsfähigkeit der Haupt- 
menge der Bakterien mit dem Alter der Kultur zunimmt. Da die ab¬ 
soluten Werte für die Resistenz wohl nicht ganz unabhängig sind, von der 
Beschaffenheit der verwandten Gelatine und der Bouillon, habe ich, um 
ganz sicher zu gehen, mit einer 28 ständigen Kultur noch einen Versuch 
bei 48° mit denselben Nährböden angestellt, wie sie bei den Versuchen 34, 
35 und 36 benutzt worden waren. Hier wurde in 120 Minuten noch 
nicht die Hälfte der Keime abgetötet (s. Tabelle XVIII). Der Übersicht 
halber stelle ich diese Resultate in der nachstehenden Tabelle XIX noch 
einmal zusammen. 


Tabelle XIX. 

Einfluß des Alters auf die Resistenz. 


Versuchs- 

nummer 

Temperatur 

Alter 

der Kultur 

Abgetötet nach 5 Minuten 

34 

51-0° 

6 Std. 

100 Prozent 

35 

49-0 

5 \o •» 

86 

36 

47*0 

5 1 ; s .. 

71 

45 

49-0 

8 

73 

41 

50-1 

13 

58 

3S 

48-0 

28 

3 

(berechnet aus dem Wert 
für 120 Minuten) 


Unsere Auffassung, daß die älteren, nicht mehr sich weiter teilenden 
Individuen die resistenteren seien, steht mit der gewöhnlich geäußerten 
Anschauung, nach der eine recht junge, lebenskräftige Kultur auch die 
größte Widerstandsfähigkeit besitzen soll, in Widerspruch. 1 Vermehrungs¬ 
energie und Resistenz sind aber ganz verschiedene, bis zu einem gewissen 
Grade sogar entgegengesetzte Eigenschaften. Es scheint mir ganz plausibel 
zu sein, daß eine Zelle, die an der Vermehrung nicht mehr teilnehmen 
kann, eine erhöhte Resistenz gewinnt, um auf diese Weise die Erhaltung 


1 Zu ähnlichen Resultaten wie ich sind Schultz und Ritz gekommen. Central¬ 
blatt für Bakteriologie. I. Orig. Bd. L1V. S. 283. 


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Die Abstebbeobdnüng deb Baktebien u. ihbe Bedeutung usw. 213 

der Art zu sichern: wir hätten darin ein Analogon zur Sporenbildnng der 
Bakterien und zur Encystierung der Protozoen zu sehen. Welches das 
äußere Mittel zu dieser Erhöhung der Resistenz ist, ob es sich um eine 
Verdichtung des Protoplasmas, eine Verstärkung der Membran oder ähn¬ 
liches handelt, wissen wir nicht, — aber wahrscheinlich bedarf es einer 
gewissen Zeit, um diese Eigenschaft auszubilden. Und danach ist es ver¬ 
ständlich, warum innerhalb gewisser Grenzen die Resistenz der Zelle mit 
ihrem Alter wächst. 

Bis hierher stehen also die Versuchergebnisse durchaus mit unserer 
Theorie im Einklang. Es fragt sich nun weiter, wie sich bei älteren 
Kulturen, die den Höhepunkt der Entwicklung überschritten haben, die 
Absterbekurve gestalten wird. Wie wir gesehen haben, findet etwa von 
der 13. Stunde an ein langsamer Rückgang der Bakterienzahl statt. Damit 
wissen wir aber noch nicht, ob nicht nebenbei noch eine schwache Ver¬ 
mehrung der Bakterien vor sich geht, so daß die absolute Verminderung 
der Zahl nur der Ausdruck dafür wäre, daß der Absterbeprozeß den Ver¬ 
mehrungsprozeß überwiegt. Wir müssen also die Wirkung der Ver¬ 
mehrung und des Absterbens getrennt betrachten. 

Die Vermehrung in solchen älteren Kulturen wird, wenn sie über¬ 
haupt stattfindet, in der Weise vor sich gehen, daß nur ein kleiner 
Bruchteil der Zellen sich überhaupt noch fortpflanzt, x ist also eine sehr 
kleine Zahl. Nach unseren früheren Ausführungen ist die Maximalzahl 
einer Kultur von dem Augenblick an festgelegt, wo x kleiner als 2 wird, 
d. h. wo mehr als die Hälfte der neuentstehenden Bakterien ungeteilt 
zurückbleibt. Von diesem Zeitpunkt an nimmt sowohl die Menge der neu¬ 
entstehenden, wie auch die Menge der zurück bleibenden Keime ständig 
ab. Wenn also wirklich die Vermehrung einer Kultur in dieser Weise 
erlischt, so müßte das eine relative Verminderung der niedrigen Resistenz¬ 
stufen zur Folge haben, es müßte also im Gegensatz zu den jungen 
Kulturen der Anfangsteil der Kurve zu langsam abfallen. 

Ist dagegen die Vermehrung bis zuletzt noch einigermaßen lebhaft, 
so könnte natürlich auch hier eine relative Vergrößerung der Zahl der 
letzten Generation zustande kommen. 

Wie das Absterben den Verlauf der Kurve beeinflußt, läßt sich nicht 
ohne weiteres sagen. Da anzunehmen ist, daß auch dem natürlichen 
Tode diejenigen Individuen zuerst erliegen, die in den künstlichen Ver¬ 
suchen als erste abgetötet werden, müßten durch das natürliche Absterben 
einfach die niedrigsten Resistenzstufen wegfallen. Die Kurve müßte also 
zuerst horizontal verlaufen, ohne im übrigen Teil eine Änderung zu 
erleiden. 


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214 


H. Reichenbach: 


Nun ist es aber nicht wahrscheinlich, daß die Schädlichkeiten, die in 
einer älteren Kultur das Absterben der niedrigen Resistenzstufen ver¬ 
anlassen, die Individuen höherer Resistenz gar nicht beeinflussen sollten. 
Es ist im Gegenteil anzunehmen, daß auch diese eine Verminderung ihrer 
Widerstandsfähigkeit erfahren; und als einfachstes Schema dieses Vorganges 
können wir uns vorstellen, daß in demselben Maße, wie die niedrigen 
Resistenzstufen absterben, die Widerstandsfähigkeit der Keime der höheren 
Stufen vermindert wird, so daß sie nun in diese Stufen einrücken. Dann 
würde die Absterbekurve nur parallel mit sich selbst nach der Nullseite 
verschoben werden; dadurch würde das obere Stück der Kurve wegfallen 
und im übrigen würde auch hier keine Gestaltsänderung eintreten. 

Es läßt sich also nach alledem theoretisch sehr wenig über die 
Gestalt der Absterbekurve in alten Kulturen Voraussagen. Die Versuche 
haben mit einer Ausnahme recht gute Übereinstimmung mit der Exponen¬ 
tialkurve ergeben. In Versuch 82, Tabelle XX, der mit einer 18*5 stän¬ 
digen Kultur angestellt wurde, ist die Abnahme zuerst etwas zu groß, 
was auf eine noch im Gange befindliche Vermehrung hindeutet. Versuch 40 
mit 28 ständiger Kultur, 44 mit 48 ständiger und 43 mit 55 ständiger Kultur 
entsprechen sehr gut dem Exponentialgesetz (s. Tabelle XXL bis XXIII). 
Nur der Versuch 42 mit 24stündiger Kultur (Tabelle XXIV) zeigt eine 
größere Abweichung; der Wert von k wächst im Laufe des Versuches in 
regelmäßiger Zunahme auf das dreifache an. Wir haben es hier also mit 
einer relativen Verminderung der niedrigeren Resistenzstufen zu tun. 
Warum diese Abweichung gerade bei der 24 ständigen Kultur auftritt, 
vermag ich nicht zu sagen; ein Einwand gegen unsere Theorie läßt sich 
aber aus diesem Verhalten nicht entnehmen. 


Tabelle XX. (Versuch 32.) 
18 *5 ständige Bouillonkultur, 51°. 


t 

__l. 

u 

gefunden 

berechnet 

i k 

0 

42 980 1 

— 

! _ 

1 

29 970 

31 570 

0-157 

2 

19 250 

23190 

1 0-174 

5 

8 570 | 

9190 

0-140 

10 1 

2 810 i 

1965 

i 0-119 

15 | 

378 i 

420 

0-137 

20 

80 

90 

0-137 

25 

16 

19 

0-137 

30 

4 

4 

0-184 

40 

0*5 

0*2 

0-123 




Mittel: Ö-134 

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Die Absterbeobdnung deb Bakterien ü. ihre Bedeütüng usw. 216 


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Tabelle XXI. 

(Versuch 40.) 


28stündige Kultur, öl*. 

t 

Ü 

gefunden 

£ 

berechnet 

0 

7000 

— — 

2 

3270 

3140 0-165 

5 

922 

913 0-176 

10 

97 

119 0-186 

15 

15 

15 0-178 

20 

1 

2 0-192 

25 

0-5 

0-3 0-165 



Mittel: 0-177~ 


Tabelle XXII. 

(Versuch 44.) 


48stündige Kultur, 49°. 

t 

Ü 

gefunden 

berechnet ^ 

0 

4841 

— — 

5 

1940 

2277 0-0798 

10 

879 

1071 0-0741 

15 

544 

504 0-0632 

20 

197 

237 0-0695 

25 

137 

111 0-0620 

30 

75 

53 0-0603 

40 

16 

12 0-0620 

50 

2 

3 0-0676 

60 

0 

— ; — 



Mittel: 0-0655 


Tabelle XXIII. 

(Versuch 48.) 


55stündige Kultur, 50°. 


t 

H 

gefunden j berechnet 

Je 

0 

1 1203 

— | 

— 

2 

901 

868 

0-0628 

5 

547 

532 

0-0684 

10 

213 

235 

0-0761 

15 

83 

104 

0-0774 

20 

37 

46 

0-0756 

25 

17 

20 

0-0739 

30 

11 

9 

0-0679 

40 

3 

2 

0-0651 

50 

0 

Mittel: 

: 0-0709 


Gck 'gle 


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216 


H. Reichenbach: 


Tabelle XXIV. (Versuch 42.) 
24stündige Kultur, 50°. 


t 

ü 


k 

0 

4185 

; 

— 

2 

3795 


0-0212 

5 

3084 


0-0265 

10 

2013 


0-0317 

16 

1069 


0-0370 

20 

523 


0-0451 

25 

259 


0-0483 

30 

70 


0-0592 

41 

5 


0-0713 

50 

1 


0-0724 

60 

1 


0-0604 


Auf eine wichtige Schlußfolgerung möchte ich noch hinweisen, die 
sich aus diesem Verhalten älterer Kulturen ableiten läßt. Wie wir vor¬ 
hin ausgeführt haben, ist nach unserer Anschauung das Alter der Zelle 
für ihre Resistenz maßgebend. Bei jungen Kulturen, die noch in leb¬ 
hafter Vermehrung begriffen sind, ist es nun gleichgültig, ob wir hierbei 
unter Alter das absolute Alter verstehen, d. h. die seit Entstehung der 
Zelle verflossene Zeit, oder das Generationsalter, d. h. die Ordnungszahl 
derjenigen Generation, aus der die Zelle zurückgeblieben ist. Beide Be¬ 
griffe fallen hier zusammen. 

In älteren Kulturen dagegen, in denen keine nennenswerte Vermeh¬ 
rung mehr stattfindet, müßte, wenn das absolute Alter maßgebend 
wäre, sich allmählich ein Ausgleich in der Weise vollziehen, 
daß auch die jüngeren Zellen in ihrem Resistenzgrade sich 
mehr und mehr den älteren näherten. Die Resistenz sämt¬ 
licher Individuen müßte also umso gleichförmiger werden, je 
älter die Kultur ist. Das ist aber, wie wir gesehen haben, nicht der 
Fall; die Unterschiede der Resistenz bleiben auch in alten Kulturen ge¬ 
wahrt. Wir müssen also annehmen, daß es vorwiegend das Genera¬ 
tionsalter ist, von dem die Resistenz abhängt. Daß die ersten 
Generationen die resistentesten Individuen hervorbriugen, ist ja auch 
durchaus verständlich, wenn man bedenkt, daß der Nährboden dann noch 
am besten ist, und daß noch keine Schädigung durch die eigenen Stoff¬ 
wechselprodukte stattgefunden hat. 

Daß in jungen Kulturen auch das absolute Alter insofern eine 
Rolle spielt, als zur Ausbildung der Resistenz wahrscheinlich eine gewisse 
Zeit erforderlich ist, habe ich vorhin bereits angedeutet. 


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Die Abstebbeobdnung deb Bakteiiien ü. ihee Bedeutung usw. 217 

Das Gesamtresnltat dieser Versuche an Bouillonkulturen verschiedenen 
Alters läßt sich also dahin zusammenfassen, daß sie wohl geeignet sind, 
zur Stütze der von uns entwickelten Theorie des Absterbevorganges zu 
dienen. Ich bin mir wohl bewußt, daß eine Ergänzung dieser Unter¬ 
suchungen, die ja vorläufig nur an Bouillonkulturen der vegetativen 
Formen eines einzigen Mikroorganismus angestellt sind, durch ähnliche 
Versuche an Agarkulturen, an anderen Bakterienarten und besonders an 
Sporen wünschenswert wäre, aber bei diesen sind die technischen Schwierig¬ 
keiten so groß, daß ich zunächst auf ihre Anstellung verzichten mußte. 
Da aber eine prinzipielle Gleichheit der Vorgänge in allen diesen Fällen 
doch wohl vorauszusetzen ist, ist ein Schluß von diesen Versuchen auf die 
anderen Verhältnisse wohl nicht zu gewagt. 

Praktische and theoretische Schlußfolgerungen. 

Zum Schlüsse noch einige Bemerkungen über die Bedeutung der 
bisherigen Resultate für die Theorie und die Praxis der Desinfektion. 
Wenn wir die von mir entwickelte Auffassung, daß der gesetzmäßige Ver¬ 
lauf der Absterbekurve nicht auf einem physikalisch-chemischen Vorgang, 
sondern auf der verschiedenen Resistenz der einzelnen Individuen beruht, 
als richtig anerkennen, so gewinnt damit auch der Begriff der Desinfek¬ 
tionsgeschwindigkeitskonstante eine andere Bedeutung. Die Berechtigung, 
diese Konstante zu bestimmen und als Unterlage für weitere Betrachtungen 
zu benutzen, soll selbstverständlich nicht bestritten werden. Aber mau 
muß sich, glaube ich, dabei doch dessen bewußt bleiben, daß es sich 
hierbei gar nicht um eine Konstante im physikalisch-chemischen Sinne, 
wie sie für die monomolekularen Reaktionen existiert, handelt und daß 
die Übereinstimmung der beiden Vorgänge eine rein formale ist. Auch 
die Konstante ist ein rein formaler Begriff, der überhaupt nur dann exi¬ 
stiert, wenn der entsprechende Aufbau der Bakterienmenge vorhanden ist. 

Tatsächlich sind in letzter Zeit von Madsen und Ny man, von 
Harriet Chick, sowie von Paul und seinen Mitarbeitern sehr inter¬ 
essante theoretische Untersuchungen über den Einfluß von Temperatur und 
Konzentration der Desinfektionslösungen auf die Desinfektionsgeschwindig¬ 
keit angestellt worden, bei denen die Geschwiudigkeitskonstante als rein 
physikalisch-chemischer Begriff angenommen wird. 

Da bei diesen Untersuchungen in allen Fällen die Konstanz der 
Desinfektionsgeschwindigkeit durch eine genügende Anzahl von Beobach¬ 
tungen festgestellt wurde, ist die formelle Berechtigung zur Aufstellung 
und Benutzung der Konstante hier gewiß nicht zu bestreiten, und die 
Tatsache, daß zwischen dieser Konstante und den anderen Größen gesetz- 


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218 


H. Reichenbach: 


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mäßige Beziehungen bestehen, die denen bei anderen physikalisch-chemi¬ 
schen Vorgängen entsprechen, ist sicher von höchstem Interesse. Wie 
weit aber die theoretischen Grundlagen dieser Versuche durch die ver¬ 
änderte Auffassung vom Wesen des Absterbevorgangs und vom Begriff 
der Desinfektionsgeschwindigkeit berührt werden, fühle ich mich nicht be¬ 
rufen, zu entscheiden. 

Fast noch bedauerlicher als für die Theorie ist es für die Praxis der 
Desinfektion, daß sich der Begriff der Desinfektionsgeschwindigkeit — 
im physikalisch-chemischen Sinne — nicht aufrecht erhalten läßt Für 
die Beurteilung des Wertes eines Desinfektionsmittels wäre es höchst 
wünschenswert, einen leicht zu bestimmenden, direkt vergleichbaren, 
zahlenmäßigen Ausdruck zu besitzen, und als solcher könnte die Konstante 
der Desinfektionsgeschwindigkeit dienen. Denn es bedürfte dann nur 
weniger, zu verschiedenen Zeiten angestellter Keimzählungen — theore¬ 
tisch würden zwei genügen —, um die Konstante zu ermitteln. Fassen 
wir aber den Absterbevorgang in unserem Sinne auf, so muß in jedem 
einzelnen Falle erst nachgewiesen werden, daß die Desinfektionsgeschwin¬ 
digkeit wirklich konstant ist, oder in unserer Ausdrucksweise, daß der 
Aufbau der Bakterien ein solcher ist, daß die einzelnen Resistenzstufen 
eine geometrische Reihe bilden. Bei Milzbrandsporen scheint das ja regel¬ 
mäßig der Fall zu sein; wenn man sich also auf die Verwendung dieses 
Testobjektes beschränkt, könnte man wohl daran denken, die Desinfek¬ 
tionsgeschwindigkeit als zahlenmäßigen Ausdruck für die Wirkung eines 
Mittels zu benutzen und sich für seine Feststellung mit wenigen Probe¬ 
entnahmen zu begnügen. Will man aber auch andere Sporen, oder, was 
sich bei der Prüfung schwächerer Desinfektionsmittel nicht umgehen läßt, 
vegetative Formen benutzen, so ist eine größere Versuchsreihe zum Nach¬ 
weis der konstanten Desinfektionsgeschwindigkeit unerläßlich; zum min¬ 
desten müßte erst durch längere Vorarbeiten festgestellt werden, unter 
welchen Bedingungen auf einen geeigneten Aufbau der Kultur mit einiger 
Sicherheit gerechnet werden kann. Dadurch wird aber das Verfahren 
umständlich und unsicher, so daß eine allgemeine Einführung in die 
Praxis wenig aussichtsvoll zu sein scheint. 

Bislang wird die Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels gewöhnlich 
bemessen nach der Zeitdauer, die erforderlich ist, eine bestimmte Bakte¬ 
rienmenge vollständig abzutöten. Es ist aber wohl nicht immer genügend 
berücksichtigt worden, daß bei diesem Verfahren die Abtötungs¬ 
zeit abhängig sein muß von der Zahl der ursprünglich vorhan¬ 
denen Bakterien. Für den gewöhnlichen Fall, daß der Absterbevor¬ 
gang einem Exponentialgesetz folgt, läßt sich diese Abhängigkeit leicht 


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Die Abstebbeobdnung der Bakterien u. ihee Bedeutung usw. 219 

berechnen. Nennen wir wieder « die Überlebenden, a die Anfangsmenge 
und t die Zeit, so ist 

_ Joga —logt» 

1 ~ ' k 

Nun läßt sich allerdings die Zeit, welche nötig wäre, um sämtliche 
Keime abzutöten, nicht angeben, denn für ü — 0 würde t = oo werden. 
Wohl aber ergibt sich für ü = 1, da log 1 = 0 ist, sehr einfach die 
Gleichung: 

log a 

k * 

d. h. also: die Zeit, welche nötig ist, eine Bakterienmenge a bis 
auf einen Keim zu Termindern ist, proportional dem Logarith¬ 
mus Ton a. Nehmen wir z. B. £ = 0-05 und a= 10, so ergibt sich 
als Wert von t 20 Minuten, für a = 100 40 Minuten, für a = 1000 
60 Minuten, für a =» 10000 80 Minuten usw. Es können also für das¬ 
selbe Desinfektionsmittel, je nach der Zahl der verwandten Keime, ganz 
verschiedene Abtötungszeiten gefunden werden, und die Vergleichung 
zweier Desinfektionsmittel ist nur dann möglich, wenn sie auf 
die gleiche Bakterienmenge eingewirkt haben. Die Versuchs¬ 
ergebnisse von Ficker, 1 der tatsächlich durch Vergrößerung der Anfangs¬ 
menge die Abtötungszeit verlängert fand, und von Schüder, 2 der den 
Wert von Wassersterilisationsmitteln gegenüber anderen Untersuchern er¬ 
heblich herabgesetzt fand, dadurch, daß er große Wassermengen zur 
Untersuchung heranzog 3 , finden hierin ohne weiteres ihre Erklärung. 

Will man einen von der Anfangszahl unabhängigen Wert haben, so 
muß man nicht mit der absoluten, sondern mit der relativen Verminde¬ 
rung der Bakterienmenge rechnen; man muß die Zeit bestimmen, die er¬ 
forderlich ist, die Anfangszahl auf einen bestimmten Bruchteil, etwa 1 /» 

zu reduzieren. Diese Zeit ist = lo | n , also unabhängig von der Anfangs¬ 
menge. Theoretisch würde das auf dasselbe hinauskommen, wie die Be¬ 
stimmung von h und auch praktisch würde kein großer Unterschied sein, 
da auch hierzu eine große Anzahl von Versuchen notwendig wäre. Wir 
sehen aber aus diesen Überlegungen, wie verkehrt es wäre, die wirkliche, 


1 M. Ficker, Über Lebensdauer und Absterben von pathogenen Keimen. Diese 
Zeitschrift. Bd. XXIX. S. 1. 

* Schüder, Über das Hünermann sehe Verfahren der Wasserdesinfektion. 
Ebenda. Bd. XXXIX. 8.379. 

* Natürlich ist, streng genommen, unter der Anfacgsmenge nicht die gesamte, 
der Einwirkung des Desinfektionsmittels ausgesetzte Bakterienmenge, sondern der zur 
Aussaat benutzte Bruchteil zu verstehen. Eine Vergrößerung dieses Bruchteiles muß 
deshalb ebenfalls die Desinfektionszeit verlängern. 


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220 


H. Reichembach: 


im einzelnen Fall erzielte Leistung eines Desinfektionsmittels und seinen 
praktischen Wert dem Prozentsatz der in einer bestimmten Zeit ab¬ 
getöteten Keime proportional zu setzen. Das zeigt wieder am besten 
ein Zahlenbeispiel. Für A = 0.05 werden 99 Prozent der Keime in 

log_ioo _ _ 2 _ _ 4 q jdi nU ( ;en abgetötet; um aber dies letzte Prozent bis 

auf einen Keim zu reduzieren, können je nach der Zehnerpotenz der An¬ 
fangszahl weitere 20, 40, 60 usw. Minuten erforderlich sein. Und wenn 
ein anderes Desinfektionsmittel in derselben Zeit statt 99 nur 95 Prozent 
der Keime abtötet, ist man leicht geneigt, diese beiden Leistungen als 
nahezu gleichwertig anzusehen, während in Wirklichkeit das zweite 
Mittel, um ebenfalls 99 Prozent abzutöten, 61-5 Minuten gebraucht 
hätte. Die Konstante würde in diesem Falle statt 0-5 nur 0-325 be¬ 
tragen haben. 

Auch für diese Betrachtungen besteht übrigens zwischen der rein 
physikalisch-chemischen Auffassung und der unsrigen ein prinzipieller 
Unterschied. Bei der ersteren Auffassung ist nämlich die Zunahme der 
Desinfektionsdauer durch Vergrößerung der Anfangsmenge unbegrenzt; 
theoretisch ließe sich die Desinfektionszeit durch Vergrößerung der Anfangs¬ 
menge beliebig verlängern, während nach unserer Auffassung diese Ver¬ 
längerung keineswegs unbegrenzt, sondern dann beendet ist, wenn die An¬ 
fangs- bzw. Aussaatmenge so groß gewählt ist, daß in ihr mindestens ein Keim 
der höchsten Resistenzstufe vorhanden ist Auch darin liegt ein wichtiger 
Unterschied, daß bei unserer Betrachtungsweise die Möglichkeit zugegeben 
werden muß, daß einmal auch in eine kleinere Bakterienmenge Keime 
hoher Resistenz hineingeraten, auch wenn diese Resistenzstufe so spärlich 
vorhanden ist, daß man nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit ihr Vor¬ 
handensein in der Aussaatmenge nicht erwarten sollte. Die Desinfektions¬ 
dauer kann dadurch gegen Erwarten verlängert werden. Bei rein physi¬ 
kalisch-chemischer Auffassung ist diese Möglichkeit natürlich nicht vor¬ 
handen. 

Diese letzte Betrachtung führt uns auf die für die praktische Anwendung 
der Desinfektionsmittel höchst wichtige Frage, wie bei den in der Natur 
vorhandenen, für die Desinfektion in Betracht kommenden 
Bakterienansammlungen die Absterbekurve beschaffen ist. 
Könnten wir annehmen, daß der Absterbevorgang hier ebenso verläuft wie 
in künstlichen Kulturen, d. h. nach einem Exponentialgesetz, so würde auch 
hier die zur Desinfektion erforderliche Zeit von der Menge der abzutötenden 
Keime abhängig sein, und wir könnten daran denken, im praktischen 
Falle je nach der Anzahl der zu erwartenden Keime unsere Desinfektions¬ 
maßregeln zu modifizieren. Nun gelten aber nach unserer Auffassung, 


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Die Absterbeordnung der Bakterien u. ihre Bedeutung üsw. 221 

nach der die Absterbeordnung in nahem Zusammenhänge mit der Ent¬ 
stehung einer Bakterienmenge steht, unsere Erfahrungen über das Ab¬ 
sterben nur für solche Bakterienansammlungen, die in engstem, örtlichem 
und genetischem Zusammenhänge unter gegenseitiger Beeinflussung ent¬ 
standen sind, für Kulturen, wie wir sie im Laboratorium züchten. Wir 
können diese Erfahrungen also nicht ohne weiteres auf natürlich ver¬ 
kommende Bakterien, von deren Entstehungsgeschichte wir gar nichts 
wissen, übertragen. Wir können deshalb auch über die Absterbeordnung 
von natürlich vorkommenden Bakterienansammlungen nichts Voraussagen, 
und wir können uns auch keine Vorstellung über die Verteilung der ver¬ 
schiedenen Resistenzstufen auf die einzelnen Individuen machen. Wir 
müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß die einzelnen Keime von gleich¬ 
mäßiger, hoher Resistenz sind, und wir werden also vorläufig bei der 
praktischen Ausführung der Desinfektion mindestens diejenigen Abtötungs¬ 
zeiten zugrunde legen müssen, die wir bei möglichst reichlicher Anfaugs- 
menge für die resistentesten Individuen in künstlichen Kulturen ge¬ 
funden haben. 

Bei rein physikalisch-chemischer Auffassung würde auch hier, theo¬ 
retisch wenigstens, die Sache anders liegen. Es würde dann, da nach 
dieser Anschauung die Absterbeordnung von der Entstehung unabhängig 
ist, auch bei natürlichen Bakterienansammlungen dieselbe Absterbeordnung 
erwartet werden können wie bei künstlichen Kulturen. 


Schlußsätze. 

Die Resultate der vorstehenden Betrachtungen möchte ich in folgen¬ 
den Schlußsätzen zusammenfassen: 

1. Das Absterben einer Bakterienmenge unter dem Einfluß irgend 
einer Schädlichkeit geht meistens, aber nicht immer, nach einem Exponen- 
tialgesetz vor sich. 

2. Diese Absterbeordnung ist nicht die nach der Wahrscheinlichkeit 
zu erwartende, sondern bedarf einer besonderen Erklärung. 

3. Die Erklärungen, welche diese Absterbeordnung auf rein physika¬ 
lisch-chemische Gesetze zurückzufiihren versuchen, können nicht voll be¬ 
friedigen. 

4. Es ist uns wahrscheinlicher, daß die ungleiche Lebensdauer der 
verschiedenen Individuen auf ihrer ungleichen Resistenz beruht. 


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222 H. Reichenbach: Die Absteebeobdnuno deb Baktebien usw. 


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5. Daß die einzelnen Resistenzstnfen gerade in solcher Anzahl vor¬ 
handen sind, daß das Absterben nach einem Exponentialgesetz erfolgt, 
läßt sich vielleicht durch die Annahme erklären, daß die Resistenz der 
einzelnen Individuen von ihrem Alter abhängig ist. Wenigstens läßt sich 
zeigen, daß unter gewissen Voraussetzungen für die Entstehung einer 
Bakterienkultur die verschiedenen Altersstufen eine geometrische Reihe 
bilden können. 

6. Für die Theorie und die Praxis der Desinfektion ergeben sich aus 
dieser Absterbeordnung wichtige Konsequenzen. Diese Konsequenzen sind 
verschieden, je nachdem man die Absterbeordnung als einen rein physi¬ 
kalisch-chemischen Vorgang oder eine, durch die verschiedene Resistenz 
der Individuen bedingte Erscheinung auffaßt. 


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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Budapest.] 
(Direktor: Prof. L. von Liebermann.) 


Ist das gebackene Brot steril? 

Von 

B. v. Fenyvesay und L. Dienes. 


Da das Brot beim Backen einer hohen Temperatur ausgesetzt war, 
pflegt man anzunehmen, daß pathogene Keime, die während des An- 
machens und Knetens des Teiges etwa hinein gekommen waren, im fertigen 
Brot abgetötet sind. 1 

Aber schon der Umstand, daß gewisse Brotkrankheiten, z. B. das so¬ 
genannte Schleimigwerden, von Sporen herrühren, die im Mehle vor¬ 
handen waren, macht es wünschenswert, die Frage näher zu untersuchen, 
ob denn mit Sicherheit angenommen werden kann, daß beim Backen alle 
Arten pathogener Keime abgetötet werden. Diesen Schluß haben Balland 
uud Masson* gezogen, da sie beobachtet hatten, daß die Temperatur 
im Inneren des Brotes 101 bis 102° C erreicht, jedenfalls aber nicht 
unter 99° bleibt, und weil die Reaktion des Brotes für dessen Sterilität 
günstig ist. 

Wir wollten uns durch Versuche davon überzeugen und haben erst 
nach Beendigung derselben erfahren, daß im vorigen Jahre Auche 3 ähn¬ 
liche Versuche mitgeteilt hat, die in manchen Dingen mit den unserigen 
übereinstimmen. 

Die vorliegende Mitteilung halten wir aber trotzdem nicht für über¬ 
flüssig, einerseits, weil unsere Methodik eine andere war, andererseits, weil 
wir im Gegensätze zu Auchö gefunden haben, daß das Innere des Brotes 
in den meisten Fällen nicht steril ist. 

1 S. E. Gotschlich, Allgemeine Prophylaxe der Infektionskrankheiten. Kolle- 
Wassermann: Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. Bd. IV. S. 58. 

* Balland u. Masson, Comptes Rendus. 1893. CXVII. p. 519—521; 797—799. 

* Auche, Compt. Rend. de Soc. Riol. 1910. T. LXV1I1. p. 332. 


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224 B. v. Fenyvessy u. L. Dienes: Ist das gebackene Beot stebil? 


Wir haben dreierlei Versuche angestellt: 1. Die Temperatur im 
Innern der Brote während des Backens bestimmt; 2. dem Teige bekannte 
Bakterien zngesetzt und nachgesehen, ob sie sich aus dem fertigen 
Brote herauszüchten lassen; 3. untersucht, ob Brot im Innern wirklich 
steril ist. 

Um die Temperatur zu bestimmen, haben wir in den Teig, möglichst 
zentral, entweder leichtflüssige Legierungen von bekanntem Schmelzpunkt, 
oder, in unseren späteren Versuchen, kleine, zu diesem Zweck verfertigte 
Maximalthermometer eingeknetet. 

Bei einem Brot von 1100 Gewicht, 19 cm Länge, 17 cm Breite und 
10*5 cm Dicke, welches nach dem Backen nur semmelgelb (nicht braun) 
gefärbt war, haben wir gefunden, daß eine bei 94 0 schmelzende Legierung 
nicht geschmolzen war. Bei Broten von ähnlicher Größe, die zum Teil 
im Sparherd, zum Teil beim Bäcker gebacken wurden, fanden wir, daß 
das Maximalthermometer bis 94° bzw. 104° gestiegen war. 

Es wurden dem Teig während des Knetens Emulsionen von ein¬ 
tägigen Kulturen von B. Koli und Prodigiosus zugesetzt. Das fertig ge¬ 
backene Brot wurde nach dem Abkühlen, mit der Flamme eines Bunsen¬ 
brenners an der Oberfläche gründlich abgebrannt, mit einem sterilen 
Messer zerschnitten und von verschiedenen Stellen mit einer ausgeglühten 
Pinzette Stückchen der Krume herausgezupft, die sofort in sterile Bouillon 
gebracht wurden. Es zeigte sich (nach Verweilen vod 1 , 2 und 3 Tagen 
im Thermostaten), daß die zugesetzten Bakterien wohl abgetötet waren, 
daß sich aber doch andere Bakterien entwickelt hatten. - 

Die auf die Sterilität der Brote gerichteten Versuche haben dann ge¬ 
zeigt — und zwar ebenso bei Broten von größeren Dimensionen, als bei 
Semmeln —, daß in ihnen meistens sporenbildende Bakterien Vorkommen, 
daß sie also nicht steril sind. 

Zusammenfassung. 

1. Die Temperatur im Innern der Brote erreicht beim Backen 94° 
bis 104 °. 

2. Zufällig in den Teig geratene pathogene Bakterien, insofern sie 
nicht sporenbildend sind, dürften beim Backen sicher abgetötet werden. 

3. Der Teig enthält meist Sporen, die beim Backen nicht abgetötet 
werden. Brot ist also nicht sicher steril, und es könnte geschehen, daß 
auch zufällig in das Mehl bzw. den Teig gelangte pathogene Sporen nach 
dem Backen noch entwicklungsfähig bleiben. Allerdings ist von einer auf 
diesem Wege entstandenen Infektion bisher nichts bekannt geworden. 


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[Aus dem Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.] 
(Medizinische Abteilang: Oberarzt Dr. Beiohe.) 


Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie. 

Von 

Dr. William Leede. 

AsdatensArst. 


Bei einer Reihe von schwersten Diphtheriefällen, die nach längerem 
fieberfreien Verlauf auf der Diphtheriestation der Erkrankung an späten 
Krankheitstagen und zum Teil einer akut einsetzenden Herzschwäche er¬ 
lagen, fand sich hei der im hiesigen pathologischen Institut durchschnitt¬ 
lich 24 Stunden nach dem Tode yorgenommenen bakteriologischen Leichen¬ 
blutuntersuchung auffallend häufig ein mit Streptokokken durchsetztes 
Blut. Das klinische Bild in vielen dieser Fälle hatte nichts von einer, 
wenigstens längere Zeit vor dem Tode erfolgten Bakterieninvasion ins Blut 
vermuten lassen. Auch war die Agone in den meisten nur eine kurze, 
da es sich um Tod durch rasche Herzlähmung handelte. Diese Befunde 
waren für mich Veranlassung, Untersuchungen über das zeitliche Ein¬ 
dringen der Bakterien in den Blutstrom anzustellen. 

Bei 18 Kranken mit schwersten diphtherischen Prozessen wurde 
intra vitam aus der Vena mediana Blut entnommen und kulturell ver¬ 
arbeitet. Die Technik der Blutentnahme am Lebenden ist die jetzt all¬ 
gemein geübte und vielfach beschriebene. Da man aber bei diesen vor¬ 
wiegend aus Kindern bestehenden Krankenmaterial kurz vor dem Tode 
nur mit größter Mühe wegen der Debilitas cordis und der schlechten 
Füllung der kaum sichtbaren Venen, und dann auch nur eine geringe 
Menge Blut zur bakteriologischen Untersuchung gewinnen kann, so ent¬ 
nahm ich in vielen Fällen postmortal, gewöhnlich schon nach 10 Minuten, 
vereinzelt spätestens nach 3 Stunden, das Blut aus dem Herzen. 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 

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15 

Original frum 

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226 


William Leede: 


Zu dieser Herzpunktion wurde die Haut in der Gegend des H. Inter¬ 
kostalraumes links oder rechts Tom Sternum mit Jodtinktur desinfiziert. 
Eine Luersche Spritze mit einer mindestens 12 0,0 langen Kanüle mit 
weitem Lumen wird hart am Sternalrand (rechts oder links) schräg nach 
innen (um der Lunge auszuweichen) und unten eingestoßen; so trifft man 
leicht den rechten Yorhof, aus dem man nun durch Aspiration genügend 
Blut gewinnen kann. Ich habe nie unter 8“” erlangt, gewöhnlich 
waren es 20 ocm . 

Das so gewonnene Blut zeigte in einigen Fällen feinflockige, dunkel¬ 
schwarzrote Gerinnsel, und zwar in Fällen, wo die Punktion schon sehr 
schnell nach dem Tode vorgenommen wurde. Unter diesen waren sowohl 
solche mit Bazillenbefund, als auch solche, die absolut steril blieben, so daß 
diese Erscheinung sich mit bakteriziden Körpern wohl nicht ohne weiteres 
erklären läßt. 

Stets wurden 1 bis 2 ocm Blut in sterile Bouillon gebracht, das übrige 
Blut mit Agar und Traubenzuckeragar vermischt und in Petrischalen 
ausgegossen. Wie hier bei allen Blutentnahmen üblich, wurden wechselnd 
große Blutmengen mit Agar zusammengebracht, um so eine Blutver¬ 
dünnung in verschiedenem Grade zu bewirken und ein Einwirken der 
bakteriziden Körper hintan zu halten. 

Großen Wert legte ich bei meiner Untersuchungsreihe auf die 
Bouillonkultur, die ich stets nach je 24 Stunden auf Blutagarplatten und 
auf Hammel blutagarplatten (Löffler) ausstrich. Sogelang es mir in acht 
Fällen Bakterien nachzuweisen, bei denen meine Blutplatten nach 3 mal 
24 Stunden steril geblieben waren. Waren Bazillen im Blut, und es 
handelte sich gewöhnlich um Streptokokken, so zeigte sich in der Blut¬ 
bouillon Hämolyse früher oder später je nach der bei der Blutentnahme 
in die Bouillon gelangten Keimzahl. Ausgestrichen auf Agar wuchsen 
schon nach 12 Stunden hämolysierende Streptokokken, in zwei Fällen 
auch noch Diphtheriebazillen. 

Die Ergebnisse meiner Untersuchungen habe ich tabellarisch geordnet. 
Zuerst sind die am Lebenden, später die bei den Toten erlangten Befunde 
zusammengestellt. Die Reihenfolge ist nach dem Alter aufgestellt; als 
Hauptgruppen sind die Altersklassen, wie sie bei der Medizinalstatistik 
des hamburgischen Staates üblich sind, gewählt. 

Zur weiteren Erläuterung der verschiedenen Rubriken meiner beiden 
großen Tabellen sei kurz folgendes augeführt. 

Besonderes Gewicht wurde auf Feststellung des Krankheitsbeginns 
bzw. des Krankheitstags bei der Aufnahme gelegt, soweit er sich durch 
Angabeu des Krauken oder seiner Angehörigen ermitteln ließ. Wir pflegeu 
unsere Fälle in leichte, mittelschwere und schwere einzuteilen. In dieser 


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Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie. 


227 


Arbeit handelt es sich ja um schwere Verlaufsformen, die als solche auf¬ 
kamen, ausgenommen ein Fall, der durch ein später am 19. Krankheits¬ 
tag auftretendes Rezidiv so schwer wurde, daß tracheotomiert werden 
maßte. 

Die Schwere des Falles hängt mit von den bei der Aufnahme schon 
vorhandenen und später hinzutretenden Komplikationen ab und werden 
diese in den Tabellen gesondert wiedergegeben. Sie zeigen, daß trotz 
hoher und frühzeitiger Serumgabe — in allen unseren hier angeführten 
Fällen wurden durchschnittlich 6000 und mehr Serumeinheiten gegeben 
— manche Patienten doch erlagen. Eine weitere Rubrik gibt die bei der 
Aufnahme vorhandene Temperatur wieder. Wiederholt sahen wir, daß 
gerade die schwersten Fälle nur geringe oder gar keine Temperatur¬ 
erhöhung aufwiesen. Sodann ist in einer weiteren Spalte der Todestag 
mit der letzten Temperaturmessung vermerkt. Ich führte die letzten 
Messungen an, weil ich glaubte aus ihnen Anhaltspunkte über das Ein¬ 
dringen der Bakterien in den Blutstrom zu gewinnen. Es zeigt sich, daß 
bei Todesfällen an späten.Krankheitstagen sowohl bei hohem als auch 
bei niedrigem Fieber sich gleich häufig bakterienhaltiges, als steriles Blut 
findet. Die beiden letzten Rubriken geben die bakteriologischen 
Resultate der Blutentnahmen unmittelbar nach dem Tode als auch der 
nach 24 Stunden bei der Autopsie gemachten wieder. Aus der Gegen¬ 
überstellung beider Untersuchungsreihen wird das verschiedene Verhalten 
der Bakterienzahl veranschaulicht. 

In den beiden Haupttabellen sind die Fälle durch Fettdruck besonders 
bezeichnet, bei denen sowohl intra vitam, als post mortem eine Blut¬ 
untersuchung vorgenommen wurde. Sie werden im Anschluß an Tabelle I 
besprochen werden. 

Betrachten wir zunächst kurz die Tabelle I der intra vitam gemachten 
Blutuntersuchungen, so ergibt sich, daß unter den 18 Fällen mit 10 Exitus 
nur 2 im kreisenden Blut Bazillen hatten. Bei 14 dieser Kranken, von 
denen 7 bald nach der Einlieferung starben, wurde in den ersten zwei¬ 
mal 24 Stunden nach ihrer Aufnahme die Blutentnahme gemacht; es 
waren durchweg Fälle mit zum Teil schwerer Beteiligung der Nase und 
des Kehlkopfes, auch standen sie bei der Aufnahme an vorgeschrittenen 
Krankheitstagen. In dem Fall 1 war die Bakterieneinschwemmung 
zweifellos nicht durch die Rachendiphtherie bedingt, sondern durch eine 
nicht zur Diphtherie gehörige Komplikation. Das Kind zeigte eine schwere 
Hautabschürfung an der Stirn, von der aus eine phlegmonöse Eiterung 
über die ganze Stirn und das Gesicht sich verbreitet hatte. Es kommt 
dieser Fall daher für die Beurteilung der Bakterieninvasion bei Diphtherie 
in Wegfall. 

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Tabelle I. 

Blutentnahmen am Lebenden. 


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228 William Leede: 


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104/11 

7164/11 

21 780/10 

1 117/11 

6 370/11 
20 696/10 

7 426/11 
5041/11 

1297/11 

6 866/11 

6 513/11 

7 488/11 

3359/11 

20 679/10 

4 762/11 

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Baktebiologische Blutbefunde bei Diphthebie. 


229 


Bei einer Erwachsenen (Fall 18) konnte 3 Tage nach ihrer Auf¬ 
nahme, am 6. Krankheitstag und 9 Tage vor dem Exitus im strömen¬ 
den Blut neben Streptococcus pyogenes der Diphthcriebacillus 
nachgewiesen werden; letzterer nur in der Bouillon, erstere auch ver¬ 
einzelt in der Blutagarplatte. Dieser Befund ist außerordentlich wichtig, 
denn bei der sofort nach dem Tode vorgenommenen Blutuntersuchung 
fanden sich nur noch Streptokokken. Es handelt sich somit um einen 
Fall von temporärer Bakteriämie durch Diphtheriebazillen. Der Fall war 
durch schwerste Ulzerationen am Gaumen und Larynx, sowie durch eine 
Pneumonie beider Unterlappen mit nachfolgendem Empyem besonders 
grav und hat auch während der ganzen Zeit hoch gefiebert. 

An dieser Stelle möchte ich auf die oben erwähnten Fälle zurück¬ 
kommen, bei denen intra vitam und post mortem eine bakterio¬ 
logische Blutuntersuohung stattfand. Dieselben sind die in 
Tabelle I als Nr. 3, 5, 10, 12, 14, 16, 18 

und in Tabelle II als Nr. öl, 53, 58, 59, 60, 61, 62 
verzeichneten. 

Unter ihnen wurden in den Fällen 

Tabelle I 3, 10, 14, 

Tabelle II 51, 58, 60 

das Blut einerseits einige Stunden vor dem Exitus der Kubitalvene, ander¬ 
seits sofort post mortem dem Herzen entnommen. Nur bei dem Fall 

jTj wuchsen aus dem Herzblut Streptococcus pyogenes, während alle anderen 

Blutentnahmen steril blieben. 

Zusammenfassend sehen wir aus obiger Zusammenstellung, daß folgende 
Komplikationen, die die Schwere der Fälle charakterisieren, zur Beobach¬ 
tung gekommen sind (vgl. Tabelle III). 

Es sind diese Komplikationen auch insofern interessant, als gerade 
bei ihnen in der Mehrzahl unserer Fälle das Blut bakterienhaltig 
war. Eine später wiederzugebende Tabelle wird ihr Verhalten noch ein¬ 
gehender veranschaulichen. 

Unter meinen 62 Fällen war die Nase 45mal schon bei der Auf¬ 
nahme beteiligt, und es dehnten sich durchschnittlich die Membranen bis 
an den Naseneingang aus. In sämtlichen Fällen wurde der Löffler- 
Bacillus nachgewiesen. Weniger häufig war der Kehlkopf ergriffen, aber 
dann auch durchweg schwer; unter 29 Larynxstenosen konnte nur sieben¬ 
mal von einer Tracheotomie Abstand genommen werden. Eine besonders 
schwere und nach unseren Erfahrungen fast absolut letal verlaufende 
Komplikation ist die hämorrhagische Diathese, mit welcher 5 Kranke 


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Tabelle II. 

Blutentnahmen an der Leiche. 


230 


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Bakteriologische Blutbefünde bei Diphtherie. 


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Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie. 


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Original fro-m 

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Bakteriologische Blütbefcnde bei Dephthebie. 


235 


auf kamen; in 9 Fällen trat sie in den ersten Tagen der hiesigen Behänd 
lung hinzu, stets aber bestanden gleichzeitig andere Komplikationen. 


Tabelle III. 

Das Verhalten der Komplikationen zum Lebensalter. 



i 


wovon zur 

Hämorrha- 

Pneumonie 

und 

Hroncho- 
pneumonie : 

Zahl 


Nase I 

Larynx 1 

j 

Tracheotomie 

kamen 

gische 
Diathese j 

der 

Falle 

bis 1 Jahr 

1 

i 

1 

_ 

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1 

1 — 5 Jahre 

27 

19 

16 

9 

3 

34 

5—15 „ 

14 

5 

3 

5 

2 

20 

15-25 „ 

i 2 

2 

1 

— 

— | 

5 

25-50 

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2 

l 

— 

— 1 

2 

Zusammen: | 

! 45 

| 29 

i 22 | 

14 

5 

62 


Die Bronchopneumonien und Pneumonien pflegten bei unseren 
Fällen erst im Verlauf der Erkrankung sich hinzuzugesellen und dann 
gewöhnlich nur einen Lappen zu ergreifen. 


Tabelle IV. 

Das Verhalten des Krankheitstags bei der Aufnahme. 


Krankheitstag 

1. 1 

2. 

8. 

4. 

5. 

6. und darüber 111 * 

bis lJahr. . . . 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

** unter diesen 
einer vom 30. u. 

1— 5 Jahre . . . 

2 

10 

11 

6 

3 

2 

einer vom 50. 

5—15 Jahre . . . 

— 

3 

7 

3 

1 

6 

Krankheitstag. 

15—25 Jahre . . . 

— 

1 

3 

— 

— 

1 


25 -50 Jahre . . . 

— 

— 

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Zusammen: 

2 

14 

22 

9 

6 

9 

62 


I 


Für die Prognose ist neben den Komplikationen auch der Krank¬ 
heitstag, an welchem der Kranke in Behandlung kommt, von großer 
Bedeutung, wie schon obige Zusammenstellung zeigt, und überhaupt viel¬ 
fach in größeren Beobachtungsreihen besonders betont worden ist. Die 
meisten unserer Fälle wurden erst am dritten Erkrankungstag und später 
eingeliefert. Weiter sehen wir, daß es das jüngste Lebensalter bis zu 
5 Jahren ist, welches besonders schwer betroffen wird. Die beiden am 
30. und 58. Krankheitstag eingelieferten Fälle starben innerhalb der 
ersten 24 Stunden nach ihrer Aufnahme; es handelte sich um ausgebreitete 
postdiphtherische Lähmungen. 


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236 


Willi au Leese: 


In der folgenden Tabelle habe ich die sowohl klinisch (62) als ana¬ 
tomisch (60) untersuchten Fälle nebeneinander gestellt. Der Einfachheit 
halber wählte ich die Ausdrücke „klinisch“ und „anatomisch“ und ver¬ 
stehe unter klinischen Fällen die unmittelbar nach dem Tode im Neben¬ 
raum des Erankensaales von mir als klinischem Assistenten vorgenommene 
Herzpunktion, und unter anatomisch die im anatomischen Institut 24 Stunden 
post mortem vorgenommene Blutentnahme aus dem Herzen nach der von 
Schottmüller angegebenen Methode bei freigelegtem Herzen. 

Es kommen durch Sektionsverweigerung zwei anatomische in Fort¬ 
fall, bei dem einen fand ich streptokokkenhaltiges, bei dem anderen 
steriles Blut. 


Tabelle V. 

Zahl und Ausfall der klinischen und anatomischen 


Blutuntersuchungen. 


1 

i 

Zahl der bakteriolog. 
untersuchten Fälle 

klinisch | anatomisch 

Bazillen 
Blut na< 

klinisch 

wurden im 
shgewiesen 

anatomisch 

Bazillen wurden 
nur nachgewiesen 

klinisch j anatomisch 

bis 1 Jahr 

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1 

— 

1 

— 

1 

1—5 Jahre 

34 

33 

21 

22 

2 

1 4 

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20 

19 

8 

10 

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3 

3 

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1 2 

2 

2 

2 

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— 

Zusammen: 

i 62 

60 1 1 

1 

1 34 

38 

! 5 

! 

1 10 


1 2 Autopsien waren untersagt. 


Während ich nun 34 mal bazillenhaltiges Blut gewann, ergab die ana¬ 
tomische Untersuchung in 38 von 60 Fällen ein positives Resultat. Ferner 
weist das Lebensalter zwischen dem 1. und 5. Lebensjahre bei weitem die 
meisten positiven Befunde auf, worauf das spätere Kindesalter an zweiter 
Stelle folgt. Aus den letzten beiden Rubriken ergibt sich, daß während 
ich in 5 Fällen Bakterien nachweisen konnte, bei anatomisch sterilem 
Blut, anatomisch 10 mal bazillen haltiges Blut sich fand bei klinisch sterilem. 
Im Anschluß an die Besprechung der Tabelle IX wollen wir näher auf 
diese Tatsache zurückkommen. 

Wie schon erwähnt, spielen die Komplikationen bei der Bakterien¬ 
invasion ins Blut eine große Rolle, wie sich aus der nun folgenden Tabelle 
ergibt, wo von 9 komplikationslosen Fällen nur 5 ein positives Resultat 
ergaben, während unter den 51 Testierenden 38 mal Bazillen nachgewiesen 
werden konnten. 


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Baktebiologische Blutbefunde bei Diphthebie. 


237 


Ta belle VI. 

Das Verhalten der Komplikationen zum bakteriologischen 

Blutbefund. 



Zahl 

klinisch: — 
anatomisch: — 

klinisch: — 
anatomisch: + 

klinisch: + 
anatomisch: — 

klinisch: *F 
anatomisch: + | 

Nase (darunter auch l Fall mit Augendiphtherie 
und 1 Fall mit Paresen). 

16 

5 

1 

i 

9 

Nase und Larynx. 

2 

1 2 

— 

— 

— 

Nase; Larynx; hämorrhagisehe Diathese . . . 

5 

1 

3 

— 

1 

Nase; Larynx; hämorrhagische Diathese; Tracheo¬ 
tomie . 

3 

1 

_ 


2 

Nase und hämorrhagische Diathese. 

5 

2 

1 

— 

o 

Nase; Larynx; Tracheotomie. 

12 

1 

4 

1 

6 

Nur Larynx. 

l 

— 

— 


1 

Larynx und Tracheotomie. 

7 

1 


i 

5 

Koraplikationsfreie Fälle (darunter 2 mit Paresen) 

9 

4 

1 

2 

2 

Zusammen: 

60 

17 

10 

5 

28 


— = negativ = steriles Blut 
+ = positiv = bazillenhaltiges Blut. 

(Die beiden anatomisch nicht gemachten Untersuchungen sind hier nicht aufgezählt.) 


Auch hier finden wir die meisten positiven Resultate in solchen 
Fällen, bei denen die Nase allein (neben dem Rachen) beteiligt ist, so 
11 mal unter 16. Bei den übrigen Komplikationen, abgesehen von 8 Fällen 
reiner diphtherischer Larynxstenose, ist die Nase stets ergriffen gewesen. 
Unter den 13 hämorrhagischen Diathesen, bei welchen stets andere 
schwere Begleiterscheinungen zu verzeichnen waren, erwies sich das Blut 
sowohl klinisch als auch anatomisch 4 mal steril. 

Bei dem Tod an spätem Krankheitstag durch Herzinsuffizienz, 
wo die durch die Diphtherie gesetzten Ulzerationen im Rachen usw. schon 
längt abgeheilt sind, könnte man vermuten, daß durch Ausschalten der 
Wundfläche als Eingangspforte für die Bazillen stets ein steriles Blut sich 
findet. Es zeigt sich aber, daß (rechnen wir z. B. vom 19. Krankbeitstag 
an) sich das Blut ebensooft infiziert zeigte als nicht. In einem Fall, der 
durch eine späthin auftretende Bronchopneumonie am 33. Krankheitstag 
ad exitum kam, wuchsen neben Streptococcus pyogenes auch anatomisch 
Pneumokokken. 


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Die beiden anatomisch nicht untersuchten sind hier angeführt. 


288 


William Leede: 


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Original fro-m 

UNIVERSITY 0F CALIFORNIA 


Das Verhalten des Blutes in bezug auf Keime zum Todestag. 







Bakteriologische Blutbefunde bei Diphtherie. 


239 


Tabelle VII gibt einen Überblick über das Verhalten des Blut¬ 
befundes zu den Todestagen, wobei der Kürze halber mehrere nahe¬ 
liegende unter eine Rubrik zusammengefaßt wurden. Es fällt sofort auf. 
daß die Infektion des Blutes mit Streptococcus pyogenes bei 
weitem die häufigere ist. 

Wie aus der nun folgenden Zusammenstellung ersichtlich, kommen 
reichlich Mischinfektionen vor, doch decken sich unsere Resultate nicht 
immer; denn zweimal fand ich neben Streptokokken noch Diphtherie¬ 
bazillen, wohingegen anatomisch in dem einen Fall nur Diphtherie¬ 
bazillen, in dem anderen nur Streptokokken gezüchtet wurden; zweimal 
wurden anatomisch neben Streptokokken auch Löfflerbazillen nach¬ 
gewiesen, während ich in dem einen nur Streptokokken isolierte, in dem 
anderen blieb das Blut steril. 

Tabelle VIH. 

Die nachgewiesenen Bakterienarten. 


1 

klinisch 

1 anatomisch 

Streptococcus pyogenes. 

29 

23 

Streptoc. pyog. + Bacillus diphtheriae. 

4 

4 

Streptoc. pyog. + Bacterium coli. 

1 

1 

Streptoc. pyog. + Staphylococcus aureus. 

l 

3 

Streptoc. pyog. -f Diplococcus lanceolatus. 

' — 

1 

Streptoc. pyog. + Dipl. lanc. 4* Staphyl. aur. . . . 

— 

1 

Bacterium coli. | 

— 

1 

Bacillus diphtheriae. 

— 

1 

Diplococcus lanceolatus., 

— 


Staphylococcus aureus. 

— 

i 2 

Zusammen: 

34 

38 


Ferner fanden sich in dem einen Fall klinisch neben Streptokokken 
auch Bacterium coli, anatomisch dagegen nur Colibazillen, in einem 
weiteren Fall waren klinisch nur Streptokokken, dagegen anatomisch auch 
Colibazillen vorhanden. Es folgen nun die übrigen Bazillenarten, wobei 
auffällt, daß bei der anatomischen Untersuchung sich eine Reihe anderer 
Bazillen ergibt, die bei meiner vermißt werden. Wir können als nächst- 
liegenden Grund wohl nur als Tatsache annehmen, daß es doch eine 
postmortale Bakterieninvasion in die Blutbahn gibt. Tabelle IX 
illustriert dieses. 


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240 


WiliiIam Leede: 


Tabelle IX. 

Das Verhalten der klinisch festgestellten zn der anatomisoh 
festgestellten Keimzahl. 


Es konnten klinisch nachgewieaen werden: 




i 

nur i. Bouillon 




Es waren 
steril: 




bei sterilen 

spärlich 

zahlreich 

zahllos 



| 

Blutplatten 




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| Zahl 
der Fälle*. 

8 

8 

9 

8 

10 

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spärlich 

7 

1 

— 

1 

1 

4 

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zahlreich 

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2 

1 

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4 

6 

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steril: 

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1 

1 


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— 

§ 

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1 l 



Es waren klinisch and anatomisch steril 17 Blntuntersnchungen. 


Zur Erläuterung sei bemerkt, daß in der oberen horizontalen Rubrik 
meine Untersuchungsreihe nach dem Bazillenreichtum gesondert ist und 
ich bezeichnte als „spärlich“ Fälle mit bis zu 10 Keimen im Kubik¬ 
zentimeter, „zahlreich“ solche bis zu 20 Keimen und als „zahllos“, wenn 
die Keimzahl noch größer ist; denn es handelte sich hierbei gewöhnlich 
um solche, bei welchen die Blutplatten vollständig mit Keimen durchsetzt 
waren, so daß durch Hämolyse (es waren durchweg Streptokokken) die 
sonst roten Blutagarplatten völlig entfärbt waren. 

In der linken vertikalen Rubrik sind die anatomischen Resultate in 
gleicher Weise eingeteilt. Die beiden anatomisch nicht untersuchten 
Fälle (Sektionsverweigerung) sowie die übrigen klinisch und anatomisch 
steril gebliebenen 17 sind hier nicht angeführt. 

Das Verhalten der klinisch untersuchten Fälle in bezug auf weitere 
Bakterienentwicklung in der Leiche läßt sich durch Lesen von oben nach 
unten und Vergleichen mit der linksstehenden anatomischen Bezeichnung 
leicht verfolgen und ebenso können von links nach rechts gelesen unter 
Beobachtung der oben stehenden Bezeichnungen die anatomischen mit 
den klinischen Ergebnissen verglichen werden. 

Während die klinischen Befunde sich auf die angeführten Unter¬ 
gruppen gleichmäßig verteilen, finden wir unter „zahllos“ bei den ana¬ 
tomischen 26 Fälle verzeichnet gegenüber 8 klinischen. 

Achtmal konnte ich nur in Bouillon Bazillen züchten (bei sterilen 
Blutplatten), dagegen waren anatomisch einmal „spärliche“, zweimal 
„zahlreiche“, viermal „zahllose“ und einmal keine Bazillen nachgewiesen 
worden. 


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Original frum 

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Baktebiologische Blutbefuhde bei Diphthebie. 


241 


Es findet also postmortal oft eine sehr lebhafte Bakterien - 
Vermehrung in der Leiche statt. 

Besonders interessant ist die letzte horizontale Rubrik, nach der 
anatomisch fünfmal keine Bazillen nachgewiesen werden konnten, während 
in drei Fällen sogar klinisch die Platten durch die zahllosen Keime total 
entfärbt waren, in einem weiteren Fall nur spärlich, in einem anderen 
nur in Bouillon sich Bazillen fanden. Solange Untersuchungsfehler nach 
unserer festen Überzeugung ausgeschlossen, müssen demnach irgendwelche 
bakterizide Kräfte im Leichenblut weiter gewirkt, möglicherweise auch 
sich neugebildet haben, so daß innerhalb der ersten 36 Stunden nach dem 
Tode sämtliche Keime untergingen. 

Warum in vereinzelten Fällen alle Keime, in anderen die eine oder 
die andere Keimart aus dem Blut bei der anatomischen Untersuchung 
verschwunden waren; ob die in Frage kommenden bakteriziden Körper 
durch Leukozytenzerfall entstehen, muß, ehe weitere Untersuchungen vor¬ 
hegen, dahingestellt bleiben. Leider konnten bei den derzeitigen sehr 
zahlreichen und schweren Aufnahmen aus äußeren Gründen klinische 
Untersuchungen, ob diese Fälle und welche von ihnen unter Leukozytose 
bzw. Leukopenie letal verliefen, nicht angestellt werden. Hinsichtlich 
dieser rein theoretischen und spekulativen Fragen sei auf die serologische 
Literatur verwiesen. 1 

Meine Vermutung, daß in einzelnen Fällen doch eine postmortale 
Bakterieninvasion in die Blutbahn nicht von der Hand zu weisen ist, da 
das klinische Bild vor dem Tode bei vielen Fällen gegen eine Bakteriämie 
(wie sie anatomisch sich so oft fand) sprach, findet in dieser kleinen Unter¬ 
suchungsreihe eine Stütze. Es ist in dieser Beziehung die letzte klinische 
Rubrik ausschlaggebend. Denn wir sehen, daß von 10 künisch absolut 
steril gebliebenen Herzpunktiouen vier spärlich, eine zahlreich und sogar 
fünf zahllose Keime bei der anatomischen Blutentnahme aufwiesen. 

Man könnte einwenden, ich hätte durch das Anstechen des rechten 
Vorhofes den Bazillen Tür und Tor geöffnet und so ein anatomisch 
positives Resultat ermöglicht. Allein dieser Einwand erscheint nicht stich¬ 
haltig, da in 17 meiner Diphtheriefälle sowohl anatomisch als klinisch 
steriles Blut gewonnen wurde, und vor allem sprechen die Fälle gegen 
solche Bedenken, bei welchen klinisch bazillenhaltiges dagegen, anatomisch 
steriles Blut sich fand. Um ein eventuelles Eindringen von Bazillen 
durch den Stichkanal, wenn dieser durch ein oft bazillenhaltiges Organ, 
wie die Lunge in schwersten Fällen zu sein pflegt, führt, nach Möglich- 

* Hans Mach, Jahrbücher der Hamhurgitchen Staattkrankenamtalten. Bd. XII; 
XIII; XVI. — Vgl. auch Much, Würzburger Abhandlungen. 1909. Bd. IX. — 
ImmunilätswUzentch a flen. 1911. 

Zeltscbr. f. Hygiene. LXIX 

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242 William Leede: Baktebiologische Blutbefunde usw. 


keit auszuschließen, stach ich hart am Sternalrand ein und nahm so meinen 
Weg zum Herzen nur im Mediastinum, bei den Autopsien wurden auch 
nie Verletzungen der Lunge gesehen. 

Fasse ich kurz zusammen, so ergibt sich aus meiner Unter¬ 
suchungsreihe: 

1. Daß Bakterien bei der Diphtherie schon intra vitamund 
zwar lange vor dem Tode im Blute kreisen können (ein positiver 
Fall unter 18). 

2. Daß gerade hier die spezifischen Löfflerbazillen auf der 
Höhe der Diphtherie 9 Tage vor dem Tode gewonnen wurden, 
und daß diese später nicht mehr nachweisbar waren, es mithin 
eine temporäre Bakteriämie war. 

3. Daß frühzeitige und später vorgenommene postmortale 
Blutuntersuchungen sehr häufig Bazillen ergaben. 

4. Daß schließlich aus den letzten Beobachtungen re¬ 
sultiert: 

a) Es findet eine postmortale Vermehrung von Keimen in 
dem Leichenblut statt. 

b) Es gibt dem gegenüber aber Fälle, in welchen zwar bei 
dem Tode in der Blutbahn sich Bazillen finden, die jedoch in 
den ersten 36 Stunden post mortem an Zahl sehr abnehmen 
und selbst vollständig verschwinden können. 

c) Es ist schließlich eine postmortale und zwar bereits in 
den ersten 24 bis 36 Stunden nachweisbare Bakterieninvasiou 
in die Blutbahn möglich und anscheinend sogar häufig (unter 
43 Fällen 10 mal). 

In dieser letzteren Beziehung stehe ich in einem Gegensatz zu 
Strauch 1 , der die Annahme einer postmortalen Bakterieninvasion in den 
Blutstrom unter der Voraussetzung einer guten Leichenkonservierung für 
unberechtigt hält. 

Auf seine Arbeit möchte ich zum Schluß noch besonders verweisen, 
da er neben dem besonders stattlichen Material von 2000 am hiesigen 
pathologischen Institute ausgeführten bakteriologischen Leichenblutunter¬ 
suchungen eine ausführliche Zusammenstellung der Literatur über Leichen- 
blutuntersuchungen gibt. 

1 Strauch, Uber bakteriologische Leichenblutuntersuehungen. Diese Zeitschrift. 
1910. Bd. LXV, — Vgl. auch Bonhoff, Über das Vorkommen von virulenten 
Diphtheriebazillen im Blut und in der CerebrospinalHüssigkeit beim Menschen. Ebenda. 
1910. Bd. LXVII. 


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[Aus der bakteriologischen Abteilung der hygienisch-chemischen Unter¬ 
suchungsstelle beim Sanitatsamt des II. Armeekorps.] 


Beitrag zur Hygiene der Wand an striche. 

Von 

Stabsarzt Dr. Hüne. 


Zur Beurteilung eines Wandanstriches vom hygienischen Standpunkte 
aus sind folgende Fragen zu stellen: . . 

I. In welcher Weise und unter welchen Bedingungen üben Wand¬ 
anstriche auf die Weiterverbreitung von Krankheiten einen Einfluß aus? 

II. Wie müssen Wandanstriche beschaffen sein, um der Weiterver¬ 
breitung einer ansteckenden Krankheit keinen Vorschub zu leisten bzw. 
sie zu verhüten? 

III. Verursacht der Gebrauch geeigneter Wandanstriche Mehrkosten 
und lassen sich diese durch den erzielten Nutzen rechtfertigen? 

I. In welcher Weise und unter welchen Bedingungen üben An¬ 
striche, besonders Wandanstriche auf die Weiterverbreitung von 
Infektionskrankheiten einen Einfluß aus? 

Es ist von vielen Seiten (z. B. Flügge, Cornet, Heymann, Kir- 
stein) unzweifelhaft erwiesen, daß in den von Menschen, besonders von 
Kranken bewohnten Räumen lebens- und ansteckungsfähige Krankheits¬ 
erreger vorhanden sind bzw. vorhanden sein können. Dafür sprechen 
epidemiologische Beobachtungen und bakteriologische Feststellungen. Diese 
Krankheitserreger werden an die Gegenstände im Zimmer und an die 
Wände verspritzt oder gelangen eingetrocknet mit dem aufgewirbelten 
Staub dorthin. Im ersteren Falle haften sie, z. B. in Wasser, Auswurf, 
Urin und Kot verteilt, nach dem Eintrocknen meist fest an der Unterlage 

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Hüne: 


und lassen sich nur durch Berühren oder bei der Reinigung durch Ab¬ 
wischen oder Abbürsten von ihr entfernen. Dagegen werden sie mit 
Staub vermischt nur lose den Flächen auf- oder anliegen und schon durch 
mehr oder weniger starken Luftzug (öffnen der Fenster oder Türen) in 
die Zimmerluft wieder verstäubt werden. Grundbedingung zur Ansteckung 
durch einen Krankheitskeim, der sich in einem Spritzer oder im Staube 
auf Gegenständen oder an Wänden befunden hat, ist seine Widerstands¬ 
fähigkeit gegenüber der Eintrocknung. Z. B. kommen hier der Genick- 
starrerreger, der Tripperkeim, der Influenzabacillus gar nicht in Frage, da 
sie das Austrocknen nicht vertragen; fast ebenso geht es Choleraerregern. 
Nach Neisser und nach Schwarz vertragen folgende Bakterien gut die 
Eintrocknung: Pyocyaneus, Eiterkokken, Milzbrandsporen und Tuberkel¬ 
bacillus. Zugleich können sich diese Keime wegen ihrer Kleinheit schon 
bei schwach bewegter Luft schwebend erhalten, während Typhus- und 
Diphtheriebazillen die Austrocknung zwar vertragen, aber nur von stärkeren 
Luftströmen in der Schwebe gehalten bzw. gehoben werden. Je leichter 
die Bakterien von bewegter Luft getragen werden, desto höher an den 
Wänden hinauf wird der Staub derartige Keime enthalten. So wird von 
einigen behauptet, daß Typhus- und Diphtheriekeime nur 1-5 bis 2 m , 
höchstens 2-5“ an den Wänden hinauf sitzen. 

Spritzer finden sich hauptsächlich in unmittelbarer Umgebung (Bett) 
des Kranken an den Gegenständen und Wänden, und zwar übt die Be¬ 
schaffenheit der Anstrichoberfläche, ob sie rauh oder glatt ist, so gut wie 
keinen Einfluß aus; jedoch wird feuchtes Material auf glatten Flächen, 
soweit diese von einer für Wasser unlöslichen oder undurchdringlichen 
Schicht (z. B. glattem, porenlosem öl- oder Lackanstrich) überzogen sind, 
nur oberflächlich antrocknen. Dagegen werden bei rauhen, besonders 
porösen Anstrichen oder bei solchen Farben, die mit Wasser angerührt 
waren, also das Wasser in sich aufnehmen, die in den Spritzern enthal¬ 
tenen Bakterien tiefer eindringen. Der Staub dagegen und die in ihm 
enthaltenen Bakterien werden im allgemeinen nur lose auf ihrer Unter¬ 
lage liegen, meist an weniger steilabfallenden Flächen in größerer Menge. 
So sehen wir ihn bei genauem Zusehen an unebenen, wenn auch sonst 
glatten Flächen in entsprechend wechselnder Menge haften. Noch mehr 
ist dies auf rauhen oder porösen, auch rissigen Flächen der Fall; ganz 
feine Teile gelangen auch in die tieferen Poren und Risse, die wir dann 
oft schon mit unserem Auge mit Staub (Schmutz) angefüllt erkennen. — 
Staubförmiges lose und oberflächlich haftendes Material wird schon bei 
starker Luftbeweguug, Laufen im Zimmer, öffnen der Fenster und 
Türen usw. in mehr oder weniger großer Menge, bei stark verstaubten 
Flächen „in Staubwolken“ in das Zimmer gelangen. Da gerade die Bak- 


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245 


terien mengen eine große Rolle bei der Ansteckung spielen, werden diese 
Verhältnisse am leichtesten zur Erkrankung führen (z. B. bei Tuberkulose). 
Die tiefer und festsitzenden Staubteile, ferner der als Spritzer an Gegen¬ 
stände und Wandflächen gelangte Schmutz wird nur durch starke Luft¬ 
ströme oder bei Abwischen, Abfegen, also bei gröberen Einwirkungen, von 
den Flächen losgelöst und nur selten auf einmal in größerer Menge in 
die Atemluft oder in den Mund von Menschen übertragen werden können. 

Der Wandanstrich begünstigt also die Weiterverbreitung von Krank¬ 
heiten: 

1. wenn er rauh und rissig oder auch nur uneben ist; 

2. wenn er vermöge seiner Zusammensetzung Spritzer, z. B. von 
Kot, Urin, Auswurf in sich eindringen läßt, z. B. Wasser, ältere Leim- 
und Kaseinfarben. 

II. Wie mitogen Wandanstriche beschaffen sein, am der Weiter¬ 
verbreitung einer ansteckenden Krankheit keinen Vorschub zu 
leisten bzw. sie zu verhüten? 

Einesteils ergibt sich die Beantwortung der Frage aus dem bisher 
Besprochenen. 

1. Je glatter und dichtgefügter, d. h. ohne Poren und Risse ein An¬ 
strich ist, desto weniger wird der Staub haften und desto weniger wird 
feuchtes Material (z. B. Spritzer) eindringen können. 

2. Das Eindringen von Bakterien in Spritzern ist bei solchen Flächen 
möglich, welche in Wasser löslich (Leim) oder für Wasser durchdringbar 
sind (Wasserfarben). 

Die nun in Spritzern und Staub den Flächen anhaftenden Bakterien 
können auf verschiedene Weise unschädlich gemacht werden: 

1. Durch Desinfektionswirkung der Anstrichfarbe selbst. 

2. Durch Reinigung: feuchtes Abwischen und Abreiben (hierher ge¬ 
hört auch Abreiben mit Brot). 

3. Durch Abwaschen mit (heißem) Wasser, in dem Seife (Kali¬ 
seife 1:1000), Soda (2 Prozent) oder auch Desinfektionsmittel (Kresolseife, 
Sublimat, Karbolsäure) gelöst sind. 

4. Durch gasförmige Desinfektionsmittel. 

Selbsttätige Desinfektionswirk|ung. 

Zuerst ist meines Wissens Deyke 1898 bei der Prüfung der Amphibolin¬ 
farbe auf Desinfektionswirkung von Wandanstrichen aufmerksam geworden. 
Dann haben sich Jakobitz, Huß, Rapp, Weiß, Rabinowitsch u. a. 
mit der Frage beschäftigt. Ihre Versuchstechnik war meist folgende: 


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Hüne: 


Es wurden Auswurf-, Kotaufschwemmung, Urin- oder Kochsalz- bzw. 
Bouillonaufschwemmungen von Reinkulturen (Tuberkelbazillen, Staphylo¬ 
kokken, Streptokokken, Diphtherie-, Cholera-, Typhus-, Pyocyäne- und 
Milzbrandbazillen) in dünner Schicht auf Holz, Zement, Glas, Blech ein 
oder mehrere Male nach der in der Malerpraxis üblichen Weise auf¬ 
getragen; davon wurden nach verschiedenen Zeiten mit sterilen Watte- 
bäuschchen Stellen abgetupft oder mit dem Messer abgekratzt und dieses 
entnommene Material im Brutschrank oder Tierversuch weiter auf Steri¬ 
lität geprüft. Jakobitz wies nach, daß bei der Desinfektionswirkung 
die Art der Unterlage, Holz, Glas, Blech keine wesentliche Rolle spielt. 

Es wurde also stets feuchtes Material auf die Probetafeln aufgetragen 
und damit eigentlich nur dem Verspritzen von infektiösem Material 
Rechnung getragen, nicht den in trockenem Zimmerstaube befindlichen 
Bakterien; ich werde weiter unten darauf eingehen. Das Untersuchungs¬ 
ergebnis der in der Literatur veröffentlichten Arbeiten, soweit sie mir 
zugänglich waren, ist aus Tabelle I ersichtlich. 

Zunächst fallt bei dieser Zusammenstellung die außerordentliche Ver¬ 
schiedenheit der Untersuchungsergebnisse auf. Man vergleiche nur bei 
den einzelnen Autoren die Wirkung der Ölfarbe auf Typhusbazillen. Wenn 
auch die Desinfektionswirkung bei Vitralin und dem ihm nahestehenden 
Vitralpef eine bemerkenswerte ist, so muß man nicht vergessen, daß alle 
diese Ergebnisse sich auf feuchtaufgetrageue Bazillenaufschwemmungen 
in dünner Schicht, teils in natürlichen Entleerungen, teils in Reinkultur, 
mit Kochsalz oder Bouillon aufgeschwemmt, beziehen. Sie entsprechen 
also nicht der meist in der Praxis vorkommenden Staubübertragung. Diese 
Bedenken gelten in erster Linie der Tuberkulose; ganz abgesehen davon, 
daß die Abtötung der Tuberkelbazillen selbst bei den so günstig für die 
Desinfektion gewählten Versuchsbedingungen eine recht mäßige ist. Bei 
sporenhaltigem Milzbrand ist so gut wie keine Beeinflussung mehr zu 
verzeichnen. 

Über den begünstigenden Einfluß des Lichtes bei der Keimtötung 
durch Anstrichfarben sind die Meinungen ebenfalls geteilt. Xylander 
gibt an, daß Tuberkelbazillen auf Vitralin im Hellen nach 8 Tagen, im 
Dunkeln nach 5 Tagen abgetötet werden, auf Öl-, Leim- und Kalkfarben 
sollen sie nach ihm bei hellem Tageslicht nach 5 bis 10 Tagen nicht 
mehr, im Dunkeln noch nach 30 Tagen lebensfähig sein. Selbst auf 
unbestrichenen Flächen erlagen die Tuberkelbazillen dem Sonnenlicht 
schon nach 10 Tagen. Ebenfalls haben andere (Heymann, Kirstein, 
Weiß und auch Rabinowitsch) eine erhebliche Unterstützung durch 
das Licht bei der Tuberkelbazillenabtötung gefunden, besonders für 
Vitralin, Emaille- und Zonkafarben. Ich halte für Tuberkelbazillen nach 


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247 


wie vor Sublimatlösung und Sonnenlicht (Bauart der Krankensäle!) für 
die besten und preiswertesten Mittel in dieser Hinsicht. 

Eine ganz erhebliche Abnahme der Desinfektionswirkung haben die 
einzelnen Forscher bei älteren Anstrichen beobachtet, z. B. wurden 
Staphylokokken bei Jakobitz sofort nach dem Trocknen des Anstriches 
in 12 Stunden, nach 10 Wochen in 48 Stunden, nach 4 Monaten erst 
in 4 Tagen, nach 1 Jahr in 8 Tagen abgetötet. Huß sagt, daß bei 
Vitralin die Desinfektionswirkung „nicht unerheblich abgenommen“ habe. 
Bei Xylander war „noch nach 3 Monaten auf Vitralin Wirkung wahr¬ 
zunehmen“. Diese Vorsichtigkeit in der Ausdrucksweise von sonst die 
Desinfektionskraft des Vitralins lobenden Autoren ist besonders zu beachten. 

Selbst wenn man die eigene Desinfektionswirkung der Wandanstriche 
in den ersten Wochen und Monaten für die Praxis als verwendbar an¬ 
sähe, so beweist diese rasch erfolgende, starke Abnahme der Keimver¬ 
nichtungskraft voll und ganz ihre praktische Zwecklosigkeit, denn wo 
kann ein kostspieliger Anstrich in 3, 6, ja selbst auch in 12 Monaten 
erneuert werden? Wenn auch in allen von Menschen bewohnten Räumen, 
besonders in Kasernen und Krankenzimmern, eine Vernichtung sämtlicher 
an Gegenständen und Wänden haftenden Keime erwünscht wäre, so 
kommen in erster Linie doch wohl Eitererreger für Operationszimmer, 
Diphtheriebazillen für Krankenzimmer und besonders Tuberkelbazillen für 
Lungenheilanstalten in Frage. Wie stebt’s nun mit der Abtötung dieser 
Keime bei den in Tabelle I angegebenen Untersuchungen? 

1. Staphylokokken werden von Vitralin und Emaillefarben, unter 
welchen manche Untersucher, z. B. Jakobitz, mehrere Vitralinsorten 
zusammenfassen, in 5, 8 bis 12 Stunden, von Ölfarben aber ebenfalls 
schon nach 12 bis 14 Stunden abgetötet. 

2. Ebenso verhält es sich mit Streptokokken. 

3. Gleichgeringe Unterschiede bestehen bei den einzelnen Farben für 
Diphtheriebazillen. 

4. Tuberkelbazillen werden auf Emaille- und Vitralinanstrichen in 
3 bis 4 Tagen, auf Ölfarbe nach Xylander und Weiß aber ebenfalls 
schon oft nach 5 Tagen abgetötet. Auch hier gehen die Untersuchungs¬ 
ergebnisse der einzelnen Autoren weit auseinander. Ungleiche Versuchs¬ 
technik kann diese Unterschiede nicht allein bedingeu. Das muß noch 
andere Gründe haben! Ich glaube, daß hierin Ungleichheiten der ein¬ 
zelnen fast oder ganz gleichnamigen Fabrikate verschiedener Firmen, ja 
ein und dieselben Namen tragenden Farben derselben Firma 
die größte Rolle spielen. Mir ist ein Fall bekannt, wo es der Firma sehr 
unangenehm war, daß neben den direkt bezogenen Farben auch Handels- 


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marken, die unauffällig gekauft waren, untersucht wurden. Bei dem 
einen Fall war die Besorgnis der Fabrik allerdings ganz unnötig, denn 
Handelsware erfüllte die von mir gestellte Bedingung besser als die von 
der Fabrik zur Prüfung gesandte. Ich werde am Schluß der Arbeit 
hierauf nochmals kurz zurückkommen. 

5. Bei den anderen untersuchten Krankheitserregern, den Darmpara¬ 
siten, Cholera, Typhus, Paratyphus leisten Ölfarbenanstriche ebenfalls fast 
gleiche Dienste wie die Emaillefarben und Vitralin. 

Es sind also die in der Literatur veröffentlichten Untersuchungs¬ 
ergebnisse schon höchst ungleich und die Erfolge verhältnismäßig gering; 
dieses spricht recht wenig für eine Bevorzugung der als desinfizierende 
Wandanstriche im Handel angepriesenen Farben. Meine eigenen Unter¬ 
suchungen sind nur mit Staphylokokken angestellt und zwar zunächst 
mit Kochsalz- bzw. Bouillonaufschwemmung von 24 ständigen Agarrein¬ 
kulturen, die in dünner Schicht auf die Anstrichfarben aufgetragen 
wurden. Die Art der untersuchten Farben ist aus den weiter unten an¬ 
geführten Tabellen ersichtlich. Die Anstriche wurden auf Holzplättchen 
hergestellt, vor Beginn der Versuche 7 bis 10 Tage trocknen lassen und 
dann diese Platten nach dem Beschichten mit keimhaltigem Material durch 
loses Zudecken mit reinem Papier oder Glasglocken vor Staub geschützt 
im Laboratorium aufgestellt. 

Die Ergebnisse meiner möglichst unter gleichen Bedingungen an- 
gestellten Versuche entsprachen etwa in bezug auf feuchtaufgetragenes, 
infiziertes Material den Angaben in der Literatur. Die Abtötung schwankte 
selbst bei Farben gleicher Art (Ölfarben, mit Vitralin bezeichneten 
Marken usw.) sehr, zwischen 6 bis 12 Stunden für Kochsalzaufschwem¬ 
mungen, zwischen 8 bis 24 Stunden, ja bis 3 und 4 Tagen für Bouillon¬ 
aufschwemmungen. Auch diese Unterschiede zwischen der Widerstands¬ 
fähigkeit der einzelnen Keime, ob sie mit Kochsalz oder Bouillon auf¬ 
geschwemmt waren, sind sehr bedeutungsvoll, da in der Praxis die Keime 
in ähnlicher Weise durch die in Blut und Abgängen (Auswurf, Kot, Urin) 
enthaltenen Schleim- und Extraktivstoffe gegen Desinfektion mehr oder 
weniger geschützt sind. Wurde Blutserum gar genommen, so verzögerte 
sich bei Vitralin und Ölfarben die Keimtötung meist noch um mehrere 
Tage. Immer wieder trat gerade hierbei die Unregelmäßigkeit und Un¬ 
zuverlässigkeit der Desinfektionswirkung von Anstrichen hervor. — Soweit 
die Prüfung mit Aufschwemmungen, die den in Spritzern an Gegenstände 
und Wände gelangten Keimen entsprach! 

Wie schon eingangs bemerkt, gelangen aber in weit größerem Maße 
mit dem Staube Keime, besonders Tuberkel-, Diphtheriebazillen, Eiter¬ 
erreger usw. in lebensfähigem Zustand auf Gegenstände und an die Wände. 


Gck igle 


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Beitbag zub Hygiene deb Wandanstbiche. 


251 


Diesen Verhältnissen tragen jedoch die veröffentlichten Versuche in keiner 
Weise Rechnung. Die bei größerer oder geringerer Zugluft von den 
Wänden und (Jegenständen wieder losgelösten Staubteile werden nur lose, 
meist wohl durch eine dichtere, fester auf der Unterlage sitzende Staub¬ 
schicht, von der Anstrichfarbe getrennt, haften. Gerade dieser Staub ist 
der gefährlichere, weil er vom Fußboden, von Gardinen, Kleidern usw. frisch 
aufgewirbelte Teile und damit auch lebensfähigere Bakterien enthält. Aber 
gerade diese Keime sind etwas, wenn auch nur minimal, von der keim¬ 
tötenden Schicht entfernt und, wie soeben beschrieben, durch die erste 
Schmutzschicht getrennt. Alles dieses muß bei der Prüfung von desinfi¬ 
zierenden Wandanstrichen die Aufmerksamkeit gerade auf den an den 
Flächen anhaftenden Staub lenken. 

Meine Versuchstechnik bei der Staubuntersuchung war folgende: 

Es wurde möglichst feiner Staub gesammelt und trocken sterilisiert. 
Nach Prüfung auf Keimfreiheit wurde der Staub mit der Aufschwemmung 
einer 24 ständigen Staphylokokkenagarkultur in Bouillonverdünnung (1 Teil 
Bouillon, 9 Teile destilliertes Wasser) infiziert, bei 37 0 getrocknet und in 
einem sterilen Mörser möglichst unter Vermeidung vou Luftkeimen ver¬ 
rieben. Nach Prüfung (mittels Agarplatte oder Bouillon), ob der hierbei 
wieder entstandene feine Staub auch nur die künstlich eingesäten Test¬ 
keime enthielte, wurde mit einem sterilen Pinsel in feiner Wolke etwas 
Staub auf mit Anstrichfarben versehene Holzplättchen übertragen. Die 
geprüften Farben waren dieselben, wie bei der weiter unten beschriebenen 
physikalischen Prüfung (siehe Tabelle II). Dabei ergab sich, daß Staphylo¬ 
kokken erst nach der 2. bis 3. Woche „einige Abschwächung“ zeigten. 
Sterilität war auch nach 6 Wochen bei keiner Probe vorhanden. Hiuzu- 
gefügt mag noch werden, daß die Platten etwa 2 bis 3 Wochen vor dem 
Bestäuben mit den betreffenden Anstrichfarben versehen waren. 

Fassen wir das bisher über Desinfektionskraft der Anstrichfarben 
Gesagte nochmals zusammen, so ergibt sich: 

1. Alle öl- und Emaillefarbeu besitzen eine deutlich ausgesprochene, 
keimtötende Wirkuug; die Emaillefarbeu und unter ihnen besonders 
Vitralin übertreffen hier und da in mehr oder weniger deutlicher Weise 
die Ölfarben in ihrer Desiufektionskraft. 

2. Die Desinfektiouskraft steigert sich unter Mitwirkung des Lichtes 
und nimmt schon nach wenigen Monaten ganz erheblich ab. 

3. Die Desinfektionskraft ist in der Praxis nicht verwendbar, ja selbst 
für solche Bakterien, welche in dünnen Schichten als Aufschwemmungen 
oder in den natürlichen Abgängen des Menschen auf den Anstrichflächen 
haften, sehr wechselnd und unsicher. 


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Gck igle 


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252 


Hüne: 


4. Für Bakterien, die im Staube enthalten sind, ist so gut wie 
keine Desinfektionskraft, selbst nicht in Laboratoriumsversuchen nach¬ 
weisbar. 

Wenn sich schon die meisten Untersucher sehr vorsichtig über 
die zweifellos bei Laboratoriumsversuchen bestehende Desinfektionskraft 
und ihre praktische Verwendbarkeit ausprechen, so möchte ich in dieser 
Richtung noch weiter gehen und der Desinfektionskraft der Anstrich¬ 
farben nur eine rein theoretische Wichtigkeit beilegen, ihr aber die prak- 
sche Verwendbarkeit völlig absprechen. 

Der Vollständigkeit halber möge hier eine kurze Erörterung der Frage 
stattfinden. 

Worauf beruht die desinfizierende Kraft der Anstrichfarben, 

besonders des Vitralins? 

Die ersten Untersucher (Deyke, Heims, Boseo) führten die desin¬ 
fizierende Eigenschaft der Anstrichfarben auf ihre physikalische Beschaffen¬ 
heit zurück (glatte, nicht rissige Oberflächen!). Nach Saltykow soll 
jedoch die Abnahme der Desinfektionskraft für eine wirksame, aktiv 
desinfizierende Substanz sprechen. Das ist meines Erachtens nicht ohne 
weiteres richtig, denn auch eine physikalisch günstige, d. h. glatte, fest¬ 
gefügte Oberfläche kann verwittern und dadurch rauh und rissig werden 
und infolgedessen das Festsetzen und Eindringen von Bakterien unter¬ 
stützen. Demnach könnte auch die Desinfektionskraft, die auf physika¬ 
lischen Eigenschaften beruht, einer Schwächung und Abnahme unter¬ 
liegen. — Vor allen trat Jakobitz für eine aktive Beteiligung des An¬ 
striches an der Abtötung ein und schrieb dieses in erster Linie den aus 
dem Leinölfirnis sich entwickelnden oxydierenden Substanzen zu. Nach 
ihm konnte keine Ozon Wirkung vorliegen, da gerade die Proben von 
Emaillefarben (Fabriknummer 2092 und 2003), welche Terpentinöl als 
Bindemittel enthielten und durch diesen Bestandteil Ozonbilder waren, 
schlechtere Keimtötung zeigten, als die Emaillefarbe (Fabriknummer 2097 
und 2098), in welchen Leinölfirnis das Bindemittel bildete. Als Zer¬ 
setzungsprodukte des Leinölfirnis beim Trocknen fand er die niedrigen 
Glieder von Säuren der Methanreihe: Ameisensäure, Essigsäure, Butter¬ 
säure, Valeriansäure, Propionsäure und deren Vorstufen, die Akrolelne, 
Aldehyde und Formaldehyd. Gerade letzt genannter Stoff ist ja hinläng¬ 
lich in seiner starken Desinfektionskraft bekannt. Leider wird er nur in 
Spuren gebildet. Nach Rapp kommen die flüchtigen Fettsäuren nicht 
in Betracht, sondern es sollen nach der Oxydation lösliche, fett- und 
harnsaure Salze keimtötend wirken. 


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Beitbag züb Hygiene deb Wandanbtbiche. 


253 


Bei jeder Keimtötung werden Desinfektionsmittel verbraucht, verlangt 
man eine Fernwirkung, wenn auch nur eine geringe, so müssen diese 
wirksamen Stoffe fortwährend in hinreichender Menge an die Luft ab¬ 
gegeben werden. Da die Anstrichfarben, welche nach den Anpreisungen 
der Fabrik desinfizierend wirken, auch eine große Deckkraft besitzen sollen 
(d. h. man braucht sie nur in dünner Schicht aufzutragen), so muß der 
zur Desinfektion verfügbare Stoff in seiner absolut vorhandenen und durch 
Zersetzung in Wirksamkeit tretenden Menge bald abnehmen bzw. erschöpft 
sein. Die Grundforderung für alle Desinfektionswirkungen ist jedoch, daß 
die Mittel eine bestimmte Zeit in einer bestimmten Konzentration 
wirken. Hieraus ist die geringe, wechselnde und rasch abnehmende Des¬ 
infektionswirkung der Wandanstriche zwanglos zu erklären. Jakobitz 
hat seine Versuche mit verhältnismäßig sehr großen Mengen von Material 
angestellt. Rückschlüsse daraus auf die Praxis sind meines Erachtens 
daher nur mit großer Vorsicht zu machen. 

Nach der Besprechung der aktiven Mitwirkung von Anstrichfarben 
bei der Bekämpfung ansteckender Krankheiten ist weiter zu erörtern: 

Die Widerstandsfähigkeit der Anstrichfarben den Reinigungs- und 
Desinfektionsmitteln gegenüber. 

Als sicherstes Mittel, die an Gegenständen und Wänden haftenden 
Keime unschädlich zu machen, bleibt ihre mechanische Reinigung und 
Desinfektion. Wir müssen daher von einem vom hygienischen Stand¬ 
punkte aus zu empfehlenden Anstrich fordern, daß er verträgt: 

1. Das mechanische Abreiben, Wischen und eventuell auch Bürsten. 

2. Die Berührung von Schmutz (Fett) lösenden Substanzen in einer 
Konzentration und Dauer, wie sie bei der Reinigung notwendig und ge¬ 
bräuchlich sind. 

3. Die Berührung und Einwirkung von Desinfektionsmitteln ebenfalls 
in einer Dauer und Konzentration, wie sie bei der Desinfektion notwendig 
and gebräuchlich sind. 

Ferner muß verlangt werden: 

4. Daß ein Anstrich sich bis zu seiner Erneuerung nicht so verändert, 
daß er durch Rauh-, Undicht-, Spröde- oder Rissigwerden der Verbreitung 
von lebensfähigen ansteckenden Krankheitskeimen Vorschub leistet. 

5. Je nach der Verwendung, z. B. an Außenwänden, in Badezimmern, 
Badewannen usw. muß er Witterungseinflüssen, Warm- und Kalt-, Feucht- 
und Trockenwerden vertragen. 

6. Schließlich muß er gewissen kleineren Gewalteinwirkungen, Stoß 
von Möbeln, Hammerschlägen gegenüber hinreichende Widerstandsfähig¬ 
keit, d. h. Elastizität besitzen. 


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Lfd. 


254 


Hüne: 


Tabelle 


£ \ Bezeichnung 

* 1 des 

2 

j Anstriches 

Zusammen¬ 

setzung 

i 

! Zahl der 
Anstriche 

Unvor- 

behandelt 

Nach hin- 
und herbiegen 
scharf 
Knicken 

Strich mit 
dem Finger¬ 
nagel unter 
gelindem 
Druck 

Gelinder 
Schlag mit 
einem Eisen¬ 
hammer 

— - . . — 

— — . -- 

r 

■ 



-~ 

1! Kalkfarbe 

Kalk und 
Farbe 

! i x 

rauh gekörnt 1 

abstaubend 

tiefe rauhe 
Furchen 

Farbe ab¬ 
gestäubt 

2 Leimfarbe 

i 

: 

Kreide, Farbe 
und Leim 

1 x 1 

1 i 

! 

desgl. 

leicht rissig, 
sonst fast un¬ 
verändert 

rauhe 

Furche 

i 

Farbe ab¬ 
gebröckelt 

3 Gummifarbe 

| 

Kreide, Farbe, 
Sichelleiin 
(Rauhleim) 

i 

i 

i 

i 

abblätternd 

desgl. 1 

fast un¬ 
verändert 

4 Kaseinfarbe 

i 

s 

Kreide, Farbe,] 
Kasein, etwas 
Firnis 

1 X 

i 

i 

i 

etwas rissig, 
sonst un¬ 
verändert 

»♦ 

1 

Farbe 

bröcklig 

5 Bleiweißfarbe Bleiweiß (mit 
Firnis), Farbe, 
i Terpentinöl j 

2 X 

i 

1 

| 

Matter Glanz, 
nach Wochen 
rissig 

wenig ver¬ 
ändert 

Furche 

fast un¬ 
verändert, 
später 
rissig 

6 Bleiweißfarbe 
fette 

Bleiweiß, 
Farbe und , 
Firnis 

3 x i 

Spcckglanz 

desgl. 

- 

desgl. 

7 Deckweiß 13 

2 X 

Deck weiß und 
Farbe, Firnis 
und Terpen- 1 
tinöl 

2 x 

i 

matt, teilweise 
klein gekörnt 

fast un¬ 
verändert 

” 


8 Deck weiß 16 
17 gefärbt 

desgl. 
und Farbe 

2 x 

16 rauh, etwas 
gekörnt, 17 
matter Glanzt 

stark rissig, 

17 wenig ver¬ 
ändert 

- 

- 

9 Lasurfarbe 

22—24 

Sikkativ und 
Firnis, Ter¬ 
pentinöl und 
Wachs 

1 x Firnis 

1 x Lasur¬ 
farbe 

matter Glanz 

1 

desgl. 

* * 

" 

10 Wachsfarbc 
12 

^ Bleiweiß, 1 
Farbe, Wachs, 
Firnis, Ter- 1 
pen tinöl 

3 x 

i 

matt, rauh ge¬ 
körnt, später 
rissig 

fast unver¬ 
ändert, ältere 
Farbe rissig 

” 

« * 

ältere 

Farbe 

rissig 

11 Spirituslack 3 

Schellack und 
Spiritus 

2 x 

hoher Glanz ; 
ohne Risse | 

staubig, rissig 

weiße 

staubige 

Furche 

rissig 

12 Fußboden¬ 
lackanstrich 

Farbe und 
Firnis und 
Terpentinöl 

2 x 

matt, leicht 
gekörnt j 

fast un¬ 
verändert 

glatte 

Furche 

- 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


Beitrag zor Hygiene der Wandanstriche. 


255 


II. 


a a I 

gfS* 

^44 P 
'S 5® 

*5 i«*9 

J 1 

Abreiben mit 
feuchtem 
Leinenlappen 
(£eitungs- 
wasser) 

i 

20 Stdn. 

in 1 
Aq. dest. 

20 Stdn. 
in 

Formalin 
(1:100) 

20 Stdn. 
in 

Snblimat 
(5:1000) 

20 Stdn. 
in 

Kaliseife 
(1:500) 

Gelindes Ab¬ 
reiben mit 
Kaliseife 
(1:500) 

Abreiben mit 

1 reiner 
K&liseife 

86 Proz. 
Spiritus 

Farbe 

Farbe ent- 

1 

Farbe ent- 

I Farbe ent- 

Farbe ent- 

Farbe ent- 

Farbe 

Farbe 

Farbe 

entfernt 

fernt 

fernt 

1 fernt 

fernt 

fernt 

entfernt 

entfernt 

j 

wenig 

entfernt 

Farbe 

wenig 

gelitten 

Farbe 

gelitten 

Farbe ab¬ 
geweicht 

1 

Farbe ab¬ 
geweicht, 
nach dem 
Trocknen 
ab¬ 
bröckelnd 

Farbe ab¬ 
geweicht, 
nach dem 
Trocknen 
ab¬ 
bröckelnd 

Farbe ab¬ 
geweicht, 
nach dem 
Trocknen 
ab¬ 
bröckelnd 

»» 

! 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

99 

! 

»> 

i 

99 

»t 

! 

t» 

i 

i 

9t 

I 

1? 

| 

99 

« 

99 

i . 

f 1 

>» 

j 

Farbe nach¬ 
sitzend, 
aber 

gequollen 

Farbe 
etwas ge¬ 
quollen 

Farbe 
etwas ge¬ 
quollen 

Farbe ab¬ 
geweicht 

• 

99 

*• 

Farbe 

entfernt 

„ i 


desgl. * 

i 

desgl. 

1 

desgl. 

! 

desgl. 

99 

- ! 

i 

desgl. 

1 

it 

»i 

H 

i 

*y 



99 

1 

♦» 

99 

99 

** 


9 9 

gelbgrün 



” i 

»» 

99 

99 

Farbe 

wenig 

gelitten 

” 

• » 

mißfarben 

„ 

1 

j 

9t 

99 ' 

99 

99 


fast un¬ 
verändert 

desgl. 

»* 


99 

” \ 

! 

99 

unver- 

1 

un¬ 

un¬ 

un¬ 


Lack sich 

Lack | 

Lack 

Lack 

ändert 

verändert 

verändert 

verändert 


ablösend 

entfernt ! 

I 

sehr ge¬ 
litten 1 

entfernt 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

99 

„ 

„ i 

»* ! 

,, 


Digitized by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


1 Bemerkungen^ 




256 


Hüne: 


Tabelle U. 


*4 

ro 

1 

i 

Bezeichnung 

des 

Anstriches 

Zusammen¬ 

setzung 

. 

Zahl der 
i Anstriche 

Unvor* 

behandelt 

Nach hin- 
und herbiegen 
scharf 
Knicken 

Strich mit 
dem Finger¬ 
nagel unter 
gelindem 
Druck 

Qelinder 
Schlag mit 
einem Eisen¬ 
hammer 

13 

Fußbodenlack 

Bernsteinharz 

2 x mit Farbe 

hoher Glanz 

staubig, rissig 

keine 

rissig 

1 

| i 

u. Terpentinöl 

wie 14 1 x 


Furchen 

i 

U 

Tischplatten- 

desgl. 

2 x 

matter Glanz 

rauh, rissig 

flache. 

i 

>• 


lack 





rissige. 


j 

| 1 

I ; 





staubige 
; Furchen 


15 

i i 

Braunbürger-1 

Zusammen¬ 

2 x Deckweiß, matter Glanz, 

wenig ver¬ 

desgl. 

»• 


weiß gefärbt 

setzung un¬ 

1 x Braun- 

leicht gekörnt 

ändert 




j 19 

bekannt 

bürgerweiß 




16 

Japanlack 

Zinkweiß, 

2 x Bleiweiß 

Glanz etwas 

abbröckelnd 

keine 

n 


Firnis, Harz 


klein gekörnt 


Furchen 

i 

17 

Emaillelack 

Lack, 

1 

2x Deckweiß, 

matter Glanz 

fast un¬ 

un¬ 

I un¬ 



Terpentin 

1 x Emaille- 


verändert 

verändert 

verändert 



lack 




! 


18 Emaillelack 
von Wolfert 


19 Vitralin 
5927 


20 


21 


22 


15 


12515 

20 


12519 

21 


26—29 


Herstellung 

unbekannt 


Fabrik¬ 

geheimnis 


desgl. 


I x Deckweiß, 
2 x Lack¬ 
anstrich 

1 x Deck weiß, 

2 x Vitralin 


2 x Deck weiß, | 
1 x Vitralin i 


Glanz 


desgl. 


In der Fabrik 
angeblich l x 
Grundfarbe 
2 x Vitralin 


rauh, zahl¬ 
reiche Risse 


elastisch 


leicht brüchig 


unverändert, | 
elastisch, nur! 
bei scharfen j 
Knickungen | 
Risse 


desgl. 


23 


auf Blei 
30 


desgl. 


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Gck igle 


Original fro-m 

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Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche. 


(Fortsetzung.) 


Abreiben mit 
trockenem 
Leinenlappen 

a 

S g §.g_ 
g’a ä 

« ja ~ o M 
'Z a £ =2 

•g|.g5§ 

ja o 

< J 

20 Stdn. 
in 

Aq. dest. 

20 Stdn. 
in 

Formalin 

(1:100) 

20 Stdn. 
in 

Sublimat 

(5:1000) 

20 Stdn. 
in 

Kaliseife 

(1: 500) 

Gelindes Ab¬ 
reiben mit 
Kali seife 
j (1:500) 

unver¬ 

un¬ 

un¬ 

un¬ 

Lack 

Lack sich 

Lack 

ändert 

verändert 

verändert 

verändert 

weißlich, 

verfärbt 

ablösend 

entfernt 

*• 

ii 

ii 

ii 

desgl. 

ii 

ii 


11 

i 

ii 

un¬ 

verändert, 

blasig 

ii 

ii 

ii 

M 

11 

ii 

desgl. 

i» 

\ 

ii 

•• 

11 

ii 

, 

ii 

: 

ii 

last un¬ 
verändert 

ii 


il 

ii 

i» 

V 

n 

• ii 

•• 

»1 

ii 

Karbe 

dunkler, 

■mißfarben 

un¬ 

verändert 

i 

un¬ 

verändert 

Karbe 
Igelit all¬ 
mählich 


Farbe ! Farbe 
sehr ge- sehr ge¬ 
litten litten 


ab als die 
andere 


schon 

nach 

4 Stunden 
j Farbe 
weg 

4 Stunden 
nach dem 
Trocknen 
unver¬ 
ändert 


Zeit sehr. f. Hygiene. LXIX 


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Bemerkungen 





258 


Hüne: 


In der Literatur sind von diesen geforderten Eigenschaften einige als 
besondere Vorzüge der untersuchten Farben beschrieben. Nach Xylander 
konnte ein Vitralinanstrich, unbeschadet seiner glatten Oberfläche, 3 Tage 
in Sublimatlösung, Kresolseifenlösung, Kreosolschwefelsäure oder Autiformin 
liegen. Auch im übrigen hat Vitralin nach ihm Vorzüge wie keine andere 
unserer gebräuchlichen Farben, z. B. wird Ölfarbe mit derZeit rauh und 
löst sich allmählich auch in verdünntem Seifenwasser auf. Kalkfarben 
bröckeln leicht ab, an ihrer rauhen Oberfläche bleibt der Staub in großer 
Menge leicht hängen; Leimfarben werden rasch rissig und weisen dann 
große Poren als Staubfänger auf. 

Nach Heims leidet Ölfarbe schon durch Kaliseifenlösung (1:10000), 
desgleichen durch eine Schwefelsäurelösung von 1:1000. Durch Hitze 
wirft sie Blasen. Im Gegensatz hierzu wurden Emaille-, Zonka-, Amphi¬ 
bolinfarben nicht nennenswert angegriffen. 

Tabelle II gibt die von mir gefundenen Ergebnisse der physikalischen 
Untersuchungen wieder. 

Die weitere physikalische Prüfung desselben Vitralinanstriches 2 Monate 
später hat folgendes ergeben: 

Leichter Strich mit dem Fingernagel hinterläßt eine geringfügige 
glatte Rinne, ein fester Strich eine tiefe, glatte Rinne; beide lassen 
sich verhältnismäßig leicht reinigen. 

Werden mit Vitralin bestrichene Platten in Wasserdampf von 100° C 
l / 2 Stunde gehängt, so werden sie rauh und uneben, läßt man sie 1 Stunde 
in strömendem Wasserdampf, so wird die Farbe in Blasen abgehoben, 
ähnlich wie Japanlack. In derselben Zeit war die Ölfarbe etwas besser 
erhalten geblieben (vgl. Tabelle III). 

Mit einer mittelharten Handbürste wurde unter mäßigem Druck und 
Anwendung von Kaliseifenlösung (etwa 1:100) eine bestrichene Holzplatte 
bearbeitet. Nach 10 Minuten war die Ölfarbe fast ganz entfernt, Vitralin 
(2 Monate alt) nicht augegriffen und auch nach 20 und 30 Minuten fast 
unverändert geblieben; bürstete man jedoch mit fast reiner Schmierseife, 
so war Vitralin nach 10 Minuten schon leicht angegriffen, noch mehr 
nach 20 und 30 Minuten, jedoch noch als dünne Schicht erhalten. Wurde 
mit etwa 2 bis 3 Prozent Sodalösung, selbst heißer, gebürstet, so blieb 
die glatte, mattglänzende Oberfläche so gut wie vollkommen erhalten. 
Mit der Lupe waren nach diesem wiederholten, langdaueruden Abbürsten 
zahlreiche flache Rinnen sichtbar, die Farbdecke war ununterbrochen und 
hatte in dieser Hinsicht in keiner Weise gelitten. 

Vitralin wird nicht durch Glyzerin angegriffen, wohl aber durch 
wocheulauges, wiederholtes Bespritzen durch öle (z. B. Maschinen-, Zentri¬ 
fugier- usw. Öle), rascher durch Terpentinöl. Im Laboratorium, wo von 


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,y > * « W V li V 

Ibersicht über die Widerstandsfähigkeit des Yitralius einigen wässerigen Lösungen gegenüber. 


Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche 


259 



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260 


Hüne: 


Zeit zu Zeit mit Antiformin (Chlorgas), Formalin und anderen scharfen, 
die Farben angreifenden Gasen gearbeitet wird, sind vor etwa 4 Jahren 
die Wände mit Vitralin angestrichen. Trotzdem die Flächen, abgesehen 
von sonstiger regelmäßiger Reinigung, einmal im Jahre gründlich mit 
heißer Kaliseife uud Sodalösung abgebürstet und abgeriebeu werden, 
ist der Anstrich nur etwas matter und gelblicher geworden. Nur an 
stark erhabenen Stellen, wo Sandkörner usw. die Fläche uneben machen, 
schimmert der Untergrund durch. Das Vitralin hat sich hier vorzüglich 
bewährt, ebenso z. B. bei einer Flaschenbierhandlung im Abfüllraum, wo 
fortwährend Feuchtigkeit und Wasserdampf vorhanden sind. Die Unterlage 
bildeten hier unvorgeputzte Backsteine. — Es ergibt sich in beiden 
Räumen die unbedingte Notwendigkeit, das Vitralin auf tech¬ 
nisch vollkommen einwandfreie, glatte, ebene Unterlagen zu 
streichen, vor allen Dingen Sandkörner usw. zu vermeiden. 
Bekanntlich werden tadellose, ebene und glänzende Oberflächen erzielt, 
wenn man mit feinkörnigem Saudpapier jedesmal die Unebenheiten der 
früheren Farbe nach völligem Trocknen durch leichtes Abreiben beseitigt, 
bevor man den nächsten Anstrich aufträgt, also zuerst nach dem Grun¬ 
dieren, dann nach dem ersten Vitraliuanstrich. Dieses wurde besonders 
beim Streichen einer alten Badewanne beobachtet und diese dadurch wie 
eine neue hergerichtet. Zwischen dem Grundieren (Grundierfarbe der 
Fabrik von Rosenzweig & Baumann) und den einzelnen (2) Vitralin- 
austrichen wurde jedesmal 3 Tage, nach dem letzten Vitralinanstrich 
14 Tage bis zur Benutzung gewartet. Trotz der häutigen Benutzung der 
Wanne hat der Anstrich sich ganz vorzüglich gehalten und verträgt 
Abbürsten mit heißem Wasser und Seifeulösung. Allerdings wird streng 
das Aufträgen reiner Kaliseife vermieden. 

Zusammenfassend ist über Farbanstriche, besonders Vitralin in bezug 
auf ihre physikalischen Eigenschaften folgendes zu sagen: 

1. Die mit Wasser hergestellten Farben scheiden für einen vom 
hygienischen Standpunkte zu empfehlenden Farbanstrich vollkommen aus. 

2 a. Die Berührung mit fettlösenden Substanzen werden in der ge¬ 
bräuchlichen Verdünnung nur vom Vitralin anstandslos vertragen. 

b. 86 prozent. Spiritus übt auf Vitralin so gut wie keinen schädigenden 
Einfluß beim einfachen Abwaschen mit ihm oder nach 20 ständiger Be- 
netzuug aus, während alle anderen Farben rasch aufgeweicht und abgespült 
werden. Nach dem Vitralin war Japanlack am meisten widerstandsfähig. 

c. Reine Kaliseife greift nach mehreren Stunden, oder auf einen 
Lappen aufgetragen, beim Reiben mit diesem Vitralin stark an, noch 
mehr und rascher die anderen Farben. 


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Bkitkag zur Hygiene der Wandanstriche. 


261 


3. Desinfektionsmittel werden allein vom Vitralin fast anstandslos 
vertragen, jedoch wird nach Sublimatlösung die weiße Farbe etwas dunkler 
und mißfarben. 

4. Lack und Vitralin bleiben auch nach mehreren Monaten un¬ 
verändert. 

5. Vitralin verträgt weit besser als Ölfarben und Lack wiederholtes 
Warm- (bis 100°) und Kalt-, Feucht- und Trockenwerden. 

6. Nicht zu alte Ölfarben vertragen leichte Hammerschläge, Abbürsteu, 
Abreiben gut, ebenso Vitralin, nicht Lack und manche Emaillefarben. 

III. Verursacht der Gebrauch geeigneter Wandanstriche 
Mehrkosten und lassen sich diese durch deu erzielten Nutzen 

rechtfertigen? 

Aus einem mit einer Behörde abgeschlossenen Vertrage stammt 
folgender Auszug: 

1 <jm Holz oder Eisenblech grundieren und mit bunter Ölfarbe 


dreimal deckend streichen.65 Pfg. 

1 ' im desgl. mit weißer Ölfarbe.80 „ 


Nach Aussage des durch diesen Vertrag verpflichteten Malermeisters 
werden hierbei etwa 33 ’/ 3 Prozent, d. h. etwa 25 bis 40 Pfg. für das 
Material berechnet. Weiße Farbe berechnet sich teurer, da mehr Material 
für dieselbe Fläche zu streichen erforderlich ist. Von anderen Seiten 
wurde der Materialverbrauch um 5 Pfg. höher angegeben, von einem 
Maler sogar um 15 Pfg. Jedoch erscheint mir dieser Preis etwas zu 
hoch gegriffen und für private Abnehmer bestimmt zu sein. Soweit ich 
die Verhältnisse durch eingezogene Erkundigungen zu überblicken vermag, 
muß für 1 qm bei einmaligem Grundieren und dreimal deckend Streichen 
an Material 25 bis 30 Pfg. gerechnet werden, demnach bei obigem Ver¬ 
trage an anderen Kosten (Lohn, Geschäftsunkosten) 35 bis 40 Pfg. Von 
Japanlack, den ein betreffender Malermeister als sehr gut lobt, soll sich 
der Materialverbrauch auf 77 bis 80 Pfg. berechnen; das würde bei 
gleichen Unkosten 120 Pfg. für 1 <1,n betragen. Der Materialverbrauch 
für Vitralin beträgt für 1 etwa 65 Plg., die Gesamtkosten sind dem¬ 
nach 100 Pfg. für 1 '* m . Darnach ist also das Vitralin ganz erheblich 
billiger als Japanlack. In diesem Preis ist enthalten: einmal ölen 
(Tränken mit Firnis), einmal Grundieren, zweimal Vitralinanstrich. Trotz 
dieses für Vitralin günstigen Preisunterschiedes habe ich dasselbe min¬ 
destens ebensogut gefunden als den von mir geprüften Japanlack. 

Es würde also ein fertiger Olfarbenanstrich 65 Pfg., ein fertiger Vitralin¬ 
anstrich 100 Pfg. kosten, demnach ein halbmal so viel wie der erstgenannte. 


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Hüne: 


Ein guter Ölfarbenanstrich soll nach der Garnison-Gebäude-Ordnung 
Anlage D. 6 Jahre halten. Nach den zahlreichen eigenen Vergleichen 
und Erkundigungen glaube ich, daß ein guter Emailleanstrich, besonders 
aber ein gut ausgeführter Vitralinanstrich die doppelte Zeit hält. 

Ganz abgesehen davon, daß eigentlich keine Mehrkosten entstehen, 
wiegen die früher erörterten großen hygienischen Vorteile der Emaille¬ 
farben und unter ihnen besonders des Vitralins voll und ganz die an¬ 
fänglichen Mehrkosten auf. 

Znaammenfassnng. 

1. An die Gegenstände und Wände bewohnter Räume können Krank¬ 
heitserreger in Spritzern (Ausleerungen) und im Staube gelangen und sich 
dort in verhältnismäßig großer Menge ansammeln. Sie halten sich dort 
oft monatelang lebensfähig. 

2. In erster Linie kommen hier als Krankheitserreger Tuberkel-, 
Diphtheriebazillen und Eitererreger in Frage, in zweiter Linie die im 
Staube nur bei starkem Luftzuge enthaltenen (Choleravibrionen), Typhus- 
und Ruhrbazillen. Meist werden die letztgenannten Erreger in Spritzern 
und Tröpfchen von Ausleerungen auf die Anstriche gelangen. 

3. Diese Krankheitserreger können durch Berühren oder Abstreifen 
(z. B. beim trockenen oder feuchten Abwischeu), hauptsächlich aber durch 
starken Luftzug auf die Zimmerbewohner übertragen werden. 

4. Je rauher, rissiger und unebener ein Anstrich ist, desto mehr kann 
von infektionslialtigem Material haften und festgehalteu werden. Ganz 
besonders zu berücksichtigen ist hierbei die Möglichkeit, daß eine große 
Anzahl von Bakterien auf einmal wieder von den Zimmerbewohnern auf¬ 
genommen werden kann, sei es durch die Atmungsluft, sei es durch den 
Mund in den Verdauungsapparat. Weiter ist in Betracht zu ziehen, daß 
sich rauhe und rissige Flächen viel schwerer reinigen lassen als glatte, 
dichtgefügte. 

5. Das Haften von in Spritzern und Staub enthaltenen Bakterien 
wird ferner sehr begünstigt uud ihre spätere Entfernung sehr erschwert, 
wenn die Anstriche für Feuchtigkeit aufnahmefähig sind, wenn sie also 
aus nassem, löslichem oder in Wasser aufquellendem Material bestehen, 
z. B. Wasser-, Leim-, Kasein-, Gummi- usw. Farben. 

6. Die auf und in den Anstrichen befindlichen Bakterien können un¬ 
schädlich gemacht werden durch: 

a. Abtöten. 

b. Mechanisches Entfernen: 


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Beitrag zur Hygiene der Wandanstriche. 


263 


1. Feuchtes Abwischeu mit Wasser. 

2. Trocknes Abwischeu. 

3. Abreibeu mit Brot. 

c. Mit flüssigen Desinfektionsmitteln in der üblichen Konzentration: 
Sublimatlösung (1:1000), Karbolsäurelösung (2 bis 3 Prozent), Kresol- 
seifenlösung (Kresol und Seife zu 2*5 Prozent), Kalkmilch. 

d. Desgleichen mit fettlösenden Substanzen in der üblichen Konzen* 
tration: Seifen, Spiritus und Soda. 

e. Mit gasförmigen Desinfektionsmitteln. 

f. Durch den Anstrich selbst 

7 a. Die in der Literatur gemachten Angaben über desinfizierende 
Kraft von Anstrichen schwanken außerordentlich, bei den einzelnen An¬ 
strichen und den benutzten Bakterien so sehr, daß die Unterschiede da¬ 
durch fast ausgeglichen werden. 

b. Bei Tuberkelbazillen, an deren Abtötung bei „desinfizierenden An¬ 
strichen“ immer zuerst gedacht wird, besonders aber bei sporenhaltigen 
Bazillen ist die keimtötende Kraft eine so geringe, daß sie so gut wie gar 
nicht in Betracht kommt und viel zweckmäßiger durch erhöhte Sauberkeit 
ersetzt wird (s. unten). 

c. Die Technik, welche bei den in der Literatur veröffentlichten Ver¬ 
suchen zur Anwendung kam, zieht nur solche Krankheitserreger iu Frage, 
welche durch Spritzer, z. B. von menschlichen oder tierischen Abgängen, 
Ausleerungen, Badewasser usw. an Gegenstände und Wände verspritzt 
werden. 

d. Berücksichtigt man bei der Versuchsordnung auch eingetrocknete 
mit Staub auf Anstriche gelangte Bakterien, so ist auch nach Wochen 
kaum eine Abschwächung, geschweige denn ein Abtöten von Krankheits¬ 
keimen zu beobachten. 

8. Bei der Desinfektiouswirkung von Farben ist folgendes zu beachten: 

a. Zu jeder Desinfektionswirkung gehört eine bestimmte Konzentra¬ 
tion hzw. Menge des Desinfektionsmittels. 

b. Bei jeder Desinfektion wird eine bestimmte Desinfektionsmenge 

verbraucht. 

c. Die zur Zersetzung bzw. Desinfektionswirkung in Anstrichen zur 
Verfügung stehende Substanzmenge ist eine äußerst geringe. 

d. Die chemischen Vorgänge, durch welche die desinfizierenden Sub¬ 
stanzen gebildet werden, hängen von zahlreichen Umständen ab: Zu¬ 
sammensetzung des Anstriches in bezug auf Mengenverhältnis und Güte 
der einzelnen Materialien, Temperatur, (absolute, wechselnde) Feuchtig¬ 
keit usw. 


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Hüne: 


9. Die auffallend geringe, oft kaum zu beobachtende Wirkung von 
Anstrichfarben auf im Staube enthaltene Bakterien erklärt sich dadurch: 

a. Daß eine Desinfektion mit zunehmender Trockenheit der zu desin¬ 
fizierenden Objekte abnimmt. 

b. Daß der Staub selten der Wand ganz fest anliegt, daß also eine 
gewisse Fernwirknng der an und für sich schon in geringer Menge vor¬ 
handenen Desinfektionsmittel stattfinden muß. 

