UN1VERSITY OF CALIFORNIA
SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER
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^ZEITSCHRIFT
FÜR
HYGIENE
UND
INFEKTIONSKRANKHEITEN^
HERAUSGEGEBEN
▼OK
Prof. Dr C. FLÜGGE, und Prof. Dr G. GAFFKY,
_HEU-RAT UND DIREKTOR DER WIRKT*. GEH. OBERMKDI KI WALBAT
BTO. INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BERLIK,
ZWEIUNDACHTZIGSTER BAND.
MIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT UND’ZEHN TAFELN.
LEIPZIG
VERLAG VON VEIT & COMP.
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Druck von Metzgor & Wittig in Leipzig.
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Inhalt.
Seite
Heinrich Perl, Untersuchungen über Konstitution und Krankheitsdisposition.
5. Die Messung der muskulösen Konstitution mit dem Dynamometer . 1
M. van Riemsdyk, Biologisch-epidemiologische Gedanken über die Frage der
Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen, mit besonderer Berücksich¬
tigung des Bacillus Hofmanni . 29
H. A. Gins, Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. Bericht
über die im Aufträge des Herrn Ministers des Innern unternommenen
Versuche. 89
H. A. Gins und R. Weber, Über den Nachweis des in die Blutbahn einge¬
spritzten Vaccinevirus in inneren Organen bei Kaninchen.143
St. Serkowski, Über den Einfluß gewisser physikalisch-chemischer Faktoren
auf Präzipitation und Agglutination.155
Friederich Kanngiesser, Die Seuche des Thukydides (Typhus exanthe-
maticus). (Hierzu Taf. I).184
C. Flügge, Mitteilung an die Redaktion.196
F. Klose, Bakteriologische und serologische Untersuchungen mit dem Fränkel-
schen Gasbrandbacillus.197
H. Ham di. Über die Ergebnisse der Immunisierungs versuche gegen Typhus
exanthematicus.235
Fromme und Hancken, Beurteilung von Umgebungsuntersuchungen und
Meningokokkenträgern bei Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre 243
Walther Schrauth und Walter Schoeller, Über die Desinfektionskraft
komplexer organischer Quecksilberverbindungen. III. Mitteilung. Merku-
rierte Phenole.279
Th. Messerschmidt, Das Deeinfektionsvermögen der Metalle und seine
Ursachen mit besonderer Berücksichtigung der Wirkung des Kupfers.
(Hierzu Taf. II—VII).289
Heinrich Lange, Über Desinfektion mit trockener Heißluft.327
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IV
Inhalt.
Seite
R. Weber, Experimentelle Untersuchungen zur Frage der Schutzimpfung
gegen Typhus und Cholera.351
O. Schiemann, Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.405
J. Petruschky, Zur Bakteriologie der broncho-pneumonischen Erkrankungen
bei Fleckfieber. (Hierzu Taf. VIII—X).435
Herrmann Reuter, Bakterielle Befunde bei Fleckfieber ..463
Ernst Berlin und Fr. Kutscher, Untersuchungen von bei Meningitis cerebro¬
spinalis epidemica gewonnener Lumbalflüssigkeit auf toxische Substanzen 506
Ernst Teichmann, Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.511
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[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Königsberg.]
(Direktor: Prof. Dr. Kisskalt.)
Untersuchungen über Konstitution und
Krankheitsdisposition . 1
5. Die Messung der muskulösen Konstitution mit dem Dynamometer.
Von
Dr. med. Heinrich Perl.