10. Von allen geprüften Farben besitzt das Vitralin die ausge¬ 
sprochenste keimtötende Wirkung. Jedoch ist auch diese so gering und 
nimmt so rasch ab, daß sie für praktische Zwecke nicht in Frage kommt. 
Durch Berücksichtigen dieser Desinfektionswirkung z. B. in 
Anpreisungen der Fabrik besteht die große Gefahr der ganz 
unberechtigten Überschätzung der Desinfektionskraft, Nicht¬ 
achtung des noch voll und ganz infektionsfähigen Staubes und 
Schmutzes und Vernachlässigung der trotzdem notwendigen 
regelmäßigen Reinigung bzw. Desinfektion der Kranken¬ 
zimmer usw. 

11. Weit sicherer als die Desinfektionskraft der Anstriche selbst 
wirken mechanische Beseitigung der Krankheitserreger durch die soge¬ 
nannte Reinigung oder ihre Abtötung durch flüssige oder gasförmige 
Desinfektionsmittel. 

12. Um die Reiniguug und die Anwendung von Desinfektionsmitteln mit 
Erfolg und auf die Dauer zu ermöglichen, müssen die Farben gegenüber 
den bei der Reinigung und dem Gebrauch von Desinfektionsmitteln not¬ 
wendigen Einwirkungen genügende Widerstandsfähigkeit besitzen. Hierzu 
gehört, daß sie also von trocknem oder feuchtem Ab wischen mit 
Tüchern bzw. weichen Bürsten, Von Fett auflösenden Mitteln (Seife, Spiritus, 
Soda), von Formaldehyd gas und Wasserdampf und von flüssigen Desin¬ 
fektionsmitteln: Sublimat-, Karbol- und Kresolseifenlösung gar nicht oder 
möglichst wenig angegriffen werden. 

18. Ganz ungeeignet sind für den unter 12 genannten Zweck Wasser-, 
Leim-, Gummi- und Kaseinfarben, da sie schon durch Wasser abgeweicht 
und abgeschwemmt werden. Die gewöhnlichen Ölfarben halten kaltes 
Wasser kurze Zeit aus, leiden aber schon bei heißem Wasser rasch, 
bei kaltem Wasser nach mehreren Stunden. Das gleiche gilt von den 
flüssigen Desinfektionsmitteln. Von Formalin und Sublimat werden sie 
bei mehrmaliger 1 / 2 bis 1 stündiger Einwirkung nach dem Trocknen 
brüchig und bröcklig. Spiritus, auch Seifen und Soda greifen Ölfarben 
rasch an, besonders wenn sie heiß angewandt werden. Lacke vertragen 
die Einwirkung bei der Reinigung und Desinfektion, wenn beide kalt und 
nicht zu lange ausgedehnt werden, gut, werden aber durch Spiritus rasch 


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Beitrag zur Hygiene der Wand Anstriche. 


265 


aufgelöst und mit der Zeit ohne besondere Einwirkung häutig rissig. Am 
geeignetesten für Reinigung und Desinfektion sind gute Emaillefarben und 
unter ihnen hat sich von dem geprüften Material das Yitralin am besten 
bewährt. Sehr schade ist es, daß stärkere Lösungen von Kaliseife Yitralin 
angreifen, allerdings wieder weniger wie andere Farben. Ungelöste Reste 
von Kaliseife bleiben leicht bei der Auflösung in Wasser zurück, die sich 
jedoch rasch, in wenigen Minuten, zu Boden senken. Daher ist stets 
nur die (jbenstehende Lösung zum Abwaschen der Wände zu 
benutzen. 

14. Weißes Vitralin wird von Sublimatlösung je nach der angewandten 
Konzentration allmählich etwas mißfarben, kaum merkbar in einer Ver¬ 
dünnung von 1:2000 und bei schwächeren Lösungen. 

15. Der Preis an Farhenmaterial für 1 qm einer bisher unbestrichenen 
Holzfläche beträgt etwa 25 bis 35 Pfg. für den bestbekannten Emaillelack, 
für den Japanlack etwa 80 Pfg. und für Vitralin 65 Pfg. Rechnet man 
an übrigen Kosten 35 bis 40 Pfg. hinzu, so ergeben sich für Ölanstriche 
65 Pfg., für Japanlack 120 Pfg., für Vitralin 100 Pfg. Man rechnet 
als durchschnittliche Dauer bis zur notwendigen Erneuerung bei Kalk- 
und Leimfarbe 3 Jahre, für Ölfarbe 6 Jahre. Auf Grund von Nach¬ 
fragen und eigenen Erfahrungen bin ich der Ansicht, daß bei gleicher 
Benutzung und Behandlung Emaillefarben, besonders aber Vitralin 
die doppelte Zeit einen hygienisch nicht zu beanstandenden 
Anstrich gibt. Die Mehrkosten werden demnach bei guten Emaille¬ 
farben, besonders Vitralin, von den dadurch erreichten hygienischen und 
wirtschaftlichen Vorteilen voll und ganz aufgewogeu. 

Am Schluß der Arbeit möchte ich hervorheben, daß derartige Unter¬ 
suchungen wie die vorliegenden außerordentlich durch die Ungleichheit 
der einzelnen Farbenproben, welche denselben Namen tragen, erschwert 
werden. Besonders ist es oft schwer, wirkliche Handelswaren zu er¬ 
halten. Zu Versuchszwecken dürfen die Zwischenhändler oft nichts ab¬ 
geben. Durch bekannte Maler, die sich Proben unauffällig schicken lassen, 
sind diese Schwierigkeilen zuweilen zu umgehen. Man kann nur be¬ 
dauern, daß die Herstellung wirklich guter oder, besser gesagt, der bisher 
besten Emaillefarben Fabrikgeheimnisse sind. Mau sollte meines Erach¬ 
tens bei Ankauf von Farben stets genau die Verwendungsart angeben und 
dann aber auch Garantie auf eine gewisse Anzahl von Jahren ver¬ 
langen. Am besten wäre es, bestimmte allgemeingültige Mindestforde¬ 
rungen aufzustellen. Nur so wäre man einigermaßen gegenüber der ge¬ 
wissen Willkür in der Zusammensetzung der Farben geschützt. 

Vitralin und Vitralpef wird von der Firma Rosenzweig & Baumann, 
Kassel, hergestellt. 


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266 


Hüne: Beitrag zur Hygiene der Wand Anstriche. 


Literatur-Verzeichnis. 


1. Bosco, Le parefci delle casa come mezzo di conservazione e propagazione 
dei batteri pathogeni. Lavori di laboratorio delV Instituto tVigiene de Palermo. 
1898. T. IX. p. 207. 

2. Broschnino wsky, Ober die Einwirkung verschiedener Unterlagen auf die 

Lebensfähigkeit der Bakterien. Petersburger Dissertation . 1901. 

8. Cornet, Die Tuberkulose . 1907. Bd. XXXVII. 

4. Deyke, Über Abstonbedingungen pathogener Keime auf gewisse Anstrich¬ 
farben. Centralblatt f. Bakteriologie . 1908. Bd. XXIII. S. 1033 u. 1081. 

5. Frankel, Diskussion zum Vortrage von Jakobitz im Verein der Ärzte zu 
Halle. Münchener med. Wochenschrift. 1901. Nr. 7. 

6. Heims, Über das Verhalten der Anstrichfarben zu den pathogenen Bak¬ 
terien. Deutsche med. Wochenschrift . 99 Bol. 25. V. S. 65. 

7. Hey mann, Versuche über die Verbreitung der Phthise durch ausgehustete 
Tropfen und durch trockenen Sputumstaub. Diese Zeitschrift . 1901. Bd. XXXVIII. 

8. Huß, Über desinfizierende Wandanstriche mit besonderer Berücksichtigung 
des Vitralins. Ebenda. Bd. LVI. S. 329. 

9. Jakobitz, Über desinfizierende Wandanstriche. Ebenda . Bd. XXXVII. S. 70. 

10. Derselbe, Über desinfizierende Wandanstriche. Hygien. Rundschau. 1902. 
Nr. 5. S. 209. 

11. Derselbe, Vortrag gehalten auf dem ersten internationalen Schulhygiene- 
Kongreß zu Nürnberg 1904 . 

12. Kirstein, Über die Dauer der Lebensfähigkeit von Krankheitserregern in 
der Form feinster Tröpfchen und Stäubchen. Diese Zeitschrift. 1902. Bd. XXXIX. 

13. Rabinowitsch, Über desinfizierende Wandanstriche mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Tuberkulose. Ebenda. 1902. Bd. XL. S. 529. 

14. Rapp, Untersuchungen über desinfizierende Wandanstriche. Apothekerzeitg. A. 
Nr. 80. S. 772. 

15. Saltykow, Über desinfizierende Wandanstriche. Diese Zeitschrift. Bd. LX1I. 
S. 453. 

16. Weiß, Über desinfizierende Wandanstriche. Desinfektion. 1909. Bd. II. 
S. 297. 

17. Xylander, Vitralin, eine desinfizierende Anstrichfarbe. Arbeiten aus dem 
Kaiserl. Gesundheitsamte. 1908. Bd. XXIX, Hft. 1. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 
Ermüdungsmessungen und ihre historische Entwicklung. 

Von 

Dr. Theodor Altsohul, 

K. K. Obenanlt&tsrat, Prag. 


Es ist eigentlich ein Widerspruch, daß in dem Zeitalter des allgemeinen 
Fortschrittes, in einer Zeit, wo die Naturforschung und die Technik wahre 
Wunder vollbringen und fast jeder neue Tag neue Entdeckungen und 
Erfindungen gebiert, der „Schrei nach der Schulreform“ ein so lauter 
und allgemeiner ist. Wenn man die schier ins Unendliche angeschwollene 
schulreformatorische Literatur durchstudiert, dann könnte man zu dem 
Schlüsse gelangen, daß unser gegenwärtiges Schulsystem infolge geistiger 
Überbürdung nur lauter Psychopathen und Schwächlinge erziehen kann. 

Die Gefahr kann aber, soweit die gegenwärtige Generation in Frage 
kommt, keine so übergroße sein, denn wir bemerken glücklicherweise 
noch keinen Rückgang, ja nicht einmal einen Stillstand in Wissenschaft, 
Kunst und Literatur und vollends die Industrie und das Gewerbe sind 
gewiß noch nicht auf den toten Punkt angelangt. Also sagen wir es 
nur rund heraus: die fast allgemein behauptete „drohende Gefahr“ der 
Degeneration unserer Rasse ist nicht gar so akut und etwas Übertreibung 
ist bei der ganzen Frage gewiß mit im Spiele. 

Trotz dieser Erkenntnis kann man aber bei nüchterner und vorurteils¬ 
freier Prüfung der gegenwärtigen Sachlage sich nicht verhehlen, daß das 
Schulwesen und ganz besonders der Studiengang an den Gymnasien dennoch 
einer Reform bedarf: gerade weil wir fortschreiten und weil die neue Zeit 
ganz andere Anforderungen an den Mann stellt, als die bei weitem ruhigere 
und in jeder Beziehung einfachere alte Zeit, muß die Jugenderziehung auf 


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Theodor Altschul: 


eine wesentlich andere, auf eine moderne Grundlage gestellt werden; aber 
das bedeutet keine Herabminderung der Ansprüche, sondern im Gegenteil, 
ein Mehrerfordernis. Dieses Mehrerfordernis einfach zu den heutigen An¬ 
forderungen des Mittelschulunterrichts hinzuzufügen, ist ganz unmöglich 
und so muß durch Eliminierung des als Ballast erkannten und deshalb 
unnötigen Teiles des Lehrstoffes Raum geschaffen werden für die aus dem 
Zeitgeist hervorgewachsenen Forderungen der neuen Zeit. 

Auf welche Weise Raum geschaffen wird für die unabweislichen neu¬ 
zeitlichen Bedürfnisse ist vom rein sc hui hygienischen (ärztlichen) Stand¬ 
punkte eigentlich weniger von Belang und ist mehr weniger pädagogische 
Geschmackssache. Es gibt sicherlich nicht nur eine einzige berechtigte 
Reform, es führen viele — wenn auch gewiß nicht alle — Wege nach 
Rom und so scheint mir der oft leidenschaftliche Widerstreit der Meinungen 
bezüglich der Detailausführung der Schul- und besonders der Mittelschul¬ 
reform nicht an den Kernpunkt der Sache zu greifen und uns mehr vom 
Wege abzuführen, als uns dem Ziele näher zu bringen. 

Das sind allerdings gegenüber der heute herrschenden Lehre ketze¬ 
rische Anschauungen; aber die geschichtliche Erfahrung lehrt uns, daß 
bloße Schlagworte, welche der Zeitströmung entgegenkommen, mit sug¬ 
gestiver Kraft oft eine ganze Generation beherrschen und daß dabei doch 
nicht gerade das, was die Majorität behauptet und beschließt, im politi¬ 
schen Leben ebenso wie in der Wissenschaft das Richtige und Zutreffende 
ist und daß der Ausruf des Schill ersehen Demetrius: „Mehrheit ist 
Unsinn . . . man muß die Stimmen wägen und nicht zählen“, sehr oft 
auch für die Tagesfragen der Gegenwart Geltung hat. 

Man hat die Notwendigkeit einer gründlichen Schulreform mit der 
zunehmenden Nervosität unserer Zeit motiviert, andere aber wieder schreiben 
die zunehmende Nervosität zu einem guten Teile den gegenwärtigen Unter¬ 
richts methoden zu: ein Circulus vitiosus! 

Es wäre noch zu beweisen, ob es wirklich zutrifl't, daß unser Nerven¬ 
system] reizbarer und schwächer ist, als das unserer Vorfahren und ob 
diese, wenn sie mit ihren angeblich stärkeren Nerven in das Getriebe 
der Jetztzeit mit dem aufreibenden Kampfe ums Dasein gestellt würden, 
nicht noch weit „nervöser“ würden, als wir es sind. Prof. Dr. Wilh. 
Alex. Freund (1) hat in einer kleinen Schrift: „Wie steht es um die 
Nervosität unseres Zeitalters?“, einer Schrift, die wert ist, der Vergessen¬ 
heit entrissen zu werden, die aufgeworfene Frage in geistvoller Weise be¬ 
handelt und die Zunahme der Nervosität nur für einige Berufsarten: 
Fabriksarbeiter, Telegraphen- und Telephonbeamte, Postbedienstete, Offiziere, 
Ärzte, bejaht, während er für alle übrigen Berufsarten die Frage verneint 
und die „Gegenbehauptung aufstellt, daß im allgemeinen die Mehrzahl der 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


269 


heute iu der moderneu Gesellschaft lebenden und arbeitenden Menschen 
nervenkräftiger, widerstandsfähiger und damit leistungsfähiger ist, als die 
früheren Generationen und daß wir diesen Vorrang unseren fortgeschrittenen 
Kultureinrichtungen, zu denen die öffentliche Hygiene hervorragend gehört, 
verdanken.“ Allerdings betont er, daß die Nervosität durch oft und 
längere Zeit einwirkende Schädlichkeiten verursacht wird, „indem sie das 
Nervensystem in abnormer Weise in stündlichem und täglichem Andrange 
hetzen, ermüden, widerstandsschwach machen und damit zugleich die Be¬ 
dingungen zum Ersatz des Verbrauchten erschweren“ und merkwürdiger¬ 
weise fügt er hinzu: „Es ist nicht zu bezweifeln und es wird von allen 
Sachverständigen bestätigt, daß in dieser Hinsicht die öffentlichen Schulen 
niederer und höherer Ordnung von dem übelsten Einflüsse sind.“ 

Nervosität und Schule, das ist das Problem, dessen Lösung für 
die Jugend- und dadurch natürlich auch für die Volkserziehuug von aus¬ 
schlaggebender Bedeutung ist 

Die Fachliteratur ist überreich an mehr weniger sachkundigen Werken 
und Abhandlungen über diesen wichtigen Gegenstand und wenn wir heute 
noch nicht zu einer eindeutigen und einwandfreien Lösung durchgedruugen 
sind, so ist daran gewiß nicht Mangel an Gründlichkeit und Arbeitslust 
schuld, sondern die Schwierigkeit und die Kompliziertheit des Gegenstandes 
selbst. Es liegt nicht in dem Zwecke meiner vorliegenden Arbeit, auf 
dieses fraglos interessante Thema näher einzugeheu; ich mußte nur darauf 
hinweisen, weil die Frage der Ermüdung (in schulhygienischem Sinne), 
der ich im folgenden näher treten will, nichts anderes ist, als eine und 
zwar die wichtigste Detailfrage aus dem ganzen Komplexe der Er¬ 
scheinungen, die wir konventionell — ob mit Recht oder Unrecht möge da¬ 
hingestellt bleiben — mit dem Namen der Nervosität belegt haben. 

Die gegenwärtige Unterrichtsform, so wird fast allgemein behauptet, 
schafft eine unzulässige Ermüdung des kindlichen Gehirns und diese 
Ermüdung bedingt eine meist bleibende Schädigung des Nervensystems: 
unsere Schuljugend ist „überbürdet“ und nimmt dadurch Schaden an 
Körper und Geist. 

Diese Anschauung ist in ärztlichen Kreisen bis vor kurzem fast 
unwidersprochen geblieben, nur Prof. Dr. R. Czerny (2) nahm einen ge¬ 
wissen Sonderstandpunkt ein und sagt (a. a. 0.): „Aus meiner eigenen Er¬ 
fahrung kenne ich keinen einzigen Fall, in welchem sich eine Schädigung 
eines gesunden Kindes durch Überarbeitung in der Schule sicherstellen 
ließ.“ Czerny vertritt sonach das andere Extrem und so sehr man ihm 
für viele Fälle rechtgeben muß, so allgemeine Geltung hat sein Aus¬ 
spruch in Wirklichkeit nicht und wie gewöhnlich scheint auch hier die 
Wahrheit in der Mitte zu liegen. 


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270 


Theodor Altschul: 


Auch Uffenheimer (3) führt in einem Vorträge: „Warum kommen 
die Kinder in der Schule nicht vorwärts?“ u. a. an: „Wir Ärzte sollen 
uns nicht jenen anschließen, welche die Schulpause immer mehr ver¬ 
kleinern, welche die Hausaufgaben abschaffen, welche in allzu einseitiger 
Weise der körperlichen Ausbildung der Schüler und dem Sport ein Lob¬ 
lied singen. Wir sollen uns freuen, daß die deutsche Schule vor den 
anderen Ländern sich durch ihre Gründlichkeit und Gediegenheit aus¬ 
zeichnet, mit der sie ihre Kinder unterrichtet. Und daß eine solche 
Ausbildung recht vielen der Kinder gut bekommt, das sehen wir doch 
alle Tage, wenn wir uns die zum großen Teil frischen und gesunden 
Schüler der höheren Gymnasialklassen oder unsere jungen Studenten an- 
sehen. Die machen nicht den Kindruck von Überbürdeten. Ehe man 
das Wort Überbürduug ausspricht, muß man vielmehr genau untersuchen, 
ob wirklich eine solche vorliegt und ob nicht andere Faktoren die Ge¬ 
sundheit der Schüler ungünstig beeinflussen. Denn neben den Ursachen, 
welche innerhalb der Schule selbst einwirken können, gibt es noch eine 
Menge anderer, außerhalb derselben waltenden Einflüsse, die dauernde 
oder flüchtige Anomalien des gesamten Geisteszustandes, also auch des 
Intellekts verursachen können.“ 

Sehr bezeichnend ist es, daß bei einer vom „Zentralverband der Indu¬ 
striellen in Österreich“ veranstalteten Rundfrage (4) betreffend das Ver¬ 
hältnis der Industrie zur Mittelschulreform, die Männer der Praxis, die 
zu Worte kamen, in ansehnlicher Majorität für die viel geschmähte Gym¬ 
nasialbildung eintreten, „weil diese ein größeres Maß allgemeiner Kennt¬ 
nisse, insbesondere aber die Fähigkeit verleiht, sich in der Muttersprache 
gewandter und klarer auszudrücken und bisher Unbekanntes rascher und 
sicherer zu fassen.“ Selbst ehemalige Realschüler vertreten auf Grund 
der praktischen Erfahrungen diesen Standpunkt. 

Der hauptsächlichste Fehler, der die fraglos herrschende Verwirrung 
in der Ermüdungsfrage verschuldet, liegt meiner Ansicht nach darin, daß 
man meist von der irrigen Anschauung ausgeht, daß jede Ermüdung schon 
an sich eine Schädigung bedeutet. Man*übersieht dabei, daß sich körperliche 
und geistige Ermüdung wieder vollständig ausgleichen kann und sich — 
von wiederholten körperlichen, bzw. geistigen Übertreibungen abgesehen 
— auch tatsächlich ausgleicht. Gladys W. Martyn (5) hat jüngst in 
einer prächtigen kleinen Arbeit: „The Experimental Study of Mental 
Fatigue“ die gleiche Anschauung zum Ausdrucke gebracht: „Fatigue has 
long been recognised as a normal physiological condition ensuing after 
inuscular or mental activity. Such a condition is removed by adequate 
rest: that of oue night should be sufficient under normal circumstances 
to remvoe tbe fatigue of the preceding day.“ 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


271 


Die „Gesetze“ (wie wir die nach menschlicher Erfahrung regelmäßig 
einsetzenden Erscheinungen nennen), welche bei der körperlichen und 
geistigen Arbeit wirksam sind, sind im Wesen die gleichen: Körper und 
Geist stehen in untrennbaren Wechselbeziehungen zueinander, es besteht 
keine undurchdringliche Scheidewand zwischen beiden und wir sollten auch 
— theoretisch und praktisch — nicht eine solche künstlich aufrichten. 

Ich habe in einer älteren Ar¬ 
beit (6) ein Schema konstruiert, das 
mir geeignet scheint, die „Gesetze“ 
der Arbeit tatsächlich mit einigen 
Federstrichen klarzulegen. 

In der nebenstehenden Fig. 1 
bedeutet B Buhe, T Tätigkeit, 

M Maximum der Leistungsfähigkeit, 

E Ermüdung, L Lähmung. 

Wir ersehen daraus, daß alle 
Phasen einer Arbeitskurve — auch 
die Ermüdung — wenn eine Rückkehr zur Ruhe stattfindet, immer 
wieder aufs neue durchlaufen und zum Maximum der Leistungsfähigkeit 
emporgeführt werden können, d. h. eine Schädigung des Körpers und des 
Geistes nicht notwendig bedingen; nur von der Lähmung gibt es keine 
Rückkehr zur Tätigkeit mehr — L und R liegen in derselben starren 
Linie; die Lähmung ist die dauernde unfreiwillige Ruhe, ein Extrem, 
das abgesehen von Krankheiten bei der körperlichen und geistigen Arbeit 
wohl niemals in Wirklichkeit vorkommt. Daß auch vollständige Muskel¬ 
lähmungen noch in manchen Fällen heilbar sind, sei der Einfachheit 
wegen hier nicht berücksichtigt. 

Ich möchte diese Arbeitskurve noch durch eine Übuneskurve er¬ 
gänzen: die Übung führt zu einem 
oft bleibenden Gewinn an Arbeits¬ 
leistung in quantitativer und qua¬ 
litativer Beziehung. 

Tätigkeit, Maximum der 
Leistungsfähigkeit und die Er¬ 
müdung sind Summanden der 
Übung, wenn auch natürlich von 
verschiedener Größe und Inten¬ 
sität; erst die Übermüdung ( Ü B) 
und die Erschöpfung ( ER) sind 
nicht mehr positiv, sie sind gesundheitsschädlich; aber durch die Rück¬ 
kehr zur Ruhe sind all diese Phasen nach kürzerer oder längerer Zeit 


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272 


Theodor Altschul: 


vom neuen auslösbar und im Gegensatz zur Lähmung kann selbst die 
Erschöpfung durch entsprechende Ruhe wieder ausgeglichen werden. 

Die einzelnen Kurvenabschnitte der Arbeit und Übung werden aber 
nicht von allen Individuen in der gleichen Zeit und mit gleichbleibeuder 
Länge (Dauer und Intensität) durchlaufen: die Individualität ist ja eben 
das unterscheidende Merkmal des Einzelwesens; es gibt niemals zwei 
Menschen, welche ganz genau dieselben Individualkurven darbieten. 
Die quantitative Leistungsfähigkeit ist durch einen qualitativen Faktor 
der bei den verschiedenen Menschen verschieden ist, in hohem Grade be¬ 
einflußt: der Ermüdbarkeit. Es gibt — bei körperlicher und geistiger 
Arbeit — arbeitskräftige, arbeitsfrohe und anderseits arbeitsschwache und 
arbeitsscheue Menschen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß sich 
bei einem Individuum Arbeitslust, bzw. Unlust nicht auf alle Arbeits¬ 
qualitäten beziehen muß, daß vielmehr Anlage und Übung eine Arbeits¬ 
qualität als leicht ausführbar und nicht so leicht ermüdend gestalten 
kann, während bei einer anderen Arbeit bei demselben Individuum sich 
Unlust und Ermüdung sehr leicht und sehr bald einzustellen vermag: was 
für den einen lustbetontes Vergnügen ist, ist für den anderen ermüdende 
und Unlust erzeugende Arbeit. Der eine z. B. kann stundenlang musi¬ 
zieren, ohne zu ermüden, während eine kurze Rechenarbeit für ihn eine 
ermüdende Qual bedeutet und umgekehrt. Man sollte meinen, das seien 
lauter selbstverständliche Dinge, die niemand bezweifeln kann und doch 
ist ein großer Teil der Überbürdungsliteratur nichts anderes, als eine 
Ignorierung dieser Selbstverständlichkeiten. 

Die größere oder geringere (individuelle) Ermüdbarkeit ist aber nicht 
nur ausschließlich von Anlage und Übung bestimmt, es tritt vielmehr 
noch eine große Reihe wechselnder Momente hinzu, welche fördernd oder 
hemmend einzuwirken vermögen, so körperliches Befinden, Stimmung und 
gauz besonders das Interesse, das man an der Arbeit nimmt; ferner 
oft genug Äußerlichkeiten, wie der Arbeitsraum, Sonnenschein oder düsteres 
Wetter, Temperatur- und Luftverhältnisse, das „Milieu“ usw., und bei 
dem Unterrichte in der Schule kommt noch die Persönlichkeit des 
Lehrers als ein durchaus nicht gering zu achtender Faktor hinzu. 

Das Problem der Ermüdung ist sonach ungemein kompliziert und es 
läßt sich streuggenommen nur für jedes Individuum gesondert unter¬ 
suchen. Das würde bezüglich der Schule eigentlich zur Forderung des 
Einzelunterrichts führen. Daß dieser praktisch undurchführbar ist, 
muß wohl nicht erst bewiesen werden, und die Erfahrung lehrt, daß die 
Kinder der höheren Stände, welche oft genug einen derartigen Sonder¬ 
unterricht genießen, in der Regel weder die gelehrtesten, noch auch die 
wohlerzogensten sind. 


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Die: geistige Eemüdung deb Schuljugend. 


273 


Der Mensch ist nun einmal ein „Herdentier“; unsere Kinder müssen 
nicht für ihr individuelles Wissensbedürfnis, sondern für die Gemeinschaft 
erzogen und für den Kampf ums Dasein gestählt werden. Wir lernen 
und wir bilden uns an den Vorzügen und Beispielen unserer Arbeits¬ 
genossen und Mitmenschen, aber auch an ihren Fehlern. Und dennoch 
haften — wenn wir wieder nur die Schulverhältnisse ins Auge fassen 
wollen — dem Massenunterrichte, der der Individualität der Schüler 
nur wenig Rechnung tragen kann, so viele Nachteile an, daß er nichts 
weniger denn als Ideal angesehen werden kann. Deshalb ist uns Ärzten 
das von Schulrat F. Sickin ger (7) begründete „Sonderklassensystem“, 
das sogenannte Mannheimer System, wie Moses (8) überzeugend dargetan 
hat, so überaus sympathisch, ob es nun pädagogisch einwandfrei ist 
oder nicht. 

Allerdings hat das Bestreben, die Schüler nach ihren Fähigkeiten in 
Unterrichtsgruppen zu sondern, zu einer gewissen Übertreibung Ver¬ 
anlassung gegeben, indem auch einerseits für die Höherbegabten und 
anderseits für die „Nervösen“ (Stadelmann [9] Sonderklassen gefordert 
wurden. Wenn man die Schülerzahl in den einzelnen Klassen prinzi¬ 
piell nicht zu hoch nimmt, dann braucht man nicht gar zu viel Sonder¬ 
abteilungen, vorausgesetzt, daß die Lehrer pädagogisch und psychologisch 
genügend geschult sind — die bessere Ausbildung der Lehrer ist ein 
wertvolles Gegengewicht gegen die sogenannte „Überbürdung“ der Schüler. 

Eine weitere für das Ermüdungsproblem wichtige Frage ist die 
Wechselbeziehung zwischen geistiger und körperlicher Ermüdung. Die 
ältere Auffassung, daß Körperübungen unter allen Umständen eine Er¬ 
holung nach geistiger Anstrengung bedeuten, ist heute mit Recht gänz¬ 
lich verlassen: ein geistig ermüdeter Mensch kann keine zweckentspre¬ 
chende und ausgiebige Körperarbeit leisten und ein körperlich ermüdeter 
Mensch ist für eine intensivere Geistesarbeit nicht besonders geeignet; bei 
den Leibesübungen ist der Geist durchaus nicht untätig und die Geistes¬ 
arbeit, die sich ja im Gehirne abspielt, ist natürlich auch Körperarbeit; 
sie beeinflußt die Stoffwechselvorgänge und wird auch umgekehrt von den 
Stoffwechselvorgängen beeinflußt. Ich (10) habe in einer kleinen Arbeit 
diese Tatsachen näher ausgeführt. 

Daß eine kräftige Körperanlage in der Regel auch mit einer besseren 
geistigen Kraft (Begabung) gepaart ist, kann nach dem Gesagten schon 
a priori angenommen werden. In unserem naturwissenschaftlichen Zeit¬ 
alter glaubt man aber nur das, was experimentell gestützt ist, und so 
fehlt es auch hierüber nicht an experimentellen Untersuchungen: Porter(ll) 
und Mac Donald (12) haben an amerikanischen, Grazianow (13) und 
Sack (14) an russischen Schülern eingehende Messungen und Wägungen 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 

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274 


Theodor Altschud: 


vorgenommen, in Deutschland sind diese Versuche von Dr. med. F. Schmidt 
zusammen mit Hauptlehrer Dr. Lessenich (15) nachgeprüft und die 
Ergebnisse bestätigt worden, auch Dr. med. Rietz (16) hat in einer be¬ 
sonders sorgfältigen Arbeit die Frage studiert und ist zu den gleichen 
Schlüssen gelangt. 

Alle diese Arbeiten sind ungemein lehrreich und interessant und ich 
zweifle nicht einen Augenblick daran, daß die Anschauungen der genannten 
Autoren im wesentlichen richtig sind, aber die Experimente selbst sind 
doch nicht vollständig einwandfrei: sie rechnen nur mit „Durchschnitts¬ 
zahlen“ (und man kann auch füglich hier nicht anders Vorgehen), und zu 
den Durchschnittszahlen habe ich einmal in der Statistik, wie ich (17) es 
schon vor Jahren in einer Arbeit dargetan habe, kein sonderliches Ver¬ 
trauen, und vollends bei der obenerwähnten Frage unterdrücken die Durch¬ 
schnittszahlen die Individualität (der Versuchsobjekte), auf die es gerade 
hier ganz besonders ankommt. 

Es wird wohl viele geben, welche diese meine Bedenken für gar zu 
pedantisch und unberechtigt erklären und mir entgegenhalten werden, daß 
wir mit Individualuntersuchuugen allein im Experimente noch viel weniger 
weiter zu kommen vermögen und daß dann fast alle naturwissenschaft¬ 
lichen Experimente nach dieser Richtung bemängelt werden können. Ich 
gebe dies ohne weiteres zu, aber ich bin schon einmal so verstockt und 
unmodern, zu behaupten, daß in der Tat die meisten Experimente au 
diesem natürlichen Fehler kranken und daß darin eine der Ursachen 
liegt, daß wir — trotz unserer nicht abzuleugnenden großartigen Fort¬ 
schritte auf naturwissenschaftlichem Gebiete — bei den vielen Millionen 
von „Experimenten“, die auf diesem Gebiete ausgeführt worden sind, nur 
verhältnismäßig wenige Probleme restlos gelöst haben und der Forschung 
noch immer sehr große, und je tiefer wir eindringen, desto schwierigere 
und kompliziertere Aufgaben erwachsen. Damit soll aber beileibe nicht 
gesagt sein, daß die Experimente überhaupt wertlos sind und daß wir 
derselben eutraten können: es soll nur betont werden, daß bei der Ver¬ 
wertung der Ergebnisse von Experimenten in der Praxis die größte 
Vorsicht geboten ist und daß wir uns dabei ganz besonders vor einer 
Verallgemeinerung hüten müssen. 

Auch über die durch die geistige Arbeit und so auch durch den 
Unterricht erzeugte Ermüdung wurde eine große Anzahl von experimen¬ 
tellen Untersuchungen — Ermüdungsmessungen — ausgeführt, die 
ich nunmehr eingehend erörtern und kritisch beleuchten will. Die Er¬ 
müdungsmessungen — namentlich an Schulkindern — wären, wenn sie 
wirklich das richtige Maß der Ermüdung bzw. Übermüdung ergeben 
würden, ein verläßlicher Index für die überaus wichtige Frage der geistigen 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


275 


Belastung durch den Unterricht und auch durch die einzelnen Unterrichts¬ 
fächer: wir könnten dann die rationelle Schulreform buchstäblich heraus¬ 
rechnen und das wäre die endgültige Lösung des schwierigen Problems, 
an welchem sich, man kann sagen, jahrhundertelang Ärzte und Pädagogen 
die Köpfe zerbrochen haben und noch zerbrechen. 

Wollen wir die Ermüdung messen, so müssen wir erst wissen, was 
eigentlich die Ermüdung ist, welche chemische und biologische Vorgänge 
im Organismus nicht nur das Ermüdungsgefühl, sondern die Ermüdung 
selbst, das ist die reelle Herabsetzung der Leistungsfähigkeit, hervor¬ 
bringen. An Definitionen und an — zum Teil experimentell gestützten 
— Untersuchungen hat es nicht gefehlt, sie haben alle recht lehrreiche 
Einzelheiten zutage gefördert, eine vollständige Erklärung des Ermüdungs¬ 
phänomens haben sie uns aber nicht geliefert. Ob die zweifellos auf exakter 
wissenschaftlicher Grundlage aufgebauten Untersuchungen Weichardts (18), 
die ungemein bestechend sind, einen Wendepunkt darstellen, der die tat¬ 
sächliche Lösung des Ermüdungsproblems bedeutet, das wird die nächste 
Zukunft zu erweisen haben. Weichardt fand im Muskelpreßsaft von 
Tieren, welche durch Rückwärtsziehen übermüdet worden waren, ein Er¬ 
müdungsgift (Kenotoxin), was übrigens schon Mosso (vgl. Ergographie) 
nachgewiesen hat, und konnte durch Injizieren des (gereinigten) Preßsaftes 
bei Pferden das Gegengift (Antitoxin) erzeugen. Er hat beide — Toxin 
und Antitoxin — isoliert dargestellt und zu ausgedehnten Versuchsreihen 
verwendet. „Es ließen sich mit dem künstlich hergestellten Ermüdungs¬ 
toxin die typischen Erscheinungen der Ermüdung bis zum Ermüdungs¬ 
tode hervorbringen. Anderseits ist es jederzeit gelungen, mit dem künst¬ 
lich hergestellten Ermüdungsantitoxin die Wirksamkeit des Ermüdungs¬ 
toxins quantitativ aufzuheben. Regelmäßige Befunde von Ermüdungstoxin 
in den Exkreten des Körpers, also auch im menschlichen Urin, zeigen, 
daß Toxinbildung bei gewöhnlicher physiologischer Ermüdung 
stattfindet und daß nicht erst eine schwere pathologische Ermüdung 
eingetreten sein muß, damit sich Ermüdungstoxin im Körper bildet. Mit 
dem Auftreten mäßiger Mengen von Ermüdungstoxin setzt nun jedesmal 
im gesunden Organismus vermehrte Bildung des spezifischen Antitoxins 
ein.“ Dies in kurzem das Wesentliche der Weichardtschen Lehre mit 
den eigenen Worten des Forschers. Wir werden später die Verwendung 
dieser Methode zu Ermüdungsmessungen noch genauer ins Auge fassen 
müssen; an dieser Stelle muß nochmals darauf hingewiesen werden, daß 
die Kenotoxinlehre trotz der wissenschaftlich korrekten Grundlage denn 
doch noch nicht so gefestigt ist, daß wir schon jetzt darauf eine gänzlich 
veränderte Ermüdungslehre aufbauen könnten, und eine vor kurzem er¬ 
schienene Arbeit aus dem hygienischen Institute der Berliner Universität 

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Theodob Altschul: 


gibt zu denken, wenngleich auch diese Arbeit nicht die Ermüdungsfrage 
direkt betrifft. Weichardt hat nämlich auch das Kenotoxin in der 
menschlichen und tierischen Ausatmungsluft nachgewiesen. 

Diese für die Frage, ob es gesundheitsschädliche Ausatmungsstoffe 
gibt, sehr wichtigen Versuche hat nun Dr. R. Inaba (19) (in dem ersten 
Versuch sogar bei Anwesenheit Weichardts) nachgeprüft und kommt 
zu dem Schlüsse, „daß die Versuchsanordnung Weichardts keinen ge¬ 
nügenden Beweis dafür liefert, daß sich in der Atemluft regelmäßig oder 
häufig ein Gift von der Konstitution seines Kenotoxins befindet“. Auch 
bezüglich der von Weichardt behaupteten Entstehung des Kenotoxins 
aus Eiweiß hat In aha Bedenken erhoben. 


Ermfidang8nies8ungen. 

Die bisher ausgeführten Ermüdungsmessungen lassen sich ungezwungen 
in folgende Gruppen einteilen: 1. psychologische, 2. physiologische, 
3. biologische. 


A. Psychologische Methoden. 

Die erste experimentelle Untersuchung über Ermüdung bei Schul¬ 
kindern wurde (wenn man von den unvollkommenen Vorversuchen Galtons 
absieht) im Jahre 1879 von Sikorsky (20) ausgeführt bzw. französisch 
veröffentlicht. Es ist ein großes Verdienst Burgersteins, auf diese Arbeit, 
deren russisches Original kaum zugänglich ist, aufmerksam gemacht zu 
haben. Sie gab den Anstoß zu weiteren Versuchsanordnungen auf dem 
Gebiete der Ermüdungsmessungen. Sikorskys Arbeit wurde fortan fast 
regelmäßig zitiert — ob sie aber von allen, die sie zitiert haben, auch 
gelesen worden ist, möchte ich bezweifeln. Gerade aber diese tatsächlich 
grundlegende Arbeit ist eine der besten aus der Reihe der psycholo¬ 
gischen Methodik der Ermüdungsmessuugen und verdient eine eingehende 
Wiedergabe. 

Der erwähnte französische Artikel ist ein Referat (Autoreferat?) und 
führt u. a. aus: „Sikorsky hat seine Aufmerksamkeit auf die psychomo¬ 
torischen Momente, d. h. auf das Wort, die Schrift und alle Tätigkeiten, 
die man freiwillige (volontaires) nennen kann, gelenkt. Diese Tätigkeiten 
stellen eine wirkliche Sprache der Ideen und Gedanken dar, gerade wie 
die Mimik und die Gesten die Sprache der Sinne bilden. Es war deshalb 
erlaubt, anzunehmen, daß jede geistige Ermüdung sich ausdrücken werde 
in irgend einer Veränderung in der psychomotorischen Arbeit“ — deshalb 
unternahm Sikorsky seine Versuche mit schriftlichen Arbeiten bei Schülern 


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Die geistige Ebmüdung deb Schuljugend. 


277 


der verschiedenen Unterrichtsanstalten. „Um das Objekt dieser Studie 
möglichst zu vereinfachen, mußte man sich auf eine Aufgabe beschränken, 
die so wenig wie möglich ermüdend für das Gehirn war und die gleich¬ 
zeitig ein Urteil über die Qualität der geistigen Arbeit in einer gegebenen 
Zeit ermöglicht. Das Diktat in der Muttersprache entspricht am besten 
diesem Ziele.“ Nach Vergleichung von beinahe 1500 Diktaten (mit etwa 
40000 Buchstaben) hat Sikorsky festgestellt, daß die langen Diktate fast 
mit derselben Exaktheit ausgeführt wurden, wie die kurzen. Da die Dik¬ 
tate au und für sich eine leichte Arbeit bedeuten, die nur wenig oder 
gar nicht ermüdend wirkt, stellen sie ein geeignetes Mittel dar, die geistige 
Ermüdung, welche durch die vorhergehenden Arbeiten erzeugt wird, zu 
bestimmen. Es wurden zwei Kategorien von Diktaten verglichen: ein 
morgens vor dem Unterricht geschriebenes und ein zweites um 3 Uhr 
nachmittags desselben Tages angefertigtes, und es fanden sich bei dem 
letzteren ausnahmslos mehr Fehler, als bei dem morgendlichen Diktate. 
Diese Ergebnisse beweisen, daß die Schüler nach einigen Stunden Schul¬ 
arbeit mit einer geringeren Exaktheit arbeiten als vor Beginn des Unter¬ 
richtes. Es wurden aber nur jene Fehler gezählt, die man als unfreiwillige 
und unvermeidliche ansehen konnte, welche Versehen („mdprises“) des 
Wortes und der Schrift darstellen. Diese Fehler hängen nicht vom Wissen 
oder von der Ignoranz ab und können durch Willen und Aufmerksamkeit 
nicht vermieden werden, sondern stehen in Wechselbeziehung mit der 
Exaktheit der Arbeit des neuropsychischen Mechanismus für eine gegebene 
Zeit. Die eigentlichen Fehler sind von der Berechnung ausgeschlossen, 
weil ihre Zahl unabhängig von der Ermüdung des neuropsychischen Mecha¬ 
nismus varieren kann als Folge mangelnder Kenntnisse oder geringerer 
Aufmerksamkeit des Schülers, Dinge, die sich jeder Messung gänzlich 
entziehen. 

Für 100 Buchstaben und 100 Schüler ergaben sich „im Mittel“ Fehler 
bei Klasse I: vor dem Unterricht 123*56, nach dem Unterricht 156*68; 
in Klasse II: 121*48:145*27; in Klasse III: 72*44:102*81; in 
Klasse IV: 66*47:94*20; in Klasse V: 61*39:81*06 und in Klasse VI: 
45*70:80*05. 

Sikorsky unterscheidet: 1. „les erreurs pbonötiques ou articulatiices“, 
z. B. ansi statt ainsi, chabre statt chambre usw.; 2. „les erreurs graphi- 
ques“, z. B. conme statt comme, angetique statt angölique, toite statt 
toute; 3. les erreurs psycliiques — Auslassen von Worten, Ersatz eines 
Wortes durch ein analoges, z. B. „En Russie il est de se föliciter“ statt 
„il est d’usage de“ oder „Vous ne la trouverez pas, lui r6pondis-je“ statt 
„lui dis-je“; 4. „les erreurs indeterminees“, deren Charakter durch Durch¬ 
streichen nicht erkennbar war. 


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278 


ThEODOB AliTSCHUL: 


Von 100 Fehlern betrag das Mittel aus allen 6 Klassen 78 Prozent 
phonetische, 11 Prozent graphische, 6*5 Prozent psychische und 8*5 Prozent 
unbestimmbare. Es wird hervorgehoben, daß zwischen Maximum und 

Minimum keine erhebliche Differenz besteht. 

0 

Für 100 Buchstaben und 100 Schüler betrugen die Mittel aus den 
6 Klassen: phonetische Fehler vor dem Unterrichte 62*57 Prozent, nach 
dem Unterricht 77*80 Prozent, graphische 8*95:11*70 Prozent, psychi¬ 
sche 4*52:8*90 und unbestimmbare 6*01:11*95 Prozent. 

Die meisten Auslassungen betreffen das m (18*78 Prozent), dann c 
(12*96 Prozent), n (11*78 Prozent), v (8*50 Prozent). 

Die Häufigkeit der Auslassungen hängt nicht zusammen mit der 
Häufigkeit des Vorkommens der betreffenden Buchstaben in der russischen 
Sprache; die Verwechslung findet auf physiologischer bzw. psychischer 
Grundlage statt: ähnlich klingende und phonetisch ähnlich gebildete Kon¬ 
sonanten werden substituiert. 

4 bis 5 Stunden Schularbeit wirken auf den Schüler im Sinne einer 
Abschwächung der Fähigkeit, die kleinen psychophysischen Werte ebenso 
genau zu differenzieren, wie zu Beginn des Unterrichts. Diese Anschauung 
wird durch die praktische Erfahrung „absolut bestätigt“: die Schüler 
sprechen sich dann die Worte leise vor, um die akustische Zusammen¬ 
setzung sich klarzumachen, sie beginnen größer zu schreiben. 

Die graphischen Fehler sind zweierlei: 1. durch Ähnlichkeit der Buch¬ 
stabenform gesetzte Verwechslungen, 2. das Setzen des lateinischen m statt 
des russischen — Verwechslung der Alphabete. 

Die psychischen Fehler nach dem Unterricht übersteigen um 90 Prozent 
jene des Morgens, die unbestimmbaren überwiegen um 92 Prozent; die 
Art der Fehlerverbesserung ist zweifellos individuell. Die Arbeit ist nach 
4 bis 5 ständigem Unterricht im Mittel um 33 Prozent weniger exakt als 
zu Beginn. Ein einmal gemachter Fehler, z. B. die Auslassung des s wird 
in der Regel öfter wiederholt. 

Ich habe die Arbeit Sikorskys ausführlicher wiedergegeben, um zu 
zeigen, daß sie von allen nachfolgenden „Verbesserern“ nicht überholt 
worden ist. 

Diese Methode Sikorskys hat Hopfner (21) (1894) einer ziemlich 
abfälligen Kritik unterzogen. Er bemängelt vor allem, daß nicht an¬ 
gegeben ist, welches die Länge oder Dauer der Diktate war, auch die Ein¬ 
teilung der Fehler in möprises (Versehen) und fautes de savoir (eigent¬ 
liche Fehler des Wissens und der Aufmerksamkeit) hält er nicht für zu¬ 
treffend. 


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Die geistige Ebmüdung der Schuljugend. 


279 


Hopfner verwendet ebenfalls Diktate, berechnet aber die Fehler 
nach Prozenten der Buchstaben. Er experimentierte an 9 jährigen Kindern. 
Es fanden sich „im Mittel“ im 1. bis 2. Satz: 0*930, 3. bis 4.: 0*723, 
5. bis 6.: 1*456, 7. bis 8.: 2-231, 9. bis 10.: 2-722, 11. bis 12.: 2-827, 
13. bis 14.: 3-753, 15. bis 16.: 3-764, 17. bis 18.: 3-648, 19: 6-426; 
nimmt man dos Mittel von vier Sätzen, dann erhält man eine regelmäßige 
Progression: 0*8, 1*8, 2.8, 3*8, 5*0 per Hundert. Wenn man aber die 
einzelnen Sätze berücksichtigt, so erkennt man ganz beträchtliche Schwan¬ 
kungen: der 11. Satz z. B. ergibt 3*731 Prozent Fehler, der 12. aber 
1*922, der 13. wieder 4-818, der 14.: 2*688, der 17.: 4-704, der 18.: 
2*592 und der 19. auf einmal 6*426! Ohne „Mittel“ stimmt sonach die 
Rechnung nicht, und wenn Hopfner in seiner gewiß geistreichen und 
psychologisch interessanten Arbeit den Ausspruch tut: „Betrachte ich es 
doch als ein Hauptziel dieser vorliegenden Arbeit, zu zeigen, wie man 
auch, ohne eigentliche experimentierende Versuche mit den Schülern an¬ 
zustellen, schon in den schulplanmäßigen Arbeiten derselben ein psycho¬ 
logisches Material besitzt, das sich durch geeignetes Verfahren sehr wohl 
im Sinne experimenteller Studien der geistigen Ermüdung verwerten läßt“, 
so stellt er damit schon die Forderung auf, die ich (22) in meinem Nürn¬ 
berger Referate verfochten habe in These 5: „Experimente, welche den 
Einfluß geistiger Anstrengung auf die geistige Leistungsfähigkeit der 
Schüler (mit alleiniger Rücksicht auf den Unterrichtserfolg) sicherstellen 
sollen, also Schulexperimente xar können nur dann richtige Er¬ 

gebnisse liefern, wenn sie im regelmäßigen Schulunterrichte angestellt 
werden und wenn die Schüler keine Kenntnis davon haben, daß sie Gegen¬ 
stand eines Experimentes sind“; aber Hopfner zieht nicht die daraus 
sich ergebenden Konsequenzen und begeht den bei den psychologischen 
Schülerexperimenten fast allgemein gemachten Fehler, die Zunahme von 
Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten in den Diktaten ausschließlich der 
Ermüdung zuzuschreiben, und was noch weniger zutreffend ist, als ein 
Maß derselben anzusprechen und (mathematisch) in Rechnung zu ziehen, 
während hier eine große Reihe anderer psychologischer Momente, obenan 
Mangel an Interesse, die Angst, in der vorgeschriebenen Zeit nicht fertig 
werden zu können und auch die Angst, ob die Aufgabe richtig gelöst ist, 
einen bestimmenden Einfluß auf die Qualität der Arbeit nehmen. 

Auch H. Ebbinghaus (23), der bekannte scharfsinnige Psychologe, 
erkennt alle zu Täuschungen führenden Fehlerquellen der Schülerexperi¬ 
mente: er erwähnt die Langeweile, die Betätigung des Mutwillens und 
Neigung zu allerlei kleinem und großem Schabernack, die Person, des 
Lehrers; er folgert auch ganz richtig, daß die durch die Ermüdungsexpe¬ 
rimente erwiesene Ermüdung noch nicht als schädlich bezeichnet werden 


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280 


Theodor Altschul: 


muß UDd sagt: „Darüber vermögen unsere (einer Breslauer Kommission) 

Zahlen keinen Aufschluß zu geben. Wenn man am Ende einer 

längeren körperlichen Übung eine bestimmte Leistung, z. B. das B[eben 
eines Gewichtes, nur noch halb so oft vollziehen kann wie zu Anfang, so 
ist damit noch nicht gesagt, daß die Übung schädlich war. Man gewinnt 
darüber erst ein Urteil, wenn sich nach häufiger Wiederholung solcher 
Übungen, ganz abgesehen von direkten Erkrankungen, die Kraft des 
Armes nicht gesteigert, sondern geschwächt zeigt. So auch hier.“ Ebbing¬ 
haus wirft dann noch die Frage auf: „Angenommen, der vielstündige 
Unterricht sei auch für die untersten Klassen gar nicht schädlich, ist er 
denn nützlich? Kann sich die Schule bei der beträchtlichen Herabsetzung 
der intellektuellen Leistungsfähigkeit jener Klassen von einer fünften Vor¬ 
mittagsstunde noch einen nennenswerten Vorteil für ihre Zwecke ver¬ 
sprechen? .... Das scheint doch einigermaßen zweifelhaft .... Nur 
von ganzen Klassen als Einheiten betrachtet gilt das eben Gesagte . . . . 
Auf jeden beliebigen einzelnen Schüler dürfen diese Folgerungsn selbst¬ 
verständlich nicht übertragen werden. Nicht nur in den untersten Klassen, 
sondern vermutlich auch noch höher hinauf wird es einzelne Individuen 
geben, bei denen eine gänzliche Unfruchtbarkeit des letzten Vormittags¬ 
unterrichts oder gar eine direkte Überanstrengung durch ihn gar nicht 
mehr fraglich, sondern völlig sicher ist. Das ist aber eine Sache, die 
nicht sowohl die Schule, als vielmehr die Eltern der betreffenden Schüler 
angeht. Von der Schule, wenigstens von der höheren Schule, kann man 
füglich nicht verlangen, daß sie ihre Einrichtungen der Veranlagung der 
schwächeren und schwächlichsten Individuen anpassen solle. Ohne ihren 
Zweck zu verfehlen, kann sie nicht anders als auf die geistige Kraft der 
guten Mitte berechnet sein.“ 

Das alles kann man — auch heute noch — wortwörtlich unter¬ 
schreiben, es ist nur nicht recht erklärlich, warum Ebbinghaus zu 
diesen naheliegenden Schlüssen neben Bechnen und Gedächtnisaufgaben 
noch eine eigene Methode — die Kombinationsmethode — heran¬ 
ziehen zu müssen glaubte, die darin besteht, daß den Schülern ihrer 
Fassungskraft angemessene Prosatexte vorgelegt werden, die in der mannig¬ 
fachsten Weise durch kleine Auslassungen unvollständig gemacht werden; 
dem Schüler wird die Aufgabe gestellt, die Lücken eines solchen Textes 
möglichst schnell sinnvoll und mit Berücksichtigung der verlangten Silben¬ 
zahl auszufüllen. 

Die Kombinationsmethode, so richtig sie rein psychologisch auch sein 
mag, vermag uns für die praktische Seite der Ermüdungsfrage wohl keine 
verläßlicheren Aufschlüsse zu geben, als die anderen Methoden und besonders 
als die Methode Sikorskys. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


281 


Eine andere, später vielfach nachgeahmte Methode hat (1891) Burger- 
' stein (24)' angegeben. Er hat 1 Stunde lang 20stellige (vorgedruckte) 
Zahlengruppen addieren und diese Gruppen mit 2, 3, 4, 5, 6 multipli¬ 
zieren lassen. Für jede Rechenoperation ist eine Zeit von 10 Minuten 
vorgesehen und es wurden in einem Experiment viermal 10 Minuten ge¬ 
arbeitet, nach je 10 Minuten wurden 5 Minuten Pause eingeschaltet, 
während welcher die einzelnen Aufgaben eingesammelt wurden. Burger¬ 
stein berechnete sodann die gemachten Fehler nach verschiedenen Ge¬ 
sichtspunkten und fand u. a., „daß innerhalb der dritten Viertelstunde die 
Fähigkeit, sich ernstlich mit jenem Gegenstände zu beschäftigen, der das 
organische Material bereits vorher beanspruchte, beträchtlich gesunken 
ist. Es macht den Eindruck, als ob in irgend einem Teile der dritten 
Viertelstunde ein Nachlassen der geistigen Intensität, eine Schwächung 
der Aufmerksamkeit Platz greife und die Kinder unbewußt rasten möchten, 
um in der vierten Viertelstunde vom neuen einzusetzen.“ 

Aber Burgerstein verkennt keineswegs die Schwierigkeiten der Fehler¬ 
zählung, die er selbst als nicht vollkommen einwandfrei erklärt und er 
ist sich auch dessen bewußt, wie dies bei einem so sachkundigen und 
nüchtern urteilenden Forscher eigentlich selbstverständlich ist, daß „die 
Schulstunde allerdings im allgemeinen in praxi reicher an Abwechslung 
als die hier benutzte Methode ist oder wenigstens sein sollte“ und daß 
obwohl für viele Fälle eine Erklärung über die Entstehung der Fehler be¬ 
stimmt werden kann, sie für andere nicht unanfechtbar ist: die Sicherheit 
der Erklärung hängt oft von einer Zufälligkeit, nämlich der besonderen 
Ziffernkonstellation an der kritischen Stelle der Rechnung, ab“ und bei 
Besprechung der Korrekturen von einzelnen Ziffern bemerkt Burgerstein: 
„In welchem Maße Ermüdung oder Hast an der Entstehung beteiligt sind, 
vermag ich nicht zu entscheiden.“ 

Es erhellt schon aus dieser Selbstkritik, daß die Rechenmethode als 
Maß der Ermüdung und Ermüdbarkeit nicht allzu verläßlich ist und daß 
wir nicht berechtigt sind, aus der Zunahme der Fehler allein auf eine 
unzulässige geistige Belastung zu schließen. Ich führe noch als Bei¬ 
spiel der Burgersteinschen Methode zwei Zahlengruppen an: 

Nr. 1. Addiere: 

28 703 451692 740831 569 
+ 35 869427108215 976 043 

Nr. 2. Multipliziere: 

28 703 451692 740831596 x 2 usw. 

Schon der Erwachsene erschrickt ob der Länge dieser Zahlenkolonuen! 


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282 


Theodob Altschül: 


Die Methoden von Ebbinghaus und von Burgerstein wurden 
vielfach modifiziert, ihrer Fehlerquellen wurden sie aber dadurch nicht * 
entkleidet und die Modifikationen stellen durchaus keine Verbesserungen 
dar. So hat Laser (25), ausgehend von der Anschauung, „daß es als 
ziemlich selbstverständlich anzusehen ist, daß bei dem vielen Rechnen in 
1 Stunde schließlich der Geist der Kinder erlahmt“ nur je 10 Minuten 
nach jeder Unterrichtsstunde rechnen lassen, aber „natürliche Verhältnisse“ 
stellen diese einförmigen und von den Schülern gewiß nicht als zweckmäßig 
erkannten Rechenoperationen gewiß nicht dar und beweisen daher ebenso¬ 
wenig, wie die Burgersteinschen Versuche. 

Friedrich (26) hat in einer fleißigen Arbeit über lange fortgesetzte 
Versuche mit Diktatproben und mit der Rechenmethode berichtet und be¬ 
merkt u. a.: „Die Fehlerprozente bieten scheinbar ein buntes Gewirr von 
Zahlen, aus denen kein Ausweg zu finden ist;“ Friedrich nimmt nun 
„Mittel“ und jetzt erst stimmte, wen nauch nicht ausnahmslos. Sieht man 
sich die Fehlerprozente der diktierten 12 Sätze an, dann wird man wohl 
bezweifeln können, ob die „Ordnung“, die erst durch die Zusammenziehung 
mehrerer Ergebnisse erzielt werden kann, zu Schlußfolgerungen über die 
Ermüdung berechtigt. Es betrugen die gemachten Fehler (Untersuchung I) 
bei den 12 diktierten Sätzen in Prozenten: 0-071, 0-217, 0-508, 0*072, 
0*235, 0*170, 0*178, 0*245, 0*170, 0-095, 0-078, 0*508; bei Unter- 
suchungll—nach der ersten Unterrichtsstunde (Rechenstunde): 0.085,0*350, 
0*280, 0*202, 0*452, 0*350, 0*075, 0*405, 0*544, 0*686, 0*326, 0*980. 

Also die Ergebnisse nach den Pausen (8 und 15 Minuten) müssen 
erst kommentiert werden, um den günstigen Einfluß der Pausen auf das 
Arbeitsquale herauszubringen. 

Auch bei den Untersuchungen Wiersmas (27) mit der Ebbinghaus- 
schen Kombinationsmethode sind sehr große Schwankungen unverkennbar. 
Nach den Ferien haben Knaben und Mädchen besser gearbeitet, indes 
glaubt Wiersma, daß hierbei die Übung eine größere Rolle gespielt 
hat, als die Erholung, weil die Kinder auch in den Ferien fleißig arbeiten 
mußten. Interessant und ungemein bezeichnend ist ein vorgekommener 
„Irrtum“, indem einmal irrtümlich nach 6 Wochen wieder dieselben 
Texte verteilt worden sind, wie am 1. Versuchstage. Wiersma bemerkt 
hierzu: „Dadurch wurde natürlich der Wert dieser Ausfüllung hinfällig“; 
ich halte aber gerade diesen unabsichtlichen Versuch für sehr wichtig: 
wenn bei demselben Texte nach 6 Wochen unter den gleichen Versuchs 
bedingungen sehr wesentliche Unterschiede auftreten, so muß man schließen, 
daß hier wohl Zufälligkeiten den Ausschlag gegeben haben. 

Kemsies (28) hat eine Doppelreihe von Untersuchungen gemacht: 
mit Rechenaufgaben und mit dem Ergographen Mossos. Die Rechen- 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


283 


aufgaben waren dem unmittelbar vor dem Versuche absolvierten Klassen¬ 
pensum für Kopfrechnen entnommen; Kemsies hält dies für eine „starke 
Belastung“ — das ist aber wohl nicht für alle Schüler zutreffend und 
außerdem ist hier ein Faktor eingeschoben, der sehr störend wirken kann: 
das bessere oder schlechtere Gedäohtnis und Kemsies selbst führt 
noch einen wichtigen Umstand an, der gewiß auf die Arbeitsleistung 
einen bestimmenden Einfluß ausübt: die „Disposition“; er betont mit 
vollem Recht: „Kinder haben ihren guten Tag, an dem sie brillieren 
und ihren schlechten Tag, daß Eltern und Lehrer verzweifeln möchten.“ 

Kraepelin (29) hat in seinen Arbeiten die ganze Ermüdungsfrage in 
zutreffender Weise beleuchtet, er hat u. a. auf den Einfluß der Übung, 
aber auch auf die Grenzen der Übungsfähigkeit, ferner auf die Selbst¬ 
steuerung der geistigen Anstrengung beim Schulunterricht durch die sich 
einstellende Unaufmerksamkeit hingewiesen; seine eigenen, an Erwachsenen 
ausgeführten Experimente aber sind für die Frage der. Ermüdung bei 
Schulkindern nicht gut verwendbar, was er selbst hervorhebt. 

Eine sehr beachtenswerte kritische Arbeit hat Richter (30) geliefert. 
Er hält die Versuche Kraepelins für nicht beweisend, weil sie viel ein¬ 
töniger und langweiliger sind, als irgendwelcher Schulunterricht. Richter 
selbst hat an einigen Klassen des Jenenser Gymnasiums Extemporalia mit 
einfachen algebraischen Aufgaben und mit griechischen Verbalformen aus¬ 
führen lassen — den Schülern wurde eine bestimmte Zeit zur Lösung 
der Aufgaben gesetzt. Der Arbeitswert war sehr verschieden, die Ver¬ 
schlechterung in den folgenden Stunden keine sehr bedeutende, ja manch¬ 
mal waren die Ergebnisse sogar besser. 

Noch wären hier die Experimente Schuytens zu erwähnen. Schuyten 
fand, daß die Ergebnisse ganz andere sind, wenn man die Untersuchungen 
nicht morgens, sondern nachmittags beginnt und am anderen Tage morgens 
fortsetzt. Er bediente sich bei seinen Experimenten einer eigenen „aku¬ 
stischen“ Methode, welche auf das „akustische Gedächtnis für Zahlen“ 
aufgebaut ist. Es werden 8 zweizifferige Zahlen vorgesprochen und von 
den Schülern im Chor wiederholt; die Kinder schreiben die behaltenen 
Zahlen nieder — es sind ihnen genau 2 Minuten für jede Serie zugemessen. 
Schuyten schreibt den Umstand, daß die Anfangsresultate immer besser 
sind, nicht so sehr der geistigen Frische, als dem Interesse zu, welche die 
Kinder den zu lösenden Aufgaben entgegenbringen. Dieser Fehler müsse 
ausgeschaltet werden, indem man nicht an einzelnen Schülern, sondern an 
Gruppen experimentiert, die nach Alter, Höhe der Intelligenz und der 
sozialen Stellung der Eltern gleich sind und nur ein einziges Mal unter 
ganz gleichen Verhältnissen examiniert werden. 


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Theodob Altschul: 


Schuyten kommt zu dem Schlüsse, daß man all den bisherigen 
Versuchen, welche morgens begonnen werden, kein Vertrauen entgegen¬ 
zubringen vermag. Ob aber Scbuytens Versuche die Frage der Ermüdung 
von Schulkindern besser und verläßlicher zu lösen vermögen als die anderen 
psychologischen Experimente, ist nicht unbedingt zu bejahen, da auch 
hier, und zwar noch mehr, wie bei der Versuchsordnung von Kernsies 
(siehe oben) die Gedächtniskraft in Betracht kommt und die „Gruppen¬ 
untersuchung“ auch ihre großen Nachteile hat, wovon später (siehe Groos 
S. 291) noch die Rede sein wird. 

Quirsfeld (32) hat Schuytens Versuche wiederholt und fand, daß 
beim Kinde alle intellektuelle Tätigkeit und das-Gedächtnis nach mehreren 
Unterrichtsstunden intensiver, für den Versuch geschärfter ist; daß aber 
bei weiteren Versuchen das Ergebnis vom 1. zum 2. Tage, bei den Knaben 
auch am 3. Tage sich besserte und am 4. Tage sich jäh verschlimmerte 
— was aber nur das eingetretene mangelnde Interesse als Ursache an¬ 
nehmen läßt. Um 11 Uhr vormittags war das Gedächtnis bei beiden 
Geschlechtern durch Übung in mehrstündiger Unterrichtszeit geschärfter; 
Empfindungen und Vorstellungen waren intensiver als morgens vor dem 
Unterricht und hielten auch an bis zum Nachmittagsunterricht, ließen 
dann aber sehr nach. 

„Wesentlich interessanter und dankbarer,“ bemerkt Quirsfeld, „sind 
die Ermüdungsmessungen nach Dr. Mesmer mit dem Zahlenzylinder, auf 
welchem in vertikaler Richtung 25, in horizontaler 27 einstellige Zahlen 
angeordnet sind. In 15 Minuten machten die Knaben durchschnittlich 
579 Additionen und 16 Fehler, die Mädchen 458 Additionen und 21 Fehler; 
die meisten Fehler fielen durchschnittlich in die zweite Hälfte der Ver¬ 
suchszeit. Die „Visuellen“ erzielten bessere Resultate. Quirsfeld gibt 
aber schließlich zu: „Fast alle bisher auf diesem Gebiete gewonnenen Er¬ 
fahrungen haben, was auch die gewiegtesten Pädagogen und Hygieniker 
zugeben, keinen positiven wissenschaftlichen Wert. Diesen zu erzielen, 
bedarf es, bei der großen Verschiedenheit der kindlichen Individualitäten 
jahrelanger Untersuchungen. 

Es sei hier noch kurz der Zeitschätzungsmethode Erwähnung 
getan, die M. Lobsien 1 verwendet hat. Ich zitiere sie nach Offner 
(siehe Lit. Nr. 66). Ein Zeitraum von 1 Minute wird durch schnelle Takt¬ 
schläge ausgefüllt. Die Versuchspersonen — 10jährige Schüler — hatten 
die Länge des Zeitraumes rasch abzuschätzen und niederzuschreiben. Die 
aus der Gesamtsumme der Schätzungen berechnete Durchschnittsschätzung 
wächst mit einigen Schwankungen vom Beginne der ersten bis zur letzten 

1 M. Lobsien, Ermüdung und Zeitschätzung. Pädayog. psychol. Studien. 
1903. Bd. IV. 


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Die geistige Ebmüdung dee Schuljugend. 


285 


Stunde von 2*43 auf 4-03. Offner hält aber „bei der notorischen Unsicher¬ 
heit der Kinder und viele* Erwachsener im Zeitschätzen diese Schätzung 
für ein wenig verläßliches Ermüdnngsmaß — und er hat darin sicher recht. 

Wie vorsichtig man in der Deutung der Ergebnisse psychologischer 
Experimente sein muß und wie ungemein kompliziert und von wie vielerlei 
Äußerlichkeiten und Zufällen die individuelle Reaktion auf die experi¬ 
mentell gesetzten „Reize“ abhängig ist, beweisen u. a. zwei interessante 
experimentell-psychologische Arbeiten, eine von Rauschburg (33) und 
eine von G. E. Müller und F. Schumann (34). 

Rauschburg hat mit seinem „Mnemometer“ an 60, teils normalen, 
teils geisteskranken Individuen Untersuchungen über den Umfang und die 
Sicherheit der Auffassungsfähigkeit angestellt. Zahlen wurden V 3 Sekunde 
exponiert und mußten sofort angegeben werden. Es ließ sich bei wieder¬ 
holten Versuchen feststellen, daß bestimmte Zahlenreihen von allen oder 
fast allen Versuchspersonen falsch gelesen, während andere Zahlen jedes¬ 
mal richtig aufgefaßt und mit auffallender Leichtigkeit wiedergegeben und 
nur selten verfehlt wurden. 

Rausch bürg fand, daß es hauptsächlich die 3. bis 5. Ziffer war, vou 
deren Konstruktion das Eintreten oder Wegbleiben der Illusion abhing. 
Im allgemeinen schien es, daß Illusionen entschieden seltener eintraten, 
wenn diese Stellen mit Ziffern aus geraden Linien, also 7, 4 und besonders 
1 besetzt waren, als bei Zahlen mit gebogenen Linien, ferner schienen 
die höheren Zahlen 9, 8, 7, 6, 5 häufiger Illusionen ausgesetzt zu sein 
als 0, 1, 2, 3, 4; ebenso war es häufig, daß Kombinationen von zwei ähn¬ 
lichen Ziffern nebeneinander, z. B. 38 — 83, als identische Ziffern, z. B. 
33, gelesen wurden und umgekehrt identische als ähnliche, z. B. 88 als 83, 
99 als 69 u. dgl. m. 

Diese Versuche wurden an Erwachsenen vorgenommen, um wie viel 
mehr mögen Kinder bei Reihenoperationen derartigen Illusionen ausgesetzt 
sein, die absolut nichts mit Ermüdung zu schaffen haben, sondern von 
der zufälligen Ziffernkonstellation abhängen? 

G. E. Müller und F. Schumann waren meist abwechselnd einmal 
Versuchspersonen, einmal Experimentator, sonst wurden noch einige Hörer 
mit herangezogen. Die Autoren wollten die von Ebbinghaus 1885 ver¬ 
öffentlichten Experimente über das Gedächtnis durch eigene, dieEbbiug- 
hausschen Fehlerquellen vermeidende Versuche vertiefen. Wenn man 
nun sieht, wie viele Kautelen bei diesen besonders vorgebildeten und 
intelligenten Versuchspersonen nötig waren, um Zufälligkeiten möglichst 
auszuschließen und wenn man erkennt, wie beim Auswendiglernen sinn¬ 
loser, nach einem wohldurchdachten Plane zusammengestellter Silben z. B. 
der „Takt“, in welchem die Silben beim Lesen gesprochen werden, eine 


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Theodok Altschül: 


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wesentliche Rolle für das leichtere oder schwerere Lernen spielt (bei 
trochäischer Betonung werden die Silben leichter behalten, wie bei jam¬ 
bischer, weil die deutsche Sprache eine zumeist trochäische ist) u. ä. m., 
wenn man bedenkt, daß diese Versuche Monate lang fortgesetzt wurden, 
um irgendwie brauchbare Resultate zu ergeben, dann wird man den primi¬ 
tiven Gedächtnisproben bei den Schülerexperimenten keine beweisende 
Kraft zuzuerkennen vermögen. 

Die Verfasser haben ferner schon früher 1 bei Gewichtsversuchen ge¬ 
zeigt, daß der Einfluß der Ermüdung zuweilen nichs in der letzten, 
sondern in der vorletzten Reihe sein Maximum erreicht, weil bei der 
letzten Runde der Einfluß der fortschreitenden Ermüdung durch den 
gegenteiligen Einfluß überboten wurde, den die Freude der Versuchsperson, 
dem Ende der so lästigen Beschäftigung nahe zu sein, auf die Energie der 
Arbeit ausübte. In ähnlicher Weise, glauben die Verfasser, dürfte auch bei 
den Gedächtnisversuchen die Freude der Versuchsperson, endlich bei der 
letzten Versuchsreihe angelangt zu sein, den Einfluß der Ermüdung aus¬ 
geglichen oder sogar überboten haben. 

Es werden sodann noch eine große Reihe interessanter Details über 
Assoziation, über rückläufige Assoziation, über die Individualität usw. klar¬ 
gelegt. Die schlimmste Störuug ist die Störung durch Gedanken, die man 
unmittelbar vor dem Lernen verfolgt, aber nicht zu Ende geführt hat, die 
dann fortwährend das Bewußtsein bedrängen, sowie die Störung durch Ge¬ 
mütsbewegungen, die man über ein erst unmittelbar vor dem Lernen ein¬ 
getretenes oder zur Kenntnis gelangtes Ereignis empfindet, Störungen, wie 
sie bei Schülerexperimenten wohl niemals in ihrer bunten Mannigfaltigkeit 
zur Gänze erkannt und gewürdigt werden können. 

Die psychologischen „Ermüdungsmessungen“ bei Schulkindern können 
daher keine allzugroße Vertrauenswürdigkeit für sich in Anspruch nehmen. 


B. Physiologische Methoden. 

Nachdem die psychologischen Methoden keine eindeutigen Resultate 
ergeben haben, lag es sicherlich sehr nahe, Methoden auzuwenden, welche 
scheinbar eine direkte Messung der Ermüdung ermöglichen. 

1. Ergographie. 

Mosso (35) hat seinen Ergographeu zu derartigen Ermüdungs¬ 
messungen verwendet. Der Apparat verzeichnet in Kurven auf einem 
rotierenden berußten Zylinder die periodischen Kontraktionen des Zeige- 

1 Pflügers Archiv. 1889. S. 98. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


287 


fingers, der ein Gewicht möglichst hoch zu heben hat; die je nach dem 
Grade der Muskelkraft bzw. der Ermüdung natürlich verschieden großen 
Hubhöhen bedingen den Verlauf der Kurven. 

Die Ermüdungskurve ist nach Mosso die Resultante eines Komplexes 
von Ursachen, welche auf die Muskeln, auf die Nervenzentren, auf den 
Kreislauf wirken. Das psychologische Phänomen ist nicht der einzige 
Faktor der charakteristischen Zeichen, welche die Ermüdungskurve dar¬ 
bietet, die Muskeln können sich unabhängig von der Reizbarkeit und der 
Energie des Nervensystems erschöpfen: der Muskel ist kein blindes 
Werkzeug der Nerven. Nachdem aber Mosso gefunden hatte, daß 
bei der Muskelarbeit auch die Nervenzentren ermüden, untersuchte er, ob 
die Ermüdung der psychischen Zentren des Gehirnes auch auf die moto¬ 
rischen Zentren derselben wirken könne. Er fand nun, daß sein Schüler 
Maggiora, nachdem er 3 l l a Stunden 11 Studenten in Hygiene geprüft 
hatte, eine bedeutende Herabsetzung der Muskelkraft (am Ergographen) 
zeigte und daß der Wille nicht mit gleicher Kraft auf die Muskeln wirken 
könne, weil die Ermüdung der psychischen Zentren sich den motorischen 
Zentren mitteilt. Die Ursache liegt in der Vergiftung des Blutes durch 
die Zersetzungsprodukte, die bei der geistigen Arbeit erzeugt werden. 
Mosso wies diese Giftigkeit durch das Tierexperiment nach: künstlich 
ermüdeten Hunden wurde Blut entnommen und gesunden infundiert. Die 
Tiere erscheinen müde und niedergeschlagen, oft erfolgt Erbrechen. 

Nachdem Maggiora für einige Tage aufs Land gegangen war, zeigten 
die Kurven nach seiner Rückkehr normalen Verlauf. 

Maggiora (85) hat die Versuche seines Meisters Mosso im Detail 
ausgeführt und studierte den Einfluß größerer oder kleinerer Gewichte, 
die Variationen der Kontraktionsfrequenz, die Erholungspausen, die perio¬ 
dische Arbeit, die Arbeit des schon ermüdeten Muskels, die Wirkung der 
Anämie usw. auf die Ermüdungskurve. Maggiora betont, wie groß die 
Schwierigkeiten sind, welchen man bei der Analyse der Muskelarbeit und 
der Ermüdung begegnet. „Es handelt sich um verwickelte Prozesse, 
wobei verschiedene Ursachen gleichzeitig wirken und denselben oder ent¬ 
gegengesetzte Effekte hervorbringen. Die Vorgänge, welche in Aktion 
treten, sind so eng miteinander verknüpft, daß wir sie mit unseren 
heutigen Untersuchuugsmitteln nicht getrennt wirken lassen können, um 
zu erfahren, wie sich die Funktion eines jeden derselben gestaltet und 
um die Gesetze, welche die verschiedenen Faktoren betreffen, aus denen 
die Kontraktion und Erschöpfung der Muskelenergie resultiert, feststellen 
zu können.“ 

Eine zutreffende Beurteilung haben die ergographischen Versuche 
durch Treves (36) erfahren. Er weist darauf hin, daß das sicherste 


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Theodor Altschul: 


Resultat der ergographischen Versuche in dem von Mosso aufgestellten 
Satze wiedergegeben ist: „Eine im physiologischen Zustande befindliche 
und gilt ausgeruhte Person gibt bei einem gewissen Gewichte und bei 
konstantem Rhythmus die gleiche Ermüdungskurve.“ „Dieser allgemeine 
unbestreitbare Satz,“ bemerkt Treves, „ . . . schließt fast schon die Er¬ 
mahnung in sich ein, daß diese ergographische Methode nur einen Typus 
der individuellen Reaktion liefern kann, der sich bei den verschiedenen 
Arbeitsbedingungen und bei den verschiedenen organischen Zuständen des 
Individuums verändern kann, niemals aber weder als absolutes Maß der 
Produktion der äußeren mechanischen Arbeit, noch als Index der Gesetze 
gelten kann, nach welchen die Ermüdung entsteht . . . Ferrari täuscht 
sich nicht über die geringe Vertrauensmüdigkeit von Kurven, die von 
nicht gutwilligen oder zerstreuten Individuen geliefert wurden und das 
Vertrauen des Experimentators täuschen können.“ 

Ergographische Versuche an Schülern haben Kemsies 1 und 
Keller (37) ausgeführt. 

Kemsies hält den Ergographen für den sichersten Indikator für 
Ermüdung und hebt mit gesperrter Schrift hervor: „Die Muskeldepression 
läßt sich durch die stärkste Willensanstrengung nicht verdecken“ — gewiß 
eine nicht immer zutreffende Behauptung. Ebensowenig wird man 
Kemsies zustimmen können, wenn er sagt: „Die Meinung, daß die 
Stimmung, welche der Unterricht erzeugt und das Interesse, welches der 
Schüler den Gegenständen entgegenbringt, geeignet seien, der objektiven 
Ermüdung Einhalt zu tun, ist nicht haltbar.“ 

Kellers Arbeiten zeugen von großem Fleiße und gründlicher Durch¬ 
arbeitung; aber ganz abgesehen von den bereits erwähnten prinzipiellen 
Bedenken gegen die ergographische Methode muß wieder erst in die ge¬ 
wonnenen Zahlenreihen durch Zusammenziehen von Zifferngruppen Ord¬ 
nung gebracht werden, um Resultate zu liefern. Als „Gesetze“ stellt 
Keller auf: „Einer stärkeren Erregung folgt eine stärkere Depression“ 
und „Erhöhte Erregung verlängert die Leistungsfähigkeit“. Diese „Ge¬ 
setze“ glaubt Keller durch seine Zahlen bewiesen zu haben, während 
man ohne diese Zahlen der Ansicht sein müßte, daß die geistige Arbeit 
die Leistungsfähigkeit um so mehr beeinträchtige, zu je stärkerer Erregung 
sie führe. — Ich glaube aber nicht, daß viele dieser Ansicht sein werden, 
da es doch auch ohne ergographische Experimente a priori wahrscheinlich 
ist, daß eine größere Erregung, wie alle starken Reize, die Leistungsfähig¬ 
keit steigert, ebenso wie es nichts Überraschendes ist, daß übermäßige 
Erregungen zu starken Depressionen führen. 


1 A. a. O., vgl. S. 282. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend 


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2. Ästhesiometrie. 

Nachdem die ergographische Methode sich nicht recht durchzusetzen 
vermochte, setzte im Jahre 1895 eine neue Phase in den Ermüdungs¬ 
messungen ein, als Griesbach (38), einer der führenden Geister auf dem 
Gebiete der Schulhygiene, mit seiner ersten, auf wissenschaftlicher Basis 
aufgebauten und mit gewichtigen Argumenten gestützten Arbeit: „Ener¬ 
getik und Hygiene des Nervensystems in der Schule“ hervortrat. Gries¬ 
bach knüpft an die grundlegenden Arbeiten Webers an und benützt die 
seiner Angabe nach durch die Ermüdung bedingte Herabsetzung der Haut¬ 
empfindung (Raumsinn) zu Messungen der Ermüdung mittels des von 
ihm sehr sinnreich modifizierten Ästhesiometers. Die Vergrößerung 
der „Raumschwelle“ soll die Größe der Ermüdung ziffernmäßig angeben, 
indem die beiden Spitzen des Ästhesiometers in desto größeren (Millimeter-) 
Abständen als eine Spitze empfunden werden, je größer die geistige Er¬ 
müdung ist. Die Methode hat etwas ungemein Bestechendes und die un¬ 
leugbare und vollauf berechtigte Autorität Griesbachs, sowie die frappie¬ 
renden, sich fast stets gleichbleibenden Ergebnisse bei seinen zahlreichen 
praktischen Versuchen an Erwachsenen und Schulkindern schien die Richtig¬ 
keit der theoretischen Voraussetzungen zu bestätigen. 

Griesbach hat in der Folge in zwei weiteren gründlichen Arbeiten 
(39) seine Methode theoretisch und praktisch ausgebaut, und es kann 
nicht wundernehmen, daß diese Methode sehr viel nachgeprüft wurde. 

Die Griesbachsche Methode der Ermüdungsmessungen hat sozu¬ 
sagen eine „Literatur“ für sich allein gezeitigt und es würde sich vielleicht 
lohnen, in einer besonderen Arbeit auf alle Einzelheiten dieser Literatur 
einzugehen; hier kann ich nur das wichtigste hervorheben, insoweit es 
für den Kernpunkt der Frage: ob die Ästhesiometrie als Maß der Er¬ 
müdung verwendet werden kann, von Belang ist. 

Griesbach äußert sich in seiner neuesten Arbeit: „Hirnlokalisation 
und Ermüdung,“ einer Arbeit, die eine ganze Reihe sehr interessanter 
physiologischer Details enthält (S. 14), dahin: „Es gibt bei ausreichen¬ 
der Geschicklichkeit und Übung kein handlicheres, bequemeres und 
schneller zum Ziele führendes objektives Verfahren als die Ästhesiome- 
metrie, um die durch irgendwelche Umstände hervorgerufene Ermüdung 
zu erkennen . . . Individuelle Verschiedenheit in bezug auf Ermüdbar¬ 
keit und Widerstandskraft gegen Ermüdung verlangen bei Erörterung 
dieser Fragen“ (wo die physiologische Ermüdung aufhört und die patho¬ 
logische beginnt; wo Erholung an Stelle von Ermüdung oder wo die 
letztere in ein chronisches Stadium getreten ist) „selbstverständlich Be¬ 
rücksichtigung. Im allgemeinen aber läßt sich sagen, daß der Anstieg 

ZeiUchr. f. Hygiene, LX1X 

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Original fram 

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Theodor Adtbohul: 


der Schwellen, und ganz besonders der rechtsseitigen, bis auf zehn nnd 
mehr Millimeter auf erhebliche Ermüdung hindeutet und daß andauernde 
Ermüdung besteht, wenn die Schwellen in arbeitsfreier Zeit die physiolo¬ 
gische Normale um mehrere Millimeter an Höhe übertroffen, in derselben 
beharren und für dieses Verhalten keine anderen Ursachen, wie beispielsr 
weise Alkoholgenuß, Tabakmißbrauch, Exzesse in Venere“ (Griesbach 
hat auch u. a. an Soldaten zahlreiche Untersuchungen vorgenommen) „nnd 
krankhafte Zustände vorliegen. Im Hinblick auf die Zuverlässigkeit, prak¬ 
tische Bedeutung und Verwertbarkeit der ästhesiometrischen Messung 
werden Gewerbehygiene und Unfallversicherung und — last not least — 
der Staatsanwalt mit diesen Faktoren zu rechnen haben, wenn es sich 
um Unfälle handelt, die auf Ermüdung im Dienst derjenigen Personen 
zurückzuführen sind, denen eine Gefährdung der Betriebssicherheit "zur 
Last gelegt werden kann.“ 

Die Messung wird von Griesbach derart vorgenommen, daß die 
Spitzen des Ästhesiometers bald in weiterem, bald in geringerem Abstande 
voneinander in der Querrichtung zur Längsachse des Körpers, senkrecht 
zur Handfläche, aufgesetzt werden und die Entfernung, bei welcher zwei 
Eindrücke als ein Eindruck empfunden wurde, notiert wurde. Um die 
physiologischen Normalen für die zur Messung verwendeten Hautstellen 
festzustellen, wurden arbeitsfreie Zeiten (Sonn- und Feiertage) gewählt. 

Die Mittelwerte an je 10 Individuen der verschiedenen Altersstufen 
ergaben z. B. für 15jährige Schüler: Glabella 4*6, Nasenspitze 3, Rot 
der Unterlippe 1*5, Jugum (Mitte) 5-5, Daumenballen 4*5, Finger¬ 
beere 1-5. Die zahleichen Untersuchungen zeigen in der Tat fast regel¬ 
mäßige Zunahmen der Raumschwelle nach den einzelnen Unterrichts¬ 
stunden, wenn auch in einzelnen Reihen gewisse Unregelmäßigkeiten un¬ 
verkennbar sind. 

Von den Autoren, welche die Griesbachschen Befunde zu bestätigen 
vermochten, nenne ich: Wagner, Vannod, Sakaki, Alfr. Binet, 
Bonoff, Noikow und Abelson. 

Wagner (40) führt in seiner Arbeit aber selbst schon eine ganze 
Reihe möglicher Fehlerquellen an: „Folgen auf große Abstände beträcht¬ 
lich kleinere, so neigt das Sensorium zur Empfindungsverschmelzung,“ 
doch hält Wagner diese Fehlerquelle für weniger belangreich — warum? 
wird nicht gesagt. Die Messung muß schnell vorgenommen werden, weil, 
den Angaben Erwachsener zufolge, wenn man lange hin und herprobiert, 
das Sensorium schließlich in eine Art Verwirrung gerät und unfähig zu 
jeder Unterscheidung wird. Die physiologische Normale über dem 
Jochbogen findet Wagner kleiner, als sie Griesbach angegeben hat. 


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Original frum 

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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


291 


„Die Ermüdungskurven sind bei den einzelnen Schülern nach der näm¬ 
lichen Stunde im allgemeinen ungleichartig: einer zeigt Ermüdungszu-, 
ein anderer -ahnahme. Auf den ersten Blick scheint ein gesetzloses Chaos 
von Änderungen vorzuliegen; im arithmetischen Mittel, das den Faktor 
der Individualität ausmerzt, offenbart sich aber sofort das einfache Gesetz.“ 
Ob diese Angaben Wagners gar so sehr für den Wert der Methode 
sprechen, möge dahingestellt bleiben. Die Ermüdbarkeit und die Er¬ 
müdung sind einmal individuell und die Individualität darf absolut nicht 
„ausgemerzt“ werden. Groos (41) äußert sich sehr zutreffend in seinem 
lesenswerten Buche: „Das Seelenleben des Kindes“ bezüglich der Massenbeob¬ 
achtungen bei Kindern folgendermaßen: „Der Vorteil der Methode besteht 
einerseits in dem Aufschluß typischer Differenzen und anderseits in der 
Möglichkeit, durch Herausarbeitung mittlerer Werte das allgemeingültige 
zu finden. Je weiter sich jedoch die Untersuchung ausdehnt und je mehr 
infolgedessen die Zahl der Mitarbeiter wächst, desto größer wird auch die 
Gefahr, daß die Beobachtungstreue und die Zuverlässigkeit der Verarbeitung 
selbst auf einen Mittelwert herabsinkt, dessen Niveau oft bedenklich tief 
liegen kann. Die ideale Vereinigung beider Arbeitsweisen (der Einzel- 
und der Massenuntersuchung) wird darin bestehen, daß zahlreiche ge¬ 
schulte Beobachter eine möglichst große Menge von Individuen fort¬ 
laufend im einzelnen untersuchen und die so allmählich gewonnenen 
Resultate zu Gesamtergebnissen zusammenfassen.“ 

Brahn (42) spricht sich in gleichem Sinne aus: „Bei all diesen 
Untersuchungen physiologischer wie psychologischer Natur hat man nur 
zu oft über der Untersuchung der Schüler den Schüler vergessen. Objekt 
der Pädagogik, noch mehr Objekt der Hygiene ist aber das Individuum, 
und es ist darum zu hoffen, daß fernere Arbeiten sich immer mehr mit 
den Differenzen in der Ermüdbarkeit der einzelnen Schüler, statt nur mit 
Durchschnittsangaben beschäftigen werden. Besonders in der Volksschule 
wird auch bei Durchschnittsleistungen, welche keine Ermüdung zeigen, 
eine gewisse Zahl von Schülern bereits übermüdet; es ist daher nötig, die 
gleichaltrigen Kinder nach dem Grade ihrer Fähigkeit in mindestens zwei 
Abteilungen zu sondern. Diese besonderen Abteilungen hätten zu um¬ 
fassen: die körperlich Schwachen, die geistig Zurückgebliebenen, die nervös 
Prädisponierten“ — also schon der Vorschlag eines Sonderklasseusystems! 

Die Arbeit Wagners enthält, abgesehen von den ästhesiometrischen 
Messungen, die nebenbei bemerkt sehr verschiedenartige Kurven ergeben, 
die erst stark kommentiert werden müssen, um zu stimmen, manch be¬ 
achtenswerte Bemerkung; eine der bezeichnendsten ist folgende: „Es darf 
nicht außer acht gelassen werden, daß die Person des Lehrers unver¬ 
gleichlich viel mehr ausmacht als der Stoff; beinahe möchte man auf Grund 

19 * 


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292 


Theodor Altschdl: 


der gemachten Beobachtungen diese Wahrheit dahin zuspitzen, daß auch 
die schönsten Verordnungen und auch das denkbar niedrigste auf dem 
Papier fixierte Maß von Anforderungen doch unter Umständen eine 
stärkere Inanspruchnahme der Schüler nicht aus der Welt zu schaffen 
imstande wären.“ 

Vannod (48) ist ein unbedingter Anhänger der Griesbachschen 
Methode, auch bezüglich des stärker ermüdenden Einflusses gewisser 
schwererer Unterrichtsgegenstände. In seinem Nürnberger Referate hat 
er allerdings eine wesentliche Einschränkung in seiner 8. These eingefügt: 
„Certains facteurs agissent directement ou indirectement sur la sensibilitö 
et doivent dans l’exöcution de la möthode ötre pris en consideration. Je 
citerai: la tempörature ambiante, l’£tat de santö de l’ölöve examinö (ner- 
vosisme, neuerasthönie, fatigue provenant d’un sommeil insuffisant), les 
capacites d’eleve pour teile ou teile branche de l’enseigent.“ 

Außer mit dem Ästhesiometer hat Vannod auch noch mit seinem 
„Algesiometer“ (eine Spitze wird durch aufgelegte Gewichte gegen die Haut 
gedrückt) die durch die Ermüdung angeblich gesteigerte Schmerzempfin¬ 
dung bestimmt und resümiert seine Befunde in dem Satze: „La consö- 
quence de la fatigue ceröbrale est l’hypoesthesie accompagnee d’hyper- 
algösie.“ 

Auch Sakaki (44) kann nach Messungen an 206 Schulkindern in 
vier japanischen Schulen die Befunde Griesbachs bestätigen. Er fand 
als physiologische Normale (am Jochbogen) in der Mädchenelementarschule 
11*8 mm , in der Knabenelementarschule 12-3 mm , in der höheren Töchter¬ 
schule 12-1 mra , im Gymnasium 13*2 mm , und er gibt für die einzelnen 
Unterrichtsgegenstände eine genaue „Ermüdungsskala“ an, z. B. für die 
Elementarschulen: Rechnen, Lesen und Diktat bringen die größte Ermü¬ 
dung hervor, Zeichnen wirkt gleich 0, Physik erholend und Naturkunde, 
wenn sie im Vormittagslehrplan liegt, gleichfalls erholend. Im Gymna¬ 
sium wirkt die Physik am meisten ermüdend (Unterschied zwischen Ele¬ 
mentarschule und Gymnasium! fügt Sakaki selbst hinzu), während Singen 
und Altjapanisch erholend wirken. Ob diese merkwürdige Skala (und die 
anderen angeführten) gar zu sehr für die Verläßlichkeit der Messungen 
sprechen, läßt sich wohl nicht unbedingt bejahen. 

Binet (45) ist sozusagen aus einem ästhesiometrischen Saulus zu 
einem Paulus geworden. Er hat die Versuche durch Lehrer ausführen 
lassen, die über die Technik der Methode instruiert waren, ohne daß man 
ihnen die Resultate verriet, zu denen man gelangen wollte; Binet ließ 
sogar ein wenig Skeptizismus durchblicken. 

Das „Ästhesiometer“, das von den Experimentatoren verwendet wurde, 
hat ein Pariser Lehrer Buzinet, konstruiert. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Die geistige Ermüdung des Schuljugend. 


293 


Es besteht eigentlich aus einer Serie von sieben „Ästhesiometern“. 
In Kartons von 3 mm Dicke werden Nadeln bis zur Hälfte ihrer Länge 
mit der Spitze eingesteckt. Es wurden sieben derartige Kartons an¬ 
gefertigt; einer mit einer Spitze, die anderen mit zwei Nadeln in Ab¬ 
ständen von 0*5 cm , l c “, l.5 cm , 2®“, 2*5 cm , 3 cm . Die Versuche wurden 
am Handrücken ausgeführt; in jeder Sitzung (von 10 Minuten Dauer) 
wurden in einer vorher (auf dem Papier) festgesetzten Reihenfolge 56 „Reize“ 
ausgeübt, d. h. jeder Karton wurde achtmal verwendet. Bin et hebt hervor, 
daß man nicht früher fragen dürfe: „Wieviel Spitzen?“, ehe man die¬ 
selben aufgesetzt hat. — „II y a des enfants tellement suggestibles, qu’ils 
räprondraient avant d’avoir rien senti. J’en ai vie“. 

Wenn ein Individuum bei 1 *5 cm Nadelabstand zwei Spitzen fühlt 
und bei einer größeren Entfernung nur eine, so ist es zerstreut; man kann 
also, meint Bi net, durch diese Methode zwischen der Genauigkeit 
(finesse) der Empfindung und dem Grade der Aufmerksamkeit unter¬ 
scheiden. Es gibt Kinder, die nicht verstehen, was man sie fragt, ferner 
solche, die wiederholt eine Spitze als zwei angeben, solche, die kleinere 
Abstände besser unterscheiden als große und endlich solche, welche 
automatisch immer dieselbe Zahl repetiereu — all diese (7 Knaben, 
4 Mädchen) wurden ausgeschieden. Die Versuche wurden von demselben 
Lehrer stets nach einiger Zeit wiederholt: die Kinder sind nämlich bei 
der ersten Untersuchung, wo sie noch nicht wissen, was ihnen geschieht, 
aufgeregt: es wurden Mädchen von 12 Jahren beobachtet, die in helle 
Tränen ausbrachen ... bei dem zweiten Examen sei aber das Kind bereits 
eingeübt, es verstehe besser den Wert der taktischen Empfindung und 
deutet sie exakter und da es sich um eine Arbeit handelt, die aufgehört 
hat, seine Neugierde zu erregen und etwas monoton ist, muß man 
fürchten, daß das Kind desinteressiert ist und maschinenmäßige Antworten, 
Antworten der Langeweile gebe. Die geschicktesten Experimentatoren 
können all diese kleinen Beeinflussungen nicht abschätzen. Es wurden 
deshalb an 20 Schülern an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vor dem 
Unterricht Kontrollmessungen vorgenommen. 

Diese Bemerkungen Bi nets sind gewiß sehr zutreffend und lehrreich 
und es ist bei einem so sachverständigen und nüchtern urteilenden Be¬ 
obachter etwas auffallend, daß er trotz alledem und bei der nicht sehr 
exakten und primitiven Konstruktion des Buzinetschen Karton-Ästhesio¬ 
meters erklärt, daß er nach Durchsicht der ihm abgelieferten Ergebnisse 
„besiegt“ sei (ma conviction est faite); er ist überzeugt, „daß seine Mit¬ 
arbeiter ebenso geschickt, wie gewissenhaft vorgegangen sind, überzeugt 
nicht nach moralischem Empfinden, das immer persönlich und kritisierbar 
ist, sondern, weil die Resultate von mehr als 50 verschiedenen Lehrern 


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Original from 

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294 


ThEODOB ÄliTBCHUIi: 


übereinstimmen. Alle, welche die Details der Untersuchung, die Kompli¬ 
ziertheit der Technik und die Minutiosität der Vorsichtsmaßregeln berück¬ 
sichtigen, werden zugeben müssen“, glaubt Binet, „daß eine derartige 
Übereinstimmung kein Zufall sein kann. Da es aber die Pflicht eines 
Experimentators ist, seinen Skeptizismus bis an die äußersten Grenzen zu 
treiben“, hat Binet selbst mit Dr. Simon und einer Lehrerin an einem 
Tage Kontrolluntersuchungen vorgenommön — die Herabsetzung der 
Sensibilität war zwar bei den anderen Experimentatoren größer, aber sie 
war von derselben Art: „nous en possödont maintenant la preuve scientifi- 
que“. — Nun, ich bin leider in meinen Anforderungen an ein wissen¬ 
schaftliches Experiment nicht so bescheiden, wie Binet und vermag 
den eben geschilderten Experimenten aus den früher angegebenen Gründen 
keine Beweiskraft beizumessen. 

Bon off (46) hat seine Untersuchungen an Schülern 1. während der 
täglichen Schularbeit, 2. zurzeit der Reifeprüfungen und 3. bei Krank¬ 
heitszuständen vorgenommen; er wendet auch der Simulation seine Auf¬ 
merksamkeit zu und ist der Ansicht, daß die Ästhesiometrie die Simulation 
von Krankheit aufzudecken imstande ist: wenn die Sensibilität normal ist 
und Krankheit angegeben wird, liegt Simulation vor. Dabei liegt aber 
meiner Meinung nach die Frage ziemlich nahe, ob man den Antworten 
der „Simulanten“ bei der ästhesiometrischen Messung großes Vertrauen 
entgegenbringen kann. 

Noikow (47) hat hauptsächlich die Fälle berücksichtigt, wo durch die 
Ermüdung eine Verminderung der Raumschwelle eintritt. Es handelt 
sich dabei meist um Überanstrengung, es kommt zu einer ausgeprägten 
Hyperästhesie, zu Irridiationen, anhaltenden Nachempfindungen und ge¬ 
legentlich zu schmerzhaften Empfindungen. An der Glabella, der Stelle, 
an welcher die Schwelle bei normalem Zustande etwa 3 bis 5 “ m beträgt, 
zeigten Schüler nach großer Anstrengung bei den Prüfungen 1 und 
weniger. Eine normale Arbeit bringt Vergrößerung der Raumschwelle. 

Die Arbeit Abelsons (48) zählt zu den besten, die neben den grund¬ 
legenden Untersuchungen Griesbachs in der Literatur vorhanden sind. 
Nach einer eingehenden Würdigung der Literatur bespricht er seine mit 
dem Doppelästhesiometer von Bourdon gewonnenen Resultate. Er macht 
darauf aufmerksam, daß die Kinder oft unrichtige Angaben machen, 
man muß daher die Methode etwas variieren und mit einer Spitze 
„Vexierversuche“ machen. Die ersten Befunde bei ästhesiometrischen 
Messungen sind die verläßlicheren, nach einiger Zeit wird die Haut 
leicht entzündet und die Tastempfindung verwischt (blurred). Seine Be¬ 
funde und jene seiner Mitarbeiter ergaben, daß die Raumschwelle mit 
zunehmender Ermüdung größer wird, man muß aber sicher sein, daß man 


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Dm geistige Ermüdung der Schuljugend. 


295 


die Methodik vollkommen beherrscht. Die widersprechenden Befunde 
einiger Experimentatoren sind seiner Meinung nach durch eine fehlerhafte 
Anwendung des Instruments verschuldet. Auch seine eigenen ersten 
Versuche waren gänzlich wertlos, weil er sich die unbedingt notwendige 
Präzision noch nicht angeeignet hatte. 

Wenn man dem entgegenhält, daß die 50 Lehrer in den Binetschen 
Versuchen mit dem primitivsten „Instrument“ übereinstimmend dieselben 
„Resultate“ erhielten wie Abel so n bei seiner ungewöhnlichen Einübung 
und Präzision, dann muß man doch etwas skeptisch bleiben. 

Der Vollständigkeit wegen sei noch kurz erwähnt, daß Blazek (49), 
Heller (50), Baur (51), Schlesinger (52) ebenfalls die Griesbach- 
schen Befunde bestätigten und daß Schuyten gelegentlich des Londoner 
schulhygienischen Kongresses als warmer Verteidiger der Ästhesiometrie 
aufgetreten ist. 

Adsersen (54) ist durch Messungen, die er an sich seihst vorgenommen 
hat (und zwar von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends 718 Messungen, 
35 bis 55 'jede Stunde — durch 2 Monate), zur Ansicht gelangt, „daß die 
größte Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden ist, daß die gefundenen Ver¬ 
schiedenheiten der Hautsensibilität nicht auf den Einfluß der Arbeit be¬ 
ruhen, geschweige denn auf Zufälligkeiten, sondern in der Hauptsache als 
ein Ausdruck der Veränderung zu betrachten sind, die physiologisch im 
Laufe des Tages eintreten —“ und zwar stehen diese Veränderungen in 
einem gewissen Verhältnisse zu den Tagesschwankungen der Körper¬ 
temperatur. 

Ebenso hat Adele Motchoulsky (55) bei Versuchen an Gesunden 
und Kranken gefunden, daß unabhängig von der Ermüdung Schwan¬ 
kungen der Körpertemperatur und andere äußere Einflüsse die Haut¬ 
sensibilität verändern. 

Die ästhesiometrische Methode der Ermüdungsmessung ist die am 
meisten studierte und sie beruht, wie erwähnt, entschieden auf einem 
wissenschaftlichen Priuzip, sie würde uns daher gewiß die Lösung der Er¬ 
müdungsfrage bringen, wenn sie einwandfrei wäre — das ist sie aber 
leider nicht. Ich habe schon auf dem Nürnberger Kongreß (a. a. 0.) so¬ 
zusagen physiologische Bedenken gegen diese physiologische Methode (als 
„Maß der Ermüdung“) vorgebracht und solche Bedenken sind früher und 
später auch von vielen anderen Ärzten erhoben worden. 

So hat Kraepelin schon in seinem Vortrage bei dem Düsseldorfer 
Naturforschertag 1898 (vgl. Lit. Nr. 29) den Ausspruch getan, daß den 
ergographischen und ästhesiometrischen Messungen kein großer Wert bei- 
znmessen sei, da es recht wohl möglich ist, daß hier Umstände mit hinein¬ 
spielen, die mit der geistigen Ermüdung gar nichts zu tun haben (Stille- 


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296 


Theodob Altsohul: 


sitzen, beim Turnen Bewegung, Hunger, Temperaturverhältnis der Haut, 
Langeweile usw.). Er hat selbst ästhesiometrische Messungen wochenlang 
fortgesetzt und ist zu dem Schlüsse gekommen, daß hier zahlreiche Fehler¬ 
quellen unterlaufen. Das Ergebnis seiner Versuche (an Erwachsenen) 
über die Beziehungen zwischen Baumschwelle und Ermüdung „ist leider 
gänzlich negativ ausgefallen“. Damit sei aber nicht ausgeschlossen, daß 
bei Kindern ein derartiger Zusammenhang besteht; „immerhin mahnt die 
Erfahrung zur Vorsicht.“ 

Später wurden (zum Teile in Eraepelins Laboratorium) von Bolton 
(55), Leuba (56) und von German (57) die ästhesiometrischen Studien 
fortgesetzt. Sie gelangten alle zu dem gleichen negativen Ergebnisse. 
Es ist ja richtig, daß all diese Versuche nur an Erwachsenen und nur 
an wenigen Personen (Bolton und German studierten nur an 1, Leuba 
hat an 3 Personen experimentiert); aber gar so wertlos sind diese an 
intelligenten und eingeübten Personen vorgenommenen exakten Versuche 
keineswegs, sie zeigen, daß bei den Versuchspersonen ein Zusammen¬ 
hang zwischen Ermüdung und Größe der Raumschwelle nicht bestand 
und wenn man auch nicht berechtigt ist, diese Einzelbefunde zu verall¬ 
gemeinern, so ist man doch auch ebensowenig berechtigt, sie gänzlich zu 
ignorieren. 

Eulen bürg (58) hat im Jahre 1898 in einem sehr sachkundigen 
und übersichtlichen Beferate über die Schularztfrage auch zur Ästhesio- 
metrie Stellung genommen und bemerkt diesbezüglich: „Man darf freilich 
nicht übersehen, daß dieses Bild leicht eine mehr weniger subjektive 
Färbung annehmen kann, daß man absichtlichen und unabsichtlichen 
Fälschungen dabei ausgesetzt ist und daß die Methode überhaupt eine 
gewisse Intelligenz, Aufmerksamkeit und ein verständnisvolles Eingehen 
seitens der Prüflinge als notwendige Vorbedingung voraussetzt. Wer aber 
mit der Methode lange Zeit an Gesunden und Kranken gearbeitet hat, der 
weiß, daß sie gleich den meisten Empfindungsprüfungen nicht so einfach 
ist, wie sie beim ersten Anblick erscheint und daß wir den mit ihr er¬ 
haltenen Besultaten gegenüber auch auf der Hut sein müssen.“ 

Weygandt (59) erklärt, daß er nach den in dem Heidelberger 
Laboratorium Kraepelins angestellten Versuchen, jetzt die Methode 
(Griesbachs) als eine fehlerhafte und für den Schulzweck unbrauchbare 
hinstellen muß. „Die glatten Besultate von Griesbach und Wagner kann 
ich mir nur durch Mitwirkung lebhafter Autosuggestion entstanden 
denken. . .. Wenn Griesbach und Wagner in den paar Minuten einer 
Schulpause nahezu eine halbe Klasse von Schülern (10) durchprüfen 
wollen, so darf ein solches Experiment keinen Anspruch auf Zuverlässig¬ 
keit erheben.“ 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


297 


Widowitz (60) sagt: „Ich halte nach meinen Beobachtungen an 
Kindern solche Unregelmäßigkeiten für reine Zufälligkeiten, die An¬ 
wendung des Ästhesiometers zu Ermüdungsprüfungen an Kindern bis un¬ 
gefähr zum 14. Lebensjahre für vollkommen unmöglich. Ich habe nämlich 
vor langer Zeit das Verhalten des Web ersehen Gesetzes bei Kindern 
prüfen wollen und dabei so unglaubliche Angaben erhalten, daß ich die 
weiteren Versuche aufgeben mußte. Ja selbst Erwachsenen ist es schwer» 
ihre Aufmerksamkeit auf die zu prüfende Hautstelle derart zu kon¬ 
zentrieren, daß stets einwandfreie Zahlen gefunden werden.“ Widowitz 
ist nach vielfachem Experimentieren zu der Überzeugung gekommen, daß 
die Ermüdung der Schulkinder nicht gemessen oder gewogen, sondern nur 
beobachtet werden kann. 

In neuester Zeit hat Strohmayer (61) in einer geistvollen Arbeit 
den Ausspruch getan: „Man hat den Zustand der Ermüdung mit Rück¬ 
sicht auf die Überbürdungsfrage bekanntlich zum Gegenstände experimen¬ 
teller Untersuchungen gemacht. All ihre Resultate, seien sie durch 
ergographische, ästhesiometrische oder pädagogisch-psychologische Methoden 
gewonnen, haben für die Praxis nur einen beschränkten Wert.“ 

Stadelmann äußert sich in seinem bereits erwähnten schönen Buche 
(siehe Lit. Nr. 9) sehr zutreffend: „Es ist ein bedeutender Unterschied, 
ob ein Mensch durch Zusammenzählen langer Zahlenreihen ermüdet, oder 
ob er durch das Leben ermüdet, d. h. wenn allerseits Reize auf ihn ge¬ 
wirkt haben, die alle miteinander Reaktionen in seinem Organismus aus¬ 
lösten. Die Laboratoriumsversuche haben also allesamt einen durchaus 
begrenzten und mitunter recht geringen Wert für die Beurteilung 
psychischer Phänomene.“ 

Ziehen (62) hebt in einer gehaltvollen Studie über die Methodik der 
Sensibilitätsuntersuchung die großen hier obwaltenden Schwierigkeiten 
hervor, besonders die enorme individuelle Variabilität der Hautsensibilität 
und das Hinzukommen der räumlichen Eigenschaften der Empfindung, „die 
trotz aller Hypothesen nichts weniger als aufgeklärt sind“. Er hält die 
zahllosen Ästhesiometer fast sämtlich für verfehlt und hebt hervor, daß 
man wenigstens verlangen sollte, daß die Intensität der beiden Reize be¬ 
stimmbar und bei vergleichenden Prüfungen von Prüfung zu Prüfung 
einigermaßen konstant ist. „Die von Griesbach, Ebbinghaus u. a. 
zu diesem Zwecke angegebenen Ästhesiometer erfüllen nicht einmal diese 
Bedingung.“ Ziehen hat daher ein „Pendelästhesiometer“ konstruiert 
und zu Sensibilitätsprüfungen verwendet; da aber diese Prüfungen zu 
klinischen Zwecken und an klinischem Material vorgenommen wurden, will 
ich auf die interessante Arbeit Ziehens hier nicht näher eingehen und 
will nur noch erwähnen, daß Ziehen gegen die „Tastkreismethoden“ ein 


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298 


Theodob Altschul: 


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prinzipielles Bedenken hat, das ihn veranlaßt hat, diese Methode mehr und 
mehr zu vernachlässigen: die Autosuggestion spielt bei ihr eine außer¬ 
ordentlich viel größere Rolle, als bei den Vergleichsmethoden, bei denen 
die Versuchsperson nur anzugeben hat, ob länger oder kürzer, schwerer 
oder leichter usw. 

Übrigens betont Griesbach selbst (a. a. 0.), „daß bei allen Kontroll- 
untersuchungen dieselbe Reizstärke eingehalten werden sollte, da ver¬ 
schiedene Reizintensität ebenso wie eine Druckverschiedenheit beider 
Spitzen nicht dieselben Werte ergibt.“ 

Eine meisterhafte und sachkundige Darstellung der ganzen Frage der 
Hautsensibilität liefert uns Torsten Thunberg (64). Die zusammen¬ 
gesetzten Empfindungen umfassen die Qualitäten der Druck-, der Kälte-, 
der Wärme- und der Schmerzempfindung und es ist noch nicht sicher, ob 
nicht noch andere Gefühlsqualitäten bestehen: vielleicht gibt es mehrere 
Schmerzqualitäten, vielleicht sind auch die Empfindungen von Kitzel und 
Jucken als selbständige Elemente aufzufassen. Außerdem gibt es 
zweifellos auch zusammengesetzte Empfindungen, welche nioht nur Haut- 
empfindungsqualiläten, sondern auch von anderen Sinnesnerven ausgelöste 
Empfindungen als Bestandteile enthalten, z. B. sogenannte Muskel¬ 
sinnempfindungen, so Empfindung der Glätte u. dgl. Es bestehen be¬ 
sondere Druck-, Kälte- und Wärmenerven (Blix) und Frey hat besondere 
Schmerznerven wahrscheinlich gemacht. 

Die Druckpunkte stehen in einem charakteristischen Verhältnisse zu 
den Haarpapillen: jedes Haar hat einen Druckpunkt nahe seiner Austritts¬ 
stelle (ob dadurch nicht die Unterschiede bei ästhesiometrischen Messungen 
bei Erwachsenen und bei Kindern zum Teile wenigstens ihre Erklärung 
finden? Altschul). Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Meissnerschen 
Körperchen als Druckendorgane zu betrachten sind (Blix) und daß sie an 
den nicht behaarten Stellen gewissermaßen die Stelle der Haare vertreten. 
Zwischen dem Orte der Reizapplikation und dem Endorgan ist ein elasti¬ 
sches und Nachwirkungen zeigendes Gebilde, die oberflächlichen Haut¬ 
schichten, eingeschaltet. 

Thunberg bespricht im Verlaufe seiner Darlegungen auch die Ver¬ 
suche von Wundt und von Griesbach, erwähnt, daß Bolton „schwer¬ 
wiegende Einwände gemacht hat, sowohl bezüglich der Methode, wie der 
Resultate“ und fügt hinzu: „Überhaupt scheint es, daß man die Schwierig¬ 
keiten bei den hierher gehörigen Versuchen unterschätzt hat und daß die 
Ergebnisse ohne genügende Kritik verwendet worden sind“. 

Nachdem mir in Nürnberg der Vorwurf gemacht wurde, daß ich 
meine Bedenken gegen die ästhesiometrische Methode nicht durch eigene 
Versuche zu stützen vermag, habe ich eine längere Zeit bei Erwachsenen 


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Original fro-m 

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Dis GHißTiGB Ebmüdung des Schuljugend. 


299 


und bei Schulkindern Messungen vorgenommen und habe, was für mich 
besonders lehrreich war, von zwei verschiedenen Experimentatoren 
Messungen an mir selbst vornehmen lassen. 

Ich kann nun versichern, daß die Entscheidung, ob eine oder 
zwei Spitzen gefühlt werden, seihst bei größter Aufmerksam¬ 
keit ungemein schwierig ist und daß man in sehr zahlreichen 
Fällen ebensogut das eine oder das andere angebeu kann, ohne 
die Unwahrheit zu sagen und auch bei meinen Versuchspersonen 
hörte ich manchmal die Antwort: „Eins, vielleicht aber zwei!“ 

Ich habe meine Versuche ohne Einschaltung einer künstlichen Er¬ 
müdung zuerst an den Personen meines eigenen Haushaltes durch einen 
ganzen Monat durchgeführt, indem ich ziemlich regelmäßig morgens und 
spät abends Messungen vornahm und die Tagesarbeit anmerkte. 

Ich füge hier vorerst das Protokoll der von meinem Sohne (der auch 
Arzt ist) an mir vorgenommenen Messungen an (Tabelle 1): 


Tabelle I. 

(Die Abendstunden sind unterstrichen.) 


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14.IV. 

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18 

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geistiger Arbeit 


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5. IV. 

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13 

8 

12 

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15.IV. 

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16 

17 

19 

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6. IV. 

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11 

10 

10 

_ 


12*00 

11 

20 

18 



10.00 

8 

10 

8 

vielstündige 

16. IV. 

1 7-45 

14 

22 

16 







geistige Arbeit 


12-00 

19 

18 

11 

i 

7. IV., 

7-80 

14 

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17 

12 

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8. IV. 

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12-00 

17 

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nach ein. anstren¬ 

18.IV. f | 7-40 
12-00 

15 

19 

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— 






genden Sitzung 

12 

16 

! 13 nach angestreng- 


o 

o 

Öl 

12 

19 

12 

nach Erholung 

1 



i 

i 


1 tester geistiger 

9. IV. 

! 8-00 12 

13 

12 

_ 


, 


I 


Arbeit 


12-00 

10 

12 

12 

— 

19.IV. 

' 7-15 

19 

15 

11 

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10. IV. 

7*15 

10 

16 

11 

_ 


10-15 

15 

15 

, 17 

— 


12-00 

12 

19 

12 

bis 12 h sehr viel 

20. IV. 

i 7.30 

19 

20 

15 

gewöhnlicher 






gearbeitet 


12-30 

14 

26 

21 

Arbeitstag 

11. IV.| 

7*30 

14 

15 

17 

— 

21.IV. 

7*30 22 

21 

17 

desgl. 


12-45 

8 

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_ 


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20 

23 

32 


12. IV. 

7-30 

12 

14 

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22. IV. 

7*30 

18 

16 

12 

— 


12-15 

13 

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15 

— 


10-25 

21 

i 19 

16 

nach 4*/, h Arbeit! 

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7*80 

13 

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14 

— 

23. IV. 

7-30 

15 

15 

14 

— 

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| 19 ; 17 

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j — 



! 

1 





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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



300 


Theodor Altschul: 


Tabelle I. (Fortsetzung.) 


Datum 

i 

Stunde 

Glabella 

Jugum 

ä 

g 

H 

Anmerkung 

Datum 

Stunde 

1 

Glabella 

Jugum 

Tenar 

i 

Anmerkung 

24. IV. 

7-30 

14 

13 

13 

nach einer durch- 

5 V. 

8-80 

13 

15 

13 

— 






fahrenen Nacht 


9-10 

14 

14 

14 

fast nichts 


12-00 

11 

15 

15 

— 






gearbeitet 

25. IV. 

7-15 

15 

14 

15 

Kopfschmerz 

6. V. 

8-45 

13 

14 

11 

— 


112-10 

8 

17 

13 

— 


12-00 

13 

13 

12 

— 

26. IV. 

7-30 

12 

14 

12 

— 

7. V. 

8-80 

16 

14 

12 

_ 


10-30 

12 

16 

16 

57, h geist. Arbeit 


112-00 

14 

15 

17 

nach ange- 

27. IV. 

7-30 

13 

15 

13 

nachtsabberufen! 


i 




strengter Arbeit 


10-30 

15 

12 

13 

— 

8. V. 

8-15 

13 

15 

12 

— 

28. IV. 

7-30 

11200 

14 

13 

14 

13 

11 

13 

— 


10-50 

14 

12 

11 

nach ange¬ 
strengter Arbeit 

29.IV. 

8-00 

14 

14 

11 

— 

9. V. 

10. V. 

11-10 

8-30 

15 

14 

20 

14 

15 

12 

desgl. 






von da erfolgte 

— 

29. IV. 

8-30 11 

14 

13 


9-00 

14 

12 

12 

während d. Arbeit 






d. Messung durch 
meine Frau 


10-40 

11 

12 

13 

nach der Arbeit 

30. IV. 






11. V. 

900 

12 

11 

13 

_ 

8-30 

10-15 

14 

14 

14 

13 

14 

14 

nach 5 h Arbeit 


1200 

10 

11 

5! 

ungenaue Messg. 
durch eine dritte 

l.V. ! 

8-00 

14 

14 

10 

— 






Person (Versuch) 


11-15 

14 

14 

13 

— 

12. Y. 

8-30 

10 

13 

15 

_ 

2. V. 

8-30 

15 

14 

13 

\ runde 


9-00 

14 

11 ! 

13 

— 


10-45 

14 

12 

12 

| Hornansätze 

13. V. 

9-00 

13 

12 

12 

_ 

3. V. 1 

8-15 

14 

13 

12 

— 


9-301 

14 

H 

14 

nach ange¬ 

8-45 

14 

21 

15 

ohne Arbeit 






strengter Arbeit 






geblieben 

15. V. 1 

8-30 

12 

12 

14 

_ 

4. V. 

9-00 

11 

13 

11 

— 


8-45 

13 

14 

12 

4 h geist Arbeit 

1 

10-40 

13 

13 

10 

— 

16. V. 

8-30 

14 

14 

12 

_ 

1 




1 



11 00 

15 

13 

! 

17 

1 1 

4 h geist. Arbeit 


Ich lasse nun zwei Tabellen folgen, welche zwei Personen betreffen, 
die nur körperlich gearbeitet haben: 


Tabelle II. 

Antonia S., 26 Jahre alte Köchin (sehr intelligent). 


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Measaogen durch 

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10-00 

7 

21 

21 

_ 

21.111. 

9-45 21 

12 

43 

meinen Sohn: 

viel Arbeit 

25.111. 

9-00 

9-45 

11 

9 

15 

9 

11 

| Sonntag 

22. III. 

8-00 10 
9-45 11 

13 

20 

22 

15 

— 

3. IV. 

12-00 
9 00 

7 j 
14 

3 

17 

9 

17 

— 

23. III. 

8- 30 12 

9- 45 13 

14 

14 

20 

27 

— 

4.IV. 

8- 30 

9- 00 

9 

11 

®| 

14 

12 

25 

— 


Difitized by Gougle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






Die geistige Ermüdung der Schuljugend, 


301 


Tabelle II. (Fortsetzung.) 


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5.1V. 

1000 

12 

17 

37 

_ 

27. IV. 

9*45 35 

34 

50 


6. IV. 

800 

15 

17 

16 

_ 


11-00 35 

34 

44 

— 


1000 

20 

20 

22 

— 

28. IV. 

9-30, 30 

36 

47 

— 

7. IV., 

9-00 

9 

17 

29 

_ 


10-00 33 

33 

56 

— 


9-00 

20 

35 

30 

— 

29. IV. 

8*00 84 

32 

55 

Meine Messungen: 

9. IV. 

900 

14 

18 

36 

_ 

* 

8-30 22 

30 

50 

— 


900 

15 

21 

29 

— 

30. IV. 

8-30 21 

27 

37 

— 

10. IV. 

9-00 

11 

20 

29 

nach Wäsche- 


8*30 21 

25 

34 

— 


900 

18 

21 

45 

waschen 

l.V. 

8 00 29 

27 

31 

— 

11.IV. 

8-30 

21 

25 

32 

desgl. 


abds. 27 

28 

32 

— 


10-30 

23 

23 

36 

2. V. 

8-30 26 

26 

46 

1 runde Horn- 

12. IV. 

10-00 

23 

29 

45 

vom Markte 


9-15 22 

23 

30 

1 spitzen 


11-00 

24 

23 

46 

kommend 

3. V. 

8-15 22 

24 

30 

runde Spitzen 

13. IV. 

8-30 

23 

22 

43 

_ 


8-45 27 

26 

32 

□ -Hornspitzen 


1-45 

30 

25 

34 

hat Nachmittag 

4. V. 

8-15 21 

21 

31 

1 gewöhnl. Stahl- 


10-10 

30 

32 

53 

Fenster geputzt 


10-40 23 

30 

31 

| spitzen 

14. IV. 

9-30 

25 

28 

47 

— 

5. V. 

8*30 22 

21 

24 

— 


2-00 

27 

28 

48 

— 


9-10 21 

30 

40 

— 


10-00 

23 

31 

47 

— 

6. V. 

9*00 32 

35 

37 

_ 

15.IV. 

7-30 

26 

28 

38 

— 

7. V. 

10*15 21 

33 

33 



2*00 

31 

38 

49 

— 




10*45 

25 

32 

56 

— 

8. V. 

8-15 20 

23 

33 

— 

17. IV. 

9-00 

29 

32 

49 

nach dem 


9-15 20 

30 

23 

— 


10-00 

30 

30 

58 

Plätten 

9. V. 

8-00 24 

29 

30 

— 

18. IV. 

9-30 

30 

33 

49 

_ 


10-40 24 

31 

41 

— 


1-30 

34 

31 

57 

— 

10. V. 

8*30 25 

25 

40 

— 

19. IV. 

9-30 

27 

33 

40 

_ 


9*001 21 

23 

30 

— 


10-30 

28 

34 

46 

— 

ll.V. 

8*30 20 

23 

25 

— 

20. IV. 

1-45 

28 

31 

' 47 

_ 


8*30 21 

21 

30 

— 


11-00 

33 

29 

54 

— 

12. V. 

8-15 23 

21 

33 

— 

21.IV. 

8-20 

31 

32 

50 

— 

13. V. 

8-30 21 

22 

30 

— 


2-00 

32 

41 

60 


14. V. 

8-30 21 

21 

31 



9-30 

34 

38 

48 


9-30 22 

22 

31 

— 

22. IV. 

8*30 

30 

34 

40 

— 

15. V. 

8-20 22 

22 

24 



9*00 

27 

27 

39 


8-45 21 

23 

24 

_ 


10-00 

17 

24 

27 

_ 

16. V. 

— 

1 







8*20; 25 

23 

31 

— 

23. IV. 

10-00 

33 

31 

36 

— 


11*00 25 

22 

26 

_ 


10-00 

24 

27 

38 

— 

18. V. 

8-15 20 


32 






20 

— 

24. IV. 

10-00 

29 

27 

41 

— 







10-15 

30 

33 

48 


1 






Digitized by Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 






302 


Theodob Ai/tschul: 


Digitized by 


Tabelle III. 

Rosa P., 25 Jahre altes Stabenmädchen (sehr intelligent). 


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23111. 

8-45 

n 

14 

14 

Messungen 

20.1V. 

9-30 19 

23 

38 

_ 


9-45 

14 

18 

21 

meines Sohnes 

1 

1-44 

17 

28 

** 

— 

24. III. 

1000 

12 

21 

10 

— 

21.IV. 

8-45 

31 

32 

78 nach dem Boden* 

25. III. 

1 900 

10 

12 

14 



2-00 

34 

49 

49 

bürsten von mir 

9*00 





9-30 

31 

50 

47 

gemessen 

8. IV. 

9 

5 

12 

— 


9-39 

21 

22 

40 


9-00 

10 

13 

15 

_ 

22. IV. 


4. IV. 

9*00 

9 

13 

12 

— 

9*001 30 
9-00 19 

38 

29 

48 

48 

von mir gemessen 


9-00 

17 

20 

33 

- 



21 





10-05 

21 

24 


Ö.IV.j 

9-00 

1000 

7 

9 

12 

19 

18 

27 

— 

24. IV. 

9-00 

75 

20 

30 

— 

6. IV. 

9-00 

8 

11 

10 



Längere Pause im Messen* 


S.V. 

815 

30 

21 

28 

rund* Hornspitztn 

7. IV. 

9-00 

8 

10 

10 

— 

1 

9-45 

21 

21 

32 

□ •Beinspitzen 

9. IV. 

900 

9 

13 

13 

— 

4.V. 1 

8-00 

16 

32 

35 gewöhnl. Spitzen 


9-00 

21 

16 

25 

— 


10-40 

20 

30 

40 


10. IV. 

900 

11 

13 

16 

Wäsche- 

5. V. 

8-30 

24 

23 

20 

_ 


9-00 

20 

21 

37 

waschen 

6. V. 

8-30 

20 

32 

32 

_ 

11. IV. 

8-30 

14 

19 

27 

Wäsche¬ 


10-00 

20 

20 

21 

— 


10-30 

i 

17 

17 

41 

waschen 

7. V. 

8-30 

22 

21 

22 

_ 

12. IV. 

9-00 

15 

15 

25 

— 


10-45 

14 

16 

30 



8-00 

15 

28 

18 

— 

8.V. 

8-15 

20 

19 

11 

__ 

13. IV. 

9-30 

18 

18! 

45 

) 


9-15 

16 

20 

15 

— 


1-45 

10-30 

27 

19 

30 

41 

49 

44 

> Kopfschmerz 

9. V. 

8-00 

22 

22 

31 

— 

14. IV. 

| 

9-30 

17 

24 

33 


10. V. 

8-30 

21 

2t 

22 

— 

1-45 17 

25 

40 

_ 


10-45 

29 

23 

26 

— 


10-30 

25 

30 

40 

— 

11.V. 

8-30 

20 

16 

30 

— 

15.1V. 

9-00 

17 

26 

43 

_ 


1000 

23 

23 

26 

— 


2-00 

18 

i 37 

43 

— 

12. V. 

8-30 

21 

17 

21 

— 


10-45 

21 

30 

49 

— 


9-00 

20 

23 

25 

— 

16. IV. 

9-30 

13 

17 

26 

— 

13. V. 

9-00 

23 

20 

16 

—- 

17. IV. 

900 

19 

23 

47 

— 

14. V. 

9-30 

21 

21 

30 

— 

18. IV. 

9-00 

32 

28 

42 

1 ohne Ver- 
[ anlassung 

15. V. 

8-20 

20 

22 

21 

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■ 

1-30 

9-00 

23 

24 

28 

34 

33 

60 

16. V. 

8-45 

8-15 

11-00 

22 

22 
20 j 

22 

22 

22 

20 

20 

14 

— 


19. IV. i 

9-30 

20 

21 I 

51 

— 

_ 

1 

i 

10-30 

20 

25 i 

52 


17. V. | 

8-15 

22 

22 

30 

t 

— 


Die Zahlen zeigen ein buntes Gewirr: wenn einige Reihen stimmen, 
so folgen darauf gleich Ziffern, die ganz aus der Art schlagen: nach an¬ 
gestrengtester geistiger Arbeit einmal bei mir sehr geringe Schwellen und 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Die geistige Ermüdung deb Schuljugend. 


303 


nach Buhe recht hohe Zahlen und bei den beiden Dienstleuten, beides 
Mädchen von besonderer Intelligenz, ist die Gesetzlosigkeit das Gesetz¬ 
mäßige. Ich will aber zugeben, daß die Hausarbeit der beiden Mädchen 
die Hautsensibilität in ganz unkontrollierbarer Weise beeinflußt haben 
mag, so daß den Ziffern der Tabelle II and III natürlich absolut keine 
Beweiskraft zukommt Ich habe sie nur angeführt, um zu zeigen, welche 
Sprünge in den Antworten möglich sind und wie die Sensibilität — man 
kann sagen natürlich — durch grobe Arbeit disqualifiziert wird. 

Hingegen muß ich den an mir gewonnenen Zahlen eine desto größere 
Bedeutung beimessen. Ich habe sehr bald ein gewisses Training erlangt 
und habe später fast niemals differierende Angaben bei Kontrollunter- 
suchungen gemacht: hatte ich einmal den Schwellenwert für die Empfin¬ 
dung eines Eindruckes bei zwei aufgesetzten Spitzen angegeben, dann 
wiederholte ich dieselbe Antwort bei neuerlichem Aufsetzen derselben 
Spitzendistanz in konsequentester und fast unfehlbarer Weise, wie mir 
auch Herr Privatdozent Dr. Kahn, I. Assistent an dem physiologischen 
Institute unserer deutschen Universität, bestätigte, als ich mit ihm gemein¬ 
schaftlich die Messungen gegenseitig einer an dem anderen und an zwei 
Studierenden der Medizin vornahm. 

Wir gingen dabei so vor, daß wir stets abends die Messungen Vor¬ 
nahmen und dann in bis 1 ständigen Intervallen, ohne eineArbeit 
zu leisten, wiederholten. Es kamen immer ganz verschiedene Ziffern 
heraus und wenn wir beide, ohne daß dem einen die Resultate des andern 
bekannt waren, dieselbe Versuchsperson maßen, erhielten wir niemals auch 
nur ähnliche Werte. Wir erzeugten dann (an der Hand) künstliche 
Hyperämie und dann Auämie, ohne daß wir dadurch eine als gesetzmäßig 
aufzufassende Veränderung in der Abschätzung der Raumschwelle mit der 
erforderlichen Sicherheit feststellen konnten. Unsere Mediziner gaben 
beide an, daß sie eine sichere Entscheidung, ob sie nur eine oder zwei 
Spitzen empfinden, nur sehr selten treffen können. Ich muß allerdings 
hinzufügen, daß eine unserer Versuchspersonen stets so starke Nach¬ 
empfindungen hatte, daß man diese Hyperästhesie nicht als normal be¬ 
zeichnen und daher die Angaben dieser Versuchsperson überhaupt nicht 
verwerten kann. Der Fall zeigt aber gerade, wie bei der Sensibilitäts¬ 
prüfung auch individuelle und pathologische Veränderungen in der 
Empfindungsqualität Vorkommen. 

Nachdem ich mit meinen Messungen bei Erwachsenen kein Glück 
hatte, nahm ich bei Schulkindern Messungen vor und zwar durch 
14 Tage, täglich nach jeder Unterrichtsstunde an je drei Kindern, an 
dem besten, einem mittelmäßigen und einem schlechten Schüler. 

Ich lasse die entsprechenden Tabellen nunmehr folgen: 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Tabelle IV. Volksschule, 


Difitized by 


304 


Theobob Altsohul: 


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Tabelle VI. I. Klasse Neustädter Gymnasium. Otto 0. 13 J. 138 cm , nicht gut entwickelter brünetter 

Junge, der jünger aussieht, als er ist. 

Urteil des Lehrers: Dicht für Gymnasialstudien begabt. Im Geist mit andern Dingen beschäftigt, sitzt er teilnahmslos in der Schule, 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Tabelle VIII. 

VIII. Kl. Neustädter Gymnasium (Abiturienten). 

Otto S., 18 Jahre, 100 om Länge, 
schwarzhaariger kleiner brünetter Junge. 


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Intensive Vorbereitung zum Abiturientenexamen; sodann 9. VIL 10 h fr&h 8*9*10. 

Am 14.VIL Matura: vorher l /*8 h Nachm. 9*9*7, nach der Prüfung */ 4 7 h 11*10*10, 2. Messung, nachdem die erste sehr unsichere 
Resultate, etwa 11? 9? 8, ergeben hat 




Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


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Latein Math. Prüf.j Deutsch Griechisch 

13. VII. um 77, h Nachm, (nach der Maturitätsprüfung) 14-11-7. 



Tabelle X. 


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312 


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Tabelle X. (Fortsetzung.) 

II. Franz B., 20 Jahre, 161 brünetter, gut entwickelter Jüngling. 

Urteil des Lehrers: sogen. Zugvogel, brauchte für die Gymn&siumBstudien 10 Jahre; hat hier fortwährend zu Klagen Anlaß gegeben, 


Die geistige Ermüdung der Schuljugend 


313 



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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


13. VII. II Matura: 7»/,» 12-11.6. 



314 


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Tabelle XII. V. Gymnasialklasse. Mädchenlyzeum. 

Marie G., 17 Jahre, 160 cm Länge, schwächlich, Lymphadenitis colli, rachit. Zähne. 

Urteil des Lehrers: fleißig, aber wenig begabt _ 

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Tabelle XIII. V. Gymnasialklasse. Mädchenlyzeum. 

Rosa F., 17 Jahre, 167 ora Länge, blühendes Aussehen, kräftig, aber etwas nervös. 

Urteil des Lehrers: Faul und begabt. 


316 


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Tabelle XVI. VI. Lyzealklasse. 

Babette T., 15 Jahre, 156 cra Lauge, kleines, gesundes und frisches Mädchen. 

Urteil des Lehrers: Begabt, aber faul. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


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Die geistige Ebmüdung des Schuljugend. 321 

Wenn man den Tatsachen keine Gewalt antun und in die Zahlen nicht 
etwas Künstliches hineinrechnen will, wird man zugeben müssen, daß auch 
die bei den Schülermessungen gewonnenen Größen allgemein gültige und 
eindeutige Beziehungen zwischen geistiger Ermüdung und Baumschwelle 
die sich in verläßlichen Zahlen ausdrüoken lassen, nicht zu ergeben 
vermögen. 

Die Tabelle IV ist gänzlich auszuschalten — ich habe sie nur an¬ 
gefügt, um zu zeigen, daß Kinder von 7 bis 8 Jahren zu ästhesiome- 
trischen Messungen überhaupt nioht herangezogen werden können. Nur 
eine Episode, die ich (64) bereits bei meinem Londoner Vortrage mit¬ 
geteilt habe, verdient Erwähnung und ist sehr lehrreich: ein Knabe von 
etwa 7 Jahren, ein frischer aufgeweckter Junge, gab unter Kontrolle seiner 
Augen stets ganz korrekte Antworten. Darauf wurden ihm die Augen 
zugehalten und immer nur eine Spitze des Griesbachschen Ästhesio¬ 
meters aufgesetzt. Der Junge antwortete stets auf die Frage: „Wieviel 
Spitzen fühlst Du?“ im gleichmäßigen Takte: eine, zwei, eine, zwei und 
so immer fort. Nun stellte ich mit scharfer Betonung die Frage: 
„TJnd wieviel jetzt?“ Prompt antwortete der Knabe, geradezu sieges¬ 
bewußt: „Drei!“ 

Noch eine andere Episode, die ich ebenfalls in London schon vor¬ 
gebracht habe, möge als höchst bezeichnend hier wiederholt werden. Der 
Fall betrifft einen sehr intelligenten 18 jährigen Gymnasialschüler (Tab. IX). 
Nach einer Mathematikstunde wurde eine Messung vorgenommen. Nach 
der Messung sagte mir der Schüler unaufgefordert: „Die Messung kann 
diesmal kein richtiges Resultat ergeben; der Lehrer trug vor und da ich 
wußte, daß ich nicht geprüft werden kann, bereitete ich mich unter der 
Bank für die nächste Stunde (Latein) vor.“ Hier erfuhr ich zufällig diese 
„Sünde“. Wie oft mögen bei Schülerexperimenten ähnliche Vorkommnisse 
sich ereignen, ohne daß der Experimentator davon Kenntnis erlangt? 

Ich habe schließlich auch vor und nach den Jugendspielen an 
einzelnen Schülern Messungen vorgenommen. Auch hierbei konnte ich 
keine einwandsicheren und eindeutige Resultate erzielen: ich fand nur 
sehr bedeutende, durch das Spiel erzeugte Pulsbeschleunigungen (was wohl 
nichts Merkwürdiges ist). Auch einen sehr angestrengten Gymnasiallehrer 
habe ich durch 3 Tage nach jeder Unterrichtsstunde gemessen; nachdem 
aber auch hier ganz ungleichmäßige und einander widersprechende An¬ 
gaben gemacht wurden, habe ich den Versuch abgebrochen. 

In der Diskussion über meinen Londoner Vortrag hat Dr.H.R. Rivers 
(Cambridge) erklärt, daß die Resultate der ästhesiometrischen Messungen 
wenig Vertrauen verdienen; sie geben eher Zeugnis von dem vorhandenen 
oder mangelnden Interesse, als von der wahren Ermüdung, und De Croly 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 

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322 


Theodor Altschuij : 


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(Brüssel) bemerkt, daß die Instrumente von Griesbach und Schuyten 
noch der Präzision entbehren, die man von einem wissenschaftlichen 
Apparat verlangen muß. Die Methode ist in der Schule wenig prakti¬ 
kabel; sie erfordert eine lange Vorbereitung des Kindes. Die Ermüdung 
in der Schule ist ein bisher nicht genügend definiertes Phänomen. 

Es gibt sonach bei Schülerexperimenten eine Menge von fast un¬ 
übersehbaren Fehlerquellen, die das Endergebnis beinflussen bzw. fälschen 
können. 

Gegen meine ästhesiometrischen Versuche wurde der Einwand erhoben, 
daß es mir an persönlicher Geschicklichkeit mangle und der gleiche Vor¬ 
wurf wurde all denen gemacht, welche zu ähnlichen Resultaten gelangten 
wie ich; ich befinde mich dabei wahrlich in sehr guter Gesellschaft. 
Wenn die Ästhesiometrie aber wirklich nur in der Hand einiger weniger 
Auserlesener gute und verläßliche Resultate ergibt, so ist das gewiß kein 
Vorzug der Methode und erschwert die allgemeine Verwendung, und es 
ist immerhin sehr auffallend, daß bei denVersuchen Binets (siehe oben) 
alle Lehrpersonen, welche das ungemein primitive Ästhesiometer 
Buzinets handhabten, ausnahmslos so „geschickt“ waren, die ge¬ 
wünschten Resultate herauszubekommen. 

Trotz alledem halte ich die ästhesiometrische Methode nicht für völlig 
abgetan, sie ist nur in ihrer gegenwärtigen Form unverläßlich und sie 
wird niemals ein Maß der Ermüdung sein, das wirklich mit mathema¬ 
tischer Genauigkeit die Größe der Ermüdung anzugeben vermag. Vielleicht 
kann sie ihrer Fehlerquellen entkleidet, uns einmal Aufschlüsse geben, die 
vertrauenswürdiger sind, als die bisher gewonnenen. Die Hoffnungen, zu 
denen die von Frey angegebenen „Reizhaare“ und sein Haarästhesiometer 
zu berechtigen schienen, haben sich nicht erfüllt 1 und das Ziehen sehe 
Pendelästhesiometer ist von dem Autor selbst nicht gerade mit Begeiste¬ 
rung empfohlen worden. Das Verfahren, das Ziehen jetzt einschlägt, 
besteht darin, daß er auf die zu untersuchende Hautgegend die Kanten 
zweier Holzkeile oder Kartonstücke aufsetzt, deren Längen um ein Geringes 
differenzieren, und die Versuchsperson frägt: „Welches ist länger gewesen?“ 
Nach der Methode der richtigen und falschen Fälle werden die prozen¬ 
tualen Zahlen der richtigen Antworten als Maß der räumlichen Empfind¬ 
lichkeit der Haut gelten. Da indes bei dieser Methode die Beurteilung 
der Richtungseigenschaften des Reizes gegenüber der Längenschätzung 
zurücktritt, so muß sie durch eine Methode mit bezug auf die Richtungs¬ 
empfindlichkeit ergänzt werden. Ziehen hat zu diesem Zwecke eine alte 


1 Vgl. u. a.: Ziehen, a. a. ü. 


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Die geistige Ebmüdung deb Schuljugend. 


323 


Methode von Leube 1 wieder aufgenommen: man führt mit einer ab¬ 
gestumpften Nadelspitze oder mit dem Nadelknopf Quer- nnd Längsstriche 
von bestimmter Länge, z. B. von 1 om , auf der Hautoberfläche und läßt die 
Versuchsperson angeben, ob der Strich längs oder quer geführt ist. Fällt 
die Antwort falsch aus, so macht man längere Striche, 1V 4 bis l 1 /, usw., 
bis man durchweg richtige Antworten erhält. Die Länge der Striche, 
welche ihrer Richtung nach richtig unterschieden werden, „gibt offenbar 
ein reziprokes Maß der Richtungsempfindlichkeit der Haut ab“. 

Schon im Jahre 1879 hat übrigens Dr. G. E. Müller (65) in einer 
auch heute noch lesenswerten und keinesfalls veralteten Arbeit darauf 
hingewiesen, daß die Raumschwelle einer gegebenen Hautgegend auch 
bei ganz gleich bleibenden Versuchsumständen keineswegs immer 
denselben Wert besitzt. „Berührt man“, sagt er, „ein und dieselbe Haut¬ 
stelle zu wiederholten Malen mit zwei gleichzeitig aufgesetzten Zirkel¬ 
spitzen, deren Abstand immer derselbe bleibt, so wird „bekanntermaßen“ 
bei geeigneter Wahl dieses Spitzenabstandes in unregelmäßiger und zu¬ 
fälliger Weise das eine Mal der Eindruck einer Doppelberührung, das 
anderemal der Eindruck einer einfachen Berührung erhalten, außerdem 
gibt es auch unentschiedene Fälle. Dieser Tatbestand scheint zu ergeben, 
daß die Größe der Raumschwelle für jede Hautgegend zufälligen Schwan¬ 
kungen unterliegt.“ Müller führt nun mathematische Formeln an, die 
er weitläufig, begründet, für die Berechnung der Schwelle der rich¬ 
tigen und falschen Fälle und bemerkt hierzu: „Es sind also alle 
Werte, die Vierordt, Paulus, Riecker und Hartmann für die rela¬ 
tiven Feinheitsmaße des Ortsinnes der verschiedenen Hautgegenden be¬ 
rechnet haben, als unrichtig berechnete zu betrachten.“ 

Einen gewissermaßen vermittelnden Standpunkt bezüglich des Wertes 
der Ästhesiometrie zu Ermüdungsmessungen nimmt neuestens Offner (66) 
ein. In einer fleißigen, zusammenfassenden Studie über die geistige Arbeit 
sagt Offner, der als Lehrperson die ganze Frage natürlich mehr von 
pädagogisch-psychologischen Gesichtspunkten aus beurteilt und behandelt, 
über die Griesbachsche Methode, daß die Messungen der Raumschwelle, 
die von Griesbach und vielen anderen ausgeführt wurden, „ein solches 
Maß von Übereinstimmung untereinander aufweisen“, daß zur Erklärung 
derselben das Vorurteil, die Autosuggestion der Experimentierenden, wie 
die Suggestionen auf die Versuchspersonen, die besonders Tawney 2 ins 
Feld führt, selbst wenn sie bei allen vorhanden gewesen wäre, nicht aus¬ 
reicht . . . Auch die . . . Übereinstimmung, in welcher diese ästhesio- 


1 Leube, Centralblatt f. d. med . Wissenschaften. 1876. Nr. 38. 
* Tawney, Phys . Slud. Bd. XIII. 

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324 


Theodor Altsohul: 


metrischen Messungen mit den alltäglichen Beobachtungen des Lehens, 
besonders der Schule, stehen, spricht für ihre Brauchbarkeit als Ermüdungs¬ 
messer — richtiger: als Messungsmethode für eines der vielen Er- 
müdungssymtome.“ Mit diesem letzten Satze gibt Offner eigentlich 
schon zu, daß die Ästhesiometrie nicht die Ermüdung, sondern bestenfalls 
ein Symptom derselben zu „messen“ vermag. 

Er stellt dann noch weitere Forderungen bezüglich der technischen 
Vervollkommnung der Methode und bemerkt noch: „Vergleicht man aber 
die ästhesiometrischen Werte der gleichen Körperstelle bei verschiedenen 
Personen, so ist zu beachten, daß auch da die Dicke der Haut, die Ge¬ 
übtheit der Person überhaupt, wie gerade dieses Organes, ferner Alter, 
Geschlecht, Beobachtungsgabe, Sinnestypus, Konzentrationsfähigkeit indi¬ 
viduelle Unterschiede bedingen, die erst in Abrechnung zu bringen 
sind, ehe der größere oder geringere Grad der Ermüdung und weiterhin 
der Ermüdbarkeit der verschiedenen Individuen gegeneinander festgesetzt 
werden kann.“ 

Haben nun aber, so muß man fragen, wirklich alle Experimentatoren 
diese wichtigen Faktoren „in Abrechnung gebracht“? Gewiß nicht! Ist 
da nicht die (von Offner gerühmte) „Übereinstimmung“, die trotzdem 
erzielt wurde, nicht zumindest überaus merkwürdig? Welche Unmasse 
von äußeren, in ihrer Gänze gar nicht recht abschätzbaren Einwirkungen, 
außer der obenerwähnten, die geistige (und die körperliche) Arbeit beein¬ 
flussen, das erhellt u. a. auch aus einer interessanten Arbeit von Lehmann 
und Pedersen (67). 

Nach den Untersuchungen E. Smiths, N. Finsens, Lehmanns, 
Mailing-Hansens, die in der Größe der Atmung, des Hämoglobingehalts 
des Blutes, der Herztätigkeit, der Gewichtszunahme und des Höhenwachs¬ 
tums der Menschen während des Jahres periodische Schwankungen fanden, 
lag es nahe, anzunehmen, daß auch die physische und psychische Arbeits¬ 
fähigkeit im Laufe des Jahres periodischen Variationen unterliegt. Über 
die Beziehung der Muskelkraft zu den meteorologischen Faktoren hat 
Schuyten experimentiert; diese Versuche wollten die beiden Verfasser 
nachprüfen. Die Messung der Muskelkraft wurde an Knabenklassen (an 
10 bis 14 jährigen Knaben) an jedem Schultage durchgeführt. Außerdem 
wurden noch drei verschiedene Versuchspersonen, eine Dame und die 
beiden Verfasser, herangezogen, die im Juli nach Norwegen reisten und 
in der Höhe von 960 Meter den Eindruck der Luftdruckverminderung auf 
die geistige und körperliche Arbeit untersuchten. 

Bei Einhaltung der nötigen Kautelen wurde ferner studiert: der Ein - 
fluß der Bewegung im Freien (günstige Wirkung), der Lichtstärke und 
Temperatur (bei abnehmender Temperatur steigt die Muskelkraft und um- 


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Die geistige Ermüdung dee Schuljugend. 


325 


gekehrt), des Luftdruckes (kein sonderlicher Einfluß auf die Muskelkraft, 
hingegen aber ein solcher auf die psychische Arbeit); auch die Gedächtnis- 
lcistungen werden wahrscheinlich auf dieselbe Weise wie die Muskelkraft 
von den meteorologischen Verhältnissen beeinflußt. 

Es sind zwar auch diese Versuche nicht vollkommen einwandfrei, 
aber sie zeigen, daß auch noch die meteorologischen Faktoren, wenigstens 
bei vielen Personen, eine unleugbare Einwirkung auf die Arbeitslust und 
Arbeitskraft und dadurch naturgemäß auf die Ermüdbarkeit ausüben 
können. 

Aus all den voranstehenden Darlegungen der ganzen Frage der 
Ästhesiometrie geht eines mit Gewißheit hervor: das Musterinstrument 
und die Idealmethode sind bisher noch nicht gefunden, und 
selbst wenn sie einst gefunden werden sollten, so wird man 
sie bei Kindern gar nicht oder nur mit der allergrößten Vor- 
sicht in Anwendung bringen dürfen, da die durch subjektive 
Wahrnehmungen und Empfindungen ausgelösten Antworten von Versuchs¬ 
personen überhaupt nur unter Anwendung der größtmöglichen Kautelen 
verwertbar sind, bei Kindern aber bei deren großer Suggestibilität, der 
nicht ausgereiften Erfahrung, dem fast physiologischen Hang zur Unwahr¬ 
heit und zu allerlei Schabernack und bei der lebhaften Phantasie, die oft 
ungewollt zu groben Selbsttäuschungen führt, einen nur sehr geringen 
Grad von Glaubwürdigkeit besitzen. Nur an besonders eingeübten, sonst 
auch unbedingt verläßlichen und nicht leicht suggestiblen Erwachsenen 
wird man die Ästhesiometrie vielleicht ausgestalten können — bisher 
ist dies aber noch nicht gelungen. 

3. Die optischen Ermüdungsmessungen. 

Baur, der, wie bereits erwähnt (siehe S. 295), ästhesiometrische 
Messungen „mit Erfolg“ ausgeführt hatte, hat diese Methode zugunsten 
einer anderen, einer optischen Methode wieder verlassen. Er hat 
in seinem Buche und bei dem Londoner schulhygienischen Kongresse 
über seine neue Methode (68 a) eine kurze Mitteilung gemacht und hebt 
hervor, daß die Griesbachsche Ästhesiometrie viel Zeit in Anspruch 
nimmt und daß ihre Exaktheit durch Suggestion, durch Temperatur¬ 
wechsel usw. beeinträchtigt wird und daß er daher eine andere Methode 
erdacht hat, welche in kurzer Zeit und in sicher Weise den Grad der 
Ermüdung eines Kindes anzugeben gestattet. Er hat den Sch eine r- 
schen Versuch zu derartigen Untersuchungen verwendet. In einer größeren 
Arbeit (68b) in dem „Internationalen Archiv für Schulhygiene“ hat Baur 
diese Methode ausführlich dargelegt und eine Reihe von Kurven über der¬ 
artige Messungen bei Schülern und Lehrern angefügt. 


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326 


Theobob Altschux, : 


Das Baursche Verfahren baut sich, wie der Verfasser uns angibt, 
„auf der Tatsache der Muskelermüdung nach körperlicher und geistiger 
Anstrengung auf und bedient sich des sehr feinfühligen Akkommodations- 
muskels, um in der Abnahme der Akkommodationsfähigkeit des Auges die 
Ermüdung zu erkennen und in dem Grade jener auch den Grad der 
Ermüdung zu erfahren, wobei die Ermüdung des Auges durch langes 
Lesen keine Bolle spielt, da diese in der Buhe sich alsbald auszugleichen 
pflegt .... 

Innerhalb einer gewissen Grenze der Akkommodationsfähigkeit .wird 
durch ein rotgrünes Okular eine Nadel weiß, außerhalb derselben aber 
mit rotem und grünem Rand gesehen. Die Akkommodationsbreite, d. h. die 
Spanne der Akkommodationsfähigkeit, zeigt nun durch die Verlängerung 
eine Schwächung, durch die Verkürzung eine Stärkung des Akkommodations¬ 
muskels an, somit in logischer Folge mit jener einen Ermüdungs-, mit 
dieser einen Erholungszustand.“ 

Baur hält Autosuggestionen so gut wie ausgeschlossen, eine Kontrolle 
sei, ohne daß der Untersuchende etwas davon merkt, stets möglich und 
wird ührigens noch verschärft durch einen hinter der Nadel angebrachten 
weißen, viereckigen Hintergrund, an dessen Rändern gleichzeitig mit den 
farbigen Nadelrändern ein Farbenschimmer, und zwar in den den Nadel¬ 
rändern entgegengesetzten Farben auftritt. Da der Augenakkommodations¬ 
muskel wegen seiner Nähe beim Gehirn schnell auf Ermüdung reagiert, 
wird er diese eher anzeigen als ein anderes Sinnesorgan. Durch diese 
Versuche lassen sich alle „Ermüdungsförderer“ bzw. „Erholungsvermin- 
derer“ auf ihren Wert bzw. ihren Indifferentismus prüfen. „Die Messungen“, 
sagt Baur, „weisen darauf hin, daß die Hygiene aller geistigen Arbeit 
sich zusammensetzt aus dem Sparen mit Arbeitskräften (Ökonomie geistiger 
Arbeit), aus der Einschränkung der Arbeitsmenge, aus der Erleichterung 
der Arbeitsstoffe, aus der Erholung nach getaner Arbeit, aus der Gesund¬ 
erhaltung des Körpers und aus der Schaffung günstiger Lebensbedingungen 
in Schule und Haus, namentlich durch Erhaltung guter Gemütszustände.“ 

Die Arbeit Baurs ist fraglos eine sehr interessante und beachtens¬ 
werte und seine Abschätzung der geistigen Arbeit wird wohl (auch ohne 
Experimente) als im ganzen zutreffend bezeichnet werden können, was uns 
aber auch diese Versuche, gleich allen anderen Ermüdungsmessungen, nicht 
beweisen können, ist der wichtige und ausschlaggebende Umstand, ob die 
„gemessene Ermüdung“ das zulässige Maß überschreiten, ganz abgesehen 
davon, ob die Zuversicht Baurs, daß die Messung der Akkommodations¬ 
breite wirklich in allen Fällen ein verläßliches, durch keine äußeren Zu¬ 
fälle beeinflußtes Maß der Größe der geistigen Ermüdung darstellt, tat¬ 
sächlich vollauf gerechtfertigt ist. 


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Die geistige Ermüdung des Schuljugend. 


327 


In ähnlicher Weise hat N. Bishop Harmann (69) die Ermüdung 
durch die Veränderung der Akkommodation bestimmt. Er verwendet zur 
Prüfung des binokulären Sehaktes ein „Diaphragm-Test“, das eine durch 
ein Triebwerk in ihrer Weite veränderliche Öffnung enthält. Durch diese 
Öffnung wird ein Karton visiert Das Experiment zeigt, daß verschiedene 
Leute eine verschiedene Breite des mittleren, für das binokulare Sehen 
in Frage kommenden Streifens wählen, um ihre Augen in einem gewissen 
Gleichgewichte zu halten (die seitlichen Partien werden monokular ge¬ 
sehen). Die Differenz zwischen dem bei geistiger Frische und beim Zu¬ 
stande der Ermüdung gemessenen „ocular poise“ gibt den absoluten Aus¬ 
druck der verminderten Kraft des cerebro-muskulösen Apparates für die 
Einhaltung des binokulären Sehens an. Bishop Harman hält diese 
Methode für verläßlicher und für den allgemeinen Gebrauch vorteilhafter 
als die Anwendung der Ästhesiometrie oder arithmetischer Aufgaben zur 
Prüfung der geistigen Ermüdung durch den Unterricht. 

Auch bezüglich dieser Methode gilt wohl das gleiche, was ich über 
die Methode Baurs angeführt habe. 

(Jybulski und Bellarminoff (70) haben photographische Aufnahmen 
der Erweiterung und Verengerung der Pupillen unter dem Einfluß be¬ 
stimmter Reize hergestellt; dabei kann auch die Geschwindigkeit und 
Dauer einer Pupillenbewegung mit mathematischer Genauigkeit gemessen 
werden. Die Pupillen von geistig ermüdeten Menschen zeigen schwache, 
langsame Bewegungen auf Lichtreize. „Die Cybulski-Bellarminoff- 
sche Methode“, bemerkt Maria von Manacöine, „hat eine große prak¬ 
tische Bedeutung, z. B. eine geistige Überbürdung an Schulen festzustellen.“ 
Eine Bestätigung dieser Befunde durch andere Autoren habe ich nicht 
vorgefunden. Auf dem schulhygienischen Kongresse in Paris hat 
Brandeis (71) seiner „farbenästhesiometrischen Ermüdungsmessungen“ 
Erwähnung getan. Nähere Angaben über die Methode sind in dem Kon¬ 
greßberichte nicht enthalten. 

4. Weitere physiologische Methoden. 

Außer den genannten findet man zerstreut in der Literatur noch eine 
Reihe anderer physiologischer Methoden angegeben, die aber noch nicht 
genügend nachgeprüft sind. Sie mögen hier nur ganz kurz aufgezählt 
werden. 

Viktor Pimmer (72) hat den elektrischen Strom zu seinen Unter¬ 
suchungen verwendet und behauptet, daß er dadurch alle Nervenschwachen, 
Feigen und Belasteten herauszufinden vermag; Stephani (73) hat einen 
eigenen Meßapparat konstruiert und führt an, daß die Abnahme der 


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328 


Theodor Ai/tbchul: 


Körpergröße im Lauf des Tages um so stärker ist, je größer die Ermüdung 
der Muskulatur ist; W. Neutra (74) ermittelt den Ermüdungsgrad durch 
die Verschiedenheit der Vibrationsempfindung; J. Putermann (75) mißt 
mittels des Gärtnerschen Tonometers den Blutdruck und bringt dessen 
Veränderung in einen ätiologischen Zusammenhang mit der geleisteten 
geistigen Arbeit; Mosso (76) hat mit Hilfe seiner „psychologischen Wage“ 
eine Messung der Blutmenge bzw. der Blutverteilung in den einzelnen 
Körperteilen ausgeführt Die Mossosche Wage besteht aus einem auf 
zwei Metallprismen ruhenden Kasten, in den die Versuchsperson hinein¬ 
gelegt wird. Der Kasten wird durch ein an einem Eisenstabe befindliches 
Laufgewicht von 25 ** ausequilibriert. Die Schwankungen der Wage, 
welche durch eine Veränderung der Lage der Versuchsperson oder auch 
durch eine geistige Tätigkeit oder eine seelische Erregung erzeugt werden, 
werden durch eine Feder auf einem sich drehenden berußten Zylinder 
graphisch verzeichnet. Zur Kontrolle, daß die Schwankungen wirklich von 
der Blutverteilung heirühren, werden an den Gliedern der Versuchsperson 
noch einzelne Plethysmographen angebracht. Bei dieser Versuchsanord¬ 
nung bemerkt man angeblich, daß jeder Gedanke, jede Erregung der Auf¬ 
merksamkeit, sogar die Erinnerung an Verse, die man einst auswendig 
gelernt hat, einen verstärkten Blutzufluß zum Kopfe und einen geringeren 
zu den Gliedmaßen im Gefolge hat. Auch die Veränderungen im 
Spannungszustande der Gefäße werden angeblich durch die Wage angezeigt: 
bei gesunden Personen, die aus einer aufrechten Stellung in horizontaler 
Lage in die Wage gelegt werden, erhält man rasch durch Ausgleich der 
Blutverteilung ein Gleichgewicht (die Gefäße sind imstande, sich schnell 
zusammenzuziehen), während bei blutarmen und schwachen Menschen (wo 
die Blutgefäße schlaff sind und keine richtige Spannung besitzen) eine 
geraume Zeit verstreicht, ehe ein Gleichgewichtszustand eintritt. Auf diese 
Weise kann man die Beschaffenheit des Blutgefäßsystems bei Gesundheit, 
Krankheit, Ermüdung und Ruhe kennen lernen; die Wage gestattet nach 
der Ansicht Maria von Manaceines unter Umständen, die Entwicklung 
schwerer Erscheinungen von Überbürdung zu verhüten. 

Diese jedenfalls originelle Methode Mossos hat merkwürdigerweise 
nicht viel Verwendung gefunden und scheint nicht sehr bekannt zu sein: 
sie ist jedenfalls in der Praxis nicht so einfach und eindeutig, wie es auf 
dem Papier scheint. 

Ebensowenig ist die Kinematometermethode (77), mit der Neu¬ 
mann und Gin eff gearbeitet haben, in die Praxis übergegangen. Das 
von G. W. Störring konstruierte Kinematometer ist ein Apparat, der die 
Größe einer Bewegung eines darin eingespannten Körperteiles in Winkel¬ 
graden angibt. Es wird vorerst eine „Normalbewegung“ eingeübt und 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


329 


dann soll die Versuchsperson eine „Vergleichsbewegung“ ausführen, die 
der Normalbewegung an Größe gleichkommt. Im Zustande der Ermüdung 
sollen die Vergleichsbewegungen größere Abweichungen von der Normal¬ 
bewegung zeigen, als im Zustand der Frische. Gineffs Versuche wurden 
nur an einer Versuchsperson ausgeführt. Offner hält die Methode für 
einfacher und leichter durchführbar und mit Gineff auch für zuverlässiger, 
als die ergographische Methode; mir scheint eine auf Abschätzung basierte 
Methode entschieden weniger verläßlich, als die ergographische, die aber 
(wie früher gezeigt wurde) auch nicht verläßlich ist. 


O. Biologische Methoden. 

Bei der gegenwärtigen Richtung der modernen Naturforschung liegen 
die biologischen Methoden sozusagen in der Luft. Die Ermüdung ist ja 
selbst ein biologischer Vorgang und muß demnach im Organismus Ver¬ 
änderungen in biologischem Sinne hervorbringen. Es ist keine Frage, 
daß auch bei dem Studium des Ermüdungsproblems diesen 
Methoden die Zukunft gehört; aber biser haben auch sie eine voll¬ 
ständige und einwandfreie Lösung aller sich uns aufdrängenden Fragen 
noch nicht zu bringen vermocht. 

Graziani (78) war wohl der erste, der den Einfluß einer intensiven 
Geistesarbeit auf Zahl, Zusammensetzung, namentlich auf den Hämoglobin¬ 
gehalt und die Widerstandskraft der roten Blutkörperchen methodisch 
geprüft hat. Er fand, daß die einzige beachtenswerte und ständige Diffe¬ 
renz den Hämoglobingehalt betrifft, dessen durchschnittliche Verminderung 
nach angestrengter, mehrstündiger geistiger Arbeit 7*4 Prozent beträgt. 
Die Zahl und der Widerstand der roten Blutkörperchen bieten größere 
oder geringere Verschiedenheiten, so daß es nicht möglich ist, daraus 
einen bestimmten Schluß zu ziehen. 

Graziani betont die Schwierigkeiten bei derartigen Versuchen und 
hebt hervor, „daß bei Kindern die Gehirnanstrengung weniger häufig und 
weniger leicht festzustellen ist, als sich auf den ersten Blick annehmen 
läßt. Sobald ihr Gehirn müde zu werden beginnt, fängt auch das Zer¬ 
streutsein an und da bei ihnen die inhibitorischen Kräfte noch wenig 
entwickelt sind, so gehen sie selten mit einer energischen Willensanstren¬ 
gung von neuem an die Arbeit; sie beginnen dieselbe nur dann wieder, 
wenn sie sich ausgeruht haben.“ 

Daß die Methode Grazianis auch sonst für Schülermassen Unter¬ 
suchungen weniger geeignet ist, geht schon daraus hervor, daß (wenn 
auch unbedeutende) Blutentziehungen notwendig sind, was in Schulen aus 
verschiedenen Gründen kaum allgemein durchführbar ist. 


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Theodor Altschul: 


Graziani kommt weiterhin zu dem Schlüsse, „daß die Anämie der 
Studierenden neben den Alterationen im Stoffwechsel, welche der ungenü¬ 
genden Speisenzufuhr und der direkten Wirkung des Nervensystems zu¬ 
zuschreiben sind, neben der mangelhaften Sauerstoffversorgung des Blutes 
infolge der Modifikationen im Atmungsrhythmus — wenigstens bei jenen 
Individuen, welche fähig sind, mittels ihres Willens die Gehirnarbeit zum 
Grade der Überanstrengung zu treiben — auch vom Einfluß toxischer 
Substanzen abhängig ist, die als Resultat der Gehirnarbeit zu betrachten 
sind und eine direkte Wirkung auf den Widerstand der roten Blut¬ 
körperchen auszuüben vermögen“. 

Es ist ein unbestreitbares Verdienst von Weichardt, durch seine 
Untersuchungen (siehe S. 275) die Lehre von dem Ermüdungsgifte auf 
eine wissenschaftliche Grundlage gestellt und ausgebaut zu haben. 

Weichardt selbst hat schon (a. a. 0.) eine besondere Methode zur 
Feststellung der Ermüdung angegeben. Mittels eigenartiger Hantelfu߬ 
übungen soll festgestellt werden, ob durch die Ermüdung nach dem Unter¬ 
richt eine Differenz in der Anzahl der ausführbaren Übungen erkennbar 
ist. Es sind sodann die Mehrleistungen zu beobachten, welche sich nach 
Einführung einer genau dosierten Menge des Kenoantitoxins erzielen lassen. 

Durch Absättigung mit einem Testantitoxin kann man die durch die 
Ermüdung gebildeten Mengen des Kenotoxins sicherstellen. Diese Methode 
will Weichardt mit dem Ergographenversuch, der Burgersteinschen 
Rechenmethode und mit den ästhesiometrischen Methoden kombiniert an¬ 
gewendet wissen. 

Die Methode Weichards wurde von Friedrich Lorentz (79) in 
die Praxis der Ermüdungsexperimente (auch bei Schülern) eingeführt. Er 
hat nach dem Vorschläge Weichardts die „Hantelfußübungen“ folgender¬ 
maßen vornehmen lassen: Die Versuchsperson nimmt in jede Hand eine 
2 bis 5 kg (Kinder 2 bis 3 tg ) schwere Hantel und dreht sie bei horizontal 
vorwärts gestreckten Armen nach dem Pendelschlage einer Sekundenuhr 
oder eines Metronoms um ein Viertel des Kreisbogens nach außen und 
dann wieder nach innen. Zugleich hebt sie, ebenfalls im Sekundentakte, 
abwechselnd den rechten und dann wieder den linken Fuß bis zur Knie¬ 
hohe. Schon nach 20 bis 30 Sekunden wird die anfangs spielend leichte 
Übung allmählich schwieriger und plötzlich sinken die Arme infolge hoch¬ 
gradiger Ermüdung. Dieser Zeitpunkt, welcher durch Zählen der Sekunden 
sehr genau festgestellt werden kann, gibt die Stärke des vor der Übung 
bereits vorhandenen Ermüdungsgrades ebenso sicher an wie die Ergo- 
graphenbnrve (Lorentz). 

Lorentz hat die Versuche vorerst an sich selbst vorgenommen. In 
der Tabelle, welche die erzielten Leistungswerte bei der Hantelfußübung 


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Die geistige Ermüdung deb Schuljugend. 


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wiedergeben, hat er die ersten Ergebnisse einer etwa Tierwöchentlichen 
Trainingperiode nicht registriert. Erst dann, als nach zahlreichen Vor¬ 
übungen eine Konstanz der Kurvenwerte eingetreten war, wurden die¬ 
selben aufgezeichnet. Es wurde zunächst eine Reihe ganz gleichsinnig 
verlaufender Versuchsserien ausgeführt und erst nachher mit der Verab¬ 
reichung des Antikörpers begonnen. Es zeigte sich nach dem Einatmen 
des antikörperhaltigen Sprays eine Hebung des körperlichen Allgemein¬ 
befindens — „gleich reiner, ozonhaltiger Waldluft steigert es (das Anti¬ 
kenotoxin) die natürliche Frische und Lebendigkeit des Körpers, so daß 
seine allgemeine Anwendung ohne Gefahr geschehen kann.“ 

Es wurden 10 bis 12 Tropfen Antikenotoxin, gelöst in 10 cem physio¬ 
logischer Kochsalzlösung (0-8 : 100), reichlich im Zimmer versprengt. Die 
Nachwirkung des Antikenotoxins zeigte sich noch in den erhöhten Lei¬ 
stungen der folgenden Tage. 

Sodann hat Lorentz mit der (etwas modifizierten) Rechenmethode 
Burgersteins Versuche in einer Klasse der Pflichtfortbildungsschule vor¬ 
genommen (an 15 bis 17 jährigen Schülern). Der eigentliche Zweck der 
Übungen war den Schülern nicht bekannt; es war vielmehr gesagt worden, 
daß es sich um Prüfungs- und Übungsarbeiten handle, die mit besonderer 
Sorgfalt zu fertigen seien. Die Klasse bestand aus Lehrlingen, die am. 
Vormittage in ihrer Lehrstätte gearbeitet hatten und nun nach einer 
1 bis 2stündigen Mittagpause am Nachmittag zum Unterricht erschienen, 
der sich über 6 Stunden ausdehnte. 

Der erste Versuch wurde zu Beginn, der zweite nach vierstündigem 
Unterricht ausgeführt. Die beiden letzten Stunden waren dem Zeichen¬ 
unterricht gewidmet, der weniger ermüdet und deshalb bei den Versuchen 
ausgeschaltet wurde. Es handelte sich um Photographenlehrlinge, also 
ein ziemlich intelligentes Material, dem die angewendeten Rechenaufgaben 
keinerlei Schwierigkeiten boten; die Beteiligung war freigestellt „und 
war somit“, glaubt Lorentz (ob mit Recht bleibe dahingestellt) „das 
Interesse bei den Teilnehmenden verbürgt“. Es beteiligten sich insgesamt 
66 Schüler, an jedem einzelnen Versuche etwa 16 Knaben. 

Um die Wirkung des Antikenotoxins auf die Arbeitsleistung feststellen 
zu können, fand nach der ersten Rechenübung eine Versprayung des anti¬ 
körperhaltigen Präparates, angeblich zur Luftverbesserung, statt; die 
Schüler verblieben 3 bis 4 Stunden in der durchgesprayten Luft, während 
der Unterricht seinen Fortgang nahm. Die Schüler zeigten eine ge¬ 
steigerte Frische und Lebhaftigkeit — „die psychomotorische Hemmung 
erschien aufgehoben“. Die Quantität der Leistungen nahm zu. Bei 
Kontrollversuchen, wobei kein Antikenotoxin zerstäubt wurde, ergab sich 
eine Abnahme der Rechengeschwindigkeit durch die natürliche Ermüdung 


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Theodob Alt sch ul: 


nach vierstündigem Unterrichte. £s ließ sich also, bemerkt Lorentz, die 
Beeinflussung der Ermüdung und die Erhöhung der geistigen Leistungs¬ 
fähigkeit nach dem Zerstäuben von Antikenotoxin, wie vorher bei der 
Hantelfußübung, so auch durch die Rechenmethode „exakt“ ermitteln. 

Lorentz beschließt seine Arbeit mit folgenden Sätzen: „Wenn auch 
der Einfluß des Antikenotoxins vorläufig nur in qualitativer Weise ver¬ 
sucht wurde, so erscheint es doch nicht ausgeschlossen, daß auf Grund 
der vorhandenen Untersuchungen sich eine biologisch exakte Maßmethode 
zur Ermittlung der Schülerermüdung herausbilden lassen wird. Die Mög¬ 
lichkeit der quantitativen Bestimmung der Ermüdungsstoffe ist vielleicht 
dadurch gegeben, daß auch in dem Wasser, durch welches Ausatemluft 
eines Ermüdeten längere Zeit geblasen worden war, sich in vitro Eiwei߬ 
abspaltungsantigene von Kenotoxincharakter durch hochgradig verdünnte 
Antikenotoxinlösungen bestimmen lassen. Somit reihen sich diese modernen 
Ermüdungsforschungen dem neuerdings in den Wissenschaften inaugurierten 
Streben an, mehr und mehr den sicheren Boden der Chemie zu ge¬ 
winnen. Es dürften hierbei auch die Psychologie und die Schulhygiene 
mit ihren bewährten Erfahrungen nicht unwesentlich gestützt und be¬ 
fruchtet werden.“ 

So originell und interessant die Versuche von Lorentz auch sind, 
so stellen sie uns eigentlich doch nur einen Wechsel auf die Zukunft aus, 
soweit die Ermüdungsmessung bei Schülern in Frage kommt. Besten¬ 
falls kann man aus den Experimenten von Lorentz erschließen, daß es 
durch Verstaubung von Antikenotoxinlösungen gelingen kann, die Er¬ 
müdung zu bannen und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen — und mehr 
behauptet eigentlich Lorentz zurzeit auch nicht. Indes in der Wissen¬ 
schaft muß man erst zahlreiche Nachprüfungen neuer Methoden fordern 
und abwarten, ehe man sichere Schlüsse zu ziehen berechtigt ist; ein ge¬ 
wisser Skeptizismus ist entschieden fruchtbringender als ein gläubiger Opti¬ 
mismus, der uns leider schon gar zu oft auf Irrwege geführt hat. 

Es müssen daher erst von vielen sachverständigen Forschern die un- 
gemein schwierigen biologischen Grundfragen der Kenotoxinlehre nachge¬ 
prüft und bestätigt werden, ehe man an „Schülerexperimente“ herantritt. 

Übrigens mahnen die bereits früher angeführten Versuche von Inaba 
(siehe S. 276) zu einer gewissen Vorsicht und da bei den „Hantelübungen“ 
ein mehrwöchentliches Training notwendig ist, um brauchbare Resultate 
zu erzielen und da ferner bei den Schülerexperimenten von Lorentz die 
Rechenmethode verwendet wurde, die trotz der eingehalteuen Kautelen und 
der angebrachten Modifikation meiner Ansicht nach nicht besonders verlä߬ 
licher geworden ist, ist diese Vorsicht doppelt geboten. Aber die neue 
Methode Weichardts ist der ernstesten Nachprüfung entschieden würdig 


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Die geistige Ermüdung des Schuljugend. 


833 


und sie berechtigt fraglos zu gewissen Hoffnungen für die Zukunft — 
Ob uns die nächste Zeit nicht noch serologische Methoden zum Zwecke 
von Ermüdungsbestimmungen (dies Wort ist entschieden richtiger 
und zutreffender als Ermüdungsmessungen) bringen wird, welche mit 
Agglutininen, Präzipitinen, Hämolysinen usw. arbeiten werden, ist nicht 
so unwahrscheinlich. 

Zum Schlüsse sei noch einer Methode Erwähnung getan, die man 
als eine pathologische bezeichnen kann, des sogenannten Quinquaud- 
schen Zeichens. Maridort (80), ein Schüler Quinquauds, hat dies 
„Zeichen“ (zur Feststellung des Alkoholismus — was sich aber als irrig 
erwies —) zuerst beschrieben und Minor (81) hat die Maridortsche 
Versuchsanordnung zweckmäßig modifiziert. Nach Minor wird der Ver¬ 
such in folgender Weise angestellt: Die gespreizten und gestreckten Finger 
werden auf ein Resonanzkästchen aus weichem Holz aufgesetzt und auf 
derselben Fläche ein Phonendoskop angebracht. Das Quinquaudsche 
Zeichen besteht darin, daß bei gewissen Veränderungen im Nervensystem 
kurze Stöße der Finger wahrgenommen werden können. Minor hält dies 
Phänomen für ein feines Zeichen hypotonischer (Ermüdungs-) Zustände. 
Er fand es bei Tabes, bei Hysterie und bei manchen Alkoholikern. Ob 
es auch bei geistigen Ermüdungszuständen normaler Individuen vorkommt, 
wurde noch nicht erprobt. 


Schloß. 

Zusammenfassend kann man sagen: 

Das Ermüdungsproblem, oder wie es wohl richtiger heißen sollte, die 
Ermüdungsprobleme sind sehr oft schon zum Gegenstand ernstester 
Forschung gemacht worden. Trotz der ausführlichen Darlegungen über 
die historische Entwicklung dieser Forschung habe ich die bestehende 
Literatur keineswegs vollständig erschöpft, wenn auch kaum ein wichtiger 
Beitrag zu der hier abgehandelten Frage übergangen sein dürfte. 

Wenn man nun trotz der überaus zahlreichen Arbeiten über Ermüdung 
und Ermüdungsmessungen, trotz aller hierbei aufgewendeten Mühe, trotz 
allen Scharfsinnes und Fleißes auch gegenwärtig noch der lückenlosen 
Lösung des ganzen Komplexes der Ermüdungsfragen keineswegs gegen- 
übersteht, so war die große, bisher geleistete Arbeit doch auch keine nutz¬ 
lose; sie hat uns manchen Einblick in das Wesen der Ermüdung und in 
die Physiologie und Psychologie und auch in die Pathologie der körper¬ 
lichen und geistigen Arbeit erschlossen und auf diese Weise einen nicht 
unbedeutenden Teil der Ermüdungsprobleme unserem Verständnis näher- 


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gerückt. Wir müssen vor allem bedenken, daß es auch bei der Ermüdung 
keine „Durchschnittstypen“ gibt, sondern daß die Ermüdung und die 
Ermüdbarkeit etwas durchweg Individuelles ist, mit so vielen 
Schattierungen, als es Individuen gibt und daß es tausenderlei täg¬ 
lich, ja stündlich wechselnde und gar nicht vollkommen sicher 
abzuschätzende äußere Einflüsse gibt, welche die Ermüdung 
und Ermüdbarkeit qualitativ und quantitativ bestimmen. 

Ich glaube auch gezeigt zu haben, daß wir ein wirkliches Maß der 
Ermüdung in all den bisherigen Methoden noch nicht besitzen und daß 
es nicht sehr wahrscheinlich ist, daß wir jemals ein derartiges besitzen 
werden. Denn wenn wir die Ermüdung zu „messen“ vermeinen, messen 
wir eine ganze Menge anderer psychischer, aber gewiß auch somatischer 
Zustände mit, wie z. B. das vorhandene oder mangelnde Interesse, den 
Grad der durch momentane Stimmung und Körperbefinden beeinflußten 
Aufmerksamkeit, die größere oder geringere Ablenkung von der Arbeit 
durch allerlei Zufälligkeiten usw. Man wird mir einwenden: „Deshalb 
stellen wir eben Massen Untersuchungen an und nehmen den Durch¬ 
schnitt; dadurch gleichen wir die individuellen Zufälligkeiten aus.“ Ich 
bestreite aber auf das allerentschiedenste, daß die „durchschnittliche“ 
Ermüdung, die wir durch Rechenmanipulationen künstlich konstruieren, 
wirklich der Ausdruck der bei der Mehrzahl der Menschen, oder richtiger 
gesagt der Versuchspersonen vorhandenen Ermüdungsgröße ist, selbst 
wenn man zugibt (was ich, wie erwähnt, nicht zugebe), daß diese Er¬ 
müdungsgröße bei jedem Einzelwesen direkt meßbar ist. 

Es wurde auch bereits hervorgehoben, daß die Ermüdung etwas gänz¬ 
lich Individuelles, ein bei jedem Individuum Verschiedenes ist, ein aus 
ganz verschiedenartigen Teilen zusammengesetzter Zustand. Nun lassen 
sich aber bekanntlich verschiedenartige Größen nicht zu einer Summe 
verschmelzen, und wenn wir ein derartiges Rechenexempel dennoch aus¬ 
führen, so rechnen wir eben falsch. 

Die Schule kann naturgemäß nicht auf jede einzelne Individualität 
Rücksicht nehmen und der Einzelunterricht wäre nicht nur kein Ideal, 
sondern ein schwerer Fehler in pädagogischer und auch in sozialer Be¬ 
ziehung. Der Stoff, der in der Massenschule im Unterrichte gelehrt wird, 
ist aber trotzdem kein „Durchschnittsstoff“: er ist für die einen (die Be¬ 
gabten) sehr leicht, vielleicht zu leicht, für die anderen (die Schwachen 
an Körper und Geist) nur schwer zu bewältigen, und diese Tatsache hat 
zu der Idee des Sonderklassensystems geführt, worüber ich das nötige be¬ 
reits früher (siehe S. 273) auseinandergesetzt habe. 

Bei der ganzen Ermüdungsfrage ist ein Grundprinzip fest im Auge 
zu behalten: die Ermüdung ist bei der Arbeit des Berufslebens 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


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und auch bei der Arbeit in der Schule etwas mehr oder weniger 
Nebensächliches; ausschlaggebend ist die größere oder gerin¬ 
gere Ermüdbarkeit. 

Die Ermüdung ist die natürliche Reaktion auf eine intensive 
Arbeit, sie ist also gar nichts Abnormes, noch viel weniger etwas Krank¬ 
haftes, sie erheischt nur etwas Erholung vor der Wiederaufnahme neuer 
Arbeit; die leichte Ermüdbarkeit ist etwas Pathologisches, sie bedarf 
einer zweckentsprechenden Berücksichtigung im Berufsleben, wie im Schul¬ 
leben. Man wird einen Menschen mit einer schwachen Körperkonstitution 
und schwacher Muskelanlage nicht zum Berufsathleten heranbilden und 
ebensowenig kann man ein Kind mit einer angeborenen und oft auch er¬ 
erbten schwächlichen geistigen Anlage zum Geistesathleten heranbilden, 
aber — man tut es doch und dies gar nicht so selten und dann klagt 
man über „Überbürdung“ in den Mittelschulen! Das ist führwahr kein 
Wunder, daß ein Schüler mit pathologischer Ermüdbarkeit beim Studium 
übermüdet wird. Für das Studium in engem Sinne sollte ein „Befähigungs¬ 
nachweis“ gefordert werden, es sollte eine Auswahl getroffen werden 
können, eine Art Assentierung auch nach der Seite der psychischen Taug¬ 
lichkeit sollte stattfinden, dann wäre die Klage über Überbürdung nur 
sehr selten zu hören. Allerdings ist die hier angeschnittene Frage nicht 
mit einem Federstriche zu lösen, es kommen eine Menge von „Für und 
Wider“ in Betracht und es müßte nicht nur eine Reform des gesamten 
Unterrichtswesens, sondern auch eine Reform der sozialen Verhältnisse 
vorangehen. Man dürfte nicht jedermann, der eine geachtete und lebeus- 
erhaltende Stelle und Stellung erreichen will, von Staats wegen zwingen, 
zu „studieren“, d. h. eine Mittelschule zu absolvieren, auch wenn er dazu 
absolut nicht fähig ist. Ich kann nicht auf alle hier in Betracht 
kommenden Fragen eingehen, das würde zu weit führen, das ist ein Thema 
für sich und wahrlich kein unwichtiges und nebensächliches. 

In der Überbürdungsfrage ist in letzter Zeit ein gewisser, man kann 
sagen gesunder Umschlag unverkennbar. Man hat sich glücklicherweise von 
dem viel mißbrauchten Schlagworte emanzipiert, man verlangt nicht mehr 
ausnahmslos eine Herabminderung der Anforderungen auf der ganzen 
Linie, man verlangt eine vernünftige, den Bedürfnissen des mo¬ 
dernen Lebens angepaßte Schulreform, und das ist auch das 
einzig richtige. 

Albrecht Burkhardt (82) hat in einem Referate gelegentlich der 
Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheits¬ 
pflege den zutreffenden Ausspruch getan: „Die Schule ist nun einmal kein 
Sanatorium; sie ist für Schüler und Lehrer ein Gewerbe, ein Beruf, und 
jedes Gewerbe, selbst das leichteste, birgt Gefahren in sich.“ 


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Unser Bestreben muß es sein, die Jugend derart wider¬ 
standskräftig zu machen, daß sie diesen Gefahren trotzen kann 
und sie überwinden lernt. Wir sollen ihr nicht jeden Stein aus dem 
Wege raumen; das Leben verlangt Mut und Kraft. Nicht „Mindestforde- 
rungen“ dürfen als Erziehungsprinzip hingestellt werden; größtmög¬ 
lichste Anspannung der Kräfte und Erstarkung derselben 
durch zweckmäßige Übung, das muß auch in der Schule die Devise 
unserer Zeit werden. Mag dann auf die anstrengende Arbeit Ermüdung 
folgen; wenn sie durch Erholung wieder ausgeglichen wird, bleibt doch 
zumeist noch ein Gewinn an Kraft übrig. 

Die moderne Zeit braucht Kraftmenschen an Körper und Geist, wir 
müssen daher die Jugend in strammer Arbeit erziehen und nicht aus 
lauter Furcht vor Ermüdung ihr gar keine Kraftproben zumuten. Ein 
gesunder Körper, ein gesunder Geist kann arbeiten und soll arbeiten, 
und wenn wir unsere Jugend zu Arbeitsmenschen erziehen, dann nützen 
wir dem Vaterlande, dann nützen wir dem Volke — und der Jugend auch. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


337 


Literatur-V erzeichnis. 


1. Wie steht es um die Nervosität unseres Zeitalters? Leipzig 1894. 

2. Die Frage der Überarbeitung in der Schule. Bericht Über den XIV. inter¬ 
nationalen Kongreß für Hygiene u. Demographie. Berlin 1907. S. 524. — Berlin 1908. 

3. Warum kommen die Kinder in der Schule nicht vorwärts? Zwei Vorträge 
von Doz. Dr. Alb. Uffenheimer und Prof. Dr. Otto Stählin. Mönchen 1907. 

4. Schulreform und Industrie. Wien 1908. 

5. School-Hygiene. A. Monthly Review for Educationists and Dootors. Published 
by the School-Hygiene Publication Co. Ltd. 2, Charlotte Street London, W. 1910. 
Nr. 5 u. 6. 

6. Altschul, Die Frage der Überbürdung unserer Schuljugend vom ärztlichen 

Standpunkte. Wiener med. Wochenschrift . 1894. 

7. Sickinger, a) Der Unterrichtsbetrieb in großen Volksschulkörpem ustc. 
Mannheim 1904. — b) Bericht Über den Nürnberger schulhygienischen Kongreß. 
Nürnberg 1904. Bd. IV. S. 192. 

8. Moses, Ebenda . Bd. IV. S. 213. 

9. Dr. med. Heinrich Stadelmann, Ärztlich-pädagogische Vorschule . S. 264. 
Hamburg 1909. 

10. Altschul, Nutzen und Nachteile der Körperübungen. Hamburg 1901. 

11. Porter, Transactions of the Academy of Science of St. Louis. 1892—1894. 
Vol. VL 

12. Mac Donald, Experimental study of children usw. Rep. Comm*Education 
for 1897—1898 (zitiert nach Burgerstein-Netolitzkys Handbuch der Schulhygiene ). 

18. Grazianow, Materialien zur Erforschung der physischen Entwicklung des 
Kinder- und Jünglingsalters usw. Inaug.»Diss. (Russisch.) Petersburg 1889. 

14. Sack, Körperliche Entwicklung der Kinder in den Mittelschulen von Moskau. 
Inaug.-Diss. 1S92. (13 und 14 zitiert nach Rietz, siehe 16.) 

15. Dr. F. Schmidt und H. H. Lessenich, Über die Beziehungen zwischen 
körperlicher Entwicklung und Schulerfolg. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege. 
1908. Nr. 1. 

16. Dr. med. Rietz, Körperentwicklung und geistige Begabung. Ebenda. 
1906. Nr. 2. 

17. Altschul, Kritische Bemerkungen zur medizinischen Statistik. Klinische 
Zeit - und Streitfragen. Bd. VIII. Hft. 8. Wien 1894. Beilage zur Klin. Rundschau. 

18. Weich har dt (außer einigen Artikeln in der Münchener med. Wochenschrift ), 
a) Ermüdungs- und Übermüdungsmaßmethoden. Deutsche Vierteljahrsschrift f. ößentl. 
Gesundheitspflege. 1907. Bd. XXXIX. S. 324. — b) Bericht über den hygienischen 
Kongreß in Berlin 1907. Bd. IV. S. 46. 

Zeltschr. £ Hygiene. LXIX 


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338 


Theodob Altsghul: 


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19. Dr. R. Inaba, Über das Kenotoxin Weichhardts in der Ausatmungsluft. 
Diese Zeitschrift. 1911. Bd. LXVIII. Hft. 1. 

20« Jahressitzung der Sociötä royale de Mddecine publique de Belgique; 15. Oktober 
1879. Sur les effets de la lassitude provoqu^e par les travaux intelectuels chez les 
enfents ä Tage scolaire. Extrait du Rapport prisenU ou ComitS du Musie pidagogique , 
section tfhygi&ie scolaire, par M. le Dr. De Sikorsky. Annales dthyg. publique et 
de Midecine ISgale. Troisiäme Särie. 1879. Tome II. 

21. Dr. L. Höpfner, Über die geistige Ermüdung von Schulkindern. Zeitschrift 
f. Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1894. Bd. VL 

22. Altschul, Wert der Experimente bei Schüleruntersuchungen. Offizielles 
Referat Bericht über den I. internationalen Kongreß für Schulhygiene , Nürnberg 

4. -9. April 1904. Bd. IL S. 225. 

28. H. Ebbinghaus, Über eine neue Methode zur Prüfung geistiger Fähig¬ 
keiten und ihre Anwendung bei Schulkindern. Sonderabdruok aus: Zeitschrift für 
Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1897. — Die Ebbinghaus sehe 
Kombinationsmethode. Ebenda. 1902. 

24. Dr. phil. Leo Burgerstein, Die Arbeitskurve einer Schulstunde. Zeit¬ 
schrift für Schulgesundheitspflege. 1891. 

25. Laser, Über geistige Ermüdung beim Schulunterrichte. Ebenda. 1894. 

26. Joh. Friedrich, Untersuchungen über die Einflüsse der Arbeitsdauer und 
der Arbeitspausen auf die geistige Leistungsfähigkeit der Schulkinder. Zeitschrift 
für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1897. 

27. Dr. E. Wiersma, Die Ebbinghaussche Kombinationsmethode. Ebenda. 
1902. Hft 3. 

28. Dr. Ferdinand Kemsies, Arbeitshygiene der Schule auf Grund von Er¬ 
müdungsmessungen. Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der pädagogischen 
Psychologie und Physiologie . 1898. Bd. II. Hft. 1. 

29. Prof. Dr. Emil Kraepelin, a) Über geistige Arbeit. Jena 1894. — b) Zur 
Hygiene der Arbeit. Jena 1896. — c) Über die Messung der geistigen Leistungs¬ 
fähigkeit und Ermüdbarkeit. Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher 
und ArztCy 70. Versammlung zu Düsseldorf 1898. 

80. G. Richter, Unterricht und geistige Ermüdung. Eine schulmännische 
Würdigung der Schrift E. Kraepelins: „Über geistige Arbeit" Sonderabdruck aus: 
Lehrplan und Lehrgänge. Halle a/S. 1895. 

81. M. C. Schuy ten, Sur les mdthodes de mesuration de la fatigue chez les 
dcoliers. Extrait des Archives de Psychologie. 1903. Tome IL Nr. 8. 

32. Dr. Eduard Quirsfeld, a) Ergebnisse von Ermüdungsmessungen an 
64 Schulkindern. Prager med. Wochenschrift. 1907. Nr. 43. — b) Dasselbe. Vor¬ 
trag auf dem schulhygienischen Kongreß in London. Bericht über denselben. Bd. I. 

5. 184. The Royal Sanitary Institute. London 1908. 

33. Dr. Paul Rauschburg, Über Hemmung gleichzeitiger Reizwirkungen. 
Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1902. Bd. XXX. 
Hft. 1 u. 2. 

84. G. E. Müller u. F. Schumann, Experimentelle Beiträge zur Untersuchung 
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35. Angelo Mosso, Über die Gesetze der Ermüdung. Archiv f. Physiologie 
von Dr. Emil Du Bois-Reymond. Jahrg. 1890. Supplement. 

35a. Dr. Arnold Maggiora, Über die Gesetze der Ermüdung. Untersuchungen 
an Muskeln des Menschen. Efjenda. S. 191 ff. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


339 


86. Dr. Zacharias Treres, Über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse, 
die Ergographie betreffend. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. 1902. 

Bd. xxvrn. 

87. Dr. Bobert Keller, a) Pädagogisch-psychometrische Studien. Biologisches 
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38. Prot Dr. med. et phil. Hermann Griesbach, Energetik und Hygiene des 
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39. Derselbe, a) Weitere Untersuchungen über Beziehungen zwischen geistiger 
Ermüdung und Hautsensibilität. Internationales Archiv f. Schulhygiene. Bd. L Hft 8. 
Leipzig 1905. — b) Hirnlokalisation und Ermüdung. Bonn 1910. Archiv für die 
gesamte Physiologie. Bd. CXXXL 

40. Dr. Ludwig Wagner, Unterricht und Ermüdung. Ermüdungsmessungen 
an Schülern des neuen Gymnasiums in Darmstadt. Sammlung von Abhandlungen 
aus dem Gebiete der pädagogischen Psychologie und Physiologie. Bd. L Hft 4. 
Berlin 1898. 

41. Prof. Dr. Karl Groos, Das Seelenleben des Kindes. Ausgewählte Vorlesungen. 
Berlin 1904. 

42. Dr. Max Brahn, Deutsche med. Wochenschrift. 1897. Nr. 26. 

43. Theodore Vannod, a) La fatigue intelectuelle et son influence sur la 
aensibilitä cutanäe. InauguraUDissertation. Genöve 1896. — b) La mlthode esthesio- 
metrique pour la mesuration de la fatigue intelectuelle. Referat auf dem Nürn¬ 
berger schulhygienischen Kongresse 1904. Bericht des Kongresses . Bd. II. 8 . 244. 

44. Prot Dr. Yasusaburo Sakaki, a) Mitteilungen über Resultate der Er¬ 
müdungsmessungen an vier japanischen Schulen zu Tokio. Vortrag, gehalten bei 
dem schulhygienischen Kongreß in Nürnberg 1904. Kongreßbericht. Bd. II. S. 295. — 
b) Ermüdungsmessungen in vier japanischen Schulen. Internationales Archiv für 
Schulhygiene. Bd. L Hft 1. Leipzig 1905. 

45. Alfred Binet, Recherches sur la fatigue intelectuelle scolaire et la mesure 
qui peut en ötre faite an moyen de Nth&iomätrie. Kannte psychologique . Tome XI. 

46. Dr. Bonoff, fitude mödico-pädagogique sur T&thesiomötrie et la Simulation 
ä l’äcole. Internationales Archiv f. Schulhygiene. 1908. Bd. IV. S. 384. 

47. Prof. Dr. P. M. Noikow, Ästbesiometriscbe Ermüdungsmessungen. Ebenda. 
Bd. IV. S. 437. 

48. A. R. Abel son. Mental Fatigue and its Measurement by the Ästhesiometer. 
Ebenda. Bd. Y. S. 347. 

49. Boleslav Blazek, Ermüdungsmessungen mit dem Federästhesiometer an 
Schülern deB Franz-Josef-Gymnasiums in Lemberg 1899. Zeitschrift f. pädagogische 
Psychologie. I. Jahrg. Hft. 6. 

50. Dr. Th. Heller, Ermüdungsmessungen bei schwachsinnigen Schulkindern. 
Wiener med. Presse. 1899. Nr. 11—13. 

51. Baur, Die Ermüdung der Schüler in neuem Lichte. Berlin 1902. 

52. Schlesinger, Ästhesiometrische Untersuchungen und Ermüdungsmessungen 
an Schwachbegabten Schulkindern. Archiv f. Kinderheilkunde. 1905. Bd. XLL S. 184. 

53. Dr. med. H. Adsersen, Eine ästhesiometrische Untersuchung. Zeitschrift 
für Schulgesundheitspflege. 1904. Nr. 8 (und Nürnberger Kongreßbericht. Bd. H. 
S. 828). 

54. AdöleMotchoulsky, Quelques recherches sur les variations de la sen- 
sibilite cutan^e sous Tinfluence de certaines causes physiologiques et pathologiques. 
InauguraUDissertation. Bern 1900. 

22 * 


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340 


Theodob Altschul: 


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55. Thaddeus L. Bolton, Über die Beziehungen zwischen Ermüdung, Baum* 
sinn der Haut und Mnskelleistung. Psychologische Arbeiten . Herausgegeben von 
E. Kraepelin. Bd. IV. Hft. 2. Leipzig 1902. 

56. J. H. Leuba, On the validity of the Griesbach Hethod of determining fatigue. 
Psychological Review. Bd. VI. New York 1899. 

57. German, On the invalidity of the aesthesiometric method as a measure of 
mental fatigue. Ebenda. 

58. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft f. öffentl. Gesundheitspflege in 
Berlin* Sitzung am 28. Februar 1898. Hyg. Rundschau. 1898. S. 598. — Eulen* 
bürg. Die Schularztfrage. 

59. W. Weygandt, Psychiatrisches zur Schularztfrage. Münchener med. Wochen¬ 
schrift. 1900. 

60. Dr. J. Widowitz, Über die geistige Ermüdung der Schulkinder. Wiener 
klin. Wochenschrift. 1904. Nr. 10 u. 11. 

61. Dr. Wilb. Strohmayer, Vorlesungen über die Psychopathologie des Kindes¬ 
alters für Mediziner und Pädagogen. Tübingen 1910. 

62. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Th. Ziehen, Zur Methodik der SenRibilitntsstörungen. 
Wiener med. Klinik. 1910. Nr. 25 ff. 

63. Torsten Thunberg, Physiologie der Druck-, Temperatur- und Schmerz- 
empfindung, in Nagels großem Handbuch der Physiologie. 

64. Altschul, Schülerexperimente mit besonderer Berücksichtigung derÄstbesio- 
metrie. Second International Congress of School-Hygiene, London 1907. Transactions 
Vol. I. S. 123. London 1908. The Royal Sanitary Institute. 

65. Doz. Dr. phil. G. E. Müller, Über die Maßbestimmungen des Ortssinnes der 
Haut mittels der Methode der richtigen und falschen Falle. Pflügers Archiv für 
Physiologie. 1879. Bd. XIX. 

66. Dr. Max Offner, Die geistige Ermüdung. Eine zusammenfassende Dar¬ 
stellung des Wesens der geistigen Ermüdung, der Methoden der Ermüdungsmessung 
und ihrer Ergebnisse, speziell für den Unterricht. Berlin 1910. 

67. Alfred Lehmann und R. H. Pedersen, Das Wetter und unsere Arbeit. 
Untersuchungen über den Einfluß der meteorologischen Faktoren auf die körperliche 
und seelische Arbeitsfähigkeit. Archiv f. die gesamte Psychologie. 1907. Bd. X. 
(Referat in Zeitschrift f. Psychologie u. Physiologie der Sinne. 1908. Bd. XLVIU. 

68a. Dr. A. Baur, Measurment of fatigue by Scheiners experiment Bericht 
über den Londoner schulhygienischen Kongreß. Bd. I. S. 177. 

68 b. Die Hygiene geistiger Arbeit der Schüler und Lehrer. Internationales 
Archiv f. Schulhygiene . Bd. VII. Nr. 1. 

69. N. Bishop Harman, The Eyes and Vision of School-Children, Vision 
and fatigue. School-Hygiene. 1910. Nr. 8. S. 448. 

70. Zitiert nach: Maria von Manaceine, Die geistige Überbürdung in der 
modernen Kultur. Übersetzung, Bearbeitung und Anhang: Die Überbürdung in der 
Schule von Dr. med. Ludwig Wagner. Leipzig 1905. 

71. Dr. Arnold Brandeis, Die Qualifikation der Ermüdung. III. Oongres 
international d’Hygiene scolaire. Paris 2.-7. Aug. 1910. Bd. II. S. 442. 

72. Victor Pimmer, Neue Versuche zur Auffindung körperlicher Minderwertig¬ 
keiten durch hochgespannte Funken der Influenzmaschine. Vierteljahrsschrift f. körper¬ 
liche Erziehung. 1907. Hft. II. 

"<8. Stadtschularzt Dr. Stephani, Prophylaxe des Wachstums und Methode der 
Körpermessung. Das Schulzimmer. 1907. Nr. 2. 


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Die geistige Ermüdung der Schuljugend. 


341 


74. W. Neutra, Über Ermüdungspkänomene auf dem Gebiete der Vibrations¬ 
empfindungen. Neurologische* Centralblatt. 1904. 

75. J. Putermann, Über die Beeinflussung des Zirkulationssystems durch die 
Schulexamina. Wiener med. Wochenschrift. 1904. Nr. 6. 

76. Mosso, zitiert nach Manacöine, siehe Lit. Nr. 70. 

77. Zitiert nach Offner (siehe Lit. Nr. 66) S. 24. 

78. Dr. Alberto Graziani, Der Einfluß der übermäßigen Geistesarbeit auf die 

Zahl, den Hämoglobingehalt und auf den Widerstand der roten Blutkörperchen. 
Zeitschrift f. Schulgesundheitspflege . 1907. Nr. 6. 

79. Friedrich Lorentz, a) Über die Ermüdung der Schüler und deren Er¬ 
mittlung. Ebenda . 1909. Nr. 5. — b) Über Resultate der modernen Ermüdungs¬ 
forschung und ihre Anwendung in der Schulhygiene. Ebenda . 1911. Nr. 1 u. 2. 

8G. Mari dort, Midecine moderne. 1900. Nr. 50. 

81. Minor, Berliner med . Wochenschrift. 1907. Nr. 18—21. 

82. Prof. Albrecht Burckhardt, Die Bekämpfung der ansteckenden Krank¬ 
heiten in der Schule. Jahrbuch der schweizerischen Schulgesundheitspflege . 1902. 

III. Jahrg. I. Teil. 


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I 

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[Aus dem Allgemeinen Krankenhause Hamburg-Eppendorf.] 

Über experimentelle Cholezystitis, 
zugleich ein Beitrag zur Pathogenität des Bact paratyphi B. 

Von 

Eugen Fraenkel and Hans Muoh 

(unter teil weiser Mitwirkung Ton S. Starke). 


(Hier«« Taf. L) 


I. 

Allgemeiner Teil. 

Von Fraenkel und Much. 

Als wir seinerzeit damit beschäftigt waren, gelegentlich von immuno- 
biologischen Untersuchungen über Bacterium coli den Eiter perityphliti- 
scher Abszesse zu untersuchen, kamen wir in den Besitz eines Bacillus, 
der so eigentümliche und prägnante Krankheitsformen verursacht, daß es 
uns der Mühe wert schien, ihn weiter zu studieren. Über unsere Beob¬ 
achtungen wollen wir hier kurz berichten. 

Der Bacillus stammte aus einem perityphlitischen Eiter, aus dem er 
als auf Drygalski-Conradi Agar blau wachsende Kolonie gezüchtet wurde. 
Außerdem wuchsen aus dem Eiter in überwiegender Menge Colibazillen. 

Es fiel uns nun auf, daß alle Meerschweine, die wir mit den Coli¬ 
bazillen der Originalplatte infizierten — denn die Versuche wurden ja 
für Colistudien unternommen —, an einer eitrigen Entzündung der 
Gallenblase starben. Impften wir dann von der Gallenblase ab, so er¬ 
hielten wir keine Colibazillen, sondern eben jene blau wachsenden Kolonien. 
Wir mußten also annebmen, daß die Colibazillen nicht in Reinkultur 
eingespritzt waren, daß sie selbst nicht virulent waren, daß vielmehr der 
als Beimengung mit eingespritzte Bakterien stamm den Tod der Tiere 
herbeigeführt hatte. 


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Eugen Fbaenkel u. Hans Much: Übeb expeb. Cholezystitis, üsw. 343 

Nachdem wir aas den Gallenblasen der Tiere diesen Bakterienstamm 
in Reinkultur erhalten hatten, überzeugten wir uns davon, daß er in 
jedem Falle bei Meerschweinchen eine Cholezystitis meist 
eitriger Art, hervorzurufen imstande ist. Die Erkenntnis dieser an 
sich sehr interessanten Tatsache haben wir aber leider dadurch teuer be- 
zahlen müssen, daß seit diesen Untersuchungen unsere Tiere einer schlecht 
zu bekämpfenden Stallinfektion mit eben diesem Bakterienstamme aus¬ 
gesetzt sind. Wir bekommen seitdem sehr häufig Tiere auf den Sektions¬ 
tisch, die, mit ganz anderen Mitteln eingespritzt oder überhaupt un- 
vorbehandelt, dieser Stallinfektion erlagen 1 und den typischen Befund 
einer eitrigen Cholezystitis, verursacht durch den typischen Bazillenstamm, 
aufweisen. 

Bakteriologisch unterscheidet sich der Bacillus in keiner Weise von 
dem Bact. paratyphi B. Ebensowenig läßt er sich durch die Agglutina¬ 
tion davon unterscheiden. Ein agglutinierendes Serum agglutiniert die 
Bazillen bis zu derselben Titerhöhe, wie es Paratyphusbazillen agglutiniert. 

Das konnte den Gedanken nahe legen, daß alle Stämme von Para¬ 
typhus B eben diese merkwürdige Cholezystitis hervorzurufen imstande 
seien. Wir konnten uns indessen überzeugen, daß fünf von uns geprüfte 
Laboratoriumsstämme von Paratyphus B bei Meerschweinen nicht ähn¬ 
liche Erscheinungen auslösten. Wohl fand man bei der Sektion der 
mit ihnen infizierten Tiere auch Bazillen in der Gallenblase. Aber zu 
einer eitrigen Cholezystitis kam es nur in zwei Fällen, und zwar dann 
erst 10 bis 14 Tage nach der Infektion, so daß diese Befunde wahr¬ 
scheinlich als Sekundärinfektion durch den typischen Cholezystitisbacillus 
aufzufassen sind. 

Der Bacillus unterscheidet sich demnach nur durch die fast absolute 
Konstanz der mit ihm zu erzielenden pathologisch-anatomischen Verände¬ 
rungen von dem Bacillus paratyphi B. Er sei deshalb im folgenden als 
Gallenparatyphusbacillus bezeichnet. 

Die Cholezystitis ist nun nicht bei allen Tierarten zu erzeugen, eben¬ 
sowenig wie der Bacillus für alle Tierarten gleichmäßig virulent ist. 

Fast absolut konstant sind seine pathogenen Eigenschaften bei 
Meerschweinen. Es scheint so, als ob für diese Tiere überhaupt keine 
untertödliche Minimaldosis des Erregers vorhanden ist. Beim Impfen 
mit einer Öse kann der Tod schon innerhalb 24 Stunden ein treten. 
Es kann aber auch Vorkommen, daß er erst nach 2 bis 3 Tagen eintritt. 

1 Man vergleiche in dieser Beziehung die eben erschienene Arbeit von Bofinger: 
„Spontane Paratyphusinfektion beim Meerschweinchen“, worin allerdings von einer 
Erkrankung der Gallenblase nichts erwähnt wird. Deutsche med. Wochenschrift. 
1910. Nr. 23. S. 1063. 


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Eugen Fraenkel und Hans Much: 


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Der Bacillus bedarf also einer gewissen Inkubation. Ist diese Inkubation 
vorüber, dann ist es ziemlich gleichgültig, ob man mit großen oder ge¬ 
ringen Dosen infiziert. Das tritt besonders hervor bei Benutzung kleinerer 
Infektionsmengen, als es eine Ose ist. So fanden wir beispielsweise in 
einem Versuche, wo Tiere mit l / 10 , 1 / 100 , Viooo» Vioooo» Vjooooo Öse intra- 
peritoneal infiziert wurde, daß alle Tiere 5 Tage nach der Infektion starben, 
alle mit sehr ähnlichem Sektionsbefunde. Auch die Infektion mit Vioooooo 
Öse einer Agarkultur führt noch nach wenigen Tagen prompt zum Tode. 
Es handelt sich also um eine außerordentlich hohe Meerschweinvirulenz. 
Und dabei ist es gleichgültig, ob der Stamm erst kurz vorher aus einem 
Tierkadaver gezüchtet wurde, oder ob er mehrere Monate im Laboratorium 
auf Gelatine weitergeimpft wurde. Unsere längste Beobachtung erstreckt 
sich auf 5 Monate, während derer der Stamm nur auf künstlichen Nähr¬ 
böden gehalten wurde, ohne daß er in seiner Virulenz irgendwie beein¬ 
trächtigt worden wäre. 

Der typische Sektionsbefund ist der, daß das Tier makroskopisch 
weiter nichts zeigt, als die charakteristische Veränderung der Gallenblase. 
Auf die genaueren pathologisch-anatomischen Verhältnisse soll nachher 
eingehender eingegangen werden. Nur wenn die Infektion intraperitonal 
ausgeführt wird, kommt es noch zu einer Exsudatbildung im Peritoneum 
und zuweilen, aber nioht immer, zu Herdbildungen in Leber und Milz. 
Mikroskopisch finden sich in dem Galleneiter eine Unmenge von Bazillen. 
Diese sind auch im Blute und den Organen vorhanden, bei intraperitonealer 
Infektion auch im Peritonealexsudate. 

Der Infektionsmodus ist, was Endeffekt und typische Gallenblasen- 
veräuderung betrifft, gleichgültig. Wir haben den Tod der Tiere und die 
Cholezystitis herbeiführen können sowohl durch intraperitoneale, subkutane, 
sowie intravenöse Infektion. Es ist indessen bemerkenswert, daß derselbe 
Effekt auch durch Fütterung erreicht werden kann. Schon durch ein¬ 
maliges Verfüttern einer Öse von Agarkultur konnten wir den typischen 
Tod erzielen. Dabei war es gleichgültig, ob wir junge oder ältere Tiere 
nahmen. Das gibt uns zugleich eine Erklärung für die Stallinfektionen. 
Offenbar werden die Gallenparatyphusbazillen von den erkrankten Tieren 
ausgeschieden, und nun erfolgt die Infektion der gesunden Tiere auf dem 
Intestinalwege durch Aufnahme der durch die Ausscheidungen der kranken 
Tiere infizierten Nahrung. 

Ähnlich wie Meerschweine verhalten sich Kaninchen. Auch diese 
sterben wenige Tage nach der Infektion, insofern diese intraperitoneal 
oder intravenös ausgeführt wird, und zeigen dabei zumeist makrosko¬ 
pisch nichts weiter als eine vereiterte Gallenblase. Zuweilen kommt es 


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Übeb experimentelle Cholezystitis usw. 


345 


auch bei beiden Infektionsarten zn einer Herdbildung in der Leber. 
Mikroskopisch enthält die Gallenblase desquamierte Gallenepithelien und 
massenhaft Bazillen. Auch im Blute finden sich die Bazillen. Zu einer 
nennenswerten Exsudatbildung bei intraperitonealer Infektion kommt es 
in den meisten Fällen nicht. 

Auch hier bedürfen die Erreger einer gewissen Inkubation. So kann 
man dureh ganz große Dosen (bis zu 10 Ösen) oft den Tod nicht schneller 
herbeiführen, als dieser nach kleineren Dosen (V , 00 Öse) erfolgt. Der 
Bacillus ist also offenbar an sich nur wenig giftig, nnd erst eine schranken¬ 
lose Vermehrung, die wir zum großen Teile wohl auf Kosten von Ag- 
gressinbildung zurückführen müssen, ermöglicht die deletäre Wirkung. 

Weniger konstant sind die Befunde bei subkutaner Infektion. Auch 
hierbei sterben die Tiere meist, aber der Tod tritt erst nach längerer 
Zeit ein, bei 1 / l0 Öse etwa nach 14 Tagen bis 3 Wochen. Im Blute sind 
Bazillen nachweisbar, in der Galle ebenfalls, ohne daß es jedoch zu einer 
eitrigen Entzündung der Gallenblase zu kommen braucht. 

Durch Fütterung haben wir nur bei zwei ganz jungen Tieren eine 
Infektion mit Cholezystitis erzeugen können, bei älteren gelang es uns nicht. 

Mit Sicherheit reagieren demnach Kaninchen nur bei intraperito¬ 
nealer und intravenöser künstlicher Infektion in Form der bemerkens¬ 
werten Cholezystitis. Außerdem kommen Spontaninfektionen vor. 


Wir haben dann fernerhin die Virulenz für Hunde zu bestimmen 
gesucht, und fanden dabei, daß der Bacillus für diese Tierart fast voll¬ 
kommen avirulent ist. So infizierten wir einen großen Hund mit 4 Ösen 
intraperitoneal und einen andern mit 4 Ösen intravenös, ohne daß die 
Tiere der Infektion erlagen. Sie starben später an einer Sekundärinfek¬ 
tion, und die Gallenblase zeigte keinerlei Veränderungen. 

Wir haben dann ferner einen jungen Hund mit 10 Ösen iutraperi- 
toneal infiziert, ohne daß es dem Tiere etwas geschadet hätte. 

Ebenso fütterten wir zwei junge Hunde vom Tage ihrer Geburt durch, 
zwei Monate täglich mit 6 ccm einer Bazillenbouillonkultur, ohne irgend¬ 
welche Infektion zu sehen. Die Tiere entwickelten sich vorzüglich. 

Ebensowenig wie Hunde sind auch Hühner und Tauben für den 
Bacillus empfänglich. Beide Tierarten infizierten wir bis zu 6 Ösen intra¬ 
muskulär, ohne einen Tod zu setzen. 

Für Mäuse ist der Bazillenstamm virulent. Auch bei ihnen kommt 
es, wenn auch nicht mit absoluter Regelmäßigkeit, zu einer Cholezystitis. 

Wir haben es also mit einem Bazillenstamme zu tun, der für Meer¬ 
schweinchen, Kaninchen und Mäuse stark virulent ist, und unter dessen 


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Eugen Feaenkel und Hans Much: 


Einwirkung es bei diesen Hagem zu einer Cholezystitis kommt, die als 
fast regelmäßiger Befund zu konstatieren ist. 

Ähnliche Befunde haben wir bisher in der Literatur nicht finden 
können. Nur in einer Veröffentlichung aus dem kaiserlichen Gesundheits¬ 
amte fanden wir bei Dieterlen einige Angaben, die in einem gewissen, 
wenn auch losen, Zusammenhänge mit unsem Feststellungen stehen. 
Dieterlen fand beim Arbeiten mit Paratyphus B zuweilen bei Meer¬ 
schweinchen in der Milz pseudotuberkulöse Veränderungen, wobei aller¬ 
dings mikroskopische Befunde nicht näher mitgeteilt sind. Diese Ver¬ 
änderung wurden auch bei Verbitterung gesetzt. Bei einigen der subkutan 
geimpften Tiere wurde Eiter in der Gallenblase und Verwachsungen der 
Gallenblase mit der Leber gefunden. Bei andern Tieren, namentlich den 
gefutterten, war die Gallenblase steril. 

Wie sehr sich unsere Untersuchungen von diesen Nebenbefunden 
Dieterlens unterscheiden, geht teils schon aus dem oben Gesagten her¬ 
vor, teils wird es noch deutlicher werden aus den im nächsten Ab¬ 
schnitte (H) zu Behandelnden. Im Abschnitte II soll auf die patholo¬ 
gisch-anatomischen Verhältnisse näher eingegangen werden. Im Ab¬ 
schnitte III soll dann vornehmlich über Immunisierungsversuche berichtet 
werden, die wir durch Dr. Starke ausführen ließen. Im Abschnitte IV 
endlich wollen wir einige ganz eigentümliche, in ihrer Art einzigartigen 
Erhebungen schildern, die wir bei Immunisierungsversuchen gemacht haben, 
und die in ihrer Eigenart noch weiter zu verfolgen unsere Aufgabe 
sein wird. 


II. 

Die pathologisch-anatomischen Befunde nebst Schlußfolgerungen. 

Von Fraenkel und Much. 

Das Hauptinteresse bei der Sektion der Versuchstiere bot von Anfang 
an die Gallenblase. Während diese in der Norm durch ihre zarte, dünne, 
durchscheinende Wand und den, von außen als solchen erkennbaren, hell¬ 
goldgelben Inhalt ausgezeichnet ist, bot sie bei den zur Autopsie gelangten 
Tieren ein hiervon abweichendes Bild. 

Am einfachsten lagen die Verhältnisse bei den Mäusen; bei ihnen 
war die Gallenblase in bezug auf die äußere Form kaum verändert, aber 
die Wandung erschien auffallend trübe und beim Eröffnen quoll zwischen 
den Schnitträndem dünneitriger oder mehr rahmige Konsistenz darbieten¬ 
der Inhalt hervor. Bei diesen Tieren kam ausschließlich die intraperito- 


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Über experimentelle Cholezystitis usw. 347 

neale Infektion zur Anwendung. Von anderweitigen Organveränderuugen 
sei auf den, bei fast allen Sektionen konstatierten, Milztumor hingewiesen. 

Ähnlich war der Befund bei den, nach der Infektion eingegangenen 
Meerschweinchen, bei denen, neben der intraperitonealen Einverleibung, 
auch eine solche durch Verfütterung in Betracht kam. Als einer bei 
Mäusen nicht beobachteten Erscheinung sei hier des Auftretens von 
Nekroseherden in der Leber Erwähnung getan. Sie wechselten in 
der Form, Größe und Zahl, waren zum Teil schon an der Oberfläche 
des Organs sichtbar, lagen andere Male mehr zentral und konnten end¬ 
lich bestimmte Bezirke der Leber so durchsetzen, daß sie an die obere 
und untere Fläche heranreichten. Die Schnittfläche zeigte bisweilen eine 
landkartenartige Zeichnung, in dem graue oder graugelb erscheinende, 
den erwähnten Herden entsprechende, Partien mit dem braunen oder rot¬ 
braunen Kolorit der normalen Leber abwechselten. Sowohl solche Fälle 
als auch andere, bei denen eine Mitbeteiligung der Leber in den Hinter¬ 
grund trat, waren durch die, übrigens meist unbeträchtliche An¬ 
sammlung eines fibrinösen oder fibrinös eitrigen Exsudats 
auf der Oberfläche der Leber und zwischen den lose verklebten Darm¬ 
schlingen ausgezeichnet. 

Die Gallenblase wies ein etwas verschiedenes Verhalten auf. Sie 
war nämlich in einer Anzahl von Fällen viel kleiner als in der Norm 
und machte den Eindruck einer Schrumpfung des Organs, während 
sie andere Male durch den reichlich angesammelten, reineitrigen oder 
blutigeitrigen Inhalt abnorm stark ausgedehnt war. Zwischen diesen 
beiden Extremen fanden sich dann in der Form zwar nicht von der Norm 
abweichende aber trüben, gallig gefärbten oder ausgesprochen eitrigen In¬ 
halt führende Gallenblasen. 

Zu im wesentlichen gleichen Ergebnissen führte die Sektion der, sei es 
spontan an Stallinfektionen eingegangenen, sei es künstlich in verschiedener 
Weise infizierten Kaninchen. Namentlich der Befund an der Gallen¬ 
blase zeigte eine, bis ins einzelne gehende, Übereinstimmung mit dem 
beim Meerschweinchen erhobenen. Auch hier blieb das Organ in bezug 
auf Größe entweder hinter der Norm zurück oder die Gallenblase 
war durch den krankhaft veränderten Inhalt übermäßig ausgedehnt 
oder endlich, sie zeigte bei gleichfalls abnormem Inhalt normale Form 
und Füllung. In einem Teil der Fälle prävalierten hämorrhagische 
Zustände, so daß sowohl die Wandung schon für das bloße Auge 
bald diffus, bald herdweise hämorrhagisch infiltriert erschien, 
als auch der Inhalt neben eitrigen, ausgesprochen blutige 
Beimengungen erkennen ließ.. An so veränderten Gallenblasen war 
der Serosa nicht selten fibrinöses Exsudat aufgelagert. Die 


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Eugen Fbaenkel und Hans Much: 


hämorrhagischen Prozesse betrafen entweder nur die Schleimhaut in Form 
kleinster, punktförmiger, über die gesamte Innenfläche zerstreuter Fleck¬ 
chen oder sie waren auch in den tiefem Wandschichten lokalisiert und 
nahmen unter Umständen größere Bezirke der Wand ein. 

Ab und zu wies indes bei Mäusen sowohl, als bei Meerschweinchen 
und Kaninchen das eine oder andere Tier eine makroskopisch unveränderte 
Gallenblase auf, obwohl die Gallenflüssigkeit, wie durch Mikroskop und 
Kultur festgestellt werden konnte, reichliche Mengen der in Rede stehen¬ 
den Bazillen enthielt. 

Um mit der Schilderung des makroskopisch anatomischen Befundes 
zu Ende zu kommen, sei bemerkt, daß auch bei Kaninchen, ähnlich 
wie bei Meerschweinchen, aber viel seltener und nie in einer solchen 
Ausdehnung wie bei diesen, graue, als Nekroseherde imponierende 
Bezirke in der Leber angetroffen wurden, über denen die Serosa intakt 
erschien. 

Wenn wir resümieren, so hat sich als das bei den Sektionen der ver¬ 
schiedensten Versuchstiere wichtigste Ergebnis fast ausnahmslos eine 
schwere, akute, eitrige oder hämorrhagisch-eitrige Entzündung 
des Gallenblase feststellen lassen, die bei einem Teil der Tiere, namentlich 
der Meerschweinchen, mit umschriebenen, nekrotischen Prozessen 
der Leber vergesellschaftet war. 

Um über die feineren, sich an der Gallenblase abspielenden Vor¬ 
gänge ins klare zu kommen, wurde eine Anzahl derselben mikroskopisch 
untersucht. Die in Formol-Alkohol gehärteten Objekte wurden, außer 
mit Eosin-Hämatoxylin und nach der van Gieson-Methode, besonders 
mit polychromem Methylenblau gefärbt. Namentlich die letztere 
Färbung gibt sehr überzeugende Bilder, da sie neben den verschiedenen, in 
Betracht kommenden zelligen Elementen auch die, uns hier speziell inter¬ 
essierenden Bakterien in ausgezeichneter Weise tingiert Indem wir auf 
einen detallierten Bericht über die dabei erhobenen Befunde verzichten, 
beschränken wir uns hier auf eine summarische Erläuterung der histolo¬ 
gischen Bilder, wie sie sich bei der Durchmusterung einer großen Zahl 
nach den angegebenen Methoden behandelter Schnitte präsentiert haben. 

Wenn man weit vorgeschrittene Fälle zur Untersuchung bekommt, 
so gestaltet sich der Befund gewöhnlich so: die Endothelien des serösen 
Überzugs der Gallenblase sind geschwollen, die subserösen Gefäße zum 
Teil prall mit Blut gefüllt Hier und da finden sich periavskulär an¬ 
geordnete Anhäufungen einkerniger, zeitiger Elemente. Aber auch unab¬ 
hängig von den Gefäßen lassen sich flächenhafte, in der Subserosa aus¬ 
gebreitete, kleinzellige Infiltrate erkennen. Die Muscularis ist wohlerhalten, 
aber die einzelnen Muskellagen durch, hier gleichfalls in wechselnder 


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Übeb experimentelle Cholezystitis üsw. 


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Reichhaltigkeit vorhandene, ein“ und mehrkernige Zellen anseinandergedrängt. 
Die Hanptveränderungen finden sich in der eigentlichen Schleimhaut. 
Ihre Falten erscheinen beträchtlich geschwollen und verbreitert, so daß 
sich benachbarte Schleimhanterhebungen direkt berühren. Die Tunica 
propria ist anfs dichteste teils von polynukleären Leukozyten, teils von 
roten, in Häufchen zusammenliegenden Blutzellen durchsetzt; auch die 
fixen Bindegewebselemente sind geschwollen. Einzelne Kapillaren in den 
Schleimhautfalten sind von massigen, das Gefaßlumen total verstopfenden 
BaziMenpfröpfen erfüllt. Das Oberflächenepithel ist auf große Strecken 
noch vollkommen erhalten, an andern Stellen durch darunter angesammelte, 
mit Bakterien untermischte Leukozytenanhäufungen abgelöst, oder nur in 
lockerem Zusammenhang mit der Unterlage. Das Gallenblasenlumen ent¬ 
hält blutig-eitrige Galle, der allenthalben dichte Bakterienschwärme bei¬ 
gemengt sind. Dieser Inhalt läßt sich bis in den Grund vieler Schleim¬ 
hautbuchten der Gallenblasenwand verfolgen. Bisweilen beobachtet man, 
ganz in Übereinstimmung mit den Befunden an menschlichen, in solcher 
Weise erkrankten, Gallenblasen ein Fortschreiten des Prozesses von dem 
Fundus einzelner Buchten auf die tieferen Wandschichten bis nahe an 
die Serosa heran und trifft in der Nachbarschaft solcher umschriebener 
Wandabszeßchen von Leukozyten- und Bakterienthromben okkupierte 
Lymphgefäße. Die in den Schleimhautkapillaren nachweisbaren Bakterien- 
pfröpfe liegen bald mehr an der Basis, bald an der Spitze der Falten. 
Aber nicht nur in den Schleimhaut- und tieferen Wandgefäßen, sondern 
auch extravaskulär, frei im Gewebe, vor allem in der Submucosa, werden 
Bazillen-Häufchen und -Schwärme angetroffen. Zu diesen Befunden gesellt 
sich bisweilen ein, besonders stark in der Subserosa in die Erscheinung 
tretendes, Odem, wobei die fixen Gewebszellen sternförmige Gestalt an¬ 
nehmen, so daß das Gewebe den Eindruck eines myxomatösen macht. 

Nach den mitgeteilten Befunden unterliegt es keinem Zweifel, daß 
der hier in Rede stehende Bacillus bei Mäusen, Meerschwein¬ 
chen und Kaninchen, unabhängig von der Art der Einver¬ 
leibung, eine echte, in ihren Graden wechselnde, akute Entzündung 
der Gallenblase herbeizuführen vermag, die in der Mehrzahl der 
Fälle alle Wandschichten gleichmäßig befällt, andre Male in der Haupt¬ 
sache auf die eigentliche Schleimhaut beschränkt ist. Es kann sich dabei 
entweder von vornherein um einen diffus infiltrierenden Ent¬ 
zündungsprozeß handeln, an dem die einzelnen Wandbestandteile der 
Gallenblase gleichmäßig partizipieren, oder es erfolgt von dem, anfangs 
mehr lokalisierten, Schleimhautherd, ähnlich wie wir es durch 
Aschoff für die Cholezystitis des Menschen kennen gelernt haben, ein 
sekundäres Übergreifen auf die tieferen Wandschichten der 


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350 


Eugen Fraenked und Hans Muoh: 


Gallenblase. Auf diese Weise kann, wie wir uns namentlich einmal 
evident überzeugen konnten (Meersohw. 510), die Ursache für die Ent¬ 
stehung einer Perforationsperitonitis gegeben werden. Wir stellen damit 
eine weitere Übereinstimmung mit Beobachtungen in der menschlichen 
Pathologie fest, indem wir auf Fälle von Peritonitis verweisen, die, schein¬ 
bar rätselhaft, erst, nach einer genaueren Untersuchung der Gallenblase, 
in dem Nachweis eines kleinen, mit einem tiefen Luschkaschen Gang 
zusammenhängenden, Wandabszesses ihre Erklärung finden. 

Ehe wir auf eine Besprechung der Pathogenese dieser, von uns ex¬ 
perimentell mit nahezu gesetzmäßiger Regelmäßigkeit erzeugten, akuten 
Gallenblasenentzündung eingehen, sei die Aufmerksamkeit noch kurz der 
Erörterung jener, bei einem Teil der Versuchstiere zur Beob¬ 
achtung gelangten, Leberherde zugewandt, die wir, nach der makro¬ 
skopischen Betrachtung, als auf Parenchjmnekrose beruhend zurückführen 
zu dürfen uns für berechtigt hielten. Das Mikroskop hat die Richtigkeit 
dieser Auffassung bestätigt. Man kann sich, auch hier am besten an mit 
Methylenblau fingierten Schnitten, davon überzeugen, daß es in der Tat 
zu direkter Gewebsnekrose mit teilweiser zentraler Erweichung gekommen 
ist und daß sich in der Umgebung dieser Herde ein dichter Wall von 
Leukozyten findet, innerhalb dessen die krankheitserregenden Bazillen 
kranzartig angeordnet sind. Die solchen Herden benachbarten Leber¬ 
zellen können nun wieder der Nekrose verfallen und so können, wie wir 
mehrfach gesehen haben, jene größeren Herde entstehen, auf die wir bei 
Besprechung des makroskopischen Sektionsbefundes hingewiesen haben. 
Reichen solche Herde bis an die Oberfläche heran, dann entdeckt man 
auf der Serosa feine fibrinöse Beschläge, die bei mehr zentraler Lage der 
Parenchymveränderungen fehlen. In vielen Fällen trifft man zahlreiche 
Kapillaren durch bazilläre Thromben vollkommen verstopft und die an¬ 
grenzenden Leberzellen im Zustande eines scholligen Zerfalls ohne erkenn¬ 
bare Kerne. Daneben begegnet man hyalinen oder Leukozyten-Thromben. 
Es erfolgt also auch an der Leber, ähnlich wie an der Gallenblase, eine 
schwere Schädigung der Parenchymzellen durch Invasion des Krankheits¬ 
erregers von der Blutbahn aus. Indes tritt diese Erkrankung der Leber 
nicht mit jener Konstanz auf wie die der Gallenblase. Immerhin verdient 
sie für die Genese der uns hier beschäftigenden Gallenblasenentzündung und 
für das Verständnis gewisser Erkrankungen der Gallenwege beim Menschen 
weitgehende Berücksichtigung. Denn es ist selbstverständlich, daß von 
den so entstandenen Leberherden aus eine Einschwemmung infektiösen 
Materials in die Gallenblase und so eine indirekte Schädigung dieses 
Reservoirs herbeigeführt werden kann. 

Damit sind wir ohne weiteres an die Besprechung der Frage gelangt, 


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Übkb experimentelle Cholezystitis usw. 


351 


wie wir uns den ganzen Vorgang des hier in Rede stehenden Prozesses 
vorzustellen haben. 

Wenn man die bei den Sektionen der Versuchstiere erhobenen makro¬ 
skopischen Befunde mit den, bei der histologischen Untersuchung der als 
erkrankt erkannten Organe gewonnenen, Ergebnissen zusammenhält, so ge¬ 
langt man, ohne den Tatsachen Gewalt anzutun, zu der Vorstellung, daß 
der fragliche Bacillus, ganz unabhängig von der Eingangs¬ 
pforte, eine exquisit elektive Wirkung auf die Gallenblase, eine 
etwas geringere auf die Leber entfaltet. Die experimentelle Bakterio¬ 
logie hat uns ähnliche Tatschen bereits früher kennen gelehrt, und es sei 
hier daran erinnert, daß der eine von uns (Fraenkel) gemeinsam mit 
Pielsticker über einen, als Bacterium anthroposepticum bezeichnten 
Mikroorganismus berichtet hat, der, aus dem Knochenmark einer durch be¬ 
sondere Eigentümlichkeiten charakterisierten Osteomyelitis femoris gezüchtet, 
bei den Versuchstieren, gleichfalls ganz unabhängig von der Art und dem 
Ort der Einverleibung, zu einer schweren Erkrankung der Hoden Ver¬ 
anlassung gab. 1 Es kann danach nicht zweifelhaft sein, daß zwischen 
Krankheitserregern und ihrer Ansiedlung in gewissen Organen 
des tierischen und menschlichen Körpers bestimmte Affinitäten 
bestehen, deren Ursachen freilich bisher in tiefes Dunkel gehüllt sind. 

Was die uns beschäftigende Paratyphusbazillenart anlangt, so dürfte 
die Annahme nicht ungerechtfertigt erscheinen, daß der tierische Körper 
das Bestreben hat, sich der in ihn eingedrungenen Bazillen 
wieder zu entledigen. Zur Erreichung dieses Zweckes bedient er 
sich dabei der Gallenwege und scheidet die auf dem Wege der Blut¬ 
bahn durch die Kapillaren der Gallenblasenwand in die Gallenblase direkt 
eingeschwemmten oder indirekt von der Leber aus importierten Bazillen 
aus. Wir würden also einen Aussoheidungsvorgang und damit ein 
Pendant zu jenen Fällen vor uns haben, wo die Krankheitserreger durch 
die Nieren aus dem Körper entfernt werden. Und wie an den Nieren 
bei manchen Fällen von Bakteriurie nach Hineingelangen von Staphylo¬ 
kokken oder Tuberkelbazillen, um nur 2 Beispiele anzuführen, schwere 
Schädigungen des Organs die Folge sind, als deren Ausdruck die von 
Orth zutreffend als „Ausscheidungsnephritis“ bezeichnete Erkrankung 
anzusehen ist, so ist die Eliminierung des Paratyphusbacillus durch die 
Gallenwege bei den von uns benutzten Versuchstieren nur auf Kosten 
einer ernsten Erkrankung dieser, insonderheit der Gallenblase, vor sich 
gegangen, die als „Auscheidungs-Cholezylitis“ schließlich den Tod 
der Tiere im Gefolge hat. 


1 Vgl. Diese Zeitschrift. Bd. LXIV. S. 145. 


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352 Eugen Ebaenkel und Hans Much: 

Unsere Versuche haben ferner einwandfrei dargetan, daß die geschil¬ 
derte schwere Erkrankung der Gallenblase durch eine Invasion auf dem 
Blutwege vor sich geht, daß wir es mit einer hämatogenen Cholezy¬ 
stitis zu tun haben. Es scheint uns besonders wichtig, darauf aufmerk¬ 
sam zu machen, daß diese Infektion der Gallenblase auch nach 
Einverleibung der Bazillen per os zustandegekommen ist Es würde 
ja sehr nahe liegen, daran zu denken, daß unter solchen Umständen „die 
Krankheitskeime vom Darm aus durch aufsteigende Infektion durch die 
Gallenwege in die Gallenblase gelangen“ 1 , und doch hat das Experiment 
dahin entschieden, daß auch bei dieser Versuchsanordnung, wie sie uns die 
Natur in unerwünschter Weise durch das Vorkommen der Stallinfektionen 
vor Augen geführt hat, die Invasion der Bazillen in die Gallenblase auf 
dem Umwege über die Blutbahn vor sich geht. 

Dieses Ergebnis scheint uns namentlich mit Rücksicht auf Erfah¬ 
rungen aus der menschlichen Pathologie äußerst wichtig.. Wir wissen, 
daß der Paratyphusbacillus beim Menschen zu sehr verschiedenartigen 
Erkrankungen Anlaß geben kann und daß unter diesen namentlich unter 
dem Bilde akuter Gastroenteritiden verlaufende Zustände eine große 
Rolle spielen. Und weiter ist bekannt, daß bei diesen eben genannten, 
als Brechdurchfall, Cholera nostras, Fleischvergiftung bekannten Krank¬ 
heiten viel häufiger, als man bisher annehmen zu dürfen glaubte, die 
Krankheitserreger, das ist der Paratyphus-B-Bacillus, in die Blutbahn 
übergehen. Endlich ist durch Erfahrungen der letzten Jahre als fest¬ 
stehend anzusehen, daß Entzündungen der Gallenblase beobachtet werden, 
bei denen in der Gallenblase Paratyphus-B-Bazillen nachgewiesen wurden. 
Man war bisher der Ansicht, daß in solchen Fällen ein echter Paratyphus 
vorangegangen sein müßte, d. h. eine klinisch als Typhus verlaufene 
Affektion, bei der aber nicht Typhus-, sondern Paratyphus-B-Bazillen ans 
Fäces und Blut gezüchtet wurden. Ist es doch bekannt, daß bei dieser 
Erkrankung während vieler Tage Paratyphusbazillen im Blut kreisen. Es 
war daher der Schluß berechtigt, daß bei Personen, die einen Paratyphus 
Überstunden hatten und bei denen sich nach kürzerer oder längerer Zeit 
Erscheinungen einer Gallenblasenentzündung bemerkbar gemacht hatten, 
einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen zu 
konstruieren. 

Bei dem jetzigen Stande unseres Wissens scheint es uns keineswegs 
erforderlich, an einer derartigen Forderung festzuhalten. Es reicht viel¬ 
mehr aus, anamnestisch festzustellen, daß ein an Cholezystitis leidender 
Mensch früher einmal eine gastrointestinale, auf Rechnung des Para- 

1 Lorey, Über einen Fall von Cholecystit. paratyphosa. Münchener med. Wochen- 
Schrift . 1908. Nr. 1. 


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Über experimentelle Cholezystitis usw. 


353 


typhus-B-Bacillus zu setzende Affektion überstanden hat, da auch hierbei 
eine Invasion der Krankheitserreger in die Blutbahn Zustandekommen kann 
und damit die Möglichkeit eines Eindringens dieser in die Gallenblasen¬ 
wand und so das Auftreten einer Entzündung der Gallenblase gegeben ist. 

Die Neigung zu einer aggresiven Wirkung auf die Gallenblasenwand 
kommt ja nun keineswegs allen Paratyphusbazillenstämmen in gleicher 
Weise zu. Es würde sonst die experimentelle Erzeugung eiteriger oder 
hämorrhagisch-eiteriger Cholezystiten auch früheren Beobachtern gelungen 
sein. Die von uns gefundene Tatsache würde also in einfachster Weise 
zu erklären imstande sein, warum sich trotz der großen Häufigkeit der 
durch den Paratyphus-B-Bacillus beim Menschen verursachten Erkran¬ 
kungen, sie mögen sich am Magendarmkanal oder am uropoötischen 
System abspielen, doch nur ausnahmsweise entzündliche Prozesse der 
Gallenblase entwickeln. Jedenfalls wird es notwendig sein, in Zukuntt 
möglichst bei allen durch Paratyphus-B-Bazillen beim Menschen hervor¬ 
gerufenen Krankheitsprozessen den, sei es aus dem Blut, den Fäces oder 
gewissen Krankheitsprodukten gezüchteten Erreger experimentell auf seine 
eventuell die Gallenwege schädigenden Eigenschaften zu prüfen. In dieser 
Hinsicht bringen unsere Untersuchungen ein Novum. Selbst in der aus¬ 
gezeichneten, alles Wissenswerte über den Paratyphus-B-Bacillus und über 
Fleischvergiftungen enthaltenden Monographie von Hübener haben wir 
vergebens nach Angaben gesucht, die sich auf mit den unsrigen überein¬ 
stimmende Erfahrungen betreffs später aufgetretener oder experimentell 
erzeugter Entzündungen der Gallenblase durch den Paratyphus-B-Bacillus 
beziehen. 

Nun dürfen ja freilich beim Tierversuch gewonnene Ergebnisse nicht 
ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden. Indes liegen hier 
doch die Dinge insofern anders, als gerade die Erfahrungen am Kranken¬ 
bett, das Auftreten von Gallenblasenentzündungen mit Paratyphusbazillen 
als Krankheitserregern, den von uns erhobenen Feststellungen voran¬ 
gegangen sind. Hier darf also in den auf dem Wege des Experiments 
konstatierten Tatsachen eine erwünschte Stütze für die aus klinischem 
Material gewonnenen Anschauungen erblickt werden. In den nicht eben 
zahlreichen, aus der menschlichen Pathologie bekannt gewordenen Fällen 
von Cholezystitis paratyphosa 1 scheinen die Gallenblasen ausnahmslos 


1 Nicht za verwechseln hiermit sind die genugsam bekannten Beobachtungen 
über Paratyphusbazillen-Ausscheider, bei denen die Ausscheidung der Paratyphus-B- 
Bazillen mit den Fäces erklärt wird aus der Anwesenheit jener im Inhalt sonst in¬ 
takter Gallenblasen (vgl. hierüber Eug. Fraenkel, Über Typhus abdominal, und 
seine Beziehungen zu den Gallenwegen. Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie. 
Bd. XX. S. 898 ff. 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 

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Eugen Feaenked und Hans Much: 


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Gallensteine beherbergt zu haben, und wir würden also, ähnlich wie für 
den echten Typhus, anzunehmen haben, daß unter dem Einfluß einer 
vorangegangenen, durch Paratyphus-B-Bazillen verursachten Erkrankung, 
welcher Art diese gewesen sein mag, eine Entzündung der Gallenblase 
besonders dann auftritt, wenn durch die Anwesenheit von Gallensteinen 
eine Disposition dazu geschaffen ist. 