Florschütz (1) hat als Konstitution „diejenige Körperbeschaffen¬
heit bezeichnet, welche sich durch die Körpermessung objektiv ausdrücken
läßt.“ Damit ist gesagt, daß zur Beurteilung der Körperkonstitution die
Inspektion nicht genügt, weil das Urteil durch den Anblick allein natur¬
gemäß sehr subjektiv ausfallen muß. Daher bemühte man sich, für die
Beurteilung der Körperkonstitution einen zahlenmäßigen Ausdruck zu
finden. So hat, um nur einige Beispiele zu erwähnen, Quötelet (2) das
Verhältnis von Gewicht und Länge durch das Zentimetergewicht ausge¬
drückt: Also Q= P:L. Da nun die Länge in Zentimetern, d. h. in der
ersten Potenz und das Gewicht in Kilogramm, d. h. in der zweiten Potenz
ausgedrückt wird, so schlug Pfaundler (3) vor, folgende von Livi auf¬
gestellte Formeln anzuwenden:
1000 1 / Körpergewicht in Gramm,
V Körperlänge in Zentimetern
Oppenheimer (4) bezeichnet als Emährungsmaß (EM.) Brust¬
umfang mal Oberarmumfang, dividiert durch Körperlänge, und als Er¬
nährungsquotienten (EQ.) das Verhältnis von Brustumfang zum Ober¬
armumfang. Als Mittelwerte beim Erwachsenen gibt er für EM. 14 bis 15
und für EQ. etwa 30 an.
1 VgL Diese Zeitschrift. 1914. Bd. LXXVIII. S. 489, 500, 524; 1916.
Bd. LXXXI. 8.42.
Zeitecur. f. Hygiene. LXXXII
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2
Heinrich Perl:
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Gärtner (5) betrachtete den menschlichen Körper als einen Kegel
und stellte eine Reihe von mathematischen Formeln auf, aus denen sich
ergibt, daß die Gewichte zweier Personen sich verhalten wie die dritten
Potenzen ihrer Höhen.
Oeder (6) wählte „die Fettpolsterdicke als Index des Ernährungs¬
zustandes bei Erwachsenen“, welche er mittels eines von ihm konstruierten
Zirkels feststellt. Andere Maße sind von Bornhardt, Pignet (5) u. a.
angegeben worden. Durch Messung von Länge, Gewicht, Brustumfang
sind zahlreiche Volksgruppen untersucht worden. Dabei hat sich gezeigt,
daß schon durch Vergleich der Körperlänge allein gute Schlußfolgerungen
zu erhalten sind. Dies ist sehr wichtig; denn je einfacher eine Methode
in der Anwendung und Berechnung ist, desto leichter wird es sein, viele
Zahlen zu erhalten, und für die soziale Anthropologie ist gerade dies von
größter Bedeutung.
Betreffs der bisher gewonnenen Resultate seien vor allem die Messungen
an Schulen erwähnt (7). Auf andere Altersklassen erstreckten sich die
Untersuchungen von Erisman (8) an Moskauer Fabrikarbeitern. Besonders
seien noch hervorgehoben die Versuche Aschers (9), eine Konstitutions¬
statistik zu schaffen durch Messung auch der vorschulpflichtigen Kinder. —
Das außerordentlich wichtige Material, das bei militärischen Musterungen
gewonnen wurde, ist leider nur zum kleinsten Teile veröffentlicht.
Nun könnte man einwenden, daß Maß und Gewicht zur Beurteilung
der Körperkonstitution nicht genügen. Ascher sagt z. B.: „Besser wäre
natürlich auch noch die Bestimmung anderer Maße, z. B. der Brust, sowie
der Arme und Waden.“ Aber auch diese Maße genügen zur Beurteilung
der Körperkonstitution nicht. Sie geben zwar eine Vorstellung von der
äußeren Beschaffenheit eines Individuums, aber keinen Begriff von der
Funktion des Organismus. So lag es nahe, eine Methode zu suchen, welche
gestattet, die Funktion zur Beurteilung der Körperkonstitution verschie¬
dener Volksgruppen heranzuziehen. Zu diesem Zwecke schien die Messung
der Körperkonstitution mit dem Dynamometer am geeignetsten.
a) Frühere Messungen mit dem Dynamometer. Früher war
die Messung der muskulösen Konstitution mehr üblich als in neuester Zeit.