Beim Tiere treten auch ohne die Gegenwart von Konkrementen in 
der Gallenblase schwere entzündliche Veränderungen in dieser auf. Ob 
sich auch beim Menschen, unabhängig von bereits bestehenden Gallen¬ 
steinen, gewissermaßen primär, ähnlich wie beim Versuchstier, entzünd¬ 
liche Prozesse in der Gallenblasenwand etablieren können, muß durch 
fortgesetzte klinische Beobachtungen eruiert werden. Es ist möglich, daß 
ein von Zimmer 2 vorgestellter Fall von Cholezystitis paratyphosa in diesem 
Sinne zu deuten ist. Es handelt sich um eine Paratyphusbazillenträgerin, 
deren klinischer Befund, die Schmerzen, die vergrößerte Leber, die palpable 
Gallenblase, das häufige Erbrechen und das zeitweise, allerdings geringe 
Fieber auf eine Infektion der Gallenblase mit Paratyphusbazillen hinwies. 
Freilich ist unseres Erachtens die Annahme einer komplizierenden Chole- 
lithiasis, auf deren Boden sich erst die Cholezystitis entwickelt hat, nicht 
ohne weiteres abzulehnen, und deshalb dürfen als absolut unzweideutiges, 
für einen Zusammenhang zwischen Cholezystitis und vorangegangener 
Paratyphus-B-Bazilleninfektion sprechendes Material nur durch Autopsie 
in vivo oder mortuo gesicherte Beobachtungen verwertet werden. Diesem 
Postulat entspricht der bereits oben erwähnte Fall von Lorey. 2 Allerdings 
enthielt auch hier die Gallenblase, an der ein erbsengroßes, alle Wand¬ 
schichten durchsetzendes Geschwür gefunden wurde, 4 erbsengroße Steine. 
Lorey führt sowohl die Cholezystitis als auch die Steinbildung auf einen 
2 Jahre vorher überstandenen Paratyphus zurück. 

Die Erzeugung von Konkrementen beim Tier im Anschluß an die 
experimentell erzeugte Gallenblasenentzünduug ist uns bisher nicht ge¬ 
lungen, schon aus dem Grunde nicht, weil die Tiere die Infektion viel zu 
kurze Zeit überlebten. Ob ein derartiges, auch für die menschliche 
Pathologie außerordentlich wichtiges, Resultat zu erreichen wäre, wenn es 
gelänge, die Infektion so abzuschwächen, daß die Tiere Wochen- und 
monatelang am Leben erhalten werden könnten, ist a priori nicht zu ent¬ 
scheiden. Aber auch so stellen unsere Versuche, wie uns dünkt, einen 
gewissen Fortschritt dar gegenüber den von anderen Autoren auf diesem 
Gebiet gemachten Bestrebungen. Wir erinnern hier besonders an die 


* Zimmer, Ge». für innere Medizin und Kinderheilkunde. 1908. 13 Februar. 
2 A. a. 0. 


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Über experimentelle Cholezystitis usw. 


855 


wertvollen Untersuchungen von Ehret und Stolz. 1 Speziell im 3. Teil 
dieser Arbeit betonen sie, daß selbst hochvirulente, direkte Infektion der 
Gallenblase allein nioht imstande ist, eine primäre, eitrige Cholezystitis 
hervorzubringen. Ebensowenig wird eine solche unter normalen Verhält¬ 
nissen hervorgerufen durch Störung des Gallenabflusses. Es bedarf hierzu 
der Infektion unter gleichzeitiger Hemmung oder Störung des Gallen¬ 
abflusses. 

Demgegenüber ist es uns gelungen, ohne jede lokale Einwirkung auf 
die Gallenblase, eine schwere eitrige Entzündung zu erzeugen, die sich in 
nichts von einer beim Menschen spontan auftretenden unterscheidet. Nun 
muß ja allerdings ohne weiteres zugegeben werden, daß man bei der von 
uns experimentell erzeugten Cholezystitis nicht wohl von einer primären 
Affektion der Gallenblase sprechen darf, daß wir vielmehr eine durch eine 
Allgemeininfektion hervorgerufene Erkrankung vor uns haben. Aber 
gibt es denn beim Menschen eine, ganz unabhängig von einer solchen ent¬ 
standene, durch eine die Gallenblase allein und primär treffende Noxe 
hervorgerufene eitrige Cholezystitis? Wir wollen dabei von den in Gallen¬ 
blasen mit Steinen auftretenden Wandentzündungen von vornherein ab- 
sehen und haben nur die in sonst völlig gesunden Gallenblasen ent¬ 
stehenden Entzündungen im Sinne. Hier dürfte wohl, wenn man von 
den sicher äußerst seltenen, durch Übergreifen entzündlicher Prozesse von 
der Nachbarschaft auf die Gallenblase ausgelösten Erkrankungen absieht, 
stets auf eine, unter Umständen Monate und Jahre zurückliegende, ana¬ 
mnestisch gar nicht immer festzustellende, weil dem Gedächtnis der be¬ 
treffenden Individuen entschwundene Allgemeininfektion zu rekurrieren sein. 
Wir lassen es dabei auch völlig dahingestellt, ob eine isolierte Infektion 
der Gallenblase vom Darm aus, eine enterogene Cholezystitis, wie sie früher 
als allein in Betracht kommend angenommen wurde, tatsächlich zu recht 
besteht. 

Auf alle Fälle hat die von uns experimentell hervorgerufene und die 
bei den Stallinfektionen unserer Tiere spontan entstandene, eiterige Chole¬ 
zystitis im anatomischen Befunde die Szene so beherrscht, daß man als 
Grundkrankheit immer die schwere Erkrankung der Gallenblase in den 
Vordergrund zu stellen und als das den Tod der Tiere verursachende 
Organleiden zu bereichnen genötigt war. Als Stütze für diese Auffassung 
möchten wir anführen, daß die meist sehr hochgradige Schädigung der 
Gallen blasen wand durch Übergreifen des entzündlichen Prozesses auf das 
Bauchfell zu einer bald mehr zirkumskripten, bald diffuseren, fibrinösen 


1 Ehret u. Stolz, Experimentelle Beiträge zur Lehre von der Cholelithiasis. 
Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie . Bd. VIII. Hft. 1 u. 2. 

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Eugen Fbaenkel und Hans Much: 


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Peritonitis Anlaß gab und daß die in ihren Wandungen eiterig oder 
hämorrhagisch-eiterig infiltrierte, mit ähnlichem Inhalt erfüllte Gallenblase 
ein, wie man sich schon an mikroskopischen Schnitten überzeugen konnte, 
gewaltiges Bazillenreservoir darstellte, das andauernd Bazillen, nicht nur 
in den Darm, sondern, was wir für besonders wichtig halten, auch in die 
Blutbabn abgbit Es ist uns in allen Fällen, in denen wir darauf 
untersucht haben, gelungen, den Krankheitserreger bei dem Tode der 
Tiere in der Blutbahn kulturell nachzuweisen und damit festzustellen, daß 
eine Allgemeininfektion vorliegt. 

Nun würde es ja bei einer, die Krankheitserreger direkt in die Blut¬ 
bahn einführenden Versuchsanordnung, d. h. bei intravenöser Einverleibung, 
durchaus natürlich — wenn auch keineswegs absolut notwendig — sein, 
daß man bei den der Infektion erlegenen Tieren die Bakterien im Blut 
wiederfindet. Aber wir haben darauf hingewiesen, daß sich auch bei 
artefizieller Verfütterung und bei Aufnahme der Bazillen per os, wie sie 
bei der spontan erfolgenden Stallinfektion vor sich geht, diese in der 
Gallenblase ansiedeln, ohne eine makroskopisch erkenubare Erkrankung 
des Darmes bewirkt zu haben. 

Wenn man dann die Krankheitserreger aus dem Blute, und zwar in 
großen Mengen, zn züchten vermag, dann scheint es keineswegs gezwungen 
auzunehmen, daß sie erst sekundär von der erkrankten Gallenblase aus 
in das Blut eingeschwemmt worden sind. 

Leider lassen sich beiin Tier bestimmte diagnostische Merkmale, aus 
denen der Beginn der eiterigen Cholezystitis erkennbar wäre, nicht auf¬ 
stellen. In dieser Hinsicht liegen die Verhältnisse beim Menschen wesent¬ 
lich günstiger, und infolgedessen ist auch die Richtung, in der sich das 
therapeutische Handeln zu bewegen hat, vorgezeichnet. Man hat selbst¬ 
verständlich die Verpflichtung, den Krankheitsherd freizulegen uhd von 
dem lokalen Befund das weitere Vorgehen, ob Cholezystostomie, Gallen¬ 
blasenexstirpation, Hepaticus-Drainage usw. abhängig zu machen. Wir be¬ 
halten uns vor, bei den Versuchstieren zu prüfen, ob es möglich sein wird, 
durch Entfernung der erkrankten Gallenblase und die damit bewerk¬ 
stelligte Eliminierung des, dauernd Krankheitserreger in die Säftemasse 
abgebenden, Bakterienbehälters das Leben der Tiere zu verlängern bzw. 
zu erhalten und damit experimentelle Grundlagen für das schon jetzt vor¬ 
gezeichnete chirurgische Handeln bei der eitrigen Cholezystitis des Menschen 
zu schaffen. 


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Über experimentelle Cholezystitis üsw. 


857 • 


III. 

Das biologische Verhalten des Gallenbacillus. 

Von Siegfried Starke. 

Zur Identifizierung des Gallenbacilltis auf serologischem Wege war 
ee nach seinem bakteriologischen Verhalten naheliegend, zunächst Ver¬ 
suche mit den für einen Paratyphus in Betracht kommenden diagnostischen 
Methoden anzustellen. So wurden als erstes Agglutinations- und 
Präzipitationsprüfungen mit einem Paratyphusserum, und zwar 
vom Typus B, angesetzt Zur Kontrolle dienten ein Paratyphus-B-Stamm 
sowie ein Typhusstamm, die beide Laboratorinmskulturen entnommen 
waren. Außerdem wurden die Resultate noch durch einen Agglutinations¬ 
versuch mit Typhusserum kontrolliert. Es wurden 24 Stunden alte 
Aggarkulturen benutzt. Die Agglutination wurde nach 2 Stunden ab¬ 
gelesen und zeigte makroskopisch folgendes Bild: 



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Paratyphns- 
sernm B 
(Titer 1:6000) 
+ Gallenbac. 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + 4- 

+++ 

+ + + 

+ 

~"~i 



Paratypbus- 
serum B 
-f Bact. para- 
typhi B 

0 

0 

+ + 

i 

+ + + 

+ + + 

+ 

0 

0 




Typhusgerum 
(Titer 1:50000) 
+ Gallenbac. | 

| 0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

Typhusserum . 
+ JBact. typhi 

+ 

+ ++I 

+++ 


+ + + 


+++ 

+ 4-4- 

+ + + 

+ 

+ 


Nach diesen eindeutigen Resultaten dürfte der Gallenbacillus bereits 
zur Genüge als ein Vertreter der Paratyphus-B-Gruppe charakterisiert sein. 

Was die Präzipitation anbetrifft, so sei erwähnt, daß hierzu in 
Dimethylamin aufgelöste Bazillenkulturen verwendet wurden. Diese 
Bazillenauflösungen wurden hergestellt, indem von den einzelnen Kulturen 
etwa 20 Platinösen möglichst fein in lO ccm physiologischer Kochsalz¬ 
lösung verrieben und diesen Bazillenemulsionen soviel Zehntel-Kubik¬ 
zentimeter einer 33 prozentigen Dimethylaminlösung zugegeben wurden, 
daß 1 prozentige Lösungen resultierten. Diese wurden bis zur voll¬ 
ständigen Auflösung der Bazillen — die bereits nach wenigen Stunden 
eintrat — bei 56° belassen. Der Präzipitationsversuch wurde pro 
Röhrchen mit 0 • 9 ccra der vorher noch auf 1:10 verdünnten Bazillen- 


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358 Eugen Fbaenkel und Hans Much: 

lösungen + 0 • 1 ccm der präzipitierenden Seren in den verschiedenen Ver¬ 
dünnungen angesetzt. 

Gallenbazillen aufgelöst 0-9 ccm + 0*1 ocm Paratyphus-B-Serum in den 
Verdünnungen 1:10 bis 1:600. 

Paratyphus-B-Bazillen aufgelöst 0*9 **“ + 0»1 ccm Paratyphus-B-Serum 
in den Verdünnungen 1:10 bis 1:600. 

Typhusbazillen aufgelöst 0*9 com + 0* 1 oc “ Typhusserum in den Ver¬ 
dünnungen 1:10 bis 1:5000. 

Innerhalb der ersten halben Stunde konnte keine deutliche Präzipitation 
beobachtet werden, erst nach 24 Stunden war eine solche allerdings nur 
teilweise angedeutet, so daß dieser Versuch zur Sicherung der Diagnose 
nur wenig beitragen konnte. Jedenfalls genügen aber die eindeutigen 
Resultate der Agglutination allein um den Gallenbacillus der Paratyphus¬ 
gruppe zuzuweisen. 

Nachdem somit die Präzipitationsproben nicht zu einer Sicherung der 
Agglutinationsresultate beigetragen hatten, geschah eine weitere Veri¬ 
fizierung der auf Paratyphus gestellten Diagnose mit der Komplement¬ 
bindungsmethode. Der Bacillus wurde auch hier wieder mit Para¬ 
typhusserum geprüft und mit Paratyphus- und Typhusbazillen kontrolliert. 

Der Versuch wurde mit etwa 3 Tage alten Bazillenemulsionen 
(10 Ösen auf 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung) angesetzt, die durch 
Chloroformzusatz (0* 1 ccm auf 10 ccm ) sterilisiert worden waren. Das Chloro¬ 
form erwies sich als Abtötungsmittel bei diesen Versuchen praktischer als 
das sonst allgemein angewandte Karbol, da man bei dieser Methode des 
Sterilisierens stets vor Ansetzen des Versuches imstande ist, das Desinfiziens 
durch Erwärmen auf 37 0 wieder vollständig verdunsten zu lassen und somit 
keine eventuell störenden Nebenwirkungen zu befürchten hat. Die Emul¬ 
sionen wurden — nachdem das Chloroform verflüchtigt worden war — in 
den Dosen von 1*0 bis 0*1 austitriert und die Hälfte der eben noch 
lösenden Dosis als Testdosis verwendet. Sämtliche Bazillenemulsionen 
zeigten in der Dosis 1*0 keine Selbsthemmung, so daß für jede der Titer 
0-5 angenommen wurde. Der Komplementbiuduugsversuch selbst wurde 
in folgender Weise angesetzt: Je 0-5 ccm Bazillenemulsion wurde mit 
physiologischer Kochsalzlösung auf 1 ccm aufgefüllt, dann 1 ocm des be¬ 
treffenden Immunserums in der Verdünnung 1:100 sowie l ccm eines 1:10 
verdünnten Meerschweinchenkomplements zugegeben. Nach lstündigem 
Belassen bei 57° wurde Ambozeptor und die dazu gehörige Hammel¬ 
erythrozyten-Aufschwemmung in der für die Wassermannsche Reaktion 
üblichen Form zugesetzt und das Resultat nach weiterem lstündigem Ver¬ 
weilen im Brutofen abgelesen. Die Resultate waren folgende: 


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Über experimentelle Cholezystitis usw. 


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Paratyphus-B-Serum + Gallenbazillen = starke Hämolysenhemmung 
Paratyphus-B-Serum + Bac. paratyphi B = „ „ 

Typhus-Sernm + Bac. typhi = „ „ 

Typhus-Serum + Gallenbazillen = Hämolyse. 

Auch die 10-fach verdünnte Testdosis dieser Bazillenemulsionen ergab 
noch Ausschläge in derselben Stärke wie mit der Dosis 0*5. Die Immunseren, 
in der doppelten Dosis ohne Bazillenemulsion angewandt, ergaben keine 
Hemmungen der Hämolyse. Somit ist auch dieser Komplementbindungs- 
versuch als eine weitere Bestätigung unserer Diagnose zu betrachten und 
der Gallenbacillus zur Genüge auch auf serologischem Gebiete, als zur 
Gruppe des Paratyphus-B gehörig, charakterisiert. — 

Ich stellte nun mit diesem Gallenbacillus auf Anregung von Hm. Much 
auch verschiedene andere Versuche an, die ich im folgenden kurz mitteilen 
möchte, da sie noch einiges Interessante über das biologische Verhalten 
des Bacillus bieten. 

So prüfte ich zunächst sein Verhalten gegenüber Pferdeserum und 
-plasma. Much hatte seinerzeit gezeigt, daß durch diese Medien die 
einzelnen Bakterienarten in ganz verschiedener Weise beeinflußt werden: 
daß z. B. Streptokokken und Pneumokokken im leukozytenhaltigen so¬ 
wohl als auch im leukozytenfreien Plasma kräftig abgetötet werden und 
im Serum üppig gedeihen; daß hingegen Typhusbazillen gerade am 
stärksten vom Serum abgetötet werden. Dieses Verhalten von Plasma 
und Serum ist dann durch zahlreiche Nachprüfungen immer und immer 
wieder bestätigt worden. Was nun das Verhalten des Bac. paratyphi B 
gegenüber Serum- und Plasmastoffen anbetrifft, so konnte Hoessli an 
einer größeren Reihe von Versuchen nachweisen, daß dieser Bacillus in 
seinem Wachstum durch Pferdeplasma nicht beeinflußt jedoch durch Serum 
stark abgetötet wurde. 

I 

Ich habe meine Versuche ebenfalls mit Serum und Plasma vom 
Pferde angestellt und zwar wurde das Plasma in der üblichen Weise 
durch Auffangen des Blutes in Natr. citric. gewonnen und als leukozyten¬ 
haltiges (L-Plasma) und zentrifugiertes leukozytenfreies Plasma (Plasma) 
verwendet. In die drei Blutflüssigkeiten — Serum, Plasma, L-Plasma — 
wurden Gallenbazillen eingesät. Die Einsaat entstammte einer sehr stark 
verdünnten Bazillenaufschwemmung in Bouillon und zwar wurden davon 
0-1 ccm pro 1 ccm Blutflüssigkeit zugesetzt. Die Röhrchen wurden bis zu 
5 Stunden bei 37 0 und von da ab bei Zimmertemperatur belassen. Nach 
1, 5 und 24 Stunden erfolgte die Entnahme der Proben von 0*l“ m , die 
mit Drygalski-Conradi-Agar zu Platten gegossen wurden. Die Anzahl der 


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Eugen Fbaenked und Hans Much: 


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nach 24 Stunden bei 37° aufgegangenen Kolonien wurde mit der Zahl der 
eingesäten Keime verglichen. Dabei ergaben sich folgende Resultate. 


|| 1 Stunde 

5 Stunden 

24 Stunden 

Serum. 

0 

0 

0 

Plasma. 

— 


00 

IrPlasma. 

! — 

+ 

00 


0 = vollkommene Abtötung + Wachstumszunahme. 

— = geringe „ OC unzählige Keime. 


Also auch hier ein gleiches Verhalten des Bacillus wie bei den von 
Hoessli untersuchten Stämmen von Paratyphus B: Eine starke Abtötung 
im Serum, Wachstum im Plasma. Die in der Tabelle angedeutete geringe 
Abnahme in den Plasmastoffen erklärt sich durch die Wirkung der ja 
auch im Plasma — allerdings nur in geringeren Mengen vorhandenen 
Serumstoffe. Nach 5 Stunden findet sich auch hier — wie in den früheren 
Versuchen von Hoessli — ebenfalls eine Wachstumszunahme. — 

Ferner habe ich mit diesem Gallenbacillus verschiedene Immuni¬ 
sierungsversuche angesetzt. Zunächst sei erwähnt, daß sich der 
Bacillus außer für Meerschweinchen nach den bisherigen Versuchen auch 
noch für Kaninchen und Mäuse als pathogen erwies. Doch habe ich zu 
meinen Versuchen fast ausschließlich Meerschweinchen verwendet. Für 
diese genügte — wie folgende Tabelle zeigt — noch eine Dosis von 
Viooooo Öse Bacillus um das Tier zu töten. 


r 

Meerschweinchen 

Infektion j; 


End- 

Bazillen- 

Nr. 

Gewicht 
in grm 

i 

am 

| mit P 

Gallenbacillus 

t am 

Gewicht 

befund 

856 

420 ! 

6. X. 

Vio 

10. X. 

300 | 

positiv 

857 

400 

6.X. 

i/ 

MOOü *• 

10. X. 

260 

„ 

860 

320 

10. X. 

ii ;! 

/ 10000 •• 

14. X. 

270 


859 

440 | 

10. X. 

Viooooo •• 

15. X. 

330 



Daraus geht hervor, daß es sich hier um einen Bacillus handelt, der 

selbst in den geringsten Dosen noch letal wirkt, um einen Bacillus für 

den sich eine untertödliche Dosis nicht feststellen ließ. — Für die obige 
und die folgenden Tabellen sei bemerkt, daß die Injektion stets intra- 
peritoneal erfolgte, und daß im Anschlüsse an die Sektion der Tiere 

stets der Bazillenbefund sowohl im Abdomen als in der mit Eiter ge¬ 

füllten Gallenblase mikroskopisch oder kulturell kontrolliert wurde. — 
Zur Erzielung einer Schutzwirkung des Meerschweinchenkörpers gegen 
diesen Bacillus wurden Versuche auf folgende Weisen angestellt: 1. auf 


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ÜBEB EXPERIMENTELLE CHOLEZYSTITIS USW. 


861 


dem Wege aktiver Immunisierung und 2. mit Immunserum (Serum einiger 
mit Gallenbacillus vorbehandelter Tiere). Die aktive Immunisierung wurde 
versucht mit Bazillenkulturen, die entweder durch Karbol oder durch 
Hitze abgetötet waren, ferner mit Bazillenauflösungen in 1 prozentigern 
Dimethylamin (Dimethylaminendotoxine) mit Bouillon- und Peptonwasser¬ 
kulturfiltraten, endlich mit Aggressinen. 

Es ist selbstverständlich, daß bei den Immunisierungsversuchen eine 
Immunisierung mit lebendem Bazillenmaterial nicht in Betracht kam, da 
ja eine untertödliche Dosis des Virus existiert. So wurden also zunächst 
abgetötete Bazillen zu den Versuchen verwendet: 1 Öse einer Agarkultur 
wurde in 10 com sterilen Wassers verrieben und dieses mit 5 Prozent 
Phenol versetzt. Eine gleiche Bazillenemulsion wurde durch ein zwei¬ 
maliges je lstündiges Erhitzen auf 60° abgetötet. Die verwendeten ab¬ 
getöteten Emulsionen waren etwa 24 Stunden alt und wurden vor der 
Injektion auf Agar ausgestrichen, wobei sie sich als steril erwiesen. Jedes 
Tier erhielt eine einmalige Injektion von 2°° m intraperitoneal. Die nach¬ 
trägliche Infektion mit einer tödlichen Dosis Bazillen und zwar 1 / 1000 Öse 
erfolgte etwa 1 Woche später. 


Meerschweinchen 1 

Vorbehandelt 

I 

Infektion 

t am 

Bazillen- 

Nr. | 

Gewicht , 
in grm 

am 

mit 

| am 

mit 

Gallenbacillus 

befand 

861 

370 

112. X. 

karbolisierter 

Bazillenkultur 

19. X. 

j Viooo ^ se 

1 22. XI. 

positiv 

865 J 

| 390 

12. X. 

hitzeabgetöteten 

Bazillen 

19. X. 

j /1000 »* 

lebt 


892 , 

280 

12. X. 

— 

19.X. 

VlOCO ** . 

: 26. X. 

>• 

893 

300 

i 

12. X. 

— 

19. X. 

1 / i 

/1000 » 

|26. X. 

»* 


Die Tabelle läßt die Möglichkeit einer Immunisierung mit abgetöteteu 
Bazillen eklatant erkennen. Während eine Injektion von ’/iooo Öse wie 
auch aus der ersten Tabelle ersichtlich ist, ohne Vorbehandlung bereits 
innerhalb weniger Tage tödlich verläuft, so gelang es hier schon durch 
eine einmalige Vorbehandlung, die Tiere bis zu einem Monat und 
dauernd am Leben zu erhalten. 

Im Anschlüsse hieran machte ich Versuche, mit Bakterienendotoxinen 
zu immunisieren. Derartige Endotoxine versuchte ich auf verschiedenen 
Wegen herzustellen. Ich bereitete mir zunächst auf Vorschlag von Much 
Bazillenauflösungen in Dimethylamin: Eine größere Anzahl von Ösen 
wurden in 10 ccm sterilen Wassers gut verrieben und dieser Emulsion so 
viel Dimethylamin zugesetzt, daß eine 1 prozentige Lösung resultierte. 
Um mich von der bakteriolytischen Wirkung des Dimethylamins zu über- 


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362 


Eugen Fbaenkel und Hans Much: 


zeugen und um gleichzeitig die günstigsten Verhältnisse für eine der* 
artige Auflösung zu ermitteln, benötigte ich eines Vorversuchs, der darin 
bestand, daß Bazillenemulsionen von 2 und 20 Ösen pro I0 ccm 1 prozentigen 
Dimethylamins, die 24 Stunden bei Zimmertemperatur und bei 56° be¬ 
lassen worden waren, unter dem Mikroskop miteinander verglichen wurden. 
Die makroskopisch vollkommen klar erscheinenden Bazillenauflösungen 
wurden zentrifugiert und das Zentrifugat als gefärbtes Ausstrichpräparat 
untersucht. Zur Kontrolle wurden gleichstarke Emulsionen mit Aqua dest. 
hergestellt und unter den gleichen Bedingungen belassen. Die Wirkung 
des Dimethylamins bei Zimmertemperatur war in den mikroskopischen 
Präparaten nur wenig zu erkennen: Die aus 20 Ösen bestehende Emulsion 
zeigte noch vollkommen gut erhaltene, mit Methylenblau allerdings 
etwas blaß gefärbte Stäbchen. Die schwächere Emulsion von 2 Ösen war 
hingegen bedeutend stärker beeinflußt worden, doch war auch hier noch 
keine vollständige Auflösung der Bazillen erkenntlich. Zwischen zahl¬ 
reichen noch gut erhaltenen Bazillen lagen mäßige Mengen von rötlich 
gefärbtem Bazillendetritus. Unter der Wirkung von 56° war eine 
vollständige Auflösung der Bazillen selbst in der Emulsion von 
20 Ösen nachweisbar. Die mit sterilem Wasser angesetzten Kontrollen 
zeigten vollkommen intakte und gut gefärbte Bazillen. Sie waren frei von 
Detritus. Spätere Versuche ergaben dann noch, daß 10. ccm einer 1 pro¬ 
zentigen Dimethylaminlösung unter Wirkung von 56° Bazillenemulsioneu 
bis zu 40 Ösen in wenigen Stunden zu lösen vermochten. Makroskopisch 
erwiesen sich die Lösungen vollkommen klar und gaben mikroskopisch stets 
einen negativen Bazillenbefund. Der Einfachheit halber möchte ich die 
auf diese Weise hergestellten Endotoxine im folgenden als Dimethylamin¬ 
endotoxine bezeichnen. Es ist klar, daß wir bei einer derartigen voll¬ 
ständigen Auflösung sämtliche in den Bazillen enthaltene Substanzen in 
Lösung haben. Meist verwendete ich Auflösungen von 20 oder 40 Ösen. 
Die den Tieren intraperitoneal injizierte Dosis von 2 0em wurde auch bei 
den stärksten Lösungen von 40 Ösen pro 10 ccm Aqua dest. — d. h. also 
einer Lösung von 8 Ösen pro Meerschweinchen — stets gut vertragen. 
Anfänglich wurden einige Injektionen von neutralisiertem Dimethylamin¬ 
endotoxin vorgenommen, um die Wirkung des Dimethylamins als Alkali 
zu beseitigen. Die Neutralisation geschah mit n/10 H 2 S0 4 , doch ergaben 
Versuche mit nichtneutralisiertem Injektionsmaterial, daß die Tiere diese 
Injektion ohne irgendwelche Schädigung vertrugen. Somit wurde bei den 
weiteren Versuchen von einem Neutralisieren Abstand genommen. 
Folgende Tabelle diene zur Orientierung über das Verhalten der einmal 
mit Dimethylaminendotoxin vorbehandelten Tiere gegenüber einer nach¬ 
träglichen Infektion von 1 l looo Öse Gallenbazillen. 


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Übbb experimentelle Cholezystitis üsw. 


363 


Meerschweinchen 

Vorbehand eit 

1 Infektion 

f am 

Bazillen- 

Nr. 

Gewicht 
in grm 

| am 

mit 

am 

mit 

Gallenbacillus 

befund 

869 

300 

1 

18. X. 

1 

Dimethyl- 
endotoxin 2 00,1 

19.X. 

Viooo 

lebt 


870 

350 

13. X. 

desgl. 

19. X. 


24. X. 

positiv 

892 

280 

— 

— 

19. X. 

yy 

26.X. 


893 

300 

— 

— 

19. X. 

,, 

'26.X. 

,, 

903 

300 ( 

i 

27. X. 

Dimethyl- 
' endotoxin 2 ccm 
| (neutralisiert) 

4. XL 

1 

y* 

14. XI. 

1 j 

* • 

878 

300 

17.X. 

desgl. 

4. XI. 

yy 

12. XI. 

.. 

871 

320 

13.X. 


4. XI.! 

7. XI. 

., 

9()2 

330 

— 

— 

4. XI 


9. XI. 



Diese Resultate sind zu wenig eindeutig, als daß sich daraus ein ein¬ 
heitlicher Schluß ziehen ließe: Daß eine Immunisierung mit Dimethyl¬ 
aminendotoxin eventuell möglich ist, läßt Tier 869 erkennen. Daß es aber 
nicht leicht ist, mit diesen Substanzen zu immunisieren, dafür sprechen die 
übrigen Resultate. Das einzige, was hier bemerkenswert wäre, ist die Tat¬ 
sache, daß die Tiere die Vorbehandlung gut vertrugen. Eine derartige 
Vorbehandlung ist nicht immer ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. 
So starben mir z. B. bei einem Versuch, mit Bouillon- und Peptonwasser- 
kulturfiltrateu vorzubehandeln, die Tiere bereits wenige Tage nach der 
Injektion dieses nachgewiesenermaßen vollkommen bakterienfreien Materials, 
ehe noch eine nachträgliche Infektion gesetzt wurde. Folgende tabellarische 
Zusammenstellung mag die Verhältnisse schildern, wie sie bei diesem Ver¬ 
such lagen: 

Verwendet wurden etwa 3 Tage alte Bouillon- und Peptonwasser¬ 
kulturen die vor der Injektion mit Karbolglyzerin sterilisiert und klar¬ 
zentrifugiert wurden. Die ■ Dosis für jede intraperitoneale Injektion 
betrug 2 ccra . 


Meerschweinchen 

Vo 

rbehandelt 

1 ”' 

Gallen- 

Nr. ] 

Gewicht 
in grm 

i am J 

mit 

! t ara 

1 

! 

Bazillenbefund 

866 j 

330 

12. X. • 

karbolis. Bouillon¬ 
kulturfiltrat 

13. X. 

negativ 

862 j 

340 

12. X. 

desgl. 

lebt 

am 19. X. zu weiteren 
Versuchen verwendet 

876 

350 

1 

14. X. 

1 

1 

»» 

22. XII. 

negativ, etwa 300 cc “ Exsudat 
in der Bauchhöhle 

867 

400 

12. X. 

karbolis. Penton- 
wasserkulturnltrat 

13.X. 

negativ 


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364 


Eugen Fbaenkelj und Hans Much: 


Tier 862 wurde am 7. Tage nach der Vorbehandlung mit \ ! 1000 Öse 
Gallenbazillen infiziert und starb 2 Tage nach dieser Infektion. Der 
pathologisch-anatomische sowie der bakteriologische Befand war vollkommen 
negativ, so daß hier als Todesursache entweder eine reine Giftwirkung der 
Endotoxine oder eiue Überempfindlichkeit des Tieres in Betracht kommen 
könnte. Tier 866 und 867 wurden bereits 18 Stunden nach der In¬ 
jektion der Kulturfiltrate tot aufgefunden. Beide zeigten bei der Sektion 
keinen pathologischen Befund, der auf eine Spontaninfektion oder eine un¬ 
genügende Sterilisierung der Injektionspräparate hätte schließen lassen 
können. Auch der bakteriologische Nachweis ergab — wie aus der 
Tabelle ersichtlich ist — ein vollkommen negatives Resultat. Hier muß 
also eine reine Giftwirkung der Kulturfiltrate angenommen werden. 

Da diese beiden Immunisierungsversuche so wenig brauchbare Resultate 
geliefert hatten, wurde von einer weiteren Behandlung mit derartigen 
künstlich hergestellten Bakterienauflösungen oder Endotoxinen (?) ab¬ 
gesehen und an ihrer Stelle Exsudate von Tieren, die einer Infektion mit 
Gallenbazillen erlegen waren, angewandt Die Exsudate wurden bei Meer¬ 
schweinchen durch eine intraperitoneale Injektion von großen Mengen der 
Gallenbazillen in etwa 3 ccm sterilen Aqua dest. hervorgerufen. Die Tiere 
erlagen der Infektion gewöhnlich innerhalb der ersten 24 Stunden. Das 
Exsudat wurde unter Zusatz von Natrium citricum aus der Bauchhöhle 
aufgefangen. Die Tiere reagierten meist, aber doch nicht konstant, mit einer 
Exsudatbildung, und die verwertbaren Mengen waren sehr verschieden, 
sie schwankten gewöhnlich zwischen 2 und 10 com . Aus diesen Exsudaten 
wurden die zur Vorbehandlung verwendeten Flüssigkeiten folgendermaßen 
hergestellt: Sie wurden zunächst durch Zusatz von Karbolglyzerin auf 
5 Prozent Phenol gebracht, dann nach etwa 24 Stunden klarzentrifugiert, 
die obenstehende Flüssigkeit abpipettiert und auf ihre Sterilität geprüft. 
Bei späteren Versuchen wurde auch hier die oben bereits erwähnte Chloro¬ 
formbehandlung an Stelle des Karbols verwendet, so daß die Tiere mit einem 
Material injiziert werden konnten, das vollkommen steril, aber frei vou 
jedem Desiufiziens war. Die so gewonnenen Aggressine wurden möglichst 
frisch benutzt. Der Verlauf dieses Immunisierungsversuches war folgender: 


Meerschweinchen 

| Vo 

rbehandelt 


| Infektion 


Bazillen* 

Nr. 

Gewicht 
in grm 

am j 

mit 


j' 

1; am 

mit 

Gallenbacillus 

f am 

i. ' 

befand 

884 

320 

19. x. : 

Aggressin 1*0 

ccm 

26. X. 

Viooo 

14. XI. 

positiv 

887 

280 

19. X. 1 

„ 0.1 


26. X. 

V 

7. XL 


910 

800 

— 

— 


26. X. 


30. X. 

M 

885 

! 800 

19. X. 

Aggressin 0*5 

ccm 

4. XI. 

i 

12. XI. 


886 

280 

19. X. 

„ 0-25 

if 

4. XI. 

i »* 

lebt 


902 

330 

1 

— 


4-XI. 

1 

)> 

| 9. XI. 










Übeb experimentelle Cholezystitis usw. 


365 


Eine immunisierende Wirkung des Aggressins ist in diesen beiden 
Versuchen deutlich ausgesprochen. In beiden Fällen starben die Kontrolle 
tiere früher als die mit Aggressin vorbehandelten. Über weitere Versuche 
mit diesen Aggressinen beabsichtige ich in einer späteren Arbeit zu 
berichten, da sie nicht im Sinne einer Immunisierung sondern einer 
Infektionsbeforderung angestellt wurden.— 

Hier möchte ich noch über Ergebnisse berichten, die mit einer 
passiven Immunisierung erzielt wurden. Dasimmunserum stammte von 
Meerschweinchen, die mit Aggressin vorbehandelt und nachträglich mit 
Gallenbazillen infiziert waren. Acht Tage nach der Infektion wurden die 
Tiere getötet, das Blut wurde steril aufgefangen, und das sich absetzende 
Serum injiziert. Die Versuchstiere waren mit Gallenbazillen vorbehandelt 
und erhielten je 2 06,0 Immunserum intraperitoneal. 


Meerschweinchen 
xr | Gewicht 
* 1 in grm 

Infektion 

__ 1 mit 

am | Gallenbacillus 

Behandelt 

t am 

am mit 

Bazillen¬ 

befund 

939 

940 

942 

943 

944 

945 

420 

330 

370 

290 

240 

270 

11. XI. 

11. XI. 

12. XI. 

12. XI. 

13. XI. 
13. XI. 

Viooo Öse 

;; 

i» 

14. XI. 
14. XI. 
14. XI. 

14. XI. 
14. XI. 

Immunserum 2 cc “ 18. XI. 

21. XI. 
21. XI. 
- 18. XI. 

Immunserum 2 cc “ 18. XI. 
„ 21. XI. 

positiv 

V 

7» 

7» 


Diese Tabelle zeigt, daß es bei einem schon infizierten Tiere durch 
eine nachträgliche Injektion eines Immunserums doch noch gelang, den 
tödlichen Ausgang der Infektion um einige Tage zu verzögern, selbst in 
den Fällen, wo die Einspritzung erst am dritten Tage nach der Infektion 
erfolgte und in denen anzunehmen war, daß durch die Infektion bereits 
eine wesentliche Schädigung des Organismus eingetreten war. Bei einer 
gleichzeitig mit einer Infektion vorgenommenen Immunisierung blieben 
die Tiere noch etwa 14 Tage am Leben. 


Meerschweinchen 

Infektion 

Bazillen- 

Nr. 

Gewicht 

_ 1 mit Gallenbacillus + Imraun- i t am 

am 

befund 


m grm 

1 serum 


953 

230 j 

16. XI. Vuoo Öse Bac. + Immunserum 1*0 28. XI. 

positiv 

954 

210 1 

16. XI.! + .. 0-1 i| 29. XI. | 

7 » 


Der letale Ausgang konnte also hierbei noch länger verzögert werden 
als im vorigen Versuch mit einer erst nachträglich erfolgten Immunserum¬ 
behandlung. 

Die Wirkung dieses Immunserums im Tierkörper wurde auch im 
Pfeifferschen Versuch beobachtet, der in folgender Weise angesetzt 
wurde. Es erhielt 


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366 


Eugen Fbaenkel und Hans Much: 


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Tier I 0*5 ccm Immunserum + l ocm physiologische NaCl + l / 10 Öse 
Gallenbazillen in 1 ccm Bouillon intraperitoneal. 

Tier II 0-5 ccm Normal-Meerschweinchenserum + 1 00,11 physiologische 
NaCl + V, 0 Öse Gallenbaz. in 1 ®° m Bouillon intraperitoneal. 
Tier III 0-5 oom Normal-Meerschweinchenserum + 1.5®°“ physiologische 
NaCl + Vio Öse Gallenbaz. in 1 oom Bouillon intraperitoneal. 

Die Entnahme des Exsudates aus der Bauchhöhle erfolgte 10 Minuten, 
V 3 und 1 Stunde nach der Injektion. Die Beobachtung geschah direkt 
im hängenden Tropfen und im gefärbten Präparat. Das Ergebnis war 
folgendes: 



! nach 10 Min. 

nach l /j Stde. | 

nach 1 Stde. i 

Ausgang 

Tier I 

(Immunserum) 

I 

1 Vollständige 
Auflösung der 
Bazillen, keine 
| Granula 

Vollständige 
Auflösung der 
Bazillen, keine 
Granula 

Vollständige 
Auflösung der 
Bazillen, keine 
Granula 

tot nach 

7 Tagen 

Tier II 

(Normalserum) 

Bewegliche in- 
, takte Bazillen 

Viele beweg¬ 
liche intakte 
Bazillen 

Sehr viele be¬ 
wegliche intakte 
Bazillen 

nach 18 Stdn. 
tot aufgefunden 

Tier III 

(kein Serum) 

Bewegliche in¬ 
takte Bazillen 

Viele beweg¬ 
liche intakte 
| Bazillen 

Sehr viele be¬ 
wegliche intakte 
Bazillen 

nach 18 Stdn. 
tot aufgefunden 

1 


Die mit Methylenblau gefärbten Präparate zeigten dasselbe Verhalten. 
Während also in dem Peritonealexsudat der beiden nicht mit Immun¬ 
serum behandelten Versuchstiere die Bazillen ihre Form und Beweglichkeit 
beibehielten und immer zahlreicher wurden, bis die Tiere schließlich der 
Infektion erlagen, setzte in dem Peritonealexsudat des mit einer Mischung 
von Gallenbazillen uud Immunserum behandelten Tieres eine deutlich zu 
erkennende Vernichtung der Bazillen ein, die schon nach 10 Minuten 
ziemlich ausgesprochen war. Diese so früh einsetzende Bakteriolyse kenn¬ 
zeichnet das Serum als ein bakteriolytisch sehr stark wirkendes. — 

Ganz kurz erwähnen möchte ich noch einige Versuche, bei denen die 
Tiere sowohl mit Aggressin als auch mit Dimethylaminendotoxin oder 
karbolisierten Bouillonkulturfiltraten vorbehandelt waren. Diese Endo¬ 
toxine waren seinerzeit gleichzeitig mit Aggressinen eingespritzt worden. 
Zwei Tiere starben bereits wenige Tage nach der Injektion. Gallenbazillen 
ließen sich weder mikroskopisch noch kulturell in den Gallenblasen nach- 
weisen. Die überlebenden Tiere wurden nachträglich mit Viooo Öse infiziert 
und waren also sozusagen gegen diese Infektion in doppelter Weise vor¬ 
behandelt. 


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Cbeb experimentelle Cholezystitis usw. 


367 


Meerschw. 

Nr. \£V!L 
in grm 

am 

o r b 

e h a n d e 1 t 

j 

mit 

Infektion 
am | mit 

t am 

Bazillen¬ 

befund 

904 

310 

| :27.x. 

Dimethylaminendotoxin 1*0 

— 

— 

21. XI. 

negativ 

906 

280 

jl 27. X. 


„ 2-0 

— 

— 

4. XI. 

>* 

908 

260 

. 26. X. 

karbol. Bonillonkulturfiltr. 1*0 


- 

28. X. 


905 

| 880 

27.X. 

' 27. X. 

a.s 

* H 

2*0 4- Aggressin 0*5 

4. XI. 

V 1000 ^ se 

12. XI. 

positiv 

907 

280 

1*0+ 0*5 

4. XI. 


7. XI. 

j’ 

908 

300 

27.X. 

Xi o 

2*0 - 

4. XI. 

«» 

14. XI. 

1 

878 

300 

17.X. 

a 5 

2-0 

4. XI. 

M 

12. XI. 

i » 

871 

320 

13. X. 

Q 

2-0 — 

4. XI. 

1« 

7. XI. 

1 - 

909 

280 

26. X. 

karbolis. Bouillonkultur 1*0 
+ Aggressin 0*5 

4. XI. 

•’ 

' 24. XI. 


885 

300 

19. X. 

- 

Aggressin 0*5 

4. XI. 

1» 

12. XI. 

•1 

902 

330 

— 

- 

— 

4. XI. 

1 yy 

9. XI. 

1 


Auch 

hier ist wieder das Resultat zu 

bunt als daß sich einheitliche 


Schlüsse daraus ziehen ließen. Ein deutlicher Unterschied in der Wirkung 
von Dimetbylaminendotoxin oder Aggressin allein und einer Wirkung von 
bei ten zusammen ist in der Tabelle nicht zu erkennen. — 

Fasse ich die Ergebnisse meiner Versuche, gegen den Gallenbacillus 
eine Schutzwirkung des Meerschweinchenkörpers hervorzurufen, kurz zu¬ 
sammen, so hat sich zunächst gezeigt, daß diesem Gallenbacillus eine ge¬ 
waltige Infektionskraft zukommt. Dagegen mit Hilfe von toten oder 
lebenden Bazillen zu immunisieren, ist stets mit großen Schwierigkeiten 
verbunden, oft direkt unmöglich. Die Anwendung von lebenden Ba¬ 
zillen mußte hierbei vollkommen ausscheiden, da sich eine untertödliche 
Dosis nicht ermitteln ließ und die Tiere infolgedessen schon bei der Vor¬ 
behandlung der Infektion erlegen wären. Die Immunisierung mit ab¬ 
getöteten Bazillen hat hier sowohl bei den hitzeabgetöteten wie karbolisierten 
Kulturen gute Resultate geliefert — soweit diese beiden Versuche zu 
Schlüssen berechtigen. 

Bedeutend schlechter verliefen die Versuche, bei denen Dimethylamin¬ 
auflösungen und Kulturfiltrate angewendet wurden. Die ersteren erwiesen 
sich zwar bei der Vorbehandlung bedeutend besser als die Kulturfiltrate, 
bei denen die Mehrzahl der Tiere schon nach wenigen Tagen zugrunde 
gingen, doch war bei ihnen eine Schutzwirkung für die nachfolgende In¬ 
fektion nur einmal zu erkennen. Diese Injektionen haben stets den 
Nachteil, daß die bakteriellen Giftsubstanzen, die leicht eine Schädigung 
des Organismus, wie Nekrose und Marasmus herbeiführen können, in ver¬ 
hältnismäßig großen Mengen eingespritzt werden, und daß die zur Immuni- 
tätsauslösung nötigen Stoffe der Bakterienleiber eventutll durch Vorbehand¬ 
lung wie Erhitzen usw. bereits geschädigt sind. 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




Ecges Fraexkeu cxd Hans Much: 


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36S 


Insofern erweist sich eine Immunisierung mit Aggressin stets bedeutend 
vorteilhafter und zwar liegt der Vorteil darin, daß mit dem meist un¬ 
einigen oder wenigstens nur äußerst wenig toxischen Aggressin eine 
Flüssigkeit in den Tierkörper gelangt, die die zur Hervorrufung der Anti¬ 
körper nötigen Steife der Bakterienleiber ohne eine vorherige Schädigung 
in einer sofort resorbierbaren Form enthält. Die Injektion dieser Aggressine 
wird fast stets gut vertragen. Die von mir mit Aggressinen angestellten 
Versuche zeigen nun ebenfalls deutlich, daß es auf diese Weise verhältnis¬ 
mäßig leicht gelingt eine Immunität zu erzielen. Die passive Immuni¬ 
sierung — mit Immunserum — steht diesen Resultaten hier nicht viel 
nach, wenn man berücksichtigt, daß selbst 3 Tage nach der Infektion — 
wodurch also der Tierkörper bei der hohen Virulenz der Gallenbazülen 
schon erheblich geschädigt war — eine Injektion von Immunserum das 
Leben des Tieres — wenn auch nur um wenige Tage — zu verlängern 
vermochte. 

Es gelang also annähernd in gleicher Weise, mit abgetöteten Bazillen. 
Aggresrinen und mit Immunserum gegen einen äußerst virulenten 
Bacillus eine Schutzwirkung hervorzurufen. Die Resultate mit deutlich 
erkennbarer Immunität sind trotz des relativ kurzen Nachhaltens der 
.Schutzwirkung insofern als nicht schlecht zu bezeichnen, als es sich dabei 
stets um eine nur einmalige Vorbehandlung gegenüber einem hoch- 
virulenten Bacillus handelt. 


IV. 

Immunisierung durch Galle. 

Von Fraenkel und Much. 

Im folgenden haben wir noch über sehr merkwürdige Verhältnisse 
zu berichten, die wir bei weiteren Immunisierungsversuchen aufzudecken 
Gelegenheit fanden. Wenn sie auch noch weiter verfolgt werden müssen, 
ehe wir ein deünitives Urteil darüber abgeben, so sind die gefundenen 
Tatsachen doch schon bemerkenswert, daß eine Mitteilung in diesem 
Zusammenhänge nicht nur angängig, sondern sogar erwünscht erscheinen 
muß. Die Versuche wurden zum Teile gemeinschaftlich mit Dr. Starke 
angeführt. 

Wir kamen nämlich auf den Gedanken, den Inhalt der mit 
Eiter gefüllten Gallenblasen der an der Infektion gestorbenen Tiere 
auf Aggressin Wirkung zu untersuchen. Zu dem Zwecke wurde eine 
größere Anzahl solcher entzündeten Gallenblasen bei der Sektion ge- 


Gck igle 


I 

Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




ÜBEfi EXPERIMENTELLE CHOLEZYSTITIS USW. 


369 


sammelt. Der Ductus wurde mit glflheuder Pipette abgeklemmt, und die 
Blase gründlich in destilliertem Wasser abgespült, um das eventuell an 
der Außenfläche anhaftende aggressinhaltige Peritonealexsudat zu entfernen. 
Dann wurde der eitrige Inhalt der Blasen in Kochsalzlösung (1:3) auf¬ 
geschwemmt und, um die massenhaft vorhandenen Keime zu töten, Chloro¬ 
form (0*1:10) hinzugefügt. Die Mischung wurde dann unter Licht¬ 
abschluß bei Zimmertemperatur belassen. Aus der steril gewordenen 
Flüssigkeit wurde vor dem Gebrauche das Chloroform durch Verdunsten¬ 
lassen bei 37° entfernt. 

Mit dieser Flüssigkeit wurden Versuche nach Art von Aggressin- 
versuchen vorgenommen, indem das klare Zentrifugat benutzt wurde. 
Es wurden vier Meerschweinchen je */ ]000 Öse Gaileubazillen gleichzeitig 
mit verschiedenen Dosen der Gallenflüssigkeit eingespritzt. Der Erfolg 
war überraschend. Es zeigte sich keine Spur von Aggressinwirkung, 
sondern vielmehr das gerade Gegenteil, eine ausgesprochene Schutz-, 
ja Heilwirkung. 


Eine Tabelle möge das erläutern: 


Meerschw. 

Nr. 

am 

I n j i z i e i 
mit 

Gallenbacillen- 

Galle 

r t 

mit 

+ Gallenbacillen: 

i 

t am 


1095 

7. II. 1 

1-0 

Viooo Öse 

lebt 

— 

1094 

M 

0-5 

»* 

18. IL 

— 

1093 

»» | 

0-1 

ft ( 

j lebt 

— 

1092 

»* 

0-01 

»t 

1 20. IL 

— 

1091 

1 >> l 

! 

.. ii 

11. IL 

Kontrolle 


Wir sehen also, daß zwei Tiere am Leben bleiben. Aber auch bei 
den beiden andern gleichzeitig mit Gallenblasenflüssigkeit injizierten Tieren 
ist der Tod gegenüber dem Kontrolltiere merklich verzögert. 

Da die Gallen mit Eiter gefüllt waren, so lag es nahe, an eine 
Wirkung der Leukozyten zu denken. Natürlich nicht in dem Sinne 
einer Phagozytose — denn die Flüssigkeit enthielt nach der Behandlung 
gar keine intakten Leukozyten mehr —, sondern im Sinne einer Wirkung 
von leukozytären Bakteriozidinen. Daß daneben noch eine Wirkung von 
eigentlicher Galle vorhanden sein könnte, glaubten wir nicht annehmen 
zu dürfen, weil ja in dem Eitersacke kaum noch eigentliche Galle vor¬ 
handen sein konnte. Es müßte sich also auf jeden Fall um eine passive 
Immunisierung bandeln. 

TJm die Verhältnisse noch besser verfolgen zu können, stellten wir 
einen Verucb nach Art des Pfeifferschen an, indem wir den Tieren nach 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 24 


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Gck igle 


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370 


Eugen Fraenkel und Hans Much: 


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1 / i , %, 1 und 2 Stunden Peritonealexsudat entnahmen. Die Tiere wurden 
in folgender Weise behandelt: 

Tier I. bekam 1 Öse Gallenbazillen gemischt mit 1 *0 ccm Gallen¬ 
flüssigkeit. 

Tier II. bekam 1 Öse Bazillen gemischt mit nur 0*1 ccm Gallen¬ 
flüssigkeit. 

Tier III. bekam nur 1 Öse Bazillen (Kontrolle). 

Tier IV. bekam 1 Öse Bazillen und gleichzeitig 1 ccm Galle eines 
normalen Meerschweins, das kurz Tor dem Versuche getötet wurde. Die 
Galle wurde als solche, ohne jede Chloroformbehandlung benutzt Die 
Resultate dieses Versuches möge die folgende Tabelle wiedergeben. 


t fl 
£ *© 

© P 

£5-fl 
^ © 

00 i 

| Exsudatentnahme nach: 


Ausgang 

J l /i Stunde 

V, Stande 

1 

1 Stunde 

2 Stunden 

r 

! zahlreiche 
Leukozyten, 
vereinzelte 
Stäbchen, 
wenig Granula 

sehr viele 
Leukozyten, 
viele Stäbchen, 
einzelne Granula 

sehr viele 
Leukozyten, 
ganz vereinzelte 
Stäbchen, 
wenig vereinzelte 
Granula 

sehr zahlr. 
Leukozyten, 

sehr wenig 
Stlbchen, 

sehr wenig 
Granula 

tot nach 

6 Tagen 

ii 

viele Leukozyten, 
sehr viele 
Stäbchen, 
wenig Granula 

viele Leukozyten, 
sehr viele 
Stäbchen 

viele Leukozyten, 
sehr viele 
Stäbchen 

sehr viele 
Leukozyten, 
sehr viele 
Stäbchen 

1 nach 18 Std. 

, tot auf- 
gefunden 

in 

keine 

Leukozyten, 
mäßig viele 
Stäbchen 

wenig 
Leukozyten, 
wenig Stäbchen, 
einzelne Granula 

wenig 
Leukozyten, 
mäßig viele 
Stäbchen 

viele ! 

Leukozyten, 1 
viele Stäbchen! 

I 

1 nach 18 Std. 
tot auf¬ 
gefunden 

IV 

viele Leukozyten, viele Leukozyten, 
sehr viele 1 viele Stäbchen, 
Stäbchen j vereinzelte 

' Granula 

viele Leukozyten, 
mäßig viele 
Stäbchen, 
viele Granula 

sehr viele 
Leukozyten, 

müßig 

Stlbchen 

tot nach 

6 Tagen 


Wir sehen daraus, daß die kleine Dosis von Galleneiterflüssigkeit den 
Infektionsprozeß nicht zu beeinflussen vermochte. Dagegen übte die 
große Dosis eine merkliche Wirkung aus, indem die größte Mehrzahl der 
Stäbchen zerfiel und der Tod des Tieres bedeutend hinausgeschoben wurde. 
Die Verzögerung des Todes will um so mehr sagen, als eine ungeheure 
Dosis des an sich schon virulenten Bacillus zur Infektion benutzt wurde. 

Wie erstaunten wir aber, als auch das mit normaler Galle ein- 
gespritzte Tier sich ebenso verhielt wie das mit der aus infizierten Gallen 
gewonnenen — nach unserer ersten Meinung spezifischen — Flüssigkeit 
infizierte. Offenbar war also in diesem Versuche auch die normale 
Meerschweinchengalle fähig, den Infektionsprozeß mit Gallen¬ 
bazillen deutlich in günstigem Sinne zu beeinflussen, und 
zwar im Sinne einer passiven Immunisierung. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 




TTbeb kxpbbimkntelle Cholezystitis usw. 


B71 


Diese außerordentlioh merkwürdige Tatsache galt es nun weiter zu 
studieren. Und zu dem Zwecke setzten wir einen Versuch in der Weise 
an, daß wir nicht den Mischungsversuch herangezogen, sondern Meer¬ 
schweinchen in verschiedener Weise vorbehandelten, und dann die 
Wirkung der verschiedenen Vorbehandlungsarten durch eine später ge¬ 
setzte Infektion miteinander verglichen. So wurde ein Tier zweimal vor¬ 
behandelt mit Injektionen von normaler Meerschweinchengalle. Ein 
zweites bekam klarzentrifugierte, ein drittes nicht zentrifugierte Gallen¬ 
flüssigkeit aus infizierten Gallen zur zweimaligen Vorbehandlung. Ein 
viertes wurde mit abgetöteten, mit normaler Meerschweinchengalle sensibili¬ 
sierten Gallenbazillen vorbehandelt. Ein fünftes bekam abgetötete Gallen¬ 
bazillen, die mit Gallenflüssigkeit aus infizierten Gallen sensibilisiert waren. 
Ein sechstes wurde nur zweimal mit abgetöteten Gallenbazillen behandelt. 
Ein siebentes Tier wurde nur einmal mit abgetöteten Bazillen, gemischt 
mit normaler Galle, und ein achtes Tier endlich mit abgetöteten Bazillen, 
gemischt mit Gallenflüssigkeit, vorbehandelt. Einige Tage nach der letzten 
Vorbehandlung erfolgte dann die Infektion. Die nachfolgende Tabelle 
(Dr. Starke) möge die dabei entstandenen Ergebnisse übersichtlich er¬ 


läutern: 


Meerschw. 

Nr. 

Art der Vorbehandlung 

Datum 

der 

Infektion 

Art der 

Infektion 

A u s g a n g 

1167 

28.11.11. l ocm normale Meer- 
tcbweinchengalle Irisch i.p. 
4. III. 1 1. desgl. „ 

9. III. 11. 

Viooo Öse 
Gallen¬ 
bazillen 
i. p. 

t 18. IV. 11. Verwachsungen 
der Leber mit den Darm¬ 
schlingen. Ein Abszeß in 
der Leber mit spärlichen 
Gallen bazillen.Galle norm. 
Pn eum on ie (Sekun d är- 
infektion.) Immunisierung. 

1168, 

28. II. 11. 1 ““ klarzentri¬ 
fugierte GalleneiterflUssIg- 
keit i. p. 

4. III. 11. desgl. 

desgl. 

desgl. 

lebt 

1169 

28. II. 11. l ccm nicht zentri¬ 
fugierte Galleneiter¬ 
flüssigkeit i. p. 

4. III. 11. desgl. 

>> 

i» 

f 28. IV. 11. Bauchhöhle voll¬ 
kommen norm. Sekundär¬ 
infektion (Pneumonie). 

Immunisierung. 

1176 

28. II. 11. 1 Öse mit norm. 
Meerschweinchengalle, 

sensibilisierte abgetötete 

Gallenbazillen i. p. 

0. III. 11. desgl. 

>» 

j i 

f 14. III. 11. Typischer 
Gallenbazillentod. 

1177 

i 

28. II. 11. 1 Öse mit Gallen¬ 
eiterflüssigkeit , sensibili¬ 
sierte abgetötete Gallen- 
bazillen i. p. 

6. III. 11. desgl. 

»> 

1 

1 

1 

i 

i 

7 16. III. 11. Typischer 
Gallenbazillentod. 

i 

i 


24 * 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



372 


Eugen Fraenkel uns Hans Much: 


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(Fortsetzung.) 


Meerschw.l 

Nr. 

Art der Vorbehandlung 

Datum 

der 

Infektion 

Art der 

Infektion 

1 

A u s g a n g 

1175 

l 

l. III. 11. 1 Öse abgetötete 
Gallenbazillen i. p. 

6. III. 11. desgl. 

9. III. 11. 

Viooo Öse 

Gallenbaz. 
i. p. 

f 18. IV. 11. Sekundärinfek- 
tion (Pneumonie) Imuinf- 
sierung. 

1173 

1 HL 11. 1 Öse abgetötete 
Gallenbazillen + l ccna nor¬ 
male Meerschweinchen¬ 
galle i. p. 

1 desgl. 

desgl. 

lebt 

1174 j 

1. III. 11. 1 Öse abgetötete 
Gallenbaz. -f 1 Ccm zentri¬ 
fugierte Galleneiterflüssig¬ 
keit i. p. 


i» 

lebt 

1171 

— 

i ” 

i 

i 1 

+ 13- HI. 11. Typischer 
Gallenbazillentod. 


Wir ersehen hieraus folgendes: Die Vorbehandlung mit sensibilisierten 
Gallenbazillen war nutzlos, was einigermaßen auffallend ist, da die ab* 
getöteten Bazillen allein eine Immunisierung ermöglichten. Dagegen sind 
die mit Galleneiterflüssigkeit behandelten Tiere immunisiert und wir 
müssen diese Immunisierung wohl als eine passive bezeichnen, von der 
wir allerdings noch nicht sagen können, ob sie unspezifisch oder spezifisch, 
oder beides zugleich ist. Weiterhin sind die Tiere immunisiert, wo die 
abgetöteten Bazillen gemischt wurden mit normaler oder infizierter Galle. 
Endlich aber zeigt auch das mit normaler Galle vorbehandelte 
Tier einen hohen Grad von Immunität. Zwar zeigt es bei seinem 
Tode einen Abszeß, aber dies ist der einzige Ausdruck der vor 6 Wochen 
erfolgten Infektion. Offenbar hatte also der Körper die größte Masse 
der Bazillen unschädlich gemacht, und wäre vielleicht auch mit dem 
Abszesse fertig geworden, wenn nicht eine Pneumonie den Tod des Tieres 
herbeigeführt hätte. 

Diese Fähigkeit der normalen Galle, passiv zu immuni¬ 
sieren, oder zum mindestens hohe Besistenzgrade herbeizu¬ 
führen, ist so seltsam, daß wir uns hier am Anfänge der Versuche 
aller weitergehenden Schlußfolgerungen enthalten. 

Wir haben natürlich noch weitere Untersuchungen angestellt. Davon 
sei noch ein Versuch kurz geschildert. Wir behandelten zwei Meerschwein¬ 
chen mit normaler Meerschweinchengalle vor, die jedesmal von einem 
normalen Tiere kurz vor der Injektion entnommen wurde, ohne daß 
weitere Manipulationen damit gemacht werden. Und zwar gaben wir 
nur geringe Dosen, aber zu wiederholten Malen. 


Gck igle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Über experimentelle Cholezystitis usw. 


373 


Ein anderes Tier behandelten wir zweimal mit 0*5 ccm Meerschwein 
chengalle vor. 


Alles weitere ist aus der Tabelle ersichtlich: 


Meer- 

schw. 

Nr. 

Vorbehandlung 

Datum 

der 

Infektion 

Art 

der 

Infektion 

Ausgang 

1231 

1241 

1243 

27. IIL 11. 0*5 cc “ normale Meerschwein¬ 
chengalle frisch, i. p. 

7. IV. 11. 0*1 „ desgl. „ 

11. IV. 11. 0-1 „ 

13. IV. 11. 0-1 „ 

15. IV. 11. 0-1 „ 

19. IV. 11. 

1 Ixooo ^ 8e 
Gallen¬ 
bazillen 

lebt 

4. IV. 11. 0*1““ normale Meerschwein¬ 
chengalle frisch, i. p. 
7. IV. 11. 0*1 „ desgl. 

11. IV. 11. 0-1 „ 

13. IV. 11. 0-1 „ 

15. IV. 11. 0-1 ., 

»» 

ti 

H 

4. IV. 11. 0*5 ccm normale Meerschwein¬ 
chengalle frisch, i. p. 
15. IV. 11. 0-5 „ desgl. 

II 


t» 

1254 

* 

II 

i 

1 

tf 

f 27. IV. 11. 

Typischer 

Gallenblasen¬ 

befund 

(Cholezystitis). 


Es fragte sich dann weiterhin, ob es sich bei dieser ganzen Er¬ 
scheinung lediglich um eine lokale Resistenzerhöhung handele, oder 
um eine allgemeine passive Immunisierung. Um uns darüber 
Aufklärung zu verschaffen, stellten wir die verschiedensten Versuche an, von 
denen einer in der folgenden Tabelle wiedergegeben ist: 


Et 

ja . 

O 1- 

255 

a> 

s 

Vorbehandlung 

Infektion 

Gewicht 

amTagedei 

Infektion 

Gewicht 

am8.VI.ll. 

Befund 
am 9. VI. 11. 

1303 

Kon¬ 

trolle 


23. V..11. 

Viooo ^ se 

Gallen¬ 

bazillen 

subkutan 

1. V. 

1 

310 

180 

+. Sektionsbet und: 
Links vorn ein wal¬ 
nußgroßer Eiterherd 
mit vielen Stäbchen. 

Gallenblase ge¬ 
schrumpft mit De¬ 
tritus u. vielen Stäb¬ 
chen. Leber u. Milz 
normal. 


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Gck gle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 









































374 


Eugen Fbaenkel und Hans Much: 


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(Fortsetzung.) 


► 1 

! Vorb e h an d 1 u d g 

« 1 

s i 

Infektion 

Gewicht 
am Tage der 
Infektion 

Gewicht 
am 8. VI. 11. 

Befand 
am 9. VI. 11. 

1240 7. IV. 11. 0*1 04,0 frische Meer¬ 

schweinchengalle nor¬ 
mal, intraperitoneal. 

11. IV. desgL 

13. IV. 

15. IV. 

11. v. 

14. V. „ J 

desgl. 

i 

710 

i 

1 

840 

■ 

manter, glatt 1 

1285 ji 11. V. 11. 1*0 oc " normale Meer¬ 
schweinchengalle, unt. 
Chloroform gesammelt, 
intraperitoneal. 

114. V. desgl. 

•» 

340 

340 

munter, glatt. 1 

1802 23. V. 11. l-O“" Meerschwein- „ | 340 

chengalle intraperitoneal., 

410 

) munter, glatt. 1 


1 Alle drei Tiere sind am 7. VUL am Leben. 


Das Prinzip war, Tiere intraperitoneal vorzubehandeln und dann 
nicht intraperitoneal, sondern subkutan zu infizieren. Alle Tiere wurden 
mit normaler Meerschweinchengalle vorbehandelt. Ein Tier bekam zu 
wiederholten Malen kleine Dosen frischer Galle. Ein anderes Tier bekam 
zweimal eine große Dose normaler Meerschweinchengalle, die verschiedene Tage 
hindurch gesammelt war. Ein drittes Tier endlich bekam 1 ocm Galle erst 
eine Stunde vor der subkutanen Infektion intraperitoneal verabreicht. 

Alle vorbehandelten Tiere erwiesen sich als immunisiert 
Dieser Versuch scheint uns gegen die Annahme einer einfachen lokalen 
Resistenzerhöhung zu sprechen. Das Phänomen wird dadurch nur um 
so interessanter. 

Weitere Untersuchungen behalten wir uns vor. 


Gck igle 


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Übeb experimentelle Cholezystitis dsw. 


375 


Erklärung der Abbildungen. 

(Taf. I.) 


Fig. 1. Gallenblase von Kaninchen 444, sagittal im größten Durchmesser 
durchschnitten. Innenfläche mit hämorrhagisch-galligem Inhalt bedeckt, Gallenblasen¬ 
wand nicht verdickt. (Intraperitoneale Infektion mit 0*1 Öse Kultur am 11. III. 1910, 
f 17. III. 1910.) Das mit der Gallenblase in Verbindung stehende Stück Leber o. B. 

Fig. 2. Gallenblase von Kaninchen 450, nebst einem Stück nicht veränderter 
Leber. Gallenblasen wand in toto verdickt, Schleimhaut, namentlich an der, der 
Leber anliegenden Wandseite geschwollen, feinwarzig, gallig imbibiert (Intravenöse 
Infektion mit 0*001 Öse Kultur am 18.IIL, + 24. III. 1910.) 

Fig. 3. Gallenblase mit einem Stück unveränderter Leber von Kaninchen 448. 
Das Lumen mit fast rein hämorrhagischem, nur spärliche gallige Beimengungen 
zeigendem, Inhalt erfüllt, der auch in dem eröffneten Duct. cysticus als total ver¬ 
schließender Pfropf sichtbar ist. (Intravenöse Infektion mit 0*1 Öse Kultur am 
18. UL, f 22. UI. 1910.) 


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Go^ 'gle 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



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[Aas dem Gouvernementslazarett Tsingtau.] 

Mikrobiologische Erfahrungen bei den epidemischen 
Darmerkrankungen des Schutzgebietes Kiautschou und 
der Provinz Schantung in den Jahren 1907 bis 1911. 

Von 

Prof. Dr. Mar tini, 

Marine-Generalob«r»rit, deneitigern Chefarst de« Gouvernementflaaarett«, Vorstand der bakteriologischen 
Untorsuohuugsabtellung and Wutsohatsstatlon das Gouvernement«. 


Im Anschluß an die Beobachtungen des Jahres 1908, die im Archiv 
für Schiffs- und Tropenhygiene 1910 (1) erschienen sind, will ich meine 
weiteren mikrobiologischen Erfahrungen auf dem Gebiete der Darm¬ 
erkrankungen des Schutzgebietes Kiautschou und der Provinz Schau- 
tung, an denen seitdem Marine-Stabsarzt Dr. Fürth und zwar haupt¬ 
sächlich im Jahre 1909 teilgenommen hat, im folgenden vervollständigen 
und näher erläutern. 

Im wesentlichen handelt es sich hier, wie damals um die Sommer¬ 
darmerkrankungen bakteriellen und protozoischen Ursprunges. Größere 
Darmparasiten, wie Ankylostomen, 1908 vom Verfasser zum ersten Male in 
Schantung festgestellt, Tänien, Oxyuren, Askariden, Trichocephalen usw. 
bleiben einer Berichterstattung durch die innere Abteilung des Gouverne- 
mentslazaretts Vorbehalten. Auch sollen Leishmanien, die Kala-azar- 
parasiten, vom Verfasser 1907/08 bei Chinesen des Schutzgebiets und 
Schautungs zum ersten Male nachgewiesen, hierbei außerhalb näherer 
Besprechung bleiben; es ist noch nicht erwiesen, ob sie mit den ruhr¬ 
ähnlichen Stuhlentleeruugen Kala-azarkranker, in denen sie bekanntlich 
durch Manson gesehen sind, in ursächlichem Zusammenhang stehen. 


Google 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Martini: Mikbobiolog. Erfahrungen bei Darmerkrankungen. 377 


Im übrigen spricht hier vieles für die Infektion durch die seitens 
Nicolles angenommene Vermittelung von Hunden als zweiter Wirte, mit 
denen der hiesige Chinese in engster Hausgemeinschaft zu leben pflegt. 
Ja, noch mehr, es kann unter den hier vorliegenden Verhältnissen in den 
chinesischen Dörfern mit ihren gewaltigen Beständen an Hunden kaum 
zweifelhaft sein, daß sie als Verbreiter auch für die hiesigen Bühren und 
Darmkatarrhe in Betracht kommen. 


Handhabung der Untersnehnngen. 

Die Untersuchungen vollzogen sich in folgender Reihenfolge und Weise. 

Meist war vor den bakteriologischen Untersuchungen bereits auf der 
inneren Abteilung durch Marine-Oberstabsarzt Dr. Staby (2) und seine 
Hilfsärzte (1908 Marine-Stabsarzt Dr. Robert, 1909 Dr. Fürth und 
1910 durch Marine-Oberassistenzarzt Dr. Bodenstein) eine Durch¬ 
musterung der ganz frischen Stühle auf große Darmparasiten wie Aska¬ 
riden usw. und Protozoen, wie Amöben usw. voraufgegangen. Im 
bakteriologischen Laboratorium wurden alsdann aus den in physiologischer 
Kochsalzlösung aufgeschwemmten Stuhlproben Schleimflocken zu fischen 
gesucht und ein Stück von diesen mikroskopisch untersucht; der Rest 
wurde gut ausgewaschen und dann auf Conradi-Drigalsky-Platten verarbeitet. 
Von Agarplattenguß wurde 1909 und 1910 abgesehen, weil dieser nach den 
Erfahrungen von 1908 keine besseren Fundergebnisse als die Lackmus- 
Nutrose-Milchzucker-Agarplatte gezeitigt hatte. Die unten näher be¬ 
sprochenen Keime wurden dort bei sehr vielen Fällen zahlreich, bei nicht 
wenigen sehr zahlreich, bei mehreren anscheinend nahezu in Reinkultur 
und nur bei ganz vereinzelten Fällen in spärlichen Kolonien heraus¬ 
gezüchtet. Unter den aufgesproßten Kolonien wurden die unverfarbten 
oder blauen herausgesucht, von dort auf Schrägagar verimpft und im 
hängenden Tropfen untersucht. Vom Agar aus fand alsdann die Färbung 
und zwar auch die nach Gram statt; dabei kann gleich erläutert werden, 
daß nur gramnegative weiter bearbeitet wurden; grampositivo, die sich 
irgendwie verdächtig gemacht hätten, kamen — außer Streptokokken — 
kaum zu Gesicht. Die Untersuchung auf Gelatine mußte fortbleiben, weil 
es mit zu großen Schwierigkeiten verknüpft war, in der feuchten Hitze 
die Gelatine fest zu behalten. Vom Agar aus wurden die weiteren kulturellen 
Durchprüfungen ausgeführt, nachdem bei hochgradigem Verdacht auf ein 
bestimmtes Bacterium eine orientierende Agglutinationsprobe mit spezifischem 
Serum gelegentlich schon auf der blauen Platte oder auf dem Schrägagar 
versucht war. 


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Gck igle 


Original frum 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



378 


Mabtini : 


Zum Differenzieren der Keime dienten folgende Nährböden: 

1. Schräg-Agar. 

2. Lackmus-Nutrose-Mannitlösung; Gärungsröhrchen. 

3. „ „ -Milchzuckerlösung. 

4. „ „ -Traubenzuckerlösung. 

6. Neutralrotagar. 

6. Lackmusmolke, 
und von 1910 ab auch 

7. Milch. 

8. Lackmus-Nutrose-Maltoselösung. 

9. „ „ -Saccharose. 

Die kulturellen Eigenheiten der bekannten Ruhrerreger, wie B. Shiga- 
Kruse, B. Flexner, B. Y. (Bacterium der Ruhr der Irren, Kruse) und 
B. Strong werden als bekannt vorausgesetzt, im folgenden nicht besonders 
aufgeführt werden; sie finden sich gut zusammengestellt im Kolle-Hetsch 
und Kolle-Wassermann (Lentz) (3). Bei den besonderen neuen Keimen 
sollen nur die entsprechenden Abweichungen von diesen aufgeführt werden. 

Die Serumprüfungen wurden mit spezifischen Trockenseris aus dem 
Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin, ausgeführt, die ich der 
Freundlichkeit der Herren Geheimrat Prof. Dr. Gaffky und Prof. 
Dr. Lentz verdanke. 

Widaluntersuchungen mit dem Serum der Patienten mußten bei der 
großen Anzahl von Stuhluntersuchungen — bis auf eine Reihe von 
Dr. Fürth (4) 1909 nach Ablauf der Krankheiten angestellter — aus 
Mangel an Personal und Zeit unterbleiben. 

Ebensowenig konnte die Bereitung hochwertiger spezifischer Aggluti¬ 
nationssera für die einzelnen Keime in Angriff genommen werden; denn 
die hiesigen Kaninchen, für vielerlei Seuchen, namentlich für eine Art Ente¬ 
ritis und für Coccidiose anscheinend weit empfänglicher als die europäischen, 
verendeten an irgend einer dieser Seuchen meist früher, als ein brauchbarer 
Grad von Agglutinationsfähigkeit der Sera erreicht war. Erst im Laufe des 
zweiten Halbjahres 1910 glückte in größerer Zahl die Züchtung von Misch¬ 
lingen zwischen chinesischen und europäischen Kaninchen. Letztere scheinen 
sich bei aufmerksamer Wartung — sie sind wie viele Bastarde tückisch und 
bissig gegeneinander — besser dafür zu eignen, so daß demnächst befrie¬ 
digende Erfolge in bezug auf die Serumherstellung erwartet werden können. 1 
Andere Tiere als Kaninchen standen für diese Zwecke nicht zur Verfügung. 

1 Leider ist inzwischen auch diese Hoffnung wieder zu Schanden geworden, da 
während der Lungenpest-Gefahr 1911 die Anlieferung von Kaninchen durch Chinesen 
für die Wutsohutzstation ausblieb und deshalb der größte Teil der Bastarde für die 
Erhaltung des Wut-Virusfixe verbraucht werden mußte. 


Digitizetf by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Mikbobiologische Ebeabbtjngen bei Dabmebkbankungen. 879 


Die Krankheitserreger. 

Bei Beschreibung der einzelnen Erreger sei gleich vornweg bemerkt, 
daß ein Teil der Dannerkrankungen, die 1908 noch eine große Rolle 
spielten, — gemeint sind die durch zwei Gruppen besonderer Erreger 
verursachten, leichten Erkrankungen, die bis dahin mit Beginn der Haupt¬ 
regenperiode auftraten und alsbald danach verschwanden — 1909 nach 
Einschränkung der Gelegenheit zu ihrem Eindringen in den menschlichen 
Körper stark abnahmen und 1910 nach Beseitigung dieser Gelegenheit 
gänzlich fortblieben, ein sprechender Beweis für ihr Beteiligtsein an den 
damaligen Erkrankungen; letzteres muß hier besonders hervorgehoben 
werden, weil ein Beweis durch Serumversuche mit Agglutination oder 
Präzipitation unter den hiesigen Verhältnissen sich damals nioht er¬ 
möglichen ließ. 

1909 kam es aus äußeren Gründen (Krankheit des Bakteriologen) 
nicht zu Untersuchungen in größerem Maßstabe. 

1910 wurde nach Möglichkeit das Versäumte vom Verfasser, der den 
bakteriologischen Dienst bis auf einige Tage Dienstreise, während der 
Dr. Fürth ihn vertrat, wieder allein versah, nachzuholen gesucht. 

Der zeitliche Ablauf der Epidemie vollzog sich 1909 und 1910 im 
großen und ganzen wie 1908. 1910 setzte sie — infolge zahlreicher Er¬ 
krankungen durch ungeeignete Nahrungsmittel bei einem der hiesigen 
Truppenteile — am 26. VII. ein und zwar namentlich gleich auch mit 
Fällen leichter Ruhr; wahrscheinlich infolge klimatischer Einflüsse, länger 
anhaltender Feuchtigkeit, dauerte sie länger als früher. 

Aus besonderen hier nicht näher zu erörternden Gründen wurden alle 
mit Blutbeimengungen einhergehenden, fieberlos oder fieberhaft verlaufen¬ 
den Fälle von Darmkatarrh als Ruhr bezeichnet. Dabei trat gelegentlich 
auch ein einfacher unblutiger Darmkatarrh, durch einen bekannten gift¬ 
armen Ruhrerreger, z. B. Bacterium Y. bewirkt, in die Erscheinung. Das 
gleiche kann von weiteren noch näher zu beschreibenden als Erreger ver¬ 
dächtigen Keimen gesagt werden. 

Auch kamen in dieser Zeit die gleichen klinischen Abstufungen in 
einer großen Reihe von Fällen vor, in denen Krankheitserreger besonderer 
Art überhaupt nicht nachgewiesen werden konnten. 

Danach wurden zur Zeit der Hauptdarmkrankheitsperiode alle leichteren 
Erkrankungen dieser Art, seien es nun solche mit blutigen oder bloß 
schleimigen oder nur einfach diärrhoischen Entleerungen, — vorausgesetzt, 
daß es nicht typhöse oder typhusartige waren — klinisch sämtlich als 
eine gewisse Einheit beurteilt, unter gleichzeitiger Beachtung des bakterio- 


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Mabtou : 


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logischen Ergebnisses hinsichtlich der Ätiologie, der Infektiosität der einen, 
der Nichtinfektiosität der anderen Fälle. 

Die Shiga-Kruse-Ruhren hingegen, die durch hochgiftige und hierdurch 
von obigen völlig verschiedene Keime veranlaßt, gemeinhin schwer ver¬ 
laufen, und die bekanntlich ganz anders als die Bakterienruhr verlaufende 
Amöbenruhr, ein überaus chronischer Krankheitsprozeß, müssen beide für 
sich als eigene Seuchen betrachtet werden. 


Die bakteriellen Erreger. 

Unter den Erregern leichter Rubren und Darmkatarrhe spielte 1910: 

1. die Hauptrolle das 1908/09 vom Unterzeichneten hier festgestellte 
B. Y. oder Bacterium der Ruhr der Irren (Kruse); 19 Fälle, von denen 
einer gleichzeitig B. Flexner aufwies. 

Diese Tatsache des ziemlich häufigen Vorkommens des B. Y., dürfte 
als ein Fingerzeig für die Ätiologie dienen; wie bei den Irren wohl die 
Übertragung durch unmittelbare Kotverteilung stattfindet, so wird dies 
allem Anscheine nach hier durch unsauber gehaltene Hände der Diener¬ 
schaft besorgt. Beiläufig bemerkt, wurde im Februar 1911 — gelegent¬ 
lich der Pestverhütung und -Bekämpfung — bei einem ruhrkranken 
chinesischen Landstreicher, der auf der Straße lagerte und blutige Stühle 
entleerte, B. Y. festgestellt. 

Eine Art „Bazillenträger“ von B. Y. wurde in einem Typhuskrankeu 
des Lazaretts zufällig herausgefunden. 

Von den sonst mit B. Y. behafteten hatten 5 solche Stämme, die die 
Lackmusmolke nach 2 bis 13 Tagen bläuten; 12 führten solche, die wie 
das heimische B. Y. die Lackmusmolke schon nach 24 Stunden röteten 
und so auch hielten, ein einziger endlich wies 2 Y-Stämme auf von denen 
der eine sie bläute, der andere sie rötete. Der Ausfall der spezifischen 
Agglutination erwies sie sämtlich als B. Y. 

Außer den durch Kulturserien und Serumprüfung bestimmten Bak¬ 
terien dieser Art fand sich hier ein ähnliches, das morphologisch wie 
kulturell ihm glich, aber durch das für dieses spezifische Serum nicht 
agglutiniert wurde, 2 Fälle. Die Erkrankungen, die letzteres erzielte, 
waren ebenso leichte wie die von ersteren. 

2. B. Flexner; 7 Fälle, darunter der bei B. Y. erwähnte eine Fall 
gleichzeitig mit B. Y. Unter anderem wurde B. Flexner auch bei einem 
von jeglichen Ruhr- und Darmkatarrherscheiuungen freien Menschen 
festgestellt; damit ist hier zum ersten Male ein sogenannter Bazillenträger 
mit B. Flexner erwiesen. 


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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmerkrankungen. 881 


Außer diesen durch Kulturserien und Serumprüfung bestimmten 
B. Flexner fand sich bei ßuhr- und Darmkatarrhkranken ein ähnliches, 
das ihm morphologisch wie kulturell gleicht, aber durch das für dieses 
spezifische Serum nicht agglutiniert wurde; 2 Fälle. Letztere Sorte war 
schon 1908 vom Unterzeichneten vereinzelt beobachtet, wurde aber 
damals, weil weder dem damaligen Sammlungsstamm noch dem vor* 
handenen spezifischen Serum getraut wurde, noch nicht weiter hervor* 
gehoben. Auch fand sich ein drittes ihm sehr ähnliches Stäbchen 
(3 Fälle), das durch „Bläuung der Lackmusmolke nach 2 Tagen“ und die 
fehlende Agglutination sich von ihm unterschied. 

3. B. Shiga-Kruse wurde in 8 Fällen aus dem Stuhle von Kranken 
mit den typischen Erscheinungen gezüchtet, die sich hinsichtlich der 
Schwere zu den anderen wie etwa Cholera zu einfachem Durchfall ver¬ 
hielten; es waren sämtlich schwerste Bühren. Zwei der Kranken starben; 
das bei ihnen geprüfte Heilserum äußerte bei einem Kranken einen 
zweifelhaften, bei keinem einen sicheren Erfolg. Geschadet hat es in 
keinem Falle; die Versuche werden deshalb fortgesetzt. 

Zu den kulturellen Eigenheiten ist hier zu bemerken, daß der eigen¬ 
tümliche Spermageruch der B. Shiga-Kruse-Kulturen niemals fehlte, daß 
er aber auch sonst bei manchen Bakterienarten, gelegentlich auch bei 
Stämmen von B. coli wahrgenommen wurde; er ist deshalb nur insoweit 
für eine charakteristische Eigenheit und damit für ein diagnostisches 
Hilfsmittel anzusehen, als er — nach unseren heutigen Kenntnissen — 
bei den Shiga-Kruse-Bakterien nicht fehlen soll, — ohne daß damit jedoch 
gesagt ist, daß er ihnen allein zukommt. 

a) Außer diesem echten Shiga- Kruse -Bacterium wurde ein ihm 
morphologisch und — bis auf Fehlen von Spermageruch — kulturell 
gleichende gezüchtet, das sich aber durch Mangel von Agglutination 
mittels spezifischen Serums deutlich von ihm unterschied; 16 Fälle; 
mit Ausnahme von 4 waren es sämtlich Bühren. 

b) Diesem wieder ganz ähnlich verhielt sich morphologisch und 
kulturell ein Bacterium, das sich durch Alkalisierung der Lackmusmolke 
nach 4 bis 6 Tagen von ihm unterschied. Durch spezifisches Shiga- 
Kruse-Serum wurde es ebensowenig wie dieses agglutiniert; 12 Fälle; mit 
Ausnahme von 2 waren es Bühren. 

Auf die Spielarten a) und b) wird namentlich deshalb besonders auf¬ 
merksam gemacht, weil sie dazu verführen könnten, daß bei Prüfungen von 
Buhrheilserum, wenn die gefundenen bakteriellen Erreger z. B. aus Zeit¬ 
mangel bei ausgedehnter Epidemie nicht serologisch festgestellt werden 
können, derartige ziemlich ungefährliche Keime als richtige Shiga-Kruse- 


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Mabtini: 


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Bakterien eingeschätzt, und danach Schlüsse auf Heilergebnisse gefolgert 
werden, die gänzlich unberechtigt sind. 

Zu a) sind auch die 8 Fälle vom Shiga-Kruse-Typus zu rechnen, die 
ich 1908 gefunden und im Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene 1910 
erwähnt habe (vielleicht auch das 1907 in einem Falle gefundene 
T re mb ursche (5) Pseudoruhrbacterium, das sich leider nicht mit Sicher¬ 
heit in Parallele bringen läßt, weil nur spärliche kulturelle Merkmale 
darüber vorliegen); sie wurden damals, obwohl sie in der Tat keine 
Agglutination mit dem entsprechenden Serum ergaben, dennoch kurzweg 
als Shiga-Kruse-Typus bezeichnet, — einfach weil dem Serum, das schon 
mehrere Jahre alt war, nicht getraut wurde. Heute weiß ich durch in¬ 
zwischen ausgeführte zahlreiche Versuche, daß die Trockensera des 
Instituts für Infektionskrankheiten zu Berlin, selbst wenn sich auch die 
einzelnen Kristalle nicht mehr lösen, sich mit Sicherheit mindestens 
4 Jahre auf ihrer spezifischen ßeaktionshöhe halten; deshalb kann ich die 
8 Stämme von 1908 heute nicht als echte Shiga-Kruse-Bakterien, sondern 
nur als solche eines ihnen kulturell wie morphologisch gleichen¬ 
den Typs bezeichnen. Die betreffenden Krankheiten waren durchaus zu 
denen von der Klasse der durch giftarme Ruhrbakterien verursachten zu 
zählen. Dies zur Berichtigung der Arbeiten von 1908. 

c) Von dem letzten, d. h. dem unter b) aufgeführten Typus unter¬ 
schied sich kulturell nur wenig eine dritte Art, — dadurch, daß sie die 
Lackmusmolke nicht erst nach 4 bis 6 Tagen, sondern schon nach 
24 Stunden bläute, während sie sich auf den Nährböden sonst ebenfalls 
wie B. Shiga-Kruse verhielt, — 3 Fälle, darunter 2 mit Ruhr, 1 mit 
fieberhaftem, chronischem Darmkatarrh, bei dem eine Mischinfektion mit 
einem kulturell dem B. Shiga-Kruse gleichenden Keim (s. oben bei a) 
und mit einer Art B. faecalis alcaligenes bestand —, und 

d) eine vierte, bei der als weiterer Unterschied vom kulturellen Ver¬ 
halten des B. Shiga-Kruse bei früher Bläuung der Lackmusmolke nur 
die Gerinnung der Milch in 2 bis 3 Tagen hinzukam — 3 Fälle, alle 
drei Rühren. 

Hierbei sollen als Anhang kurz noch vier weitere Arten aufgeführt 
werden, deren mit dem B. Shiga-Kruse gemeinsames Gleiches ein gleiches 
Verhalten gegen Lackmus-Nutrose-Mannit, Lackmus-Nutrose-Milchzucker-, 
Lackmus-Nutrose-Saccharose-Lösung war, deren gemeinsames Abweichendes 
von diesem die Bildung von Gas aus Traubenzucker und die Säuerung 
von Lackmus-Nutrose-Maltose-Lösung war. 

e) Letztere beiden Eigenschaften charakterisierten die erste dieser 
4 Gruppen, 5 Fälle, sämtlich Rühren, 


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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darm Erkrankungen. 383 


f) hierzu eine weitere Eigenschaft, Bläuung von Laokmusmolke nach 
2 bis 4 Tagen, eine andere in 4 Fällen, sämtlich Rühren, 

g) eine andere Eigenschaft, als Blänung der Lackmusmolke, nämlich 
Gerinnung der Milch nach 4 Tagen, die folgende, — 1 Fall, Darmkatarrh, 

h) letztere beiden Eigenschaften zusammen, d. h. Lackmusmolke- 
Alkalisierung und Milchgerinnung nach 2 bis 3 bzw. 4 bis 11 Tagen die 
letzte, — 3 Fälle, davon 1 mit Darmkatarrh, 2 mit Rühren, von denen 
die eine anfänglich an die Shiga-Kruse-Ruhr erinnerte, dann aber im 
weiteren günstigen Verlaufe davon ab wich. 

Diese Sorten e—h, fanden sich sonst ausschließlich nur bei leichten 
Rühren und vereinzelten Darmkatarrhen, niemals bei schweren Rühren 
der Shiga-Kruse-Art. 

4. Das Vorkommen eines von Prof. Dr. Lentz als eine Art B. Strong 
bezeichneten Stäbchens stellte ich 1910 hier fest, bei 5 Ruhr- und 1 Darm¬ 
katarrh-Kranken. Es unterschied sich deutlich von dem Original-Strong, 
dadurch, daß es die Milch (in 5 bis 8 Tagen) zur Gerinnung brachte, 
Lackmus-Nutrose-Milchzuckerlösung nach 4 bis 10 Tagen, sowie Lackmus- 
Nutrose-Maltose-Lösung und Lackmus-Nutrose-Saccharose-Lösung in 
24 Stunden säuerte, während dieses die Lackmus-Nutrose-Milchzucker- 
lösung blau läßt, Milch nicht gerinnen macht und nur die Saccharose 
säuert, die Maltose hingegen unbeeinflußt läßt [Lentz (6)]. 

Die gleichen kulturellen Eigenschaften, wie unser Strong-ähnliches 
zeigte das oben erwähnte durch die Freundlichkeit von Prof. Dr. Lentz 
mir zugesandte Stäbchen, das als ein B. Strong von Prof. Dr. Kruse, 
Königsberg, herstammte. Durch entsprechende Behandlung eines 
Kaninchens mit diesem Königsberger Strong-Stamm wurde ein spezifisches 
Serum gewonnen, das den dazu gehörigen und die hiesigen Stämme in 
nahezu gleich feinen Verdünnungen agglutinierte. An dem Vorkommen 
dieses Bacteriums im Schutzgebiete ist sonach nicht zu zweifeln. 

5. An keine der seither bekannten Gruppen ließ sich die folgende 
anreiben; sie wird deshalb als besondere beschrieben. Die Bakterien, un¬ 
beweglich wie die geschilderten Ruhrbakterien, verhielten sich sonst 
kulturell 

a) genau wie Paratyphus A.-Bakterien, — 3 Fälle, darunter 2 Rühren, 
1 Darmkatarrh. 

b) Wie a), bis auf Rötung von Lackmus-Nutrose-Saccharoselösung und 
Gerinnenlassen von Milch nach 5 bis 8 Tagen, — 4 Fälle, davon 3 Rühren, 
1 Darmkatarrh. 

c) Wie Paratyphus — B. - Bakterien, — 4 Fälle, davon 2 Darm¬ 
katarrhe, 2 Rühren. 


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Martini: 


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d) Wie c) bis auf Gerinnenlassen der Milch nach 4 bis 13 Tagen — 

12 Fälle, davon 7 Rühren, 5 Dannkatarrhe. 

6. Diese Gruppe betraf Fälle mit gleichfalls unbeweglichen Stäbchen; 
kulturell verhielten sie sich aber wie B. faecalis alcaligenes; 4 Fälle; davon 

2 Rühren, 2 Darmkatarrhe. 

7. Von obigen 6 Keimgruppen unterschied sich die hier folgende 
schon von vornherein durch die Beweglichkeit der Bakterien. 

Im übrigen verhielt sie sich kulturell wie 5 d); d. h. sie unterschied 
sich kulturell von Paratyphus B.-Bakterien nur durch „Gerinnenlassen 
von Milch nach 3 bis 7 Tagen“, — 5 Fälle, davon 2 Rühren, 3 Darmkatarrhe. 

8. An weiteren beweglichen Bakterien wurde bei Krankheitsfällen 
genannter Art eine Gruppe festgestellt, die sich von Gruppe 7 nur da¬ 
durch unterschied, daß sie die Lackmus-Nutrose-Saccharose-Lösung rötete, 
also von Paratyphus B.-Bakterien sowohl hierdurch als auch durch Ge¬ 
rinnenlassen der Milch unterschieden war, — 4 Fälle, davon 3 Rühren, 

1 Darmkatarrh. Letzterer zeigte sich besonders hartnäckig. Er ging bei 
starken Durchfällen mit Milz — und Leberschwellung einher; Blut wurde 
dabei im Stuhle vermißt. Fieber fehlte. Große Schwäche stellte sich ein. 
Neuralgien in den verschiedensten Nervengebieten schlossen sich an und 
blieben noch nach Monaten bestehen. Das Gesamtbild machte den Ein¬ 
druck einer chronischen Fleischvergiftung. 

9. Eine weitere Gruppe beweglicher Bakterien bot die morphologischen 
und kulturellen Merkmale des B. faecalis alcaligenes, 8 Fälle, darunter 

3 Rühren, 2 Darmkatarrhe und 3 derzeit Gesunde. Die Gruppen 4, 5. 

6, 7, 8 und 9 müssen nach dem meist leichten Verlaufe der ent¬ 
sprechenden Krankheiten im allgemeinen ebenfalls den giftarmen Ruhr¬ 
bakterien zugerechnet werden. 

10. Endlich müssen an bakteriellen Keimen, die oft genug, namentlich 
bei den Fällen mit blutigen Entleerungen, in den Verdacht kamen, die 
Krankheitserreger zu sein, — noch Streptokokken erwähnt werden; sie 
wurden nicht selten nahezu in Reinkulturen gezüchtet. Solche Fälle j 
häuften sich namentlich gegen das Ende der Sommerepidemie hin und 
zwar oft wohl als schließliche Komplikationen zu Darmerkrankungen auf 
anderer bakterieller oder sonstiger Grundlage, wie dies bereits 1910 in der J 
Veröffentlichung, Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene, ausgeführt ist 

Mitten hinein in diese Erkrankungen spielten solche, die auf In¬ 
fektion mit tatsächlichen Paratyphus A- und B-Bakterien zurückzuführen 
waren, — ohne daß sie jedoch den Eindruck eines typhösen Verlaufes 
machten. Sie wurden durch Kulturserien und Agglutination mit hoch¬ 
wertigem, spezifischem Serum erwähnter Herkunft festgelegt. 


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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmerkrankungen. B85 


Ein Fall von Paratyphus A. wurde im Spätherbst 1909 und 4 Fälle 
von Paratyphus B. 1910 von mir auf diese Weise herausgefunden; letztere 
brachten damit die erste Feststellung von Paratyphus B-Bakterien im 
Schutzgebiet. Der Paratyphus A.-Fall stellte sich als eine chronische, mit 
Blutstühlen einhergehende Durchfallerkrankung dar; von den letzteren 
boten zwei die Erscheinungen eines akuten Darmkatarrhs, — davon der 
eine eines leichten, fieberlos verlaufenden, der andere eines mit geringem 
Fieber einhergehenden, — der dritte die Zeichen einer Ruhr mit giftarmen 
Ruhrbakterien und der vierte das Bild eines chronischen, nahezu fieberlos 
verlaufenden Darmkatarrhs. Die Bakterien des letzteren Falles hatten 
dabei die konstante Eigenschaft, daß sie die Lackmusmolke nach baldiger 
Rötung dauernd rot hielten und nicht —, wie es die Paratyphus B.-Bak- 
terien sonst zu tun pflegen, — nach einigen Tagen in Blau Umschlagen 
ließen. Auf die sonst stimmenden morphologischen und kulturellen Eigen* 
schäften, sowie auf die Agglutination bis zur Titergrenze des spezifischen 
Serums hin wurden sie gleichwohl dieser Gruppe zugezäblt. 

Ohne Beziehungen zu den sommerlichen Häufungen der Darm* 
erkrankungen blieben die im allgemeinen vereinzelten Typhus- und einzelne 
im März 1911 aufgetretene Flecktyphusfalle, von denen die letzteren sich 
ereigneten, als die Chefarztgeschäfte bereits von meinem Nachfolger, 
Marine-Oberstabsarzt Dr. Roh de, übernommen waren. 

Die ersteren waren in den besprochenen Jahren meistenteils durch 
Schiffe eingeschleppt oder betrafen Kranke, die aus dem Inneren Schan- 
tungs zur Wiederherstellung ins Gouvernementslazarett verlegt waren; 
diejenigen, bei denen die Züchtung von Typhusbakterien gelang, verliefen 
wie der heimatliche Typhus. Es war jedoch eine Anzahl klinisch typhus¬ 
ähnlich, aber eigenartig verlaufender Fälle darunter, bei denen die Krank¬ 
heitsursache unaufgeklärt blieb. Ihr näheres Studium steht noch aus. 

Die Flecktyphusfälle beruhten zweifellos auf Einschleppung aus dem 
Hinterlande von Schantung, wo mit dem derzeitigen Zuge der Lungenpest 
Hungerelend und damit das Vorkommen des Hungertyphus als feststehend 
angenommen werden kann. 

Darmprotozoen von hier seither unbekannter Art. 

Erkrankungen durch Darmprotozoen, die in vereinzelten Fällen das 
ganze Jahr hindurch zugingen, begannen sich meist gegen Ende der Bak¬ 
terienruhr-Epidemie zu häufen. Das wiederholte sich auch 1909 uud 1910. 
(Sie werden von den Ärzten der inneren'Station in einer besonderen Arbeit 
beschrieben werden, da diesen die unmittelbare Feststellung oblag.) Sie haben 
aber wie die anderen Rühren 1910 gegen 1908 und 1909 etwas zugenommen. 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 

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M ABTIN i: 


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Vielleicht hängt dies mit der größeren und länger dauernden 
Feuchtigkeit des letzten Sommers, Herbstes und Winteranfanges zusammen. 

An besonderen Darmprotozoen wurden 1910 zwei Arten festgelegt: 

1. Gin Flagellat von der Art Prowazekia cruzi (Hartmann und 

Chagas [7]), der. seither wahrscheinlich vielfach in Stühlen Darmkranker 
gesehen, aber noch nicht näher bestimmt war; zur Gattung Bodo gehörig, 
er ist vielleicht mit Bodo asiaticus Castellanis identisch, den dieser zu¬ 
sammen mit Chalmers im Philippine Journal of Science, Juli 1910 S. 211 
beschreibt und abbildet (8). Er fand sich am häufigsten bei Amöben- 
und Bakterienruhren, seltener bei einfachen Darmkatarrhen. Vom Ver¬ 
fasser ist er in einem Süßwassertümpel des Prostituiertenviertels gefunden 
worden (9). Ob er selbständig Darmerkrankungen hervorrufen kann , ist 
unerwiesen. Reizzustände zu bewirken, wird er wohl imstande sein. , 

2. Ein Ciliat, der zum ersten Male 1910 hier gesehen wurde. Er 

ähnelte dem Balantidium coli, wurde aber als sicher davon verschieden 
erkannt. Durch den Zoologen Prof. Dr. Hartmann vom Institut für 
Infektionskrankheiten zu Berlin wurde er als Uronema bestimmt, eine 
Gattung, deren Arten meist Wasserbewohner sind, und auf Vorschlag des 
Verfassers mit den Beinamen U. caudatum belegt. Die Erscheinungen, 
die zu bewirken er verdächtig ist, werden von den Ärzten der inneren 
Station (Marine-Oberstabsarzt Dr. Staby und Marine-Oberassistenzarzt ! 
Dr. Bodenstein) näher beschrieben. Hier sei nur kurz erwähnt, daß sie 
den akuten Darmsymptomen der Amöbenruhren ähneln, aber leichter als 1 
diese zu beseitigen sind; siehe hierzu Martini, diese Zeitschrift 1910(10); ' 

außer den dort bereits genannten 4 Fällen sind inzwischen weitere 5 auf 
der inneren Station beobachtet worden. 

Lamblia intestinalis, 1908 vom Verfasser zum ersten Male hier uud 
zwar bei einem Falle von chronischem Darmkatarrh in großer Masse als 
einziger der krankmachenden Wirkung verdächtiger Erreger festgestellt, 
hat sich in den folgenden Jahren nicht wieder finden lassen. ; 

An Ruhramöben sind im Berichtsjahre 1908/09, d. h. von Oktober 1908 \ 

bis Ende September 1909 hier 25 Fälle (darunter 2 Rückfälle), im Be- j 

richtsjahre 1909/10, d. h. von Oktober 1909 bis Ende September 1910 * 

hier 24 Fälle (darunter 1 Rückfall) und von Oktober bis Ende Dezember 
1910 noch weitere 14 Fälle der Art (darunter 2 Rückfälle) nachgewiesen 
worden. Von letzteren kamen auf das Kalenderjahr 1910, von Januar 
bis Ende Dezember 27 und davon allein auf die Zeit von Mitte August 
bis Dezember 23 Fälle, wovon wiederum die meisten Zugänge auf die 
Zeit vom September bis November einschließlich entfallen; der Höhepunkt 
dieser Zugänge stellte sich also wie während der früheren Jahre auch im 
Herbst ein. 


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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmebkrankungen. 987 


Kritische Beurteilung der mikrobiologischen 
Stnhlontersnchangeo. 

An bakteriologischen Stahluntersuchungen wurden 1910 in der Haupt¬ 
epidemiezeit des Jahres d. h. diesmal vom 26. VII. bis 31. IX. 1910 381 und 
von da bis Ende des Jahres, Dezember 1910 einschließlich — entsprechend 
der diesjährigen längeren Dauer der Epidemie — noch weitere 95 aus¬ 
geführt, somit insgesamt 476. 

Bei diesen wurden nur 41 mal bekannte Ruhrbakterien und, wie oben 
erwähnt, auf der inneren Abteilung, 23 mal bekannte Ruhrprotozoen, 
Ruhramöben, gefunden; dazu kommen noch 111 Fälle mit den geschil¬ 
derten verdächtigen Keimen. 

Nun sind aber unter den (41 +23) = 64 ersteren und unter den 
111 letzteren zusammen noch 24 Mischinfektionen. Darunter sind Doppel¬ 
infektionen mit bekannten Erregern: 

1. Ruhramöben und Flexnerbakterien einmal. 

2. B. Flexner und B. Y. einmal. 

3. B. Shiga-Kruse und das genannte B. Strong einmal. 

Die Zahl dieser 24 Mischinfektionen muß von (64 + 111) = 175 ab¬ 
gezogen werden, so daß alsdann die Summe der aufgeklärten und wahr¬ 
scheinlich aufgeklärten Fälle noch tiefer sinkt. Danach stellt sich die 
Summe derer mit sicheren Erregern und verdächtigen Keimen tatsächlich 
nur auf 151. 

Aus einer Masse von 476 Rühren und Darmkatarrhen sind somit 
nicht weniger denn 325 zurückgeblieben, bei denen der Verdacht, auf 
Ruhr-, ruhrähnlichen usw. Bakterien oder auf Amöben zu beruhen, durch 
die Untersuchung nicht bestätigt wurde. Dabei soll aber nicht verhehlt 
werden, daß noch bei einer Reihe von diesen (d. h. bei weniger als 50) 
eine ganze Anzahl untereinander und von den oben aufgezählten ver¬ 
schiedener Keime mit besonderen Eigenschaften gefunden sind, die sie 
beim Auftreten in größeren Gruppen ebenfalls als Krankheitserreger ver¬ 
dächtig gemacht haben würden; sie wurden einstweilen zurückgestellt, da 
die oben geschilderten Gruppenprüfungen keine Zeit für nur einzeln in 
die Erscheinung getretene Stämme übrig ließen; ob sie als Infektions- und 
damit möglicherweise Epidemieerreger in Frage kommen, das zu ent¬ 
scheiden muß weiteren Studien Vorbehalten bleiben. Doch werden selbst 
diese schon jetzt noch hinzugerechnet, ja auch größere Parasiten als ver¬ 
dächtige Erreger berücksichtigt, wie z. B. 31 auf der inneren Abteilung 
gefundene „Askariden - Infektionen ohne beweisenden Bakterien- oder 
Protozoenbefund im Stuhl“ (10 bei Darmkatarrhen, 21 bei Rühren), so 
bleibt die Tatsache bestehen, daß für mehr als die Hälfte der unter- 

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388 


Mabtihi: 


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suchten Fälle sich weder besondere bakterielle noch protozoische Keime 
noch größere Darmparasiten als Erreger verdächtigen ließen. 

Hingegen ist mehrfach folgende Beobachtung gemacht worden. 

Es erkrankten im Hochsommer bei einem der hiesigen Truppenteile 
plötzlich auffällig zahlreiche Teilhaber einer bestimmten Menage mit 
Darmkatarrhen und Bühren, während die Teilhaber der anderen Menagen 
und, soweit genaue Erkundigungen ergaben, auch die gesamte übrige 
Garnison wie Bevölkerung gesund verblieben. 

Solcher Beispiele gab es mehrere. Besonderen klimatischen Einflüssen, 
die alle anderen nicht mitgetroffen hätten, auch einer Wasserinfektion 
waren die betreffenden Menagen sicher nicht ausgesetzt gewesen. Nur in 
einem einflußreichen Punkte unterschieden sie sich, — in der Wahl des 
Nahrungsmittels. Das war einmal Kartoffelsalat vom Tage vorher, ein 
anderes Mal Heringsalat, beides Gerichte, die bekanntlich in feuchtheißer 
Zeit einen vorzüglichen Nährboden für Bakterien aller Art darbieten, die 
in ungeheurer Masse verzehrt gar keine infektiösen zu sein brauchen, um 
zu einer schweren, mit blutigen Entleerungen einherzugehenden Darm¬ 
erkrankung zu führen; das durch sie und die Atmosphärilien zersetzte 
Nahrungsmittel tut das Seinige dazu — und eine Buhrepidemie, scheinbar 
durch infektiöse Erreger, ist fertig. Die Untersuchung ergab aber in 
diesen Fällen, die bakteriologisch genau durchgeprüft wurden, keinerlei 
Bakterien — oder sonstige Erregereinheit; im Gegenteil, es fanden sich im 
ersten Falle unter 134 an leichter Buhr bzw. Darmkatarrh Erkrankten 
10 mal kulturell Shiga-Kruse-Bakterien gleichende, 8 mal bis auf Bläuung 
der Lackmusmolke diesen gleichende, nach Ausfall der Agglutinations¬ 
prüfungen aber sicher von diesen zu trennende, je 1 mal B. Y., sowie das 
oben geschilderte B. Strong und schließlich noch 16 aus verschiedenen der 
oben aufgeführten Gruppen, kurz etwa nur 86, also noch nicht der dritte 
Teil mit anerkanntem oder nur einigermaßen verdächtigem bakteriellem 
Keim, der von den Befallenen vielleicht schon längst geführt und bei 
dieser Gelegenheit nur ans Tageslicht gebracht wurde. 

Die zweite Massenerkrankung dieser Art betraf 51 Mann mit Bühren 
bzw. Darmkatarrhen, unter denen bekannte Buhrkeime bei keinem, ver¬ 
dächtige nur bei 3 und auch diese noch als untereinander verschiedene, 
also nur bei dem siebzehnten Teil erwiesen werden konnten. 

Ein dritter Fall einer solchen Epidemie war auf gänzlich unverdauliche 
Erbsen zurückzuführen, die sich noch meist kompakt in dem Blute der 
untersuchten Stühle fanden; 69 Erkrankungen an Buhr bzw. Darm¬ 
katarrhen. Die bakterielle Untersuchung verlief hinsichtlich bekannter 
Ruhrerreger ebenfalls negativ. Verdächtige aus obigen Gruppen wurden 
4 mal nachgewiesen, und auch diese waren noch untereinander verschieden. 


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Mikrobiologische Ebfahbungen bei Dabmebkbanküngen. 389 


Das besagt, daß auch hier nur für den etwa siebzehnten Teil der Er* 
krankten bakterielle Infektion möglicherweise in leisen Verdacht kam, für 
die Hauptziffer hingegen die mechanische Schädigung als Ursache so gut 
wie erwiesen war. 

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß bei den Ruhr- und Darmkatarrh* 
Epidemien Bakterien der hochgiftigen Sorte, Shiga-Kruse-Bakterien, und 
solche der giftarmen Gruppen, — siehe oben — eine Bolle spielen. Hin¬ 
sichtlich der Ansteckungsquelle mit ersteren habe ich feststellen können, 
daß eine ruhrkranke Prostituierte echte Shiga-Kruse-Bakterien führte; 
damit ist eine Gelegenheit für die Weiterverbreitung unter den hiesigen 
Verhältnissen geboten, die an * Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig 
läßt. Für die Flexner- und Y-Bakterien sind der Verbreitung ver¬ 
dächtige Träger oben erwähnt. 

Amöben träger sind bereits ebenfalls zahlreich erwiesen, — in den 
Kranken, die schmerzfrei einhergehen und nur gelegentlich mit sonst 
regelrechtem Stuhle amöbeuhaltige Blutspuren entleeren (11). 

Die Ansteckungsgelegenheiten mit Uronema caudatum und Prowazekia 
cruzi bieten sich in den zahlreichen Süßwassertümpeln des Sommers. 
Mit dem Kot hier hineingeschwemmte Ruhrerreger bakterieller Art mögen 
mit ihnen vergesellschaftet auf diesem Wege durch gespülte Wäsche oder 
•Gefäße zu den Menschen gelangen. 

Eine etwa gleichgroße, eher etwas größere Masse der Erkrankungen 
an Ruhr und Darmkatarrhen stellt sich — nach meinen etwa 4jährigen 
Erfahrungen am Orte — unzweifelhaft als Nahrungsmittelvergiftungen 
dar und zwar meist entstanden durch Nahrungsmittel, die in der feucht¬ 
heißen Zeit infolge Zersetzung durch bakterielle oder sonstige chemisch 
wirkende Einflüsse zu Mitteln umgesetzt sind, die den Darm bis zu 
schweren Entzündungen mit blutigen Entleerungen reizen können, zumal 
dann wenn noch Vermehrung von Bakterien Platz greift, auf deren be¬ 
sondere Art es dabei in vielen Fällen anscheinend gar nicht so sehr an¬ 
zukommen braucht. 

Die gleichen Schädigungen können auf mechanisch reizendem Wege 
unverdauliche Nahrungsmittel (z. B. die obenerwähnten Erbsen) erzielen. 
Unterstützt wird die krankmachende Wirkung zweifellos durch besondere 
Witterungseinflüsse auf den stark schwitzenden menschlichen Körper, 
z. B. durch plötzliche Abkühlungen des Bauches in der feuchtheißen 
Sommerszeit, wozu sich sehr häufig Gelegenheit bietet. Auch das Trinken 
imassenhafter Flüssigkeitsmengen, die zum Ersatz der durch Schweiß ver¬ 
lorenen unbedingt nötig sind, kann nicht ohne Bedeutuug für die Ent¬ 
wicklung der gesundheitswidrigen Vorgänge im Darm sein. Eine nahezu 
indifferente Flüssigkeit, wie das einfache Trinkwasser, wird, in großen 


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390 


Mabtlni: 


Mengen genossen, die „natürlichen Schatzchemikalien gegen zu starkes 
Wachstum Ton Bakterien und sonstigen Keimen“ sehr verdünnen, so daß 
sie sich, weniger gehemmt als sonst, reichlicher vermehren können. 

So erklärt sich die alljährliche Häufung der Ruhr- und Darmkatarrb¬ 
erkrankungen im Schutzgebiete Kiautschou also nicht bloß durch Einwande¬ 
rungen infektiöser Bakterien oder Protozoen oder Askariden usw. in den 
Darm,, sondern auch unzweifelhaft durch einfache sogen. Nahrungsmittel¬ 
vergiftungen oder -reizungen und in gewissem Sinne klimatische Einflüsse. 


Zusammenstellung und Schutzmaßregeln. 

Die Maßnahmen gegen ein Auftreten dieser Sommerepidemien er¬ 
gaben sich darnach von selbst; sie sind bereits größtenteils in meiner 
oben erwähnten Arbeit (12) aufgeführt. 

„Es wird die Aufgabe einer hygienischen Überwachung in bezug auf 
die DarmkTankheiten hiesiger Gegend sein: 

1. das Trinkwasser andauernd gefahrlos genußfahig zu erhalten, z. B. 

a) durch stete Überwachung der Zentralanlage zwecks sofortiger Ab¬ 
hilfe bei Verseuohungsgefahr; 

b) in den einzelnen Haushalten durch 5 Minuten langes Kochen des 
für Trinkwasserzwecke oder Limonaden usw. bestimmten Leitungswassere; 
in porösen, am besten hoch im Winde aufgehängten Tonkrügen ist schnell 
Abkühlung erzielt. Ein einwandfreies, kühles Getränk ist fertig und kann 
— selbst während der Hochwasserzeit mitten im verseuchten China — 
ohne Gefahr als willkommene Erfrischung genossen werden. 

2. a) Die Darmkranken sofort zur Untersuchung und Behandlung, 
d. h. zur Befreiung von möglicherweise ihnen selbst sehr gefährlichen und 
auf andere übertragbaren Keimen zu bewegen, wobei die Hausköche, -boys 
und -kulis nicht zu vergessen sind, da sie mit den Bewohnern durch 
vielerlei Gelegenheiten, z. B. bei dem Speisebereiten, Geschirreinigen, Ser- 
viettenlegen „(die Servietten müssen in besonderen, gut schließenden Taschen, 
geschützt gegen Berührung durch fremde Hände, gehalten werden)“ usw., 
stets in nächster Berührung stehen. Es empfiehlt sich dringend, in der 
kritischen Zeit, Juli bis Oktober, die Chinesen des Haushaltes mindestens 
etwa alle 8 Tage durch einen Arzt untersuchen, Seuchenkranke sofort in 
Isolierung und Behandlung nehmen zu lassen. Für diese Zwecke er¬ 
scheinen die beiden hiesigen Chinesenkrankenanstalten geeignet; 

b) häufigere Reinigung der Hände vorzunehmen, das Bedientenpersonal 
dauernd hierzu anzuhalten, sowie für äußerste Sauberkeit in der Wohnung, 
namentlich in Küchen, Kellern und Anrichten (Eßgerät usw.) ständig 
Sorge zu tragen, 


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Mikrobiologische Erfahrungen bei Darmerkbankungen. 391 


3. in den Zeitläufen der Epidemien dem sachgemäßen Genuß der 
Früchte gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Die Früchte, meist 
durch schmutzige Hände gegangen, müssen kurz abgebrüht und rein 
abgespült werden; vor dem Genuß ist dann die leicht abzulösende Schale 
zu entfernen. Das ist selbst bei den Weintrauben, da sie hier bis zur 
Größe stattlicher Kirschen erhältlich sind, kein allzugroßer Tribut, der 
dem Gesund bleibenwollen gezahlt wird, 

4. der Fliegenvertilgung sich eitrigst zu widmen und zwar besonders 
im Spätsommer und Herbst; es ist dann gerade die Zeit, in der sich diese 
eklen Zweiflügler am leichtesten vernichten lassen, weil sie, bereits weniger 
beweglich, am ehesten und zwar gleich in größerer Menge auf einmal 
zu fassen sind. 

Die Mittel, die in Frage kommen, sind Fliegenfenster, Drahtschutz¬ 
glocken über den Speisen, Fliegenpapier, in erster Linie „Tanglefoot“, 
Fliegenglocken, Dalmatiner Insektenpulver und praktische Fliegenklatschen. 
Von letzteren habe ich eine angegeben, die mit besenartig angeordneten, 
schmalen, leichten Ratangstreifen die Fliegen treffen läßt und sie hierbei 
flugunfähig macht, ohne sie gleich auf der Stelle zerquetschen und den 
mitgetroffenen Gegenstand mit ihnen beschmutzen, d. h. möglicherweise 
infizieren zu müssen; sie ist billig (15 Cents) und deshalb für Massenbe¬ 
trieb geeignet. Seit 1 Jahr (nunmehr bereits seit 3 Jahren) bat sie sich 
hier in diesem Hauptfliegenlande bereits als brauchbar bewährt. (Die in 
der Heimat angewandte, nach gleichem Prinzip hergestellte, teuere Draht¬ 
klatsche erfüllt den geschilderten Zweck nicht in gleich günstiger Weise.) 
Auch scheinen die chemischen Mittel zur Fliegenmadentötung, wie Saprol 
und Schistol, gelegentlich Erfolge gehabt zu haben. Es muß vermieden 
werden, daß Dung und Kehricht bei den einzelnen Gehöften sich an¬ 
sammeln. Allabendlich zwischen 8 und 12 Uhr mnß die tägliche Dung- 
und Kehrichtanhäufung abgefahren werden. Die menschlichen Entleerun¬ 
gen kommen hier weniger in Betracht, weil sie größtenteils durch Kana¬ 
lisation beseitigt werden. Im Winter mnß das trockene Laub umgeharkt 
werden, damit die Fliegenlarven an die Oberfläche kommen und erfrieren; 
schließlich ist es tief, etwa 1 /, m tief zu vergraben. Viehfutter ist an 
Frosttagen zu lüften und umzuschütten, damit die Larven auch hierin 
durch Frost vernichtet werden. 

Um diese Absichten zu verwirklichen, sind Belehrungen des Publikums 
durch Vorträge und Zeitungsartikel nötig. Dabei wird auch derjenige 
besondere persönliche Schutz nicht unerwähnt bleiben dürfen, den jeder 
aus sich selbst heraus durch Verhütung einer Herabsetzung seiner Wider¬ 
standsfähigkeit gegen die besprochenen Krankheiten erreichen kann. In 
dieser Beziehung sei warnend hervorgehoben, daß der Genuß schwer ver- 


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392 


Martini: 


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baulicher, darunter namentlich mangelhaft zerkauter Nahrungsmittel, eine 
nicht zu verkenuende Rolle bei dem Ausbruch der Darmerkrankung so 
mancher Person zu spielen scheint. So fanden sich in einer Reihe von 
Stühlen Darmkranker massenhaft grobe Reste, z. B. roher Zwiebeln, 
Gurken, von Erbsen, Bohnen, Linsen, Tomaten, Weinbeeren, Zimt¬ 
stücken, Apfelsinengehäusen, Spargeln und sehnigen Fleischstücken. Durch 
sie dürfte ein Reizzustand mit Erhöhung der Empfänglichkeit für die 
Haftung, Entwicklung und Vermehrung krankmachender Keime bedingt 
werden, ein Einfluß, wie er wohl auch den hier zahlreich geführten Ein¬ 
geweidewürmern (Cestoden, Askariden, Oxyuren und Flagellaten) beige¬ 
messen werden muß, sofern sie nicht schon allein durch sich selbst schwere 
Darmstörungen hervorrufen, die ganz das Bild einer Ruhr selbst bis zu 
eiuem Askariden-Leberabszeß bieten können [Fülleborn (13), Bö hm (14)]. 

Hieraus ergibt sich als Verhalten für die einzelnen: 

1. schwerverdauliche Gerichte in der erwähnten Zeit möglichst zu 
vermeiden, rohe Gemüse und Früchte nur nach sorgfältigem Zerkauen 
herunterzuschlucken, 

2. reizende Reste durch eine von Zeit zu Zeit eingeleitete Abführungs¬ 
kur, am einfachsten mit Oleum Rizini oder Latwerge — etwa alle 
4 Wochen — aus dem Darm zu entleeren, 

3. den Stuhl auf Eingeweidewürmer, z. B. Band- und Spulwürmer, 
täglich selbst durchzusehen und ihn außerdem gelegentlich auf die Eier 
dieser Würmer hin durchsuchen zu lassen. Im Falle ihres Vorhandenseins 
müssen alsbald die entsprechenden Kuren — hier die Bandwurmkur 
(z. B. mit Farnkrautextrakt), dort die Wurmkur (mit Santonin) — eingeleitet 
werden. Ja, es würde kein Zuviel des Guten sein, wenn die hiesigen Ein¬ 
wohner, wie Leute von anderen Plätzen Chinas es tun, auch hier ohne 
weiteres alle 3 Monate einer Santoninkur sich für alle Fälle unterwerfen 
wollten“. 

Hier soll heute noch auf folgende Punkte besonders hingewiesen werden: 

1. Das chinesische Bedienungspersonal muß unermüdlich zu größter 
Sauberkeit erzogen werden, d. h. neben allem in dieser Hinsicht bereits 
empfohlenen ist nach Möglichkeit für reichliche Badegelegenheit der 
Chinesen auf dem Gehöfte selbst, am besten für die Einrichtung eines 
eigenen Chinesenbaderaumes zu sorgen, an dem es leider fast in allen 
Haushalten seither mangelt. 

2. Wie schon früher, so wird auch hier nochmals au eine sachgemäße 
Auswahl und Behandlungsweise der Nahrungsmittel erinnert. Vor allem 
ist daran festzuhalten, daß in der feucbtheißen Zeit alle Speisen frisch 
genossen werden müssen, damit sie nicht erst Zersetzungen durch bak- 


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Mikrobiologische Erfassungen bei Darmebkrankungen. 393 


terielle oder sonstige Einflüsse unterliegen können. Freilich könnte ein 
sorgfältig kontrollierter Eisschrank diesen Fährlichkeiten teilweise Vorbeugen. 
Ob dessen Kontrolle aber stets eine ausreichende sein wird? Dies Risiko 
wird der Besitzer im unvermuteten Versagensfalle unter Umständen mit 
seinem eigenen Leibe teuer bezahlen müssen. 

3. Nahe liegt es, die Träger ansteckender Keime, die sogenannten 
Bazillenträger, unter Europäern wie Chinesen ausfindig zu machen, eine 
Maßregel, die jedem der heutigen Bakteriologen sozusagen bereits in 
Fleisch und Blut übergegangen, in der Heimat weithiu geübt und hier vom 
Unterzeichneten, sowie von seinem Vorgänger Trembur (15) ebenfalls 
in Betracht gezogen ist. Zunächst langte jedoch für den Unterzeichneten 
und seinen Vorgänger bei der außerordentlichen Fülle von Untersuchungen 
mannigfaltigster Art und bei dem gleichzeitigen Arbeiten mit der Wut¬ 
schutzimpfung die Zeit knapp dazu, die in Betracht kommende reichliche 
Bakterienflora zu sammeln, geschweige denn unter Gesunden nach Keim¬ 
trägern dieser zu suchen. Auch nach diesen nunmehr einigermaßen ge¬ 
leisteten Arbeiten wird es noch schwierig genug sein, schon erfolgreich 
allein unter den gesunden Europäern darnach zu forschen — einfach, weil 
es an bakteriologischem Personal mangelt. Der einzige Bakteriologe wird schon 
diesen kleineren Teil des Werkes — neben seinem sonstigen Routinedienst 
nur unvollvommen leisten können. Nun aber erst die Feststellungen unter 
den zahlreichen Chinesen mit ihrem weit verzweigten Verkehr und so 
häufigen Wechsel innerhalb und außerhalb des Schutzgebietes! Das dürfte 
für den einzigen Bakteriologen eine Sisyphusarbeit werden. Gleichwohl 
wird sie versucht werden müssen, da mit den entdeckten und unschädlich 
gemachten Fällen — und seien es nur vereinzelte — immerhin gefähr¬ 
liche Ansteckungsquellen ausgeschaltet sind. Zur Beseitigung der Keime 
aus dem Darm scheint nach den hiesigen Erfahrungen die von Metsch- 
nikoff empfohlene Laktobazilline vorteilhaft zu sein. 

4. Der gleichzeitige Befund von Süßwasserprotozoen in hiesigen 
Tümpeln und in den Stühlen Ruhr- wie Darmkatarrhkranker erhebt die 
Unschädlichmachung, am besten Beseitigung dieser Tümpel zu einem un¬ 
bedingten Erfordernis. 

5. Die zahllosen Hunde der chinesischen Dörfer spielen mit ihrem 
Saufen aus Pfützen, Fressen aus Unrat und ihrer außerordentlich engen 
Gemeinschaft mit den Einwohnern höchstwahrscheinlich eine Rolle nicht 
bloß bei der Verbreitung der Kala azar-, sondern auch der ansteckenden 
Darmkrankheiten. 

Es muß auf die Bevölkerung gewirkt werden, bei Haltung von Hunden 
größte Vorsicht im Verkehr mit ihnen walten zu lassen. 


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394 


Martini: 


Zusammenfassung der Befunde. 

Kurz zusammengefaßt sind vom Verfasser mit seinen Arbeiten auf 
dem Gebiete der hiesigen Sommerdarmerkrankongen außer Bestätigungen 
der Befunde seiner Vorgänger, des Vorhandenseins von Ruhramöben, Shiga- 
Kruse-, Flexner- und Paratyphus A-Stäbchen die folgenden weiteren Be¬ 
funde erhoben worden: 

1. Die T.-Bakterien, und zwar gleich als hiesige Hauptruhremger 
(nach Kruse Erreger der Ruhr der Irren), darunter eine die Lackmus- 
molke bläuende, eine sie rötende Varietät; beide durch die Agglutinations¬ 
prüfung identifiziert. Feststellung von B. Y. auch bei einem ruhrkranken 
Chinesen. 

2. Ein dem Y.-Bacterium morphologisch und kulturell gleichende 
Stäbchen; durch die Agglutinationsprüfung davon getrennt. 

3. Eine Art Strongscher Ruhrbakterien; durch Kulturserien und 
Agglutination identifiziert. 

4. Kulturell und morphologisch Shiga-Kruse-Bakterien gleichende 
Stäbchen; nach dem Fehlen von Spermageruch und dem Ergebnis der 
Agglutin ationsprüfung verschieden. 

6. Kulturell und morphologisch Shiga - Kruse - Bakterien nahezu 
gleichend; Unterschied Bläuung der Lackmusmolke nach einigen Tagen; 
nach dem Ergebnis der Agglutinationsprüfung ebenfalls davon verschieden. 

6. Wie Nr. 5, nur Bläuung der Lackmusmolke bereits nach 24 Stunden. 

7. Das Vorhandensein von Nr. 4, 5 und 6 fordert zur Vorsicht in der 
Beurteilung spezifischer Ruhrheilsera auf; sie sind nur bei leicht verlaufen¬ 
den Rühren und Darmkatarrhen gefunden. 

8., 9., 10., 11. und 12. fünf weitere Arten, die den Shiga-Kruse- 
Bakterien morphologisch uud in manchen Beziehungen kulturell gleichen, 
durch manche deutlich hervortretende kulturelle Eigenschaften aber sofort 
von ihnen zu trennen sind. 

13. Morphplogisch und kulturell dem Flexnerschen gleichende 
Stäbchen; durch die Agglutinationsprüfung davon getrennt. 

14. Wie 13; nur außerdem Bläuung der Lackmusmolke. 

15. Eine Gruppe kulturell dem B. faecalis alcaligenes gleichender, 
aber unbeweglicher Stäbchen. 

16. Eine Gruppe morphologisch und kulturell sich wie B. faecalis 
alcaligenes verhaltender Bakterien. 

17. Eine Gruppe mit vielen kulturellen Merkmalen Paratyphus- (so¬ 
wohl vom A- wie B-Typus), ähnlicher, aber unbeweglicher Stäbchen, mit 
je einer Unterart. 


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Mikrobiologische Ebfahbungen bei Da rmerkkamkünqen. 395 


18. Eine Gruppe morphologisch Paratyphus B-Bakterien gleichende 
und durch manche gemeinsame Kulturmerkmale diesen ähnlicher, beweg¬ 
licher Bakterien, mit einer Unterart. 

19. Erste Feststellung von echten Paratyphus B-Bakterien im Schutz¬ 
gebiet. 

20. Paratyphus B-Bakterien als Erreger von Ruhr. 

21. Ein diesen morphologisch und bis auf ausbleibende Bläuung der 
Lackmusmolke auch kulturell gleiches Stäbchen, das auch durch die Ag¬ 
glutination als ein zu ihnen gehöriges bewiesen ist 

22. Die Keime von 1 bis 21 müssen — nach den verhältnismäßig 
leichten Symptomen der mit ihnen einhergehenden Krankheiten — im 
allgemeinen zu den sogenannten giftarmen Ruhrbakterien gerechnet werden. 

23. Der Spermageruch kommt den Kulturen des B. Shiga-Kruse in¬ 
soweit als spezifische Eigenheit zu, als er ihnen, soweit Beobachtungen 
vorliegen, niemals fehlt; er kommt aber auch bei anderen Darmbakterien vor. 

24. Gegen Ende der Sommer-Herbstepidemie häuften sich Befunde 
mit Streptokokken in den Schleimflocken von Stühlen und zwar nicht 
selten bei bereits darmgeschwürähnlichen Symptomen. 

25. Ein Ciliat unter dem Verdacht, eine der Amöbenruhr ähnliche, 
nur im allgemeinen leichter verlaufende Erkrankung hervorzurufen, als 
Uronema caudatum bezeichnet. 

26. Eia in der Heimat bekannter Flagellat, vielleicht Erreger von 
Reizzuständen, Prowazekia cruzi, nicht selten vergesellschaftet mit Amoeba 
coli und gelegentlich auch mit Vorticellen. 

27. Die letzten beiden Parasiten, Uronema und Prowazekia cruzi, 
Süßwasserbewohner, von denen ich den letzteren auch in einem Tümpel 
des hiesigen Prostituiertenviertels gefunden habe, weisen darauf hin, daß 
die hiesigen zahlreichen Süßwassertümpel, in denen von Chinesen Wäsche 
gewaschen, gelegentlich Geschirr gespült und auch gebadet wird, als Ver¬ 
breiter der RuHren und Darmkatarrhe zu berücksichtigen sind, zumal da 
bei beiden Parasitenformen Mischinfektionen mit Ruhrerregern und zwar 
namentlich bei der Prowazekia (am häufigsten bei Amöben- und Bakterien- 
ruhren, seltener bei einfachen Darmkatarrhen) Vorkommen. 

28. Lamblia intestinalis hominis unter dem Verdacht des Erregers 
eines chronischen Darmkatarrhs. 

29. Zahlreiche Rühren und Darmkatarrhe ohne bakterielle oder proto- 
zoische Ursache oder ohne Beziehung zu größeren Darmparasiten, nur durch 
chemische, mechanische, und, allgemein ausgedrückt, klimatische Einflüsse. 

30. Bazillenträger für B. Flexner und B. Y. 

31. B. Shiga-Kruse bei einer chinesischen Prostituierten als Haupt¬ 
ansteckungsgelegenheit. 


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396 M ABT INI : Mlkbobioloo. Eefahbungen bei Dabmebkbankungen. 


32. Ruhramöbenträger. 

33. Mischinfektionen mit verschiedenen Bakterien, Amöben and Bak¬ 
terien, sowie mit Amöben, Ciliaten und Prowazekia. 

34. Ankylostoma duodenale bei einem Kranken des Hinterlandes (1908). 

35. Bestimmung der Ursache für gewisse 1908 herausgefundene 
Rühren und Darmkatarrhe des Sommers und Herbstes, ihre Einschrän¬ 
kung durch möglichste Fernhaltung des Vehikels der betreffenden Erreger¬ 
gruppen von den Menschen, damit Nachlassen der betreffenden Krank¬ 
heiten 1909 und schließlich ihr Ausfall mit gänzlicher Beseitigung des 
Vehikels 1910, während die oben geschilderten, auf andere Ursachen 
zurückzuführenden, gegen die Schutzmaßregeln kaum ergriffen waren, 
weiter anhielten. 


Literatur-Verzeichnis 


1. Martini, Über die Erreger der epidemischen Darmerkranknngen Tsingtaus 
im Sommer 1908. Archiv für Schiffs* und Tropenhygiene. 1910. S. 837. 

2. Staby, Klinische Beobachtungen bei den Darmerkrankungen des Sommers 
und Herbstes 1908 in Tsingtau. Diese Zeitschrift. 1910. S. 368. 

3. Lentz, Dysenterie. Handbuch der pathog. Mikroorganismen von Kolle- 
Wassermann. 1909. II. Ergänzungsband. Hft 3. 

4. Fürth, Über die Agglutination mit Blutserum von Ruhrkraiiken des Jahres 
1909 in Tsingtau. Diese Zeitschrift. 1910. S. 579. 

5. Trembur, Beobachtungen über Ruhr in den Jahren 1906 bis 1908. Archiv 
für Schiffs* und Tropenhygiene. 1908. 

6. Lentz, a. a. 0. 

7. Hartmann und Chagas , Flagellatenstudien. Memorias do Instituto 
Oswaldo Cruz. April 1910. 

8. Castellani und Chalmers, Philippine Journal of Science . Juli 1910. 
S.2U. 

9. Martini, Über Prowazekia cruzi und ihre Beziehungen zur Ätiologie von 
ansteckenden Darmkrankheiten zu Tsingtau. Diese Zeitschrift. 1910. S. 275. 

10. Derselbe, Über einen bei amöbenruhrähnlicher Dysenterie vorkommenden 
Ciliaten. Ebenda. 1910. S. 387. 

11. Derselbe, Amöbenträger. Archiv für Schiffs - und Tropenhygiene . 1908. 
S. 588. 

12. Derselbe, Über die Erreger der epidemischen Darmerkrankungen Tsingtaus 
im Sommer 1908. Ebenda. 1910. 

13. Fülleborn, über Askariden in der Leber Ebenda. 1908. S. 638. 

14. Böhm, Tod infolge massenhafter Askariden? Ebenda . S. 640. 

15. Trembur, a. a. O. 


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Bemerkungen über „Atypische Wutfälle“. 

Von 

Prof. V. Babes 

ln Bukarest. 


Meine kritischen Bemerkungen über „Atypische Wutfälle“ haben 
Hrn. J. Koch veranlaßt, auf diesen Gegenstand zurückzukommen und 
seine früheren Angaben za ergänzen. 

Dennoch aber kann ich nicht umhin, an meinem Standpunkt fest¬ 
zuhalten, daß bisher Fälle von geheilter paralytischer Wut beim 
Menschen nicht wissenschaftlich festgestellt sind, nachdem 
auch die zum Teil besser untersuchten Fälle und namentlich auch 
ein von Hrn. J. Koch beschriebener Fall von Paralyse beim Menschen 
nach Schutzimpfung gegen Wut das Vorkommen von abortiven Wutfällen 
beim Menschen meines Erachtens nicht beweisen. A priori leugne ich 
ja nicht, daß geheilte Wut in äußerst seltenen Fällen Vorkommen könne. 
Vielleicht gehören die Fälle von Broll und Bordoni-Uffreduzi hierher, 
doch habe ich für eine Reihe von Fällen von Paralysien nach der Schutz¬ 
impfung bewiesen, daß dies nicht Fälle von abortiver Wut sind, während 
Hr. J. Koch meine Beweise nicht anerkennen will und dieselben als 
abortive Wutfalle anspricht. Ich habe dagegen folgendes zu bemerken: 

1. Von den von mir beschriebenen nicht rabischen Lähmungen des 
Kaninchens sagt J. Koch: „Babes sagt uns damit nichts Neues.“ Diese 
Lähmungen sind aber meines Wissens vor mir nicht beschrieben worden. 
Daß Hr. J. Koch dieselben beobachtet hatte, will ich gern glauben, doch 
hat derselbe seine Beobachtungen leider nicht veröffentlicht. Wenn jetzt 
Hr. Koch in 4 von 5 Fällen bei den paralytischen Kaninchen Negrikörper 
gefunden hat, so handelt es sich in diesen Fällen natürlich um Wut, da 
über Hr. Koch diese Probe früher nicht erwähnt, so war der von mir 
geäußerte Zweifel vollkommen berechtigt. 


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398 


V. Babes: 


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2. Hr. Koch sagt: ..Von den mit dem Gehirn einer Knh geimpften 
2 Kaninchen starb eines an Kaninchenseuche, das andere ging nach 
4 Wochen an einer Paraplegie zugrunde, die 2 Ratten blieben gesund. 
Hätte ich es bei dem Tierversuch bewenden lassen, so wäre ich nach 
Babes nicht berechtigt gewesen, hier eine positive Tollwutdiagnose zu 
stellen.“ 

Es freut mich zu sehen, daß Hr. Koch in seiner neuen Arbeit meine 
Kritik berücksichtigt hat und sich nicht mit der Feststellung der Para- 
lysie begnügt, um die Tollwut zu diagnostizieren. Ich habe aber nie be¬ 
hauptet, daß, wenn bloß ein Tier an Wat (Paralysie, Tod, Xegrische 
Körperchen) zugrunde geht, wir nicht berechtigt sind, Wut auzuuehmen: 
allerdings wenn auch dieses Kaninchen am Leben geblieben wäre, wie iu 
früheren Fällen Kochs, wäre die Diagnose nicht sicher gewesen. 

3. Hr. Koch sagt ferner: „Wenn auch 90 Prozent unserer experi¬ 
mentellen Infektionen die klassischen Wutsymptome zeigen, so ist es doch 
verkehrt, die übrigen Fälle schematisieren und die atypisch verlaufenden 
als spezifische Infektionen nicht anzuerkennen, weil bei ihnen der Symptom¬ 
komplex der Tollwut nicht vorhanden ist.“ 

Wenn diese Bemerkung mir gelten soll, so ist sie nicht berechtigt. 
Ich erkenne alle möglichen atypischen Formen von Wut an, doch unter 
der Bedingung, daß in solchen Fällen die Wut experimentell oder histo¬ 
logisch nachgewiesen werde, was aber iu der früheren Mitteilung Kochs 
nicht der Fall war. 

4. Koch sucht meine Behauptung, daß. wenn wenigstens 3 Kaninchen 
vom Gehirne eines verdächtigen Tieres intrakraniell geimpft werden und 
alle 3 Tiere gesuud bleiben, Wut ausgeschlossen werden darf, durch 
folgenden Versuch zu widerlegen. Ein Hund (Nr. 30) war nach Impfung 
mit Straßenwut an Lähmung erkrankt und geheilt worden, war dann aber 
eingegangen. Aus seinem Gehirn wurden 2 Kaninchen, 2 Ratten und 
2 junge Hunde geimpft. Alle Tiere blieben gesuud außer einem jungen 
Hunde, welcher an „konsumptiver Wut“ eingegangen sein soll. Dieser 
Fall ist aber durchaus nicht beweisend. Zunächst ist es nicht sicher, ob 
der Hund eine abortive Wut oder eine anderartige Paralyse überstanden 
hat. Der Hund ging jedenfalls nicht an Wut zugrunde. Zweitens blieben 
aber die geimpften Tiere gesuud, nur ein Hund ging an „konsumptiver 
Wut“ zugrunde. Es handelt sich hier wohl um Marasmus oder irgend 
eine mit Konsumption eiuliergehende Krankheit. 

Da aber 1. Hunde oft au Krankheiten, welche mit Konsumption ein¬ 
hergehen, zugrunde gehen; 2. die übrigen geimpften Tiere nicht an Wut 
erkrankten; 3. keinerlei Symptome der Wut bei diesem Hund beschrieben 


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Bemessungen über atypische Wutfälle. 


899 


werden; 4. auch keine Negrischen Körper gefunden wurden, war Hr. J. 
Koch keinesfalls berechtigt, hier Tollwut zu diagnostizieren. Leider hat 
Hr. Koch versäumt, vom Zentralnervensystem dieses Hundes weiter zu 
impfen. Nachdem keine Wutsymptome und keine Negrischen Körper bei 
diesem Hunde gefunden wurden, war diese Probe unerläßlich. 

Es fehlt also der Beweis dafür, daß der Hund Nr. 30 an Wut zu¬ 
grunde gegangen ist. 

5. Was die Heilung der bereits ausgebrochenen Wut beim Hunde 
in der Praxis betrifft, so sind die seltenen Angaben, daß Menschen an 
Tollwut starben, während der beißende Hund am Leben verblieb, nicht 
ohne weiteres als Beweise zu betrachten, wie dies Hr. J. Koch anzu¬ 
nehmen scheint. Bisher ist meines Wissens kein einziger derartiger 
wissenschaftlich festgestellter Fall bekannt. 

6. Hr. Koch schreibt: „Es ist nicht recht einzusehen, warum Babes, 
der das Vorkommen abortiver Wuterkrankungen bei Tieren zugibt, be¬ 
hauptet, daß der Mensch eine Ausnahme mache, und daß durch den Erreger 
der Wut hervorgerufene heilbare Paraplegien bei ihm nicht vorkämen.“ 

Ich habe nicht behauptet, daß abortive paralytische Wutfälle beim 
Menschen nicht Vorkommen können; nachdem aber bei Säugetieren 
keine sicheren Fälle geheilter natürlicher Straßenwut festgestellt sind, bin 
ich geneigt, dasselbe auch solange für den Menschen anzunehmen, bis das 
Gegenteil streng wissenschaftlich bewiesen wird. 

Der von J. Koch beschriebene Fall von Paralysie beweist durchaus 
nicht, daß es sich um abortive Wut handelt. 

In dem im Verein mit Mironescu von mir mitgeteilten Fall wurden 
8 Kaninchen mit Teilen des Ammonshorn, welches nach Fermi virulenter 
sein soll als die Rindensubstanz, der Oblongata und des Rückenmarks 
subdural injiziert. Alle 3 Tiere blieben gesund. In einem anderen Falle 
gingen von 4 Tieren zwei an Streptokokkenseptikämie zugrunde. Unsere 
Erfahrungen am Menschen und an Tieren haben aber gezeigt, daß Strepto¬ 
kokken den Wuterreger nicht abschwächen, wie dies Hr. Koch vermutet; 
im Gegenteil gingen Menschen und Tiere, die mit Wut und Strepto¬ 
kokken infiziert waren., schneller an Wut zugrunde. 

Der Fall, welchen ich im Verein mit Mironescu beschrieben habe, 
zeigt folgenden Verlauf: 

A. Gh., 42 Jahre. Am 9. IX. 1908 von einem wütenden Hund (Ex¬ 
periment Wutknötchen) an beiden Händen tief gebissen, wurde am 14. IX. 
mit auf 50° erwärmtem Virus usw. 1 geimpft; erkrankte am 25. IX. mit 
Kopfschmerzen, belegter Zunge, Gastralgie, großer Schwäche in den Beinen. 

1 Babes, Behandlung der Wutkrankheit. Penzold-Stinzing, Therapie. S.Aufi. 


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400 


V. Babes: 


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Die Anamnese ergab außer Neurasthenie und mäßigem Alkoholismus 
nichts Besonderes. Es besteht Kopfschmerz, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, 
kein Fieber. Schlaffe Lähmung mit Schwund der Reflexe, Ataxie der Beine, 
geringe aktive Beweglichkeit. Der Kranke kann sich schwer aufsetzen. 
Oehen unmöglich. Die Lähmung schreitet auf das Diaphragma, den Thorax 
und auf die Arme fort Am 28. IX. ins Spital übergefiihrt, zeigt der Kranke 
hier gänzliche Lähmung der Beine mit Schmerzen längs des Ischiadicus, 
Sensibilität erhalten. Blasen- und Mastdarmlähmung. Elektrische Kontrak- 
tibilität geschwunden, Entartungsreaktion, Atembeschwerden, Intelligenz er¬ 
halten. Coma, Tod am 29. IX. 

3 Kaninchen wurden mit Oblongata und Rückenmark subdural geimpft 
und blieben monatelang gesund. 

I. P. N. wurde am 20. IX. 1909 durch das Hemd an den Armen durch 
einen wütenden Hund (Experiment -j- Negrikörper) gebissen, mehrere ober¬ 
flächliche Verletzungen; das Hemd stellenweise eingerissen. 

Vom 26. IX. bis 9. X. behandelt. Die Behandlung beginnt mit 
4 tägigem Virus. 

Am 8.X. belegte Zunge, Appetitlosigkeit. 

9. X. Kopfschmerzen, Schwäche in den Beinen, Appetitlosigkeit, belegte 
Zunge, Magendrücken, schlechte Träume, allgemeine Schwäche, im übrigen 
Herz, Lunge, Abdomen normal. 

10. X. Schlaffe Parese der unteren Extremitäten, Patellarreflexe erloschen. 
Der Kranke kann nur mühsam gehen. Ataxie. Sensibilität erhalten. 

II. X. Kein Kopfschmerz, Respiration erschwert, beginnende Lähmnng 
der Arme, Blasen- und Rektumläbmung. Beine gänzlich gelähmt. Kraft und 
Widerstand sehr herabgesetzt. Der Patient kann nicht aufsitzen. Schlaf¬ 
losigkeit. Ischiadicus, besonders rechts, schmerzhaft. 

12. X. Doppelseitige Fazialislähmung, vollständige schlaffe Lähmung 
der Beine, Parese der Thoraxmuskulatur, vollständige Blasen- und Mastdarm¬ 
lähmung. Deutliche Entartungsreaktion. Erstickungssymptome. Abends 
Coma. Tod. 

Das Gehirn enthält keine Negrikörper, im Rückenmark hochgradige 
Myelitis, welche auch die weiße Substanz zerstört hat (Befund wie im ersten 
Falle). Vom Gehirn und Rückenmark wurden in unserem Institut 2 Kaninchen 
subdural geimpft, zwei andere Kaninchen zur Kontrolle in einem anderen 
Laboratorium. Die Tiere waren nach 6 Monaten noch gesund. 

Im 3. Falle handelt es sich um den 26jährigen Beamten, G. D., Neu¬ 
rastheniker, welcher am 23. XII. 1909 am Schenkel durch Beinkleider und 
Unterhose, ohne deutlichen Riß der letzteren, von einem wütenden Hunde 
(Experiment +, Negrikörper) oberflächlich gebissen wurde. Infektion sehr 
fraglich. Kam am 25. XII. in Behandlung. Beginn mit 5 tägigem Virus. 
Zeigt am 5.1. belegte Zunge, Appetitlosigkeit, Pulsbeschleunigung, allgemeine 
Hinfälligkeit, Schlaflosigkeit. Am 7. I. Lähmung der Beine, Ataxie, welche 
rasch fortschreitet, keine Sensibilitätsstörungen. Am 8. I. kann sich Patient 
nicht mehr aufrecht erhalten. Etwas Fieber, etwas Delirien. Die Lähmung 
schreitet vorwärts, Blasen- und Mastdarmlähmung, Lähmung des Dia¬ 
phragma, des Thorax, der Arme, Schmerzen längs der Armnerven. Entartungs¬ 
reaktion. 


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Bemerkungen übeb atypische Wutfälle. 


401 


Am 10.1. Gesichtslähmung, Atemnot, Coma, Tod. 

Hier wurden 3 Kaninchen subdural geimpft. Das eine ging nach 2 Tagen 
ohne Wutsymptome und ohne bakterielle Infektion zugrunde. Die beiden 
anderen Kaninchen blieben monatelang gesund. 

Sowohl in diesem als in meinen vier anderen Fällen von schweren 
Paralysen nach der Schutzimpfung konnte beobachtet werden, daß die¬ 
selben (welche immer die Schwere und Topographie des Hundehisses war) 
etwa 2 Wochen (11 bis 16 Tage) nach Beginn der Impfung auftraten. 
Dieser Umstand spricht meines Erachtens nicht dafür, daß es sich hier 
um die Wirkung des Straßenwutvirus handelt, bei dem im allgemeinen, 
namentlich nach leichten Verletzungen, die Erkrankuug erst nach 1 bis 
2 Monaten aufzutreten pflegt. Eber könnte man daran denken, daß man 
es hier mit einer Wirkung eines vom Passagevirus stammenden Toxins zu 
tun hat. 

Die klinischen Symptome, auf die J. Koch Wert legt, können hier 
nicht entscheiden, zumal wenn es sich um einen vereinzelten Fall von 
derartiger Paralysie ohne Wutsymptome handelt, bei dem histologische oder 
experimentelle Untersuchungen nicht ausgeführt worden sind. Ich habe 
viele Tausende von Gebissenen, zahlreiche Wutkranke und zahlreiche der¬ 
artige Paralysien zu beobachten und zum Teil experimentell zu prüfen. 
Gelegenheit gehabt und bin außerstande, meine diesbezügliche Überzeugung 
auf Grund des Urteils der von J. Koch angeführten klinischen Autori¬ 
täten zu ändern. 

7. In allen unseren 86 Fällen von rasender und paralytischer Wut 
beim Menschen fielen unsere Experimente und in fast allen auch unsere 
histologischen Untersuchungen positiv aus, indem, wenn wir 2 bis 4 Tiere 
vom Zentralnervensystem der an Wut verstorbenen impften, alle (mit Aus¬ 
nahme einiger, welche 1 bis 2 Tage nach der Impfung eingingen) an Wut 
erkrankten und zugrunde gingen. Bei 20 unter 21 dieser Menschen, bei 
welchen Negrikörper gesucht wurden, wurden dieselben gefunden. 

Hingegen hatten wir in allen 3 Fällen von Menschen, welche nicht 
unter Wutsymptomen, sondern an reinen Paralysien zugrunde gingen, 
keinen einzigen Erfolg. Zwei Tiere gingen in einem Falle an Sepsis, 
ein Tier in einem anderen Falle am 2. Tage nach der Impfung ohne nach¬ 
weisbare Infektion zugrunde. Alle übrigen 9 Kaninchen blieben 
vollständig gesund. In keinem der 3 Fälle wurden Negrikörper ge¬ 
funden, in einem der Fälle war der Hund, welcher das betreffende Indi¬ 
viduum gebissen hatte, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wütend, und 
wurde zur Schutzimpfung nur durch Hitze abgetötetes Virus verwendet. 
Ebenso war in 4 Fällen mit geheilten, leichteren Paralysien nach der 
Schutzimpfung bloß mit abgetötetem Virus geimpft worden. 

ZelUchr. f. Ilynlen«. LXIX 26 


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402 


V. Babes: 


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Ich glaube, daß es in der gesamten experimentellen Pathologie kaum 
eine sicherere Beweisführung gibt, als die hier erbrachte, welche feststellt, 
daß es tödliche Paralysie gibt, welche nach der Schutzimpfung 
gegen Wut auftreten und nicht durch das Wutvirus verursacht 
werden. Für die Annahme, daß diese Fälle, oder die Fälle leichter 
Paralysien nach der Schutzimpfung, Fälle von abortiver Hundswut seien, 
fehlt hingegen jeder Beweis. Dafür, daß diese Paralysien nicht mit dem 
Hundebiß, sondern mit der Schutzimpfung Zusammenhängen, spricht, daß 
bei nicht behandelten Gebissenen solche Paralysien nicht bekannt sind. Auch 
scheint ihre Häufigkeit von der Art der Schutzimpfung abhängig zu sein. 

Was die übrigen Versuche betrifft, welche ich bei leichten, in Heilung 
übergehenden Lähmungen angestellt habe, Untersuchung des Speichels und 
der Cerebrospinalflüssigkeit (in 3 Fällen), so weiß ich wohl, daß diese 
Flüssigkeiten sehr oft nicht virulent sind, aber ich selbst fand bei mensch¬ 
licher Wut unter 9 Fällen 2 mal den Speichel, unter 6 Fällen 2 mal die 
Cerebrospinalflüssigkeit virulent, so daß es bei der Unmöglichkeit, das 
Wutvirus beim lebenden Menschen auf anderen Wege nachzuweisen ge¬ 
boten erschien, in unseren Fällen von heilbaren Paralysien auch diese 
Experimente nicht zu versäumen. 

J. Koch würde seine Ansicht von der abortiven Wut beim Menschen f 
in Form leichter Paralysien oder von gastrischen Symptomen mit Fieber 
bewiesen haben, wenn er an den mit Speichel oder Cerebrospinalflüssigkeit 
seiner Fälle geimpften Tieren Wutsymptome und Negrische Körper hätte 
nachweisen können. Wenn er aber keinen anderen Beweis für seine An¬ 
nahme von abortiver Straßenwut des Menschen meinem großen Tatsachen¬ 
material gegenüber zu erbringen weiß, als daß er sagt, daß das für den 
Menschen schwache fixe Virus nicht zeitweise und für speziell empfindliche 
Personen eigentümlich wirksame Toxine enthalten könne, so muß ich aller¬ 
dings sagen, daß seine Theorie einstweilen auf schwachen Füßen steht. 1 

Wenn Hr. J. Koch sagt, daß weinerliche Stimmung, Erbrechen, 
Fieber, Speichelfluß, Delirien, Hinfälligkeit oft eine abortive Form der 
Wutkrankheit bedeuten, so bin ich überzeugt, daß dieser Behauptung kein 
Wutforscher ohne weiteres zustimmen kann. Um derartige Fälle als 
solche von „abortiver Wut“ bezeichnen zu können, bedarf es doch anderer 
Beweise. 

8. Noch einen andern Vorwurf kann ich Hm. J. Koch nicht er¬ 
sparen. Er behauptet, wohl bloß im Eifer der Diskussion mehrfach, daß 
ich Dinge gesagt hätte, deren gerades Gegenteil ich behauptete. So sagt er: 

1 Ich brauche kaum daran zu erinnern, daß selbst avirulentes Material toxisch 
wirken kann, und daß bei zahlreichen Infektionen eben das absterbende Virus Toxine 
in Freiheit setzen kann. 


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Original frum 

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Bemerkungen übeb atypische Wutfälle. 


403 


„Es ist aber nicht gesagt, daß Gewebsteile die bereits histologische 
Veränderungen aufweisen, auch infektionsfähig sein müßten. Oie Schlu߬ 
folgerung, die Babes macht, trifft nicht zu.“ Ich sage aber in meinen 
Schlußfolgerungen gerade das Gegenteil und habe dies als Erster 1 
festgestellt! In den Schlußfolgerungen meiner von Hm. J. Koch be¬ 
sprochenen Arbeit sagte ich ausdrücklich: „Bei Hunden, die subdural mit 
Straßenwut infiziert waren, fand ich nach 4 bis 6 Tagen, mehrere 
Tage vor der Virulenz der Zentren, Veränderungen der Nervenzellen 
und der Gefäße, besonders in Rückenmark und Oblongata.“ 

9. Im übrigen freut es mich zu sehen, daß Hr. J. Koch in seiner 
letzten Arbeit seine Behauptungen über 2 Tage nach intramuskulärer 
Infektion im Lendenmark auftretende Nekrosen bedeutend einschränkt. 
Aber anderseits geht es doch nicht an, anzunehmen, daß die Tiere mit 
diesen Nekrosen und reichlicher Zellwucherung um Gefäße wochenlang 
gesund erscheinen. 

Ebenso können die leichten, schnell heilenden Paralysien nach der 
Schutzimpfung nicht durch Zerstörung der Nervenzellen des Rücken¬ 
marks erklärt werden, wie dies Hr. J. Koch will, nachdem sich die 
Nervenzellen nicht ohne weiteres regenerieren. 

10. Was die Leitung des Wutvirus betrifft, habe ich nie behauptet, 
daß sich dasselbe „ausschließlich“ durch Nervenleitung verbreitet, so daß 
sich mein Standpunkt in dieser Beziehung nicht wesentlich von jenem 
Schüders unterscheidet. 

Anders steht es aber mit der Stellung Hm. J. Kochs zur Inkubation 
der Wut. Paltauf sagt wenigstens klar, daß es ein vergebliches Be¬ 
mühen ist, die ungleiche Inkubation aus dem Sitze der Verletzung erklären 
zu wollen. Hr. Koch sagt zwar, daß er sich dieser Meinung durchaus 
anschließt, widerspricht sich aber sogleich im nächsten Satze, indem er 
anerkennt, daß „Gesichtsbisse schneller als Bisse an den Händen, und 
diese als solche an den Füßen, zum Ausbruch der Wut führen“. Wenn 
Hr. Koch dies selbst sagt, so ist es mir unverständlich, daß es ihn „sehr 
eigentümlich berührt“, wenn ich dasselbe behaupte, wie er selbst, nämlich, 
„daß jene Autoren, welche behaupten, daß kein Unterschied in der Dauer 
der Inkubation nach dem Sitz der Verletzungen besteht, im Irrtum sind“. 

Daß es sich in den meisten Fällen in der Tat um eine Leitung des 
Virus durch Nervenbahnen handelt, haben übrigens Ves tea und Zagari, 
sowie ich selbst durch die bekannten Experimente erwiesen. 2 


1 Academ. des Sciences Paris. 1898. 14. November. 

* Vestea u. Zagari, La Psichiatria. 1887. August etc. — Babes, Studien 
über die Wutkrankheit Virchows Archiv. 1887. Bd. CI. 

26* 


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404 V. Babes: Bemerkungen über atypische Wutfälle. 


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Ich habe mich hier darauf beschränkt, Hm. J. Kochs Angriffe kurz 
zu widerlegen und behalte mir vor die übrigen, zum Teil recht bemerkens¬ 
werten Ausführungen Hrn. J. Kochs in meiner demnächst erscheinenden 
größeren Monographie über Hundwut zu besprechen. Die erörterten 
Fragen sind in der Tat für die antirabische Behandlung höchst wichtig. 

Wenn man wie Hr. J. Koch die erwähnten Fälle von Paralyse einfach 
auf die Rechnung des Hundebisses stellt, und annimmt, daß das fixe Virus 
für den Menschen gänzlich unschädlich sei, kann man sich für berechtigt 
halten selbst bei leichten Bissen höchstvirulentes Virus einzuimpfen. In 
der Tat wird in der Berliner Wutschutzstation die Behandlung ja auch 
mit 3 tägigem Virus begonnen. Bei höchst gefährlichen Wolfsbissen sind 
auch wir selbst ausnahmsweise schon nach 24 Stunden auf 1 tägiges, 
oder selbst frisches Virus gegangen, nachdem wir aber zuvor eine 
Serie abgeschwächten Virus, B. von ßtägigem Virus be¬ 
ginnend, gegeben hatten. 

Zahlreiche Erfahrungen sprechen in der Tat dafür, daß man im 
Gegensatz zu anderen Infektionen den Organismus sehr schnell durch 
steigende Vaccindosen gegen Wut festigen kann. 

Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, daß virulentes Material 
bei disponierten Personen leichter zum Auftreten von Paralysien führen 
kann, als mäßige Mengen von zunächst abgeschwächtem Virus. 

Jedenfalls berechtigen uns die Versuche von Marx und von anderen, 
welche eine geringere Virulenz des fixen Virus für Affen und Menschen 
in mehreren Fällen nachgewiesen haben, noch nicht ohne zwingende Not¬ 
wendigkeit, Menschen ohne Vorbereitung vollvirulentes fixes Virus ein¬ 
zuimpfen. Wir müssen auch bedenken, daß das fixe Virus verschiedener 
Institute verschieden stark ist. Unser fixes Virus war eine Zeitlang so 
virulent und toxisch geworden, daß Kaninchen nach 5 bis 6 Tagen zugrunde 
gingen, und unsere Fälle von Paralysien entsprechen eben jener Epoche. 

Ferner konnte ich beim Menschen individuelle Schwankungen der 
Empfindlichkeit und namentlich stärkere Empfindlichkeit hei nervösen 
und schwächlichen Personen nachweisen, so daß ich nicht empfehlen 
kann, die Behandlung ohne sorgfältige Auswahl und mit 3- oder 4 tägigem 
Virus zu beginnen. 

Überhaupt habe ich den Eindruck erhalten, daß in letzterer Zeit die 
verschiedenen antirabischen Institute so verschieden Vorgehen und z. T. 
derartige Gegensätze in der Auffassung der Wirkung der Schutzimpfung, 
sowie überhaupt in der Pathologie der Hundswut herrschen, daß es erwünscht 
wäre, eine Konferenz über Hundswut zu organisieren mit der Aufgabe, zu¬ 
nächst Normen über die Behandlung der Krankheit festzustellen und dann 
auch die strittigen Fragen in betreff derselben zu besprechen und zu klären. 


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[Aus dem Bakteriologischen Institut 
der Charkower medizinischen Gesellschaft zu Charkow.] 
(Direktor: Dr. W. Nedrigailoff.) 


Zur Frage von der ätiologischen Bedeutung 
der choleraähnlichen Vibrionen. 

Von 

Dr. L. Kandiba, 

Assistenten am Institut. 


Kurz nach der Entdeckung des Erregers der asiatischen Cholera durch 
R. Koch hatte eine ganze Reihe von Forschern Vibrionen aufgefuuden. 
welche sowohl morphologisch wie kulturell eine große Ähnlichkeit mit 
dem echten Vibr. cholerae aufwiesen. Derartige Befunde in Stühlen von 
Patienten, welche klinisch choleraähuliche Darmerscheinungen boten, hatten 
mehrere Autoren veranlaßt, eine Anzahl solcher Vibrionen zu beschreiben 
und ohne triftigen Grund in ihnen den ätiologischen Faktor der Cholera 
nostras zu erblicken. Als erster muß hier Finkler (1) zitiert werden, 
welcher im Jahre 1885 in 7 Fällen von Cholera nostras den heute als 
von Finkler-Prior bekannten Keim isolierte. Später sind erschienen 
die Arbeiten von Prior und Finkler (2), Grube und Lustig (3), 
Holbst(4), Vogler (5), Fischer (6), Ruette und Enoch (7), Zörken- 
dörfer (8), Bonhoff (9), Gotschlich (10), Kolle(ll), Pasquale usw., 
welche dasselbe Thema behandeln und wo verschiedene Vibrionen be¬ 
schrieben sind, die aus dem Organismus von mit akuten choleraähn¬ 
lichen Darmerscheiuungen behafteten Patienten isoliert worden waren. 
Trotz der Tendenz gewisser Autoren, diesen Keimen die ätiologische Be¬ 
deutung bei den betreffenden Affektionen zuzuschreiben, haben diese Ar¬ 
beiten, vom modernen Standpunkte aus betrachtet, nur wenig zur Auf¬ 
klärung der Frage nach der pathogenen Rolle der choleraähnlichen 


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406 


L. Kandiba : 


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Vibrionen für den menschlichen Organismus beigetragen. Sehr wichtig 
in dieser Beziehung sind die Arbeiten von Camara-Pestana und 
Bettencourt (12) und von Chantenesse und Netter (13) über die 
Epidemie in Lissabon im Jahre 1894, sowie die äußerst ausführliche Publi¬ 
kation von Ko Ile und Gotschlich mit ihren Mitarbeitern (14), welche 
die Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchungen und der epidemiolo¬ 
gischen Beobachtungen der Choleraepidemie in Ägypten behandelt. Auf 
diese beiden Abhandlungen soll hier näher eingegangen werden. 

Bekanntlich war im Frühjahr 1894 in Lissabon eine heftige Epidemie 
von akuten gastrischen Affektionen ausgebrochen, welche sehr an Cholera 
erinnerten, aber von äußerst mildem Verlauf waren. Im Laufe weniger 
Monate waren bis 15000 Personen erkrankt, darunter war aber nur ein 
Fall von Exitus letalis. Obgleich die Einwohner zu hellen Scharen Lissa¬ 
bon verließen, blieben die Erkrankungen ausschließlich auf diese Stadt 
beschränkt und wird mit dem Genuß von Leitungswasser in Zusammen¬ 
hang gebracht. In 50 Fällen wurden die Stühle (darunter auch vereinzelte 
reissuppenähnliche!) bakteriologisch untersucht; 44 mal wurde ein dem 
Cholera sowohl morphologisch wie kulturell äußerst ähnlicher Vibrio iso¬ 
liert, welcher auch im Leitungswasser angetroffen wurde. Auf Grund 
serologischer Befunde wurde derselbe als different vom Choleravibrio an¬ 
erkannt. Das sind die einzigen Angaben in der Literatur, welche bis zu 
einem gewissen Grade für die pathogene Bedeutung der choleraähnlichen 
Vibrionen für den Menschen sprechen könnten. 

Zu ganz verschiedenen Ergebnissen waren Kolle und Gotschlich 
gelangt, welche während einer Epidemie in Alexandrien eine Beihe von 
Vibrionen isoliert und kulturell sowie serologisch untersucht hatten. Neben 
den echten Choleravibrionen wurde auch eine Anzahl von choleraähnlichen 
angetroffen, welche sowohl zusammen mit den Choleraerregern, wie auch 
selbständig in Fällen von Cholera nostras auftraten. Darunter waren auch 
für Tauben hochvirulente, die zur Gruppe des Vibr. Metschnikoffs ge¬ 
hörten. Niemals waren sie im Stuhl in Reinkulturen, sowie bei echter 
Cholera vorhanden; die Isolierung gelang erst auf dem Wege der An¬ 
reicherung. Die epidemiologische Beobachtung der betreffenden Fälle 
spricht entschieden gegen irgendwelche ätiologische Bedeutung dieser 
Keime. Ihr Vorhandensein in den Stühlen erklären die Autoren dadurch, 
daß sie regelmäßig im Kot von Haustieren (Schweine nach Kutscher) 
in schmutzigen Abwässern und auch in offenen Wasserreservoiren zu 
finden sind; von dort aus gelangen sie mit dem Trinkwasser in den Darm, 
wo sie im Darmsaft günstige Vermehrungsbedinguugen finden, ohne aber 
die Epithelialdecke passieren und eine pathogene Wirkung ausüben zu 
können. 


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Über ätiolog. Bedeutung der choleraähnl. Vibrionen. 407 


Die Herkunft der Vibrionen und Angaben von den Patienten. 

Wir gehen nunmehr über zur Beschreibung unserer Fälle, die sich 
auf die eingangs erörterte Frage beziehen. Unter den 1500 Unter¬ 
suchungen, die wir im Laufe der Jahre 1907 bis 1910 im Bakteriologischen 
Institut der Charkower Medizinischen Gesellschaft auszuführen hatten, han¬ 
delte es sich 4 mal (abgesehen von den Fällen, wo die Vibrionen erst nach 
wiederholter Umimpfung isoliert wurden) dem Aussehen nach um typische 
Cholerastühle, in welchen mikroskopisch nahezu in Reinkultur Vibrionen 
gefunden worden sind, die außerordentlich den echten Choleravibrionen 
ähnlich waren. Auf allen mit diesen Stühlen verimpften Nährböden fanden 
wir nach 24 Stunden fast reine Vibrionkulturen. Solange dieselben mit 
spezifischem Immunserum noch Dicht untersucht waren, bestand gar kein 
Zweifel darüber, daß wir den typischen Choleravibrio vor uns hatten. Erst 
auf Grund 'der serologischen Prüfung konnte man die betreffenden Vibrionen 
nicht mehr für V. cholerae halten. Um sich über die ätiologische Rolle 
dieser Stämme zu orientieren, wird es interessant sein, die Krankenge¬ 
schichten der betreffenden Patienten kennen zu lernen und die Beschaffen¬ 
heit ihrer Sera in bezug auf die isolierten Vibrionen zu studieren. 

Durch die Liebenswürdigkeit der Herren Dr. Rothenberg und 
Dr. Olchowoi konnten wir das in 2 Fällen tun. Im ersten Fall handelt 
es sich um folgendes: 

Ende April 1910 wurde in Ruttschenkowo (Gouv. Jekatevinoslaw) in 
der Zwischenzeit zwischen mehreren Ausbrüchen einer zweifellosen Cholera¬ 
epidemie unter den dort ansässigen Bergleuten eine Gruppe von 7 Er¬ 
krankungen beobachtet, von welchen 2 tötlich verliefen und klinisch als 
sichere Cholerafälle angesehen worden sind, 5 aber einen leichten Verlauf 
hatten und mit Genesung endigten. In einem dieser leichten Fälle haben 
wir aus dem Stuhl den einen von unseren choleraähnlichen Vibrionen iso¬ 
liert, den wir mit der Nr. 843 bezeichneten und später als Vibrio Metschni- 
koffs identifizierten. Es wurde auch das Serum dieses Patienten nach der 
Genesung untersucht. Die von Dr. Rothenberg mitgeteilten Angaben 
lauten folgendermaßen: 

Patientin N., Köchin, erkrankte nachts am 3. V. 1910 mit wieder¬ 
holtem Erbrechen und profuser Diarrhöe und wurde im Laufe des Morgens 
in die Isolierungsbaracke des Krankenhauses eingeliefert. 

3. V. Patientin, 23 Jahre alt, gut genährt, von kräftigem Körperbau. 
Sie macht einen schwerkranken Eindruck. Es besteht ein beträchtlicher 
Kräfteverfall, die Augen sind eingesunken, die Stimme schwach. Sie klagt 
über Leibschmerzen. Temperatur morgens 36 °, abends 36 • 7 °. Im Laufe 
des Tages 5 mal Stuhlgang, kein Erbrechen. Die Stühle von choleratypi¬ 
scher Beschaffenheit, dünnflüssig, etwas grünlich gefärbt, von Schleimflocken 
durchsetzt. Im mikroskopischen Präparat (mit Fuchsin gefärbt) ist eine Un¬ 
zahl Vibrionen gefunden worden, die außerordentlich dem Choleravibrio 
ähnlich waren; andere Bakterien waren nur sehr spärlich vertreten. 


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408 


L. Kandiba: 


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4. V. Stuhlgang 3 mal, Stuhl dünn. Kein Erbrechen. Die Leib- 
schmerzen haben nachgelassen, der Allgemeinzustand ist besser. Temperatur 
morgens 36°, abends 36*4°. 

5 V. Stuhlgang 1 mal, Stuhl breiig. Patientin fühlt sich wohl und 
hat sich fast vollkommen erholt. Temperatur morgens 36*7°, abends 36-6°. 

7. V. Patientin wird als gesund entlassen auf Grund der telegraphi¬ 
schen Mitteilung, daß der Stuhl von Choleravibrionen frei ist. 

Nach der Ansicht des behandelnden Arztes gehört dieser Fall klinisch 
zur Cholera nostras oder zu den leichten Fällen von Cholera. Es ließ 
sich kein Zusammenhang feststellen, weder zwischen ihm und den gleich¬ 
zeitig beobachteten echten Cholerafallen, noch den anderen choleraähn¬ 
lichen Erkrankungen. Es ist auch interessant zu notieren, daß das Serum 
eines anderen Patienten, der zu derselben Gruppe von leichten Cholera- 
tällen gehörte und in der Baracke neben einem typischen Cholerakranken 
(mit letalem Ausgang) lag, gleichfalls kein spezifisches Verhalten gegen¬ 
über einem typischen Choleravibrio aufwies. Leider erfolgte in diesem 
Fall keine Stuhluntersuchung. Der zweite Fall fand statt in Charkow; 
die Krankengeschichte enthält kurz gefaßt folgende Angaben: 

Pat. Pr., Schutzmann, zu Charkow, 30 Jahre alt, wurde am 28. Juni 1910 
im Stadium algidum in die Cholerabaracke des Nicolaispitals eingelieferr. 

Er war seit 4 Tagen krank und blieb bis dahin in seiner Wohnung. In 
der uns vom leitenden Arzt der Cholerabaracke Dr. Olchowoi zur Ver¬ 
fügung gestellten Krankengeschichte ist folgendes notiert: Häufiger Durchfall 
und Erbrechen bereits nach Einlieferung des Patienten, herabgesetzte Körper¬ 
temperatur, Cyanose, vox cholerica, mangelnde Elastizität der Haut, Plätschern- 
geräusch im Leibe und fadenförmiger Puls. Diese Symptome erreichten den 
Höhepunkt am nächsten Tage (29. VI.). Krämpfe sind nicht beobachtet 
worden. Nach 36 Stunden stellte sich ein leichter typhoidaler Zustand ein 
mit Temperaturanstieg bis 37*8°, verlangsamtem Puls, Atemnot, Unruhe 
und Röte im Gesicht. Dieser Zustand dauerte 2 l / 2 Tage lang. Am 7. Tage 
nach der Aufnahme hatte sich der Patient bereits sichtlich erholt, die Stühle 
waren von verhältnismäßig normaler Konsistenz. In diesem Fall ließ sich 
ebensowenig irgend welcher Zusammenhang mit echten Cholerafällen und \ 

choleraähnlichen Affektionen feststcllon. Im Stuhl wurden wiederholt in j 

enormer Menge und fast in Reinkultur choleraähnlich? Vibrionen festgestellt , 
die wir später mit Nr. 1286 verzeichneten. Es ist interessant zu bemerken, 
daß dieser Vibrio noch 2 Wochen nach der Genesung (und Isolierung) des 
Patienten in den bereits normalen Stühlen auftrat, aber in so geringen 
Mengen, daß die Isolierung nur noch mit großer Mühe gelang. In diesem 
Falle konnten wir auch das Verhalten des Serums nach der Genesung unter¬ 
suchen sowohl in bezug auf den isolierten, sowie auch in bezug auf andere 
Vibriostämme. Die weiter zu erwähnenden Vibrionen Tk. und Nr. 1127 
sind auch aus Stühlen isoliert worden, welche äußerlich wie typische 
Cholerastühle aussahen und aus dem Gouvernement Voronesch zur Unter¬ 
suchung eingesandt waren. Der Stamm Tk. wurde bereits während der 


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Über ätiolog. Bedeutung der cholebaähnl. Vibrionen. 409 


Epidemie 1907 isoliert. Die Stühle enthielten diese Vibrionen gleichfalls 
in kollosalen Mengen und fast in Reinkultur. Leider konnten wir in diesen 
Fällen weder irgend welche Angaben über den Krankheitsverlauf, noch — 
selbstverständlich — Serum zur Untersuchung bekommen. 


Die Untersuchung der Stühle und die Eigenschaften der 
isolierten Vibrionen. 

Vor allem möchten wir an dieser Stelle wiederholt betonen, daß in 
sämtlichen unserer 4 Fälle die Stühle von typisch cholerischer Beschaffen¬ 
heit gewesen sind. Die unmittelbare mikroskopische Untersuchung hatte 
in ihnen fast ausschließlich die für Choleravibrionen typischen Formen 
festgestellt. Auf den mit Schleimflocken beimpften Agarplatten, sowie 
im Peptonwasser waren nach 24 Stunden fast ausschließlich Reinkulturen 
vorhanden, die durchaus den typischen Cholera Vibrionen ähnlich waren. 
Im allgemeinen war in sämtlichen 4 Fällen der Gang und die Ergebnisse 
der bakteriologischen Untersuchung der Stühle absolut übereinstimmend 
mit echter Cholera. Erst die serologische Prüfung mit spezifischem 
Choleraimmunserum zeitigte ein negatives Resultat: die Vibrionen ließen 
sich nicht zur Agglutination bringen und mußten somit zu den cholera¬ 
ähnlichen gezählt werden. Die äußere Beschaffenheit, das Bewegungs¬ 
vermögen und das farberische Verhalten weisen keine Unterschiede im 
Vergleich mit echten Choleravibrioneu auf; man könnte höchstens von 
einer geringeren Neigung zur Bildung von bipolaren Formen sprechen. 
Weiter besaßen sie sämtlich die Fähigkeit, Gelatine (mit der typischen 
Bläschenbildung), sowie erstarrtes Serum energisch zu verflüssigen und 
Milch zu koagulieren. Auf traubenzuckerhaltigen Nährböden wurde keine 
Gasentwicklung beobachtet. Die Nitrosoindolreaktion war hei allen 
Vibrionen deutlich ausgesprochen mit Ausnahme von Vibr. Tk., welcher 
nur die Indolreaktiou gab. Das Wachstum auf Kartoffel gab nichts Be¬ 
sonderes. Hammelblutkörperchenhämolysine wurde von den Vibrionen 
«S43, 1286 und 1127 gebildet; Vibr. Tk. und die echten Cholerastämme 
(Kontrolle) lösten das Hammelblut nicht auf. Vibr. 843 und Vibr. 1286 
besitzen nur eine Geißel. In bezug auf die Virulenz für Tiere ist zu be¬ 
merken, daß die Vibr. 843 und Vibr. 1286 hoch pathogen waren, sowohl 
für Meerschweinchen und Kaninchen, wie für Tauben bei subkutaner, 
intravenöser und intraperitonealer Injektion. Bei den verstorbenen Tieren 
konnte man stets zahlreiche Vibrionen im Blut und in sämtlichen Organen 
nachweisen. Ebenfalls toxisch waren auch die abgetöteten Kulturen 
namentlich für Kaninchen. Dagegen waren die Vibr. 1127 und Vibr. Tk. 
zu denselben Bedingungen nicht pathogen. 


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410 


L. Kandiba : 


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Was das Verhalten der von uns isolierten Stämme gegenüber einem 
Choleraimmunserum anbetrifft, so ist schon bereits gesagt worden, daß es 
konstant negativ gewesen ist. Die Einwirkung des Choleraimmunserums 
auf die Stämme 848 und 1286 ist von uns mit Hilfe des Pfeifferscheu 
Phänomens, der Agglutination und der Bakteriolyse in vitro untersucht 
worden. Im Pfeifferschen Phänomen — ausgeführt nach der deutschen 
Instruktion — ergaben sogar die großen Serumdosen (0-1) ein negatives 
Resultat und vermochten nicht das Meerschweinchen vor dem Tode zu 
retten (sogar bei der Dosis von x / 4 Öse). Zur Agglutination wurden Seren 
verschiedener Herkunft verwendet und die Versuche wurden im Laufe 
mehrerer Monate mehrfach wiederholt. Nur der Vibr. 848 gab eine 
partielle Agglutination mit dem Pferdeanticholeraserum (Titer 1 : 10000) 
bis zur Verdünnung 1 : 100 und unterlag überhaupt einigermaßen der 
Wirkung der normalen Sera; die übrigen Stämme haben kein einziges 
Mal eine Agglutination gezeigt, auch in der Verdünnung von 1:20. Außer¬ 
dem sind die Stämme noch mit einem spezifischen Antiserum gegen den 
Vibr. Metschnikoffs geprüft worden: der Vibr. 843 reagierte mit diesem 
Serum bis zur vollen Titergrenze. Dieser Umstand, zusammen mit den 
sonstigen Eigenschaften, veranlaßte uns, diesen Stamm als einen Vibr. 
Metschnikoffs zu betrachten. 

Es wurden nunmehr Kaninchenantisera mit Hilfe der Stämme 843 
und 1286 bereitet und Versuche mit der gekreuzten Agglituation ange¬ 
stellt. Es hat sich ergeben, daß das mit Vibr. 843 bereitete Antiserum 
bis zur vollen Titergrenze sowohl den betreffenden Vibrio, sowie den 
Vibr. Metschnikoffs agglutinierte; die übrigen Vibrionen — 1286, 1127. 
Tk., Cholerastämme, Massauah, Nasik und Finkler-Prior —% reagierteu 
mit diesem Antiserum nicht. Das mit Vibr. 1286 bereitete Antiserum 
agglutinierte nur seinen eigenen Stamm; das mit Vibr. Metschnikoffs 
bereitete Antiserum (vom Hammel gewonnen) agglutinierte nur den 
Stamm 843, sowie seinen eigenen Stamm. 

Wir sind deshalb so ausführlich auf diese doch ganz elementaren 
Versuche eingeuaugen, welche zur Feststellung der Natur der isolierten 
Stämme dienten, weil in der letzten Zeit Arbeiten veröffentlicht worden 
sind, welche geeignet sind, unsere Ansichten von den Beziehungen des 
Choleravibrio zu den choleraähnlichen in ihrer tiefsten Grundlage zu er¬ 
schüttern (Horowitz [15]). 

Aus allen diesen Angaben wird es somit klar, daß die von uns aus 
den Fällen von Cholera nostras isolierten Stämmen zweifellos zu den 
choleraühulichen gehören. 


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Original frum 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Über ätiolog. Bedeütüng der choleraähnl. Vibrionen. 411 


Untersuchung der Patientensera. 

Um ein Urteil darüber zu gewinnen, inwiefern die von uns isolierten 
Vibrionen eine ätiologische Bedeutung in der Entwicklung der Erkrankung 
des betreffenden Patienten besitzen, müssen wir nun auf die Resultate 
der Prüfung der Hera dieser Patienten eingehen. Es standen uns die zu 
den Stämmen 843 und 1286 gehörenden Sera zur Verfügung. Zur Kon¬ 
trolle wurde noch ein Serum von einer sicher an Cholera asiatica er¬ 
krankten Patientin Er. zum Studium mit herangezogen. Die Blutentnahme 
erfolgte überall 8 bis 10 Tage nach der vollständigen Genesung. 

Zunächst wollen wir die Ergebnisse der Agglutinationsprüfung be¬ 
sprechen. Jedes Serum wurde mit den Stämmen 843, 1286, 1127, Tk., 
Vibr. cholerae, Vibr. Metschnikoffs, Massauah, Nasik und Finkler-Prior 
in Kontakt gebracht. Das Serum der Patientin Er. agglutinierte komplett 
nur den Cholerastamm in der Verdünnung 1 : 40 und partiell bis zur 
Verdünnung 1:100. Das Serum des Patienten N., aus dessen Stahl der 
Vibr. Metschnikoffs 843 isoliert wurde, agglutinierte nur den Vibr. 
Metschnikoffs und den Stamm 843 bis zur Verdünnung 1 : 10. Das 
Serum des Patienten Pr., aus dessen Stuhl der Vibr. 1286 isoliert wurde, 
agglutinierte keinen von diesen Stämmen, nicht einmal in der Verdünnung 
1:2, darunter auch nicht seinen eigenen Stamm (1286). 

Wir können nunmehr — abgesehen von der geringfügigen Fähigkeit 
des Serum N., seinen eigenen Stamm zu agglutinieren — im allgemeinen 
sagen, daß die Sera der Patienten N. und Pr. keine spezifischen, auf ihre 
eigenen Stämme wirkenden Agglutininen enthalten, im Gegensatz zu der 
Patientin Er., welche echte Cholera durchgemacht hatte. 

Ebenso negativ waren die Ergebnisse der Prüfung der bakteriolyti- 
schen Fähigkeiten der Seren. Zur Prüfung der Bakterizid ie in vitro wurde 
die Methode von Neisser (16) angewendet. Als Komplement diente 
frisches Meerschweinchenserum in der Menge von 0-1 ccm , das Gesamt¬ 
volumen der Flüssigkeit wurde auf 2 com mit physiologischer Kochsalz¬ 
lösung mit Zusatz von einigen Tropfen von Bouillon aufgefüllt; in jedem 
Röhrchen wurde 1 l e000 Öse einer 18 ständigen Vibrioneukultur in 1 ccra 
physiologischer Kochsalzlösung zugesetzt. Die Aussaat von 5 Tropfen er¬ 
folgte auf Platten und verflüssigtem Agar nach einer 4 ständigen Be¬ 
brütung. Die Tabelle I enthält die Ergebnisse dieser Versuche, und zwar 
die Zahl der Kolonien, die sich nach 24 Stunden entwickelt hatten. 

Man ersieht aus dieser Tabelle, daß die Eigenschaften eines spezifi¬ 
schen Immunserums in bezug auf den Gehalt an Bakteriolysinen nur dem 
Serum der Cholerapatientin Er. zukommt in ihrer Wirkung auf den 
Choleravibrio: derselbe wird abgetötet von 0-00006 com Serum. 


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Tabelle II stellt die Ergebnisse der Serumaustitrierung dar: 


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L. Kandiba: 


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Die schwache Wirkung des Serums der Patientin N. auf den be¬ 
treffenden Stamm ist kaum als spezifisch zu betrachten: einerseits unter¬ 
liegt er nahezu demselben Maßstabe der Einwirkung der anderen Sera, 
andererseits besitzen wir zu der Wirkung des Choleraserums auf den 
Choleravibrio einen ausgezeichneten Vergleich. Die Wirkung des Serum N. 
kann sich gar nicht damit messen. 

Das Serum des Patienten Pr. wirkt nicht bakterizid, weder auf den 
eigenen (1286), noch auf den echten Cholerastamm. Die Ergebnisse dieser 
Vitroversuche sind durch uns durch die Prüfung der Wirkung der Sera N. 
und Pr. im Pfeifferschen Phänomen an Meerschweinchen kontrolliert 
worden. Sogar große Serummengen (0 • 1 ccm ) gaben mit Vio Öse des be¬ 
treffenden Stammes ein negatives Resultat, sowohl in bezug auf das 
Pfeiffersche Phänomen, wie auf den Tod des Tieres. Zu gleicher Zeit 
genügten 0*001 ccm des Serums der Cholera-Patientin Er., um die mit 
ihr zusammen in die Peritonealhöhle eingespritzten Choleravibrionen in 
typische Granula zu verwandeln und das Meerschweinchen vor dem Tode 
zu schützen. 

Wir sehen somit, daß die Prüfung der Sera N. und Pr. sowohl nach 
der Methode von Neisser, wie nach der von Pfeiffer, keine spezifische, 
auf die aus den Stühlen isolierten Vibrionenstämme wirkende Bakterioly- 
sine festzustellen vermochte. Nach diesen negativen Resultaten haben 
wir noch nach den spezifischen, komplementfixierenden Antikörpern von 
Bordet-Gengou in denselben Seren gesucht. Die Blutkörperchen 
wurden nach 1 Stunde Sensibilisierung bei 37 0 zugesetzt. Als Antigene 
dienten die Wassermannschen Extrakte aus den betreffenden Vibrionen. 
Zu diesem Zweck wurde eine 24 ständige Agarkultur in 5 ccm destilliertem 
Wasser aufgeschwemmt, 48 Stunden im Schüttelapparat behandelt und 
durch scharfes Zentrifugieren von den Bakterienleibern befreit. Durch 
Vorversuche wurde das Komplement und der hämolytische Ambozeptor 
(Antihammelserum) titriert; die betreffenden Werte betrugen für das 
Komplement 0*007 ccm , für den Ambozeptor 0*0002 ccra . Zum eigentlichen 
Versuch wurde 0*02 ccm Komplement und 0.0006 ccm Ambozeptor (zur 
Sensibilisierung von 0*5 ccm Blutkörperchen in 5 Prozent Aufschwemmung) 
verwendet. Die Ergebnisse sind in der Tabelle II zusammengestellt 

In Übereinstimmung mit den früheren Versuchen haben wir ge¬ 
funden, daß nur das Serum der Cholerapatientien Er. eine typische 
Bindung mit dem Choleraantigen gab in den Mengen von 0*03 bis 0*02 fC “. 
In größeren Mengen gab dasselbe Serum auch eine nicht spezifische par¬ 
tielle Bindung mit den aus den Vibrionen 843 und 1286 hergestellten 
Antigenen. 


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Über ätiolog. Bedeutung des oholebaähnl. Vibrionen. 415 


Die Sera der Patienten N. und Pr. gaben keine spezifische Bindung 
mit den betreffenden Antigenen, sodaß auf dem Wege der Reaktion von 
Bordet-Gengou ebenfalls keine spezifischen Immuneigenschaften fest¬ 
zustellen waren. 

Es war noch von Interesse, die Sera unserer Patienten auf ihren 
Gehalt an spezifischen Bakteriotropinen zu prüfen. Leider ließen sich aus 
diesen nach der Methode von Neufeld (17) angestellten Versuchen keine 
Schlüsse ziehen, da unsere Vibrionen einen hohen Grad von spontaner 
Phagozytierbarkeit aufwiesen: in dem mit Serum nicht beschickten 
Röhrchen war die Phagozytose ebenso stark vorhanden wie in den mit 
Serum beschickten. 


Schlußfolgerung. 

Es ist uns nicht gelungen, im Serum von Patienten, welche eine 
akute Darmaffektion durchgemacht hatten, die klinisch in enger Verwandt¬ 
schaft mit der echten Cholera asiatica stand und mit massenhaftem Auf¬ 
treten von choleraähnlichen Vibrionen im Stuhl verbunden war, irgend¬ 
welche spezifische Antikörper zu entdecken sowohl gegenüber dem echten 
Choleravibrio, wie gegenüber den aus den Stühlen der betreffenden 
Patienten isolierten Stämmen. Das Besagte bezieht sich auf Agglutinine, 
Bakteriolysine und auf die komplementbindenden Antikörper von Bordet- 
Gengou. 

Es ist somit auf Grund der von uns ausgeführten Serumprüfung an¬ 
zunehmen, daß den von uns aus den Stühlen isolierten choleraähnlichen 
Vibriostämmen in unseren Fällen keine ätiologische Bedeutung zukommt. 
Für diese Annahme spricht auch der Umstand, daß in vier untereinander 
ähnlichen Erkrankungsfallen verschiedene Vibrionen isoliert worden sind. 

Andererseits wäre es denkbar, daß die Vibrionen hier die Erkrankung 
auf dem Wege verursachten, daß sie während der starken Vermehrung 
im Darm giftig wirkende Stoffe produzierten, ohne aber die Epithelialdecke 
durchbrochen und dadurch zur Bildung von spezifischen Bakterien anti- 
körpern geführt zu haben. In solchem Falle müßten aber die Sera 
unserer Patienten antitoxische Eigenschaften besitzen in bezug auf die 
von den isolierten Vibrionen gebildeten Toxine. Einige nach dieser Richtung 
unternommene Versuche sind aber vollkommen resultatlos geblieben, da 
es uns nicht gelungen ist, in den gewöhnlichen Kulturen dieser Stämme 
irgend welche Toxine nachzuweisen. 


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416 


L. Kandiba: Über ätiolog. Bedeutung usw. 


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Literatur-Verzeichnis. 


1. Finkler, Tageblatt der 58. Versammlung deutscher Naturforscher u. Ärzte 
zu Straßburg. S. 438. 

2. Finkler u. Prior, Ergänzungshefte z. Centralblatt f. allgem. Gesundheits¬ 
pflege. Bd. I. Hft. 5—6. 

8. Grube u. Lustig, Baumgartens Jahresbericht um. für 1887. 

4. Holst, Norsk Magazin for Laegevidenskaben. 1892. 

5. Vogler, Deutsche med. Wochenschrift. 1893. S. 836. 

6. Fischer, Ebenda. 1893. 

7. Ruette u. Enock, Ebenda. 1894. S. 923. 

8. Zörkendörfer, Prager med. Wochenschrift. 1893. S. 519. 

9. Bon hoff, Archiv für Hygiene. Bd. XXVI. 

10. Gotschlich, Diese Zeitschrift. Bd. XX. 

11. Kolle, Handbuch der path. Mikroorganismen von Kolle-Wassermann. 

Bd. III. 

12. Pestana Camara u. Bettencourt, Centralblatt f. Bakteriol. Bd. XVI. 

13. Chantemesse et Netter, La semaine mid. 1894. 

14. Kolle u. Gotschlich, Diese Zeitschrift. Bd. XLIV. 

15. Horowitz, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. LVIII. Abt. I. 

16. Neisser, Gesammelte Arbeiten zur Immunitätsforschung von Ehrlich. 

17. Neufeld, Handbuch von Kolle-Wassermann. II. Ergänzungsband. 


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[Aus dem König!. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.] 
(Direktor: Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaft'ky.) 


Über die Bedeutung und Tätigkeit des großen Netzes 
bei der peritonealen Infektion. 

Von 

Prof. Dr. Josef Koch, 

Mitglied des Instituts. 


(Hierzu Taf. II u. III.) 


Das Schicksal der in die Bauchhöhle von Versuchstieren injizierten 
Bakterien ist schon häufig Gegenstand der Untersuchung gewesen, haupt¬ 
sächlich aus dem Grunde, weil die dabei im Peritonealraum sich ab¬ 
spielenden Vorgänge besonders geeignet sind, über prinzipielle Fragen der 
Bakteriologie, nämlich über die wichtige Frage des Unterganges der 
Bakterien und die dabei gebildeten bakteriziden Substanzen Klarheit zu 
schaffen. 

Während bekanntlich R. Pfeiffer die Ansicht vertritt, daß durch 
die bei der Immunisierung gebildeten Bakteriolysine der freien Peritoneal¬ 
flüssigkeit die Auflösung der pathogenen Keime herbeigeführt wird, sind 
es nach Metschnikoff zelluläre Vorgänge, besonders die aktive Phago¬ 
zytose, durch welche die ins Peritoneum gebrachten Bakterien abgetötet 
werden. 

Trotz zahlreicher einschlägiger Arbeiten ist eine Einigung dieser 
beiden Anschauungen bisher nicht erzielt worden. 

Um mir ein eigenes Urteil zu bilden, habe ich eine Reihe von Unter¬ 
suchungen angestellt und zunächst die Frage zu beantworten gesucht, was 
aus verschiedenen in die Bauchhöhle der Versuchstiere gebrachten Bakterien 
wird. Im Verlauf dieser Arbeit bin ich zu der Ansicht gekommen, daß 

Zettochr. f. Hy*ioue. LX1X 

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Josef Koch: 


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zwar Bakteriolyse und Phagozytose außerordentlich wichtige Mittel des 
Organismus im Kampfe mit der Infektion darstellen, daß aber damit die 
Zahl der mitwirkenden Faktoren noch nicht erschöpft ist; keineswegs dürfen 
wir uns die Bauchhöhle als einen Raum vorstellen, in dem nur der 
Lymphe und den Leukozyten die Zerstörung der eingedrungenen Orga¬ 
nismen obliegt, vielmehr ist der Ablauf der Vorgänge wesentlich kompli¬ 
zierter. Vor allen Dingen spielt bei diesen Vorgängen ein Organ 
eine außerordentlich wichtige Rolle, dessen Bedeutung und 
Tätigkeit bisher kaum erkannt ist, nämlich das große Netz. 

Bevor ich zum Studium des Verhaltens der Bakterien im Bauch¬ 
raum überging, habe ich eine Reihe von Vorversuchen mit körnchen¬ 
förmigen Substanzen angestellt, die ich in die Peritonealhöhle der Ver¬ 
suchstiere einspritzte. Es ist bereits bekannt, daß sehr fein verteilte 
Substanzen wie z. B. Tusche- oder Zinnoberemulsionen hei Einführung in 
die Körpergewebe sich zuuächst ebenso verhalten wie Bakterien. Man hat 
sich daher schon vielfach in der experimentellen Pathologie derartiger 
Substanzen mit großem Nutzen bedient, um die Wege kennen zu lernen, 
die pathogene Keime im lebenden Organismus einschlagen. Die An¬ 
wendung feinster farbiger korpuskularer Elemente hat außerdem noch den 
Vorzug, daß sie durch ihre Farbe sich leichter vom Körpergewebe 
abheben und auf diese Weise später leichter nachgewiesen werden können. 

Wie ich mich durch sehr zahlreiche Versuche überzeugt habe, besteht 
in der Tat eine sehr weitgehende Übereinstimmung des Verhaltens fein 
verriebener Tuscheemtilsion mit Bakterienaufschwemmungen, soweit die 
spezifische Wirkung des betreffenden Bakteriums zunächst außer Betracht 
bleibt, die für jeden Mikroorganismus besonders festgestellt werden muß. 
Hiervon abgesehen, ist aber die Anwendung von fein verteilten Tusclie- 
emulsionen ein ausgezeichnetes Hilfsmittel und ein vorzüglicher Weg¬ 
weiser beim Studium und für die Beurteilung der späteren Versuche mit 
Bakterien. 


1. Über das Schicksal der in die Bauchhöhle der Versuchstiere 

injizierten Tusche. 

Eber die Technik bemerke ich folgendes: Zur Injektion benutzte ich 
feinste chinesische Tusche, die auf einem Reihbrett möglichst fein in Koch¬ 
salzlösung verrieben wird und je nach Belieben mehr oder weniger kon¬ 
zentriert hergestellt worden kann. Als Versuchstiere dienten mir Mäuse, 
Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen, Hunde, Affen, denen wechselnde 
Mengen in die Bauchhöhle eingespritzt wurden. Bei Mäusen genügen 0-2. 
Meerschweinchen 1-0, Ratten, ()•.'>, Kaninchen 2 ■ 0 einer dichten Tusche- 
aufschwemmung. Es empfiehlt sich, zunächst mit den kleinen Versuchstieren zu 
beginnen und dann die Versuche an größeren Tieren vorzunchmen. Das ideale 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 419 

Tier für derartige Versuche ist da8 Meerschweinchen, auf das sich die folgen¬ 
den Angaben zunächst beziehen. 

Spritzt man einem Meerschweinchen von etwa 250 fr™ l ccm Tusche¬ 
emulsion ein und entnimmt nach etwa einer Stunde mittelst feiner Glas- 
kapillaren Peritonealflüssigkeit, so kann man zunächst konstatieren, daß 
die Flüssigkeit im Bauchraum stark vermehrt ist. Das geht schon daraus 
hervor, daß sie bei der Entnahme förmlich in die Kapillare hineinschießt. 
Durch die Beimischung der Tusche ist das Transsudat intensiv schwarz 
gefärbt. Im hängenden Tropfen sieht man wenige Leukozyten und die 
Tusche als unregelmäßige, in lebhafter Molekularbewegung befindliche 
schwarze Teilchen. Nach 2 Stunden ist die Zahl der Leukozyten be¬ 
deutend vermehrt, und man bemerkt, daß die meisten bereits Tusche¬ 
teilchen ihrem Protoplasma einverleibt haben. Die Farbe des Transsudates 
ist dabei schon wesentlich heller geworden. In den folgenden Stunden 
nimmt seine Menge bedeutend ab, die Farbe wird heller, die Leukozyten 
beladen sich mehr und mehr mit der Tusche und nach 24 Stunden ist 
gewöhnlich diese aus der freien Peritonealflüssigkeit, die wieder ihre klare 
Farbe angenommen hat, verschwunden. Die Tuscheteilchen befinden sich 
jetzt innerhalb der Leukozyten, vorausgesetzt, daß nicht eine zu große 
Menge von Farbe einverleibt wurde. Es hat also eine außerordentlich 
starke Phagozytose stattgefunden, die im allgemeinen mit der Menge der 
eingeführten Tusche parallel läuft. Das Bild, das ein nach 24 Stunden 
hergestellter hängender Tropfen der Peritoneallymphe darbietet, ist ein 
höchst eigenartiges. Die Tuscheteilchen sind von den Granula der Leuko¬ 
zyten adsorbiert. Weitere Einzelheiten übergehe ich hier und verweise 
auf meine Publikation. 1 

Wird das Versuchstier nach 24 Stunden getötet, so kann man folgen¬ 
den anatomischen Befund erheben. Die freie Peritonealflüssigkeit ist 
kaum vermehrt, die Menge entspricht ungefähr der eines normalen Tieres. 
Einen eigentümlichen Anblick gewährt das Netz, das gewöhnlich aufgerollt 
unterhalb des Magens liegt. Es sieht intensiv schwarz aus, als wenn 
sämtliche Tusche sich auf ihm niedergeschlagen hätte. Breitet man es 
aber auf einer Glasplatte vorsichtig aus, so sieht man, daß die Tusche 
nicht auf dem Netz, sondern innerhalb der zarten Gewebsmaschen in 
zierlicher Weise gleich einem Adergeflecht angeordnet sich befindet. 
Schwärzliche Streifen begleiten meist die vom Fettgewebe begleiteten Ge¬ 
fäße. Dabei treten einzelne Fleckchen und Knötchen von miliarer bis 
Linsengröße durch ihre intensiv schwarze Färbung besonders stark hervor, 


1 Josef Koch, Über den Mechanismus der Phagozytose. Diene Zri/nrhriff. 
1911. Bd. LXV1II. S. 80. 

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Josef Koch: 


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als wenn die Tasche sich hier noch stärker angehäuft hätte. Gewöhnlich 
liegen außerdem noch einzelne schwärzliche Massen, die aus einer Unzahl 
von Leukozyten mit phagozytierter Tusche bestehen, zwischen den Darm¬ 
schlingen oder in den Buchten der Peritonealhöhle des Versuchstieres. 
Sie lassen sich von der Serosa leicht abheben, während dies beim Netz 
nicht der Fall ist. 

So oft man den Versuch bei den verschiedenen Versuchstieren, Maus, 
Ratte, Meerschweinchen, Kaninchen, Hund auch wiederholen mag, immer 
ist es derselbe Befund, stets findet sich fast die gleiche Menge der Tusche 
im Gewebe des Netzes. 

In derselben Weise fiel auch ein Versuch bei einem Affen aus, der 
7 ccm e j ner Tuscheemulsion intraperitoneal erhalten hatte; doch war hier 
die Tusche, als das Tier nach 24 Stunden getötet wurde, über das sehr 
faltenreiche große Netz viel gleichmäßiger verteilt Nur die fettgewebs- 
reichsten Partien zeigten eine intensivere und diffusere Färbung; stärkere 
knötchenförmige Anhäufungen der Tusche wie bei den kleineren Tieren 
habe ich hier nicht beobachtet, dagegen zeigte das Centrum tendineum 
des Zwerchfells eine dichte schwarze Streifung, während das Peritoneum 
parietale und die Serosa der Därme keine Veränderungen zeigten. 

Das Netz hat also die Fähigkeit, fein verteilte körnchenförmige Sub¬ 
stanzen nach Injektion in die Bauchhöhle zu resorbieren. Außer dieser 
starken und regelmäßigen Resorption durch das Netz ist gewöhnlich eine 
weit geringere durch die Lymphbahnen des Centrum tendineum des 
Zwerchfells zu konstatieren, das bei diesen Versuchen eine mehr oder 
minder starke Strichelung in seiner Kuppe aufweist. Man kann dies be¬ 
sonders dann beobachten, wenn größere Mengen der Farbstoffemulsion 
eingespritzt werden. Auch hier liegt die Tusche im Gewebe, wie mau 
sich leicht an Schuittpriiparaten überzeugen kann; auch läßt sie sich durch 
Abwisclien nicht entfernen. Daß die Lymphbahnen des Zwerchfells sich 
an der Aufsaugung peritonitischer Exsudate beteiligen, ist übrigens eine 
bekannte Tatsache. 

Auffällig ist jedoch das Verhalten der übrigen Peritoneal¬ 
höhle, des Peritoneum parietale und der Serosa der Darm¬ 
schlingen, die sich an der Resorption körnchenförmiger Sub¬ 
stanzen nicht beteiligen. Jedenfalls habe ich im Tuscheversuch nichts 
gefunden, was auf eine nennenswerte Resorption korpuskularer Substanzen 
seitens dieser Teile des Peritoneums schließen läßt. Für die mangelnde 
Resorptionsfähigkeit dieser Teile spricht auch der Umstand, daß sowohl 
Phagozyten, die sich mit Tusche beladen haben, als auch Haufen von 
verklumpten Phagozyten längere Zeit im Peritonealraum unverändert 
liegen bleiben. 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 421 

Ans den Versuchen geht demnach hervor, daß die Ent¬ 
fernung korpuskularer Elemente aus der Bauchhöhle in erster 
Linie und weitaus zum größten Teile durch das große Netz, in 
zweiter Linie durch die Lymphbahnen des Centrum tendineum 
des Zwerchfells bewirkt wird. 

Auf das Verhalten des großen Netzes gegenüber den in die Bauch¬ 
höhle gebrachten körnchenformigen Substanzen haben bereits Heusner 1 , 
Heger 2 , Bose 3 aufmerksam gemacht. Heusner hat sich damit be¬ 
gnügt, lediglich die Tatsache zu konstatieren, ohne auf den wichtigen 
und interessanten Mechanismus der Resorption seitens dieses Organes 
näher einzugehen. 

Es sei mir gestattet, an dieser Stelle zunächst etwas Näheres über 
die Anatomie und die herrschenden Ansichten über die Funktion des 
Omentum majus vorauszuschicken: 

Heusner leitet seine Arbeit „Die physiologische Bedeutung des 
großen Netzes“ mit den Worten ein: „Die Bestimmung des großen 
Netzes der Säugetiere ist eine ungelöste Frage, und der Streit darüber 
reicht bis ins Altertum zurück.“ Und nach einem Rückblick faßt er die 
zurzeit bestehenden Ansichten also zusammen: „Neue Autoren sehen in 
der Netzschürze ein Absonderungs- und Befeuchtungsorgan oder auch ein 
Resorptionsorgan, wieder andere einen Blut- und Lymphbereitungsapparat. 
In der neuesten Zeit ist das große Netz infolge der Wichtigkeit, welches 
es für die Chirurgie erlangt hat, von verschiedenen Seiten zu einer Schutz¬ 
vorrichtung gegen pathologische Zufälle erhoben worden, und Albrecht- 
Frankfurt vergleicht seine Tätigkeit mit jener der Leukozyten, deren 
Fähigkeiten ebenfalls bei Eutzündungsprozesseu zur vollen Entfaltung ge¬ 
langen können.“ Nach Heusner kann jedoch das große Netz seiner 
Hauptbestimmung nach nicht als eine Schutzvorrichtung bezeichnet 
werden; denn es gibt kein Organ für pathologische Ausnahmefälle. 

Über die Anatomie des Netzes, vor allem über die Frage, ob hier 
Lymphgefäße Vorkommen oder nicht, sind die Ansichten geteilt. Nach 
Suzuki 4 sind bezüglich der Art der Resorption im Laufe der Zeit zwei 
vollkommen divergierende Ansichten hervorgetreten; während die einen 

1 Heusner. Die physiologische Bedeutung des großen Netzes. Münchener 
med. Wochenschrift. 1905. 

* Heger, Contribution a l'etude experimentale des ibnctions du grand epiploon. 
Annales de la Soc. Royale des Sciences mcdicales de Bruxelles. 1904. T. XIII. 

* Rose, Das Verhalten des großen Netzes nach intraperitonealen Injektionen 
körniger Stoffe. Inaug.-Diss. Straßburg 1907. 

4 Suzuki, Über die Resorption im Omentum majus des Menschen. Virchows 
Archiv . Bd. CCII. 


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Josef Koch: 


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Autoren, z. B. Albert von Haller, Chaussier und Adelon, Eccles. 
Norris, Luschka, resorbierende Lymphgefäße im großen Netz be¬ 
schrieben haben, leugnen andere ihr Vorkommen im großen Netz. In den 
meisten Lehrbüchern der normalen Anatomie findet sich nichts näheres über 
die Lymphgefäße des Omentum majus erwähnt, selbst nicht in dem aus¬ 
gezeichneten Werke von Bartels 1 „Das Lymphgefäßsystem“. Auf die 
Literatur näher einzugeben, muß ich mir hier versagen; ich verweise auf 
die literarische Übersicht bei Suzuki. 

Suzuki selbst hat auf Anregung Chiaris, der in einem Falle von 
in Spontanheilung begriffener lokaler Abreibung des linken Leberlappeus 
in Schnitten vom großen Netz Leberzellen und Gallengangsepithelien in 
erweiterten Lymphgefäßen gefunden hatte, die Frage der Lymphgefäße 
und den Nachweis resorbierter Substanzen beim menschlichen Netz an 
einem größeren Material studiert. Durch die mikroskopische Untersuchung 
konnte er in den Lymphgefäßen sehr verschiedenen Inhalt nachweisen. 
Leberzellen, Gallengangsepithelien, Pankreaszellen, Geschwulstzellen, rote 
und weiße Blutkörperchen und auch Bakterien. Alle diese Elemente 
waren, wie Suzuki schreibt, zweifellos von der Bauchhöhle in die 
Lymphgefäße des Omentum majus gelangt. Er zieht aus seinen Unter¬ 
suchungen deu Schluß, daß 1. das Omentum majus regelmäßig reichliche 
Lymphgefäße besitzt, daß 2. die verschiedenen korpuskularen Elemente, 
die in der Bauchhöhle als abnormer Inhalt auftreten, auch in die Lymph¬ 
gefäße des Omentum majus eintreten, und daß 3. infolgedessen das 
Omentum majus bei Infektionen des Peritoneums als ein schützendes 
Organ der Bauchhöhle anzusehen ist, ja, daß es geradezu sehr wesentlich 
daran beteiligt ist, die Bauchhöhle rein zu halten. 

Auch nach meinen Untersuchungen ist das Netz ein Organ, das 
neben Blutgefäßen regelmäßig Lymphgefäße enthält. Nicht nur beim 
Menschen, sondern auch bei den kleineren Säugetieren gelingt es, nach 
zahlreichen eigenen Untersuchungen in Netzschnitten Lymphgefäße und 
Lymphknoten nachzuweisen. Norris 2 hat die Verhältnisse beim Kaninchen 
genauer untersucht. Er teilt die Lymphgefäße in zwei Gruppen ein; die 
größeren tiefen verlaufen in Begleitung der Blutgefäße, während die kleinen 
oberflächlichen nach allen Richtungen das Netz durchziehen. Den Anfang 
der kleinen Lymphgefäße sollen die sogenannten von Recklinghausen- 
schen Saftkanälchen bilden. Diese kommunizieren mit den Lymph- 
kapillaren und diese münden in die großen Lymphstämme. Die Lympb- 


1 Bartels, Das Lympligeläßsysteni. 17. Lieferung des Handbuches der Anatomie 
des Menschen. Herausgegeben von Karl von Bardeleben. Bd. 111. Abt. IV. 

2 Norris, Hüll, tneil. Univ. of l'ennsyle. 1908— 19o9. Vol. XXL 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 423 

gefäße des großen Netzes laufen in mehreren Lymphdrüsen im obersten 
Teil des großen Netzes an der Curvatura major ventriculi zusammen. 

Über die sonstige feinere Histologie des großen Netzes sei 
folgendes bemerkt: Beim Menschen zeigt es areolären Bau und besteht aus 
anastomosierenden Bindegewebsbündeln, die ein zierliches Netz mit poly¬ 
gonalen oder rechteckigen Maschen bilden und Fibroblasten enthalten. Die 
Lymphgefäße verlaufen nach Suzuki meist mit den Blutgefäßen, zuweilen 
aber auch zwischen den Blutgefäßen. Von Recklinghausen hat zur 
Unterscheidung der Lymph- und Blutgefäße, die sehr schwierig ist, an¬ 
gegeben, daß die Wandungen der Lymphgefäße an den Knotenpunkten 
nach außen hin konkav sind. 

Ein Stück Netz eines jungen normalen Kaninchens vom proximalen, 
unterhalb des Magens gelegenen Teil habe ich auf der Taf. II, Zeichnung 
Nr. 1 wiedergegeben. Wie die Abbildung zeigt, kommen hier (auch beim 
Meerschweinchen) 1. teils diffuse, teils schärfer begrenzte, an Lymph- 
follikel erinnernde Zellkomplexe verschiedener Größe vor, die bis auf die 
größten durchweg einer bindegewebigen Umhüllung entbehren. Im ganzen 
Netz, besonders aber auch in der Nähe dieser aus Lymphozyten bestehenden 
Zellaggregate sieht man 2. zahlreiche große und polymorphkernige Zellen 
(s. Taf. II, Fig. 2), deren Protoplasma aus zahlreichen eosinophilen 
Granula besteht. In sehr großer Anzahl habe ich sie auch entlang den 
Blut- und Lymphgefäßen, dem Fettgewebe, das die Gefäße eiuscheidet, 
angelagert gefunden. Es sind starke Phagozyten. Im Tusche versuch, 
der über die Verbreitung dieser Zellen im Netz sehr guten Aufschluß 
gibt, kann mau sehen, daß ihre Granula die Farbstoff!eilcheu massenhaft 
adsorbiert haben. 

Über die zeitigen Elemente der Lymphe und der serösen Höhlen, 
sowie über die physiologische Bedeutung des Netzes haben Weidenreich 1 
und Schott® wertvolle Mitteilungen gemacht. 

Nach Weidenreich enthalten die serösen Höhlen, besonders die 
Bauchhöhle, in ihrem spärlichen normalen Transsudat stets Zellelemeute. 
Bei allen Tieren kommen große protoplasmareiche rundkernige Zellen vor, 
die als abgestoßene Endothelien oder eingewanderte Blutelemente (Lympho¬ 
zyten) oder als losgelöste adventitielle Zellen der Netzgetäße angesprochen 

1 Weidenreieh, Über die zeitigen Klemente der Lymphe und der serösen 
Holden. Verhandl. der Anatom. Gesellschaft auf der '21. Versammlung am 24. bis 
27. April 1907 zu Würzburg. 

* Schott, Morphologische and experimentelle Untersuchungen über Bedeutung 
und Herkunft der Zellen der serösen Höhlen und der sogenannten Makrophagen. 
Inaug.-Diss. Straßburg. Archiv für mikr. Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 

1909. Bd. LXXIV. 


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Josef Koch: 


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werden. Daneben finden sich z. B. beim Meerschweinchen zahlreiche 
rund- und polymorphkernige eosinophile Leukozyten und spärliche Lympho¬ 
zyten. Sehr spärlich sind die polynukleären Leukozyten vertreten. 

Trifft das Peritoneum ein Beiz, so ändert sich das Bild, indem sehr 
zahlreiche polynukleäre Leukozyten aus den byperämischeu Gefäßen aus¬ 
treten. Diese Leukozyten gehen nach Weidenreich im Exsudat sehr 
schnell zugrunde. Entweder zerfallen sie, oder sie werden von den großen 
rundkernigen Zellen (Makrophagen) aufgenommen. Bei wiederholter 
Reizung wandern aus dem Blut keine polynukleären Leukozyten mehr aus. 
Das Exsudat besteht fast nur noch aus Makrophagen, aus jenen großen 
rundkernigen Zeilen und eosinophilen rund- und polymorphkernigen Leu¬ 
kozyten. Die beiden Formen zeigen nach Weidenreich zahlreiche 
Mitosen. Es handelt sich also hier um eine autochthone Zellbildung 
innerhalb der Bauchhöhle. Weideureich behauptet, daß die großen 
protoplasmareichen rundkernigeu Zellen, die nach ihm charakteristische 
Bestandteile der normalen und der entzündlichen Peritonealfiüssigkeit 
darstellen, losgelöste Peritonealendothelien sind, die ihre phagozytäre 
Eigenschaft in hohem Maße auch innerhalb des Netzes entfalten und die 
aus dem Blut austretenden polynukleären Leukozyten sofort in sich auf- 
nelimen. 

Nach meinen Untersuchungen kommen als phagozytäre Elemente der 
Bauchhöhle zwei große Zellengruppen in Betracht, die wir mit Metschni- 
koff als Makro- und Mikrophagen bezeichnen können. 

Die Mikropliagen oder polynukleären Leukozyten stammen aus dem 
Blut und wandern, sobald die Peritonealhöhle von einem Reiz betroffen 
wird, aus den hyperämischen Gefäßen des Netzes aus. 

Zu den Makrophagen rechne ich die großen mononukleären, proto¬ 
plasmareichen rundkernigen Zelleu, die hauptsächlich minderwertige und 
abgestorbene Zellelemente aufuehmeu, vor allem aber die eosinophilen 
Zellen, deren Protoplasma aus eiuer Unzahl von Granula besteht. Diese 
beiden verschiedenen Makrophagen stammen nicht aus dem Blut, sondern 
aus dem Netz; die auf der Taf. II, Figur Nr. 2 abgebildeten Zellen sind 
keineswegs identisch mit den eosinophilen Leukozyten des Blutes. Bei 
bakterieller peritonealer Infektion sind es diese Makrophagen hauptsächlich, 
die Mikroorganismen sowie Farbstoffteilchen vermittelst ihrer Granula in 
großer Menge adsorbieren und in ihrer Kreßtätigkeit den polynukleären bei 
weitem überlegen sind. 

Auf Grund meiner Untersuchungen stimme ich mit 
Weidenreich und Schott darin überein, daß die Makrophagen 
des entzündlichen Peritouealexsudates ursprünglich sessile 
Zellen des Netzes sind, die auf einen entzündlichen Reiz zu 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 425 

Phagozyten werden, indem sie sich zum Teil aus dem Zellver- 
bande lösen und zu freien Elementen werden. 

Auch über die physiologische Bedeutung des Netzes bin ich 
zu derselben Ansicht wie Weidenreich gekommen, der folgende Auf¬ 
fassung vertritt. 

„Das Netz ist zu charakterisieren als ein in der Fläche entfalteter 
lymphoider Apparat, gleichwertig dem Reticulum der Lymphbahuen und 
der Sekundärknötchen der Lymphknoten nebst den in ihnen enthaltenen 
Zellen. Dieser lymphoide Apparat ist aufgehängt in der einem Lymph- 
raum entsprechenden Peritonealhöhle; das Netz ist durchbrochen, so daß 
Flüssigkeit wie korpuskuläre Elemente hindurchpassieren können, wie die 
Lymphe durch das Reticulum der Lymphbahuen. Allenthalben im Netz 
können Sekuudärknötchen (Ansammlung von Lymphozyten) sich bilden, 
die sogenannten „taches laiteuses“ Ranviers. Physiologisch wirken die 
Zellen des Netzes wie die der Lymphdrüsen, indem sie sowohl Zellen pro¬ 
duzieren, die frei werden können und in den Lymphraum gelangen — 
das siud jene großen rundkernigen Zellen der Peritonealflüssigkeit, als 
auch solche, die innerhalb des Organs selbst Verwendung linden — die¬ 
selben Zellen und Lymphozyten.“ 

Auf welche Weise kommt nun die Aufnahme körnchen¬ 
förmiger Substanzen durch das Netz zustande? 

Daß nach der Einspritzung frei im Exsudat der Bauchhöhle schwim¬ 
mende Tuscheteilchen nach 24 Stunden in erheblicher Menge von den 
Leukozyten phagozytiert sind, steht fest. Das Fortschreiten der Phagozy¬ 
tose läßt sich ja durch die Kontrolle des Peritouealexsudates im Laufe der 
24 Stunden genau verfolgen. Die Menge der nach 24 Stunden innerhalb 
der Bauchhöhle in den Phagozyten gelegenen, von den Granula adsor¬ 
bierten Tuscheteilchen entspricht aber nicht im entferntesten der ganzen 
eingespritzten Menge, sondern sie stellt nur einen kleinen Teil, gewisser¬ 
maßen nur den Rest der im Bauchraum zurückgebliebenen Farbstofl- 
teilchen dar. Die Hauptmenge ist aus ihm verschwunden, und da mau 
bei der Untersuchung des Netzes — die sehr leicht auszuführen ist, indem 
man die durchsichtigen Partien über einem Objektträger ausbreitet und 
unter dem Mikroskop betrachtet — konstatieren kann, daß die Tusche¬ 
teilchen sich in einer Unmenge von Phagozyten innerhalb des Netzes 
eingeschlossen finden, so müssen wir annehmen, daß die Phagozyten in 
den Peritouealraum eingewandert, die Farbteilchen phagozytiert und ins 
Netz zurückgewaudert sind. Diese vermittelst der Phagozyten statt¬ 
findende Resorption korpuskularer Elemente aus der Bauch¬ 
höhle in das große Netz möchte ich als indirekte bezeichnen. 


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Bei der Untersuchung des Netzes derartiger Versuchstiere sieht man 
jedoch, daß nicht nur die eigentlichen Wanderzelleu, die Mikro- und 
Makrophagen, sondern auch fixe Phagozyten, nämlich die Endothelien der 
Lymphgefäße, die Farbstoffteilchen aufgenommen haben. Ja man findet 
die Tusche hier und da auch frei im Lumen der Lymphgefäße. Daraus 
geht mit Sicherheit hervor, daß die Lymphgefäße des Netzes korpus¬ 
kulare Elemente auch direkt ohne Vermittlung der Phagozyten 
aufsaugen können. Es kommt also neben der indirekten auch 
eine direkte Resorption durch die Lymphbahnen des Netzes 
vor. Hierfür spricht auch die Schnelligkeit der Aufnahme; denn schon 
kurze Zeit nach der Injektion liegt ein großer Teil des Farbstoffes im 
Netz, wovon man sich leicht nach Tötung des Tieres überzeugen kann, 
während Leukozyten im allgemeinen in den ersten 2 Stunden nach der 
Einspritzung nur spärlich im Peritoneum vorhanden sind. 

Die mit den Farbstoffteilchen beladenen Makrophagen trifft man teils 
einzeln, teils zu Gruppen vereinigt, in den durchsichtigen Partien des 
Netzes an; vor allem aber findet man sie in großer Anzahl zu beiden 
Seiten des Fettgewebes, in das die Gefäße eingebettet sind, so daß schon 
bei makroskopischer Betrachtung diese Stellen als schwarze Streifen auf¬ 
fällen. In die Gefäße selbst dringen sie nicht ein. Ich habe bei 
zahlreichen Untersuchungen kein eiuziges Gefäß getroffen, wo ein Tusche¬ 
leukozyt in einem Gefäß, Vene oder Arterie, gelegen hätte. 

Eine starke Anhäufung der Tuschephagozyten findet weiter 
in den Lymphknötchen, und besonders in den an der Wurzel 
des Netzes gelegenen Lymphknoten statt. Diese fallen daher 
schon makroskopisch durch ihre intensiv schwarze Farbe auf. Um ein 
klares Bild der Verhältnisse zu gewinnen, ist es nötig, diese Partien am 
gehärteten Präparat zu studieren. Man kann dann sehen, daß die Auf¬ 
nahme der Tusche seitens der Phagozyten innerhalb der Lymphknötchen 
eine durchaus ungleichmäßige ist. Die Mikrophagen enthalten zwar fast 
ohne Ausnahme kleine Tuschepartikelchen in ihrem Zellenleibe, doch 
werden sie von anderen Zellen ganz in den Schatten gestellt, die voll¬ 
gepfropft mit Tusche, wie schwarze Kugeln vom übrigen Gewebe sich ab- 
hebeu. Diese Zellen sind die zwei verschiedenen Arten der Makrophagen. 
Sie entstammen, wie bereits oben bemerkt, nicht dem Blute, wie die poly¬ 
nukleären Leukozyten, sondern dem lymphoiden Apparate des großen Netzes. 

Von hohem Interesse und für den Mechanismus der Entstehung einer 
allgemeinen Infektion vom Peritoneum aus wichtig ist die Frage nach 
dem weiteren Schicksal der körnchenförmigen Substanzen. Ich hatte be¬ 
reits festgestellt, daß der bei weitem größte Teil der in die Bauchhöhle 
injizierten Farbstoffmenge von den leukozytäreu • Elementen des Netzes 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 427 

und den Lymphknötchen festgehalten wird, und daß ein Best innerhalb 
der Leukozyten in der Bauchhöhle selbst liegen bleibt. Weiter hatte ich 
mitgeteilt, daß ein geringer Teil durch die Lymphbahnen des Centrum 
tendineum aufgenommen wird. Diese Lymphbahnen perforieren das 
Zwerchfell und nehmen ihren weiteren Verlauf mit den Venae mediasti- 
nales retrosternal, wo sie oberhalb der Brustapertur ihren Inhalt in den 
großen Ductus chyliferus abführen. In dem Verlauf dieser retrosternalen 
Lymphstränge sind Lymphknoten eingeschaltet, und zwar liegen beim 
Meerschweinchen und Kaninchen je zwei ungefähr in der Höhe der dritten 
Rippe, zwei oberhalb der oberen Brustapertur. Auch beim Affen und 
beim Menschen finden sich im Verlauf der restrosternaleu Lymph¬ 
gefäße kleine Lymphdrüsen. Wenn man den Versuchstieren reichlich 
Tusche intraperitoneal injiziert und die Tiere nach 48 Stunden tötet, 
so heben sich diese Lymphknötchen durch ihre intensiv schwarze Farbe 
deutlich von ihrer .Umgebung ab, ein Beweis, daß die Farbstoffteilchen 
hier abgelagert wurden. Die Kenntnis dieser, der Peritonealhöhle ent¬ 
stammenden, das Zwerchfell perforierenden Lymphbahnen mit ihren 
eingeschalteten Lymphknötchen ist von größter Wichtigkeit; deun sie 
zeigen uns den Weg, auf dem ein Bruchteil der korpuskularen Substanzen 
und Bakterien in die Lymphe und sekundär in den allgemeinen Blutkreis¬ 
lauf geraten kann. Die Infektion des Blutes durch Bakterien 
vom infizierten Peritoneum aus erfolgt also nicht direkt durch 
die Blutgefäße der Peritonealhöhle, sondern auf indirektem 
Wege durch die ableitenden Lymphgefäße. Aber auch hier hat 
der zweckmäßig gebaute Organismus gegen eine ungehinderte Überflutung 
des Blutes Barrieren geschaffen, indem in die ableiteuden Lymphbahnen 
Lymphknoten eiugeschoben sind, die den größten Teil der mit fremden 
Bestandteilen beladenen Leukozyten abfangen. 

Für die von mir geschilderte Infektion des Blutes und weiterhin der 
verschiedenen Körperorgane von der Peritonealhöhle aus lassen sich noch 
weitere Beweise anführen. Wenn man Tuschetiere nach 24 Stunden tötet 
und vom Parenchym der Leber und Milz Abstriche macht, so findet man 
fast stets spärliche Tuschezellen, und zwar die großen mononukleären 
Phagozyten. Da weder Leber noch Milz direkte Verbindungen mit dem 
freien Peritonealraume haben, so können sie nur auf dem eben geschil¬ 
derten Wege mit dem Blutstrom in diese Organe gelangt sein. Wenn 
wirklich eine direkte Kommunikation dieser Organe mit der Bauchhöhle 
bestände, so müßten die Tuschephagozyten weit zahlreicher hier angetroffen 
werden; aber nur wenigen Zellen gelingt es, alle Barrieren zu passieren, 
ehe sie in den Hauptlymphstrom und sekundär in die allgemeine Blut¬ 
zirkulation gelangen. 


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II. Über das Schicksal der in die Peritonealhöhle injizierten 

Bakterien. 

Nachdem vermittelst des Tuscheversuches das Schicksal der iu die 
Bauchhöhle injizierten Farbstoffemulsionen festgestellt war, war es nicht 
schwer, dasjenige der Bakterien genauer zu verfolgen. Die Frage, auf 
welche Weise Bakterien aus der Bauchhöhle verschwinden, hat seit Beginn 
der bakteriologischen Ära die Forscher gefesselt, und besonders in letzter 
Zeit ist das Problem von chirurgischer Seite verschiedentlich experimentell 
zu lösen versucht worden. 

Peiser 1 * und Glimm® sind der Ansicht, daß die Bakterien von den 
Lymphbahnen des Peritoneums aufgenommen werden; indes liegen, wie 
Danielsen 3 bemerkt, bisher keiuerlei sichere Beweise für diese Behaup¬ 
tung vor. Nach ihm muß auch die Vermutung anderer Forscher (Ber¬ 
telsmann), die Bakterien würden durch die Blutbahn aus der Bauchhöhle 
resorbiert, so lange respektiert werden, bis vollgültige Beweise vorliegen. 

Danielseu selbst hat die Frage durch Tierversuche zu entscheiden 
versucht. Zu diesem Zweck legte er bei Hunden den Ductus thoracicus 
frei und versuchte, in ihn eine feine Kanüle einzubiuden, oder begnügte 
sich mit der Freilegung und entnahm dem eröffneten Gefäß Lymphe mit 
der ausgeglühten Platinscblinge. In die freigelegte Carotis externa band 
er eine ausgekochte Glaskanüle ein, darauf injizierte er eine ganze, in 
steriler Kochsalzlösung aufgeschwemmte Colikultur in die Bauchhöhle; 
in verschiedenen Zwischenräumen wurde dann Blut und Lymphe ent¬ 
nommen und auf passende Nährböden übertragen. 

Bei den in dieser Weise augestellten Versuchen konnten in der 
Lymphe des Ductus thoracicus die in die Bauchhöhle gebrachten Colibak- 
terien nachgewiesen werden, während in dem zu gleicher Zeit entnommenen 
Blut sich kein einziges Bacterium coli zeigte. 

Da es mir darauf ankam, zunächst einmal den reinen Resorptions¬ 
vorgang eines Bakteriums, das sich der bakteriziden Tätigkeit der freien 
Peritonealflüssigkeit gegenüber resistent erwies, kennen zu lernen, so habe 
ich meine Versuche mit Tuberkelbazillen menschlichen und tierischen 
Ursprungs begonnen. 

Die Kaninchen von 1500 lfrm Gewicht erhielten 0*03 s rm (Typus 
boviuus), Meerschweinchen 0 • 02 fc' rm (Typus humauus) einer feinen, in 
Kochsalzlösung verriebenen Aufschwemmung von Tuberkelbazillen intra- 

1 Peiser, Bruns Beiträge. Bd. XLV. 

8 Glimm, Deutsche Zeitschrift für Chiru^qie. Bd. JjXXIII. 

3 Dan ieisen. Über die Schutzvorrichtungen in der Bauchhöhle. Habilitations¬ 
schrift. Lau]»]i jr., Tübingen 19<>7. 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit dfs grossen Netzes usw. 429 

peritoneal eingespritzt Zwar ist die Menge der injizierten Bazillen immer¬ 
hin eine beträchtliche; aber für den Zweck der Feststellung der Resorp¬ 
tion und des ersten Verlaufes der Infektion war eine größere Dosis vor¬ 
zuziehen, da die Bazillen im infizierten Tiere dann später leichter auf¬ 
gefunden werden konnten. 

Entnimmt man 1 Stunde nach der Einspritzung Peritonealexsudat, 
so ist die Phagozytose bereits im Gange, aber es sind doch nur verhält¬ 
nismäßig wenige Mikro- und Makrophagen sichtbar. In den folgenden 
Stunden nimmt die Leukozytose zu, und man sieht schon zahlreiche 
Stäbchen im Innern der Phagozyten. 

Nach 7 Stunden ist das Peritonealexsudat so reich an poly- und 
mononukleären Leukozyten, daß man glaubt, Eiter vor sich zu haben. 
Etwa ein Drittel der Zellen haben Tuberkelbazillen im Innern. 

Die mononukleären zeichnen sich dadurch aus, daß sie meist voll¬ 
gestopft sind mit Bazillen, während die polynukleären meist nur vereinzelte 
Stäbchen aufgenommen haben. Freie Bazillen findet man in der Peritoneal¬ 
flüssigkeit nur mehr ganz vereinzelt. 

Nach 9 Stunden hat sich das Bild insofern geändert, ais etwa 2 / 3 der 
Zellen Tuberkelbazillen phagozytiert haben. Außerhalb der Zellen befindet 
sich kaum noch ein Bacillus. 

Nach 24 Stunden enthält die Bauchhöhle noch zahlreiche Phagozyten, 
doch hat die Zahl der Zellen, die Bazillen in ihrem Protoplasma aufweisen, 
stark abgenommen. 

Will man sich Klarheit darüber verschaffen, wo die Bazillen geblieben 
sind, so ist es nötig, das Tier zu töten. Erfolgt die Sektion 24 bis 48 Stunden 
nach der Infektion, so erscheint die Bauchhöhle zunächst nicht verändert. 
Die Serosa des Darmes und das Peritoneum parietale ist spiegelnd, glatt 
und glänzend, nur das Netz liegt zusammengerollt unterhalb des Magens, 
ist ödematös, stärker wie normal gerötet, manchmal mit weißlichen Fibrin¬ 
flocken bedeckt und verklebt. Die Lymphknötchen, die sonst nicht sichtbar 
sind, sind jetzt stark vergrößert, von gelbweißem Aussehen, gleich als wenn 
sie eitrig erweicht wären. Durch ihre Größe und gelbweiße Farbe treten 
sie deutlich hervor (vgl. Taf. II, Zeichnung Nr. 3). Zerquetscht man ein 
größeres Lymphknötchen und färbt den Ausstrich auf Tuberkelbazillen, so 
ist mau erstaunt über die große Anzahl der sich hier vorfindenden 
Stäbchen. 

Über die Zahl und Lokalisation der Bazillen in den Lymphknoten und 
dem übrigen Gewebe des Netzes geben Schnittpräparate genauen Auf¬ 
schluß. Die Menge der Stäbchen innerhalb der größeren Lymphknoten 
ist oft enorm; färbt man nach Ziehl, so erscheint das Gewebe des 
Knötchens oft ganz rot. Die Stäbchen liegen teils vereinzelt oder zu 


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mehreren in den dicht aneinander liegenden polynukleären Leukozyten, 
teils finden sie sich angehäuft in einzelnen Zellen, die über das ganze Ge¬ 
sichtsfeld verstreut sind. Außer diesen in Zellen eingeschlossenen Stäbchen 
sind aber noch große Bazillenrasen vorhanden, die offenbar kleine, trotz 
sorgfältiger Verreibung nicht in einzelne Stäbchen aufgelöste Brockel der 
injizierten Kultur darstellen. Eine Reaktion seitens des Gewebes ist trotz 
der großen Menge der auf engem Raum zusammenliegenden Bazillen kaum 
vorhanden. Aber nicht nur die Lymphknoten, sondern auch die kleinen, 
aus Lymphozyten bestehenden Zellaggregate, sowie die einzelnen oder zu 
mehreren in dem Maschengewebe des Netzes liegenden leukozytären 
Elemente enthalten die nach Ziehl rot gefärbten Stäbchen. 

Der Weg, den die Bazillen genommen haben, um aus der freien 
Bauchhöhle in das Netz zu gelangen, ist nicht schwer zu verfolgen. 

Von einer Vernichtung der Keime durch die eingewanderten Mikro- 
und Makrophagen im Peritonealraum selbst kann keine Rede sein, aber 
als Transportzellen haben die Phagozyten eine großartige Tätigkeit ent¬ 
faltet, indem sie fast alle in die freie Peritonealflüssigkeit injizierten 
Bazillen bis auf wenige Reste, die in Leukozyten eingeschlossen, in der 
Bauchhöhle verblieben sind, in das Netz und zwar hauptsächlich in die 
Lymphknötchen befördert und dort abgelagert haben (vgl. Taf. III, Mikro¬ 
photographie Nr. 1). 

Was den weiteren Verlauf der peritonealen tuberkulösen In¬ 
fektion des Meerschweinchens und Kaninchens anbetrifft, so gehen die 
durch das Netz abgefangenen Bazillen hier nicht zugrunde, sondern ver¬ 
ursachen typische Netzveränderungen. Nach etwa 14 Tagen ist aus 
dem aufgerollten Netz ein wurstförmiger Tumor von gelbweißer Farbe und 
derber Beschaffenheit geworden, der unterhalb der großen Kurvatur des 
Magens gelegen ist und an Stellen, wo zahlreiche Bazillen hingerieten, 
bereits verkäst ist. Die Milz ist um diese Zeit auch schon vergrößert, 
zeigt aber nur feinste, eben sichtbare Knötchen in ihrem Parenchym. 
Makroskopisch sieht man au den übrigen Organen der Bauchhöhle sowie 
au den Lungen noch keine Veränderungen. Die miliaren Knötchen der 
Milz verdanken ihre Entstehung Tuberkelbazillen, die von Phagozyten ver¬ 
schleppt, durch die dem Peritoneum entstammenden Lymphgefäße in den 
Hauptlymphstrom und sekundär ins Blut eingeschwemmt sind, genau, wie 
ich es bei den Tuschezellen, die man in der Milz und Leber nach intra- 
peritonealer Injektion von Tusche antrifft, geschildert habe. 

Wir sehen also, daß der Mechanismus der peritonealen Infektion mit 
Tuberkelbazillen d. h. was die erste Phase, die Resorption der Bazillen 
aus der Bauchhöhle anbetrifft, genau in derselben Weise verläuft wie beim 
Tuscheversuch. Sobald die Bazillen innerhalb des lymphoiden Gewebes 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 431 

des Netzes sich befinden, können sie ihre spezifischen Eigenschaften ent¬ 
falten, die schließlich zur Zerstörung der Phagozyten und Verkäsung des 
umliegenden Gewebes führen. 

Weitere Versuche, den Mechanismus der peritonealen In¬ 
fektion bei den gewöhnlichen Eitererregern zu erforschen, habe 
ich bei jungen Kaninchen und Meerschweinchen mit Staphylo- und 
Streptokokken angestellt. Um die Tätigkeit des Netzes bei diesen In¬ 
fektionen frei von Nebenerscheinungen zu beobachten, muß man natürlich 
untertödliche Dosen nehmen. Beim Staphylococcus, jungen Kaninchen 
intraperitoneal injiziert, genügt eine Öse virulenter Agarkultur. Es würde 
mich zu weit führen, hier den Gang der Infektion genauer zu schildern. 
Soweit die erste Phase, das Verschwinden der Kokken aus dem Peritoneal¬ 
raum in Betracht kommt, ist er genau derselbe wie bei der Infektion mit 
Tuberkelbazillen. Die Phagozytose ist bei der Staphylo- und Streptomykose, 
sofern keine zu großen Mengen verwandt werden, besonders ausgesprochen, 
gleichgültig, ob man virulente oder wenig virulente Stämme benutzt. 

Tötet man ein Staphylo- oder Streptokokkentier nach 24 Stunden, so 
erscheint das Netz wenig verändert. Es hat sich aufgerollt und nur dort, 
wo größere Lymphknötchen im Netz liegen, sieht man stärkere Rötung 
und Injektion der Geläße. Die größten, an der Wurzel des Netzes 
liegenden Lymphknötchen beherbergen große Mengen von in Phagozyten 
eingeschlossenen Kokken, wovon man sich leicht an nach Gram gefärbten 
Schnittpräparaten überzeugen kann. Bei dieser Anhäufung von Kokken 
handelt es sich keineswegs um eine Vermehrung, sondern lediglich um 
eine Verschleppung und Ablagerung auf dem verhältnismäßig kleinen 
Raum • eines Lymphknötchens durch die Leukozyten. Nirgendwo sieht 
man, daß die Kokken in das benachbarte Gewebe eindriugen, nirgendwo 
die Zeichen einer progredienten Entzündung. 

Die Versuche mit Pneumokokken, Bacterium coli, Diphtherie- und 
Milzbrandbazillen fielen in derselben Weise aus. 

Wie gestaltet sich nun das weitere Schicksal der Bakterien nach 
ihrer Ablagerung durch die Leukozyten im lymphoiden Ge¬ 
webe des Netzes? 

Nach Metschnikoff, der den Phagozyten die ausschlaggebende 
Rolle bei der Vernichtung der Mikroorganismen zuerteilt, sollen bekanntlich 
die Bakterien im Protoplasma der Leukozyten verdaut werden und zwar 
innerhalb der Bauchhöhle. 