So werden im Dictionaire des Sciences Medicales (10) folgende
Arbeiten erwähnt:
Borelli: De motu animalium; De la Hire, Examen de la force de
l’homme 1 ; DSsaguliers, Le^ons de physique experimentale. Der Physiker
M. Coulomb hat durch Beobachtung und Experiment die Höhe der täg¬
lichen menschlichen Arbeitskraft bestimmt. Zum ersten Male hat Leroy
1 Acad . des Sciences . 1G99.
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
3
ein zum Messen der Körperkraft brauchbares Instrument konstruiert.
Es besteht aus einem Metalltubus, in dessen Innern sich eine Spiralfeder
befindet; daran ist ein graduierter Stab befestigt. Durch Niederdrücken
der Feder mit dem Finger oder der Hand kann man die Größe der Körper¬
kraft ablesen. Der Apparat ist jedoch nicht brauchbar, weil er nicht ge¬
stattet, daß die volle Körperkraft sich entfaltet. Auf Anregung von
Buffon und Gueneau, welche sich damit beschäftigten, „die relativen
Kräfte in verschiedenem Lebensalter und bei verschiedenem Gesundheits¬
zustand“ zu messen, konstruierte C. Rdgnier (11) das Dynamometer,
wie es nur wenig verändert noch heute im Gebrauche ist. Er will es dazu
verwendet wissen, „um die relative Kraft der Menschen und Pferde, der
Zugtiere zu erkennen und zu vergleichen; außerdem, um den Widerstand
von Maschinen zu beurteilen und die Triebkraft zu schätzen, welche man
dabei an wenden will.“ Mit einer Ellipse aus Kupfer steht in Verbindung
ein fächerförmiges Metallstück, auf welches zwei parallel laufende Skalen
gezeichnet sind, eingeteilt in 10000 g und Kilogramm für Zug und Druck.
Zwei Zeiger, welche auf diesen Skalen spielen, übertragen mit Hilfe einer
Feder den Druck oder Zug an der Ellipse, und geben somit die Druck¬
oder Zugkraft an. Das moderne Dynamometer, konstruiert von Mat-
thieu (12), unterscheidet sich von dem Regnierschen Dynamometer da¬
durch, daß nur eine Skala vorhanden ist, welche sich innerhalb der Ellipse
befindet. Regnier fand, daß ein Mann von 25 bis 30 Jahren mit beiden
Händen durchschnittlich 50 kg Druckkraft entwickelt und 265 Pfund
hebt. Diese Kraft verringert sich vom 50. Lebensjahre. Frauen haben
die Kraft eines jungen Mannes von 15 bis 16 Jahren, d. h. zwei Drittel
der männlichen Kraft. Das Dynamometer wurde so hoch geschätzt, daß
man den Vorschlag machte, es bei den militärischen Musterungen zu ver¬
wenden in der Weise, daß junge Leute mit großer Druckkraft bei der
Marine und solche mit großer Zugkraft bei der Artillerie eingestellt werden
sollten. Das Dynamometer von Collin, mit welchem ich meine Unter¬
suchungen machte, dürfte der Beschreibung nach das gleiche sein. Nach
Mitteilungen der Firma Collin sind Untersuchungen damit nur von Du-
vhenne in Boulogne und Castex in Rennes gemacht worden, deren Arbeiten
mir jedoch gegenwärtig nicht zugänglich sind.
Ein anderes Dynamometer hat Uhl mann angegeben (vgl. die Preis¬
liste der Firma E. Zimmermann, Leipzig).
Sternberg (13) hat zu neurologischen Untersuchungen ein be¬
sonderes Dynamometer konstruiert. Es besteht aus zwei parallel laufenden
Stahlrohren; zwischen ihnen befindet sich ein Hebel nebst einer Skala,
welche übrigens nur bis 50 kg geht.
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4
Heinrich Perl:
Bemerkt sei jedoch an dieser Stelle, daß das Dynamometer schon
deshalb nicht absolut exakt sein kann, weil der Muskel um so weniger
Arbeit leistet, je mehr er sich verkürzt. Doch kommt dies nur für physio¬
logische Untersuchungen in Betracht.