Es kann jedoch darüber kein Zweifel bestehen, daß eine Reihe von 
pathogenen Keimen wie z. B. Strepto- und Pneumokokken, Diphtherie- und 
Typhusbazillen, Choleravibrionen, Bacterium pyocyaneumu.a. zum geringen 
Teil schon in der freien Peritonealflüssigkeit beim nicht immunisierten 


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Josef Koch: 


Tier ihren Untergang finden. Dafür spricht das Vorkommen von 
Degenerationsformen, die man bei sorgfältiger Untersuchung des Peritoueal- 
exsudates stets konstatieren kann. Der größere Teil wird allerdings von 
den Phagozyten aufgenommen. Es fragt sich aber, ob die innerhalb der 
Leukozyten liegenden Keime hier abgetötet werden oder nicht Für 
manche Bakterien, wie z. B. den Tuberkelbacillus, Staphylokokken kann 
diese Frage heute wohl verneint werden. Bei einer weiteren Reihe von 
Keimen, virulenten Strepto- und Pneumokokken, sowie Diphtheriebazillen, 
habe ich öfter das Peritonealexsudat der infizierten Tiere 24 Stunden 
nach der Injektion, als ich mich überzeugt hatte, daß sämtliche Keime 
sich innerhalb der Phagozyten befanden, auf passenden Nährböden aus- 
gestrichen, aber stets ein gutes Wachstum der betreffenden Bakterien er¬ 
halten, ein Beweis, daß diese Keime noch nicht von den Phagozyten ver¬ 
nichtet waren. Man könnte ja den Einwand machen, daß sich auch noch 
freie Bakterien im Peritonealexsudat befunden haben könnten, die meiner 
Kontrolle entgangen wären. Um diesem Einwand zu begegnen, habe ich 
nicht die freien, noch in der Bauchhöhle befindlichen, sondern die bereits 
in die Lymphknötchen des Netzes eiugewanderten, mit Bakterien be¬ 
ladenen Leukozyten zur Aussaat auf Nährböden benutzt, indem ich die 
größten Knötchen nach 24 bis 48 Stunden sorgfältig aus der Umgebung 
herauspräparierte, sie mehreremal in Kochsalzlösung wusch, sie dann zer¬ 
quetschte und dieses Material auf die Nährböden brachte. Auch hier 
erhielt ich bei den genannten pathogenen Keimen stets ein reichliches 
Wachstum. Also selbst im lymphoiden Gewebe des Netzes waren in den 
ersten Tagen die Keime noch lebensfähig. Die Dipbtherietiere starben 
gewöhnlich nach 3 Tagen. Außer im Netz fanden sich im Orgauismus 
des Meerschweinchens keine Bazillen. Der Tod der Tiere ist offenbar auf 
eine Toxinwirkung von den im Netz abgelagerten Bazillen zurückzuführen. 

Versuchstiere, die mit Strepto-, Staphylo- und Pneumokokken iufiziert 
worden waren, blieben dagegen am Leben. Hier mußte also allmählich 
eine Abtötung innerhalb der Lymphknötchen des Netzes erfolgt sein. Wenn 
man bedenkt, eine wie große Menge der pathogenen Keime in den größten 
dieser Lymphknötchen zusammengetragen wird, so läßt sich daraus der 
Schluß ziehen, daß die bakterizide Kraft eines derartigen Zellkomplexes eine 
außerordentliche sein muß. Wie die Bazillen hier vernichtet werden, kann 
ich allerdings nicht sagen. Der Vorgang des Unterganges von Bakterien 
ist uns ja auch bei den Lymphdrüsen des übrigen Körpers nicht bekannt, 
nur soviel wissen wir, daß ihr bakterizides Vermögen ein gewaltiges ist. 

Gegenüber diesen Versuchen am nicht präparierten Tier 
war es von großem Interesse, die Vorgänge in der Bauchhöhle 
immunisierter Tiere zu verfolgen. 


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Über die Bedeutung ü. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 433 

Wenn man Meerschweinchen und Kaninchen mit Strepto-, Pneumo¬ 
kokken, Milzbrandbazillen u. a. vorbehandelt, so gewinnt das Peritoneal¬ 
exsudat dadurch eine außerordentlich starke bakteriolytische Fähigkeit für 
diese Bakterien, eine Tatsache, die uns durch die klassischen Untersuchungen 
R. Pfeiffers für andere Bakterien, den Choleravibrio und Typhusbacillus 
bekannt ist. Durch diese starke bakterizide Tätigkeit verschwinden die 
Bakterien sehr schnell aus der Bauchhöhle, indem sie in der Peritoneal¬ 
flüssigkeit zum größten Teile aufgelöst werden. Wichtig ist, daß im 
immunisierten Tier eine Reaktion von seiten der aus dem Blut stammenden 
polynukleären Leukozyten fast gänzlich ausbleibt, während Makrophagen 
gewöhnlich in großer Anzahl im Exsudat, vielfach zu kleinen Häufchen 
verklumpt, aus dem Netz in die freie Bauchhöhle eingewandert sind. Die 
Auflösung der Bakterien läßt sich besonders gut an sporenhaltigen Milz¬ 
brandbazillen studieren. Man kann unter dem Mikroskop verfolgen, wie 
die Konturen der Bazillen allmählich verschwinden, während die einzelnen 
Sporen des Stäbchens keine Veränderungen erleiden. Der Prozeß verläuft 
sehr schnell, so daß man 20 Minuten nach der Einspritzung nur Sporen, 
die allerdings ebenso wie ein Teil der Bazillen gierig von den Makrophagen 
gefressen werden, im Exsudat finden kann. In derselben Weise verläuft 
der Prozeß der Auflösung bei den Strepto- und Pneumokokken, gleich¬ 
zeitig allerdings auch hier mit einer energischen Phagozytose seitens der 
Makrophagen, die mit den Resten und Trümmern der Bakterien vom Netz 
aufgenommeu werden. Ein anderer Teil wird direkt von den Lymph- 
bahnen des Lymphnetzes resorbiert. 

Die Darstellung, die ich von den beim Untergang der Bakterien in 
der Bauchhöhle sich abspielenden Vorgängen gegeben habe, weicht in einer 
Reihe von Punkten von der zurzeit herrschenden Lehre ab. Vor allem 
kann ich der Ansicht Metschnikoffs, daß die Vernichtung der Keime 
im Peritonealraum durch die eingewauderten Phagozyten vor sich gehe, 
nicht zustimmen. 

Der Prozeß beim vorbehandelten ist wesentlich verschieden 
von dem beim normalen Versuchstiere. Während beim immuni¬ 
sierten Tier der Untergang der Keime in der Hauptsache 
durch die bakteriolytische Tätigkeit des Peritonealexsudats, 
also extrazellulär im Sinne R. Pfeiffers schnell entschieden 
wird, ist der Verlauf beim nicht immunisierten Versuchstier 
viel langsamer und komplizierter, indem die Vernichtung der 
Keime hauptsächlich im lymphoiden Gewebe des Netzes vor 
sich geht, wohin die Bakterien teils direkt resorbiert, teils 
indirekt durch die Mikro- und Makrophagen abgelagert 
werden. 

ZeiUchr. f. Hygiene. LXIX 

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434 


Josef Koch: 


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Das iSchicks.il der in die Bauchhöhle eingeführteu pathogeuen Keime 
wird also nicht durch einen einzigen, sondern durch eine Reihe von mit- 
wirkenden Faktoren entschieden. Wenn wir sie hinsichtlich ihrer Be¬ 
teiligung an der Keimabtötung prüfen, so können wir sagen, daß die 
Phagozytose dasjenige Phänomen ist, das bei sämtlichen 
Bakterien regelmäßig und am sinnfälligsten in die Erschei¬ 
nung tritt, während der Vorgang der Auflösung im Exsudat sich meist 
dem Auge des Beobachters entzieht. Daß die Phagozyten virulente, 
lebensfähige Keime aufnehmeu können, muß zugegeben werden. Keines¬ 
wegs ist aber die Aufnahme gleichbedeutend mit einer Abtötung im 
Leukozytenleibe, vielmehr tritt diese erst innerhalb der einzelnen Lymph¬ 
knötchen und Drüsen ein. In diese mit hoher bakterizider Kraft ver¬ 
sehenen Stätten gelangen sie allerdings durch die Wanderzellen. Die 
Tätigkeit der letzteren ist also dahin zu charakterisieren, daß 
sie in erster Linie Resorptionszellen sind, wie eine Reihe hervor¬ 
ragender Forscher, z. B. R. Pfeiffer, Baumgarten u. a. stets hervor¬ 
gehoben haben. 


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Über die Bedeutung u. Tätigkeit des grossen Netzes usw. 


435 


Erklärung der Abbildungen. 

(Taf. II u. IIL) 

Tafel IL 

Zeichnung Nr. 1 u. 2. 

Stellt einen Schnitt durch den proximalen Teil des großen Netzes eines jungen 
Kaninchens (1500 fMn ) bei schwächerer Vergrößerung ( Winkel (Je. 3 Obj. 3) dar. Man 
sieht in dem Maschenwerk des Netzes ein größeres, aus Lymphozyten bestehendes 
Lymphknötchen und zwei kleinere, ebenfalls aus Lymphozyten bestehende Zoll¬ 
aggregate. Die überall irn Gewebe sichtbaren eosinophilen Zellen sind in der Figur 
Nr. 2 bei starker Vergrößerung (Zeiss Apochrom. Comp. Oe. 8) dargestellt. 

Zeichnung Nr. 3. 

Ist angefertigt vom Netz eines 1500schweren jungen Kaninchens (natür¬ 
liche Größe), das eine Tuberkclbazillencmulsion (0*03 * rm ) intraperitoneal erhalten 
hatte. Auf der Zeichnung treten die gelbweißen kleineren und größeren Lymph¬ 
knötchen, die besonders im Verlauf der Gefäße sieh linden, plastisch hervor. Das 
Tier war 4s Stunden nach der Kinspritzung getötet worden. Unten links am Netz 
liegt die Milz. 

Tafel IIL 1 

Mikrophotogramin Nr. 1. (Vergr. 50 fach.) 

Zeigt bei schwacher Vergrößerung einen Schnitt eines großen Lymphknötchens 
des vorhergehenden Hildes. Die schwarzen unregelmäßigen Schollen, die sich be¬ 
sonders au den Ländern dos Drüsengewebes finden, stellen Drücket der Bazillen¬ 
emulsion dar, die als solche von Leukozyten in das Lymphknötchen transportiert 
wurden. Die große längliche schwarze Stelle oben rechts ist ein Kunstprodukt (Um- 
schlagsfalte im Schnitt). 

Mikrophotogramin Nr. 2. (Vergr. 900 fach.) 

Auf dem Bild ist ein Lymphgefäß vom großen Netz zu sehen, in dessen Inneren 
sieh zahlreiche, meist degenerierte Wanderzellen befinden, die mit Milzbrandbazilhm 
oder deren Besten erfüllt sind. Ivs finden sich aber auch freie Trümmer von Milz¬ 
brandbazillen innerhalb des Lymphgefäßes. Das Tier war mit einer Öse virulenter 
Milzbrandkultur intraperitoneal geimpft und nach etwa 30 Stunden verendet. 

1 Die Mikrophotugramme verdanke ich der Güte des Hrn. Prof. Zcttnow. 


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[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.] 
(Direktor-. Geh. Obermed.-Rat Prof. Dr. Gaffky.) 

U ntersn ch ungen 

über die Lokalisation der Bakterien, das Verhalten des 
Knochenmarkes nnd die Veränderungen der Knochen, 
insbesondere der Epiphysen, bei Infektionskrankheiten. 

Mit Bemerkungen zur Theorie der Rachitis . 1 

Von 

Prof. Dr. Josef Koch, 

Mitglied des Instituts. 

(Hierzu T»f. IV VIII ) 


Es ist bekannt, daß die Epiphysen und Gelenke bei einer Reihe vou 
Infektionskrankheiten mit Vorliebe zu erkranken pflegen; auch gilt das 
Knochenmark als eine hervorragende Stätte sowohl der Ablagerung als 
auch des Unterganges von Bakterien. In einer früheren Publikation 2 habe 
ich darauf aufmerksam gemacht, daß auch im Epiphysenmark der Knochen 
von Kindern der ersten Lebensjahre, die an Infektionskrankheiten oder deren 
Folgezustäuden gestorben waren, sich fast regelmäßig Bakterien kulturell 
und histologisch nachweisen lassen, und daß besonders die Rippen dieser 
Fälle vielfach die ersten Anfänge der rachitischen Kuochenstörung zeigen. 

Diese Befunde, sowie die Lücken, die unsere Kenntnisse über die 
Einwirkung von Bakterien auf den Knochen und seine Adnexe aufweisen, 
ließen es erwünscht erscheinen, etwas Genaueres über das Vorkommen 
der Bakterien an den Epiphysen, über die wichtige Frage der Ablagerung 
uud des Unterganges der Mikroorganismen im Knochenmark und die Ver- 

1 Abgekürzt vorgetragen auf der 5. Tagung der freien Vereinigung für Mikro¬ 
biologie in Dresden 8. bis 10. Juni 1911. 

2 Verhandlungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft 13. Tagung, gehalten 
in Leipzig 1909. 


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Josef Koch: Untersuchungen über die Lokalisation usw. 437 

änderungen der Knochen selbst experimentell festzustellen. Auf diese 
Weise hoffte ich, zugleich Anhaltspunkte für die schwierige Beurteilung 
der Bakterienbefunde in den rachitischen Knochen zu gewinnen. 

Soweit ich die Literatur übersehe, haben diese verschiedenen Fragen, 
abgesehen von den Arbeiten E. Fraenkels 1 , bisher entweder gar keine oder 
nur eine sehr dürftige Beantwortung erfahren. Experimentell sind sie meines 
Wissens systematisch überhaupt noch nicht geprüft worden. Es handelt 
sich also um einen ersten Versuch, und da die Untersuchungen eines 
größeren Materials sehr zeitraubend sind, so habe ich mich zunächst auf 
bestimmte Bakterien und Versuchstiere beschränken müssen; immerhin 
dürften die Resultate meiner Studien in theoretischer wie praktischer Be¬ 
ziehung nicht ohne Interesse sein. 

Technik and Untersochungsmateri&l. 

Das Arbeiten mit den kleinsten Versuchstieren, Mäusen, Ratten und 
Meerschweinchen habe ich nach einer Reihe von orientierenden Versuchen 
wegen der Kleinheit der in Betracht kommenden Knochen wieder auf¬ 
gegeben und später fast ausschließlich junge Kaninchen vom Durchschnitts¬ 
gewicht 12()0 bis 1500 & rm , die sich noch im lebhaften Knochenwachstum 
befinden, verwendet. Auch Epiphysen von Affen, die einer Pneumo- und 
Streptokokkensepsis erlegen waren, habe ich untersuchen können, doch sind 
diese Befunde noch zu spärlich, um daraus allgemeinere Schlußfolgerungen 
ziehen zu dürfen. 

Die Versuchstiere wurden auf intravenösem Wege mit Milzbrandbazillen, 
Strepto- und Pneumokokken infiziert. Vom Milzbrand standen mir mehrere 
virulente und weniger virulente Stämme, von denen die tödliche Dosis bei 
intravenöser Infektion des Kaninchens zwischen einer und dem zwanzigsten 
Teil einer Öse schwankte, zur Verfügung. Streptokokken wurden stets aus 
frischem Material (erysipelatöser Abszeß, Gelenkeiterung usw.) isoliert und 
in Pferdeserumbouillon gezüchtet (1 Teil Pferdeserura, 3 Teile Bouillon), in 
der sich übrigens die Virulenz ausgezeichnet erhalten läßt. Die Infektions¬ 
dosis betrug durchschnittlich 1 bis l 1 / 2 cc,n Pferdoserumbouillonkultur, doch 
kann man mit viel kleineren Dosen denselben Effekt erzielen. 

Für eine erfolgreiche Pneumokokkeninfektion genügen bei jungen 
Kaninchen gewöhnlich einige Tropfen Herzblut einer mit dem Diplococcus 
lanceolatus geimpften und gestorbenen Maus, oder man infiziert mit dem 
Herzblut eines der Infektion erlegenen Kaninchens gleich ein zweites usw. 

Der Nachweis der Bakterien im Knochenmark der Versuchstiere 
kann sowohl kulturell, als auch im Ausstrichpräparat leicht geführt werden, 
wenn man kleinere Partikelchen des Markgewebes auf passenden Nährböden 
in Petrischalen ausstreicht oder zur Anfertigung von Trockenpräparaten 

1 E. Fraenkel, Über Erkrankungen des roten Knochenmarkes, besonders der 
Wirbel und Kippen, bei akuten Infektionskrankheiten. Mittel/, aus den (Grenzgebieten 
der Medizin und Chirurgie. 1903. Kd. XIL Hit. 4. 


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Josef Koch: 


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zwischen zwei Objektträgern verreibt. Will man größere Partien de* 
Knochenmarkes der langen Röhrenknochen, z. B. des Femurs, für Reagens- 
glasversuche gewinnen oder im Schnittpräparat untersuchen, so empfehle ich. 
die beiden Epiphysen an beiden Enden abzutragen und das Mark mit einem 
kleinen Stößer herauszupressen. Bei dieser Methode muß man allerdings 
auf den wichtigsten Teil, das Epiphysenmark, verzichten, erhält aber fast 
das ganze Mark der Diaphyse in fast unversehrtem Zustand. 

Über die Menge und Verteilung der Bakterien an der Epiphyse 
konnten natürlich nur gefärbte Schnittpräparate, die Vom entkalkten Knochen 
angefertigt wurden, zuverlässigen Aufschluß geben. Über die von mir an¬ 
gewandte Technik der Entkalkung und Färbung bemerke ich folgendes. 

Die Versuchstiere wurden ausnahmslos unmittelbar nach dem Tode 
obduziert und die Organe noch lebendfrisch in die Härtungsflüssigkeit ge¬ 
bracht. Im übrigen wurde meist einheitlich verfahren und zur histologischen 
Untersuchung die letzten echten Rippen und das untere Ende des Femurs 
in die Härtungsflüssigkeit eingelegt. Die primäre Härtung erfolgte in der 
Lösung I der Kaiserlingschen Flüssigkeit, in der die Organteile je nach 
Dicke 24 bis 48 Stunden verweilten (Formalin 200-0, Wasser 1000-0. 
Kali nitric. 15.0, Kali acet. 30*0). Aus dieser Lösung kamen sie 24 Stunden 
in 85 prozentigen Alkohol, hieran schloß sich die schonende Entkalkung der 
Knochen. Am besten hat sich mir hierzu die Salpetersäure in schwacher 
Konzentration bewährt (Acit. nitric. 30*0, Alcohol. absolut 70*0, Aqua 
dest. 300*0, Chlor, natr. 2*5). Nach genügender Entkalkung wurden die 
Teile 24 bis 48 Stunden in fließendem Wasser ausgewaschen. Da ich die 
Erfahrung gemacht habe, daß die Teile hierbei nur mangelhaft entsäuert 
werden, empfehle ich, nach beendeter Entkalkung die Stücke in eine 5 pro- 
zentige Lithium- oder Natriumsulfatlösung auf 12 bis 24 Stunden zu bringen, 
um den Prozeß der Entsäuerung wirksamer zu gestalten. Ich rate hierzu 
aus dem Grunde, weil leider die in den Präparaten noch vorhandene Säure 
die Farben langsam auszieht. Am ehesten tritt dies bei den Bakteric-n 
ein. Auf diese Weise ist mir eine Reihe von Dauerpräparaten gänzlich 
verdorben. 

Nach dem Auswaschen müssen die Organe wiederum gehärtet werden, 
und zwar in steigendem Alkohol. Es erfolgt dann die Aufhellung in Xylol 
und das Einbetten in Paraffin. Zur Erzielung dünner Schnitte ziehe ich 
Paraffin dem Zelloidin vor. Die kleinen Knochen der Versuchstiere eignen 
sich für die Einbettung in Paraffin verhältnismäßig gut. 

Von Bakterien Färbungen, die für die Knochenschnitte in 
Betracht kommen, habe ich nach verschiedenen Versuchen als zweck¬ 
mäßig die Gram-Saffranin, Eosin-Methylenblau und die Färbung nach Pappen¬ 
heim erprobt. Selbstverständlich kommt die Gramfärbung nur für solche 
Bakterien in Betracht, die grampositiv sind. Wir wenden sie in folgender 
Weise an: 

1. Färbung 5. Minuten lang mit Karbolgentianaviolett (gesättigte alko¬ 
holische Gentianavioloftlösung, 10 • 05 prozont ige Karbolsäurelösung 100* 0): 

2. Beizen mit Lugolscher Lösung, 1 Minute; 

3. Trocknen mit Fließpapier: 

4. Entfärben mit Alcohol absolut.; 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 439 


5. Färbung mit l ! t prozentiger Safl'raninlösung, 1 bia 2 Minuten; 

6. Differenzieren in Alcohol absolut., Xylol, Kanadabalsam. Knochen¬ 
schnitte, die in dieser Weise gefärbt sind, gewähren einen außerordentlich 
schönen Anblick und geben ein kontrastreiches Bild. Der kalkhaltige 
Knochen und Knorpel ist rot gefärbt, Bazillen und Kokken präsentieren 
sich als Wauschwarze Gebilde, ebenso die Kerne der Markzellen, die bei 
dem Akt der Entfärbung die Farbe gewöhnlich festhalten, was für die Orien¬ 
tierung nur vorteilhaft sein kann 

Eine Universalfärbungsmethode für Bakterien in Knochen 
ist die Eosin-Methylenblaufärbung nach Mann und zwar in der 
Modifikation, wie sie von Lentz angegeben ist. Als Farblösungen 
dienen 1. Eosin extra B Höchst 0*5, 60 prozentiger Äthylalkohol 100*0: 
2. Löfflersches Methylenblau. Als Differenzierungsmittel werden gebraucht 
1. alkalischer Alkohol (Alcohol absolut. 30, 1 prozentigc Lösung von Natrium 
causticum in Alcohol absolut. 5 Tropfen); 2. saurer Alkohol (Alcohol ab¬ 
solut. 30*0, 50 prozentige Essigsäure 1 Tropfen). 

Die Färbung geht in folgender Weise vor sich: 

1. Färben in der Eosinlösung 1 Minute; 2. Abspülen in Wasser; 3. Färben 
in der Methylenblaulösung 1 Minute; 4. wiederum Abspülen im Wasser: 
5. Abtrocknen durch vorsichtiges Aufdrucken auf Fließpapier; 6. Dilferen- 
zieren in alkalischem Alkohol; 7. Differenzieren in saurem Alkohol; 8. AI* 
spülen in Alcohol absolut., Xylol, Kanadabalsam. 

Kalkhaltiger Knochen dunkelblau, Blutkörperchen rot. Bakterien tief¬ 
blau. Die Methode ist nicht so kompliziert, wie sie auf den ersten Blick 
scheint; sie hat den Vorzug, daß die meisten Bakterien im Schnitt gefärbt 
werden; auch gew r ährt sie einen sehr guten Überblick über die Blut Verhält¬ 
nisse des Knochens und seines Markes. 

Auch die Färbung nach Pappenheim eignet sich in den meisten 
Fällen für die Bakterienfärbung in Knochensrlmitt.cn. Ich verwende sie in 
folgender Weise; 1 

Methylengrün 00 kryst. gelblich 0*15, Pvronin 0*25, Alkohol 2-5, 
Glyzerin 20, 0« 5 prozentiges Karbolwasser 100. 

Färbung 40 Minuten, dann kurzes Abspiilen in Wasser, Ahtrocknen mul 
Entwässern der Schnitte in Alcohol absolut., Xylol usw. 

Außer diesen speziell für die Färbung der Bakterien bestimmten Methoden 
habe ich auch die gewöhnlichen Färbungen, wie Ilärnatoxylin, van Gieson, 
angewandt. Da jede Färbung ihre bestimmten Vorzüge hat, so rate ich. 
stets verschiedene bei demselben Material anzuwenden; auf dies«; Weise ge¬ 
lingt es leicht, über Veränderungen, die hei der einen Methode vielleicht 
nicht deutlich hervortreten, sich Klarheit zu verschallen. 

I. Über die Lokalisation der Bakterien an den Kpipliyse». 

Geraten Bakterien von irgend einem Herd in die Blutlialm, so können 
sie mit dem Blutstrom in die verschieden-ten Organe bis in die lejnOen 
Verzweigungen des Kapillar'Vstems getragen werden. Aus dem Blute 

1 Vgl. 8 I* h 1 U M rl, f nf(‘r*urhu/itl*rrttfho<lf'n. 5. Aull. »S. 124. 


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Josef Koch: 


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selbst verschwinden die Bakterien jedoch verhältnismäßig schnell, um in 
einzelnen Organen haften zu bleiben. Drei Organe sind es vor allem, in 
denen die in die Zirkulation geratenen Bakterien abgelagert werden und 
in denen sie ihren Untergang finden, nämlich Milz, Leber und Knochen¬ 
mark. 

Ich habe nicht die Absicht, an dieser Stelle auf den genauen Mecha¬ 
nismus des Unterganges der Bakterien in Milz und Leber näher einzu¬ 
gehen, nur so viel möchte ich auf Grund experimenteller Studien bemerken, 
daß ganz besonders die Endothelien der feinsten Blutgefäße dieser Organe 
imstande sind, feinste korpuskuläre Substanzen und Mikroorganismen aus 
dem Blute außerordentlich schnell abzufangen und sie festzuhalten. Auf 
diese Weise erklärt es sich leicht, daß ins Blut eingeführte Bakterien 
schon nach wenigen Minuten aus dem Kreislauf verschwunden sind und 
nicht mehr nachgewiesen werden können. 

Auch das Knochenmark ist als ein bakterizides Organ bekannt; ande¬ 
rerseits findet man bei den verschiedenen Infektionen gerade das Epi¬ 
physenmark bakterienhaltig. Es ist das ein scheinbar paradoxes Verhalten, 
das zunächst unerklärlich erscheint. Es war daher wünschenswert, diesen 
Widerspruch aufzuklären. Dazu war es jedoch notwendig, zunächst ein¬ 
mal die Verteilung von Bakterien im Kuocheu und Knochenmark bei 
allgemeiner Infektion genauer festzustellen. 

Daß im Epiphysenmark die Anzahl der Bakterien eine außerordent¬ 
lich große sein kann, davon habe ich mich bei den verschiedensten Infek¬ 
tionen, bei der Milzbrand-, Strepto- uud Pneumokokkenerkrankuug des 
Kaninchens durch das Ausstrichpräparat oft überzeugen können. In den 
meisten Fällen ergiebt die gleichzeitige Untersuchung des Herzblutes eine 
geringere Anzahl der betreffenden Mikroorganismen; zuweilen kann sogar 
das Herzblut selbst steril sein. 

Bei der Milzbrandinfektion des Kaninchens, die ich zum Studium 
dieser Verhältnisse besonders empfehle, ist das Vorkommen der Bazillen 
im Herzblut, wie bereits kein geringerer als Robert Koch 1 konstatiert 
hat, oft so selten, daß man mehrere Gesichtsfelder durchmustern muß. 
ehe man einige findet. 

Dagegen ist das Bild, das ich bei der systematischen 
Untersuchung der Epiphysengegenden erhielt, ein ganz ande¬ 
res. In allen 20 Fällen habe ich im Epiphysenmark große 
Mengen, bei der Hälfte der akut zugrunde gegangenen Tiere 
geradezu kolossale Massen von Bazillen gefunden. 

1 Bobert Koch. Die Ätiologie der Milzbrandkrankheit, begründet auf die 
Entwicklungsgeschichte des Bacillus anthraeis. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 
1^70. Bd. II. Mit. 2. 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 441 

Über die genauere Lokalisation und Anordnung der Bazillen 
an den Epiphysen ergaben die Schnittpräparate sehr instruktive Bilder. 
Es zeigte sich nämlich, daß die Bakterien keineswegs gleichmäßig über 
die ganze Epiphyse verteilt sind, sondern daß es hier bestimmte Prädilek¬ 
tionsstellen gibt, an denen die Bazillen in erster Linie zu finden sind. 
Diese Prädilektionsstellen sind natürlich vor allem durch die Anordnung 
der Blutgefäße im Knochen und Knochenmark bedingt. Sie sind identisch 
mit jenen Stellen, an denen sich das Knochenwachstum in der Entwick¬ 
lungsperiode abspielt, nämlich Epiphysenlinie und Periost. 

Über die Anatomie des Gefäßsystems der Knochen sei hier 
kurz folgendes ins Gedächtnis zurückgerufen: 

Die Blutgefäße des Knochens zerfallen in zwei Hauptgefäßgebiete, die 
im großen und ganzen ziemlich unabhängig von einander sind, das endo¬ 
st ale und periostale Gefäßgebiet. Die in daB Knochenmark durch 
das Foramen nutritium eingetretene Arterie löst sich fast sofort nach ihrem 
Durchtritt in parallel zur Längsachse verlaufende Äste auf, die sich sekundär 
in feinere, gegen die Peripherie hinziehende Aste verteilen. Feinste, nur 
aus einer Endothellage bestehende Kapillaren steigen bis zur Epiphysenlinie 
in die primären Markräume auf, wo sie unmittelbar am Knorpel umbiegen 
und ein Schlingennctz bilden. Sie gehen in weite Venen über, die außer¬ 
ordentlich zartwandig sind, und um die sich die Zellen des Knochenmarks 
gruppieren. 

Vom periostalen Gefäßgebiet dringen Verzweigungen in die Substantia 
compacta des Knochens ein; sie benutzen die Ilaversischen und Volk¬ 
mann sehen Kanäle zu ihrem Verlauf im Knochen. Die Gefäße des endo- 
stalen und periostalen Gebietes stehen untereinander durch Anastomosen in 
Verbindung. Ob es wirkliche Lymphgefäße im Knochenmark und im Knochen 
selbst gibt, ist nicht erwiesen, dagegen kommen echte (nach Stöhr 1 ) in 
den oberflächlichsten Periostlagen vor. 

Ein Hauptfundort der Bazillen im Bereich des endostaleu 
Gefäßbezirkes bei der Milzbrandinfektion des jungen Kanin¬ 
chens sind die primären Markräume der Ossifikationsliuie, 
also dort, wo die Kapillaren an die Zellen des wachsenden Knorpels 
stoßen und von den Pfeilern verkalkter Knorpelgrundsubstauz begrenzt 
werden. Schon normalerweise werden die Kuorpelzellen von den Sprossen 
sehr feiner Kapillaren erbrochen, ln diesen Eudkapillaren der primären 
Markräume finden sich die Bazillen in wechselnden Mengen, meist aber 
in großer Anzahl. Dem Verlauf der Blutgefäße entsprechend sieht man 
Fäden von Bazillen zur Knorpelknochengrenze ziehen. Am Knorpel an¬ 
gelangt, biegen sie entsprechend dem Verlauf der Anastomosen schleifen- 


1 »Stuhr, J.ehrhuoh ilrr Hisf<j!o<ne. l‘)06. 12. Aull. 


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Josep Koch: 


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artig um oder sie bilden Knäuel von Bazillen in den erbrochenen Knorpel¬ 
zellen. Die Zeichnung Nr. 1, Tafel VIII gibt ein anschauliches Bild der 
Verhältnisse bei der Milzbrandinfektion des jungen Kaninchens. 

Auch bei der Pneumokokkenerkrankung bildet die Gegend der 
endochondralen Ossifikation einen Ansiedlungsort für die Diplo¬ 
kokken, die in kleinen Gruppen vielfach in der Höhle einer erbrochenen 
Knorpelzelle zusammeuliegen. Es kann darüber kein Zweifel sein, daß sie 
sich ebenso wie die Milzbrandbazillen in den Gefaßschlingen der End¬ 
kapillaren angesiedelt und vermehrt haben. 

Dagegen habe ich bei der Streptomykose die Mikroorganismen hier 
nur verhältnismäßig selten angetroffen. Ich werde weiter unten diese In¬ 
fektion genauer besprechen, da sie mir auch in anderer Beziehung eine 
Ausnahmestellung eiuzunehmen scheint. 

Ein zweiter Prädilektionsort im endostalen Gefäßbezirk 
sind die großen Bluträume der Venen des Epiphysenmarkes, 
die gewöhnlich stark erweitert und mit Blutkörperchen prall gefüllt sind. 
Bei einzelnen meiner Versuchstiere, die akut innerhalb 24 bis 36 Stunden 
blitzartig schnell zugrunde gingen, war die Anzahl der Bazillen so groß, 
daß das Gefäß gleichsam von Bazillen ausgestopft erschien, während in 
einigen anderen Fällen, wo die Infektion länger dauerte, zwischen den 
Blutkörperchen der Venen auffallend wenige und dann meist gut erhaltene 
Exemplare von Milzbrandbazillen zu sehen waren. 

Sowohl der Inhalt als auch die Wandungen der Gefäße 
werden durch die innerhalb des Lumens befindlichen Bakterien schwer 
geschädigt. Besonders sind es die zarten Wandungen der Kapillaren an 
der Ossitikationsgrenze, die durch die Giftwirkung der Bakterien zerstört 
werden. Während z. B. die Milzbrandbazillen an der Epiphysengrenze in 
den Gefäßschlingen der Kapillaren anfänglich in Form von schleifen- und 
bogenartigen Windungen an den Knorpelzellen liegen und in sie hineindringen, 
geht diese Anordnung nach Zerstörung der Wandungen verloren, so daß 
dann ein unentwirrbarer Haufen von Stäbchen scheinbar unvermittelt den 
Knorpelzellen angelagert im primären Mark raum liegt (vgl. Mikrophoto¬ 
graphie Nr. 1. Tafel IV). Durch diese Zerstörung der Gefäße kommt 
in den vorgeschritteneren Stadien der Erkrankung ein unregelmäßiges 
Bild in dem Verhältnisse zwischen Blutgefäßen und den Zellen des 
Knochenmarkes zustande, wodurch wiederum eine Beurteilung der ursprüng¬ 
lichen Beziehungen der Bakterien zu den Gefäßen außerordentlich erschwert 
oder ganz unmöglich wird. 

Offenbar auf die Anwesenheit der Bakterien sind auch die Throm¬ 
bosen der Gefäße sowie die Pigmentbildung zurückzuführen. Vielfach 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 443 

sind diese von einem Netzwerk von Fibrin, in dessen Maschen oft Bakterien 
oder Reste derselben liegen, erfüllt, oder es finden sich im Lumen fein¬ 
körnige Massen, die durch einen Zerfall der roten Blutkörperchen entstanden 
sind; denn mau sieht die Hälfte des Lumens zuweilen noch mit intakten 
Blutkörperchen erfüllt, während die andere von feinkörnigen Massen oder 
Fibrin eingenommen wird. Diese Veränderungen sind besonders gut bei 
der Eosin-Methyleublaufärbuug zu sehen. 

Auf eine eigenartige Anordnung der Milzbrandbazillen im Knochen¬ 
mark meiner Versuchstiere möchte ich hier noch aufmerksam machen, 
nämlich auf das Vorkommen großer Bazillenhaufen, die aus einer 
Unzabl von Stäbchen bestehen und scheinbar unvermittelt im Knochen¬ 
mark liegen; aber auch diese Haufen nehmen ihren Ausgang von den 
Blutgefäßen. Kommt es in einer Vene zu besonders starker Entwicklung 
der Bazillen, so wird ihre Wandung zerstört, die Bazillen wuchern weiter, 
und es sieht dann so aus, als wenn sie zwischen den Zellen des Knochen¬ 
markes entstanden wären (vgl. Mikrophotographie Nr. 2, Tafel IV). 

Die dritte Prädilektionsstelle ist das periostale Gefäßgebiet. Durch 
die Anastomosen dringen die Bakterien weiter in die ostalen, innerhalb 
der Haversischen und Volkmannschen Kanäle liegenden Gefäße ein, die 
der Längsrichtung der Knochen parallel laufen. Bei der akuten Pneumo- 
kokkeniufektion enthalten fast alle Gefäße zahlreiche Diplokokken. Außer 
dieser gewissermaßen regelmäßigen Verteilung der Bakterien im periostalen 
Gefäßgebiet fand ich bei einzelnen Tieren große Herde von Milzbrand¬ 
bazillen, ebenso bei der Streptomykose riesige Kokkenherde, kleinere bei 
der Pneumokokkeninfektion. 

Eine besondere Besprechung erfordert die Streptomykose. Im Gegen¬ 
satz zu der zurzeit herrschenden Lehre, daß wir außer der weißen Maus 
kein geeignetes Versuchstier für Streptokokken besitzen, möchte ich be¬ 
tonen, daß das junge Kaninchen für die experimentelle Infektion sich 
sehr gut eignet. Voraussetzung dabei ist, daß man junge Kaninchen, 
keine zu geringen Dosen und die intravenöse Infektion wählt. Der Ver¬ 
lauf der Infektion bei ein und derselben Serie von Tieren, die gleichzeitig 
mit domseiben Stamm und denselben Dosen infiziert wurden, ist entweder 
ein per-, subakuter oder chronischer. 

In den per-akuten Fällen erliegen die Versuchstiere einer allgemeinen 
Sepsis innerhalb 24 bis 48 Stunden. Bei der Sektion sind makroskopische 
Veränderungen kaum nachzuweisen, während die bakteriologische Sektion 
eine Überschwemmung des Blutes und der verschiedensten Organe mit 
Streptokokken zeigt. Durchschnittlich 6 bis 10 Tage dauert die Erkrankung 
der Versuchstiere in den subakuten Fällen. Hier kann das Blut steril sein, 
während aus den inneren Organen die Erreger gezüchtet werden können. 


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444 


Josef Koch: 


In den chronischen Fällen, die sich über Wochen und Monate hin¬ 
ziehen können, kommt es zu Affektionen der Gelenke, besonders der 
hinteren Extremitäten mit Haarausfall. Die Tiere magern ab, können sich 
nur mühsam kriechend fortbewegen; es entwickeln sich häufig periartikuläre 
Eiterungen, die später in das Gelenk durchbrechen. Der Eiter ergibt Rein¬ 
kulturen von Streptokokken. 

Zum Studium der Lokalisation der Streptokokken im Knochenmark 
an den Epiphysen eignen sich am besten die subakuten Fälle. Auffällig 
ist hier das Vorkommen der Streptokokken in vereinzelten Herden, die 
über das Epiphysenmark, also im Bereich des endostalen Gefäßsystemen 
ungleichmäßig verstreut sind, und nach denen man eifrig suchen muß. 
um sie zu finden. Die Kapillaren der primären Markräume, die großen 
Venen des Knochenmarkes sind gewöhnlich frei von Kokken, obschou 
pathologische Veränderungen des Gefäßinhaltes, wie Thrombosen und 
Fibrinbildung, auf eine frühere Anwesenheit schließen lassen. Vielleicht 
stellen diese vereinzelten Haufen nur die Überreste der durch die bakterizide 
Kraft des Blutes abgetöteten Streptokokkenmengen dar. Die Mikrophoto¬ 
graphien Nr. 3 und 4, Tafel VI zeigen einen derartigen, nahe der Epi¬ 
physe gelegenen Streptokokkenhaufen. Eine Reaktion des umgebenden 
Gewebes mit Ansiedlung von Leukozyten, wie wir sie in anderen Geweben 
zu sehen gewohnt sind, fehlt hier vollkommen. 

Auf eine andere sehr interessante Lokalisation der Streptokokken an 
den Epiphysen möchte ich weiter aufmerksam machen, nämlich auf eigen¬ 
artige Herde, die im Periost und Perichondrium Vorkommen, für 
das der Streptococcus longus eine Vorliebe zu haben scheint. Diese 
Periostherde, die ich sowohl an den Rippen als auch an den großeu 
Röhrenknochen in unmittelbarer Nachbarschaft der Gelenke fand, sind zu¬ 
weilen von einer außerordentlichen Größe und bestehen aus einer Unzahl 
von Kokken. Die Mikrophotographien Nr. 5 und 6, Tafel V geben bei 
schwacher Vergrößerung ein Bild derartiger Herde. 

Zwar habe ich Periostherde der Rippen auch bei Milzbrand- und 
Pneuinokokkentieren nachgewiesen, — die Bakterien scheinen sich also 
bei einer Reihe von Mikroorganismen in derartigen größeren Herden an¬ 
zusiedeln —, aber es besteht doch ein Unterschied zwischen diesen und 
den periostalen Herden der Streptokokkeninfektiou. Ihren Ursprung 
nehmen alle von einem Gefäß des Periosts. Aber während Milzbrand¬ 
bazillen und Pneumokokken sich bei ihrer Vermehrung auf das Lumen 
oder doch die nächste Umgebung des Gefäßes beschränken, verbreiten sich 
die Streptokokken über das Gelaß hinaus und kriechen in die Saftspalten 
und Lymphbahnen des Periosts, das ja echte Lymphgefäße besitzt. 
Dieses Fortkriechen der Kokken auf dem Wege der Lymphbahnen be- 


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Untersuchungen übek die Lokalisation der Bakterien usw. 445 


obachten wir ja gerade beim Streptococcus. Wie beim Erysipel die 
Streptokokken in den Lymphspalten der Hant sich verbreiten, wuchern 
sie hier in den Lymphspalten des periostalen und periartikulären Gewebes. 

Diese Befunde sind geeignet, uns den Mechanismus der 
Beteiligung der Epiphysen und Gelenke bei einzelnen häma¬ 
togenen akuten Infektionen verständlich zu machen. In dem 
pathogenen Verhalten der Streptokokken dem Kaninchen gegenüber sehen 
bekanntlich viele Autoren die Hauptstütze für die Annahme, daß gewöhn¬ 
liche Streptokokken beim akuten Gelenkrheumatismus des Menschen eine 
ätiologische Rolle spielen. Diese Hypothese wird jedoch von anderen 
Autoren abgelehnt, weil beim akuten Gelenkrheumatismus als einer All¬ 
gemeininfektion die Erreger im Blute regelmäßig gefunden werden müßten. 
Mag nun der Streptococcus longus der Erreger sein oder nicht, so ist die 
letztere Ansicht jedenfalls nicht zutreffend; denn meine Versuche zeigen, 
daß bei hämatogener Infektion nach Verschwinden der Kokken aus dem 
Blut und den übrigen Organen eine lokale Ansiedluug an den Epiphysen 
stattfinden kann. Diese Tatsache macht es auch verständlich, daß beim 
akuten Gelenkrheumatismus nicht in erster Linie die Gelenke selbst, sondern 
die peri- und paraartikulären Gewebsteile betroffen sind, was klinisch 
mit starker Schwellung und Rötung der affizierten Teile in die Er¬ 
scheinung tritt. 

Es steht also durchaus mit den Tierexperimenten in Einklang, wenn 
einzelne Forscher (Menzer u. a.) annehmen, daß Streptokokken von der 
primär erkrankten Tonsille auf dem Wege der Blutbahn die Gelenke be¬ 
fallen. Nur möchte ich darauf hinweisen, daß es sich hier zunächst um 
eine Erkrankung der para- und periartikulären Gewebe handelt, von denen 
aus die Gelenke erst sekundär in Mitleidenschaft gezogen werden können. 
Damit stimmt auch die Tatsache gut überein, daß der Inhalt des Gelenkes 
selbst trotz starker Schwellung und Ergusses meist steril ist. 

Ähulich wie beim Gelenkrheumatismus haben wir uns auch 
die Entstehung der Gelenkaffektion bei einer gonorrhoischen 
Infektion vorzustellen. Gerade bei dieser ist die Beteiligung des 
para- und periartikulären Gewebes besonders ausgesprochen. Offenbar ist 
hier die Lokalisation der Gonokokken zu suchen, die auf dem Blutwege 
hierher getragen wurden. Eine primäre Infektion des Gelenkes findet 
verhältnismäßig selten statt. In dem symptomatischen Erguß werden 
deshalb die Kokken im Beginn der Gelenkaffektiou nur selten gefunden. 
[Nach eigenen Untersuchungen.] 

Überhaupt sind die Gelenke selbst durch den Knorpelüberzug gegen 
eine direkte bakterielle Infektion gut geschützt, wie die histologischen 
Präparate zeigen. In den akuten Stadien der Infektion habe ich trotz 


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I 


44Ü Josef Koch: 

der Anwesenheit enormer Bakterienmengen im endostalen und periostalen 
Gefäßbereich und Verschmälerung der Kuorpelzellenlage durch die gegen 
sie andringenden, hyperämischen, Bakterien enthaltenden Geläße das 
Gelenk selbst nie infiziert gefunden. Ganz vereinzelt sah ich z. B. am 
distalen Femurende, daß ein neugebildetes Gelaß den Knorpelüberzug 
perforierte und in die Gelenkhöhle vordrang. Nach Zerstörung der Gefä߬ 
wand durch die im Lumen befindlichen Bakterien kann in diesen Fallen 
natürlich eine Infektion der Höhle selbst erfolgen, wenn es den bakteriziden 
Kräften der Gelenkflüssigkeit nicht gelingt, die Keime abzutöten. 

Es ist hier der Ort, einmal die Gründe zu erörtern, weshalb 
gerade an den Epiphysen und im Knochenmark überhaupt 
eine so starke Bakterienvermehrung stattfindet. In der Literatur 
begegnet man meistens dem Ausdruck „die Bakterien werden im Knochen¬ 
mark abgelagert“ und verbindet damit die Vorstellung einer einfachen 
Deponierung der Bakterien im Mark durch das zirkulierende Blut. Diese 
Auffassung ist zu mechanisch und entspricht nicht den tatsächlichen 
Verhältnissen. Daß durch die Arteria nutritia dem Knochenmark Bakterien 
zugeführt werden, ist gewiß richtig; aber die bei weitem größte Menge 
der hier bei einer akuten Infektion gefundenen Bakterien besteht nicht 
aus den dem Mark durch das Blut zugeführten Mikroorganismen, sondern 
sie kommt in der Hauptsache durch eine starke Vermehrung der Keime 
zustande. Speziell für die Ansiedlung an den Prädilektionsstellen der 
Epiphysen sind Gründe maßgebend, die sowohl durch anatomische, als 
auch durch physiologische und pathologische Verhältnisse bedingt sind. 

Die Verbreitung im Knochen und seinen Anhängen überhaupt ist 
zunächst durch die anatomischen Verhältnisse der Gefäßbezirke, des 
endostalen und periostalen bzw. perichoudralen Gefäßnetzes gegeben. In 
die Substanz des Knochen- und Knorpelgewebes selbst können zwar 
Bakterien eiudringen, aber dieses Vorkommen spielt doch gegenüber der 
Verbreitung durch die natürlichen Bahnen der Gefäße keine große Bolle. 
Im allgemeinen bleiben die Keime hierauf beschränkt. Damit ist aber 
noch nicht die Tatsache erklärt, warum die Bakterien gewisse Prädilektions¬ 
stellen haben, und warum an einzelnen Stellen des Gefäßsystems des 
Knochens eine besonders starke Vermehrung erfolgt. 

Was nun zunächst die Ossifikatiouslinie aubetrifft, so wissen wir, 
daß zumal bei jungen Tieren und beim Kinde schon unter normalen 
Verhältnissen zur Zeit des lebhaftesten Wachstums hier eine physiologische 
Hyperämie herrscht. Führt das Blut Bakterien mit sich, so werden sie 
ihre entzündungserregenden Beize deshalb an dieser Stelle auch in ver¬ 
mehrtem Maße bemerkbar machen. Dazu kommen die eigenartigen 
lokalen Gefäß Verhältnisse; die bis zum Epiphysenknorpel verlaufenden 


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Untersuchungen über hie Lokalisation der Bakterien usw. 447 

Blutgefäße stellen keineswegs hier endigende Kapillaren dar, sondern sie 
bilden ein Gefaßschlingeunetz, in dem Bakterien bei der hier herrschenden 
Verlangsamung des Blutstromes leichter haften bleiben, ähnlich wie in 
den Kapillarschliugen des Glomerulus der Niere, in dem bekanntlich bei 
einzelnen Tieren z. B. der Maus, auch große Mengen von Milzbrand¬ 
bazillen sich vorfinden, und mit dem sich diese an der Ossifikations¬ 
grenze sich abspielenden Vorgänge gut vergleichen lassen. Daß die 
Kapillaren der primären Markräume in der Tat au der Knorpelgrenze ein 
Netz von Schlingen bilden, läßt sich aus der in frischen Fällen der In¬ 
fektion, wenn die zarten Endothelwandungen noch nicht zerstört sind, 
vorhandenen Anordnung der Bazillenfäden erkennen, die mit den Kapillaren 
oft am Knorpel umbiegen und einen schleifen- und schlingenartigen 
Verlauf zeigen (s. Fig. 1, Taf. VIII). Sind die Wandungen zerstört, so 
entsteht in dem Hohlraum der erbrochenen Knorpelzellen ein größerer 
Blutraum, in dem die Bazillen, wie wir noch später sehen werden, ge¬ 
wöhnlich den inzwischen gebildeten Antikörpern des Blutes erliegen. Auf 
diese Weise können erhebliche Mengen von Bazillen in den primären 
Markräumen der Ossifikationsgrenze ihren Untergang finden. 

Für das Periost, der zweiten Appositionsstelle des wachsenden 
Knochens dürften außer dem physiologischen Moment, der Wachstums¬ 
hyperämie, die lokalen Gefäßverhältnisse, zumal das Vorkommen von 
Endkapillaren, für eine vermehrte Ansiedluug der Bakterien maßgebend sein. 

Die starke Vermehrung der Bakterien in den Venen des 
Epiphysenmarkes muß dagegen in erster Linie auf die verlangsamte 
Blutzirkulation zurückgeführt werden. Die hier schon normalerweise 
langsame Strömung ist in den hyperämischen vielfach mit pathologischem 
Inhalt wie Fibrin, zerstörten roten Blutkörperchen gefüllten Gefäßen, noch 
stärker gehemmt, so daß auf diese Weise gute Wachstumsbedingungen 
für die Entwicklung der pathogenen Keime vorhanden sind. 

II. Cber den Untergang der Bakterien im Knochenmark. 

Außer der starken Vermehrung der Bakterien im Knochenmark 
findet hier während der Dauer der Infektion noch ein anderer wichtiger 
Vorgang statt, nämlich der Untergang des die Infektion verursachenden 
Erregers. 

Daß dem Knochenmark eine hohe bakterizide Kraft eigen ist, wird 
von vielen Autoren angenommen. Auf welche Weise jedoch die Ver¬ 
nichtung der Bakterien erfolgt, ob das lebende Blut sie abtötet, also eine 
extrazelluläre Auflösung stattfindet, oder ob die Vernichtung der Keime 
von den zelligen Elementen des Markgewebes besorgt wird, darüber ist 


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448 


Josef Koch: 


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bisher noch nichts Sicheres bekannt. Zum Studium dieser Verhältnisse 
eignet sich die Milzbrandinfektion ganz besonders gut, weil wegen der 
Größe der Bazillen die Beobachtung der sich an ihnen abspielenden Ver¬ 
änderungen außerordentlich erleichtert wird. 

A priori kommen als bakterizide Organe des Knochenmarkes nur 
zwei Elemente in Betracht, das Blut und die verschiedenen spezifischen 
und nichtspezifischen Zellen des roten Knochenmarkes, Endothelien, 
Myoblasten, Myelozyten, eosinophile Leukozyten, Megakaryozyten usw. 

Wenn man das Übersichtspräparat der Epiphysengegend einer Rippe 
oder eines Femurs eines der akuten Milzbrandinfektion erlegenen Kaninchens 
aufmerksam durchmustert, fällt auf, daß Unterschiede in der Größe, der 
Gestalt und Färbbarkeit der Stäbchen vorhanden sind. Neben normal 
großen, intensiv gefärbten Bazillen trifft man kleinere Exemplare, die 
schwächer tingiert, zuweilen nur den vierten Teil der Größe des normalen 
Bacillus haben. Der Größenunterschied ist so auffallend, daß man glaubt, 
ein anderes Stäbchen vor sich zu haben, besonders dann, wenn die 
einzelnen Individuen eines größeren' Bazillenherdes sämtlich die gleiche 
Größe haben, wie ich es bei einzelnen Tieren gefunden habe. Gewöhnlich 
kommen aber in den großen, vereinzelt liegenden Bazillenhaufen zwischen 
den normal großen und gefärbten Individuen bis zu den kleinsten Formen 
alle Übergänge vor. In den langen Bazillenfäden, die die Gefäße durch¬ 
ziehen, wechseln bei der Gramfärbung Exemplare, die die blaue Farbe des 
Karbolgentiauavioletts behalten haben, mit kleineren schmäleren Formen, 
die sich entfärbt und die Gegenfarbe des Saffranins noch angenommen 
haben; ja zuweilen bestehen ganze Bazillenfäden nur noch aus schmalen 
kleinen Einzelgliedern und präsentieren sich als eben noch sichtbare 
„Schatten“ zwischen den roten Blutkörperchen. Auch eigentümlich ge¬ 
krümmte und gewundene Formen von Bazillen kommen vor (vgl. Zeich¬ 
nung Nr. 2, Taf. VIII und Mikrophotographie Nr. I u. 2, Taf. IV). Au 
anderen Orten sieht man innerhalb von Fibrin und zerfallenen Blut¬ 
körperchen nur Reste von Stäbchen, Bazillenfragmente, kokken- und 
stäbchenartige Elemente regellos zwischen zahlreichen Zellen des Mark¬ 
gewebes besonders dann, wenn nach der Zerstörung der Blutgefäße die 
Grenzen zwischen ihnen und den Markzelleu im späteren Stadium der 
Infektion sich verwischt haben. 

Wie sind diese auffallenden Unterschiede in Gestalt und 
Färbbarkeit der Bazillen zu erklären? Es kann darüber keiu 
Zweifel herrschen, daß die kleinen, schmalen blaßgefärbten Stäbchen, die 
Bazillenfragmente, dem Untergang geweihte Formen darstellen, also als 
Degenerationserscheinungen zu deuten sind. Der Eiuwand, daß es 
Kunstprodukte sind, die durch die jeweilige Färbung hervorgerufen werden. 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 449 


ist hinfällig. Denn man erhält die Degenerationsformen bei allen Fär¬ 
bungen, gleichgültig, ob man nach Gram, mit Eosin-Methylenblau oder 
nach Pappenheim färbt. Es ist immer dasselbe Bild. 

Während ich früher auf Grund meiner Phagozytosestudien geneigt 
war, den Leukozyten im Sinne Metschnikoffs die größere Bedeutung 
als bakterizide Elemente zuzuerkennen, bin ich durch die Beobachtung 
des Unterganges der Milzbrandbazillen im Knochen- und Epiphysenmark 
anderer Ansicht geworden. Wenn man sieht, wie z. B. im Blut einer 
Vene oder eines primären Markraumes, also auf einem verhältnismäßig 
kleinen Bezirk, zahlreiche Bazillen aufgelöst werden, und zwar ohne Mit¬ 
wirkung irgendwelcher leukozytärer Elemente, so muß man die bakterizide 
Kraft des Blutplasmas als eine außerordentliche bezeichnen. Die Bazillen 
schwinden zwischen den roten Blutkörperchen der erweiterten Gefäße 
dahin, wie ein Stückchen Zucker im Wasser. 

Ich will jedoch nicht unterlassen, hier zu erwähnen, daß bereits 
schwer degenerierte Stäbchen und ihre Reste, Granula und Fragmente, 
von leukozytären Elementen aufgenommen werden. Solche Bilder kommen 
vor — man sieht sie besonders bei den isoliert liegenden Bazillenhaufen — 
gegenüber der starken Bakteriolyse innerhalb der Blutgefäße kann diese 
Tätigkeit der Phagozyten nur als eine untergeordnete im Kampfe mit den 
Bazillen gelten. Sie nehmen lediglich die Trümmer und Reste der durch 
das Blut bereits vernichteten oder doch schwer geschädigten Milzbrand¬ 
bazillen weg. Übrigens sind die Gefäße des Epiphysenmarkes auf dem 
Höhestadium der Infektion meist frei von leukozytären Zellen, so daß sie 
schon aus diesem Grunde bei dem Untergang der Keime keine Rolle 
spielen können. Dagegen sind die Endothelien ausgesprochene 
phagozytäre Zellen, die oft große Mengen Pigment, das von 
der Zerstörung roter Blutkörperchen herrührt, aufgenommen 
haben. 

In derselben Weise wie die Milzbrandbazillen finden auch die Strepto- 
und Pneumokokken in den hyperämischen Gefäßen des Knochenmarkes 
ihren Untergang, doch sind die kleinen Kokken zum Studium des Unter¬ 
ganges bei weitem kein so gutes Objekt wie der große Milzbrandbacillus. 

Es kommen also während der Dauer der Erkrankung bei den von 
mir untersuchten bakteriellen Infektionen im Epiphysenmark neben nor¬ 
malen Individuen auch zahlreiche deformierte und im Untergang be¬ 
griffene Exemplare vor, ja in den meisten Fällen übertrifft, wie ich mich 
bei einer Reihe von Tieren überzeugen konnte, die Zahl der degenerierten 
die Zahl der gut erhaltenen Exemplare, und so kann es geschehen, daß 
z. B. bei der Milzbrand- und Pneumokokkeninfektion die Gefäße in 
einzelnen Fällen fast ganz frei von Keimen gefunden werden. Beim 

ZMt«cbr. f. II T( rl«D*. LXIX 


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Josef Koch: 




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Milzbrand sind znweilen nur die außerhalb gelegenen Bazillenhaufeu 
übrig geblieben. Die Zahl der beim Tode des infizierten Tieres 
nachweisbaren Keime stellt also nur einen Bruchteil der iu 
Wirklichkeit während des Verlaufes der Infektion vorhandenen 
Bakterien dar. Daß in der Tat größere Mengen von Bakterien im 
Knochenmark vorhanden gewesen sein müssen, geht aus den pathologischen 
Veränderungen am Knochen hervor, die man in diesen Fällen konstatieren 
kann. Wie wir weiter unten sehen werden, kann es bei akuten Infektionen, 
zumal der Pneumo- und Streptokokkenerkrankung, zu einem vollständigen 
Untergang der Knochenspongiosa der langen Röhrenknochen kommen. 
Die Mikrophotographie Nr. 8, Taf. VI zeigt diese Veränderungen nach 
einer Pneumokokkeninfektion. Die tief greifenden pathologischen Ver¬ 
änderungen können nur durch die Anwesenheit der Diplokokken ent¬ 
standen sein, obschon diese beim Tode des Tieres nicht mehr nachweisbar 
waren; sie waren bereits vorher abgetötet worden, woraus weiter zu 
schließen ist, daß die Vernichtung der Bakterien in den Gefäßen des 
Knochenmarkes sehr schnell erfolgen kann. 

Während der Infektion müssen zwei Phasen existieren, 
erstens die der Vermehrung, zweitens die der Vernichtung 
der pathogenen Keime. Die Tiere sterben jedoch nicht immer in 
derselben Phase, manche auf der Höhe der Infektion, in diesen Fällen 
findet man oft enorme Mengen von Bakterien; andere dann, wenn bereits 
der größte Teil der Keime durch die bakterizide Kraft des Blutes ver¬ 
nichtet ist; jedoch lassen sich diese Phasen nicht immer scharf trennen. 

Wir können weiter schließen, daß im Epiphysenmark wirksame 
Antikörper während der Infektion gebildet werden, die zu¬ 
nächst während der Phase der Vermehrung nicht vorhanden 
sein können, sondern erst später, wenn ein starker Zerfall der 
Bakterien stattfindet. Es immunisiert sich also der Organismus 
während der Infektion gewissermaßen selbst, andererseits hat 
der Untergang der Keime auch deletäre Folgen für den Ge¬ 
samtorganismus und zwar insofern, als durch die Auflösung 
der Keime entsprechende Mengen von Endotoxinen frei werden, 
die neben den sonstigen Veränderungen zu einer Vergiftung 
des infizierten Individuums führen. Ich glaube, daß der oft blitz¬ 
artig auftretende Tod der Milzbrand tiere auf den plötzlichen starken Zer¬ 
fall der Bazillen im Organismus zurückzuführen ist. 

Die Ergebnisse meiner Untersuchungen bestätigen für das Knochen¬ 
mark die Ansichten R. Pfeiffers und seines Schülers Radziewsky 1 , 

1 Radziewsky, Untersuchungen zur Theorie der bakteriellen Infektion. Diese 
Zeitschrift. Bd. XXXVII. 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien üsw. 451 

der für eine Beihe von Mikroorganismen festgestellt hat, daß bei der töd¬ 
lichen Infektion die Mikroben durch die bakterizide Fähigkeit der freien 
Gewebsflüssigkeit, Exsudat der Peritonealhöhle, Odem des subkutanen 
Gewebes, abgetötet werden, also extrazellnlär, wie R. Pfeiffer stets be¬ 
hauptet hat, ihren Untergang finden. Im Knochenmark ist es das zir¬ 
kulierende Blut und zwar, wie es scheint, in der Hauptsache das un¬ 
veränderte, dem die keimvernichtende Tätigkeit zufällt. 

Die Ansichten R. Pfeiffers, die durch die neueren Phago¬ 
zytosestudien erschüttert schienen, haben durch meine Unter¬ 
suchungen über die bakterizide Tätigkeit des Knochenmarks 
eine neue Stütze erhalten. Diese Beobachtungen können deshalb 
eine besondere Bedeutung beanspruchen, weil sie ein getreues Bild der 
tatsächlichen im Organismus sich abspielenden Vorgänge geben. Gegen¬ 
über der direkten Beobachtung aber können Reagensversuche über den 
Mechanismus der Bakterizidie keinen großen Wert beanspruchen. Reagens¬ 
glasversuche, die ich selbst über die Einwirkung von feinsten Knochen¬ 
marksemulsionen auf Bakterien angestellt habe, sind sämtlich resultatlos 
verlaufen. 


III. Über die histologischen Veränderungen des Knochens. 

Zum Studium der Veränderungen, die durch die Anwesenheit der 
Bakterien bei allgemeiner Infektion an den Knochen entstehen, eignen 
sich am besten die Rippen und der Femur junger Kaninchen. Die 
Knochen alter Tiere bereiten technische Schwierigkeiten. Die Entkalkung 
dauert länger, das Gewebe ist spröder, was sich bei der Herstellung dünner 
Schnitte sehr unangenehm bemerkbar macht. 

Zum Verständnis der pathologischen Veränderungen ist es nötig, sich 
die normalen Verhältnisse der Epiphysengegend kurz ins Gedächtnis zurück¬ 
zurufen. Auf der Mikrophotographie Nr. 7, Taf. VII ist die Rippenepiphyse 
eines jungen normalen Kaninchens als Vergleichsobjekt abgebildet. 

Am Epiphysenknorpel des Kaninchens kann man ebenso wie am mensch¬ 
lichen Knorpel unterscheiden: 1. die Zone des ruhenden Knorpels, in der 
die Zellen ohne besondere Anordnung vermehrt sind, 2. die Zone der längs¬ 
gestellten, auch Säulen oder Kolonnenzone genannt, 3. die Zone der blasig 
aufgequollenen, der hypertrophischen Zellen, 4. die provisorische Verkalkungs¬ 
zone, in der die Interzellularsubstanz verkalkt ist. 

Gegen diese Zone dringen die Kapillaren des Markes vor, bringen sie 
zum Zerfall und wachsen in die aufgebrochenen Knorpelzellen ein. Diese 
werden frei und gehen zugrunde. So entsteht eine Aushöhlung in der Ver¬ 
kalkungszone, der sogenannte „primäre Markraum“. 

Die verkalkte Knorpelgrundsubstanz ragt, indem immer neue Partien 
des Knorpels einschmelzen, in Form von zackigen Fortsätzen in den Mark- 

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Josef Koch: 


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raum hinein. Diese Pfeiler verkalkter Knorpelgrandsubstanz begrenzen die 
primären Markräume, deren Breitendurchmesser beim Kaninchen gewöhnlich 
der Breite von 1 bis 2 Knorpelzellensäulen entspricht. An den Resten der 
verkalkten Knorpelgrundsubstanz machen sich dann die ossifikatorischen 
Vorgänge bemerkbar, die dadurch charakterisiert sind, daß von dem Mark* 
gewebe Osteoblasten sich den Bälkchen stehengebliebener Knorpelgrund- 
substanz anlagern, und so weiteren Knochen bilden. Auf diese Weise ent¬ 
steht ein System untereinander anastomosierender Knochenbälkchen, die sich 
von der Epiphysenlinie als Spongiosa in das zellige Markgewebe tief hinein 
erstrecken (vgl. Mikrophotographie Nr. 7, Taf. VII). 

Die pathologischen Veränderungen der Knochen der einer 
Allgemeininfektion erlegenen Versuchstiere machen sich haupt¬ 
sächlich an den Appositionsstellen bemerkbar, also dort, wo in erster 
Linie das Knochenwachstum vor sich geht. Im Bereich des endostalen 
Gefäßsystemes ist dies die Knorpelknochengrenze, im periostalen die innere 
Schicht des Periosts. Es sind dies aber, wie ich vorher weiter 
ausgeführt habe, dieselbeniStellen, welche die Bakterien zur 
Ansiedlung bevorzugen und die die Hauptangriffspnnkte der 
pathogenen Keime bilden. 

Wir sehen, daß unter dem Einfluß der durch die Bakterien hervor¬ 
gerufenen Hyperämie und Bildung neuer Gefäßschlingen im Bezirk der 
endostalen Kapillaren eine pathologische Markraumbildung vor sich 
geht. Sie bewegt sich nicht mehr in physiologischen Grenzen, sondern 
geht weit darüber hinaus, indem sie stürmischer und unregelmäßiger 
verläuft. 

Infolge des Eindringens der sich neu bildenden Gefaßsprossen in 
den Epiphysenknorpel werden neue Knorpelzellen eröffnet; durch Kon- 
ttuieren benachbarter Markräume infolge des Unterganges der Knorpel¬ 
grundsubstanz und des neu gebildeten Knochens entstehen unregelmäßige, 
größere plumpere, mit hyperämischen Gefäßen versehene Markräume, die 
sich unregelmäßig tief in den Knorpel hinein erstrecken. Den anfänglich 
nackten, nur aus einem Endothel bestehenden kapillaren Gefäßschlingen, 
deren Wand unter der Einwirkung der Bakterien zerstört wird, folgen 
später zellige Elemente, die vom bereits bestehenden Knochenmark nach¬ 
geschoben werden. 

Auch die Knochenspongiosa und die Suhstantia compacta 
unterliegt weitgehenden Veränderungen, je nach der Intensität 
der Entzündung in verschiedenem Grade. In den leichten findet nur 
eine oberflächliche, auf einen schmalen Saum beschränkte Einschmelzung 
der Spongiosabälkchen durch die hyperämischen Markräume statt. In 
anderen Fällen schwinden Teile der Knochenbälkchen durch lakunäre 
Resorption. Die Folge dieser Prozesse ist, daß die Bälkchen schmaler 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 453 

werden, so daß schließlich nur noch schmale Leisten übrig bleiben. 
Durch eine stürmische unregelmäßige Vaskularisation an der 
Ossifikationslinie kann in den schwersten Fällen die ganze 
Knochenspongiosa in kürzester Zeit vernichtet werden«, Wie 
weit dieser Prozeß gehen kann, ist auf der Mikrophotographie Kr. 8, 
Taf. VI in instruktiver Weise zu sehen. Die gesamte Epiphysenspongiosa 
ist bis auf wenige Knochenbälkchen verschwunden und durch Markgewebe 
ersetzt. Derartig veränderte Knochen habe ich bei der Strepto-, Pneumo- 
und Staphylomykose angetroffen. 

Durch die Anwesenheit der Bakterien, die mit der Zirkulation in die 
Gefäße der Haversischen und Volkmannschen Kanäle der Substantia 
compacta geraten sind, wird natürlich auch ein Reiz auf ihre Umgebung 
ausgeübt, die mit einer starken Hyperämie und gesteigerten Strömung 
innerhalb der Gefäße einhergeht. Die Gefäße nehmen an Volumen zu; 
dadurch aber wird auch Knocheugewebe selbst in der unmittelbaren Um¬ 
gebung der Gefäße eingeschmolzen und in weiterer Umgebung seines 
Kalkgehaltes beraubt. 

Während im Gebiete des endostalen Gefäßsystems die Markraum¬ 
bildung und die innere Knochenresorption gesteigert ist, sind die Vorgänge 
im Bereich des periostalen Gefäßbezirkes dadurch charakte¬ 
risiert, daß neben der starken Hyperämie der Gefäße und einer 
vermehrten Wucherung der Zellen des ossifizierenden Periosts 
zugleich eine gesteigerte Knochenresorption der Substantia 
compacta stattfindet. Bei der Pneumokokkeninfektion habe ich außer¬ 
dem eine lebhafte Neubildung von Kapillaren, die vom Periost in die 
kompakte Substanz des Knochens hineinwuchern, mit zahlreichen Pneumo¬ 
kokken im Lumen beobachtet. 

Aus den vorhergehenden Ausführungen geht hervor, daß 
die Knochen bei Infektionen verschiedener Ätiologie schwere 
Veränderungen erleiden können. Durch Einschmelzung von Knochen¬ 
substanz nimmt die innere Markhöhle an Größe zu. Auch der Breiten¬ 
durchmesser des Knorpels und des Periosts wird durch die lebhafte Wuche¬ 
rung ihrer Zellen größer; die Verbreiterung der Epiphysenlinie fällt schon 
bei der makroskopischen Betrachtung und Vergleich mit einer normalen 
Rippe ohne weiteres auf (vgl. Mikrophotographie Nr. 7 u. 8, Taf. VI u. VII). 
Infolge der gesteigerten Blutzirkulation erleidet der gesamte Knochen einen 
Verlust von Kalksalzen, eine wichtige Tatsache, die bereits Kassowitz in 
seiner großen Rachitisarbeit mit den Worten ausgesprochen hat: „daß eine 
jede Hyperämie im Knochen und in den knochenbildenden Geweben, sei 
sie nun eine einfach fluxionäre oder eine entzündliche, imstande ist, eine 
relative Armut an anorganischen Bestandteilen hervorzurufen“. 


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454 


Josef Koch: 


Dieser Satz trifft auch für den Knochen bei akuten Infektionen in 
jeder Weise zu. Daß derartig veränderte Knochen biegsamer und weicher 
als normale sind, bedarf keiner weiteren Ausführung. 

Neben diesen durch die veränderte Blutströmung herbeigeführten 
Veränderungen, die also als eine indirekte Bakterienwirkung zu be¬ 
trachtensind, kommt sicher auch eine direkteSchädigung des Knochen¬ 
gewebes vor, wenn nach Zerstörung der Gefäßwandung die Keime in 
unmittelbaren Kontakt mit Knochen und Knorpel kommen. Dafür sprechen 
Befunde, die man bei akuten Infektionen zuweilen an der Knochenspongiosa 
bemerken kann, daß nämlich größere Teile der Bälkchen wie aufgefasert 
erscheinen und keine Kernfärbung mehr annehmen. Es dürfte sich hier 
um eine Nekrose der Knochenbälkchen handeln, die durch eine direkte 
Einwirkung der Bakterien zustande kommt. 

IV. Über bakteriologische nnd histologische Befunde 
an den Epiphysen von Kindern, die an Infektionskrankheiten 
gestorben sind. Zur Theorie der Rachitis. 

In den Verhandlungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft 
(Leipzig 1909) habe ich bereits darüber berichtet, daß in den Rippen- 
epiphysen von Kindern, die an Infektionskrankheiten, wie Masern, 
Diphtherie, Keuchhusten, Scharlach, Gastroenteritis usw. und deren 
Folgezuständen zugrunde gegangen sind, Bakterien sowohl kulturell als auch 
auf Schnittpräparaten nachgewiesen werden können. Die Zahl und Art 
der im Epiphysenmark vorkommenden Mikroorganismen ist manchmal 
sehr verschieden. Stäbchen, Kokken und Diplokokken kann man hier 
antreffen. Vorwiegend sind es Streptokokken, Stäbchen vom Aussehen 
des Bacterium coli, Staphylo- und Diplokokken, die man hier finden 
kann. 

Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, daß es sich in der über¬ 
wiegenden Mehrzahl der Fälle keineswegs um eine Allgemein¬ 
infektion mit Anwesenheit der verschiedenen Bakterien im 
Herzblut handelt; das Blut kann vielmehr steril sein, während 
aus dem Saft des Epiphysenmarkes zahlreiche Bakterien ge¬ 
züchtet werden können. Es sind dies vielfach Fälle, wo die Kinder 
nicht an der akuten Infektion selbst, wie z. B. Masern, Keuchhusten, 
sondern an deren Folgezuständen, wie Bronchopneumonie, sterben. 

Es geht aus diesen Befunden hervor, daß während der verschiedensten 
Infektionskrankheiten im frühesten Kindesalter verschiedene Arten von 
Bakterien in die Blutbahn geraten und an den Epiphysen sich vermehren 
können, ohne daß eine Allgemeininfektion fortbesteht. 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 455 


Daß die Knorpelknochengrenze des kindlichen Organismus eine 
Prädilektionsstelle für die Ansiedlung von Bakterien darstellt, dafür 
haben wir ja in der menschlichen Pathologie eine Reihe von Beispielen. 
£ei der Osteochondritis syphilitica siedelt sich die Spirochaeta pallida mit 
Vorliebe an der Ossifikationsgrenze der kindlichen Knochen an, während 
die Tendenz der Bevorzugung der Epiphysen im späteren Alter nicht 
mehr vorhanden ist. Analoge Beispiele sind die kindliche Knochen¬ 
tuberkulose, die Osteomyelitis acuta. 

Was nun das Vorkommen der Bakterien in den von mir untersuchten 
kindlichen Epiphysen angeht, so hat es keinen Zweck, diese Funde einzeln 
zu schildern, da sie im allgemeinen zu wenig Charakteristisches an sich 
haben. Innerhalb der endostalen hyperämischen Gefäße, vielfach in den 
mit pathologischem Inhalt erfüllten Knorpelmarkkanälen liegen sie ent¬ 
weder vereinzelt oder zu kleinen Häufchen zusammen. Bemerkenswert 
dagegen ist die Lagerung der Streptokokken in vereinzelten, großen, über 
das Epiphysenmark verstreuten Herden, die offenbar durch Vermehrung 
einzelner Kokken entstanden sind. Es bedarf oft der eingehenden Musterung 
mehrerer Schnitte, um den einen oder anderen Haufen zu finden. Auch 
in den periostalen und perichondralen Gefäßen habe ich Streptokokken 
(hier aber nicht in Haufenform) in einzelnen Fällen angetroffen. Die 
Lokalisation der Streptokokken ist dieselbe, wie ich sie beim Tierexperiment 
beschrieben habe. 

Auch das Schicksal dieser Bakterien gestaltet sich ebenso, wie ich es 
bei der künstlichen Infektion geschildert habe. Zwar sind hier die Ver¬ 
hältnisse nicht so leicht zu deuten, wie bei massenhaft vorhandenen großen 
Bazillen, aber an der Hand der bei der künstlichen Infektion gewonnenen 
Erfahrungen sowie einzelner Affenversuche dürfen wir annehmen, daß z. B. 
bei der lokalen Pneumo- und Streptokokkeninfektion der Epiphysen auf 
die Phase der Vermehrung diejenige der Degeneration und des Unter¬ 
ganges durch das Blut erfolgt. 

Die histologischen Veränderungen, die man an diesen Knochen findet, 
bestehen in einer vermehrten Gefäßbildung und einer abnormen Hyper¬ 
ämie der Gefäße in den knorpelbildenden Geweben, in der krankhaft ge¬ 
steigerten Knorpelzellenwucherung, in einer atypischen Markraumbildung, 
wodurch die Ossifikationsgrenze eine unregelmäßige zackige Gestalt be¬ 
kommt, in einer Neubildung von Knorpelmarkkanälen, wodurch eine 
pathologische Einschmelzung des Knorpels und des Knochengewebes, 
sowie eine mangelhafte Verkalkung bedingt ist, in einer Wucherung des 
Periosts, kurz in Veränderungen, die wir als rachitische zu bezeichnen 
pflegen. 


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456 


Josef Koch: 


Es liegt nun der Gedanke nahe, diese rachitischen Ver¬ 
änderungen mit der Anwesenheit der sich in ihnen findenden 
Mikroorganismen in Zusammenhang zu bringen. 

Die Ansicht, daß die rachitische Knochenstörung auf eine infektiöse 
Ursache zuräckzuführen sei, ist ja bereits von einzelnen Forschern aus¬ 
gesprochen worden, und die Annahme, daß dem Knochen, besonders aber 
den Stellen der hyperämischen Wachstumshyperämie infektiöses Material 
durch das zirkulierende Blut zugeführt wird, ist sehr einleuchtend. 

Kassowitz 1 , dem wir eine sehr eingehende und wichtige Arbeit 
über die Rachitis verdanken, glaubt, daß alle krankhaften Zustände des 
kindlichen Organismus in der Zeit des lebhaftesten Wachstums jene irri¬ 
tierenden Stoffe erzeugen können, die den entzündlichen Prozeß — d. i. 
nach ihm das eigentliche Wesen der Rachitis — an den Stellen des leb¬ 
haftesten Knochenwachstums hervorrufen und befördern sollen. Damit 
stimmt nach Kassowitz die Erfahrung überein, daß durch verschiedene 
Infektionskrankheiten, Masern, Keuchhusten, Bronchitis, chronische Pneu¬ 
monie der Anstoß zur rachitischen Knochenstörung gegeben wird, daß 
ferner die Häufigkeit und Intensität der rachitischen Erkrankung im 
Verlauf des Winters sich steigert. Kassowitz nimmt an, daß es vor 
allem „die respiratorischen Noxen“, die in der Zimmerluft der elenden 
Proletarierwohnungen enthaltenen giftigen Stoffe sind, die durch die 
Respirationsfläche in die Zirkulation geraten und ihre reizende und ent¬ 
zündungserregende Wirkung in ganz besonderer Weise an den Prädilek¬ 
tionsstellen entfalten. Kassowitz hat die außerordentlich wichtige Tat¬ 
sache bewiesen, daß die Kalkarmut der rachitischen Knochen ausschließlich 
auf der entzündlichen Hyperämie derselben beruht. 

Die infektiöse Natur der Rachitis wird nach Edlefsen* durch ihr 
gehäuftes Auftreten in Häusern bewiesen, die gleichzeitig Krankheitsherde 
für Pneumonie, Gelenkrheumatismus und Cerebrospinalmeningitis sind. 

Mircoli 3 hält die Rachitis für eine chronische Osteomyelitis und 
identifiziert die Erreger mit den gewöhnlichen Eiterbakterien, den Strepto- 
und Staphylokokken. 

Morpurgo 4 hat mit einem von ihm gefundenen Diplococcus bei 
jungen Ratten typische rachitische Veränderungen, bei älteren Versuchs¬ 
tieren solche, die der Osteomalazie ähnlich waren, erzeugen können. 

* Kassowitz, Medizinische Jahrbücher. Wien. Jahrgang 1879. 1880. 1SS1. 
1882. 1884. 

2 Edlefsen, Deutsche Ärztezeit unp. 1901. 1902. 1903. 

3 Mircoli, Meine infektiöse Theorie des Rachitismus. Archiv für klin. 
Medizin. Bd. LX. 

4 Morpurgo, Centralblatt für allpemeine Pathologie und patholop. Anatomie. 
1902. Bd. XIII. Nr. 4. 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 457 

Wenn auch einzelne Forscher sich zur infektiösen Theorie der Ent¬ 
stehung der Rachitis sympathisch geäußert haben, so scheiterte sie immer 
wieder an einer Reihe von Momenten, die eine allgemeinere Anerkennung 
verhinderten. Vor allem wurde darauf hingewiesen, daß Mikroorganismen 
im rachitischen Gewebe nicht nachzuweisen seien. In der Tat hat sich 
eine Reihe von Untersuchem mit ihrem Nachweis beschäftigt, durchweg 
mit negativem Erfolge. Fand man aber einmal Bakterien, so hielt man 
sie eben für banale Keime, wie sie in den Leichen rachitischer Kinder 
so oft gefunden werden, denen man aber eine pathogene Rolle nicht 
zutraute. 

Die negativen Resultate sind in erster Linie auf den Mangel einer 
guten Färbemethode, auf die Schwierigkeit des Nachweises von Bakterien 
im Knochen überhaupt, nicht zum geringsten aber auf den Umstand 
zurückzuführen, daß ungeeignete Fälle, ältere und fortgeschrittenere, zur 
Untersuchung kamen, wo die Erreger, die Ursache der ersten Ver¬ 
änderungen,. schon längst geschwunden waren. Ein sehr wichtiges 
Moment, das durch meine Untersuchungen für das Knochen¬ 
mark zutage gefördert ist, darf nicht unberücksichtigt bleiben, 
nämlich die Tatsache, daß die pathogenen Bakterien im all¬ 
gemeinen nach einem kurzen Stadium der Vermehrung durch 
Bildung spezifischer Antikörper in den hyperämischen Blut¬ 
gefäßen abgetötet werden, aber lange genug an den Appositions¬ 
stellen verweilen, um degenerative Veränderungen — und um 
die handelt es sich in den ersten Stadien — hervorzubringen. 
Was wir später am rachitischen Knochen sehen, sind vielfach Regenerations¬ 
erscheinungen. 

Bei den in den rachitisch veränderten Geweben vorkommenden Bak¬ 
terien muß jedoch unterschieden werden zwischen pathogenen Keimen, 
wie z. B. Strepto-, Staphylo- und Pneumokokken, die, wie die experimen¬ 
tellen Untersuchungen lehren, pathologische Veränderungen an den Epi¬ 
physen machen können, und den sekundär an den krankhaft veränderten 
Stellen als einem Locus minoris resistentiae sich ansiedelnden Mikroorga¬ 
nismen, unter denen Stäbchen aus der Gruppe des Bacterium coli im 
Kindesalter keine geringe Rolle spielen. Diese Mischbakterien können 
hier noch vegetieren, wenn die Erreger des primären Prozesses bereits 
abgestorben sind. Für ganz harmlose Saprophyten darf man sie aber 
nicht halten. Man kann von ihnen behaupten, daß durch ihre Gegenwart 
ein dauernder Reiz an den Epiphysen unterhalten wird, der wiederum 
eine chronische Hyperämie zur Folge hat. Durch die andauernde Blut¬ 
fülle wird aber die Verkalkung der neu gebildeten Knochenpartien ver¬ 
hindert. Der Knochen bleibt weich und biegsam. 


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458 


Josef Koch: 


Bei bereits stark rachitisch veränderten Epiphysen ist es natürlich 
ein Ding der Unmöglichkeit, etwas Positives über die pathogene Bedeutung 
der hier vegetierenden Mikroorganismen auszusagen. Es ist deshalb nötig, 
Frühstadien zu untersuchen, wo die rachitische Knochenstörung sich in 
den ersten Anfängen befindet; hierfür eignen sich die Bippenepiphysen 
von Kindern, die an den Folgezuständen akuter Infektionskrankheiten ge¬ 
storben sind, in den meisten Fällen besonders gut. 

Ein derartiger Fall ist auf der Mikrophotographie Nr. 9, Tafel VII 
wiedergegeben. Sie stellt einen Teil der Rippenepiphyse eines s / 4 Jahr 
alten Kindes dar, das an einer Bronchopneumonie nach Masern zugrunde 
ging. Makroskopisch war ein starker rachitischer Rosenkranz zu konsta¬ 
tieren. Die strotzend mit Blut gefüllten Kapillaren der primären Mark¬ 
räume dringen in diesem Fall regellos gegen die Knorpelknochengrenze 
vor, die durch eine pathologische Markraumgrenze eine unregelmäßige 
zackige Gestalt erhalten hat In einzelnen Gefäßen ließen sich Strepto¬ 
kokken nachweisen, die hier, wie die Mikrophotographie Nr. 10, Tafel V 
zeigt, in starker Vermehrung begriffen sind. Es sei hier besonders hervor¬ 
gehoben, daß es sich in diesem Fall keinesfalls um eine allgemeine Strepto- 
mykose handelt, da das Herzblut frei von Keimen war und auch klinisch 
keine Erscheinungen von Sepsis vorhanden waren. 

Ein Beispiel des Vorkommens von Bakterien in den Knorpelmark¬ 
kanälen rachitischer Epiphysen gibt das Mikrophotogramm Nr. 11, Taf. VII 
wieder. Das 1V 8 Jahr alte Kind hatte an Masern gelitten, die Rippen¬ 
epiphysen zeigten ebenfalls eine stark rachitische Auftreibung. Man sieht 
von der Markhöhle einen Kuorpelkanal senkrecht in das Knorpelgewebe 
aufsteigen (vgl. Übersichtsbild Nr. 11, Tafel VII). Am erweiterten Ende 
liegen in dem pathologisch veränderten Blutgefäß eine Anzahl von Kokken, 
deren genauere Charakterisierung an dem Schnittpräparat natürlich un¬ 
möglich ist (vgl. Mikrophotographie Nr. 12, Tafel VI). Das umliegende 
Knorpelgewebe zeigt hier deutliche Reaktion, indem es sich in indifferentes 
Bildungsgewebe verwandelt hat. 

In zwei Fällen hochgradigster florider Rachitis mit letalem Ausgange 
habe ich in den Gefäßen der oberen und unteren Femurepiphyse sehr 
große Mengen von Bakterien der verschiedensten Art, Stäbchen und 
Kokken, in Schnittpräparaten nachweisen können. 

Im vorstehenden habe ich die allgemeinen Gesichtspunkte entwickelt, 
die dafür sprechen, daß die rachitische Knochenstörung infektiösen Ur¬ 
sprunges ist. Vergleicht man die Vorgänge, die sich im Knochen und 
seinen Adnexen bei allgemeiner Infektion sowohl beim Menschen als auch 
im Tierexperiment abspielen, mit denen an rachitisch veränderten Knochen, 
so läßt sich nicht leugnen, daß beide Prozesse eine Reihe gemeinsamer 


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Untersuchungen über die Lokalisation beb Bakterien usw. 459 

Charaktere tragen, daß sie im Grande wesensgleich sind. Auf Grand 
meiner Studien komme ich mit Kassowitz zu dem Schluß, daß die 
Rachitis in der Hauptsache eine chronische vasknlarisierende 
Entzündung der kindlichen Epiphysen ist, sehe die Ursache 
dieser Entzündung aber nicht in „respiratorischen Noxen“ oder 
anderen unfaßbaren Schädlichkeiten, sondern in Bakterien; 
freilich welche pathogenen Mikroorganismen bei der rachitischen Knochen* 
Störung die Hauptrolle spielen, muß erst durch weitere experimentelle 
Untersuchungen an geeigneten Tieren festgestellt werden. 


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480 


Josef Koch: 


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Erklärung der Abbildungen. 

(Taf. iv-vin.) 


(Sämtliche Mikrophotogramme sind von Herrn Prof. Zettnow, dem ich an dieser 
Stelle meinen verbindlichsten Dank sage, angefertigt.) 


Tafel IV—VII. 

Mikrophotogramm Nr. 1 . (Vergr. 500 fach.) 

Stellt primäre Markräume an der Knorpelknochengrenze des Femurs eines jungen 
Kaninchens dar, das mit einer Ose 24stündiger Milzbrandkultur intravenös infiziert 
wurde. Tot nach 36 Stunden. Die Bazillen dringen mit den Kapillaren in die er¬ 
brochenen Knorpelzellen ein. Bazillen bereits in Degeneration begriffen. 

Mikrophotogramm Nr. 2. (Vergr. 500 fach.) 

Großer Bazillenhaufen im Knochenmark des Femurs eines mit Milzbrand ( l / 4 Ose 
24stünd. Agarkultur) intravenös infizierten jungen Kaninchens. Tot nach 36 Stunden. 

Mikrophotogramm Nr. 8. (Vergr. 125fach.) 

Teil einer Rippenepiphyse eines jungen Kaninchens, das mit Vj t ocm einer 24stän¬ 
digen Pferdeserumbouillonkultur (Streptokokkenstamm Tornow I) intravenös infiziert 
wurde. Isolierter Streptokokkenherd nahe der Ossifikationsgrenze. Unregelmäßige 
Markraumbildung durch Untergang von Knorpelzellen und einzelner Spongiosabälkchen. 

Mikrophotogramm Nr. 4. (Vergr. 500fach.) 

Zeigt den großen Streptokokkenhaufen des vorigen Bildes bei starker Vergröße¬ 
rung. Eine Reaktion des angrenzenden Markgewebes kaum vorhanden. 

Mikrophotograium Nr. 5. (Vergr. 30fach.) 

Zeigt einen großen Streptokokkenherd im stark verbreiterten Periost einer Rippe 
nahe der Epiphysenlinie bei einem 1200 * rm schweren jungen Kaninchen, das mit 
1 com Pferdeserumbouillonkultur am 27. IV. 1900 intravenös infiziert wurde. Tot nach 
3 Tagen. Der Streptokokkenherd besteht aus einer ungeheuren Anzahl von Kokken, 
die in die Saftspalten des Periosts hineinwuchern. 


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Untersuchungen über die Lokalisation der Bakterien usw. 461 


Mikrophotogramm Nr. 6. (Vergr. 125 fach.) 

Gewaltiger Streptokokkenherd [im Periost des Femurs in unmittelbarster Nahe 
des Hüftgelenkes bei demselben Tier« Von einem dichteren Zentrum aus verbreiten 
sich die Streptokokken in den Lymphspalten des benachbarten Gewebes. 


Mikrophotogramm Nr. 7. (Vergr. SOfach.) 

Normale Rippenepiphyse eines jungen, 1300 *”* schweren Kaninchens. Die 
Spongiosab&lkohen erstrecken sich von der Ossifikationslinie tief in den Markraum 
hinein. 


Mikrophotogramm Nr. 8. (Vergr. SOfach.) 

Rippenepiphyse eines gleich schweren Kaninchens, das mit einer 24stündigen 
Pneumokokkenkultur, auf Pferdeblutagar gezüchtet, intravenös infiziert wurde. Tot 
nach 5 Tagen. Herzblut sowie Knochenmark frei von Pneumokokken, die durch die 
bakteriziden Kräfte des Organismus im Laufe der Infektion vernichtet wurden. Die 
Epiphysen haben tiefgreifende Veränderungen erlitten. Die ganze Spongiosa bis auf 
wenige Knochenbälkchen verschwunden und durch Markgewebe ersetzt. Die Mark¬ 
höhle ist vergrößert, die Epiphysenlinie und das Periost breiter geworden. Unter¬ 
schiede beim Vergleich mit dem vorhergehenden Bild der normalen Rippe besonders 
deutlich hervortretend. 

Mikrophotogramm Nr. 9. (Vergr. 35 fach.) 

Teil der Rippenepiphyse eines # / 4 Jahre alten Kindes, das an einer Broncho¬ 
pneumonie nach Masern gestorben war. Das Übersichtsbild zeigt die unregelmäßige 
zackige Epiphysenlinie, gegen die zahlreiche, mit Blut strotzend gefüllte Gefäße an¬ 
dringen. Einzelne dieser Gefäße, deren Inhalt pathologisch verändert war, mit 
Streptokokken im Lumen. 

Mikrophotogramm Nr. 10. (Vergr. 1000 fach). 

Es zeigt ein einzelnes Gefäß des vorigen Bildes und die im Lumen in starker 
Vermehrung begriffenen Streptokokken bei starker Vergrößerung. Das Gefäß lag in 
unmittelbarer Nähe der Ossifikationslinie; im Gefäß die Schatten der Blutkörperchen 
noch zu erkennen. Leukozytäre Elemente fehlen vollkommen. 

Mikrophotogramm Nr. 11. (Vergr. 25fach.) 

Teil der rachitischen Rippenepiphyse eines l 1 /, Jahre alten Kindes, das an 
Masern gelitten hatte. Von der Markhöhle steigt ein Knorpelmarkkanal senkrecht 
in die Höhe. In seinem erweiterten Ende liegt, wie 

Mikrophotogramm Nr. 12 (Vergr. 500fach) 

zeigt, ein Kokkenhaufen, das angrenzende Knorpelgewebe in indifferentes Bildungs¬ 
gewebe verwandelt. 


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462 Josef Koch: Untersuchungen übeb die Lokalisation usw. 


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Tibi m 

Zeiehiu; Kr. 1. (Winkel Oe. 3, Obj. 3» 
nach einem Gram-Saflianinpripaimt als Übersichtsbild gezeichnet 
Teil der unteren Femurepipbyse eines jungen Kaninchens, das mit Milzbrand¬ 
bazillen intravenös infiziert wurde. Das Bild zeigt, welche enormen Mengen von 
Bazillen an der Ossifikationsgrenze Vorkommen können. Schlingen- und schleifenartigrr 
Verlauf der Bazillen an der Knorpelgrenze deutlich sichtbar. Starke Wucherung der 
Knorpelzellen, die hypertrophisch und blasig aufgetrieben sind. 

Zeiehnug Kr. 2 (Ölimmersion Oc. 3) 
nach einem Gram-Saffianinpräparat gezeichnet 
Gefäß aus dem Epiphysenmark einer Rippe eines nach 3 Tagen nach intra¬ 
venöser Milzbrandinfektion zugrunde gegangenen Kaninchens. Das Gefäß, einem 
entkalkten Knochenbälkchen anliegend, von normalen und in starker Degeneration 
begriffenen Milzbrandbazillen fast ganz erfüllt 


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[Aus der serologischen Abteilung 
des hygienischen Instituts der deutschen Universität in Prag.] 
(Vorstand: Prof. Dr. O. Bail.) 


Über 

die Wirkungsweise des Schweinerotlaufimmunserums. 

Von 

Dr. Wilhelm Spät, 

k. u. k. iUgimfoUarit. 


Ausgeführt mit Unterstützung des k. k. Ackerbauministeriums in Wien. 


Das Schweiuerotlaufimmunserum ist das älteste Immunserum, welches 
für Schutz- und Heilzwecke dargestellt wurde. Trotzdem ist dessen Wir¬ 
kungsweise bis jetzt noch nicht in wünschenswerter Weise aufgeklärt. In 
der vorliegenden Arbeit haben wir uns zur Aufgabe gestellt, über das 
Wesen und die Art der Schweinerotlaufimmunität neue Aufschlüsse zu 
suchen. 

Emmerich und Mastbaum veröffentlichten im Jahre 1891, aus¬ 
gehend von den Vorversuchen von Emmerich und di Mattei, ihre 
grundlegenden Studien über Schweinerotlauf. Ihre Versuche haben eine 
hervorragende allgemeine Bedeutung, vor allem aus dem Grunde, weil sie 
zum ersten Male das Prinzip der passiven Immunisierung in Anwendung 
bringen, nach dem die Gewebsflüssigkeit und das Blut aktiv immunisierter 
Tiere die Fähigkeit besitzen, andere Tiere, gleichviel ob derselben oder 
einer anderen Art, vor einer nachträglichen Infektion zu schützen und 
infizierte Tiere zu heilen. Speziell für die vom Standpunkte der Land¬ 
wirtschaft so wichtige Frage der Schweinerotlaufimmunisierung bedeuteten 
diese Erfolge grundsätzlich eine neue Ara, denn die passive Immunisie¬ 
rung mit der von Emmerich uud Mastbaum angegebenen „Heilflüssig- 


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464 


Wilhelm Spät: 


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keit“ stellte ein vollkommen unschädliches Verfahren in Aussicht im 
Gegensatz zu der von Pasteur noch vor der Entdeckung des Schweine¬ 
rotlaufbacillus eingeführten aktiven Immunisierung mit einem lebenden 
Virus, dessen Anwendung sowohl für die geimpften Schweine selbst, als 
auch für die übrigen in ihrer Umgebung mit der Gefahr einer tödlichen 
Infektion verbunden war. In dieser Arbeit wird auch der Mechanismus 
der Schutz- und Heilwirkung einer eingehenden Prüfung unterzogen und 
die Ansicht ausgesprochen, daß dieselbe, entgegen der Annahme Metschni- 
koffs, welcher die Steigerung der Phagozytose (Stimulation) als Ursache 
der Schutzkraft hinstellte, auf der bakteriziden Eigenschaft der Körper¬ 
säfte beruhe. Die Tatsachen, welche Emmerich und Mastbaum als 
Stützen für diese Anschauung anführen, lassen aber noch eine andere 
Deutung zu und sind nicht ohne Widerspruch gebliehen. So stützen sie 
sich auf die schon in der ersten Publikation von Emmerich und di Mattei 
gemachte Feststellung, daß in immunisierten Tieren, welche 8 bis 10 
Stunden nach der Einverleibung von Bakterien getötet wurden, die ein¬ 
gespritzten Schweinerotlaufbazillen nicht mehr nachweisbar waren und 
deuten diesen Befund als eine Vernichtung der Keime durch ein in den 
Körpersäften kreisendes antibakterielles Gift. Nun wissen wir aber, daß 
auch andere Bakterienarten aus dem Blutkreislauf von Tieren, deren Serum 
sicher keine bakterizide Eigenschaft besitzt, in kürzester Zeit verschwinden. 
Wyssokowitsch nimmt an, daß die Bakterien von den Organen wie von 
Filtern abgefangen werden und daß sich erst an dieser Stelle der Kampf 
zwischen den pathogenen Keimen und den Körperzellen abspielt. In 
jüngster Zeit hat Weil diese Verhältnisse bei Streptokokken im Kaninchen¬ 
organismus eingehender studiert und fand kurze Zeit nach der Injektion 
eine starke Abnahme der Keimzahl, trotzdem auch hier von einer bak¬ 
teriziden Wirkung des Kaninchenblutes auf die Streptokokken keine Rede 
sein kann. 

Auch den Umstand, daß bei immunisierten Kaninchen nach Einver¬ 
leibung von Rotlaufbazillen das Fieber nach 8 Stunden zurückgeht, sehen 
diese Autoren als Beweis für den Untergang der Krankheitserreger und 
den Sieg des Organismus an. Aber gerade beim Schweinerotlauf sieht 
man oft bei spontanen Erkrankungen, daß das Fieber auch in solchen 
Fällen sinkt, wo die Bakterien den Sieg davongetragen haben und die 
Tiere in kurzer Zeit zugrunde gehen. 

Demgegenüber müssen wir auf die von Metschnikoff, Prettner u.a. 
erhobenenen Befunde hinweisen, nach denen die Schweinerotlanfbazillen 
im Tierkörper nach einer gewissen Zeit, in welcher sie nicht nachgewiesen 
werden konnten, wieder erscheinen und sowohl in (aktiv und passiv) 
immunisierten, sowie refraktär sich verhaltenden Tieren, welche der In- 


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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlau fimmunserums. 465 

fektion widerstehen, die Bakterien lange Zeit wie harmlose Saprophyten 
im Blute unbehindert fortleben können. Emmerich und Mastbaum 
stellten auch Reagensglasversuche mit dem Gewebssaft immunisierter Tiere 
und den Rotlaufbazillen an und fanden nach 24 Stunden eine geringe 
Abnahme der Keimzahl. Diese Befunde sind aber ohne Beweiskraft, da 
die Kontrolle, welche die Wirksamkeit der normalen Gewebsflüssigkeit 
demonstrieren würde, nicht gemacht wurde. Immerhin zogen die Autoren 
den Schluß, daß die Keimvemichtung in vitro zwar gering sei, daß aber 
die bakterizide Kraft erst im Tierkörper zur vollen Geltung komme, eine 
Behauptung, für die keine genügende Stütze vor liegt. 

Auch andere Forscher (Lorenz, Voges, Voges und Schütz, Marx, 
Deutsch u. a.), welche die der Immunität zugrunde liegenden Vorgänge 
erklären wollten, nahmen eine bakterizide Fähigkeit des Immunserums 
als Ursache des Unterganges der Bakterien an, trotzdem auch sie Befunde 
erheben konnten, welche das Gegenteil beweisen. Nur Deutsch spricht 
sich dahin aus, daß das Zusammenwirken von Alexin und Immunkörper 
nur in den seltensten Fällen genüge, um die Bakterien zu vernichten, 
daß sich der Organismus dabei nicht passiv verhalte, sondern an der Ver¬ 
nichtung der Keime tätig mitwirke. Hierbei käme nach seiner Ansicht 
die Freßtätigkeit der weißen Blutzellen in Betracht. Er stellt sich den 
Vorgang der Infektion so vor, daß die Bakterien ein Gift produzieren, 
welches auf die amöboiden Zellen schädigend einwirkt. Unter dem Ein¬ 
fluß dieser, von ihm als „Leuko- oder Phagotoxine“ bezeichneten Stolle, 
bilden sich im Organismus Gegenstöße, „Antileukotoxine“, welchen die 
Eigenschaft zukommt, die erwähnten Gifte zu paralysieren. Wir werden 
sehen, wie diese Vorstellungen den wirklichen Vorgängen nahekommen, 
sofern man die Leukozytenwirkung nicht als Phagozytose auffaßt. Im Sinne 
dieser Vorstellungen erklärt er — unseres Erachtens mit Recht — warum 
beim Schweinerotlauf eine Immunisierung mit abgetöteten Bazillen mi߬ 
lingt, warum beispielsweise ein mit abgetöteten Bazillen erzeugtes Pest¬ 
serum, trotz des gleichen Gehalts an Immunkörpern schlechter wirkt, als 
ein Serum, welches mit lebenden Kulturen dargestellt wurde. 

Es hat auch nicht an Versuchen gefehlt, welche die Ursache der 
Wirkung des Rotlaufimmunserums in einer die Phagozytose befördernden 
Eigenschaft, in der opsonischen Kraft zu Anden glaubten. In dieser Be¬ 
ziehung nimmt Staal einen ganz extremen Standpunkt ein, indem er 
auf Grund seiner Untersuchungen in dem Schweiuerotlaufimmunserum 
ausschließlich die Steigerung der Freßtätigkeit der Leukozyten im Ver¬ 
gleich zur Wirkung normaler Sera sieht, während Rick mann daneben 
auch eine geringe bakterizide Kraft des Immunserums gelten läßt. Andrer¬ 
seits glaubt Preisz gerade in der übermäßigen Überfüllung der Leuko- 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 

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466 


Wilhelm Spat: 


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zyten mit Bakterien, wie sie bei schwerkranken Tieren beobachtet wird, 
eine deletäre, krankmachende Wirkung zu sehen. 

Im Gegensatz zu allen diesen Behauptungen stehen die Befunde 
Prettners, auf Grund deren er zur Ansicht gelangt, daß die Schutzkraft 
des Rotlaufimmunserums weder durch eine Bakterizidie desselben, noch 
durch Förderung der Phagozytose erklärt werden kann. 

Diese Verschiedenheit der Anschauungen über ein Immnnserum. 
welches in der Veterinärpraxis eine so weite Verbreitung findet und vom 
landwirtschaftlichen Standpunkt eine so hervorragende Bedeutung besitzt, 
veranlaßt« uns, dasselbe einer genauen Untersuchung zu unterziehen, um 
über die wirkliche Ursache seiner Wirkung Klarheit zu finden. Diese 
Frage hat nicht allein ein theoretisches Interesse, sondern vor allem eine 
große praktische Bedeutung. Denn nur die Aufklärung des Wirkungs¬ 
mechanismus des Schweineimmunserums, für welche die Erkenntnis des 
Infektionsmodus eine unerläßliche Vorbedingung ist, kann zu einer ratio¬ 
nellen Ausgestaltung des Immunisierungsverfahrens führen. Daß die 
gegenwärtig geübten Methoden noch sehr viel zu wünschen übrig lassen 
und vom idealen Ziel der absoluten Sicherheit und Gefahrlosigkeit weit 
entfernt sind, braucht kaum hervorgehoben zu werden. 


II. 

Für die Wirkungsweise eines Immunserums kommen nach dem 
jetzigen Stande unseres Wissens folgende Möglichkeiten, die antitoxische, 
bakterizide, opsonische, bakteriotrope oder die antiaggressive Wirkung in 
Betracht. Was die antitoxische Wirkung anbelangt, so ist diese ohne 
weiteres auszuschalten, da bisher alle Versuche, ein gelöstes Toxin nach- 
weisen, zu keinem Resultate geführt haben. Voges injizierte Mäusen 
5 ccm , Tauben 60 ccm , Kaninchen 200 ocm einer abgetöteten Bazillenkultur 
ohne Erfolg. Erst der Bakteriensatz von 300 ccm Bouillonkultur tötete 
eine Maus, doch gibt Voges selbst zu, daß die Einverleibung solcher 
Mengen selbst harmloser Substanzen für das kleine Tier nicht gleichgültig 
sein kann. 

Das Hauptgewicht unserer Untersuchungen legten wir auf die Frage 
der Bakterizidie, welche nach dem bis jetzt vorliegenden Material als höchst 
unwahrscheinlich angenommen werden mußte. Als wesentliches Merkmal 
bakterizider Sera gilt ihre Eigenschaft, daß sie ihrer Immunkörper durch 
Behandlung mit den homologen Bakterien beraubt werden können. Deutsch 
hat auch diesen Weg der spezifischen Absorption in seinen Untersuchun¬ 
gen eingeschlagen, jedoch nicht konsequent durchgeführt. Es gelang ihm, 
durch dreimalige Behandlung des Immunserums mit Schweinerollaut- 


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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaüfimmunserums. 467 

bazillen das Serum ganz zu erschöpfen, d. h. das erschöpfte Serum gab 
mit diesen Bakterien keine Komplementbindung mehr. Hiermit war für 
ihn der Beweis geliefert, daß es sich um ein bakterizides Serum handelt 
Dies ist um so mehr zu verwundern, als Deutsch in derselben Arbeit auf 
Grund vergleichender Untersuchungen die Ansicht ausspricht, daß ein 
Parallelismus zwischen dem Gehalt an „Immunkörpern“ (Agglutininen) 
und der Schutzkraft des Immunserums nicht besteht. Diesen Weg ver¬ 
folgte konsequent erst Prettner, welcher das Immunserum erschöpfte und 
dasselbe sodann im Tierversuche auf seine Schutzkraft prüfte. Es zeigte 
sich, daß diese Sera durch die Behandlung mit Bakterien nichts von ihrer 
Wirksamkeit eingebüßt haben. Wir halten diesen Versuch für einen ent¬ 
schiedenen Beweis gegen die Annahme einer bakteriziden Wirkung des 
Schweinerotlaufimmunserums. Da jedoch dem Prettner sehen Versuche 
der Einwand gemacht werden kann, daß das Immunserum nicht voll¬ 
ständig erschöpft wurde (er behandelte 0*1 cem eines hochwertigen Serums 
mit dem zentrifugierten Satz von 10 ccm Bouillonkultur), so haben wir in 
unseren Versuchen die Erschöpfung mit viel größeren Bakterienmassen 
durchgeführt und das Serum dann zugleich mit nativem unbehandeltem 
Kontrollserum im Tierversuche bis an die unterste Grenze der Wirk¬ 
samkeit austitriert. 

Alle unsere Versuche wurden mit einem hochwertigen Immunserum 
vom Pferde (ohne Karbolzusatz) durchgeführt, welches uns in zuvorkom¬ 
mendster Weise vom Seruminstitut des Hrn. Dr. Schreiber in Lands¬ 
berg zur Verfügung gestellt wurde. Für diese Freundlichkeit möchten 
wir auch an dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank aussprechen. 


Er8chöpfnng8versuche. 

0*25 001,1 Immunserum wurden mit dem abgetöteten (1 Stunde bei 60°) 
Bakteriensatz einer gut gewachsenen Kolleschen Schale versetzt, mehrere 
Stunden bei 87 0 gehalten, nach dem Abzentrifugieren abermals mit dem 
Satz einer zweiten Kolleschen Schale behandelt. Die Bakterienmassen 
werden durch Zentrifugieren entfernt. Eine gleiche Menge Rotlaufimmun¬ 
serum wurde in derselben Weise mit abgetöteten Typhusbazillen behandelt. 
Das als Kontrolle benutzte native Immunserum wurde mit Ausnahme der 
Berührung mit Bakterien den gleichen Prozeduren unterworfen. Die 
Mäuse erhielten die Seruminjektion am Abend, am nächsten Tage wurden 
alle, sowie 2 Kontrollmäuse mit je 0.1 ocm einer 24stündigen Bouillon¬ 
kultur subkutan, unter die Rückenhaut infiziert. 

3n* 


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WrLHLLM Spät: 


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Resultat: 

oi T:er c mit 

E-iÜVrTl >-rr:m 
OcAandrrlt 

Maus Nr. 1 0-1 bleib: am Leben bleibt am Leben bleibt am Leben 

2 0•05 ..... . 

3 0 • 0 1 .... - - 

4 0.005 . stirbt nach stirbt nach stirbt nach 

•Serum 5* ♦ Tauen 5 Tagen 3 1 3 Tagen 

Oie 2 Kontrollmäuse sterben nach 4» Stunden. 



Um anderer Versuch wurde mit einem mehrere Monate alten, abge¬ 
schwächten Serum ausgeführt. 0*6 :c= ImmuLsernm wurden mit dem 
•Satz einer Koileschen Schale wie oben behandelt. Serum und Kultur 
(je 0-1 :4:s ) wurden zusammengemischt injiziert. 


Mau» Nr. 1 
2 

3 

4 


Ö • 1 -" :a Serum 
0*05 - 
0-01 - 
0-005 . 


Resultat: 

a: ErsoLOptes Serum 
bleibt am Leben 

stirbt nach 6 Tagen 
5 


bi Natives Serum 

bleibt am Leben 
stirbt nach 7 Taiten 
6 1 
5 


Die 2 Kontrellmause sterben nach 2 Tagen. 


In anderen Versuchen wurde das Immunserum mit dem Bakterien¬ 
satz von 300 ccm einer 48>tünd;gen Buuillonkultur erschöpft. Die Resul¬ 
tate waren immer dieselben. 

Alle diese Versuche zeigen übereinstimmend, daß das Schweinerotlauf- 
immunserum trotz der Behandlung mit großen Bakterieumasseo in seiner 
schützenden Wirksamkeit intakt bleibt. Durch dieses Verhalten ist ein 
prinzipieller Unterschied zwischen dem Rotlautimmunserum und den als 
bakterizid erkannten Seris aufs schärfste dokumentiert. Die bakteriziden 
Sera <z. B. Cholera, Typhus) mit ausgesprochenem Rezeptoreucharakter 
können durch Behandlung mit den zugehörigen Bakterien ihrer Immun¬ 
körper beraubt werden, wodurch sie zugleich ihr bakterizides Vermögen 
verlieren. Beim Rotlaufimmunserum lassen sich die schützenden Stoffe 
trotz extremster Versuchsbedingungen weder in spezifischer, noch in un- 
spezifischer Weise entfernen. Ks kann demnach unter keinen Umständen 
mit den bakteriziden Seris in eine Gruppe eingereiht werden. Durch 
obige Verbuche erscheinen alle diesbezüglichen Anschauungen aufs be- 
stimmte'te widerlegt. 


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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaueimmunserums. 469 

Bemerkenswert ist, daß in einigen Verdünnungen das erschöpfte Serum 
sogar wirksamer erscheint, als das bezügliche native; offenbar gehen 
während der Behandlung gewisse Substanzen des Bakterienleibes in das 
Serum in Lösung über, welche die Schutzkraft erhöhen. So sehen wir 
im ersten Erschöpfungsversuche, daß die Maus Nr. 4, welche 0 • 005 ccm 
erschöpftes Serum erhalten hatte, die Kontrollmäuse um 37 2 Tage, das 
analoge Tier mit nativem Serum dieselben nur um l 1 /* Tage überlebt. 
Im zweiten Versuche mit dem abgeschwächten Serum vermochte das er¬ 
schöpfte Serum in der Dosis von 0 • 05 ccra die Maus »noch zu schützen 
das mit der gleichen Menge nativen Serums behandelte Tier stirbt nach 
7 Tagen. 

Wiewohl mit Sicherheit angenommen werden durfte, daß die Menge 
von 0 • 25 ccm Immunserum durch die zweimalige Behandlung mit der Bak¬ 
terienmasse zweier Ko 11 eschen Schalen vollkommen ihrer Immunkörper 
beraubt wurde, haben wir uns von der Erschöpfung dieses Serums noch 
auf einem anderen Wege zu überzeugen gesucht. Wir wählten zu diesem 
Zwecke die Methode der spezifischen Komplementbindung. Als Antigen 
benutzten wir eine dichte Aufschwemmung von Bakterien, die wir durch 
Zentrifugieren einer Bouillonkultur gewonnen hatten. Der gewaschene 
Satz wurde in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Der Vor¬ 
versuch, welcher die Eigenhemmungen des Immunserums und der Bazillen¬ 
emulsion ermitteln sollte, ergab (0*1 ecm Komplement, dreifach sensibili¬ 
sierte Hammelerythrozyten. Die Resultate wurden nach 1 Stunde notiert): 


Immunserum 


Bazillenemulsion 



0-2 ccm 

starke Lösung 

0.5 ccm 

vollständige Hemmung 


0-1 * 

komplette Lösung 

0*25 r 

r r 


0-05 „ 

r r 

o-i , 

r r 


0-025 „ 

n v 

0*05 r 

komplette Lösung 


0-01 „ 

r r 





Komplementbindungsversuch. 



a) Mit nativem 

Immunserum. 

1. 

0*1 ccm Immunserum + 0-075 ecm 

Bazill.-Emuls. vollstiind. Ilemmun: 

2. 

0-05 „ 

r ■f 0‘0l5 

r 

r r 

3. 

0*025 „ 

r + 0 • 0 < ;> r 

.. 

r ?• 

4. 

0*01 r 

r + 0-075 r 


schwache Lösung 

5. 

0*1 „ 

V +0 

.. 

komplette Lösung 

6. 

0 

r -f“ 0 • 075 r 

.. 

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4To 


bi 

1. 0-1 Immun-erum 

2. 0-05 _ 

3. 0-025 . 

4. Ö-Öl - 

5. 0-1 . 

6 . 0 


Mit erschöpftem Serum. 

+ 0-075Bizill.-Emu!?. 

— 0-075 - 

T Ü'ÖiO . 

— 0*075 - 

4- 0 _ - 

— 0*075 . 


komplette Lösung 


Diesem Versuch ist zu entnehmen, daß das Immunserum. weiches 
nach der Erschöpfung die schützende Kraft in vollstem Maße beibehält, 
die komplementbindende Fähigkeit vollständig eingebüßt hat. Ein schönes 
Beispiel dafür, wie wenig die sogenannten komplementbindenden Imm un- 
klrper mit der Immunität zu tun haben. Gleichzeitig fallt damit der 
Einwand, daß die Schweinerotiaufbazilien deshalb den Immunkörper nicht 
binden, weil sie serumfest sind. 

Ein Gegenstück zu diesen Versuchen bildet das Verhalten der Sckweiue- 
rotlauf bazilien, welche lange Zeit mit dem Immunserum in Berührung 
waren. Diesbezüglich konnten wir die Angaben Prettners vollkommen 
bestätigen, daß diese Bakterien nach 24 stündiger Behandlung mit Imm un- 
serum bei 37° nichts von ihrer Lebensfähigkeit und Infektions¬ 
kraft einbüßten. Sie töteten Mäuse in denselben Mengenverhältnissen 
und in derselben Zeit wie unbehandelte Bakterien. Es ist nicht uninter¬ 
essant, daß Voges die gleiche Beobachtung gemacht hat; er zog aber 
daraus trotzdem den gegenteiligen Schluß, daß das Serum bakterizid wirke, 
daß aber diese Wirkung erst im Tierkörper zur Geltung komme. 


III. Bakterizide Versuche in vitro. 

Neben den im Vorstehenden geschilderten Erschöpfungsversuchen und 
dem Verhalten ,.sensibilisierter* 4 Bakterien, welche die Frage der Bakteri- 
zidie entschieden in ablehnender Weise lösen, haben wir noch die Wirk¬ 
samkeit des Kotlaufimmunserums im Keagensglase untersucht. Nachdem 
Weil nachweisen konnte, daß beim Meerschweinchen, einem von Natur 
gegen Schweinerotlauf resistenten Tiere die Leukozyten gegen die Schweiue- 
rotlaufbazilien eine starke bakterizide Kraft besitzen, beschränkten wir 
unsere Versuche nicht bloß auf die Feststellung der Wirkung des Immun¬ 
serums alleiu, sondern stellten auch bakterizide Plattenversuche mit Leu¬ 
kozyten von Kaninchen an. um zu sehen, ob bei diesem Tiere, welches 
sich ebenfalls gegen .Schweinerotlauf refraktär verhält, die Leukozyten¬ 
wirkung in derselben Weise zum Ausdruck kommen wird. Zur Gewinnung 
der Leukozyten injizierten wir einem Kauiuchen etwa 5 ccm einer sterilen 
Aleuronataufschwemmuug intrapleural und ebensoviel intraperitoneal. Nach 


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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaufimmunserums. 471 

ungefähr 15 Stunden wurden die Tiere verblutet, das Exsudat der Brust- 
und Bauchhöhle zentrifugiert, eventuell noch mit physiologischer Koch¬ 
salzlösung nachgespült, der Leukozytensatz gewaschen und auf Röhrchen 
verteilt. Auf ein Röhrchen entfielen ungefähr 0*15 ff™ Leukozyten. Die 
letzteren wurden in Kaninchenserum aufgeschwemmt und überdies teils 
mit Immunserum, teils mit normalem Pferdeserum versetzt. Für die Ein¬ 
saat wurden von einer 24 ständigen Bouillonkultur 2 Tropfen in ca. 5 ccm 
steriler Bouillon zugesetzt, gut durchmischt und hiervon 1 Tropfen pro 
Röhrchen verteilt. Ein auf 45° abgekühlter Agar wurde ebenfalls mit 
einem Tropfen geimpft und sofort zur Platte gegosssn (Einsaat). Behufs 
Erzielung eines besseren Wachstums wurde demselben 0*5 ccm bis l ccm 
Serum zugesetzt. Die übrigen Röhrchen wurden 5 Stunden im Brut¬ 
schrank gehalten und oft geschüttelt. Dann wurden sie ebenfalls mit 
einem abgekühlten Agar überschüttet und zur Platte gegossen. Die Zäh¬ 
lung der aufgegangenen Kolonien erfolgte nach 16 bis 18 Stunden (siehe 
Versuch I, S. 472). 

Aus diesen Versuchen ist zu entnehmen, daß das Rotlaufimmunserum, 
ebenso wie das normale Pferde- und Kaninchenserum keine bakterizide 
Fähigkeit besitzt, die zugesetzen Rotlaufbazillen vermehren sich in dem¬ 
selben ins Unendliche. Wir machen hier nochmals ausdrücklich darauf 
aufmerksam, daß unsere Platten nach ^5 ständiger Einwirkung gegossen 
wurden und daß wir große Einsaaten hatten. Unsere Ergebnisse stehen 
somit in keinem Widerspruch zu den Befunden Büchners, der wohl bei 
geringen Einsaaten eine deutliche Abnahme, bei höheren dagegen nach 
5 Stunden ebenfalls eine Vermehrung der Bakterien konstatieren konnte. 

Hingegen entfalten die Kaninchenleukozyten eine sehr starke bakte¬ 
rizide Wirkung, wobei es gleichgültig erscheint, ob dieselben im Rot¬ 
laufimmunserum oder in einem anderen, normalen Serum aufgeschwemmt 
sind. Die Leukozyten scheinen demnach bei den von Natur immunen 
Tieren das Hauptverteidigungsmittel gegen die Rotlaufinfektion vorzustellen. 

Es schien uns daher von Interesse, da diesbezüglich in der Literatur 
keine Angaben vorliegen, auch das Verhalten der Leukozyten empfäng¬ 
licher Tiere in dieser Richtung zu prüfen. Wir waren aus äußeren 
Gründen nicht in der Lage, diese Versuche an Schweinen noch Tauben 
vorzunehmen, und wir können daher nur von Befunden berichten, welche 
wir an Mäusen gewonnen haben. Wir injizierten einer größeren Anzahl 
von Mäusen je 1 • 5 ccm sterile Bouillon intraperitoneal, nach 15 Stunden 
wurden die Tiere verblutet und die Bauchhöhle mit physiologischer Koch¬ 
salzlösung mehrmals durchgespült. Die Spülflüssigkeit wurde zentrifugiert 
und ergab einen reichlichen Leukozytensatz. 5 bis 6 Mäuse lieferten die 
für ein Röhrchen nötige Leukozytenmenge. Sonstige Versuchsanordnung 


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472 




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Übeb die Wibkungsweise des Schweinebotlaufimmunsebums. 473 

wie in den früheren Versuchen. Zum Vergleich wurde in demselben 
Versuche das Verhalten von Meerschweinchenleukozyten, die in der üblichen 
Weise gewonnen wurden, gegen den gleichen Rotlaufstamm geprüft, und 
zwar wurden von den Meerschweinchenleukozyten 5 verschiedene absteigende 
Proben angelegt. (Siehe Versuch II, S. 472.) 

Wir sehen aus diesem Versuche, daß das Blutserum der Maus ähn¬ 
lich wie das des Meerschweinchens keine bakterizide Fähigkeit besitzt. 
Dagegen ist die Wirkung der Mäuseleukozyten auf die Schweine¬ 
rotlaufbazillen, wenn sie überhaupt wirken, nur minimal (un¬ 
gefähr 7 bis 8 mal schwächer als die der Meerschweinchenleukozyten). 
Dieser Befund beansprucht ein großes Interesse; sollte er sich auch in 
demselben Sinne bei Tauben und Schweinen feststellen können, so wäre 
hiermit im allgemeinen die Empfänglichkeit dieser Tiere für Schweinerot¬ 
lauf bzw. die Resistenz anderer Tierarten vollkommen aufgeklärt. Die¬ 
jenigen Tiere wären empfänglich, deren Leukozyten nur eine schwache 
oder gar keine Wirkung auf die Rotlauf bazillen ausüben und umgekehrt 
diejenige Tierart resistent, deren Leukozyten eine starke Bakterizidie be¬ 
sitzen. Wir beabsichtigen, diese Verhältnisse bei den empfänglichen Tieren 
weiter zu verfolgen. 

In dieser Beziehung sind die Untersuchungsergebnisse Weils be¬ 
merkenswert. Er fand, daß die Rattenleukozyten im Vergleich zu den 
Meerschweinchenleukozyten eine viel schwächere Bakterizidie aufweisen und 
außerdem die keimtötende Wirkung nur in aktivem Serum entfalten 
können. Nun ist die Ratte im Gegensatz zum Meerschweinchen für 
Schweinerotlauf empfänglich, wenn auch nicht in dem Maße wie die Maus. 
Die bei diesen Tieren (Meerschweinchen, Ratte, Maus) festgestellte 
Abstufung der Leukozytenwirkung geht also mit der Empfäng¬ 
lichkeit dieser Tiere für Schweinerotlauf parallel, so daß man 
letztere als Ausdruck der Leukojzytenwirkung anzusehen be¬ 
rechtigt ist. 

IT. Untersuchungen über die bakteriotrope (opsonische) 

Wirkung. 

Nach den Untersuchungen, welche die bakterizide Wirkung des 
Schweinerotlaufserums verneinen, gingen wir daran, dasselbe bezüglich 
seiner bakteriotropen (opsonischen) Eigenschaft zu prüfen, da die Befunde 
Staals uns nicht geeignet erschienen, die von diesem Autor ausgesprochene 
Anschauung zu rechtfertigen und wir überdies nach den Angaben 
Prettners und Weils einen nennenswerten Einfluß des Rotlaufimmun¬ 
serums auf die Phagozytose nicht erwarten konnten. Unsere Versuche 
gestalteten sich in folgender Weises Eine 24 ständige Bouillonkultur 


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474 


Wilhelm Spät: 


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wurde zentrifugiert, der Satz gewaschen, in 1 ccm physiologischer Kochsalz¬ 
lösung aufgeschwemmt, so daß eine sehr tr&be, dichte Emulsion entstand, 
von welcher je 1 Tropfen auf ein Röhrchen verteilt wurde. Die Leuko¬ 
zyten wurden in der geschilderten Weise vom Kaninchen gewonnen und 
von einer dichten Aufschwemmung 2 Tropfen pro Röhrchen zugesetzt 
Wir erreichten auf diese Art eine gleichmäßige, entsprechend reichliche 
Verteilung der Leukozyten und Bakterien in jedem Gesichtsfelde. Folgende 
Proben wurden aufgestellt. 


1 . 

2 . 

3. 

4. 

5. 

6 . 


Bakterien + 0-05 com Rotlaufimmunserum -j- Leukozyten 
-f- 0.45 „ phys. NaCl-Lösung 
„ + 0•05 „ normal. Pferdeserum + „ 

4- 0*45 „ phys. NaCl-Lösung 
„ + 0-05 „ Rotlaufimmunserum + „ 

+ 0*45 „ Kaninchenser. aktiv 
,, -f- 0 • 05 „ normal. Pferdeserum 4- r 

+- 0*45 „ Kaninchenser. aktiv 
„ 4- 0*05 „ phys. NaCl-Lösung + _ 

4- 0-45 „ Kaninchenser. aktiv 
* + 0-5 „ phys. NaCl-Lösung 4- r 

+ 0 . 


Die sofort angefertigten mikroskopischen Präparate ergaben in allen 
Röhrchen eine gleichmäßige Verteilung der Bazillen, keine Phagozytose. 
Die Röhrchen wurden dann in den Brutschrank gestellt und alle 5 Minuten 
geschüttelt. 

Nach 15 Minuten geringe Phagozyten in allen Proben, mit Aus¬ 
nahme der Probe Nr. 6, die Bazillen zusammengeballt (Agglutination). 

Nach 30 und 45 Minuten kein wesentlicher Unterschied. Erst nach 
einer Stunde (in anderen Versuchen erst nach l 1 /, Stunden) starke 
Phagozytose in den Röhrch 1. bis 5., in der Probe 6. sind nur vereinzelte 
Leukozyten mit Bazillen gefüllt, sonst sind letztere gleichmäßig im Ge¬ 
sichtsfelde zerstreut, wie vor der Einwirkung. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, daß das Rotlaufimmunserum im 
Reagensglase in hohem Maße die Phagozytose befördert, daß diese Wirkung 
jedoch keineswegs als spezifisch angesehen werden darf, da die als Kon¬ 
trollen verwendeten Normalsera vom Pferde und vom Kaninchen genau 
dieselben Resultate ergaben. 

In einem scheinbaren Gegensatz zu diesen Befunden stehen die An¬ 
gaben Staals, der beim Rotlaufimmunserum eine etwas stärkere Phago¬ 
zytose fand, als beim Normalserum. Doch sind die von Staal zwischen 
Immunserum und Normalserum gefundenen Differenzen sehr gering, zumal 
wenn man die Unterschiede zwischen den Serumproben überhaupt und 
Ivochsalzproben berücksichtigt. Unter dem Einfluß der Agglutination 


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Über die Wirkungsweise des Schweinerotdaufimmünserums. 475 

entstehen so große Bazillenklumpen, daß es wohl nicht angeht, Unter¬ 
schiede Ton wenigen Bazillen als ein wesentliches Merkmal hervorzuheben. 
Jedenfalls berechtigen diese Resultate nicht zum Schlüsse, daß die 
Wirkung des Rotlaufimmunserums ausschließlich auf seiner opsonischen 
Eigenschaft beruht 

Unsere Befunde stimmen vor allem mit den im Tierkörper 
beobachteten Vorgängen vollkommen überein. Wir konnten uns, 
ebenso wie Prettner überzeugen, daß bei Mäusen, denen intraperitoneal 
Rotlauf bazillen und Immunserum injiziert wurden, niemals eine nennens¬ 
werte Phagozytose auftrat, trotzdem Leukozyten in reichlichen Mengen 
vorhanden waren. Gegen die Bedeutung der Opsonine spricht noch die 
Tatsache, daß das Immunserum durch Absorption nichts von seiner Wirk¬ 
samkeit verliert; durch die Erschöpfung wurden aber die Opsonine beseitigt. 

Daß die Phagozytose hier nicht in Betracht kommt, geht auch aus 
den Versuchen Weils hervor, welcher bei Schweinerotlauf die bakterizide 
Kraft abgetöteter (durch mehrmaliges Eingefrieren und Auftauenlassen) 
Leukozyten nach wies, ferner daß die Meerschweinchenleukozyten auch in 
inaktiviertem Serum ihre keimtötenden Eigenschaften entfalten, alles Um¬ 
stände, die eine Phagozytose, welche doch an die Vitalität der Leuko¬ 
zyten gebunden ist und die Mitwirkung aktiver Sera erheischt, mit Sicherheit 
ausschließen. In diesen Fällen kommt es zu einer Abtötung der Bakterien, 
ohne daß die Phagozytose in Erscheinung tritt, ein Vorgang, den Weil 
als Aphagozidie oder ophagozide Leukozytenwirkung bezeichnet 

Die Wirkung des Rotlaufimmunserums kann demnach nicht durch 
eine die Phagozytose befördernde Eigenschaft erklärt werden. 

V. Antiaggressive Wirkung. 

Nach Widerlegung der antitoxischen, bakteriziden und (bakteriotropen) 
opsonischen Wirkung des Schweinerotlaufserums, erübrigt uns noch die 
Besprechung der letzten Eventualität, zu der wir gleichsam per exclusionem 
gelangen d. i. der antiaggressiven Eigenschaft. Diese von Bail entdeckte 
Art der Immunität finden wir am deutlichsten ausgeprägt in den gegen 
Milzbrand und Hühnercholera gerichteten Immunseris. Letztere besitzen 
die Fähigkeit, die von den zugehörigen Bakterien im Tierkörper sezernierten 
Angriffsstoffe (Aggressine), welche gegen die Abwehrkräfte des Organismus 
gerichtet sind, zu paralysieren. Die im Immunserum enthaltenen anti¬ 
aggressiven Stoffe greifen nicht die Mikroorganismen selbst an, sondern 
machen deren Angriffsprodukte unwirksam, weshalb die Bakterien zu¬ 
nächst nicht direkt geschädigt worden; allein durch Paralysierung ihrer 
gegen die natürlichen Verteidigungsmittel des Tierkörpers gerichteten 


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476 


Wilhelm Spät: 


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Produkte werden sie wehrlos gemacht und erliegen allmählich diesen 
Schutzkräften. Mit diesen antiaggressiven Seris hat aber das Schweine¬ 
rotlaufimmunserum viele wesentliche Merkmale gemeinsam. Auch die 
Milzbrand- und Hühnercholerasera zeichnen sich dadurch aus, daß sie 
durch Behandlung mit den homologen Mikroorganismen niemals erschöpft 
d. h. ihrer schützenden Eigenschaft beraubt werden können. Auch bei 
Einverleibung dieser Sera werden die Bakterien nicht sofort vernichtet 
sondern können, wie wir es beim Schweinerotlauf gesehen haben Metsch- 
nikoff, Prettner) längere Zeit ohne jede Schädigung des Organismus 
weiter leben, was aus der Wirkungsweise des Immunserums leicht er¬ 
klärlich erscheint. Bei der antiaggressiven Immunität erfolgt die Durch¬ 
führung des Kampfes gegen die Krankheitserreger durch eine Arbeits¬ 
teilung: Das Schutzserum paralysiert lediglich die Angriffsstoffe der 
Bakterien, die Vernichtung der letzteren besorgen die Abwehrkräfte des 
Tierkörpers. Hierbei spielen offenbar die Leukozyten die Hauptrolle. So 
geht aus denVersuchen von Bail und Weil hervor, daß beim Milzbrand 
die Aggressine imstande sind, die Leukozyten in der Abgabe der bakteri¬ 
ziden Stoffe zu hemmen. 

Beim Schweinerotlauf dürfte der gleiche Infektions- und Abwehr- 
mechanismus vorliegeu. Wir haben gesehen, daß das Rotlaufimmunserum 
ebensowenig bakterizid wirkt, wie die Sera der von Natur gegen diese 
Krankheit resistenten Tiere (Meerschweinchen, Kaninchen). Dagegen ver¬ 
fügen die weißen Blutzellen dieser Tiere über eine sehr starke keimtötende 
Kraft, welche offenbar durch die Angriffsstoffe der Bakterien nicht über¬ 
wunden werden kann. Die schwächer wirkenden Leukozyten der empfäng¬ 
lichen Tiere können dagegen vom Aggressin leichter in ihrer Tätigkeit be¬ 
hindert werden. 

Daß die hier ausgesprochene Vorstellung den tatsächlichen Verhältnissen 
mindestens nahe kommt, ist aus dem unten angeführten Versuch zu er¬ 
sehen. W eil hat gezeigt, daß auch jene Immunsera, welche sicher nicht 
bakterizid wirken, durch sogenannte komplementbindende Systeme im Tier¬ 
körper ihrer Schutzkraft beraubt werden können, daß aber durch eine 
Anreicherung der Leukozyten dieser Schaden ausgeglichen werden kann. 
Prettner hat nun Mäusen zugleich mit Rotlaufbazillen und Immunsernm 
ein komplementbindendes System (Cholerapräzipitat) intraperitoneal ein¬ 
verleibt und fand, daß solche Mäuse zugrunde gingen, dagegen durch 
Anreicherung der Leukozyten (Vorbehandlung mit Bouillon) gerettet 
werden konnten. Auch wir haben solche Versuche mit demselben Resultat 
ausgeführt. Wir haben aber in der Folge die Versuchsbedingungen derart 
modifiziert, daß die Resultate in einem anderen Lichte erscheinen. Wir 
verwendeten zunächst anstatt eines Präzipitates (Menschenserum+Menschen- 


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Über die Wirkungsweise des Schweinerotlaueimmünserums. 477 

antiserum) sensibilisierte Choleravibrionen, zuletzt aber nur abgetötete 
Cholera Vibrionen. Der Versuch gestaltete sich dann folgendermaßen: 

Maus Nr. 1 erhält 0 • 5 ccm sterile Bouillon intraperitoneal. Am nächsten 
Tag 0*08 ccra Rotlaufimmunserum + 0*015 cem Bouillonkultur von Schweine¬ 
rotlaufbazillen + 0*25 ccm abgetöteter Choleravibrionen. (Eine Agarkultur 
wurde in 1 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt) intraperitoneal. 
Bleibt am Leben. 

Maus Nr. 2 erhält dasselbe wie Maus Nr. 1, nur wurde sie nicht mit 
Bouillon vorbehandelt. Stirbt nach 1 Tag. 

Maus Nr. 3 erhält 0*07 ccm Immunserum + 0*015 ecm Kultur. Bleibt 
am Leben. (Kontrolle für die "Wirksamkeit des Immunserums.) 

Maus Nr. 4. Wird vorbehandelt mit Bouillon wie Maus Nr. 1; am 
nächsten Tag 0* 015 ccra Kultur. Stirbt nach 3 1 / 2 Tagen. (Kontrolle für den 
Einfluß der Bouillon.) 

Maus Nr. 5 erhält nur 0*015 ccm Kultur. Stirbt nach 2 Tagen. (Kon¬ 
trolle für die Virulenz des Stammes.) 

Maus Nr. 6 erhält 0*25 com abgetöteter Choleravibrionen. Bleibt am 
Leben. (Kontrolle für die Unschädlichkeit der Vibrionen.) 

Dieser Versuch zeigt, daß die Wirkung des Immunserums durch die 
eingespritzten Cholerabazilleu aufgehoben wird (Maus Nr. 2), daß aber der 
Einfluß der letzteren durch eine Vorbehandlung mit Bazillen beseitigt 
werden kann (Maus Nr. 1). Wie ist nun der Einfluß der unschädlichen 
(Maus Nr. 6) Choleravibrionen zu erklären? Nach den Versuchen Weils 
können die bakteriziden Leukozytenstoffe durch Bakterien wie auch durch 
gewöhnliche Absorptionsmittel (Kreide, Gips, Tierkohle, Kaolin usw.) ge¬ 
bunden werden. Bei der Maus Nr. 2 wurden nun die Leukozytenstotie 
durch die Vibrionen absorbiert, wodurch es dem Organismus unmöglich 
gemacht, wurde die Bakterien zu vernichten. Durch Anreicherung der 
Leukozyten bei der Maus Nr. 1 wurden die Verluste an bakteriziden 
Stoffen gedeckt. Dieser Versuch demonstriert demnach die Vorgänge der 
Infektion und die Art ihrer Bekämpfung. 

Für die antiaggressive Eigenschaft des Rotlaufimmunserums spricht 
nicht zuletzt die von allen Forschern übereinstimmend anerkannte Tat¬ 
sache, daß die Immunisierung nur mit lebenden Bakterien gelingt. Nur 
diese vermögen im Tierkörper Aggressin zu produzieren, gegen welches 
dann der Organismus die Antiaggressine bildet. 

Nach der erörterten Vorstellung vom Infektionsmechanismus war 
unser Bestreben naturgemäß darauf gerichtet, beim Schweiuerotlauf ein 
Aggressin nachzuweisen. Dieses erhält Bail bei Milzbrand bekanntlich 
aus den Ödemen oder Exsudaten intizierter empfänglicher Tiere. Beim 
Schweinerotlauf stellten sich diesbezüglich große Schwierigkeiten in den 


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Wilhelm Spät: 


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Weg, da wir kein geeignetes empfängliches Tier hatten. Zum Schluß ist 
es uns gelungen, bei Kaninchen durch Infektion mit großen Kulturmengen 
ein Exsudat zu gewinnen, welches aggressive Fähigkeiten aufwies. Einem 
Kaninchen wurden 15 bis 20 ocm einer 24 ständigen Bouillonkultur intra- 
plural injiziert, nach 24 Stunden wurde das Tier getötet, das Exsudat 
behufs Entfernung der Bakterien scharf zentrifugiert und mit Toluol ver¬ 
setzt (24 Stunden im Eiskasten). Nach Entfernung des Toluols wurde 
die aggressive (infektionsbefördernde) Wirkung des Exsudats geprüft- Das 
Resultat war folgendes: 

Maus Nr. 1 erhält 0*001 ccm Kultur subkutan. Stirbt nach 3 3 / t Tagen. 

Maus Nr. 2 erhält ebensoviel Kultur + 0*5 ccm Exsudat. Stirbt nach 
3 Tagen. 

Maus Nr. 3 erhält ebensoviel Kultur + l ecm Exsudat. Stirbt nach 2 Tagen. 

Maus Nr. 4 erhält ebensoviel Kultur + 1-5 ccm Exsudat. Stirbt nach 
1V 2 Tagen. 

Maus Nr. 5 erhält nur l*5 ocm Exsudat. Bleibt am Leben. 

Das Resultat ist dürftig und wir müssen hinzufügen, daß die Er¬ 
zielung eines Exsudats von Aggressincharakter (starke Bakterienvermebrung) 
trotz sehr zahlreicher Versuche keineswegs immer gelang. In dieser 
Richtung werden die Versuche fortgesetzt, um die besten Bedingungen 
für die Gewinnung geeigneter Exsudate herauszufinden. Erst nach Er¬ 
reichung dieses Zieles könnte an eine aktive Immunisierung mit Aggressinen 
geschritten werden. 

Dauer der passiven Immunität. 

Daß die durch Einverleibung von Rotlaufimmunserum erzeugte 
Immunität nicht von langer Dauer ist, ist schon lange bekannt, doch 
fehlen in der Literatur darüber genauere Angaben. Es ist von vornherein 
klar, daß die bei einer Tierart gewonnenen Resultate nicht ohne weiteres 
auf andere Tierarten übertragen werden dürfen und daß abgesehen von 
der Menge des eingeführteu Immunserums auch noch die Virulenz der 
nachträglich zur Infektion verwendeten Kulturen in Betracht kommt. 
Daß diese Virulenz innerhalb weiter Grenzen Schwankungen aufweisen 
kann, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden. Immerhin schien es 
uns nicht uninteressant diese Verhältnisse wenigstens bei Mäusen zu 
studieren. Wir injizierten gleichzeitig 2 Reihen von Mäusen je 0* 1 ccm 
bzw. 0-05 ccm Schweinerotlaufimmunserum subkutan und infizierten daun 
nach einigen Tagen in verschiedenen Zwischenräumen je eine Maus einer 
jeden Reihe; zugleich wurden jedesmal Kontrolltiere, welche kein Immuu- 
serum erhalten hatten, mit der gleichen Kulturmenge (0.1 ccm ) infiziert. 
Das Resultat war folgendes: 


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Übeb die Wirkungsweise des Schweinerotlaufihmunsebums. 479 

a) Tiere, welche mit je 0*1 ccm Immunserum vorbehandelt wurden. 

(10 fach schätzende Dosis.) 

Maus Nr. 1, infiziert 2 Tage nach der Seruminjektion, bleibt am Leben, 
die Kontrollmaus stirbt nach 2 Tagen. 

Maus Nr. 2, infiziert 4 Tage nach der Seruminjektion, bleibt am Leben, 
die Eontrollmaus nach 2 Tagen tot. 

Maus Nr. 3, infiziert 7 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach 
Tagen, Eontrollmaus nach 2 1 / 2 Tagen tot. 

Maus Nr. 4, infiziert 10 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach 
2 1 / 2 Tagen zugleich mit der Eontrollmaus. 


b) Tiere, welche mit je O’OÖ® 0 “ Immunserum vorbehandelt wurden. 

(5 fach schützende Dosis.) 

Maus Nr. 1, infiziert 2 Tage nach der Seruminjektion, bleibt am Leben, 
die Eontrollmaus stirbt nach 2 Tagen. 

Maus Nr. 2, infiziert 4 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach 
5 Tagen, die Eontrollmaus nach 2 Tagen. 

Maus Nr. 3, infiziert 7 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach 
3 Tagen, die Eontrollmaus nach 2 1 / 2 Tagen. 

Maus Nr. 4, infiziert 10 Tage nach der Seruminjektion, stirbt nach 
2 1 /, Tagen zugleich mit der Eontrollmaus, 


Die Dauer der durch Einverleibung von Rotlaufimmunserum erzielten 
passiven Immunität ist somit Von der eingeführten Serummenge abhängig 
und sinkt mit derselben. Sie erlosch bei unseren Mäusen bei der Menge 
von 0* l ccm Immunserum nach 10 Tagen vollständig, nach 7 Tagen äußerte 
sich dieselbe lediglich in der Verlängerung der Lebensdauer um 2 Tage. 
Bei der Menge von 0-05 ccm ist die passive Immunität schon nach 7 Tagen 
fast vollständig erloschen; nach 4 Tagen vermag das eingeführte Serum 
bloß den Tod des Tieres um 3 Tage hinauszuschieben. 


Dauer der durch gleichzeitige Behandlung mit Immunserum 
und Bazillen erzeugten „aktiven“ Immunität. 

In den nachstehenden Versuchen wollten wir uns überzeugen, wie 
lange die durch gleichzeitige Behandlung mit Immunserum und lebenden 
Bakterien erzeugte aktive Immunität andauert. Die Versuche wurden an 
Mäusen ausgeführt, welche mit absteigenden Dosen von nativem bzw. 
erschöpftem Rotlaufimmunserum und 0«l ccm Bouillonkultur vorbehandelt 
wurden und am Leben geblieben waren. 


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480 


Wilhelm Spät: 


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a) Tiere mit nativem Serum vorbehandelt. 

Maus Nr. 1 erhielt 0*1 ccm Immunserum und 0*1 ccm Bouillonkultur, 
nach 27 Tagen neuerdings infiziert mit 0*1 ccm Kultur, stirbt nach 4 Tagen. 

Maus Nr. 2 erhielt 0*05 ccm Immunserum, sonst wie Maus Nr. 1, stirbt 
nach 2 Tagen (wie die Kontrollmaus). 

Maus Nr. 3 erhielt 0*01 ccm Immunserum, sonst wie Maus Nr. 1. Bleibt 
am Leben. 

b) Tiere mit erschöpftem Serum vorbehandelt. 

Maus Nr. 1 erhielt 0 • 1 ccm erschöpftes Immunserum, sonst wie die Tiere 
der Reihe a), stirbt nach 4 Tagen. 

Maus Nr. 2 erhielt 0-05 ccm erschöpftes Immunserum, sonst wie Maus 
Nr. 1, stirbt nach 3 Tagen. 

Maus Nr. 3 erhielt 0*01 ocra erschöpftes Immunserum, sonst wie Maus 
Nr. 1. Bleibt am Leben. 

Dieser Versuch zeigt, daß die durch kombinierte „aktive“ Immuni¬ 
sierung erzeugte Immunität nur von kurzer Dauer ist und nur in jenen 
Fällen länger anhält, in denen bloß ganz geringe, zum Schutze aber noch 
ausreichende Serummengen verwendet wurden. Auch Prettner ist auf 
Grund seiner Versuche zu denselben Resultaten gelangt. Man muß sich 
vorstellen, daß unter diesen Bedingungen (wenig Immunserum, viel 
Bakterien) durch den kleinen Vorrat an eingeführten Schutzstoffen nur 
eiu Teil der von den Bakterien produzierten Angriffsstoffe paralysiert 
wird, und zwar, eben noch so viel, als notwendig ist, um das Leben des 
Tieres zu retten; der übrige Teil der nicht’ gebundenen Angriffsstoffe regt 
indessen den Organismus zur Bildung von neuen eigenen Schutzstoffen 
an, wodurch die aktive Immunität zustande kommt. Wird dagegen mit 
den Bakterien viel Immunserum einverleibt, so werden sämtliche von jenen 
produzierten Angriffsstoffe neutralisiert, sie gelangen als solche nicht zur 
Resorption, wodurch der Reiz zur Bildung von Gegenstoffen entfällt. 


Zusammenfassung. 

In der vorliegenden Arbeit wurde die Wirkungsweise des Schweine¬ 
rotlaufimmunserums einer Prüfung unterzogen. Der Reihe nach wurden 
alle nach dem gegenwärtigen »Staude unseres Wissens bekannten Modali¬ 
täten gewürdigt. 

Die Frage der autitoxischen Wirkung wird von vornherein ausge¬ 
schaltet, da bisher alle Versuche, ein Toxin nachzuweisen, ergebnislos 
geblieben sind. 

Die Annahme einer bakteriziden Wirkung wird widerlegt; das Serum 
wirkt weder in vitro noch im Tierversuche keimtötend, es unterscheidet 


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Übeb die Wibkcngsweise des Schweinebotdaufimmunsebums. 481 

sich ferner dadurch wesentlich von anderen bakteriziden Seris, daß es 
durch Behandlung mit den eigenen Bakterien nicht erschöpft werden kann. 
Behandelte Sera behalteji ihre Schutzkraft in vollem Maße; der einzige 
sichtbare Effekt der Erschöpfung ist der Verlust der komplementbindenden 
Fähigkeit. 

Auch die opsonische Wirkung kommt nicht in Betracht, da ver¬ 
gleichende Reagensglasversuche mit normalen Seris keine wesentlichen 
Unterschiede zwischen diesen und dem Schweinerotlaufimmunserum er¬ 
geben haben. 

Gegen die Bedeutung der Opsonine spricht auch der Umstand, daß 
erschöpfte Sera ihre volle Wirksamkeit beibehalten; durch die Erschöpfung 
wurden aber die Opsonine beseitigt. Auch im Tierversuoh konnte eine 
wesentliche Phagozytose nicht nachgewiesen werden. 

Die Vernichtung der Bakterien fallt den Leukozyten zu, denn durch 
Absorption der Leukozytenstoffe durch tote Bakterien kommt es trotz des 
Immunserums zur Infektion. Die Leukozyten können Bakterizidie ent¬ 
falten, ohne daß die Freßtätigkeit in Erscheinung zu treten braucht 
(Aphagozidie). 

Die bakterizide Leukozytenwirkung ist bei den von Natur resistenten 
Tieren sehr bedeutend, bei den empfänglichen Tieren (Mäusen) sehr gering. 

Das Schweinerotlaufimmunserum besitzt alle Eigenschaften der anti¬ 
aggressiven Immunsera. Die Gewinnung eines Aggressins gelingt jedoch 
nicht immer, was offenbar mit dem langsamen Wachstum der Schweine¬ 
rotlaufbazillen im Tierkörper zusammenhängt. 

Die Dauer der passiven Immunität ist eine sehr kurze; sie beträgt 
bei Einverleibung der lOfach schützenden Dosis bei Mäusen höchstens 
7 Tage. 

Die durch kombinierte Impfung erzeugte „aktive“ Immunität hält 
nur dann lange an, wenn sehr niedrige Serummengen (die einfach 
schützende Dosis) angewendet werden. 


Zeitschr. f. Hygiene. LX1X 


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482 


Wilhelm Spat: Uber die Wirkungsweise csw. 


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Literatur - V erzeichnis. 


1. Bail u. Weil, Archiv für Hygiene. Bd. LXXIIL 

2. Büchner u. Voit, Ebenda. Bd. X. 

3. Deutsch, Centralblatt für Bakteriologie. Bd.XXX1Q. Abt I. Orig. 

4. Emmerich u. Mastbaum, Archiv für Hygiene. Bd. XII. 

5. Lorenz, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XV. 

6. Preisz, Handbuch von Rolle-Wassermann. IH. 

7. Prettner, Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XLIII. Abt. I. Orig. 

8. Staal, Ebenda. Bd. IL. Abt. I. Orig. 

9. Voges, Diese Zeitschrift. Bd. XXII. 

10. Weil, Archiv für Hygiene. Bd. L1V. 


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[Aus dem hygienischen Institut in Kiel.] 
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. B. Fischer.) 


Über das Absterben von Bakterien 
auf den wichtigeren Metallen und Baumaterialien. 

Von 

Privatdozent Dr. med. Ludwig Bitter. 


Verhältnismäßig lange schon ist es bekannt, daß die Bakterien, be¬ 
sonders diejenigen unter ihnen, die ihre optimalen Lebensbedingungen 
im menschlichen oder tierischen Körper finden, in der Außenwelt zahl¬ 
reichen schädigenden Einflüssen ausgesetzt sind, durch die sie massenhaft 
vernichtet werden. Eine solche massenhafte Vernichtung dieser kleinen 
Lebewesen muß als äußerst segensreich, ja als direkt notwendig bezeichnet 
werden, da sich unter ihnen ja die Krankheitserreger befinden, die von 
den erkrankten Menschen oder Tieren unter natürlichen Verhältnissen in 
so gewaltiger Anzahl und in so ausgedehntem Maße ringsherum verstreut 
werden, daß ohne dieses vernichtende Eingreifen der äußeren Einflüsse 
trotz der zahlreichen und bewunderungswürdigen Schutzeinrichtungen des 
Menschen- und Tierkörpers eine viel häufigere Infektion stattfinden müßte, 
als es tatsächlich der Fall ist. 

Schon 1877 bzw. 1885 haben Downes und Blunt und Arloing 
festgestellt, daß das direkte Sonnenlicht sehr widerstandsfähige Mikro¬ 
organismen, sogar Milzbrandsporen in verhältnismäßig kurzer Zeit (letztere 
beispielsweise in 2 Stunden) zu töten vermag. Auch diffuses Tages¬ 
licht übt nach späteren Untersuchungen einen schädigenden Einfluß aus. 
[Literatur bei Wiesener (1).] 

Durch die Austrocknung werden, wie ebenfalls lange bekannt, eine 
große Anzahl von nicht sporenbildeuden Krankheitserregern unter allen 
Umständen schwer geschädigt, einige sogar zuverlässig vernichtet, während 
allerdings andere unter bestimmten Bedingungen dadurch nicht nur nicht 
ungünstig beeinflußt, sondern sogar vor einem raschen Untergange be¬ 
wahrt werden. 

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484 


Ludwig Bitter: 


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Größere und häufigere Temperaturschwankungen scheinen nach 
den Untersuchungen von Brehme (2) die Bakterien ebenfalls zu schädigen. 

Die stärkere oder schwächere Wirkung der genannten schädigenden 
Momente auf die in der Außenwelt verstreuten Keime hängt aber, wie 
eigentlich nicht anders zu erwarten, noch von-einer ganzen Reihe von 
Nebenumständen ab. Beim Austrocknen der Bakterien beispielsweise muß 
man, wie Ficker (3) gezeigt hat, das Alter und die Virulenz der 
Kultur, von der die Keime stammen, den Nährboden, auf dem sie ge¬ 
wachsen, die Temperatur, bei der das Wachstum erfolgte, die Dicke 
der angetrockneten Bakterienschicht, die Schnelligkeit des Ein¬ 
trocknens, das Verhalten der umgebenden Luft (Ruhe oder Bewegung, 
konstante oder wechselnde relative Feuchtigkeit), und schließlich besonders 
das oder die Objekte, auf denen das Trocknen erfolgt, mit in Rechnung 
ziehen. Diese Nebenumstände können je nach dem den Effekt des Ein- 
tTocknens allein steigern oder aber beeinträchtigen und sogar ganz auf- 
heben. Die Objekte vor allem, auf die die Bakterien aus dem Körper 
oder von einem ihnen zusagenden künstlichen Nährboden gelangen, spielen 
für das schnellere oder langsamere Absterben derselben nicht nur bei 
später erfolgender Trocknung, sondern überhaupt eine gewaltige Rolle. 
Es gibt eine ganze Reihe von Stoffen, die, häufig vorkommend 
und vom Menschen viel gebraucht, ohne eigentliche Desinfek¬ 
tionsmittel zu sein, doch eine starke bakterizide Kraft besitzen. 

I. Metalle. 

A. Literatur. 

Nach v. Behring *, Cred6, Thiele undWolff, Brochniowsky u. a. 
bilden sich um Stückchen gewisser Metallsorten, die in möglichst gleich¬ 
mäßig besäte Nährböden hineingelegt werden, Höfe, die kein Wachstum 
erkennen lassen. Wird das Metallstückchen entfernt, so bleibt dieser 
Hof trotzdem künftighin steril, v. Behring gibt an, daß nicht alle Bak¬ 
terien auf diese Weise gleichmäßig im Wachstum zurückgehalten werden, 
Typhus- und Rotzbakterieu z. B. gar nicht und Choleravibrionen nur in 
mäßiger Weise. Die Metalle selbst erweisen sich nach den Angaben der 
Literatur ebenfalls als sehr verschieden wirksam. Kupfer gilt allgemein 
als das am besten bakterientötende, Nickel, Gold und Blei als die in 
dieser Hinsicht ziemlich indifferenten Medien. 

1894 fand Vincent (4), daß auf der Oberfläche von Geldstücken 
besonders häufig nur Eitererreger angetroffen werden, und daß daselbst 


1 Bekämpfung der Infektionskrankheiten. Leipzig 1894 . 


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Absterben von Bakterien. 


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ausgestrichene Coli- und aus dem Darm ausgeschiedene pathogene Bak¬ 
terien in wenigen Stunden zugrunde gehen. Vincent führt dieses Zu¬ 
grundegehen auf die „antiseptischen Eigenschaften der Oxyda¬ 
tionsprodukte der Metallstücke“ zurück. Sousstücke erwiesen sich 
überhaupt weniger als 18 Stunden nach dem letzten Anfassen als steril, 
auf Goldstücken dagegen hielten sich verschiedene Bakterien, besonders 
auch die Eitererreger, bis zu 7 Tagen lebend. Dieses Verhalten gibt 
dem Autor zu dem Scherze Veranlassung, daß es ein Trost für unsere 
teure Zeit sei, daß wenigstens in hygienischer Beziehung der Sous dem 
20-Frankstücke vorzuziehen ist 

1901 brachte v. Esmarch (5) auf Türgriffe von Eisen und 
Messing Streptokokken, Diphtheriebakterien und Prodigiosuskeime aus 
Bouillonkulturen in winzigen Tröpfchen, die flach ausgestrichen, in 
1 Minute fast stets eingetrocknet waren. Streptokokken erwiesen sich 
auf dem Eisengriff nach 1 / 2 Stunde, Diphtherie nach s / 4 Stunden, Prodi- 
giosus oft noch nicht nach 24 Stunden als abgestorben. Auf dem 
Messiuggriffe waren dagegen die Streptokokken bereits nach 5 Minuten, 
die Diphtheriebakterien schon nach 2 Minuten, Prodigiosus nach 
9 Stunden abgetötet. Wurden statt der Bouillonkulturen der drei ge¬ 
nannten Mikroorganismen Blutserum- oder Agarkulturen direkt auf¬ 
gestrichen, die sofort eintrockneten, so hielt sich Diphtherie beispielsweise 
auf Eisen 3 Tage, auf Messing 1 Tag lang am Leben. Feuchtete man 
die angetrocknete Agar- oder Serumkultur nach dem Eintrocknen sofort 
oder längere Zeit hinterher mit Bouillon oder Wasser nochmals an, so 
waren auf Messing und Eisen die Keime 1 Stunde nach dem Anfeuchten 
abgetötet. Vom Nickel konnte v. Esmarch einen erkennbaren schädi¬ 
genden Einfluß auf Bakterien nicht feststellen. Diphtheriebakterien 
wurden noch 9 Tage, Streptokokken noch 6 Tage nach dem Ausstreichen 
und zwar in scheinbar unverminderter Anzahl lebend aufgefunden. Auch 
ein nachträgliches Befeuchten schadete scheinbar nichts. 

Hübener (6) hat 1909 die Versuche Vincents wieder aufgenommen. 
Er fand auf Kupfer- durchschnittlich 5043, auf Nickel- 3226, auf Silber- 
2902 und auf Goldstücken 4603 Keime, ein Ergebnis, das sich ungefähr 
mit den diesbezüglichen Resultaten Vincents deckt. Unter den ge¬ 
wachsenen Mikroorganismen wurden am häufigsten Kokken, niemals aber 
Diplo- oder Streptokokken, am nächst häufigsten Schimmelpilze, besonders 
Penicillium glaucum und Aspergillus uiger und schließlich sehr oft Bacillus 
subtilis, mesentericus und Proteus vulgaris gefunden. Niemals fanden 
sich auf sämtlichen untersuchten Geldstücken Colibakterien, 
auf die besonders gefahndet wurde (Gärkolben nach Eijkmann). Ver- 


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Ludwig Bittsb: 


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suche über das Zugrundegehen der Colibakterien auf den Geldstücken 
bestätigten die Resultate Vincents. 

In neuester Zeit hat Christian (7) festgestellt, daß hinsichtlich der 
keimtötenden Kraft gegen Leitungswasseraufschwemmungen von Coli-, 
Typhus- und Dysenteriebakterien, ferner von Choleravibrionen dem Kupfer 
die erste, dem Messing die zweite, dem Zink und Eisen die dritte Stelle 
zukommt. Blei übte nur geringe bakterientötende Wirkung aus, während 
sich das Nickel als gänzlich unwirksam bei seinen Versuchen erwies. 
Schwemmte er die genannten Bakterien in sterilem normalen Drin auf, 
so war eine Vernichtung derselben auf den Metallplatten in derselben 
Zeit wie bei den Wasseraufschwemmungen nicht nachzuweisen. Bestim¬ 
mungen über das Vorkommen von Colibakterien auf verschiedenen Ge¬ 
brauchsgegenständen zeigten, daß auf allen Messingteilen diese ebenso 
wie auch die sonst häufiger gefundenen Buttersäurebazillen fehlten. 
Auch an Eisen* und Zinkteilen konnten niemals Colikeime gefunden 
werden. 

Während Vincent, wie erwähnt, die bakterientötende Wirkung der 
Metalle auf die Oxydationsprodukte derselben zurückführt, hat 
v. Nägeli (8) bewiesen, daß es das reine Metall ist, was diese Wirkung 
entfaltet. In einer unter den hinterlassenen Papieren v. Nägelis (8) 
aufgefundenen, von S. Schwenden er veröffentlichten Arbeit wird auch 
gezeigt, daß diese Wirkung sich noch im Wasser zeigt, in dem außer¬ 
ordentlich geringe Mengen von Metall sich gelöst haben. Die Absterbe- 
erscheinungeu der Mikroorganismen in einem solchen minimalste Spuren 
von bakterienfeindlichen Metallen enthaltenden Wasser unterscheiden sich 
aber, wie derselbe Autor besonders schön an Algen feststellen konnte, 
von den durch Desinfektionsmittel in stärkeren Konzentrationen hervor¬ 
gerufenen in ganz eklatanter Weise, und er bezeichnete daher diese von 
der der anderen bakteriziden Chemikalien generell verschiedene keim¬ 
tötende Kraft als „oligodynamische“. Alle Wässer, natürliche und 
destillierte, enthalten, falls sie mit bakterizidem Metall in Berührung 
gekommen sind, Spuren von diesem und entfalten daher eine oligo¬ 
dynamische Wirkung. Ficker (3) konnte nachweisen, daß 25 ccm von 
einem Leitungswasser, das in dem bleiernen Hausleitungsrohr */ 4 Tage 
lang gestanden hatte, ohne daß inzwischen der Hahn geöffnet war, inner¬ 
halb 1 Stunde auf 12 Millionen eingesäte Choleravibrionen derartig 
wirkte, daß keiner derselben mehr lebensfähig war. Auch das 
10 Stunden im Rohr belassene verfügte über ein ganz bedeutendes bak¬ 
terizides Vermögen, während das aus der Straßenleitung entnommene 
noch 14 Tage nach der Beimpfung mit Cholerakeimen wacbstumsfähige 
Organismen aufwies. Auffällig erschien es v. Nägeli, daß das Glas, in 


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Abstebbbn von Baktebien. 


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dem Wasser mit oligodynamischer Wirkung sich befunden hatte, nun 
nach dem Ausgießen des Wassers und trotz guten Ausspülens selbst 
oligodynamische Kraft erlangt hatte, die es auf neutrales Wasser, das in 
ihm auf bewahrt wurde, übertrug, und daß wasserunlösliche Stoffe, z. B. 
Graphit, Buß, Filtrierpapier, Baumwolle usw., in wirksames Wasser ge¬ 
geben, die oligodynamischen Erscheinungen verminderten oder aufhoben. 
Die Erklärung dafür ist nach Ficker in der Schwerlöslichkeit der Metalle 
zu suchen. „Gibt man Kupfer in Wasser, so trennen sich Kupferteilchen 
los, verteilen sich im Wasser und treffen auch an die Glaswand: mit dem 
Konzentrierterwerden der Lösung nimmt die Zahl der an der Wandung 
haftenden Kupferteilchen zu. Die Gesamtmenge des Kupferüberzuges 
aber ist um so größer, je ausgedehnter im Verhältnis zum Wasser die 
Wandfläche. Bringen wir unlösliche Körper, wie das zur Neutralisierung 
des wirksamen Wassers geschah, in das letztere, so vergrößern wir die 
Oberfläche und vermindern dadurch die Konzentration. Das Phänomen 
der Nachwirkung erklärt sich durch das Anhaften des Kupferbelages an 
der Glaswandung, der oft weder mit der Bürste noch durch mehrmaligen 
Gebrauch des Glases entfernt werden kann.“ Auch Dextrin, Gummi und 
Leim besitzen neutralisierende Eigenschaften, ebenso schwächen sehr große 
Mengen der in das Wasser hineingebrachten Mikroorganismen ganz oder 
teilweise dessen schädigende Wirkung ab. Ficker konstatierte außerdem, 
daß der oligodynamische Einfluß schon durch Zusatz von kleinen Pepton¬ 
mengen, sowie durch Sterilisieren der Flüssigkeit und längeres Verweilen 
derselben in gewöhnlichen neutralen Glasgefäßen mehr oder weniger 
paralysiert wird. Von den v. Nägeli untersuchten Metallen waren, was 
die oligodynamische Wirkung anbetrifft, Kupfer, Silber, Blei, Zink, Eisen 
und Quecksilber positiv, reines Gold und Platin dagegen negativ. Israel 
und Klingemann (9) kamen im allgemeinen zu denselben Resultaten, 
haben jedoch bei Blei keine oligodynamischen Wirkungen feststellen 
können. Sie nehmen übrigens mit Ficker an, daß die „oligodyna¬ 
mische“ Erscheinung keine Besonderheit im Sinne v. Nägelis, sondern 
eine echte Giftwirkuug vorstellt. 

Kraemer (10) hat vorgeschlagen, Trinkwasser durch Kupferplatten 
zu sterilisieren. Er berichtet über sehr günstig ausgefallene diesbezüg¬ 
liche Versuche: Filtriertes Wasser, dem Bouillonkulturen von Typhus¬ 
oder Choleraerregern zugesetzt waren, erwies sich 2 bis 4 Stunden nach 
dem Zusatz als steril, wenn pro Liter Wasser Kupferplatten von etwa 
9 qcm Oberfläche hineingelegt wurden. Der fortgesetzte Genuß eines so 
gekupferten Wassers soll nicht gesundheitsschädlich und sein Geschmack 
einwandfrei sein. 


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Ludwig Bitter: 


B. Eigene Versuche. 

Aus allem Angeführten geht hervor, daß wir in einer größeren An¬ 
zahl von Metallen Körper mit stark bakterizider Eigenschaft besitzen, ln 
Anbetracht der Wichtigkeit dieser Tatsache habe ich es nicht für über¬ 
flüssig erachtet, bei meinen auf das Zugrundegehen von Bakterien auf ver¬ 
schiedenen Gehrauchsgegenständen gerichteten Untersuchungen trotz der 
schon ziemlich zahlreichen diesbezüglichen Versuche auch die Metalle noch 
einmal mit heranzuziehen. Besondere Bedeutung erhalten dieselben für 
die Frage der eventuellen Krankheitsübertragung durch ihre außerordent¬ 
lich weite Verbreitung im Gebrauche. Die Worte: Geld, Eßgeräte und 
Türgriffe mögen als Beleg hierfür genügen. 

Es sollte bei meinen Versuchen einmal festgestellt werden, wie schnell 
Krankheitskeime unter natürlichen Bedingungen auf den ver¬ 
schiedensten Gegenständen überhaupt absterhen, dann aber auch, 
wie es denen ergeht, die in Suspensionen, die denen bei der natürlichen 
Verstreuung ähnlich sind, auf dieselben gebracht werden. Zur Erreichung 
des ersten Zieles wurden mit Leitungswasser, das nach % ständigem 
vorherigen Laufenlassen mehrerer Hähne erhalten war, und das dann in 
einer Flasche aus Jenaer Hartglas im Dampf sterilisiert wurde, möglichst 
gleichmäßige Abschwemmungen der zu prüfenden 24 Stunden alten Schräg¬ 
agarkulturen angefertigt (gleiche Menge Wasser, möglichst gleich große 
Kulturröhrchen, feine Verteilung der Bakterienmassen bei Vermeidung von 
Klümpchenbildung). Es wurde . also Leitungswasser verwendet, das aus 
der Eisenrohrleitung des Bodens, die mit Asphalt ausgekleidet zu sein 
pflegt, und nicht aus der Bleileitung des Hauses stammte und das nach 
den erwähnten Versuchen Fickers und nach meinen eigenen orientierenden 
Prüfungen keine oligodynamische Wirkung entfaltete, während das aus der 
Bleileitung nach längerem Verweilen in derselben entnommene erhebliche 
bakterizide Kräfte zeigte. Von der Verwendung von physiologischer 
Kochsalzlösung zur Bakterienaufschwemmung wurde abgesehen, da 
diese ebenfalls nach Ficker außerordentlich ungleichmäßig trotz scheinbar 
gleichmäßigster Bereitung auf die Bakterien wirkt: einmal stark schädigend, 
ein anderes Mal direkt konservierend. Allerdings nimmt der Grad der 
Schädigung der hineingebrachten Bakterien ebenso wie bei oligodyna¬ 
misch wirksamem und destilliertem Wasser mit ihrer Menge ab. 
Destilliertes Wasser aber zur Abschwemmung von Bakterien zu ver¬ 
wenden wäre nach dem heute Bekannten wohl als. ein direkter Versuchs¬ 
fehler zu bezeichnen gewesen. Die bakterientötende Wirkung des reinen 
destillierten Wassers ist, wie übrigens auch Ficker betont hat, eine ganz 
erhebliche. Die Prüfung eines Desinfektionsmittels an dadurch ge- 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Absterben von Bakterien. 


489 


schwächten und zum Teil schon vernichteten Spaltpilzen kann also, was 
die Beurteilung des betreffenden Mittels für die Praxis anlangt, nur un¬ 
zuverlässige Resultate geben. 

Um die natürlichen Verhältnisse der Infektion möglichst nachzuahmen, 
wurden außer den Leitungswasserabschwemmungen auch 24 Stunden alte 
Bouillonkulturen und Abschwemmungen von 24ständigen Agarkulturen 
in normalem sterilisiertem Urin zum Ausstreichen benutzt. 

Die Bakterien, deren Widerstandsfähigkeit gegen die Einwirkung der 
Metalle geprüft werden sollte, waren das Bact. typhi, der Vibrio cholerae 
und der Staphylococcus aureus. Zu allen in dieser Arbeit mitgeteilten 
Versuchen wurden die 3 selben Stämme benutzt. An Seidenfäden an¬ 
getrocknet, wurden die Typhusbakterien von einer 3 prozeutigen Formalin- 
löung in 15, von einer öprozentigen Kresolseifenlösung in 67 2 Minuten, 
die Choleravibrionen von beiden Lösungen sofort, der Staphylococcus nach 
mehr als 60 bzw. mehr als 10 Minuten abgetötet. Die Abtötung in 
24 Stunden alten Bouillonkulturen erfolgte bei dem Typhus durch das 
3 prozentige Formalm in 20, durch die 5 prozentige Kresolseife in weniger 
als 5 Minuten, bei Cholera durch erstere nach 3, durch letztere sofort, 
bei Staphylococcus nach 40 bzw. 10 Minuten. 

Beimpft wurden kleine Metallplatten, Geldstücke, Eßgeräte u. dergl., 
die vorher im strömenden Dampf sterilisiert oder ausgeglüht waren und 
unter großen Glasglocken auf bewahrt wurden. Von der Verwendung 
chemisch reinen Metalles wurde im allgemeinen Abstand genommen, da 
dieses ja im praktischen Leben kaum in größerem Umfange Verwendung 
findet. Die Beimpfung erfolgte in der Weise, daß von der im Kultur¬ 
röhrchen gemachten Aufschwemmung oder von der Bouillonkultur mit 
einem sterilen Wattetupfer in möglichst gleichmäßiger dünner Schicht ein 
Ausstrich auf dem Metall gemacht wurde, der in wenigen Augenblicken 
eintrocknete. Ich habe nicht gefürchtet, daß die Glaswandung des Kultur¬ 
röhrchens etwa noch oligodynamische Eigenschaften besitzen könnte, da 
dasselbe ja den peptonhaltigen Nährboden enthielt und außerdem sterili¬ 
siert war. Ebenso glaube ich nicht, daß vom festen Nährboden Teilchen, 
die die volle Einwirkung des Metalles beeinträchtigen konnten, mit aus- 
gestrichen wurden. Die Glasglocken wurden immer auf einige Stützen 
und nicht mit dem ganzen Rande auf den Tisch gesetzt, damit auch die 
Luftbewegung und die eventuelle Veränderung der Feuchtigkeit auf die 
Bakterien einwirken konnte. Die Temperatur bei den sämtlichen Ver¬ 
suchen betrug 15 bis 19°, die mittlere relative Feuchtigkeit 57 bis 60 
Prozent. Vor der Einwirkung des direkten Sonnenlichtes waren die 
Objekte durch zugezogene Fenstervorhänge oder durch ein übergelegtes 
Tuch geschützt. Zum Abimpfen verwendete ich sterile Wattekügelchen, 


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Tabelle I. _Metalle» Bacterium typhi im Leitongswasser. 


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Abstekben von Bakterien. 


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492 


Ludwig Bitter: 


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die mit Leitungswasser, das auf die obeu erwähnte Weise gewonnen wurde, 
getränkt waren. Immer wurde nur von einer Stelle der Gegenstände ab¬ 
getupft und, falls das Wachstum in der von diesem Tupfer angelegten 
Bouillon- bzw. Peptonwasserkultur noch positiv war, nach einer bestimmten 
Zeit sowohl von der oder den schon einmal betupften wie auch von einer 
anderen, noch nicht mit einem Tupfer in Berührung gekommenen. Ton 
beiden wurden gesondert Aussaaten angelegt, um den oben besprochenen 
Einfluß des nachträglichen Befeuchtens der eingetrockneten Keime zu be¬ 
obachten. Waren die Gegenstände zu klein, wie z. B. die Geldstücke, 
um mehrere Male an verschiedenen Stellen abzutupfen, so wurden eine 
ganze Anzahl zum Beimpfen und Abtupfen verwendet. Von den beimpften 
flüssigen Kulturen wurden, falls innerhalb 5 Tagen Wachstum erfolgte, 
bei Typhus Drigalski-, bei Staphylococcus Blut- und bei Cholera Dien- 
donnasche Blutalkaliagar-Platten besät, um festzustellen, ob tatsächlich 
die in Frage stehenden Bakterien die Trübung in den Flüssigkeiten er¬ 
zeugt hatten. 

Tabelle U. 

Metalle. Vibrio cholerae im Leitungswasser. 


Aussaat in Pepton- 
wasserröhrchen nach: 

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Niemals habe ich mich auf eine Versuchsreihe verlassen, sondern regel¬ 
mäßig eine größere Anzahl, meistens sehr zahlreiche ausgeführt. Die in den 
Tabellen I bis IX mitgeteilten Versuohsprotokolle sind also durch 
gleiche oder ganz ähnliche mehrfach kontrolliert. Nur in Tabelle I ist 
die Versuchsanordnung und -ausführnng, die schon oben beschrieben, genau 
wiedergegeben, wobei aber noch zu bemerken ist, daß, um Platz zu sparen, 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 







Tabelle III. 

Metalle. Staphylococcus aureus im Leitungswasser. 


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Abstekben von Bakteiuen. 


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494 


Ludwig Bitteb: 


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in die Tabelle nicht, wie in Tabelle VI, eingetragen ist, wie jeder letzte 
negative Ausfall einer Aussaat durch eine nachfolgende abermals negative 
kontrolliert ist. Bei Tabelle II, III und IV habe ich mich darauf be¬ 
schränkt, anzugeben, wann auf einem Metallstück, von dem bis dahin 
noch nicht abgeimpft war, keine lebensfähigen Mikroorganismen mehr ge¬ 
funden wurden. Diese Verkürzung der Tabellen habe ich deshalb für er¬ 
laubt gehalten, weil das nachträgliche Betupfen mit Feuchtigkeit bei deD 
geprüften Bakterienarten auf den verschiedenen Metallen im ganzen den 
gleichen Erfolg hatte, der aus der Tabelle I sehr schön ersichtlich ist. 

Zum Vergleiche hinsichtlich der Lebensdauer der hier in Frage 
stehenden Mikroorganismen auf anderen Medien als Metallen sei hier 
gleich vorweg mitgeteilt, daß sich die Typhusbakterien auf gehobeltem 
Fichtenholz z. B. länger als 5, die Staphylokokken länger als 8 Tage 
unter den oben geschilderten Versuchsbedingungen am Leben hielten. 
(Vgl. Tabellen I bis IIL) 

Aus den Tabellen geht die Bestätigung hervor, daß dem Kupfer tat¬ 
sächlich die stärkste bakterizide Kraft zukommt. An zweiter Stelle steht 
das Messing, auf das Silber und Gold folgen. Platin, Blei, Gußeisen, 
Stahl und Aluminium sind an vierter Stelle zu nennen, während Nickel. 
Zink und Zinn den letzten Platz einnehmen. Es muß noch einmal darauf 
hingewiesen werden, daß durchweg kein chemisch reines Metall zu meinen 
Versuchen verwendet wurde, und daß die Bakterien der Einwirkung des 
Metalles infolge der Eintrocknung direkt ausgesetzt waren, was den natür¬ 
lichen Verhältnissen wohl am besten entsprechen wird. Nach v. Nägeli 
besitzt reines Gold keine oligodynamischen Eigenschaften, während 
den von mir geprüften Goldmünzen und -gegenständen sicher eine ganz 
erhebliche keimtötende Kraft für darauf eintrocknende Bakterien inne¬ 
wohnt. Für die Praxis kommen aber, wie schon erwähnt, einmal reine 
Metalle kaum in Frage und zweitens werden die verstreuten Keime bald 
darauf eintrocknen. Wir sind nach meiner Ansicht wohl berechtigt, zu 
sagen, daß das Gold keimtötend wirkt, da die bei uns üblichen Legie¬ 
rungen diese Eigenschaft besitzen. 

Das verwendete Platin war chemisch rein, auch auf ihm starben die 
ausgestrichenen Bakterien, namentlich auch die Typhuserreger in verhält¬ 
nismäßig kurzer Zeit, so daß man auch diesem Elemente eine bakterizide 
Wirkung nicht absprechen kann, trotzdem es nach v. Nägeli ebenfalls 
nicht oligodynamisch wirkt. 

Die von mir gebrauchten Stücke käuflichen Bleies waren ver¬ 
schiedenster Herkunft und zeigten sämtlich deutlich bakterienfeindliche 
Einflüsse. Die oligodynamische Wirkung des Bleies ist von v. Nägeli 
und Ficker festgestellt, von Israel und Klingemann dagegen verneint 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Absterben von Bakterien. 


495 


worden. Aach Christian konnte nur bei Choleravibrionen einen starken 
Einfluß des mit Blei in Berührung stehenden Wassers konstatieren, nicht 
aber bei Typhus-, Coli- und Dysenteriekeimen. Die Erklärung für die 
verschiedenen Ergebnisse der angeführten Autoren mag darin liegen, daß 
einige von ihnen chemisch reines, andere käufliches Blei, das immer Bei¬ 
mengungen anderer Metalle enthält, verwandten, eine Ansicht, die auch 
von Christian ausgesprochen ist. Nach den in meinen Tabellen mit¬ 
geteilten Versuchsergebnissen folgt sicher, daß dem käuflichen Blei 
keimtötende Kräfte innewohnen. 

Auffällig ungünstig sind im Vergleiche zu den Ergebnissen v. Nägelis 
und Christians die von mir auf Zink erzielten Resultate. Ich habe 
Zinkblech der verschiedensten Herkunft in sehr zahlreichen Versuchen ge¬ 
prüft, aber immer mit demselben verhältnismäßig schlechten Erfolg. 

Nickel zeigt auch in meinen Versuchen in Übereinstimmung mit 
den anderen Autoren nur verhältnismäßig geringe schädigende Eigen¬ 
schaften, jedoch muß man sich hüten, ihm solche ganz abzusprechen. 
Ein solches Urteil könnte man mit Recht fällen, wenn auf einem anderen 
sicher indifferenten Substrat von ähnlicher Konsistenz die aus¬ 
gestrichenen Keime in derselben Zeit zugrunde gingen. Als solches in¬ 
differentes Vergleichssübstrat wird bei den bisher angestellten diesbezüg¬ 
lichen Versuchen Glas verwendet, das doch, wie ich unten zeigen werde, 
das Leben der Bakterien in erheblichem Maße zu schädigen imstande ist. 
Zur Bestätigung dieser Behauptung sei hier schon mitgeteilt, daß die 
Typhusbakterien, die auf dem Nickel nach 16 Stunden getötet waren, auf 
Glasplatten verschiedenster Art nach mindestens 24 Stunden vernichtet 
wurden, während sie auf der Glasur von Ziegelsteinen nach 48 Stunden 
noch lebten. 

Verwendet man als Ausstrichmaterial nicht Bakterienaufschwemmungeu 
in Leitungswasser, sondern 24 Stunden alte Bouillonkulturen, so ergeben 
sich Resultate, die den bereits angeführten so ähnlich sind, daß ich auf 
eine Mitteilung derselben verzichte. Auch der Einfluß des nachträglichen 
Befeuchtens zeigt sich dabei, wie schon v. Esmarch durch einige Be¬ 
obachtungen feststellte, in auffälliger Weise. Wir ersehen diesen Einfluß 
aus Tabelle I und können bei Durchsicht derselben z. B. feststellen, daß 
auf Silber die nicht befeuchteten Keime erst nach 6, die befeuchteten 
jedoch schon 1 bzw. I 1 /* Stunden nach dem Befeuchten abgestorben sind. 
Eine befriedigende Erklärung für dies Phänomen ist nicht leicht zu geben. 
Im vorliegenden Falle könnte man ja daran «lenken, daß vielleicht doch 
Vincents Annahme die richtige sei, der den Oxydationsprodukten der 
Metalle ihre schädigenden Wirkungen zuschreibt. Diese Oxydationspro¬ 
dukte würden natürlich bei Anwesenheit von Feuchtigkeit in erheblicherem 


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Ludwig Bitter : 


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Maße gebildet wie in trockenem Zustand. Koch mehr Wahrscheinlich¬ 
keit hätte nach allem Bekannten die Annahme für sich, daß das reine 
Metall, das sich, wie schon oben hervorgehoben, in Wasser schwer und 
nur in kleinsten Spuren, aber doch nachweisbar löst, im gelösten Zustande 
auf die Bakterienleiber einen intensiveren Einfluß ausübt wie im unge¬ 
lösten. Beide Hypothesen werden aber in ihrer Glaubhaftigkeit stark be¬ 
einträchtigt, wenn wir später erfahren, daß auf allen Substraten das 
nachträgliche Anfeuohten die angetrockneten Keime schwer 
schädigt. Fickers Vermutung, daß durch die Wasserzugabe besondere 
osmotische Druckverhältnisse herbeigeführt werden, vielleicht derart, daß 
die durch die voraufgehende Wasserentziehung in ein Stadium geringster 
Turgeszenz oder in einen plasmolytischen Zustand versetzte Bakterienzelle 
bei plötzlicher Wasserdarbietung wieder anschwillt, die Zellwände aber 
diesem mächtigen Drucke nun nicht mehr gewachsen sind und bersten, 
hat wohl noch die meiste Wahrscheinlichkeit für sich. 

Christian, der die bakteriziden Eigenschaften der Metalle in der 
Weise prüfte, daß er Bakterienaufschwemmungen in großen Tropfen auf 
Platten brachte, die in Petrischälchen lagen und der dann nach verschie¬ 
denen Zeiten, aber ehe die Tropfen eingetrocknet waren, Keimgehaltsbe- 
stimmungen in der noch vorhandenen Flüssigkeit vornahm, stellte, wie 
schon oben bemerkt, fest, daß, wenn er als Aufschwemmungsmedium 
statt Leitungswasser sterilisierten normalen Urin nahm, bei keiner 
der oben genannten Bakterienarten eine Keimverminderung 
auf den geprüften Metallplatten (Eisen, Zink, Blei, Nickel, Messing. 
Kupfer) innerhalb 4 Stunden eintrat. Um zu erfahren, ob auch 
beim Eintrocknenlassen der in Urin suspendierten Bakterien auf den 
Metallen eine Aufhebung oder Verzögerung der Keimvernichtung zu kon¬ 
statieren wäre, wurden auf 3 gut keimtötende Metalle Ausstriche von 
Staphylokokken-Urinaufschwemmung in der bekannten Weise gemacht. 
Den Erfolg zeigt folgende kleine Tabelle. 

Tabelle IV. 

Metalle. Staphylococcus aureus im Urin. 


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Abstebben von Baktekikn. 


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Es ergibt sieb, daß bei Kupfer die Resultate gleich blieben, bei 
Messing und Silber aber eine Verzögerung der Abtötung gegenüber den 
im Leitungswasser suspendierten Keimen zu bemerken ist. Von einer 
totalen Aufhebung der Wirkung, wie sie Christian für die noch in der 
Flüssigkeit befindlichen Organismen konstatierte, kann hier aber nicht die 
Rede sein. Übrigens wurde auch die Versuchsanordnung Christians 
einige Male nachgeahmt und auf den drei geprüften Metallen keine 
erhebliche Verzögerung des Absterbens der Staphylokokken 
in Urin gegenüber den im Leitungswasser befindlichen be¬ 
obachtet. 

Eine Frage, die sich bei der Betrachtung der vorliegenden Resultate 
noch aufdrängen muß und die große praktische Bedeutung hat, ist die, 
ob die Metalle nur als reine, also blank geputzte, oderauch mit ihren 
Überzügen aus Oxyd und Schmutz die bakterienvernichtenden Eigen¬ 
schaften entfalten. Besonders bei Blei und Zinn könnte man denken, daß 
ihre schwächere Wirkung auf diese Überzüge zurückzuführen sei. Dem¬ 
gegenüber habe ich durch mehrere Versuchsreihen konstatieren können, 
daß Messing, Kupfer und Blei in peinlich blankem Zustande genau das¬ 
selbe leisten, wie in höchst unsauberem. Das schmutzigste Zwei¬ 
pfennigstück, die viele Wochen nicht geputzte Türklinke des¬ 
infiziert mit derselben Sicherheit wie ganz neue nie ge¬ 
brauchte. 

Es folgt aus allem, daß wir in den Metallen Körper besitzen, die 
dank ihrer bakteriziden Eigenschaften der Weiterverbreitung und besonders 
der Verschleppung von Krankbeitskeimen durch Gegenstände, die aus 
ersteren gefertigt sind, einen energischen Widerstand entgegen¬ 
setzen. Ohne diese Eigenschaften wäre eine Verschleppung von Epidemien 
durch das Geld z. B. sicher außerordentlich häufig. Bemerkenswert dabei 
ist, daß, wenn wir von dem Nickel zunächst absehen, das auch nur in 
verhältnismäßig wenigen Ländern zur Münzenprägung verwendet wird, die 
kleineren Münzen, die am meisten im Volke im Verkehr und daher einer 
Verunreinigung mit pathogenen Keimen am meisten ausgesetzt sind, am 
besten keimtötend wirken. Nickelmünzen enthalten mit Ausnahme des 
deutschen 25-Pfennigstückes sämtlich große Mengen Kupfer und wirken 
dadurch ebenfalls gut desinfizierend. Immerhin zeigen unsere Versuche, 
daß eine Übertragung von Krankheitskeimen durch alle, auch die am 
besten desinfizierenden Metallgegenstände durchaus möglich ist, und 
man wird bei der Desinfektion und besonders in Epidemiezeiten dieser Mög¬ 
lichkeit nach wie vor Rechnung zu tragen haben. Bedauerlich erscheint 
es, daß gerade die Metalle, aus denen wir mit Vorliebe unsere gewöhn¬ 
lichen Eßgeräte herstellen, nämlich Zinkblech, Stahl uud Zinn, die 

Zeitschr. f. Hygiene. LXIX 32 


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498 


Ludwig Bitte»: 


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eventuell auf sie gelaugten Krankheitserreger verhältnismäßig am wenig¬ 
sten zu schädigen vermögen. Auch das vielfach verwendete emaillierte 
Blech und Eisen leistet in dieser Beziehung nichts Hervorragendes: Thyphus- 
bakterien sind auf ihm erst nach 48 Stunden mit Sicherheit abgestorben. 
Die fortlaufende Desinfektion am Krankenbette wird also auf die Unschäd¬ 
lichmachung der Krankheitskeime auf diesen Geräten ihr schärfstes Augen¬ 
merk zu richten haben. Wir wollen aber doch nicht vergessen, welch 
segensreichen Einfluß auf die Einschränkung der Seuchen auch ohne alles 
Menschenwerk die Tatsache haben muß, daß auf allen aus Metall ge¬ 
fertigten Gebrauchsgegenständen, die doch mit dem Menschen 
so oft und so innig in Berührung kommen, die Bakterien, wie 
wir später sehen werden, immer noch viel früher zugrunde gehen, 
wie auf den meisten anderen. 


II. Banmaterialien mit Ausschluß der Hölzer. 

Bei Keimgehaltsbestimmungen, die ich an den verschiedensten Mate¬ 
rialien wie Stein, Holz, Porzellan, Glas usw. vornahm, fiel es mir auf, wie 
oft dieselben steril befunden wurden. Auch Geheimrat Fischer hatte 
schon vor Jahren die Beobachtung gemacht, daß auf gewissen Bau¬ 
materialien darauf gebrachte Krankheitserreger verhältnismäßig rasch 
zugrunde gingen. Ich habe nun zunächst eine Reihe von Gegenständen, 
größtenteils Baumaterialien, bezüglich einer etwa vorhandenen keimtötenden 
Kraft untersucht und bin zu dem Zwecke genau wie bei den Metallen 
verfahren. Im folgenden sind die Resultate der Versuche mit Typhus¬ 
bakterien in Tabelle V in der Weise mitgeteilt, daß man wie in Tabelle IL 
III und IV daraus ersehen kann, nach welcher Zeit auf einem nach dem 
Ausstreichen der Bakterien nicht wieder angefeuchteten Teile .des be¬ 
treffenden Gegenstandes keine lebensfähigen Keime mehr an getroffen 
werden. In Tabelle VI sind die Versuchsresultate mit Staphylococcus 
aureus und Baumaterialien, die einen besonders markanten Unterschied 
in ihrer Wirkungsweise erkennen lassen, vollständig niedergelegt. Man 
sieht also auch hier wieder den Einfluß des nachträglichen Anfeuchtens. 
Die Versuche mit Cholera Vibrionen habe ich sehr bald abgebrochen, da in 
deu hier in Betracht kommenden Zeitspannen der Einfluß des Eintrocknens 
unter natürlichen Verhältnissen allein meistens schon genügt, um diesen 
in mancher Beziehung hinfälligen Mikroorganismus zu zerstören. Ausge¬ 
strichene Bouillonkulturen von Bacterium typhi und Staphylococcus aureus 
verhielten sich durchweg auf den verschiedenen Objekten wie die Lei tun g>- 
wasseraufschwemmungen. 


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Tabelle V. 

Baumaterialien usw. Bacterium typhi im Leitungswasser. 


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Abstebbkn ton Bakterien. 


501 


Ein Blick auf Tabelle V und VI zeigt, daß auf Linoleum sogar 
die widerstandsfähigen Staphylokokken innerhalb eines Tages zugrunde 
gingen. Koch nirgendwo ist diese starke keimtötende Kraft des Linoleums 
meines Wissens erwähnt worden, trotzdem nach dem, was wir über die 
„desinfizierenden Wandanstriche“ wissen, zum mindesten die Ver¬ 
mutung einer solchen Eigenschaft sehr nahe lag. Jacobitz (11) hat 
schon 1901 dargetan, daß die keimtötende Wirkung der vielgeprüften 
und vielbesprochenen desinfizierenden Wandanstriche auf der chemischen 
Wirkung des als Bindemittel benulzten Leinöls beruht. Linoleum be¬ 
steht nun bekanntlich im wesentlichen aus Kork und sehr viel Leinöl, 
so daß uns, wie gesagt, sein starkes Desinfektionsvermögen nicht wunder¬ 
nehmen kann. Es ist nun aber wohl allgemein bekannt, daß die Wand¬ 
anstriche ihre Fähigkeit, Mikroorganismen zn vernichten, ziemlich schnell 
verlieren. Schon nach wenigen Monaten nimmt dieselbe erheblich ab, 
um am Ende eines Jahres auf ihrem tiefsten Punkte angekommen zu 
sein. Die geringen Mengen des in dem Anstrich eingetrockneten Lein¬ 
öles werden also mit der Zeit unwirksam. Demgegenüber muß bemerkt 
werden, daß das neueste, zu meinen Versuchen benutzte Linoleumstück 
schon über 4 Jahre in unserem Besitze war. Viele Keimgehaltsbestim¬ 
mungen, die ich auf stark begangenen alten Linolenmfußböden früh¬ 
morgens vomahm, haben meistens völlige Keimfreiheit, selten nur ein 
Wachstum von Kahmhefen, Kartoffel-, Heu- und Buttersäurebazillen er¬ 
geben. Pyogene Kokken habe ich niemals daselbst gefunden. Linoleum 
ist also eine Fußbodenbekleidung, die anscheinend dauernd die große 
Zahl der hauptsächlich mit dem Schuhwerk daraufgebrachten Mikro¬ 
organismen zu vernichten imstande ist Beschleunigt wird hier wie über¬ 
haupt diese Vernichtung noch durch das nachträgliche Anfeuchten. 
Bei einem Linoleumfußboden, der jeden Tag feucht abgewischt 
wird, kann man daher ziemlich sicher sein, daß auf ihm die 
nicht sporenbildenden Krankheitserreger sehr schnell ihren 
Untergang finden. 

Nach den mit Linoleum belegten sind die einfach geölten oder 
mit Ölfarbe gestrichenen Fußböden vom hygienischen Standpunkte 
zu empfehlen. Das ölen und Anstreichen der Fußböden pflegt in allgemein 
üblicher Weise in einer Zeit wiederholt zu werden, die vor dem Unwirksam¬ 
werden der Anstriche liegt. Auch Xylolith ist in dieser Hinsicht gut, 
während Terrazzo, Sandstein, Marmor, sowie ungestrichenes 
Holz die darauf gebrachten Keime zum Teil außerordentlich lange trotz 
nachträglicher Anfeuchtung lebensfähig lassen. 

Eine Tabelle möge den Unterschied deutlich machen, der zwischen 
vor 8 Wochen mit Leinöl eingeriebenem und einfach nur gehobeltem 


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Tabelle VIT. Baumaterialien new. Bacterium typhi im Leitungswassser. 


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502 


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Ab STERBEN VON BAKTERIEN. 


503 


Fichten- und Lindenholz hinsichtlich der keimtötenden Kraft besteht 
(vgl. Tabelle VII). Daß ein bakterizides Vermögen gerade dem Leinöl 
und nicht jedem Oie überhaupt zukommt, geht aus den gleichzeitig aus- 
geführten Versuchen mit Brettern hervor, die ebenfalls vor 8 Woeben 
mit Olivenöl eingerieben waren. Wenn auf diesen mit Olivenöl ein- 
geriebenen Brettern die Keime doch noch früher zugrunde gehen wie 
auf den nicht eingeriebenen, so muß man das nur der allgemein glatt¬ 
machenden Wirkung des Öles zuschreiben. Bei der Durchsicht der 
mitgeteilten Versuchsergebnisse tritt klar zutage, daß auf glatten Ober¬ 
flächen die Bakterien schneller absterben, wie auf rauhen, wenn auch 
das Objekt, das diese rauhen oder glatten Flächen besitzt, aus demselben 
Grundmaterial besteht. Auf Ziegelsteinen und Dachziegeln ohne Glasur 
Anden wir nach 5 Tagen, auf denen mit Glasur schon nach 3 Tagen 
keine lebenden Typhuserreger mehr. Noch eklatanter zeigt sich der Einfluß 
der glatten Fläche bei Marmor. Es war dasselbe Stück Marmor, was zu 
den diesbezüglichen Versuchen verwendet wurde, nur wurde einmal die 
polierte, das andere Mal die unpolierte Seite bestrichen. Auf ersterer 
lebten nach 3 Tagen die Typhusbakterien bereits nicht mehr, während 
auf letzterer dieses nach 5 Tagen noch der Fall war. Eine Erklärung für 
dies auffällige Verhalten ist wohl in der verschiedenen Eintrocknungs- 
geschwindigkeit zu suchen. Bekanntlich widerstehen die Bakterien 
der Eintrocknung am besten, je schneller diese vor sich geht. Auf rauhen 
Flächen vollzieht sich diese bei gleichen darauf gebrachten Flüssigkeits¬ 
mengen wohl wegen der größeren Oberfläche sehr viel schneller wie auf 
glatten. Die rauhen Flächen, besonders der Steine, saugen sozusagen 
das Wasser in sich ein. Natürlich sind in den Unebenheiten und 
Poren die Bakterienleiber auch gut vor den schädigenden Einflüssen des 
Lichtes und den Schwankungen der Luftfeuchtigkeit geschützt, 
welch letztere wir nach den Erfahrungen bezüglich des nachträglichen 
Anfeuchtens der angetrockneten Bakterien mit Ficker und Heim als 
einen bedeutsamen Faktor bei der natürlichen Keim Vernichtung ansehen 
müssen. 

Für Wandanstriche oder -bekleidungen eignen sich nach dem Ver¬ 
halten der untersuchten Stoffe den Bakterien gegenüber am besten die 
Ölfarbenanstriche, die eine zeitlang spezifisch bakterizid und dann durch 
ihre glatte Oberfläche wirken. Außerdem spricht die Möglichkeit des Ab¬ 
waschens für diese Anstriche. Auf Tonfliesen oder weißen Kacheln 
gehen die Keime ebenfalls verhältnismäßig rasch zugrunde, auch das Ab¬ 
waschen ist bei Wänden, die mit ihnen bekleidet sind, möglich. Gewöhn¬ 
liche Tapeten bekleidungen und Kalkanstriche bieten diesen letzten Vor¬ 
teil nicht, außerdem sterben auf Tapeten, Pappe usw. die darauf ge- 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



504 


Ludwig Bitteb: 


brachten Bakterien erst nach langer Zeit ah. Der desinfizierende Einfluß 
frischer Kalkanstriche ist bekannt, wenige Tage alte aber bieten wegen 
ihrer physikalischen Eigenschaften den verstreuten Krankheitserregern 
schon die günstigsten Bedingungen für eine recht lange Lebensdauer. 
Während Keimgehaltsbestimmungen in unseren Laboratorien und sonstigen 
Bäumen auf alten Olfarbenanstrichen sehr oft Keimfreiheit der Wände 
in Kopfhöhe ergaben, konnte eine solche auf älteren Kalkanstrichen nur 
äußerst selten nachgewiesen werden. Indessen darf man nicht vergessen, 
daß die Vernichtung und Festlegung der auf einen alten Kalkanstrich 
gelangten Krankheitskeime durch die Anbringung eines frischen in ein¬ 
fachster Weise und zuverlässig geschieht. 

Bei Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsverhältnissen, die eine rasche 
Austrocknung begünstigen, kann man gelegentlich auch auf ganz glatten 
Flächen eine außerordentlich lange Haltbarkeit der Bakterien konstatieren, 
die sogar die auf den rauhen Oberflächen gewöhnliche übertreffen kann. 
Bedingung ist, daß man einen großen Tropfen einer dichten Bak¬ 
terienaufschwemmung oder, wie dies ja auch v. Esmarch tat, die Bak¬ 
terienkultur direkt vom festen Nährboden eintrocknen läßt. Die massen¬ 
haft ringsherum absterbenden Bakterienleiber umgeben dann offenbar wie 
ein Schutzwall die im Centrum befindlichen noch lebenden und bewahren 
sie vor völliger Austrocknung und den anderweitigen äußeren Schädigungen. 
Für die Desinfektionspraxis ergibt sich aus diesem Verhalten eine Bestäti¬ 
gung des alten Satzes, daß es vor allem darauf ankommt, alle sichtbar 
mit Absonderungen nnd Ausscheidungen der Kranken beschmutzten Gegen¬ 
stände besonders zu beachten. 

Wichtig ist es, auf das Verhalten von Glas Bakterien gegenüber 
hinzuweisen. Von diesem Körper war ziemlich lange bekannt, daß er 
durch Alkaliabgabe an mit ihm in Berührung kommende Flüssig¬ 
keiten usw. wachstumbegünstigende und lebenerhaltende Eigen¬ 
schaften für Faden- und Spaltpilze besaß. Die größere oder kleinere Ab¬ 
gabe von Alkali seitens eines Glases au destilliertes Wasser, das sich eine 
zeitlang in ihm befindet, kann die bakteriziden Eigenschaften desselben 
nicht nur aufheben, sondern den in das Wasser gebrachten Bakterien so¬ 
gar günstige Lebens- uDd Vermehrungsbedingungen bieten. Einen solchen 
Fall hat in neuester Zeit wieder Busson (12) beschrieben. 6 8 / 4 Jahre 
wird von ihm ein Colistamm in einem Glase mit destilliertem Wasser auf¬ 
bewahrt, der sich daselbst lebhaft vermehrt und alle Eigenschaften seiner 
Art ungeschmälert bewahrt hat. Hesse (13) hat dagegen darauf hinge¬ 
wiesen, daß die Alkaliabgabe des Glases an darin befindliche Nährböden 
wachstumhemmende Wirkung hatte. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

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Abstebben von Bakterien. 


505 


In allen meinen Versuchen zeigt das Glas ausgesprochen 
bakteriziden Charakter gegen darauf ausgestrichene Keime. 
Es ist daher, wie bereits gesagt, sicher nicht richtig, wenn man zur 
Prüfung der Lebensdauer von angetrockneten Bakterien Glas als Antrock¬ 
nungsobjekt wählt, wie dies vielfach üblich war und ist. Man kommt zu 
ganz falschen Ergebnissen, wenn man z. B. schließen wollte, daß ein 
6 Monate alter Olfarbenanstrich keine desinfektorische Wirkung mehr ent¬ 
faltete, weil auf einer Glasplatte, die in derselben Weise mit einer Typhus¬ 
bouillonkultur bestrichen wurde, wie der erstere, die Mikroorganismen in 
derselben Zeit zugrunde gehen. Christian machte auf der Suche nach 
Cholerabakterien Aussaaten von den verschiedensten Gegenständen im 
Laboratorium. Aus seinen Versuchsprotokollen ist, ohne daß er darauf 
hin weist, zu ersehen, daß unter den Gegenständen, die dabei als frei von 
diesen Darmbakterien befunden wurden, außer den schon oben erwähnten 
aus Metall auch sämtliche aus Glas gefertigte zu finden sind. Auch 
für Glas gilt aber das, was schon von den Gegenständen mit glatter Ober¬ 
fläche im allgemeinen gesagt wurde: Läßt man einen dicken Tropfen 
einer dichten Bakterienaufschwemmung unter günstigen Verhältnissen, am 
besten im Exsikkator darauf eintrocknen, so können sich die Keime manch¬ 
mal verhältnismäßig lange halten. Ich nehme an, daß dieses gelegent¬ 
liche Verhalten zu der verbreiteten Ansicht geführt hat, daß Glas für die 
Antrocknung von Bakterien ein indifferenter Körper sei. Die schädigende 
Wirkung des Glases unterscheidet sich von der der an sich mehr indiffe¬ 
renten Gegenstände, die nur durch ihre glatte Oberfläche wirken (z. B. Stei- 
gut, polierter Marmor usw.) in deutlicher Weise. Auf Glas sterben die 
Keime bei weitem früher wie bei dem letzteren ab und ein nennens¬ 
werter Unterschied in den Abtötungszeiten auf glattem oder durchsich¬ 
tigem und rauhem oder mattem Glase besteht nicht. Die verschiedenen 
Glassorten mit Einschluß des Jenaer Hartglases zeigen ebenfalls im 
ganzen dieselben Eigenschaften. Man könnte nun vielleicht annehmen, 
daß die bakterientötende Kraft des Glases auf in demselben erhaltene 
Metalle zurückzuführen sei, was hauptsächlich für das Kristall- oder 
Flintglas bei seinem hohen Gehalte an Bleioxyd sehr wahrscheinlich klingt. 
Wenn dies der Fall wäre, so müßten aber entweder die wirksamen 
Metallbeimengungen in Wasser nicht löslich sein, oder sie müßten durch 
das gleichzeitig sich lösende Alkali sogleich in ihrer Wirkung neutrali¬ 
siert werden, was nach Fickers Versuchen ja durchaus möglich ist. Es 
müßte sonst jedes reine Wasser, das in einem beliebigen Glasgefäße eine 
zeitlang gestanden hat, oligodynamische Wirkung entfalten, und doch ist 
dieses nach v. Nägelis und Fickers Darstellung nicht der Fall. Für 
Jenaer Glas könnte nur die erstere Erklärung der Wasserunlöslichkeit der 


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506 


Ludwig Bitter: 


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wirksamen Metallbeimengungen in Frage kommen, da dasselbe überhaupt 
nur minimalste Spürchen von Alkali abgibt, und reines Wasser, das in 
ihm längere Zeit verweilt, doch keine oligodynamischen Eigenschaften zeigt. 
Beide Erklärungen werden aber durchaus unwahrscheinlich, wenn man 
sich das Verhalten von reinem Quarz den Bakterien gegenüber betrachtet. 
Auf ihm sterben die Typhuserreger, wie aus Tabelle V ersichtlich, noch 
etwas früher, wie auf den verschiedenen untersuchten Qiassorten, und 
man ist daher genötigt anzunehmen, daß das Siliciumdioxyd 
der keimtötende Faktor im Glase ist. 

Ähnlich wie Glasplatten verhielten sich die von mir untersuchten 
weißen Kacheln oder Tonfliesen, während Steingut über keine nennens¬ 
werten keimtötenden Kräfte verfügt, was wir wieder mit einem gewissen 
Bedauern konstatieren müssen, da es ebenso wie die schon genannten 
Metalle mit geringer Wirkung zur Herstellung von Eß- und Trinkgeräten 
die ausgedehnteste Verwendung findet. 

UI. Holzer. 

Eine Prüfung von Baumaterialien hinsichtlich ihrer bakteriziden 
Wirkung wäre sehr unvollkommen gewesen, wenn nicht auch die bei der 
Bau- und Möbeltischlerei gebräuchlichen Hölzer mit in den Kreis der 
Untersuchungen hineingezogen wären. Die Versuche mit dem Leinöl 
hatten gezeigt, daß auf den dabei verwendeten Hölzern Typhusbakterien 
sehr lange lebensfähig blieben, und es kam nun darauf an, zu sehen, ob 
vielleicht doch der einen oder anderen Holzart an sich ein bakterienfeind¬ 
liches Verhalten anhaftet, oder aber ob das Polieren, Beizen usw. dem 
Holz vielleicht keimtötende Kräfte verliehe. Bei allen Holzsorten sollte 
außerdem festgestellt werden, ob der Einfluß der nachträglichen Anfeuch¬ 
tung und der rauhen oder glatten Oberfläche auch hier nachweisbar wäre. 
In der folgenden Tabelle sind die Untersuchungsergebnisse mit 14 ver¬ 
schiedenen Holzsorten ohne Politur usw. mitgeteilt. Von jeder Holzart 
wurde je ein einfach gesägtes und ein glatt gehobeltes Brett verwendet. 
Zum Ausstreichen wurden Leitungswasseraufschwemmungen vom Bact. typhi 
genommen. Die Aussaaten wurden in der bekannten Weise gemacht 
Zur Kürzung der Tabelle ist das stets positive Resultat der Aussaaten von 
einem vorher noch nicht betupften Stücke der verschiedenen Bretter nach 
3 Tagen mit einer Ausnahme, die negativ war, weggelassen. Ich habe 
mich bei der Prüfung der Hölzer auf Versuche mit Bact. typhi beschränkt, 
da diese, wie aus allem Vorhergehenden hervorgeht, eine gute Beurteilung 
des Verhaltens der verschiedenen Objekte gegen Bakterien überhaupt zu¬ 
lassen. 


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Absterben von Bakterien. 


507 


Tabelle VIII. 


Hölzer. Bacterium typhi im Leitangswasser. 


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99 

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99 

„ HL 

Bache 

gehobelt I. 

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n- 

99 

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3. Fichte 

ungehobelt I. 

99 

„ n. 

99 

„ HI. 

Fichte 

gehobelt I. 

99 

„ ii. 

99 

„ HL 

4. Kiefer 

ungehobelt I. 

97 

„ H. 

99 

„ HI. 

Kiefer 

gehobelt I. 

99 

» IL 

99 

* HI. 

5. PiUchpil« ungehobelt I. 

99 

. „ II- 

99 

„ III. 

Pitschpine gehobelt I. 


„ II. 


„ III. 

6. Linde 

ungehobelt I. 

99 

„ H. 

99 

„ III. 

Linde 

gehobelt I. 

99 

„ H. 

ii 

„ III- 

7. Ahorn 

ungehobelt I. 

11 

„ ii. 

11 

„ in. 

Ahorn 

gehobelt I. 

ii 

„ ii. 

ii 

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24 Stunden 

48 Stunden 

78 Standen 

108 Stunden 

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508 


Ludwig Bitteb 


Tabelle VIII. 


Aussaat in Bouillon¬ 
röhrchen nach: 


Wachstum 

in den Röhrchen am: 


8. Eseh« 

ungehobelt 

I. 

ii 


II. 

1i 

ii 

III. 

Esche 

gehobelt 

I. 

ii 

ii 

II. 

ii 

ii 

III. 

9. Nißbua 

ungehobelt 

I. 


ii 

II. 

11 

ii 

HI. 

Nußbaum gehobelt 

I. 

ii 

ii 

II. 

ii 

ii 

IH. 

10. Satin 

ungehobelt 

I. 

11 

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II. 

11 

ii 

IH. 

Satin 

gehobelt 

I. 

ii 

V 

II. 

ii 

ii 

III. 

11. Mahagoni 

ungehobelt 

I. 

11 

ii 

II. 

11 

ii 

III. 

Mahagoni gehobelt 

I. 

ii 

ii 

II. 

ii 

ii 

III. 

12. Pappel 

ungehobelt 

I. 

11 

ii 

II. 

Ii 

ii 

III. 

Pappel 

gehobelt 

I. 

ii 


II. 

ii 

ii 

III. 

13. Kirsthbanm ungehobelt I. 

11 

ii 

II. 

11 

ii 

III. 

Kirschb. 

gehobelt 

I. 

ii 

>7 

II. 

ii 

ii 

III. 

14. Akazie 

ungehobelt 

I. 

11 

ii 

II. 

11 

ii 

III. 

Akazie 

gehobelt 

I. 

ii 

ii 

II. 

ii 

ii 

III. 


(Fortsetzung.) 


24 Stunden 

48 Stunden 

78 Stunden 

Tag 

I 1 1.2.8.4.5. 

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Tag 

1.2.3.4.5. 

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1.2.3.4.5. 

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108 Stunden 


Tag ii 
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Absterben von Bakterien. 


509 


Auf allen untersuchten Hölzern bleiben die Typhuserreger 
lange lebensfähig. Akazien- und Eichenholz scheinen die beiden 
einzigen zu sein, die einen gewissen schädigenden Einfluß auszuüben ver¬ 
mögen. Auf ersterem wurden nach 3, auf letzterem nach 4 Tagen keine 
lebenden Erreger mehr aufgefunden. Auf allen anderen Brettern, unge¬ 
hobelten wie gehobelten, konnten nach mehr als 5 Tagen noch lebende 
Bakterien nachgewiesen werden. Der Einfluß des nachträglichen An- 
feuchtens ist auch hier unverkennbar und demonstriert eindringlich den 
Nutzen des häufigen Scheuerns in Haus und Stallung. Ein schnelleres 
Zugrundegehen der Eeime auf den gehobelten wie auf den ungehobelten 
Brettern ist — allerdings nur bei nachträglicher Befeuchtung — besonders 
deutlich aus den Stäben 2 und 3 der Tabelle zu konstatieren. 

Einen Einfluß des Polierens, Beizens usw. auf das frühere Absterben 
von Keimen habe ich nioht naohweisen können, wenigstens nicht, wenn 
Mahagoni*, Ahorn-, Nußbaum- und Eichenholz verwendet wurde, dessen 
Politur bzw. Beizung schon einige Jahre alt war. Ganz frisch poliertes 
Holz wird, da man zu Polituren vielfach Leinöl zu verwenden pflegt, oft 
keimtötende Kraft besitzen. 

Tabelle IX. 


Hölzer. Bacterium typhi im Leitungswasser. 


Aussaat in Bouillonröhrchen nach: 1 

1 | 

2 

3 

4 

5 

6 


8 


1 

1 




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Wachstum in den Röhrchen 









innerhalb von 5 Tagen 









1. Mahagoni gehobelt. 

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4- 

4- 

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2. 

poliert . 

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3. Ahorn 

gehobelt. 

4- 

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4- 

+ 

+ 

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4 . 

poliert . 

+ 

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4- 

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5. Eiche 

gehobelt. 

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6. 

geb. w. poliert . . . 

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7. Nufibaum gehobelt. 

4- 

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4- 

4- 

0 

0 

8. 

poliert . 

4- 


4- 

4- 

4- 1 

4- 

0 

0 


Worauf die schädigende Wirkung des Eichen- und Akazienholzes be¬ 
ruht, ist natürlich nicht ohne weiteres zu sagen. Man könnte daran 
denken, daß im Eichenholz die Gerbsäure vielleicht für diese Wirkung 
in Betracht käme. 

Alles in allem sind unsere gebräuchlichen Hölzer Objekte, 
die für die Erhaltung und Verbreitung der Krankheitserreger 
außerordentlich günstige Bedingungen liefern und sie werden 
hinsichtlich dieser bösen Eigenschaft wohl nur duroh die gebräuchlichen 


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510 


Ludwig Bitteb: 


Gewebsstoffe übertroffen. Es ist unnötig, an dieser Stelle nochmals 
Mitteilungen über die lange bekannte, zum Teil enorme Haltbarkeit der 
Bakterien in diesen zu machen, und lediglich zum Vergleich seien hier 
einige Zahlen über die Lebensdauer von an Seidenfäden unter natür¬ 
lichen Verhältnissen (bei normaler Temperatur und Luftfeuchtigkeit) 
angetrockneten Leitungswasseraufschwemmuugen von Krankheitserregern 
mitgeteilt. Die Seidenfäden wurden in der schon beschriebenen Weise so 
aufbewahrt, daß der Luftzutritt ungehindert stattfinden konnte, dieselben 
aber vor der Einwirkung des Lichtes geschützt waren. Es wurden keine 
Seidenfäden mit lebensfähigen Keimen mehr gefunden bei Bact. typhi 
nach 12, paratyphi B nach 21, coli nach 8, Staphylococcus aureus nach 
45 Tagen. Wurden statt der so hergestellten Seidenfaden solche ver¬ 
wendet, bei denen die Eintrocknung im Exsikkator stattgefunden hatte, 
so betrug die Lebensdauer von Bact. typhi 36, paratyphi B 40, coli 16, 
Staphylococcus aureus 53 Tage. 

Busson hat in seiner oben zitierten Arbeit mitgeteilt, daß er Seiden¬ 
fäden besitzt,' an denen sich noch lebensfähige und hoch pathogene Milz¬ 
brandsporen befinden, trotzdem nach der seinerzeitigen Antrocknung 
schon 18 Jahre verflossen sind. Geheimrat B. Fischer hat vor länger 
als 28 Jahren Milzbrandsporen an Seidenfäden angetrocknet 
und diese sind heute ebenfalls noch lebensfähig und virulent 
Dabei muß bemerkt werden, daß diese Sporen in einer nicht besonders 
verschlossenen Blechkassette von Geheimrat Fischer nach Westafrika und 
Westindien mitgeführt wurden und den ungünstigsten Einflüssen der 
Witterung und des Tropenklimas dabei ausgesetzt waren. 

Zum Schluß sind noch einige Versuche darüber angestellt, wie lange 
die 4 genannten Bakterien Bact. typhi, paratyphi B, coli und Staphylo¬ 
coccus aureus sich in lufttrockenem und feuchtem Sande bzw. Ackererde 
zu halten vermögen. Es wurde auf gleiche in einem kleinen Glasschälchen 
befindliche Mengen von getrocknetem und bei 150° trocken sterilisiertem 
Sande oder ebenso behandelter Erde 0 • 15 ccm einer gleichmäßigen Leitungs- 
wasserbakterienaufschwemmung und 2 ccm sterilisiertes Leitungswasser ge¬ 
geben. Die Schälchen wurden offen entweder in eine feuchte Kammer 
gebracht oder mit einer großen Glasglocke so bedeckt, daß die Luft freien 
Zutritt hatte. Die Trocknung der Erde bzw. des Sandes in den auf die 
letztbeschriebene Weise auf bewahrten Schälchen war in 24 Stunden er¬ 
folgt. Ein übergelegtes Tuch bewahrte die Schälchen vor der Einwirkung 
des Lichtes. Es stellte sich heraus, daß iu der feuchten Kammer sämt¬ 
liche Erd- und Sandproben nach 60 Tagen noch lebensfähige Keime in 
scheinbar unverminderter Zahl pro Kubikeinheit enthielten. In den luft¬ 
trockenen Proben starben Typhus, Paratyphus und Coli mit großer Gleich- 


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Abstkrben vom Bakterien. 


511 


mäßigkeit nach etwa 8, die Staphylokokken dagegen noch nicht nach 
60 Tagen ab. Einen Unterschied in der Lebensdauer in Erde and Sand 
habe ich bei den geprüften Keimen im ganzen nicht ermitteln können. 
Den. so gemachten Erfahrungen entspricht auch das Resultat der Unter¬ 
suchungen von Bodenproben, die von einem Acker, der wenige Wochen 
vorher reichlich mit Ziegenmist gedüngt war, stammten. In den bis zu 
5 cm tief entnommenen Proben konnten niemals Colibakterien gefunden 
werden. Darüber hinaus bis zu etwa 85 cm wurden dieselben reichlich 
angetroffen, um in größeren Tiefen wieder zu verschwinden. Es muß be¬ 
merkt werden, daß eine längere Trockenperiode den Untersuchungen 
vorausging, so daß der Boden sicher bis zur Tiefe von 5 cm ausge¬ 
trocknet war. 


Zusammenfassung der Resultate. 

1. Einer größeren Anzahl von Metallen kommen erheb¬ 
liche bakterienfeindliche Kräfte gegen darauf unter natür¬ 
lichen Verhältnissen eintrocknende Keime zu. Die Reihen¬ 
folge der untersuchten Metalle hinsichtlich ihrer keimtöten¬ 
den Kraft ist ungefähr folgende: Kupfer, Messing, Silber, 
Gold, Platin, Blei, Gußeisen, Stahl, Aluminium, Nickel, 
Zink, Zinn. 

2. Das Absterben der Bakterien wird auf den Metalleu, 
aber ebenso auf allen anderen, auch den sogenannten indiffe¬ 
renten Objekten durch nachträgliches Anfeuchten wesentlich 
beschleunigt. 

3. Für die Schnelligkeit des Zugrundegehens der Keime 
auf den Metallen und den anderen geprüften Objekten ist es 
durchschnittlich gleichgültig, ob man Leitungswasserauf¬ 
schwemmungen oder Bouillonkulturen der auszustreichendeu 
Bakterien verwendet. Eine Aufhebung oder starke Einschrän¬ 
kung der bakterientötenden Eigenschaften der Metalle konnte 
dadurch nicht erreicht werden, daß als Aufschwemmungs¬ 
medium statt Leitungswasser normaler Urin genommen wurde. 

4. Es ist für die Intensität der Desinfektionswirkung der 
Metalle scheinbar gleichgültig, ob sie sich in reinem und 
blankgeputztem oder beschmutztem und oxydiertem Zustande 
befinden. 

5. Während den sogenannten desinfizierenden Wand- und 
Fußbodenanstrichen erhebliche keimtötende Eigenschaften zu¬ 
kommen, die dem dabei verwendeten Leinöl zuzuschreiben 


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512 


Ludwig Bitter: Abstebben von Bakterien. 


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sind nnd die nach verhältnismäßig kurzer Zeit aber unwirk- 
sam werden, zeigt Linoleum scheinbar dauernd ein stark bak¬ 
terienfeindliches Verhalten. 

6. Auf allen glatten Oberflächen sterben die Keime im all¬ 
gemeinen schneller ab wie auf rauhen. Auf poliertem Marmor 
z. B. zeigen Typhuserreger eine kürzere Lebensdauer wie auf 
unpoliertem. 

7. Alle untersuchten Glassorten zeigten ebenso wie reines 
Quarz deutlich bakteriziden Charakter. 

8. Oie verschiedenen bei der Bau- und Möbeltischlerei ge¬ 
bräuchlichen Hölzer bieten den darauf eintrocknenden Bakte¬ 
rien durchweg günstige Bedingungen für eine längere Lebens¬ 
dauer. Polieren, Beizen usw. verleiht den Hölzern außer der 
dadurch bedingten Glätte keine dauernden bakterienschäd¬ 
lichen Eigenschaften. 

9. An Seidenfäden angetrooknete Milzbrandsporen hielten 
sich trotz verschiedenartigster Witterungs- und Klimaein¬ 
flüsse über 28 Jahre lang lebensfähig und virulent. 

10. In trockner Erde bzw. Sand gehen Bact. typhi, para- 
typhi B und coli innerhalb 8 Tagen, Staphylococcus aureus 
noch nicht nach 60 Tagen zugrunde. In denselben feuchten 
Substraten sind sämtliche genannten Mikroorganismen nach 
60 Tagen noch lebensfähig. 


Literatur. 

1 . Archiv für Hygiene . Bd. LXL S. 1 . 

2* Ebenda . Bd. XL. S. 320. 

3. Diese Zeitschrift. Bd. XXIX. S. 1 . 

4. Annales d’Hygiene publ. T. XXIY. p. 383. 

5. Hygien . Rundschau . Bd. XI. S. 49. 

6. Inaugural-Dissertation. Berlin 1909. 

7. Desinfektion . Bd. IV. S 217. 

8. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die ge¬ 

samten Naturwissenschaften. Bd. XXXIII. Abt. I. 

9. Virchows Archiv. Bd. CXLVII. S. 294. 

10. American Journal of Pharmacy. 1906. 

11. Diese Zeitschrift. Bd. XXXVII. S. 70. 

12. Centralblatt für Bakteriologie. Bd. LVIII. S. 505. 

13* Inaugural-Dissertation. Kiel 1903. 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



[Aus dem hygienischen Institut der Universität Leipzig.] 
(Vorstand: Geh. Rat Prof. Dr. Franz Hofmann.) 


Studien 

über das Wesen der Was 8 er mann sehen Reaktion. 

Von 

Privatdozent Dr. P. Schmidt, 

I. A »«latenten am Institut 


Durch die neueren Arbeiten über das Wesen der Wassermannschen 
Reaktion hat die Auffassung der Reaktion als einer nicht spezifischen 
Kolloidreaktion an Boden gewonnen; „nicht spezifisch“ allerdings nur im 
Sinne der Immunitätsreaktionen, bei denen die Komplementbindung auf 
dem Zusammenwirken von Antigen und Antikörper beruht. Die prak¬ 
tisch-klinische Brauchbarkeit der Reaktion ist ja mit gewissen Einschrän¬ 
kungen über jeden Zweifel erhaben. 

Seit den Arbeiten von Laudsteiner, Porges und Levaditi wissen 
wir, daß das wirksame „Antigen“ ein auch in normalen Organen vor¬ 
kommendes Lipoidkolloid ist. Wenn Luesextrakte aus luetischen Lebern 
wirklich bessere Resultate geben sollten als solche aus normalen Organen 
so beweist das meines Erachtens noch nichts für die spezifische Natur der 
Reaktion; es wäre ja denkbar, daß gerade der luetische Krankheitsprozeß 
für die Bereitung des Extraktkolloids von Vorteil ist. Übrigens ist die 
Frage des Vorzugs der Lues-Leberextrakte vor denen aus normalen Organen, 
vor allem solchen aus normalen Menschenherzen, noch keineswegs geklärt. 1 


1 Harald Boas und Geor^ Neve, Die Wassermannsehe Reaktion bei 
Dementia paralytica. Berliner klin . Wochenschrift. 1910. Nr. 29. 

ZeitAchr. f. Hygiene. LXIX 33 


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514 


P. Schmidt: 


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Es ist das Verdienst von 0. Porges 1 und seinen Mitarbeitern, ferner 
U. Friedemanns 2 , für die verschiedenen Erscheinungen bei der Reak¬ 
tion eine gemeinsame Basis der Erklärung in dem Nachweis erbracht zu 
haben, daß die Wassermannsche Reaktion mit großer Wahrscheinlich¬ 
keit in der Globulinfraktion des Serums vor sich geht. Nach O. Porges 
und seinen Mitarbeitern sind Fällungsreaktion (Lecithin-Ausflockung) 
und Bindungsreaktion identisch. 


Eigene Versuche. 

Sedimentierung im Luesserum-Extraktgemisch. 

Ähnliche Beobachtungen, wie sie E. Jacobsthal 3 , Bruck und 
Hidaka 4 * bei Serum-Extraktgemischen in Gestalt von Ausfällungen machten, 
veranlaßten mich, diesen Ausfallungserscheinungen meine Aufmerksamkeit 
zu widmen. Es zeigte sich bei meinen Versuchen, daß tatsäch¬ 
lich in den Luesserum-Extraktröhrchen beim längeren Stehen 
oder Zentrifugieren nach der Bindung bei 37° eher und deut¬ 
licher Sedimente eintraten als in den Röhrchen mit Normal¬ 
serum. Der Erfolg war der gleiche, ob ich mit oder ohne Komplement 
im Mischungsverhältnis der Wassermannschen Reaktion arbeitete. Unter 
20 Versuchen sah ich allerdings eine Ausnahme, wo ein Wassermann¬ 
negatives Normalserum wesentlich eher und deutlicher Ausfüllung gab als 
das Vergleichsröhrchen mit Luesserum. 

Auch bei Untersuchungen mit dem Paraboloidkondensor zeigten sich 
bei den Luesseren größere Schollen und Kügelchen. Immerhin waren die 
ultramikroskopischen Untersuchungen weniger befriedigend als die makro¬ 
skopische Betrachtung nach mehrtägigem Stehen. 


Physikalisch-chemische Untersuchungen. 6 

Vor allen Dingen war es von Interesse, die elektrische Ladung des 
bei den Versuchen verwandten Extrakts (vorzüglich bewährter Ätherextrakt 


1 Elias, Neubauer, Porges, Salomon, Wiener Hin . Wochenschrift. 190$. 
Nr. 21. 

* U. Friedemann, Diese Zeitschrift Bd. LXVII. S. 279. 

8 E. Jacobsthal, Zeitschrift für Immunitätsforschung und experim . Therapie . 
Orig. 1911. Bd. VIII. S. 107. 

4 Bruck u. Hidaka, Ebenda . S. 476. 

6 Dieselben wurden im physikalisch-chemischen Institut der Universität mit 
gütiger Erlaubnis des Vorstandes, des Hm. Prot. Dr. Le Blanc, unter Leitung des 

Hrn. Prof. Dr. H. Freundlich ausgeführt. 


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Studien über das Wesen der Wassebmannschen Reaktion. 515 


aus normalen Menschenherzen nach Fritz Lesser, bezogen von der 
Tauentzienapotheke, Berlin) festzustellen. Die dazu nötige Kataphorese 
wurde zur Vermeidung von Störungen infolge der Salzelektrolyse in 
destilliertem Wasser, nicht in physiologischer Kochsalzlösung vorgeuommen. 
Sie ergab in einwandfreier Weise, daß die Teilchen des Ex¬ 
traktkolloids negativ geladen sind. 

Des weiteren sollte die Ladung einer feinsten, dünnsten Suspension 
von Luesserumglobulin 1 in destilliertem Wasser festgestellt werden (nur 
Spuren von Globulin); man kann physikalisch-chemisch erwarten, daß 
klare Globulinkochsalzlösungen, wenn auch in geringerem Maße, so doch 
gleichsinnig geladen sind, wie in sichtbarer Suspension. Diese Versuche 
mißlangen, da sich das Globulinkolloid an den Polen völlig löste. 

Ferner kamen Extrakt-Albumin- und Extrakt-Globulingemische in 
destilliertem Wasser zur Kataphorese. Es ergab sich, daß die Ex¬ 
trakt-Albumingemische sich ebeuso verhielten wie das Extrakt- 
kolloid allein, d. h. die Teilchen bewegten sich zum positiven Pol hin, 
sie blieben negativ geladen. 

Dagegen zeigten Extrakt-Globulingemische ein ganz anderes Verhalten. 
Äußerlich schon trüber, neigen sie zur Ausflockung und müssen bei Be¬ 
ginn des Versuches nochmals aufgeschüttelt werden. Bei der Kataphorese 
zeigen die Gemische einen mehr amphoteren Charakter; der Raum an den 
Elektroden wird klarer und die Hauptmenge der Teilchen sammelt sich in 
der Mitte des Röhrchens, allerdings deutlich mehr in der Richtung 
zum negativen Pole hin. Sie verhalten sich also eher wie Gelatine¬ 
lösung; es ist eine Tendenz zur Umladung im positiven Sinne 
vorhanden. Bei der außerordentlichen Kompliziertheit der Kataphorese 
mehrerer Kolloide wären Versuche mit variierenden Mengen sehr er¬ 
wünscht. Ich verweise zur Orientierung auf Herbert Freundlichs 
Kapillarchemie S. 444 (Einwirkung von Solen aufeinander). 

Bei den Versuchen betrug der Gehalt an Albumin und Globulin etwa 
V 4 Prozent, während das Lipoidkolloid wie bei der Wassermann sehen 
Reaktion mit V 3 des Volumens zur Verwendung kam. 

Der Kataphoreseversuch hat also mit größter Wahrschein¬ 
lichkeit ergeben, daß die Vorbedingung einer Kolloidfällung 
im Globulin-Extraktgemisch in Gestalt einer elektrischen Um¬ 
ladung des negativen Extraktbolloids durch Globulinkolloid 
erfüllt ist. 


* Die yerwandten Albumine und Globuline waren aus 2 Exsudaten (I luetisch) 
und 3 Seren (1 luetisch) durch Aussalzen mit Ammonsulfatlösung und Dialyse ge¬ 
wonnen. Siehe U. Friedemann, Diese Zeitschrift. Bd. LXVII. S. 287. 

33* 


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P. Schmidt: 


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Antagonismus zwischen Albumin und Globulin bei der Wasser- 

mannschen Reaktion. 

Es war wichtig, diese Resultate noch nach einer anderen Richtung 
zu verfolgen. U. Friedemann nimmt für normale Sera an, daß die 
Wassermann sehe Reaktion durch eine antagonistische Wirkung der 
Albumine negativ wird, derart, daß die Globuline bei normalen Seren 
durch Albumin an ihrer Reaktion gehindert würden. Bei Luesserum sollen 
die Globuline schon quantitativ prävalieren. 

Die Schutzwirkung der Albumine versuchte ich in möglichst augen¬ 
fälliger Weise mit Alaunfällung darzustellen. Den Ätherextrakt konnte 
ich bei einem bestimmten Mengenverhältnis (2 cem Extraktverdünnung mit 
physiologischer Kochsalzlösung äi + 0 • 3 ccm Kalialaunlösung 1 °/ 00 in phy¬ 
siologischer Kochsalzlösung) im Wasserbad bei 37° sehr rasch, d. h. in 
wenigen Minuten zur Ausfüllung bringen. 1 

Albuminlösungen in physiologischer Kochsalzlösung vermögen nun d;<- 
Ausfüllung bei einem Zusatz von 0-5 ccm einer Verdünnung 1:1000 tat¬ 
sächlich noch ganz zu hindern oder doch um viele Stunden zu verzögern: 
dagegen tritt bei den Globulinen erst bei einer Konzentration von etwa 
1:80 eine solche Schutzwirkung ein. Von dieser Konzentration abwärts 
findet prompte Ausfüllung statt, wobei geringe Mengen Globulin mii 
gerissen werden. 

Übrigens beschleunigt schon die geringste Opaleszenz der 
Globulinlösung (infolge Beimischung gröberkolloidalen Globulins) die 
Ausfüllung um ein bedeutendes, während Albumintrübungen 
(durch Alkoholfällung, Evakuation bei 60° C und Papierfiltra¬ 
tion gewonnen) so gut wie ohne Einfluß sind. 2 

Man kann mithin sagen, daß die Schutzwirkung der Albu¬ 
mine gegenüber Extraktkolloid etwa lOmal stärker ist als die 
der Globuline bei Anwendung von Kalialaun als Fällungsmittel. 

Mischt man Albumin und Globulin so, daß man sich noch inner¬ 
halb der Schutzzone der Albumine befindet, so tritt mit Alaun zwar all¬ 
mählich eine allerfeinste Flockung, aber keine Ausfüllung und Sedimen- 
tierung mehr ein. — Unterschiede zwischen Lues- und Normalglobulin 

1 Bei diesen Versuchen leistete mir das von mir angegebene Wasserbad für 
die Wassermannsche Reaktion vorzügliche Dienste.*\Siehe P. Schmidt, Zur 
Apparatur und Technik der Wassermann sehen Reaktion. Münchener med. Wochen¬ 
schrift. 1911. Nr. 15. 

* Vielleicht waren die Hemmungen bei den Versuchen von Levaditi-Yama- 
nouchi mit Alkoholextrakten aus positivem Serum oder Liquor die Folge von 
Globulintrübungen. Siehe Comp/es Rendus de l a Socifte de Biologie, Seance du 
11 Janvier 1908. 


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Studien über das Wesen der Wassermannschen Reaktion. 517 


konnte ich nicht konstatieren. Betont sei nochmals, daß selbst 
minimale Trflbungen der Globulinlösung durch grob disperses 
Globulin von größtem Einfluß waren. 


Wassermannsche Reaktion mit Albumin- und Globulinlösung. 

Bei Anstellung der Wassermannschen Reaktion zeigte sich, daß 
die isolierten, schwach opalisierenden Globuline von dem genannten Ex¬ 
sudat eines Luetikers noch bis zu einer Verdünnung 1:3000 mit Extrakt 
deutliche, wenn auch keine kräftige Hemmung gaben, während die Kon¬ 
trollen gelöst waren. 1 Diese Globulinlösungen neigen, obwohl steril im 
Eisschrank auf bewahrt, stets zu Trübungen beim Stehen. In stärkeren 
Konzentrationen von etwa 1 / i00 trat oft schon Eigenhemmung auf, ganz 
besonders wenn Trübungen vorhanden waren. Der außerordentlichs 
Einfluß selbst minimaler Trübungen auf den Grad der Hem¬ 
mung ließ sich experimentell durch künstliche Beimengung 
von Spuren trüber Globulinlösung zu völlig klaren, durch 
Berkefeldkerzen filtrierten Globulinlösungen erweisen, während 
Albumintrübungen fast wirkungslos waren. 

Gerade bei schwach opalisierenden Lösungen der Globuline etwa in 
der Verdünnung 1:400 habe ich die stärksten Wassermannschen Reak¬ 
tionen gesehen mit zwar etwas verspäteter, aber doch völliger Lösung 
der Kontrolle ohne Extrakt. Die Hemmungen bei völlig klaren, 
filtrierten Globulinlösungen waren stets schwächer und lösten 
langsam nach. 

Mit Albuminlösungen trat noch in der Konzentration 1:100 glatte 
Hämolyse ein wie bei Normalseren. 

Bei Gemischen von beiden, gleichviel ob mit Normal- oder Lues¬ 
globulin, schien mir die Schutzwirkung der Albumine zurückzutreten. 
Dasselbe war der Fall, wenn ich Normalserum mit einem Überschuß von 
Globulin beschickte. Besonders betont sei, daß Normalsera, 
künstlich mit Spuren von trübem Globulinkolloid versetzt, 
die schönsten positiven Wassermannschen Reaktionen mit früh¬ 
zeitiger Lösung der Kontrollen ohne Extrakt geben. 

Der Umstand, daß die Wassermannsche Reaktion mit völlig klaren, 
durch Berkefeldkerzen filtrierten Globulinen meist schwächere Hemmungen 
gibt als mit selbst klaren luetischen Seren, liegt vielleicht an der ein¬ 
greifenden Art der Darstellung. — Es ist mit isoliertem Globulin natur- 

1 Es wurde mit halben Mengen gearbeitet, von den Globulin- bzw. Albumin¬ 
lösungen dementsprechend immer 0-5 ccm zugesetzt. 


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P. Schmidt: 


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gemäß nicht möglich, künstlich den Grad der Dispersität genau so wie 
im Serum herzustellen. Inwieweit schwache Opaleszenzen besonders des 
aktiven Serums, die auf dem Kolloidzustand der Globuline beruhen könnten, 
den Ausfall der Wassermannschen Reaktion zu beeinflussen vermögen, 
ist nicht bekannt. Mir scheint aber, daß sich in dieser Hinsicht 
selbst schwache Globulintrübung wesentlich anders verhält 
als etwa Fetttrübung. Die letzteren sind von keinem oder doch 
geringem Einfluß, wohl weil sie mit dem Extrakt kolloid gleichsinnig, d.h. 
negativ geladen sind. 

Normal- und Luesglobuline. 

Die Annahme Friedemanns, daß die Schutzwirkung der Albumine 
durch ein quantitatives Überwiegen der Globuline aufgehoben würde, 
scheinen die Fälle zu widerlegen, wo bei positivem Wassermann von einer 
Vermehrung der Globuline keine Rede ist. 1 2 Wenn auch das Verhalten 
des Liquor bei Paralyse für Friedemanns Ansicht sprechen könnte*, 
so muß man doch wohl auf Grund der genannten Beobachtungen die 
Möglichkeit offen lassen, oder sogar betonen, daß den Lues¬ 
globulinen im nativen Luesserum eine größere Reaktions¬ 
fähigkeit, eine größere Affinität zum Extraktkolloid als Normal¬ 
globulin im nativen Normalserum eigen ist. Und dafür sprechen 
mehrere Tatsachen, z. B. die Veränderung der Normalglobuline im aktiven 
Normalserum beim Stehen. Bekanntlich wird Normalserum beim Stehen 
unter Verminderung der Alkaleszenz in 4 bis 5 Tagen, im aktiven Zu¬ 
stande Wassermann-positiv, ich vermute durch eine Dissoziation der 
Globuline unter Freiwerden von H-Ionen. s Dieser Vorgang geschieht unter 
leichter Trübung des Serums, die beim Inaktivieren wieder schwindet. 
Mit solcher Trübung geht offenbar die Bildung neuer Ober¬ 
flächen Hand in Hand und zwar vermutlich in der Globulin¬ 
fraktion. Beim Inaktivieren werden die freien H-Ionen vertrieben oder 
zerstört, so daß die Globuline wieder in feinere Lösung gehen können. 
Vielleicht, daß beim Luesserum die Dispersität der Globuline 
soweit vergrößert und stabilisiert ist, daß eine weitergehen-k 
Lösung beim Inaktivieren nicht mehr möglich ist. Eine geringe 
Verringerung der hemmenden Fähigkeiten findet ja auch beim Luesserum 
durch Inaktivieren statt. 

1 Elias, Neubauer, Borges, Salomoo, Wiener klin. Wochenschrift 190S. 
Nr. 11 u. 21. 

2 Nonne, Deutsche Zeitschrift für Servenheilkunde . Bd. XXXVI. 

s 8. H. Handovsky, Fortschritte in der Culloidchemie der Fttceißkorper. 
Dresden PU1. 


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Studien übee das Wesen der Wassekmannschen Reaktion. 519 

Ähnliche Verhältnisse bieten Eklampsiesera, welche aktiv schon 
am Tage der Entnahme positiv und zwar oft stark positiv sind, 
dagegen inaktiv größtenteils negativ reagieren; von 12 Eklampsieseren 
aus der hiesigen Frauenklinik blieben nach dem Inaktivieren noch zwei 
positiv, das eine mittelstark, das andere nur schwach. Es wäre denkbar, 
daß unter dem Einflüsse der Vermehrung der organischen Säuren, die bei 
Eklampsie erwiesen ist, eine stärkere Dissoziation und gröbere Dispersität 
des Globulins einträte, die nach Zerstörung der H-Ionen teilweise oder 
ganz wieder schwände. Die CO, scheint dabei eine geringe Rolle zu 
spielen, da die eklamptischen aktiven Sera nach Evakuieren noch positiv 
reagieren, desgleichen auch nach Filtrieren durch BerkefeldAlter. Das 
letztere schwächt die Eklampsiereagine ebenso wie die „Luesreagine“ nur 
wenig. 

Mechanismus der Wassermannschen Reaktion. 

Es kann meines Erachtens kaum einem Zweifel unterliegen, daß der 
Eintritt der Hämolyse bei normalen Seris im Sinne Friedemanns durch 
die Schutzwirkung der Albumine bedingt ist Je kräftiger dieselbe ist, 
desto weniger werden Globuline und Extrakt reagieren können. Es ist 
klar, daß alle Grade solcher Schutzwirkung möglich sind, wie man ja 
auch de facto bei den normalen Seris sehr verschiedene Grade der Stärke 
bzw. Schnelligkeit der Hämolyse beobachtet. 1 

Überwiegen nun die Globuline, sei es quantitativ oder qualitativ, so 
tritt eine Umladung des Extraktkolloids ein, und es bilden sich neue 
freie Oberflächen in Form feinster Globulinteilchen und vergrößerter 
Extraktteilchen. Bei diesen Vorgängen, die progredienter Natur sind, 
findet nun Komplementadsorption auf die neuen Oberflächen statt. 2 

Für das Auge sichtbar braucht diese Veränderung natürlich nicht 
zu sein. Befinden sich die Globuline vorher schon in einem labilen Zu¬ 
stande (wenn sie z. B. etwas gröber dispers sind), so bedarf es vielleicht 
nur noch eines geringen Anstoßes durch das Extraktkolloid und sie fallen 
in feinster Verteilung aus. Wärme beschleunigt diesen Vorgang wesentlich. 
Auf dieser großen Variabilität der Kolloidgröße der aus- 

1 Vielleicht wäre es zweckmäßig, durch Zusammenmischen vieler Normalsera 
ein Durchschnitts-Normalserum zu schaffen, ebenso ein Luesserum von durchschnitt¬ 
licher Hemmung. Zur Aufbewahrung ließen sich solche Gemische durch Filtrieren 
mit Berkefeldfiltern sterilisieren. Wie ich mich überzeugte, wurden alte verdorbene 
und selbst hemmend gewordene Luessera auf diese Weise wieder gut brauchbar, da 
die „Luesreagine * 4 größtenteils die Berkefeldfilter passieren. 

% E. Seligraann u. Pinkus, Zeitschrift für Immunitätsforschunq u. experim. 
Th erat ie. 1910. Bd. V. 


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P. Schmidt: 


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fallenden and am Extraktkolloid angelagerten Globulinteilchen 
scheint mir die außerordentliche Empfindlichkeit und Schärfe 
der Wassermannschen Reaktion zu beruhen, mit welcher die 
Ausflockungsreaktionen natürlich nicht konkurrieren können. — Durch 
längeres Stehen treten allmählich naturgemäß auch stärkere Zusammen¬ 
ballungen und Sedimentierungen des von Globulinteilchen umhüllten Ex¬ 
traktkolloids auf. 

Die Adsorption des Komplements wird wahrscheinlich durch seinen 
ebenfalls kolloidalen Charakter erleichtert. Daß es sich beim Komplement 
um ein Kolloid von sogar ziemlich grober Dispersität handelt, geht ans 
seinem Verhalten bei der Filtration durch Berkefeldfilter hervor. Da? 
Komplement passiert das Berkefeldfilter in der üblichen Ver¬ 
dünnung 1:10 überhaupt nicht mehr und geht im unverdünnten 
Zustande zu etwa 50 oder mehr Prozent hindurch, ein Beweis dafür, 
daß das Komplementkolloid beim Verdünnen mit physiologischer 
Kochsalzlösung noch gröber dispers wird als im Serum. 


Zusammenfassung. 

1. Die Wassermannsche Reaktion ist eine Kolloidreaktion 
im Sinne von 0. Porges und seinen Mitarbeitern. 

2. Sie beruht auf der Bildung neuer freier Oberflächen 
durch Ausfällung äußerst feiner Teilchen auf dem Extrakt- 
kolloid wahrscheinlich durch Umladung der an sich elek¬ 
trisch negativ geladenen Extraktkolloidteilchen. 

3. Diese Bildung neuer Oberflächen erfolgt durch ein Zu¬ 
sammenwirken der Globuline mit dem Extraktkolloid, zwischen 
denen eine starke Affinität besteht. 

4. Im Normalserum wird diese Reaktion durch die Schutz¬ 
wirkung der Albumine verhindert oder doch stark verzögert. 

5. Beim Luesserum überwiegen die Globuline, sei es quan¬ 
titativ oder qualitativ durch den Grad der Dispersität oder 
beides. Die Dispersität könnte durch stärkere Dissoziation mit 
Vorherrschen der H-Ionen (Fermente) beeinflußt sein. 

6. Normal- und Luesglobuline geben mit Extrakt mehr 
oder weniger starke Hemmungen. Dieselben sind am stärksten, 
wenn die Globulinlösungen von feinsten suspendierten Globulin¬ 
teilchen opalisierend sind. Albuminlösung verhält sich wie 
normales Serum. Albumintrübungen sind ebenso wie die Fett¬ 
trübungen fast wirkungslos. — Die schönsten Wassermann¬ 
schen Reaktionen liefern Normalsera + Globulintrübungen. 


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Studien übee das Wesen dee Wasseemannschen Reaktion. 521 

7. Die Schutzwirkujng von Albuminlösungen für Extrakt¬ 
kolloid gegenüber Alaun als Fällungsmittel ist etwa lOmal so 
groß als die von Globulinlösnngen. Bei der Wassermannschen 
Reaktion sind die Globuline direkt als Fällungsmittel gegen¬ 
über Extraktkolloid aufzufassen. Die Fällung von Globulin- 
Extraktgemischen durch Alaun geschieht um so prompter, je 
trüber das Gemisch ist. 

8. Das mit physiologischer Kochsalzlösung 1:10 verdünnte 
Komplement passiert Berkefeldfilter nicht, ist also ein Kolloid 
von relativ grober Dispersität. Von konzentriertem frischen 
Meerschweinchenserum passiert ungefähr die Hälfte Komple¬ 
ment das Berkefeldfilter. Es ist also offenbar im unverdünnten 
Serum in einem feiner dispersen Zustande. 

Am Schlüsse dieser Arbeit erfülle ich die angenehme Pflicht, Hm. 
Prof. Dr. Herbert Freundlich, jetzigem Vorstand des physikalisch¬ 
chemischen Instituts der technischen Hochschule in Braunschweig, für 
die liebenswürdige Beratung und Hilfeleistung bei meinen Studien meinen 
verbindlichsten Dank abzustatten. 


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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Leipzig.] 
(Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. Hofmann.) 


Das Berkefeldtilter 

zum Nachweis von Bakterien im Wasser. 

Von 

Dr. Erioh Hesse, 

Oberarzt im 11. Infanterie-Regiment Nr. 139, kommandiert zum Institut. 


Das Vorkommen und der Nachweis pathogener Keime im Wasser hat 
infolge vervollkommneterer Untersuchungsmethoden der modernen Bakterio¬ 
logie gegen früher eine große Bedeutung gewonnen. Wie der Verbreitung 
von Cholera durch infiziertes Wasser, besonders das schiffbarer Flüsse, 
Vorschub geleistet wird, so ist es sowohl beim epidemischen wie auch 
beim endemischen Typhus oft genug das Wasser, das für die Unterhaltung 
und Verschleppung der Keime verantwortlich zu machen ist. Und was für 
Cholera und Typhus gilt, das hat seine Berechtigung auch für Dysenterie 
(besonders in den Tropen) wie überhaupt für die verschiedensten Formen 
infektiöser Darmerkrankungen, deren Erreger nicht nur durch den Genuß 
verseuchter Wässer, sondern auch infolge ihrer Benutzung zu Reinigungs¬ 
zwecken im Haushalt und beim Baden in den menschlichen Organismus 
gelangen können. 

Der Nachweis des Cholerabacillus im Jahre 1883 durch Robert 
Koch hatte ein intensives Forschen nach seinen biologischen Eigentüm¬ 
lichkeiten zur Folge und es gelang durch die bekannte Peptonwasser¬ 
anreicherung relativ leicht, ihn, wenn er nicht gar zu spärlich vorhanden 
war, aus dem Wasser zu isolieren. 

Leider ließ sich diese oder eine analoge Nächweismethode für den 
Typhusbacillus und andere ähnliche Keime nicht anwenden, wenigstens 


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Erich Hesse: Berkefeldfilter z. Nachweis v. Bakterien dsw. 523 

haben die zahlreichen in dieser Richtung angelegten Versuche keine be¬ 
friedigenden Erfolge gehabt. Das Prinzip dieser Arbeiten war einerseits, 
Nährböden zu suchen, die infolge bestimmt wirkender chemischer Zusätze 
(Karbolsäure, Salzsäure, Zitronensäure, Methylviolett, Naphthol, Jodtrichlo- 
rid, Jodkalium, Malachitgrün) die Typhusbazillen und ihre nächsten Ver¬ 
wandten wachsen lassen, andere Keime, so die zahlreichen das Bild ver¬ 
schleiernden Wasserkeime, die Colibazillen u. a. unterdrücken sollten. 
Andererseits wurde eine Temperatur zum Bebrüten infizierter Bouillon¬ 
kölbchen gewählt, die für eine große Anzahl (nicht pathogener) Keime zu 
hoch war und deshalb schon eine Einengung der gesuchten Krank¬ 
heitserreger eintreten ließ. 

Die Beweglichkeit der Typhusbazillen wurde zwecks ihrer Isolierung 
in dem Sinne nutzbar gemacht, daß sie die Chamberlandsche Porzellan¬ 
kerze schneller als andere Keime durchwachsen sollten. 

Auch für den Nachweis von Bacterium coli, dessen Bedeutung für 
die Beurteilung des Trinkwassers nach den heutigen Ansichten [Gärtner (1)] 
früher sicher überschätzt oder nicht immer richtig gedeutet wurde, sind 
verschiedene Methoden im Sinne elektiv wirkender Nährböden (Heuinfus, 
Laktosebouillon) ausgearbeitet und spezifische biologische Eigentümlich¬ 
keiten (Vergärung von Traubenzucker) herangezogen worden. 

Im Jahre 1901 beschrieb Vallet (2) eine Methode, darin bestehend, 
daß er dem zu untersuchenden Wasser Natriumhyposulfit und Bleinitrat 
zusetzte und so eine Fällung der in das flockige Sediment eingeschlossenen 
Bakterien herbeiführte. Der Niederschlag wurde mit Natriumhyposulfit 
wieder gelöst und die Lösung auf Nährböden verarbeitet. Von Schüder (3) 
wurde im Jahre 1903 diese Methode weiter ausgearbeitet 

Bei einer Nachprüfung dieses Verfahrens konnte Ficker (4) bei weitem 
nicht die ausgesäte Bakterienmenge wiederfinden und er benutzte, von 
der Voraussetzung ausgehend, daß die ungünstigen Ergebnisse in unvoll¬ 
kommener Fällung ihren Grund hätten, Eisensulfat (Ferrisulfat) als 
Fällungsmittel, nachdem er vorher das Wasser mit Soda alkalisiert hatte. 
Den mit neutralem weinsauren Kali gelösten Niederschlag verdünnte er 
mit Bouillon und verarbeitete einen Teil davon auf Drigalskiplatten. Die 
Zahl der gefundenen Kolonien berechnete er auf das ganze Sediment. Er 
konnte auf diese Weise in 2 Liter Wasser 97 bis 98 Prozent der ein¬ 
gesäten Bakterien wiederfinden. 

Von Müller (5), der die günstigen Resultate Fickers mit der 
Ferrisulfatfällung nicht erreichen konnte, wurde zu diesem Zweck der 
Liquor fern oxychlorati ausprobiert, von dem er 5 ccra in 2 Liter Wasser, 
das mit Typhusbazillen infiziert worden war, brachte. Eine vorherige Alkali¬ 
sierung war nicht notwendig. Der nach 1 / 2 Stunde abgesetzte Nieder- 


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524 


Ebich Hesse: 


schlag wurde durch ein steriles Filter filtriert, mit einem Platinspatel ab¬ 
geschabt und ganz oder zu einem bestimmten Bruchteil auf Drigalski- 
platten verarbeitet. Es gelang ihm, in einem Falle 98.2 Prozent der 
Einsaat nachzuweisen (von 900 Keimen 884). Er ist der Ansicht, daß 
dem Eisensulfat eine geringere Fällungskraft wie dem Liquor ferri oxy- 
chlorati zukommt. 

Als weiteres Fällungsmittel wurde von Feistmantel (6) vorgeschlagen, 
dem zu untersuchenden Wasser Soda und Alaun zuzusetzen. Bei einer 
Nachprüfung dieser Methode durch Müller (lit. conf. 5) blieben die Resul¬ 
tate aber weit hinter denen der beiden Eisenpräparate zurück. 

Um die sich widersprechenden Angaben Fickers und Müllers zu 
prüfen, stellte Nieter (7) vergleichende Parallel versuche nach den Metho¬ 
den beider Autoren an. Er kam zu dem Ergebnis, daß er bei dem Ferri- 
sulfatverfahren nicht nur regelmäßig weniger Kolonien erzielte wie beim 
Liquor ferri oxychlorati, sondern daß ersteres bei Verdünnungen bereits 
versagte, wo er nach der Müllersehen Methode noch erfolgreich arbeitete. 
Allerdings konnte Nieter die günstigen Resultate Müllers auch nicht 
immer erreichen. 

Es wurden daraufhin von Hilgermanu (8) nochmals Versuche mit 
den beiden Eisenpräparaten vorgenommen. Als Durchschnittswerte fand er 
nach Ficker bei keimarmen Wässern 53-5 Prozent, bei keimreichen (Flu߬ 
wasser) 31 Prozent der Aussaat wieder, während die entsprechenden Zahlen 
nach Müller sich auf 33 Prozent und auf 0 Prozent stellten. 

Hilgermann betont ausdrücklich als einen besonderen Vorzug der 
Fickerschen Methode, bei der ein kleiner Teil des Sediments gelöst und 
mit Bouillon verdünnt verarbeitet wird, daß man je nach dem Grad der 
vorausgegangenen Verdünnungen die ermittelten Kolonien bei der Berech¬ 
nung ihrer Gesamtzahl mit einem mehr oder weniger hohen Betrag mul¬ 
tiplizieren müsse. Die Resultate würden dadurch erheblich günstiger wie 
in den Fällen, wo — bei ungelöstem Sediment — die Multiplikatiouszahl 
eine niedrigere ist. Bei der großen Schwierigkeit, Bakterien, namentlich 
wenn es sich um geringe Mengen handelt, in einer Flüssigkeit gleich¬ 
mäßig zu verteilen, kann ich es nicht für angängig erachten, den Schluß 
zu ziehen, daß, wenn z. B. in einem Kubikzentimeter Flüssigkeit oder 
Sediment ein Keim gefunden wurde, in 10Ü ccra deren 100 sein müssen. 
Eine Serie von Zählplatten, die aus demselben peiulichst durchgeschüttelten 
Tropfglas angefertigt werden, legt das sofort dar. Und Hilgermann 
arbeitet mit Verdünnungen und entsprechender Multiplikation bis zu 260 
(bei 11 Versuchen im Mittel 75)! Er hat also, wenn er im 260. Teil 
des Sediments 1 Keim findet — sein Versuch 1 —, 260 wiedergefunden! 


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Das Bebkefeldfilteb z. Nachweis von Baktebien im Wasseb. 625 

Wie bei derartigem Vorgehen leicht Fehlerfolge eintreten können, so ist es 
auch möglich, daß er ein Vielfaches der Aussaat wiederfindet. Einen An¬ 
spruch auf Genauigkeit können solche Zahlen jedenfalls nicht machen. 
Außerdem setzt die Verdünnung selbstverständlich der Nachweismöglich - 
keit überhaupt eine Grenze. Denn wenn in 2 Liter Wasser z. B. noch 
30 Keime sind und ich untersuche nur den 40. Teil des Sediments, so 
kann korrekterweise — annähernd gleiche Verteilung vorausgesetzt — 
überhaupt ein Erfolg nicht mehr erwartet werden. So fällt denn 
Versuch V, bei dem 14 Keime in 2 Liter zur Aussaat kamen, negativ 
aus, vielleicht aus dem Grunde! Leider fehlen hier nähere Angaben. 

Wo aber Hilgermann größere Mengen ungelösten Sediments verar¬ 
beitet und dementsprechend mit niedrigeren Zahlen die gefundenen Kolo¬ 
nien multiplizieren muß, da lassen seine Resultate in deutlicher Weise 
nach. Gerade die tatsächlich ermittelte Kolonienzahl, nicht 
die durch Multiplikation berechnete, bedingt in Anbetracht 
der wohl nie gleichmäßigen Verteilung die Zuverlässigkeit in 
bezug auf quantitativen Nachweis! Und die positiv vorhandenen 
Kolonien waren in Hilgermanns Versuchen bei der Fickerschen 
Fällung stets geringer an Zahl wie bei der Müll ersehen (infolge weniger 
starker Verdünnung). 

Wenn Hilgermann das Müllersche Verfahren bei keimarmen, 
d. h. bei durch andere Keime weniger stark verunreinigten Wässern, 
immerhin als brauchbar bezeichnet, so verwirft er es völlig bei solchen 
mit hohem Keimgehalt, da er in 2 Fällen negativen Erfolg hatte, in denen 
er mit der Fickerschen Methode noch befriedigende Resultate verzeichnen 
durfte. Er säte in je 2 Liter Spreewasser, das durch Bakterien stark 
verunreinigt ist, einmal 2142, das andere Mal 539 Typhusbazillen und 
fällte in beiden Versuchen sowohl nach Ficker wie nach Müller. Die 
durch die Fickersche Methode erzielten Drigalskiplatten ließen im ersten 
Fall neben zahlreichen Wasserkeimen eine Kolonie durch Agglutination 
als Typhus feststellen — „mit Berücksichtigung Verdünnungen = 260“ —, 
im zweiten Fall wurden durch das Multiplikationsverfahren (mit 90) 
270 Keime wiedergefunden. Die mit dem Müllersediment beschickten 
Platten zeigten ein derartig dichtes Bakterienwachstum, daß eine Identifi¬ 
zierung der Kolonien völlig ausgeschlossen und bei einer Anzahl vorge¬ 
nommener Agglutinationen das Ergebnis in allen Fällen negativ war. Die 
Müllersche Methode hatte also in den beiden Versuchen, in denen er mit 
Ferrisulfat gute Erfolge hatte, versagt. 

Es dürfte aber doch wohl ein recht mitspreebender Faktor darin zu 
suchen sein, daß bei den Ferrisulfatfällungen vom Gesamtsediment der 260., 
bzw. der 90. Teil, bei den Fällungen mit Liquor ferri oxychlorati aber der 


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526 


Erich Hesse: 


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4., bzw. der 8. Teil verarbeitet wurde! Man darf es doch wohl kaum auf das 
Eisenoxychlorid zurückführen, wenn aus der 65 fachen Menge Spreewasser 
mehr Keime aufgehen als aus der einfachen! Sicherlich würden bei Ver¬ 
arbeitung gleicher Mengen, was in einer der Fickerschen Methode ent¬ 
sprechenden Weise oder mit Hilfe von Kreissektoren, die vor der Steri¬ 
lisierung in bestimmter Größe in das Filter eingezeichnet wurden, leicht 
geschehen konnte, die Ergebnisse nach Müller ganz erheblich anders aus¬ 
gefallen sein. 

Endlich kann ich mich nicht damit einverstanden erklären, daß 
Hilgermann für die Versuche selbst Drigalskioberflächenkulturen, für die 
Kontrollzählplatten aber Agargußplatten verwendet, da die in beiden Fällen 
angehende Bakterienzahl sich keinesfalls entspricht. 

Zum Nachweis von Colibazillen im Wasser hat Federolf (9) Ver¬ 
gleiche zwischen der Ferrisulfatfällungund den Methoden nach Petruschkv 
und Eijkmaun angestellt. Er konnte mit der Fällung noch 7 Keime 
in 1 Liter nachweisen, während die beiden anderen Methoden bereits er¬ 
heblich früher im Stich ließen. Sehr richtig bemerkt er, würde er bei 
Verarbeitung des ganzen Liters Wasser nach Eijkmann oder Petruschk v 
vielleicht auch noch positive Resultate erzielt haben, eben aus dem Grunde, 
weil eine gleichmäßige Verteilung einer geringen Anzahl von Keimen in 
1 Liter Wasser kaum durchführbar ist. Das geht ja auch aus seinen nach 
der Fickerschen Methode angestellten Versuchen hervor. Freilich muß 
ohne weiteres zugegeben werden, daß die Verarbeitung größerer Mengen, 
also etwa 1 Liter, nach Petruschky oder Eijkmann praktisch großen 
Schwierigkeiten begegnet. 

Seine am Schluß der Arbeit ausgesprochene Ansicht über die Er¬ 
kennung der Colikolouien auf Drigalskiagar allein aus Rotfarbung, Größe 
und Undurchsichtigkeit kann ich nicht anerkennen, da es doch außer den 
Colibazillen noch eine große Anzahl anderer Keime gibt, die Säure bilden und 
deshalb als rote Kolonien erscheinen. Auch habe ich seine „dunkelroten'* 
Kolonien bei Colireinkulturen nie gesehen, wohl aber oft bei verunreinigten 
Wässern. Es handelte sich dann aber, wie die weitere Prüfung ergab, 
um Prodigiosus. Alle roten Kolonien auf Drigalski ohne weiteres als 
Coli zu deuten, würde zu recht unangenehmen Fehlschlüssen Veran¬ 
lassung geben. 

Auch Federolf verwendet zum Zählen Agargußplatten, während er 
die Versuche mit Drigalskiplatten anstellt. 

Jedenfalls ist aber so viel sicher, daß durch Einführung der beiden 
Eisenfällungsmethoden ein ganz bedeutender Fortschritt in der bakterio¬ 
logischen Wasseruntersuchung herbeigeführt wurde, denn die damit er- 


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Das Beekefeldfiltee z. Nachweis von Baktebien lm Wasseb. 527 

reichte Einengung ermöglichte es zum erstenmal, größere Mengen von 
Wasser einer erfolgreichen Untersuchung zugänglich zu machen. 

Wenn trotzdem in der Literatur immer wieder der Mangel eines noch 
intensiveren Einengungsverfahrens betont wird, so hat das seine Veran¬ 
lassung darin, daß, wenn nicht eine sehr große Zahl von Platten ange¬ 
legt werden soll, immer nur ein Teil des Sediments verarbeitet werden 
kann was bei sehr geringem Keimgehalt besonders bei den nach Ficker 
notwendigen Verdünnungen doch sehr in die Wagschale fällt. Ferner 
würde eine Verarbeitung noch größerer Wassermengen wie 2 Liter in 
mehrfacher Beziehung auf große technische Schwierigkeiten stoßen, wie¬ 
wohl sie bisweilen recht erwünscht sein dürfte. 

Schließlich möchte ich noch auf eine Arbeit von Ri ecke (10) ver¬ 
weisen, worin er an eingehenden Versuchen darlegt, daß Ferrisulfat infolge 
der dem chemisch nicht reinen Präparat anhaftenden 4 bis 5 Prozent 
Schwefelsäure sich den Bakterien gegenüber, besonders den Cholera- und 
Typhusbazillen, als keinesfalls indifferent, sondern noch in 0*03 Prozent 
Verdünnung als ein energisches Desinfektionsmittel erwies. Neben der 
Schwefelsäure führt Ri ecke die desinfizierende Wirkung auf die Metall¬ 
salze zurück. Besonders empfindlich dem Ferrisulfat gegenüber erwiesen 
sich die Cholerabazillen, weswegen eine erfolgreiche Anwendung der 
Fickerschen Methode zum Nachweis dieser Keime recht fraglich sein 
dürfte. Analoge Versuche für den Liquor fern oxychlorati fehlen, doch 
wird auch bei diesem Stoff mit der Möglichkeit gerechnet werden dürfen, 
daß namentlich hei längerer Einwirkung eine Schädigung der Bakterien 
nicht ausgeschlossen ist. 

Sind also diese Bedenken bei einer durch chemische Vorgänge 
bedingten Trennung von Bakterien und Flüssigkeit nicht von 
der Hand zu weisen, so dürfte eine auf geeignete Weise erreichte mecha¬ 
nische Isolierung ihre Beseitigung erhoffen lassen. 

Lange vor Einführung der Fällungsmethoden verwandte Klein (11) 
das Berkefeldfilter im obigen Sinne zum Nachweis von Typhusbazillen. 
Er sog mehrere Liter verdächtigen Wassers durch einen Filter hindurch, 
schabte den auf der Oberfläche befindlichen Schlamm ab und brachte ihn 
auf Karbolgelatine. Die Erfolge entsprachen jedoch nicht den Erwartungen 
und die Methode konnte sich keine Anerkennung verschaffen. 

Im Jahre 1898 wurde von Jackson (12) ein modifizierter Sandfilter 
beschrieben, durch den er das zu untersuchende Wasser filtrierte. Der 
Rückstand wurde mikroskopisch untersucht. Da der zum Füllen benutzte 
Quarzsand ein Korngröße von etwa 0.5 rara besaß, konnte der Filter auf 
Bakteriendichtheit wohl keine Ansprüche erheben und die Resultate be¬ 
treffs Auffindens der gesuchten Keime blieben demgemäß bescheiden. 


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528 


Ebich Hesse: 


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Chantemesse (13) verwandte analog den Klein sehen Versuchen 
das Chamberland sehe Porzellanfilter, sog 6 Liter Wasser hindurch und 
verarbeitete die an der Außenfläche haftenden Bakterien mit Peptonwasser. 
Das in der weiteren Ausführung sehr umständliche Verfahren hat sich 
ebenfalls keinen Eingang verschaffen können. Wenn in bezug auf Bak- 
terienundurchlässigkeit das Chamberlandfilter auch vorzüglich arbeitet, so 
ist doch seine Ergiebigkeit so gering, daß größere Mengen Flüssigkeit 
nur in längeren Zeiträumen und unter Anwendung stärkeren Druckes 
filtriert werden können, zwei Umstände, die für die Keime gewiß nicht 
ohne Einfluß sind. 

Durch P. Schmidt (14) wurde der Mechanismus der Bakterieu- 
filtration durch Berkefeldfilter und zwar vom neuen, verbesserten Typus 
mit Innenkittung genau studiert. Schmidt konnte zunächst nach- 
weisen, bis zu welcher Bakteriengröße das Berkefeldfilter noch dicht war 
und konnte weiterhin bestätigen, daß die das Filter nicht passierenden 
Keime fast nur auf der Oberfläche der Kerze niedergeschlagen wurden 
und dadurch eine Verstopfung der oberflächlichsten Poren herbeiführten. 
Durch rückläufige Spülung mit einer Druckpumpe gelang es ihm, eine 
fast völlige Reinigung der Kerze zu erzielen. Die die Kerze verstopfenden 
Keime durften daher größtenteils in der Rückspülflüssigkeit vermutet 
werden! 

Auf eine von Schmidt ausgehende Anregung hin, für die ich ihm 
ebenso wie für zahlreiche wertvolle Ratschläge bei den späteren Unter¬ 
suchungen meinen ergebensten Dank ausspreche, versuchte ich mir über 
den Verbleib der aus den Kerzen durch rückläufige Spülung entfernten 
Keime Klarheit zu verschaffen und im speziellen auszuprobieren, ob aut 
diese Weise ein der Einsaat nahekommender Prozentsatz der Keime wieder¬ 
gefunden werden könnte. 

Ich habe daher eine große Reihe von Versuchen angestellt, die mit 
verschiedenen Kerzentypen ausgeführt und bezüglich der Verarbeitung 
der Rückspülflüssigkeit nach den verschiedensten Gesichtspunkten hin 
unternommen wurden. Die untersuchten (filtrierten) Wassermengen 
schwankten zwischen 1 und 10 Liter. 

Wenn ich aus äußerlichen Gründen darauf verzichten muß, das ganze 
umfangreiche Material wiederzugeben, so erscheint es mir doch notwendig, 
eine Anzahl charakteristischer Versuche, unabhängig von ihrem Ausfall, 
in näheren Einzelheiten anzuführen. Im übrigen werde ich mich auf 
Angabe der berechneten Prozentzahlen, denen, je nach der Modifikation, 
bis zu 168 Filtrationsversuche zugrunde liegen, beschränken. 


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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 529 


Vorversuche. 

Für meine orientierenden Vorversuche, die zunächst einmal feststellen 
sollten, ob von dem Verfahren überhaupt ein Erfolg zu erwarten sei oder 
nicht, verwandte ich die unter der Bezeichnung „Liliput“ im Handel be¬ 
findliche Berkefeldkerze von 6 0m Länge und Vj t cm Durchmesser. Mit dem 
Vakuum der Wasserstrahlpumpe (bei gut arbeitender Pumpe 74 cm Hg) 
wurde 1 Liter Wasser in 30 bis 40 Minuten durch die Kerze gesogen. 
Die rückläufige Spülung wurde mit der Druckpumpe des „kleinen Armee¬ 
filters“ der Berkefeldfilter-Gesellschaft mit reinem Leitungswasser vor¬ 
genommen, das indes später, namentlich wenn mit Gelatinenährböden 
gearbeitet wurde, durch physiologische sterile Kochsalzlösung ersetzt 
wurde. Ebenso mußte bei den Gelatineversuchen vor jedem Gebrauch, 
um etwa in dem rückständigen Pumpenwasser angereicherte Keime zu 
vernichten, die Pumpe mit kochendem Wasser durchgespült werden, wo¬ 
durch allerdings eine öftere Erneuerung der Dichtungen notwendig wird. 

Als Bakterienmaterial verwandte ich eine 20 ständige Agarkultur von 
Bacterium coli, von der eine Normalöse zunächst mit 2 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung verrieben wurde, um eine möglichst feine Verteilung der 
Bakterien herbeizuführen. Hiervon wurden die weiteren Verdünnungen 
mit steriler physiologischer Kochsalzlösung hergestellt, und zwar im Inter¬ 
esse größtmöglicher Gleichmäßigkeit mit nicht zu kleinen Mischquanten. 
Sämtliche Apparate und Gefäße wurden vor Gebrauch sterilisiert, die in 
Fließpapier verpackten Kerzen mit gelockerter Schraubenmutter 1 Stunde 
im Dampftopf. Die während der Sterilisation angezogene Schraube hat 
leicht ein Zerspringen der sehr empfindlichen Glaszylinder zur Folge. 
Als Nährböden dienten vorläufig große Drigalskiplatten. Das Ergebnis 
wurde nach 24 ständiger Bebrütung (37°) abgelesen. 

1. Versuch: Je 1 Liter physiologischer Kochsalzlösung wird mit 
V3000 Gse Kultur infiziert und filtriert. 

Kerze I wird mit sterilem Messer abgekratzt, der Brei auf eine Drigalski- 
platte verrieben. 

Kerze II wird mit 3 ccm Wasser durchgespült, dieses auf 2 Drigalski¬ 
platten verteilt. 

Resultat: I. Handtellergroßer verwaschener roter Belag, in dessen Um¬ 
gebung 85 einzelne Kolonien. 

II. Auf beiden Platten zusammen 710 Kolonien. 

2. Versuch: Je 1 Liter physiologischer Kochsalzlösung wird mit 
1 / 3 oooo Dse infiziert und filtriert. 

Kerze I. Rückspülung durch einen kurzen kräftigen Stoß auf eine 
Drigalskiplatte. 

Zeitsohr. f. Hygiene. LX1X 


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Ebich Hesse: 


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Kerze II. I0 ccm Rückspülung in Tropfglas (14 Tr. = 1 <cm ). 1. 2, 3 

und 4 Tropfen auf je eine Drigalskiplatte. 

Kerze HI. Je ein kurzer Stoß auf 3 Drigalskiplatten. 

Resultat: I. = 975 Kolonien.- 

II. 1 Tr. = 23 Kolonien, 2 Tr. = 36 Kolonien, 3 Tr. = 35 Kolonien. 
4 Tr. = 86 Kolonien. Es müßten demnach in 10 ccm Rückspülflüssigkeit 
2900 Keime gewesen sein. 

III. « = 1124 Kol., ß so 675 Kol., y = 239 Kol., Summa = 2038 Kol. 

3. Versuch: Je 2 Liter physiologischer Kochsalzlösung werden mit 

Vioo ooo ^ 8e nnd filtriert. 

Kerze I: lr Stoß (1 ccm ), Platte u. 

2. Stoß (l ccm ), Platte ß. 

3. Stoß, weglaufen lassen. 

4. Stoß (l ccm ), Platte r . 

Kerze II. 10 fCm Rückspülflüssigkeit in Tropfglas (14 Tr. = 1 tcm ). 
1 Tr. = «, 2 Tr. = ß, 5 Tr. = y. 

Resultat: I. « = 282 Kol., ß = 99 Kol., y = 54 Kol. = 435 Kolonien. 

ü. « = 7 Kol., (3 =6 Kol., r = 24 Kol. 

In 10 ccm Rückspülflüssigkeit wären demnach 647 Keime gewesen. 

4. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Viooooo ()se > n * 
fiziert und filtriert. Auf 3 Drigalskiplatten je ein Stoß mit der Druckpumpe, 
ohne dabei etwas fortlaufen zu lassen. 

Resultat: 1. Stoß = 516 Kol., 2. Stoß = 847 Kol., 3. Stoß = 137 Kol. 

5. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / 1 oooooo 0 se 
infiziert und filtriert. Verarbeitung wie bei Versuch Nr. 4. 

Resultat: 1. Stoß = 20 Kol., 2. Stoß = 8 Kol., 3. Stoß = 1 Kolonie. 

6. Versuch: Je 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vicooooo (U 
Viooooooo (II) un< I Vl’ooooooo (HI) Ö se infiziert und filtriert. Rückstoß direkt 
auf Drigalski. 

Resultat: I. = 6 Kol., II. = 9 Kol., III. = 1 Kolonie. 

Wenn ich nur diese sechs Vorversuche aufgeführt habe, so muß ich 
bemerken, daß ich deren im ganzen 24 gemacht habe und daß diese 
sechs keine Auswahl hinsichtlich günstigen Erfolges darstellen, sondern 
als Beispiele einzelner Modifikationen gewählt wurden. Von den 24 Vor¬ 
versuchen konnte ich 20 als unbedingt günstig bezeichnen, einen als 
mäßig, einen als schlecht und zwei als negativ. Der eine negative Erfolg 
war auf Verwendung eines noch heißen Glasspatels zurückzuführen, der 
zweite war einwandfrei durch völlig ungenügende Verteilung der Bakterien 
bedingt, ein Grund, der auch bei dem einen schlechten Erfolg verant¬ 
wortlich gemacht werden konnte. Diese Vorversuche, die zunächst fest¬ 
stellen sollten, ob überhaupt und nach welcher Richtung hin die Methode 
praktisch verwendbar wäre, waren allerdings geeignet, mich zur Fort¬ 
setzung der Versuche und einem genauen, auf quantitative Untersuchung 
hinzielenden Ausbau der Technik zu ermutigen! 


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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 531 

Ich durfte au9 ihnen zunächst folgendes entnehmen: 

1. Es ist möglich, mittels der Filtration und rückläufiger 
Spülung selbst bei einer so geringen Aussaat von ’/jooooooo Nor¬ 
malöse Agarkultur, die etwa 3 bis 6 Keimen entsprechen dürfte, 
diese in der Rückspülflüssigkeit noch nachzuweisen. 

2. Das meiste Bakterienmaterial wird mit den ersten kräf¬ 
tigen Stößen aus der Kerze entfernt. Wenn Versuch 4 dem wider¬ 
spricht, so kann das seinen Grund in kleinen unvermeidlichen Fehlern 
der Kerzen gehabt haben, etwa in der Weise, daß eine Anzahl Bakterien 
in einer tieferen Pore festsaßen, die erst auf den zweiten, vielleicht etwas 
heftigeren Stoß entfernt wurden. Jedenfalls konnten eine ganze Anzahl 
von Versuchsergebnissen mir diese Vermutung bekräftigen. 

3. Bei Verwendung größerer Mengen Rückspülflüssigkeit, 
etwa 10 ccm , von denen mittels geeichten Tropfglases eine ge¬ 
wisse Menge verarbeitet wird, können bessere Resultate er¬ 
zielt werden. Ich möchte aber bereits jetzt darauf hin weisen, daß ein 
derartiges Verfahren, wenn ein zu kleiner Teil des Rückstoßes 
verarbeitet wird, eine bedenkliche Fehlerquelle bedingen kann, 
da selbst ein intensives Durchschütteln (mit Glasperlen) nie eine 
absolut gleichmäßige Verteilung der Keime garantiert. 

Endlich zeigt der erste Vorversuch, der ebenfalls mehrfach ausgeführt 
wurde, daß ein Abkratzeu der Kerzen und Verarbeiten des Breies 
auf den Nährboden keine brauchbaren Resultate liefert. 

Weitere Versuche. 

Für die folgenden Versuche wurden stets vom gleichen Nährmedium 
Zählplatten angelegt, um ein annähernd genaues Prozentverhältnis der 
wiedergefundenen Keime berechnen zu können. Eine kritische Betrach¬ 
tung der prozentualen Werte muß ich am Schluß der Versuche folgen 
lassen. Zur Verarbeitung kamen Agar-, Bouillon- und Peptonwasser- 
kulturen von Bact. coli, Bact. paratyphi ß, Vibrio cholerae und Vibrio 
Finkler et Prior, die ein Alter von 18 bis 20 »Stunden hatten. Die 
günstigen Erfolge, die ich mit der Filterkerze 10V 3 (6 cra lang, 2 , /.> < ' ra 
Durchmesser) zu verzeichnen hatte, die bei absoluter Dichtheit eine wesent¬ 
lich schnellere Filtration ermöglicht, veranlaßten mich, in Zukunft diese 
Form anzuwenden. 

Zunächst sollte an der Hand einer größeren Versuchsreihe entschieden 
werden, wie sich prozentual die Ergebnisse gestalten, wenn die Kerze 
durch einige kräftige Stöße direkt auf das Nährmaterial — wieder große 

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Erich Hesse: 


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Drigalskiplatten — verarbeitet wird oder wenn etwa 10 ccm durchgedrückt 
und ein bestimmter Teil hiervon mit dem Tropfglas für die weitere Enter- 
suchung verwandt wird. Ich lasse eine Anzahl diesbezüglicher Versuche 
folgen. 


a) Direkte Übertragung des BüokstoBee auf die Platten. 

7. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vsooco 01 “ Coli- 
bouillonkultur infiziert, filtriert, rückläufige Spülung durch drei kräftige 
Stöße, <*, ß, y. 

Resultat: a = 301 Kol., ß = 221 Kol., y = 269 Kol. Summa = 
781 Kolonien, bei einer Aussaat von 2240 Keimen = 35 Prozent. 

8. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vsooooo e<n! Coli- 
bouillonkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch. 

Resultat: a = 51 Kol., ß = 24 Kol., y = 7jKol. Summa = 82 Kol. 
= 37 Prozent der Aussaat. 

9. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit */i oooojo c °"' Coli- 
bouillonkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch. 

Resultat: a = 18 Kol., ß = 18 Kol., y = 5 Kol. Summa = 41 Kol 
= 37 Prozent der Aussaat. 

10. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / l t()00< , 0 Üsc 
Coliagarkultur infiziert: Verarbeitung wie im 7. Versuch. 

Resultat: a = 83 Kol., ß = 8 Kol., y = 3 Kol. Summa = 94 Kol. 
= 100 Prozent der Aussaat. 

11. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / i0000 
Colibouillonkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch. 

Resultat: n = 1 Kol., ß = 3 Kol., y = 2 Kol. Summa = 6 Kol. 

= 42 Prozent der Aussaat. 

12. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit V«, 0 oooono C'se 
Coliagarkultur infiziert. Verarbeitung wie im 7. Versuch. 

Resultat: « = 0 Kol., ß = 0 Kol., y = 1 Kol. Summa = 1 KoL 

= 33 Prozent der Aussaat. 


b) Verarbeitung mit dem Tropfglaa. 

Bei den folgenden Versuchen wurden 10 bis 40 ccnl Rückspültiüssig- 
keit in ein mit Glasperlen beschicktes Tropfglas (14 Tropfen = 1 cc,u ) ge¬ 
drückt, von denen nach gründlichem Schütteln ein bestimmter Teil unter¬ 
sucht und auf die Gesamtrückstoßmenge berechnet wurde. 

13. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vjooooo cf,I! Coli¬ 
bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 10 C0[u . 

Resultat: 5 Tr. = 27 Kol., 5 Tr. = 16 Kol., 4 Tr. = 17 Kol. = 60X1Ü 
= 600 Kol. = 42 Prozent der Aussaat. 


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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 533 

14. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Viooooo Öse 
Coliagarkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit I0 rcm . 

Resultat: 7 Tr. = 15 Kol., 7 Tr. = 16 Kol. = 31 X 10 Kol. = 310 Kol. 
= 76 Prozent der Aussaat. 

15. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 /i 4 ooooo ccn ’ 
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 10 ccm . 

Resultat: 7 Tr. = 4 Kol., 7 Tr. = 3 Kol. = 7 X 10 = 70 Kol. = 
51 Prozent der Aussaat. 

16. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vsoooooo Öse 
Coliagarkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 10 ccm . 

Resultat: 7 Tr. = 3 Kol., 7 Tr. = 0 Kol. = 3 X 10 = 30 Kol. 
= 63 Prozent der Aussaat. • 

17. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit V 4000000 cotn 
Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung mit 40 ccm . 

Resultat: 7 Tr. = 2 Kol., 7 Tr. = 1 Kol., 7 Tr. = 0 Kol., 7Tr. = 0Kol., 
7 Tr. = 0 Kol., 7 Tr. = 0 Kol., 7 Tr. = 0 Kol., 7 Tr. = 0 Kol = 3 X 10 
= 30 Kol. = 86 Prozent der Aussaat. 

Wenn aus diesen beiden Versuchsreihen hervorzugehen scheint, daß die 
Ergebnisse bei dem Tropfglasverfahren erheblich günstiger sind wie bei 
der direkten Verarbeitung, so liegt das daran, daß zufällig die aus¬ 
gewählten Versuche der ersten Serie weniger günstige waren, die der 
zweiten aber über dem Durchschnitt standen. Tatsächlich ist der Unter¬ 
schied nicht groß. Ich konnte bei 23 Versuchen mit ersterer Methode 
43 Prozent, bei 58 Versuchen mit der letzteren 42 Prozent der Aussaat 
wiederfinden. 

Die bereits in den Vorversuchen besprochene Beobachtung, daß eine 
eigentlich zu erwartende Abstufung der Bakterienzahl bei direkter Ver¬ 
arbeitung der Reihenfolge der Stöße nach nicht immer zu bemerken ist, 
zeigt sich auch hier wieder. Der Intensität des Rückstoßes kommt 
in diesem Punkte unbedingt eine große Bedeutung zu. Denn 
in einem Versuch, bei dem'jedesmal recht kräftig gedrückt wurde und 
der Rest der Rückspülflüssigkeit, deren Menge durch den starken Druck 
für Drigalskiplatten zu groß war, jedesmal weggegossen wurde, konnte 
ich im ersten Stoß 189, im zweiten 31, im dritten 6 und im vierten 
Stoß 0 Keime wiederfinden. In einem anderen Fall, wo zunächst sehr 
schwach, dann erst stärker gedrückt wurde, konnte die bedeutende Mehr¬ 
zahl der Keime in der den letzten, kräftigen Stößen entsprechenden Rück¬ 
spülflüssigkeit nachgewiesen werden. Da es nun kaum möglich ist, den 
Druck immer so zu wählen, wie er im einzelnen Fall am besten an¬ 
gebracht ist, da jede Kerze einen anderen Widerstand entgegensetzt, da 
ferner durch einen zu starken Druck leicht so viel Spülflüssigkeit ge¬ 
wonnen wird, daß sie nicht aufgearbeitet werden kann, so möchte ich 


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Eeich Hesse: 


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doch der Methode mit dem Tropfglas das Wort reden, ganz abgesehen von 
den um 1 Prozent besseren Erfolgen. Freilich zeigen gerade die Tropfglas- 
versuche deutlich, daß trotz lebhaften Schütteins mit (und ohne) Glas¬ 
perlen eine gleichmäßige Verteilung der Bakterien nicht immer erreicht 
wird, aber man geht der dadurch bedingten Fehlerquelle aus dem Wege, 
indem man von der Rückstoßflüssigkeit, die man unter recht kräftigen 
Stößen auf 10 ccm bemißt, einen größeren Bruchteil verarbeitet. 5" a 
z. B. lassen sich bequem auf fünf Drigalskiplatten, besonders wenn diese 
vor Beschickung durch längeres Offenstehen (1 Stunde) etwas ausgetrockuet 
waren, unterbringen. Sie können dann noch 1 bis IV 2 Stunden in den 
Brutschrank gebracht werden. 

Verschiedene Nährböden. 

Die Wahl des Nährmediums, auf das die Rückspülflüssigkeit ver¬ 
arbeitet wird, kann in mancher Beziehung natürlich nicht ohne Einfluß 
sein! Denn die Schwierigkeiten, die bei den Drigalskiplatten eben daraus 
erwachsen, daß nur ein beschränkter Teil der Rückspülflüssigkeit ver¬ 
wertet werden kann und infolgedessen leicht ein Teil der Keime für den 
Nachweis verloren geht, kommen bei Gelatine gar nicht in Betracht. Wenu 
diese ursprünglich lOprozentig ist, so kann ihr ohne weiteres annähernd 
die gleiche Menge Wasser, bei kleinen Platten also immerhin 8 bis IO* 30 , 
zugesetzt werden. Der Vorteil der Gelatine besteht weiterhin darin, dal: 
annähernd alle Keime aufgehen, während auf dem Drigalsbi sehen 
Kristallviolettagar immer ein gewisser Teil zugrunde geht, sei es infolgt 
der hemmenden Eigenschaften des Nährbodens selbst, sei es infolge der 
Austrocknung, die bei etwas zu langem Offenstehen der Platten eintretet 
kann. Allerdings verbietet sich die Anwendung der Gelatine von vorn¬ 
herein bei verunreinigten Wässern, weil zahlreiche verflüssigende Keime 
den Nährboden völlig vernichten, ehe andere, und meist gerade die ge¬ 
suchten Keime (Typhus, Coli), zu erkennbaren Kolonien ausgewachsen 
sind. Jedenfalls aber erweist sich die Gelatine aus den eben erwähnten 
Gründen für alle quantitativen theoretischen Studien als der geeignetes:" 
Nährboden. 

Eine Verwendung höher (15) prozentiger Gelatine verzögert zwar die 
Verflüssigung etwas, beeinträchtigt dafür aber auch das Wachstum gan: 
erheblich. Recht gut eignet sich für Wasseruntersuchungen der vos 
Hesse angegebene Agar, der später besprochen werden soll. 

Als Rückspülflüssigkeit bei Gelatineplatten ist unbedingt nach voraus¬ 
gegangener Durchspülung der Pumpe mit kochendem Wasser 
(nach völliger Abkühlung!) sterile Kochsalzlösung zu verwenden. 


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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 535 


Große Plattenseriell. 

Die Schwierigkeiten, die einerseits der direkten Verarbeitung der 
Rückspülflüssigkeit und andererseits infolge ungleichmäßiger Verteilung 
der Keime hei der Tropfglasmethode erwachsen, legten den Gedanken nahe, 
ob man ihnen nicht durch Anlegen größerer Plattenserien beikommen 
könnte. Einerseits ließen sich durch Verarbeitung größerer Mengen Rück¬ 
spülwassers, die auf zahlreichen Platten eher untergebracht werden konnten, 
die Gefahren ungleicher Verteilung beseitigen, andererseits durfte man 
hoffen, mit der größeren Menge — wenigstens theoretisch gedacht — 
anuähernd alle Keime zu bekommen. Von vornherein schien Gelatine 
für diesen Zweck mehr geeignet zu sein wie der Drigalskische Agar, 
und die Erfahrung bestätigte diese Vermutung vollkommen. Einige Bei¬ 
spiele mögen dies erläutern: 


a) Drigalski: 

18. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / 30 00 oo ccra Coli- 
bouillonkultur infiziert, Filtration, rückläufige Spülung, direkte Verarbeitung 
auf Platten. 

Resultat: a = 128 Kol., ft = 7 Kol., y = 8 Kol., S = 10 Kol., e = 19 Kol., 
«T = 10 Kol., t) — 4 Kol., & = 4 Kol., i — 3 Kol., x = 3 Kol. Summa 
= 196 Kol. = 30 Prozent der Aussaat. 

19. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 00ü ccm 

Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte 
Verarbeitung auf Platten. 

Resulatat: n = 11 Kol., ft = 7 Kol., y = 5 Kol., A == 2 Kol., e » 0 Kol. 
Summa = 25 Kol. = 45 Prozent der Aussaat. 

20. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit V 4000000 ccm 
Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte 
Verarbeitung auf Platten. 

Resultat: a = 4 Kol., (9 = 4 Kol., y = 4 Kol., «'s = 2 Kol., t = 3 Kol., 
s '=4 Kol. = 21 Kol. = 60 Prozent der Aussaat. 

21. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit Vnoooooo^™ 
Paratyphus B-Bouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte 
Verarbeitung auf Platten. 

Resultat: a = 0 Kol., ft — 0 Kol., y = 1 Kol., A = 1 Kol., <• = 1 Kol. 
= 3 Kol. = 33 Prozent der Aussaat. 

b) Gelatine: 

22. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit 1 / SO oooo ccm 
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬ 
arbeitung zu 10 Platten. 


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Ekich Hesse: 


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Resultat: Rest=3 Kol., « = 87 Kol., 0= 10 Kol., ?-=2 Kol, >5 = 4 Kol.. 
e = 2Kol, »=lKol, i?=3Kol, #=0Kol, i = 3Kol. = 115 Kol. = 53Prozent 
der Aussaat 

23. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit */, twi om cce 
C olibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬ 
arbeitung auf 10 Platten. 

Resultat: Rest = 5 Kol, «=36 Kol, 0 = 1 Kol., ?-=9 Kol, ö=5 KoL 
* = 3 Kol, ; = 3 Kol, v — 0 Kol, if = 1 Kol, i = 0 Kol. = 63 Kol. = 58 Pro¬ 
zent der Aussaat. 

24. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit 1 / s70 oooo cc1E 
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬ 
arbeitung auf 10 Platten. 

Resultat: Rest = 1 Kol, a = 16Kol, 0=5Kol, ^ = 2Kol, d=OKol.. 
e = 1 Kol, 4 = 0 Kol, = 1 Kol, £ = 0 Kol, <= 0 Kol. = 26 Kol. = 78 Prozent 
der Aussaat. 

25. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit V 30 , <,ooo KK 
inklerbouillonkultur infiziert. Filtration, direkte Verarbeitung auf 7 Platten. 

Resultat: Rest = 0Kol., «=12Kol, 0=5Kol, ^ = 0Kol, <5=1 Kol, 
e = 1 Kol, 4 = 1 Kol. = 20 Kol. = 100 Prozent der Aussaat. 

26. Versuch: 1 Liter physiol. Kochsalzlösung wird mit Vihoiooih/™ 
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬ 
arbeitung auf 10 Platten. 

Resultat: Rest = 0 Kol., a = 1 Kol, 0= 0 Kol, y — 2 Kol, <5—< = OKol. 
= 3 Kol. = 64 Prozent der Aussaat. 

27. Versuch: 2 Liter physiol. Kochsalzlösung werden mit 1 / 2S(J „„„ 00 cnE 
Colibouillonkultur infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, direkte Ver¬ 
arbeitung auf 9 Platten. 

Resultat: Rest = 0 Kol, « = 1 Kol, 0=1 Kol, /-—& = 0 Kol. = 2 Kol. 
= 40 Prozent der Aussaat. 

Wie aus den angeführten zehn Versuchen hervorgeht, gestalten sich 
die Ergebnisse bei der Gelatineserie wesentlich günstiger wie bei der 
Drigalskiserie. Ich fand im Durchschnitt bei 35 Versuchen mit Gelatine 
43 Prozent, bei 10 Versuchen mit Drigalski 32 Prozent der Aussaat wieder. 
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Die Verarbeitung auf Ge¬ 
latine gestattet erheblich größere Mengen von Rückspül¬ 
flüssigkeit anzuweuden und bietet somit die Möglichkeit, tat¬ 
sächlich nahezu alle Keime aus der Kerze zu entfernen und 
dem Nährboden zuzuführeu. In der Tat konnte ich unter 35 der¬ 
artigen Versuchen 4 mal 94 bis 100 Prozent der Einsaat wiederfinden. 

Der bei den Gelatineserien mit „Rest“ eingeführte Betrag bezieht 
sich auf die 4 bis 6 ccra betragende Flüssigkeitsmenge, die infolge der 
Konstruktion der Kerze (Metallring am unteren Ende) notwendigerweise 
Zurückbleiben muß. Es zeigte sich, daß bei einem relativ großen Keim- 


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Das Beekefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 537 

gehalt der filtrierten Flüssigkeit dieser Best eine nicht zu vernachlässigende 
Menge von Bakterien enthalten kann, während er bei sehr geringen Einsaat¬ 
mengen unberücksichtigt bleiben darf, obwohl es freilich auch dann 
nicht ausgeschlossen ist, daß gelegentlich in solchen Fällen ein Keim, 
der dann natürlich doppelt ins Gewicht fallt, in der Restflüssigkeit vor¬ 
handen sein kann. Ich empfehle daher, den Rest stets zu ver¬ 
arbeiten! Und hierin besteht wieder der Vorzug der Gelatine. Ein 
Gelatineröhrchen (etwa 10 ccm ) nimmt ohne weiteres dieses Flüssigkeits¬ 
quantum auf, während bei Drigalskiversuchen allein 4 bis 6 Platten, die 
im Brutschrank schon einen beträchtlichen Raum einnehmen, notwendig 
sein würden. Dies ist eben der springende Punkt bei dem Vorzug, den 
die Gelatine vor dem Drigalskischen Nährboden für solche Versuche, 
wo es sich um nicht verflüssigende und bereits bekannte Keime 
handelt, unstreitig besitzt. Wenn bei einer großen Gelatineserie 
von 10 Platten ohne weiteres 50 bis 60«"" Rückspülflüssigkeit 
in Anwendung kommen können, so beträgt die entsprechende 
Menge bei 10 Drigalskiplatteu, deren jede kaum mehr als 1 ccm 
aufnehmen kann, erst 10 ccm . Es können also bei Drigalskiserien, 
wie aus der Abstufung bei den Gelatineserien deutlich hervor¬ 
geht, höchstens nur unter besonders günstigen Umständen an¬ 
nähernd alle Keime von der Kerzenoberfläche entfernt werden! 
Außerdem ist es kaum zu vermeiden, daß auch nach Aufhören des Druckes 
auf den Pumpenkolben infolge der federnden Kraft der erweiterten Schlauch¬ 
stücke noch nachträglich eine gewisse Menge Wassers durch die Kerze 
gedrückt wird, die infolge ihrer langsamen Strömung auf die in den Poren 
oft recht fest eingepreßten Bakterien keine Wirkung ausüben kann. Man 
verdünnt sieh nutzlos die Bakterienaufschwemmung, und die Folge ist, 
daß man auf Drigalskiplatten nicht alles Wasser verarbeiten kann und 
ein oft recht beträchtlicher Teil der Keime für den Nachweis verloren ist. 
Bei allen Versuchen, die mit Drigalskiplatten gemacht werden, 
soll man recht kurz, aber kräftig stoßen und soll sich bemühen, 
mit jedem Stoß nur so viel Flüssigkeit durch die Kerze zu 
pressen, wie man tatsächlich jedesmal auf eine Platte ver¬ 
arbeiten kann, also nicht mehr als 1 ccm . Und gerade das mißlingt 
sehr leicht. Die Folge ist, daß zuviel Flüssigkeit auf die Platten kommt, 
daß diese sehr lange Zeit zum Trocknen brauchen, in einer Partie bereits 
völlig ausgetrocknet sind, so daß hier die Keime zugrunde gehen können, 
während an einer anderen, noch völlig feuchten Stelle eine sekundäre 
Vermehrung eintritt: Die Resultate werden auf diese Weise un¬ 
genau oder völlig unbrauchbar. 


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538 


Eiiich Hesse: 


Das Wiederflnden sehr geringer Einsaatmengen. 

Waren die bisher aufgeführten Ergebnisse der Filtrationsmethoie 
schon recht günstige, so bewährte sie sich geradezu überraschend beim 
Nachweis minimaler Einsaatmengen. Gerade dieser Funkt hat praktisch 
ein außerordentlich großes Interesse und hier näherten sich die bisherigen 
Nachweismethoden mehr und mehr der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. 
Ich war in der Lage mit dem Filtrationsverfahren in 17 Fällen, 
wo in 1 Liter Flüssigkeit weniger als 10 Keime eingesät waren, 
im Durchschnitt noch 48 Prozent wiederzufinden, wobei ich in 
4 Fällen sogar 100 Prozent der Aussaat vermerken durfte! Nur 
in einem Fall (3 Keime in 2 Liter) hatte ich ein negatives Resultat. In 
einem anderen Fall gelang es mir, von 3 Colibazillen, die in 2 Liter 
zur Aussaat gebracht worden waren, einen mit Sicherheit (kul¬ 
turelle Prüfung) wiederzufinden. Dreimal konnte ich bei einer Aus¬ 
saat von 5 Keimen in je 2 Liter je 2 Keime nachweisen, deren 
Identität ebenfalls durch kulturelle Prüfung festgestellt wurde 
(zweimal Coli, einmal Finkler-Prior). Sowohl bei Gelatinenährböden, 
wie auch bei Drigalski konnte ich derartig günstige Resultate verzeichnen, 
was insofern praktisch sehr wichtig ist, als auf Drigalski sich verdächtige 
Kolonien sehr leicht, in Gelatine aber erheblich schwerer ansprechen 
lassen, zumal die Verflüssigung der Gelatine durch Begleitbakterien eine 
weitere Untersuchung oftmals direkt unmöglich macht 

Untersuchung größerer Flttssigkeitsmengeu. 

Mit dem Auffinden eines von drei in 2 Liter Flüssigkeit vor¬ 
handenen Keimen dürfte die Nachweismöglichkeit überhaupt 
ihre Grenzen erreicht haben. Auch die Praxis dürfte nicht leicht 
jemals höhere Forderungen stellen. Theoretisch gedacht ist es nun bei 
der Filtrationsmethode völlig gleichgültig, ob diese 3 Keime in 2 oder 
10 Liter vorhanden sind, sie müssen, da sie auf der Filteroberfläche 
zurückgehalten werden, immerhin nachweisbar bleiben. Praktisch werden 
sich die Verhältnisse allerdings etwas anders gestalten, da selbst ein 
gesundheitlich absolut einwandfreies Wasser in 10 Litern viele tausende 
von Begleitbakterien enthalten kann, die das Auffinden eines einzelnen 
Krankheitserregers natürlich sehr erschweren. Trotzdem wird aber, wenn 
es sich z. B. um den Nachweis von Typhus oder ihm ähnlicher Keime 
handelt, der Drigalskische Kristallviolettagar, der Malachitgrünagar und 
die Temperatur von 37° eine große Anzahl von Wasserkeimen unter¬ 
drücken und dadurch eine erfolgreiche Untersuchung in Aussicht stellen. 


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Das Bf.rkeeeedeilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 539 

Um auch diesen Fragen näher zu treten, habe ich eine Anzahl ent¬ 
sprechender Versuche angestellt. Es wurden 5 bis 10 Liter physiologische 
Kochsalzlösung, denen 0-5 bis 1*0 Prozent Bouillon zugesetzt waren, mit 
wechselnden Mengen von Bakterien (B. coli und Paratyphi B) infiziert 
und filtriert. In 8 Litern konnte ich so von 35 eingesäten Paratyphus¬ 
bazillen 18 = 51 Prozent wiederfinden und in sechs derartigen Versuchen 
waren im Durchschnitt 54 Prozent der eingesäten Bakterien in der Rück¬ 
spülflüssigkeit nachweisbar. 

Allerdings stießen diese Versuche in mancher Beziehung auf Schwierig¬ 
keiten, die mir von der Filtration kleinerer Quanten her unbekannt waren. 
Zunächst die Dauer! Eine gut filtrierende Kerze braucht bei dem höchst 
erreichbaren Minusdruck für 10 Liter immerhin 2 bis 3 Stunden, bis¬ 
weilen, namentlich wenn das Wasser durch organische oder mineralische 
Suspensa (Eisenhydroxyd) verunreinigt ist, erheblich länger. Wenn man 
während der ganzen Zeit daneben stehen muß, um die abgesaugte 
Flüssigkeit fortwährend durch Nachgießen zu ersetzen, ist eine ander¬ 
weitige Beschäftigung, sofern sie nicht rein mechanisch ist, völlig aus¬ 
geschlossen. Eine Arbeitskraft wird also für diese wenig anregende Tätig¬ 
keit absorbiert. Ich konstruierte mir daher eine automatisch wirkende, 
sterilisierbare Hebervorrichtung, die, einmal in Tätigkeit gesetzt, absolut 
sicher arbeitete. Die beigegebene Abbildung stellt den sehr einfachen 
Apparat dar. Ballon a, mit einem doppelt durchbohrten Gummistopfen 
verschlossen, enthält das zu filtrierende Wasser, das durch ein bis auf 
die tiefste Stelle des Ballons reichendes Heberrohr (e) in den Kerzeu- 
zylinder geleitet werden kann. Die 2. Bohrung ist für das Luftrohr (/*), 
das ein Nachströmen von Luft in Ballon a gestattet. Ballon b ist eben¬ 
falls mit einem doppelt durchbohrten Gummistopfen verschlossen. Die 
eine Bohrung nimmt ein mit der Saugstrahlpumpe ( c ) verbundenes Rohr 
auf, die andere dient zum Einlassen der Kerze. Der Kerzenzylinder 
ist durch eine doppelt durchbohrte Korkscheibe verschlossen, die dem 
längeren Heberrohr (<?) und dem kürzeren Luftrohr (f) zum Halt dient 
und den Zylinder selbst während der Filtration vor Staub und anderen 
Verunreinigungen schützt. Sowohl das Wasserrohr, wie auch das Luft¬ 
rohr, so weit nicht die in den Gummistopfen und in die Korkscheibe ein¬ 
gelassenen Teile in Frage kommen, bestehen aus einem weitlumigen (8 mm ) 
Gummischlauch, der des Heberrohrs ist mit einem Quetschhahn versehen. 
Vor Gebrauch werden alle Teile außer Ballon b im Dampftopf sterilisiert, 
Ballon a wird mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllt und auf eine 
in ihrer Höhe den Verhältnissen der Zeichnung entsprechende Unterlage 
gestellt. Durch das Heberrohr (e) wird (mit der Säugpumpe) Flüssigkeit 
aus Ballon a angesogen und nach Füllung des nunmehr mit der Kork- 


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540 


Ebich Hesse: 


scheibe zu schließenden Kerzenzylinders durch Anziehen des Quetsch¬ 
hahns ein weiterer Zufluß abgesperrt. Die Kerze saugt, nachdem in 
Ballon b die nötige Luftverdünnung besteht, den Zylinderinhalt ab 
und bevor das Luftrohrende aus dem Wasserspiegel emportaucht, wird 
durch öffnen des Quetschhahns neue Flüssigkeit zugelassen. Diesen 
Vorgang läßt man bei annähernd gefülltem Ballon a, sich höchstens 
zweimal wiederholen und die über der Flüssigkeit im Ballon a befindliche 
Luft ist so weit verdünnt, daß ein weiteres Nachströmen von Flüssigkeit 
nur dann möglich ist, wenn durch das infolge abgesogener Flüssigkeit 


a Ballon mit dom za. filtrierenden 



frei gewordene Luftrohr Luft eintreten kann. Sofort strömt Wasser nach, 
das Luftrohr verschließt sich wieder, wodurch weiterer Wasserzufluß ver¬ 
hindert wird. Ich war mit der absolut gleichmäßigen und sicheren 
Funktion dieses recht einfachen Apparates sehr zufrieden. Zu beachten 
ist, daß die Rohre einschließlich der Glasteile 7 bis 8 mm inneren Durch¬ 
messer haben müssen, daß das Luftrohrende senkrecht stehen muß 
und dem Glaszylinder nicht anliegen darf, weil sonst durch Adhäsions¬ 
wirkung von Wasser und Glas ein rechtzeitiges Nachströmen von Luft 
erschwert wird. 


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J 



Das Berkefeldeilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 541 

Weiterhin besteht für den theoretischen Laboratoriums¬ 
versuch mit längere Zeit hindurch fortgezüchteten Stämmen 
die Schwierigkeit, daß auch in physiologischer Kochsalzlösung 
die eingesäten Keime bei längerer Filtrationsdauer in mehr 
oder minder hohem Maße absterben. So konnte ich an Zählplatten 
mehrfach beobachten, daß von einer Bakterienaufschwemmnng, die bei 
Zimmertemperatur und unter Lichtabschluß aufbewahrt wurde, nach 5 bis 
6 Stunden von den ursprünglich 300 bis 400 Paratyphusbazillen im 
Kubikzentimeter noch 3 bis 4, am nächsten Tag überhaupt keine mehr 
nachweisbar waren, daß sogar nach 1 1 / 2 Stunden die Keimzahl schon um 
3 bis 4 Prozent gesunken war. Durch einen Zusatz von 1 Prozent Bouillon 
zur physiologischen Kochsalzlösung erreichte ich wiederum in 4 bis 
5 Stunden eine erhebliche Vermehrung der Keime. Wenn eine solche 
in etwas geringerem Grade auch bei 1 / 2 Prozent Bouillonzusatz noch wahr¬ 
nehmbar war, so wandte ich diese Konzentration bei meinen Versuchen trotz¬ 
dem an, mußte sie aber selbstverständlich durch Zählplatten, die zu Beginn 
und am Ende der Filtration angefertigt wurden, berücksichtigen und das 
Ergebnis danach berechnen. In praxi werden derartige Bedenken indes 
insofern eine geringe Rolle spielen, als in einem mit lebenskräftigen, dem 
Darm entstammenden Typhusbazillen verunreinigten Brunnenwasser stets 
genügend organische Stoff vorhanden sein werden, so daß ein schnelles Ab¬ 
sterben nicht zu befürchten ist, eine Vermehrung aber im Interesse des 
Nachweises nur mit Freuden zu begrüßen wäre. Allerdings wird letztere 
nicht erwartet werden dürfen. 

Wenn ich alle Veranlassung habe, mit den Ergebnissen der Filtra¬ 
tion größerer Quanten zufrieden zu sein, so ist doch ihre weitere Ausge¬ 
staltung in mancher Beziehung noch weitgehender Verbesserung fähig und 
es ist gerade in dieser Hinsicht recht viel Günstiges zu erwarten. Eine Ab¬ 
kürzung der Filtrationsdauer ist ohne weiteres durch Verwendung größerer 
Kerzen, die entsprechend ihrer Oberfläche natürlich viel leistungsfähiger 
sein werden, möglich. Der Anfertigung einer besonders geeigneten 
Zwischen große, die zurzeit noch nicht im Handel ist, stehen laut Aussage 
der Berkefeld-Filter Gesellschaft in Celle technisch keine Bedenken entgegen. 

Knlturniaterial. 

Als Ausgangsmaterial für die theoretischen Versuche verwendete ich 
Agar-, Bouillon- und Peptonwasserkulturen. Die besten Erfolge hatte die 
Verarbeitung 20 stündiger Agarkulturen. Diese erfordern aber ein äußerst 
peinliches Verreiben der Keime zunächst mit einer geringen Menge phy¬ 
siologischer Kochsalzlösung, etwa in der Weise, wie man beim Verreiben 


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542 


Erich Hesse: 


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einer Normalüse beim Agglutinieren nach Kolle-Pfeiffer verfährt. 
Wendet man die nötige Sorgfalt nicht an, so besteht die Gefahr, daß 
Klümpchen Zurückbleiben und dadurch falsche Resultate bedingt werden. 

Recht günstig waren die Ergebnisse ebenfalls bei Verdünnungen mit 
Bouillonkulturen, obwohl auch hier bisweilen die Ergebnisse nicht gleich¬ 
mäßig sind. Das bezieht sich in erster Linie auf Keime mit sehr leb¬ 
haftem Sauerstoff bedürfnis, die sich besonders an der Oberfläche ansammeln, 
dort ein für Versuchszwecke unbrauchbares Häutchen bilden, während 
unterhalb desselben so wenig Bakterien gefunden werden, daß bei hoch¬ 
gradigen Verdünnungen Fehlerfolge eintreten. Die gleichzeitig angelegten 
Zählplatten geben hierüber sofort Aufschluß. 

Das gleiche gilt infolge des an und für sich spärlicheren Wachstums 
auch von Peptonwasserkulturen. 

Für die Filtrationsversuche ist natürlich nicht jeder Keim geeignet. 
Wie Schmidt (14) und vor ihm v. Esmarch (15) nachgewiesen haben, 
sind die Berkefeldkerzen nicht für alle Keime undurchlässig. Die im 
praktischen Fall in Frage kommenden Keime der Coli-Typhusgruppe 
werden aber von einer einwandfreien Kerze nahezu vollständig zurück¬ 
gehalten. Auch ein Durchwandern der Cholerabazillen durch die Kerzen 
konute ich nicht beobachten. Über die günstigen Erfolge, die mit 
B. Paratyphi B. und B. coli zu verzeichnen waren, ist im einzelnen schon 
berichtet worden. Recht zufrieden war ich wegen seines guten Wachs¬ 
tums und seiner Widerstandsfähigkeit mit einem aus Pleißenwasser ge¬ 
züchteten Colistamm. 

Von großem Interesse war es mir nun, auch mit Keimen, die den 
Cholerabazillen nahe stehen und mit solchen selbst Versuche anzustellen. 
Ein dem Erreger der Cholera sehr nahestehender Keim ist der Vibrio 
Finkler-Prior. Sein gutes Wachstum lieferte mir ein recht zuverlässiges 
Ausgangsmaterial und die Eigenschaft, sich leicht und gleichmäßig ver¬ 
teilen zu lassen, sicherten die Möglichkeit, auch größere Wasserquanten 
mit einer sehr geringen Aussaatmenge zu infizieren. Er erwies sich 
daher bei mehreren Versuchen als ein Keim, für dessen Nachweis die 
Filtratiousmethode sich vorzüglich eignet. 

Dieser Umstand berechtigte mich zu der Hoffnung, daß auch der Nach¬ 
weis der Cholerabazillen in gleicher Weise gelingen würde. Leider konnten 
die Ergebnisse von 30 Versuchen diese Erwartung nicht bestätigen, denn 
nur in 3 Fällen gelang es mir, befriedigende Resultate zu erzielen, von 
denen eins allerdings ein sehr gutes war. Ich hatte die Versuche in einer 
der Reichsvorschrift analogen Modifikation mit Peptonwasserkölbchen an¬ 
gestellt. Den Aufschluß über die Mißerfolge lieferten mir die Zählplatton 
und eine Reihe von Versuchen bezüglich der biologischen Eigentümlich- 


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Das Berkefeldfiltee z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 543 

keiten unserer Laboratoriumsstämme, die sich infolge zum Teil langjähriger 
Kultur auf den künstlichen Nährböden als sehr wenig lebenskräftig und 
daher in ihrem Wachstum als höchst unzuverlässig erwiesen. Von den 
27 negativen Versuchen waren in 25 Fällen auch die Zählplatten steril 
geblieben, ein Beweis dafür, daß überhaupt kein Bakterienmaterial bis in 
die letzten Verdünnungsstufen mehr gelangt war. Der Grund - hierfür 
war darin zu suchen, daß Cboleraagarkulturen sich überhaupt nicht zu 
einer homogenen Aufschwemmung verreiben ließen, Cholerabouillon- oder 
Peptonwasserkulturen aber in der unter dem Häutchen befindlichen Schicht 
nur sehr spärliche und wahrscheinlich überdies noch geschwächte Keime 
enthielten. Das Ausgangsmaterial war daher mangelhaft bzw. bezüglich 
seines Keimgehaltes unberechenbar. Ein weiterer erschwerender 
Umstand bestand in dem außerordentlich schnellen Absterben 
der Bazillen, welches ich an der Hand von Zählplatten schon 
nach 1^ bis 2 Stunden beobachten konnte. In Leitungswasser 
waren sie bereits nach 4 Stunden bei Lichtabschluß völlig vernichtet, und 
in physiologischer Kochsalzlösung konnten nach 7 Stunden nur noch 
10 Prozent der ursprünglichen Menge nachgewiesen werden. Wenn daher 
trotzdem in 3 Versuchen die Resultate zur Zufriedenheit ausfielen, so 
konnte ich das nur auf eine zufällig günstige Beschaffenheit des Aus¬ 
gangsmaterials zurückführen. Es dürfte dieser Umstand aber eine wert¬ 
volle Bestätigung sein dafür, daß unter normalen Verhältnissen der 
Choleranachweis durch die Filtration^ gelingt. 

Zudem werden ja die geschilderten Schwierigkeiten, wenn es sich 
darum handelt, verseuchtes Brunnen- oder Flußwasser zu untersuchen, 
in welchem also lebenskräftige, vielleicht in organische Stoffe eingehüllte 
Keime zu erwarten sind, in Wegfall kommen, und die Verwendung 
spezifischer Nährböden (Dieudonnes Blutalkaliagar) wird eine Iso¬ 
lierung der Bazillen aus der natürlich stark verunreinigten Rücksto߬ 
flüssigkeit ermöglichen. 

Praktisch wichtige Versnobe. 

Während die bisherigen Untersuchungen mehr theoretischer Art waren 
und einem Ausbau der Methode nach verschiedenen Gesichtspunkten hin 
dienen sollten, möchte ich im folgenden einige Fälle anführen, die ge¬ 
eignet sind, die praktische Bedeutung der Filtrationstechnik zu beleuchten 
und ihre Brauchbarkeit zu erweisen. 

Eine große Bedeutung für die Hygiene der Wasserversorgung hat 
eine regelmäßige bakteriologische Untersuchung des Trinkwassers, wie sie 
in zahlreichen größeren Städten auch in bestimmten Zeitabschnitten vor- 


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544 


Erich Hesse: 


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genommen wird. Die Technik der Ausführung besteht gewöhnlich dann, 
daß 1 ccra in verschieden großen Teilquanten mit einem Nährsubstra: 
(meist Gelatine) vermischt und zu Platten ausgegossen wird. Was für 
die ungleiche Verteilung der Bakterien beim künstlichen Infizieren von 
Flüssigkeit gilt, hat eine gewisse Berechtigung auch unter natürlichen 
Verhältnissen beim Leitungswasser. Es kann daher leicht der Fall ein- 
treten, daß ein zur Untersuchung gelangender Kubikzentimeter Wasser 
sehr wenig Keime enthält, während in einem anderen Kubikzentimeter 
aus demselben Tropfglas erheblich mehr gefunden werden. Ich habe 
das des öfteren beobachten können. Eben deshalb wäre es er¬ 
wünscht, größere Mengen zu verarbeiten, um auf diese Weise 
viel wertvollere Durchschnittszahlen zu ermitteln. Leider 
haben die in diesem Sinn angelegten 3 Versuche ihrer geringen Zahl 
wegen zu keinem abschließenden Urteil geführt. Zweimal habe ich je 
10 Liter Leitungswasser filtriert und die Rückspülflüssigkeit direkt zu 
Gelatineplatten verarbeitet. In beiden Fällen fand ich in dem doch 
sehr reinen Leipziger Leitungswasser, das im Durchschnitt 3 Keime 
im Kubikzentimeter enthält, ein ungemein üppiges Bakterienwachstum. 
Darunter befanden sich aber so zahlreiche Kolonien von Bact. fluorescens. 
daß eine völlige Verflüssigung der Gelatine eingetreten war, ehe eine 
Zählung der au der Grenze der Sichtbarkeit befindlichen anderen Kolonien 
vorgenommen werden konnte. Ich verwandte daher bei einem dritten 
Versuch mit 10 Liter Leitungswasser den für Wasseruntersuchung ange¬ 
gebenen Agar vou Hesse, bei dessen Gebrauch man zweckmäßigerwei-e 
die Kolonien erst nach 14 Tagen bis 3 Wochen auszählt. In der Tat 
konnte ich nach 18 Tagen derartig massenhaft entwickelte Kolonien vor- 
finden, daß ein Auszählen derselben auch nur mit einiger Sicherheit un¬ 
möglich war, daß aber ihre Menge der etwa zu erwartenden Zahl von 
30000 bei ganz grober Schätzung annähernd entsprechen konnte. Wenn 
diese 3 Versuche auch kein positives Ergebnis gehabt haben, so geh; 
aus ihnen doch hervor, daß Keimzählungen im Trinkwasser mit der 
Filtrationsmethode höchstwahrscheinlich vorgenommen werden können. Es 
muß aber selbst bei sehr reinen Wässern mit Mengen von 0*5 bis 1 Liter 
gearbeitet werden. Die aus dieser Menge gefundenen Durchschnittswerte 
würden aber schon einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiet der 
Wasseruntersuchung und -beurteilung bedeuten. Festzustellen wäre indes 
noch, ob nicht eine Anzahl verschiedener Wasserkeime auch unter dem 
nur etwa 1 Atmosphäre betragenden Druck der Säugpumpe bereits im¬ 
stande sind, die Filterkerze zu durchdringen. 

Die besonders bei Talsperrwässern oft vorgenommene Untersuchung 
zur Bestimmung des „Colititers“ dürfte nach den bisherigen Methoden auch 


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Original frum 

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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 545 

wohl nicht annähernd mit derselben Sicherheit und Einfachheit vorge¬ 
nommen werden können wie mit der Berkefeldkerze. 1 

Wie gestaltet sich nun die Untersuchung stark verunreinigten 
Wassers? Ich wählte für derartige Untersuchungen das sehr keimreiche 
Pleißenwasser. 500 ccm wurden durch eine Kerze filtriert, was infolge der 
Verunreinigungen etwa die dreifache Zeit wie bei Leituugswasser erforderte. 
Rückläufige Spülung mit 50 ccm in ein Tropfglas (14 Tropfen = 1 ccm ). 
Sowohl die Gelatineplatten, wie die Hesseagarplatten, die mit 1, 2 und 
3 Tropfen beschickt wurden, erwiesen sich, erstere wegen völliger Ver¬ 
flüssigung schon nach 30 Stunden, letztere wegen der absoluten Unmög¬ 
lichkeit, die einzelnen Kolonien scharf voneinander zu unterscheiden, für 
solche Zwecke als unbrauchbar. Ganz anders verhielten sich die Drigalski- 
platten, die mit 14 Tropfen infiziert worden waren. Sie zeigten zwar 
auch eine sehr stattliche Zahl roter und blauer Kolonien, aber diese waren 
ohne Schwierigkeit voneinander zu unterscheiden und wiesen zahlreiche 
charakteristische Merkmale in ihren kulturellen Eigentümlichkeiten auf. 

Diese Tatsache eröffnete einen Ausblick in das wichtige Gebiet des 
Nachweises pathogener Keime in Wässern, die auch durch andere Bak¬ 
terien stark verunreinigt sind, eine der schweren und oft undankbaren 
Aufgaben, mit denen die Praxis an den Bakteriologen herantritt. 

Nun wird es freilich weniger von Interesse sein, ein derartig hoch¬ 
gradig verunreinigtes Wasser auf Krankheitserreger zu untersuchen, da 
Flußwasser für Trink- und häusliche Zwecke kaum in Frage kommt. Und 
wenn entschieden werden soll, ob ein Wasser zum Baden geeignet ist oder 
nicht, so hat man schließlich noch andere hygienische Maßnahmen an der 
Hand, vor allem genaue Lokalbesichtigung, Prüfung der Art und des 
Grades der zugeführten Verunreinigungen, als daß man auf bakterio¬ 
logische Untersuchung allein angewiesen wäre. 

Praktisch wird vielmehr die Forderung gestellt werden, in einem 
Dorf, auf einem einzelnen Gehöft oder in einer Straße, wo Typhus aus- 
gebrochen ist oder auch endemisch vorkommt, etwa verdächtige Brunnen 
auf Krankheitserreger zu untersuchen. Derartige Brunnen, in denen 
Typhuskeime vermutet werden dürfen, müssen natürlich oberflächlichen 
Verunreinigungen zugänglich sein und ihr Wasser wird ungleich mehr 
Keime enthalten wie gutes Leitungswasser. Immerhin wird aber die 
Keimzahl ganz erheblich geringer sein wie im Fiußwasser und es müßte 
auf Grund obiger Beobachtungen mit Pleißenwasser ohne große Schwierig- 

1 Eine Kombination mit zurzeit üblichen Methoden, z. B. Verarbeitung einiger 
Kubikzentimeter des zu untersuchenden Wassers in Zuckerbouillon und Brutofen¬ 
behandlung bei 46 °C könnte sehr aussichtsreich in der Weise durch geführt werden, daß 
man größere Mengen filtriert und die Kücksjoilliüssigkeit dem Mährmedium zusetzt. 

Zeitsehr. f. Hygiene. LXIX 

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546 


Erich Hesse: 


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keiten möglich sein, etwa vorhandene Typhuskolonien unter den zahl¬ 
reichen anderen auf der Drigalskiplatte zu ermitteln. Es erschien mir 
daher notwendig, nach dieser Richtuug hin die Brauchbarkeit der Filtra¬ 
tion durch einige Versuche zu erproben. Ich legte sie so an, daß ich 
einer bestimmten Menge physiologischer Kochsalzlösung ein Quantum 
Fleißenwasser zusetzte und Paratyphusbazillen einsäte. Zählplatten vou 
der Aufschwemmung ließen die Einsaatmengen bestimmen und direkt mit 
Pleißenwasser beschickte Drigalskiplatten in größerer Zahl sollten, wenn 
auch in unzulänglicher Weise, ermitteln, ob nicht etwa vor der künstlichen 
Iufektion bereits Paratyphusbazillen im Pleißenwasser vorhanden waren. 

28. Versuch: 925 ccm physiol. Kochsalzlösung + 75 cc,u Pleißenwasser 
werden mit 56 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Filtration, rückläufige Spülung, 
direkte Verarbeitung auf Drigalskiserie. 

ßesultat: Auf allen (5) Platten 345 Wasserkeime und 25 Paratyphus¬ 
kolonien, die durch Agglutination festgestellt wurden. Es wurden also 
45 Prozent der Aussaat gefunden. 

29. Versuch: 1900 ccm physiol. Kochsalzlösung + 100 ccra Pleißenwasser 
werden mit 140 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Verarbeitung wie bei Vers. 28 
auf Drigalski. 

Resultat: Zahlreiche Kolonien überwuchern besonders die ersten Platten. 
Von 20 verdächtigen Kolonien erweisen sich 6 als Paratyphus B (Agglut.}. 

30. Versuch: 1900 ccra physiol. Kochsalzlösung 4* 100 ccra Pleißenwasser 
werden mit 70 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Verarbeitung wie bei Vers. 28 
auf Drigalski. 

Resultat: Die Platten bieten das gleiche Bild wie bei Vers. 29. Von 
9 verdächtigen Kolonien erweisen sich 2 als Paratyphus B (Agglut.). 

31. Versuch: 1700 ccm physiol. Kochsalzlösung + 300 ccm Pleißenwasser 
werden mit 140 Paratyphus B-Bazillen infiziert. Verarbeitung wie bei Vers. 28 
auf Drigalski. 

Resultat: Besonders auf den ersten Platten sehr dichte Kolonien, die 
sich aber genau differenzieren lassen. Von 6 verdächtigen Kolonien er¬ 
weisen sich 2 als Paratyphus B (Agglut.). 

Diese Versuche beweisen, daß es bei so stark verunreinigtem Wasser, 
wie dies in höherem Maße auch bei einem schlechten Brunnenwasser wohl 
kaum je der Fall sein wird, möglich ist, auch bei relativ geringem Ge¬ 
halt an den gesuchten Krankheitserregern noch in Mengen bis zu 2 Liter 
eine erfolgreiche Untersuchung vorzuuehmen. Durch weitere, allerdings 
sehr zeitraubende Agglutinationsprüfungen hätten sich auf jeden Fall noch 
mehr Paratyphuskolonien ermitteln lassen. 

Es schien mir weiterhin von Wichtigkeit, zu untersuchen, wie sich 
die Erfolge gestalten würdeu, wenn, wie es meist der Fall sein wird, 
zwischen Entnahme und Untersuchung geraume Zeit verstreicht. 2 Ver¬ 
suche konnten mir darlegen, daß auch dann die Keime, die in dem au 


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Das Bebkefeldfilteb z. Nachweis von Baktekien im Wasseb. 547 

organischen Stoffen reichen Wasser genügend Nährmaterial finden konnten, 
noch nachweisbar waren. 

32. Versuch: 1900 ccm physiol. Kochsalzlösung -j- 100 ccm Pleißenwasser 
werden mit 280 Paratyphus B* Bazillen infiziert und bei 22° C 6 Stunden 
in dunklem Schrank auf bewahrt. Filtration, rückläufige Spülung, direkte 
Verarbeitung auf 6 Drigalskiplatten. 

Resultat: Die Platten zeigen zahlreiche rote und blaue Kolonien, 
trotzdem klarer Überblick. Von 8 verdächtigen Kolonien sind bei der 
Agglutination 2 positiv. 

33. Versuch: 1900 ccm physiol. Kochsalzlösung + 100 ccm Pleißenwasser 
werden mit 540 Paratyphus B-Bazillen infiziert und bei 22° C in dunklem 
Schrank 20 Stunden aufbewahrt. Verarbeitung wie bei Vers. 32, außerdem 
eine Malachitgrünplatte. 

Resultat: Platten bieten das gleiche Bild wie bei Vers. 32. Auf der 
Malachitgrünplatte 76 Kol. Von 12 derselben erwiesen sich 3 als Paratyphus B. 
Fine weitere Prüfung der auf Drigalski gewachsenen Kol. unterblieb daher. 

Zu einer praktischen Anwendung des Verfahrens bot mir ein Brunnen¬ 
wasser willkommene Gelegenheit. Es handelte sich um einen gegrabenen 
Brunnen in einem alten Stadtteil in Leipzig, wo in einem Grundstück 
mehrere Typhusfälle vorgekommen waren, die auf den gemeinsam be¬ 
nutzten verdächtigen Brunnen zurückgeführt wurden. Der Brunnen 
war allerdings bereits 8 Tage vor der Wasserentnahme polizeilich ver¬ 
schlossen worden, wodurch einerseits ein Absterbeu etwa vorhanden ge¬ 
wesener Typhusbazillen, andererseits eine beträchtliche Vermehrung anderer 
Keime bedingt sein konnte. Das Wasser, von dem erst einige Eimer abge¬ 
pumpt wurden, enthielt zahlreiche, mit bloßem Auge sichtbare suspendierte 
Teile und zeigte leichte Opaleszenz. Es wurden 1. 1500 ccm filtriert und 
der Rückstoß direkt auf Drigalskiplatten verarbeitet, 2. 1000 ccm filtriert, 
die Kerze mit 40 ccm rückläufig gespült und 2 Drigalskiplatten mit 0*5, 
4 mit 1.0 ccm beschickt. Für beide Modifikationen wurden auch Malachit¬ 
grünplatten augelegt Bei den direkt mit dem Rückstoß verarbeiteten 
Platten war a und ß wegen sehr dichten Wachstums kaum brauchbar, 
während die weiteren getrennte, charakteristische Kolonien aufwiesen. Die 
der Serie 2 zugehörigen Platten zeigten zwar auch getrennte Kolonien, 
die aber infolge ihres äußerst dichten Wachstums keine typische Entwick¬ 
lung mehr erkennen ließen. Auf den Malachitgrünplatten waren 
in beiden Fällen nur eine mäßige Anzahl von Kolonien ge¬ 
wachsen. Eingehende Prüfung zahlreicher verdächtiger Kolo¬ 
nien mit der Agglutination, insbesondere Abschwemmung der 
Malachitgrünplatten nach Lentz-Tietz, konnten eine Anwesen¬ 
heit sowohl von Typhus- wie auch von Paratyphuskolonien 
ausschließen. 

35* 


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548 


Ebich Hesse: 


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Ist also diese Untersuchung negativ ausgefallen, so wage ich doch 
auf Grund meiner Ergebnisse (Vers. 28 bis 33) bei dem für die Unter¬ 
suchung ungemein günstigen Wachstum der Platten von Serie 1. sowie 
bei dem negativen Ausfall der zuverlässigen Malachitgrünmethode, mit 
aller Entschiedenheit zu behaupten, daß das Brunnenwasser zur Zeit der 
Untersuchung in 1500 com keine der fraglichen Krankheitserreger enthielt. 

Der Wert der Filtrationsmethode für derartige Unter¬ 
suchungen, in Verbindung mit geeigneten Kulturverfällen 
(Malachitgrünagar und Lentz-Tietzsche Abschwemmung) ist meiner 
Ansicht nach ein nicht zu unterschätzender, jedoch wird ein 
feinerer Ausbau der Modifikationen (eventuelle Einengung der 
Rückstoßflüssigkeit durch Zentrifugieren oder bei 37° im Vakuum) zu 
weiteren Verbesserungenn führen! 

Die Filterkerzen. 

Wenn die Ergebnisse des Bakterienuachweises mit den Kieselguhr- 
filtern im großen und ganzen so sind, daß sie selbst weitgehenden Anforde¬ 
rungen genügen werden und seine erfolgreiche praktische Nutzbarmachung 
kaum ausbleiben wird, so hatte ich doch einige Male recht wenig erfreu¬ 
liche Resultate. Es war aber ziemlich einleuchtend, daß, wenn bei 
H>3 Versuchen im Durchschnitt 42 Prozent der Einsaatmenge wieder¬ 
gefunden wurden, ein negativer Ausfall eine außergewöhnliche Veranlassung 
haben mußte. Eine solche war bei den schlecht ausgefallenen Versuchen 
denn auch meist nachzu weisen. Über die Folgen ungenügenden Aussaat- 
materials habe ich bereits gesprochen. Eine genaue Beobachtung der 
markierten Kerzen zeigte mir nun, daß bisweilen ein und dieselbe Kerze 
wiederholt schlechte bzw. negative Ergebnisse lieferte. Es gibt also 
Kerzen, die infolge kaum vermeidlicher Fehler für derartig 
subtile Arbeiten unbrauchbar sind! Zu beachten ist, daß auch die 
beste Kerze durch häufiges Sterilisieren, durch den hohen Druck bei der 
rückläufigen Spülung, der doch immerhin auf 2 bis 4 Atmosphären zu 
bemessen ist, Veränderungen in ihrem Bau erleiden kann, die entweder 
ihre Dichtheit oder die Möglichkeit, durch rückläufige Spülung die Keime 
wieder zu entfernen, beeinträchtigen können. Es ist daher unbedingt 
nötig, die Kerzen durch Marken an den Metallteilen zu be¬ 
zeichnen. neue Kerzen systematisch auszuprobieren, im Ge¬ 
brauch befindliche einer ständigen Kontrolle zu unterwerfen. 
Immerhin ist aber die Haltbarkeit einmal als geeignet befundener Kerzen 
bei schonender Behandlung eine sehr langdauernde. Eine mechanische 
Reinigung der Kerzen, etwa mit einer Bürste, schädigt die Oberfläche uud 


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Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien lm Wasser. 549 


ist deshalb zu verwerfen. Außerdem ist die Reinigung durch die rückläufige 
Spülung eine so gründliche, daß, zumal die Kerzen vor jedem Gebrauch 
sterilisiert werden, jedes weitere Reinigungsverfahren überflüssig ist. 

Durch das verschieden starke Brennen der Masse läßt sich die Poren¬ 
weite der Kerzen bei der Herstellung beeinflussen und ich habe für-meine 
Versuche von der Berkefeld-Filter Gesellschaft in Celle .»extra engporig“- 
gebrannte Kerzen bezogen, die ich besonders empfehlen möchte. 

Die Filtrationsgeschwindigkeit einer Kerze braucht nicht 
im Zusammenhang mit ihrer Dichtheit zu stehen! Es kann eine 
Kerze schnell filtrieren und für Keime relativ undurchlässig sein, eine 
andere langsam filtrierende gestattet ihnen Passage! 

Den Kerzen von 6 cm Länge und 2 1 / i em Durchmesser räume ich, weil 
sie bei gleicher Bakterieudichtheit doppelt so schnell arbeiten wie die von 
l 1 /, 0 ™ Durchmesser, unbedingt den Vorzug ein. Da, wie schon erwähnt, 
die Berkefeld-Filter Gesellschaft in der Lage ist, bei gleicher Engporigkeit 
noch größere Kerzen zu liefern, dürften Versuche mit solchen weitere Ver¬ 
besserungen der Methode ermöglichen. 1 Je größer die Kerze, desto 
größer muß natürlich auch die Menge der Rückspülflüssigkeit 
sein. Vielleicht besteht ein gangbarer Weg darin, daß man zunächst mit 
großen Kerzen arbeitet und die vielleicht 100 ccm betragende Rückspül¬ 
flüssigkeit nochmals mit einer Liliputkerze durch eine zweite Filtration 
eineugt. 

Mehrere Versuche mit Kerzen, die mit einer abgetöteten Bakterien¬ 
aufschwemmung künstlich verstopft worden waren, konnten mich von 
einem ausgesprochenen Vorteil dieses Verfahrens nicht überzeugen. 

Jedenfalls eröffnen sich bei eingehender Prüfung der 
Prinzipien und Modifikationen der Filtrationstechnik immer 
mehr Gesichtspunkte für einen weiteren Ausbau derselben! 

Fehlerquellen. 

Wenn ich bei meinen Versuchen 10 mal annähernd alle ausgesäten 
Keime wiederfinden und 8 mal direkt das Resultat „100 Prozent“ ver¬ 
zeichnen konnte, so möchte ich nicht verfehlen, ausdrücklich zu betonen, 
daß bei allen Zahlenergebnissen mit einer gewissen Fehlergrenze gerechnet 
werden muß. Die Kontrollzählplatten, die stets von derselben Verdünnungs¬ 
stufe hergestellt wurden, aus der die Einsaat erfolgte, können infolge 
der mehrfach erwähnten Unmöglichkeit absolut gleichmäßiger Verteilung. 

1 Es werden zwar auch größere Kerzentypen hergestellt» jedoch erscheinen mir 
diese (13 c “ lang und darüber) bereits zu groß. Eine geeignete Mittelsorte für vor¬ 
liegende Zwecke wird demnächst von der Firma auf den Markt gebracht werden. 


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550 


Erich Hesse: 


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namentlich bei sehr geringer Einsaatmenge, keinen Anspruch auf un- ' 
bedingte Genauigkeit erheben. Es ist leicht möglich, daß in don 
14 Tropfen, die zur Herstellung der Zählplatten dienten, 20 Keime waren, 
während die gleiche Menge, mit der das zu untersuchende Wasser infiziert 
wurde, deren 25 bis SO enthielten. Daß derartige Umstände tatsächlich 
mitspielen, bewiesen mir einige Fälle, in denen ich bis zu 130 Pro¬ 
zent der Einsaat wieder fand! Ich muß daher davor warnen, d-r 
Prozentzahl im einzelnen Fall eine allzugroße Bedeutung beizumessen. 
Aber nicht nur bei besonders guten, sondern auch bei gelegentlich 
schlechten Ergebnissen muß dieser Punkt naturgemäß Berücksichtigung 
finden. Nur der Durchschnitt einer großen Versuchsreihe kann 
einen brauchbaren Maßstab für den Wert der Methode liefern! 

Aus rein mechanischen Gründen halte ich es für vollständig un¬ 
möglich, daß tatsächlich alle eingesäten Bakterien wiedergefunden werden. 
Die Rauhigkeit der Kerzenoberfläche, die Wände der Gefäße, 
die Glasspatel, die bei Gelatinegußplatten in den Röhrchen 
zurückbleibenden Reste müssen einzelne Keime zurückhalten. 
Und so möchte ich im Sinne der oben geschilderten Fehlerquellen meinen 
verschiedentlich wiedergefundenen „100 Prozent“ eine gewisse Einschrän¬ 
kung zuteil werden lassen. 

Parallelversuche nach den Methoden von Ficker und Müller. 

Die bisher in bezug auf den Bakteriennachweis in Flüssigkeiten im 
Vordergrund stehenden Methoden der Eisenfällung ließen es mir not¬ 
wendig erscheinen, einige Parallelversuche mit der Filtration anzustellen. 
Bezüglich der Ergebnisse dieser Methoden muß ich mich den eingane? 
erwähnten Resultaten Nieters voll und ganz anschließen. Speziell die 
Ficker sehe Methode habe ich in allen sowohl von Ficker wie von 
Hilgermann gebrauchten Anwendungsformen ausprobiert. Das be?t- 
Resultat war, daß ich aus 1 Liter Flüssigkeit von 412 eingesäten Keimet 
75 = 18 Prozent wiederfand, und zwar aus dem gelösten Sediment. Tr*: 
Verwendung einer elektrisch betriebenen Zentrifuge gelang es mir. im 
Durchschnitt (16 Versuche) nur 4 Prozent der Einsaat nachzuweisen. 

Wesentlich günstiger fielen die Ergebnisse bei der Müller sehet 
Methode aus. Bei 10 Versuchen fand ich durchschnittlich 35 Prozeit 
der eiugesäten Keime wieder. Dreimal konnte ich nach Müller besser- 
Resultate erzielen wie bei den parallel gehenden Filtrationsversuchen. P* 
beste bei der Müll er sehen Fällung beobachtete Resultat waren 59 Prozent 
der Einsaat. 


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f 



Das Berkefeldfilter z. Nachweis von Bakterien im Wasser. 551 

Karze Zusammenfassung. 

Die Ergebnisse meiner Versuche über den Nachweis von Bakterien 
in Flüssigkeiten mit dem Berkefeldfilter möchte ich in folgenden Sätzen 
zusammenfassen: 

1. Bei der Filtration bakterienhaltiger Flüssigkeiten können 
die auf der Kerzenoberfläche zurückgehaltenen Keime durch 
rückläufige Spülung nahezu völlig entfernt und in der Rück¬ 
spülflüssigkeit nachgewiesen werden. 

2. Bei kurzen, aber energischen Stößen mit der Druckpumpe 
gelingt es, die Hauptmenge der Keime mit 4 bis 5 Stößen zu 
entfernen. Eine Anwendung größerer Plattenserien und da¬ 
durch ermöglichter vermehrter Rückspülflüssigkeit, verbessert 
die Ergebnisse. 

3. Auch bei sehr geringem Keimgehalt (unter 10 Keimen 
im Liter) bewährt sich die Methode vorzüglich. 

4. Mittels einfacher automatischer Vorrichtung ist es mög¬ 
lich, größere Wassermengen (10 Liter und mehr) durch Filtra¬ 
tion zu untersuchen, wodurch die Brauchbarkeit der Methode 
wesentlich erhöht wird. Eine Verwendung größerer Kerzen¬ 
typen mit gesteigerter Leistungsfähigkeit wird sich besonders 
zweckmäßig erweisen. 

5. Die Methode verspricht außerordentlich günstige prak¬ 
tische Erfolge bei Untersuchung von Brunnen- und Nutzwässern 
auf ihren Keimgehalt überhaupt, wie auch auf Anwesenheit 
etwa vorhandener pathogener Keime, vor allem in geeigneter 
Verbindung mit spezifischen Nährböden (Malachitgrünagar, Dieu- 
donne - Blutalkaliagar) und unter Verwertung spezifischer bio¬ 
logischer Eigentümlichkeiten mancher Keime. 

6. Die den Versuchen dienenden Kerzen müssen auf ihre 
Brauchbarkeit stets erst ausprobiert werden und erheischen 
auch weiterhin ständige Kontrolle. 

7. Die niemals gleichmäßige Verteilung von Bakterien¬ 
aufschwemmungen in Flüssigkeiten verbietet, im einzelnen 
Fall einen allzugroßen Wert auf die Prozentzahl der wieder¬ 
gefundenen Keime zu legen. 

8. Die Filtrationsmethode gibt bessere Resultate wie die 
Fällungsmethode mit Liquor ferri oxychlorati und übertrifft 
bei weitem die Fällung mit Ferrisulfat. 


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552 Erich Hesse: Das Bebkefeldfilteb usw. 

Am Schlüsse dieser Ausführungen gestatte ich mir Herrn Geheimen 
Rat Hofmann für das Interesse, das er der Arbeit entgegengebracht hat, 
sowie für die Beschaffung der notwendigen Apparate, meinen ergebensten 
Dank auszusprechen. 


Literatur - Verzeichnis. 


1. Gärtner, l>as Bacterium coli als Indikator fäkaler Verunreinigungen eines 
Wassers. Diese Zeitschrift. Bd. LXVII. S. 55. 

2. Vallet, Une nouvelle technique pour la recherche du bacille typhique dans 
les eaux de boissons. Arcli. de mtdecine exper. et d'anatom. pathoL Juillet 1901. 

3. Schüder, Zum Nachweis der Typhusbakterien im Wasser. Diese Zeitschr. 
Bd. XLII. S. 317. 

4 . Ficker, Cher den Nachweis von Typhusbaziilen ira Wasser durch Fällung 
mit Eisensulfat, Hygien. Rundschau . Bd. XIV. S. 7. 

5. Müller, Über den Nachweis von Typhusbazillen im Trinkwasser mittels 
chemischer Fällungsmethoden, insbesondere durch Fällung mit Eisenoxychlorid. 
Diese Zeitschrift. Bd. LI. S. 1. 

6. Feistmantel, Trinkicasser und Infektionskrankheiten . Leipzig 1904. 

7. Nieter, Über den Nachweis von Typhusbazillen im Trinkwasser durch 
Fällung mit Eisenoxychlorid. Hygien. Rundschau. Bd XVI. S. 57. 

8. Hilgermann. Der Nachweis der Typhusbazillen im Wasser mittels der 
Eisenfällungsmethoden. Archiv für Hygiene. Bd. LIX. S. 355. 

9. Fedcrolf, Über den Nachweis des Bacterium coli im Wasser durch die 
Fällungsmethode. Ebenda. Bd. LXX. S. 311. 

10. Ri ecke, Über die keim widrigen Eigenschaften des Ferrisulfats. Diese 
Zeitschrift. Bd. XXIV. S. 303. 

11. Klein, 2.‘i. ann. Rep. Loc. Gov. Board I893j94. Suppl. p. 47. London 1895. 

12. Jackson, An improved filter for microscopical water analyses. Ref. Hip. 
Rundschau. Bd. X. 8. 212. 

13. Chantomesse, Sem. med. 1901. p. 186. 

14. P. Schmidt, Über den Mechanismus der Bakterienfiltration mit Berkefeld- 
filtern. Diese Zeitschrift. Bd. LXV. S. 423. 

15. v. Esmarch, Über kleinste Bakterien und das Durchwachsen von Filtern. 
Centratblatt für Bakteriologie. Bd. XXXII. S. 561. 


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Experimentelle Studien über die Beziehungen 
der Glossina morsitans zur Schlafkrankheit. 


Voll 

l)r. M. Taute, 

St»b»airt in der Kaiser!. Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, kommandiert x. Schlafkrankheitsbekämpfun*. 


Noch bis vor kurzem konnte es für ausgeschlossen oder zum miudesten 
sehr unwahrscheinlich gelten, daß neben der Glossina palpalis auch die 
gewöhnliche Tsetsefliege (Glossina morsitans) eiu geeigneter Wirt für das 
Trypanosoma gambiense sei. Diese Annahme hatte ihre berechtigten 
Gründe: Wo Schlafkrankheit herrschte, fand sich auch Glossina palpalis 
und das ausnahmsweise Auftreten der Seuche in palpalisfreien Gegenden 
hatte noch immer zwanglos und einwandfrei durch den Nachweis einer 
Einschleppung der betreffenden Krankheitsfälle aus Palpalisgebieten oder 
auch manchmal mit der Möglichkeit einer Infektion durch den Geschlechts¬ 
verkehr (R. Koch, Kudicke) erklärt werden können. 

Eine experimentelle Stütze fand die Anschauung von der Bedeutungs¬ 
losigkeit der Glossina morsitans für die Verbreitung der Schlafkrankheit 
in einem Versuch, den ich auf Veranlassung von Kleine im Jahr 1909 
in Kirugu bei Schirati am Viktoria-Nyanza ausgeführt hatte. Damals war 
mit 437 gezüchteten Glossina morsitans eiue Übertragung des Trypano¬ 
soma gambiense auf gesunde Affen trotz einwandfreier Versuchsauordnung 
nicht gelungen. 

Da wurden Ende 1909 mehrere Schlafkrankheitsfälle aus Xordost- 
Rhodesia und Nyasaland bekannt, bei deren Ätiologie auch nach sorg¬ 
fältigster Nachforschung Glossina palpalis auszuschließen war, während 
morsitans sich neben zerstreuten Glossitiae fuscae an den mutmaßlichen 
Orten der Infektion in Mengen vorfand. Seit dieser Zeit sind in jener 


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554 


M. Taute: 


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Gegend weitere Fälle von menschlicher Tiypanosomiasis aufgetreten, bei 
deren Entstehung die Glossina palpalis gleichfalls nicht beteiligt sein 
konnte. Unter diesen Umständen erklärte sich leicht, daß die Frage nach 
der Ursache dieser Erkrankungen nicht mehr zur Buhe kam. 

Manche Autoren glauben, daß die Erkrankungen in Bhodesia und 
Nyasaland nicht durch das Trypanosoma gambiense, sondern durch ein 
anderes Trypanosoma hervorgerufen wurde, eine Auffassung, die sehr 
viel für sich hat, aber über die Art der Entstehung der Krankheit keine 
Aufklärung gibt. 

Kleine und der Verfasser erwogen wiederholt das auffallende Resultat 
der bisherigen Forschungen, wonach in der Glossina palpalis eine Reihe 
von verschiedenen Trypanosomen zur Entwicklung kam, während um¬ 
gekehrt das Trypanosoma gambiense nur von einer Fliege, der Glossina 
palpalis, übertragen wurde. 

Im Hinblick auf die große praktische Wichtigkeit der Angelegenhrit 
erhielt ich im Anfang des Jahres von Herrn Professor Kleine den Auf¬ 
trag, von neuem einen Versuch der Übertragung des Trypano¬ 
soma gambiense mit Glossina morsitans anzustellen, und zwar 
diesmal am Tanganika. 


Versuche. 

Beginn am 21. IV. 1911 in Niansa. Niansa liegt drei Tagemärsch- 
nördlich von Udjidji unmittelbar am Tanganika und ist frei von jed-r 
Art von Glossinen. Während des Versuchs unterblieb zur sicheren Ver¬ 
meidung von Verwechslungen jedes Experiment mit Glossina palpalis. 

Warum nur gezüchtete Fliegen verwandt werden konnten, ist au 
anderer Stelle wiederholt auseinandergesetzt. Die zur Zucht nötigen 
Muttertliegen wurden im Hinterland von Udjidji eingefangen und dann in 
Udjidji bei täglicher Fütterung an Hammeln in Fliegengläsern gehalten. 
Die gesammelten Puppen wurden serienweise nach Niansa gesandt, wo 
das Ausschlüpfen der jungen Glossinen abgewartet wurde. Die Kontroli-, 
ob es sich bei den zum Versuch benutzten Fliegen wirklich um die Spezies 
„morsitans“ handelte, war eine dreifache. Erstens besichtigte Oberarzt 
Dr. Koch, der sich ein großes Verdienst um die Vorbereitung des Ex¬ 
periments erworben hat, in Udjidji regelmäßig die zur Zucht dienenden 
Vlutterfliegen. Zweitens prüfte ich selbst in Niansa jede einzelne aus?o- 
schlüpfte junge Fliege auf ihre Artzugehörigkeit und drittens wurden all: 
während des Versuchs eingegangenen Glossinen bei der Sektion auch 
äußerlich genau besichtigt. 

Den Affen, welche zur Infektion der Fliegen dienten, waren kurze 
Zeit vor Beginn des Versuchs je 5 ecm Blut von 3 verschiedenen schlaf- 


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Glossina morsitans und Schlafkrankheit. 


555 


kranken Menschen der hiesigen Gegend injiziert worden. — Große Sorg¬ 
falt mußte auf gute Pflege und Ernährung dieser Versuchstiere verwandt 
werden; nur so konnte es gelingen, daß z. B. die Affen Nr. 1, 2, 3 und 4 
keine Schädigung ihres Gesundheitszustandes erfuhren, trotzdem sie monate¬ 
lang den täglichen Stichen von durchschnittlich über 100 Fliegen aus¬ 
gesetzt wurden. 

Versuch 1. Die frisch ausgeschlüpften Fliegen wurden zunächst 
4 Tage hintereinander zum Saugen an den schlafkranken Affen A, B 
und C angesetzt; dann wurden für die Fliegen, um eine mechanische 
Übertragung der von den schlafkranken Affen aufgenommenen Trypano¬ 
somen auf die gesunden Affen zu vermeiden, 2 Hungertage eingelegt. 
Nun erst wurde an gesunden Affen weiter gefüttert. Es glangten zur 
Fütterung nach dem ersten Saugen am kranken Affen: 


Am 


Am 

Am 

Am 


Am 


Am 

Am 

Am 

Am 


Am 


Am 

Am 


6 . 


10 . 


14. 

18. 

22 . 

26. 

30. 


34. 


38. 


42. 


46. 

50. 


bis 9. Tage 
bis 13. Tage 
bis 17. Tage 
bis 21. Tage 
bis 25. Tage 
bis 29. Tage 
bis 33. Tage 
bis 37. Tage 
bis 41. Tage 
bis 45. Tage 
bis 49. Tage 
bis 53. Tage 


883 Glossinen am gesunden Affen Nr. 1. 

Der Affe blieb dauernd gesund. 

805 Glossinen am gesunden Affen Nr. 2. 

Der Affe blieb dauernd gesund. 

730 Glossinen am gesunden Affen Nr. 3. 

Der Affe blieb dauernd gesund. 

602 Glossinen am gesunden Affen Nr. 4. 

Der Affe blieb dauernd gesund. 

515 Glossinen am gesunden Affen Nr. 5. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 
429 Glossinen am gesunden Affen Nr. 6. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 
334 Glossinen am gesunden Affen Nr. 7. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 
248 Glossinen am gesunden Affen Nr. 8. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 
181 Glossinen am gesunden Affen Nr. 9. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 
127 Glossinen am gesunden Affen Nr. 10. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 
82 Glossinen am gesunden Affen Nr. 11. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 
41 Glossinen am gesunden Affen Nr. 12. 

Der Affe erkrankte an Trypanosomiasis. 


Die Fliegen waren also in einem Zeitraum von 21 Tagen nach der 
ersten Fütterung am schlafkranken Affen nicht infektiös geworden (die 
Affen Nr. 1, 2, 3, 4 blieben gesund) und hatten von da ab fortlaufend 
infiziert (die Affen Nr. 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 12 erkrankten). 

Damit war es bewiesen, daß die gewöhnliche Tsetsefliege die 
Rolle eines richtigen Wirts und nicht etwa eines nur rein me¬ 
chanischen Überträgers für den Erreger der Schlafkrankheit 


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556 


M. Taute: 


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spielen kann und daß die Entwicklung der Trypanosomen im 
Körper der Glossina morsitans etwaf dieselbe Zeit beansprucht 
wie in der Glossina palpalis. — Immerhin konnte es sich um eiu 
außergewöhnliches Vorkommnis handeln, das praktisch ohne Bedeutung 
war. Von den im Anfang des Experiments verwendeten 883 Fliegen 
mochte nur eine einzige infektiös geworden sein, die bis zuletzt am 
Leben blieb und allein alle Affen infizierte. Um dies festzustellen, 
mußten wir den Prozentsatz der infektiösen Fliegen kennen lernen. Hierzu 
genügten mikroskopische Untersuchungen nicht. Hätte ich z. B. alle meine 
Fliegen etwa 20 Tage nach ihrem ersten Saugen am kranken Tiere ge¬ 
tötet und auf Trypanosomen untersucht, so hätte ich sicher eine Reihe 
von Parasiten getroffen, die noch in der Entwicklung begriffen waren, 
ohne dabei entscheiden zu können, ob diese Entwicklung zu einem Ende 
gekommen wäre. Es sei daran erinnert, daß auch bei jenem ersten 
negativen Ubertragungsversuch am Viktoriasee sich Entwicklungsstadien 
des Trypanosoma gambiense in den Glossina morsitans fanden. Um 
Fehlerquellen auszuschalten, hatte man also durch das Tierexperiment 
die eingetretene Infektiosität der Fliegen zu prüfen. 

Versuch 2. 670 Fliegen, die mindestens 20 Tage vorher an einem 

kranken Affen gesogen hatten, teilte ich in 16 Gruppen und ließ jede 
Gruppe 3 Tage an einem gesunden Affen saugen (siehe Tabelle I). 


Tabelle I. 


Nummer Zahl der na,:h der 

, ersten Fütterung 

der Gruppe ani kranken Ausgangstier 


1 

20—23 

2 

22—25 

3 

24 — 27 

4 

*26—23 

5 

2S-31 

6 

30—33 

i 

32—35 

s 

34—37 

3 ; 

30 — 33 

10 

3s -n 

11 

40— 16 

12 

44 — 50 

i;s 

4 S — 53 

14 

51-54 

15 

53-57 

16 

55 — 63 


Gck igle 


Zahl 

der Fliegen 

Resultat 

78 

Alte bleibt gesund. 

34 

M »1 

48 

*• »• 

41 

„ „ 

45 | 

'» «• 

50 

„ „ 

45 

Affe erkrankt. 

47 , 

** »♦ 

33 

Affe bleibt gesund. 

43 

Affe erkrankt. 

65 | 

35 

Affe bleibt gesund. 
Affe erkrankt. 

30 

M ♦» 

21 1 

Affe bleibt gesund. 

12 

M *• 

27 

Affe erkrankt 


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Glossina morsitans ünd Schlafkrankheit. 


557 


Aus der Tabelle geht hervor, daß sich unter den insgesamt 670 zur 
Fütterung gelangten Glossinen 6 verschiedene Fliegeugruppen befanden, 
die nach dem Saugen am schlafkranken Affen infektiös geworden waren. 

Im Hinblick auf die Untersuchungen von D. Bruce* der bei seiner 
Bestätigung der Entdeckung Kleines von der Entwicklung der Trypano¬ 
somen in den Glossinen fand, daß Fliegen nach dem Saugen am kranken 
Tiere manchmal eine ungewöhnlich lange Periode der Nichtinfektiosität 
durchmachen können, um dann schließlich doch noch infektionstüchtig zu 
werden, wurden die nicht infektiösen Fliegengruppen später nochmals teils 
an denselben, teils an neuen Affen geprüft (siehe Tabelle II). 


Tabelle II. 


Nummer 
der Gruppe 

Zahl der Tage nach der 
ersten Fütterung 
am kranken Ausgangstier 

Zahl 

der Fliegen j 

R e s u 1 t a t 

1 

36—40 

69 

Alle bleibt gesund. 

2 

38-42 

30 

»• »« 

3 

1 

o 

43 

Affe erkrankt. 

4 

42-46 

36 

Affe bleibt gesund. 

5 

44—48 

37 

Affe erkrankt. 

6 

46-50 

42 

Alle bleibt gesund. 

9 

52—56 

33 

Affe erkrankt. 

11 

56-63 

40 

»» >» 

14 

67—71 

13 

Alle bleibt gesund. 

15 

69—73 

7 

** »* 


Es sind, wie Tabelle II zeigt, im Laufe der Zeit in 4 weiteren Gruppen 
Glossinen infektiös geworden. Wir haben somit unter den 670 Fliegen, 
mit denen wir den Versuch II begannen, zum mindesten 10 infektiöse. 
Das wahre prozentuale Verhältnis zu eruieren, war mir leider nicht mög¬ 
lich; ich hätte daun die Gruppen noch erheblich verkleinern und viel 
mehr Affen zur Verfügung haben müssen. Doch die gewonnene Zahl genügt 
schon völlig, um zu beweisen, daß die Übertragung des Trypanosoma 
gambiense durch die Glossina morsitaus keinen Ausuahmefall 
bedeutet, soudern eiue Erscheinung ist, mit der wir rechnen müssen. 

Die mikroskopische Untersuchung der Versuchsfliegen wurde im all¬ 
gemeinen prinzipiell auf die spontan eingegangenen beschränkt, um zu 
vermeiden, daß durch ein vorzeitiges Töten gerade solche Glossinen dem 
Experiment entzogen würden, die vielleicht später Überträger der Trypa¬ 
nosomen geworden wären. Die Sektion konnte hierbei nur den Darm¬ 
inhalt berücksichtigen; zu einem feineren Zerlegen der Fliegen fehlte jede 
Zeit. Es sei kurz erwähnt, daß in 282 untersuchten Glossinen 22 mal 
= 7*8 Prozent Entwicklungsformen von Trypanosomen gefunden wurden, 


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558 M. Taute: Glossina morsitans und Schlafkrankheit. 


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in drei Fliegen wurde das Endstadium der Entwicklung festgestellt, näm¬ 
lich fertig ausgebildete Trypanosomen, wie wir sie im Blute der Sauce: 
zu sehen pflegen. — Nur in einem Falle, wo eine infektiöse Gruppe au: 
3 Fliegen zusammengeschmolzen war, wurden die Fliegen getötet, nach¬ 
dem sie (am 69. bis 71. Tag nach dem ersten Saugen am kranken Tier 
einzeln an 8 gesunden Affen gefüttert waren. Während 2 von ihnen b-, 
der Sektion sich als frei von Parasiten erwiesen, stand der bei der dritten 
Glossine erhobene mikroskopische Befund vollkommen in Einklang m:‘ 
den von Kleine und Taute beschriebenen Entwicklungsformen des Try¬ 
panosoma gambiense im Körper der Glossina palpalis. 

Befund: Männliche Glossina morsitans. Im Rüssel mehrere fertig 
ausgebildete Trypanosomen. Im Proventrikel große Mengen weib¬ 
licher Trypanosomen, daneben eine Anzahl wohl charakterisierter männ¬ 
licher Parasiten, ferner zahlreiche Trypanosomen, die dem sogenannrei. 
Trypanosoma tullochii entsprachen. Im Mitteldarm reichlich welt¬ 
liche, vereinzelte männliche Trypanosomen, ferner amöboide Formen. End- 
darm anscheinend frei von Parasiten. In der Speicheldrüse zahlreick¬ 
weibliche, vereinzelt männliche Trypanosomen, viele amöboide und Ruhr- 
formen. 

Dieser Feststellung entspricht die Tatsache, daß der Affe, an d-n. 
die parasitenhaltige Fliege gesogen hatte, in der Folge an Trypanosoma:- 
erkrankte, während die beiden anderen Affen gesund blieben. 

Das Gesamtergebnis meiner Untersuchungen steht im Gegensatz zu 
dem Experiment, das in gleicher Anordnung vor 2 Jahren am Viktoria.-* 
zu einem negativen Resultat führte. Es wird die Aufgabe weiterer For¬ 
schungen sein, die Gründe hierfür aufzudecken. Bags hawe neigt zu de: 
Ansicht, daß bei der Entwicklung der Trypanosomen in den Fliegen be¬ 
sonders geeignete klimatische Verhältnisse eine Rolle spielen. Vielleich' 
ist dem so. Die Küsten des Tanganika liegen etwa 400 Meter tiefer al- 
die des Viktoria-Nyanza. Wenn mir auch genaue Angaben darüber nieh: 
bekannt sind, so kann doch als sicher angenommen werden, daß an 
Tnnganika die Lufttemperatur und -feuchtigkeit im allgemeinen eine h"b?:- 
ist; es bestehen hier also möglicherweise günstigere Bedingungen fl* 
die Entwicklung des Trypanosoma gambiense in der Glossiua morsiia'.- 
als am Viktoriasee. 

Bei der praktischen Bewertung des gelungenen Übertragungsversucb- 
dürfen wir nicht vergessen, daß es sich vorläufig nur um ein Laborato- 
riumsexperiment handelt, welches, wie die Erfahrungen von Bou-‘ 
und Roubaud zeigen, nicht immer mit dem Geschehen in der Na:r 
übereinzustimmen braucht. Immerhin mahnt es uns nachdrücklich zu: 
Aufmerksamkeit und Vorsicht. 


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Zeitschrift für Hygiene, ßd. LXIX. 


Tafel 1. 



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GEBRÜDER DIETRICH. LEIPZIG 


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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXIX. 


Tafel II. 



Fig. 1. 



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Verlag von VEIT $ COMP., Leipzig. 


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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXIX. 


Tafel III. 



Mikrophotogramm Nr. 1. 



Mikrophotograimn Nr. 2. 


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Mikrophotogramm Nr. 1. 


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Mikrophotogramm Nr. 2. 


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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXIX. Tafel V. 



Mikrophotogramin Nr. 6. 



Mikrophotogramm Nr. 5. 



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Mikrophotogramm Nr. 10. 


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Vnrlnc* vnn VFIT A COMP, in T oinritr 





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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXIX. 


Tafel VI. 



Mikropliotogramin Nr. 8. 



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O Verla: 


Mikrophotogramm Nr. 3. 


Verlag von VEIT A COMP, in Leipzig 


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Mikrophotogramm Nr. 9 


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Fig. 1. 



Fig. 2. 


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