Dynamometrische Messungen verschiedener Autoren. —
P6ron (14) hat mit dem R6gnierschen zweihändigen Dynamometer
die Körperkraft der Eingeborenen in Neu-Holland untersucht. Ihre Druck¬
kraft schwankte zwischen 51*8 und 58-7 kg, während die Teilnehmer der
Expedition 69-2kg erreichten. Freycinet (10) vermutet jedoch, daß
P6ron irrtümlicherweise an Stelle der Zahlen für Druck diejenigen für
Zug notiert hat.
H. Rey (14) prüfte in den Jahren 1870 bis 1873 mit dem Mathieu-
schen Dynamometer die Druckkraft von 350 Marinesoldaten. Er konnte
das Ergebnis, das vor ihm bereits Rignier gefunden hatte, daß nämlich
der Mensch im Alter von 25 bis 30 Jahren in der Blüte seiner Kraft steht,
und die Muskelkraft nach dem fünfzigsten Lebensjahre abnimmt, be¬
stätigen. Rey wies darauf hin, daß die Körperkraft von dem Beruf der
untersuchten Personen abhängt. Dadurch, daß er die Ergebnisse der
Messungen nach Berufsgruppen ordnete, zeigte er deutlich die Unterschiede,
welche hinsichtlich der Körperkraft bei Angehörigen verschiedener Be¬
rufe bestehen. Ähnliche Untersuchungen sind bei Marinesoldaten von
Ran gönnet und MarGchal ausgeführt worden (14).
b) Zu sozialanthropologischen Zwecken. Erismann (8) ge¬
brauchte das Dynamometer zu sozial - anthropologischen Messungen.
Dementjeff untersuchte in seinem Aufträge 4642 Arbeiter in Zentral¬
rußland vom 14. Lebensjahre aufwärts bis über 60 Jahre. Er ließ dreimal
hintereinander mit beiden Händen zugleich drücken und bestimmte außer¬
dem am Dynamometer die Hubkraft der Arme und des Rumpfes. Er
stellte fest, daß die stärkste Zunahme der Körperkraft im Alter von
15 bis 19 Jahren erfolgt. Die größte Körperkraft besteht zwischen 24 und
35 Jahren, rasches Sinken erfolgt erst nach dem 50. Lebensjahre. Die
mittlere Druckkraft betrug 62 kg. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß
die Zahlen für Körperkraft und Körpergewicht einander fast genau
parallel gehen. So ist z. B. im 17. Lebensjahre das mittlere Körpergewicht
49 *75, die mittlere Druckkraft 46'97; mit 18 Jahren 53*86 und 54*9, mit
19 Jahren 56 und 57*12 usw. Dementjeffs Zahlen stimmen im wesent¬
lichen mit denjenigen PSrons überein.
Niceforo (15) prüfte mit dem Dynamometer die Druckkraft einer
allerdings kleinen Zahl von Knaben und Mädchen im Alter von 7 bis
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
5
14 Jahren, welche von reichen und armen Eltern stammten. Um eine Be¬
einflussung der Ergebnisse durch Tagesschwankungen zu vermeiden,
wurden die Untersuchungen stets zwischen 10 und 12 Uhr Vormittags
ausgeführt. Aus der Gruppe der 12 jährigen Kinder wählte er je 10 Kinder
reicher und armer Eltern aus und ließ sie zehnmal hintereinander drücken.
Die gefundenen Zahlen ergeben, daß die Ermüdung bis zum fünften Male
bei armen und reichen Kindern gleich schnell erfolgt. Vom sechsten bis
zehnten Male nimmt die Körperkraft der armen Kinder viel schneller ab
als die der reichen.
Hoesch-Ernst (16) hat mit dem Dynamometer die Körperkraft
Züricher Volksschulkinder gemessen. Die Ergebnisse werden später be¬
sprochen werden. Er vergleicht sie mit denen zweier amerikanischer
Autoren. Hrdlicka prüfte die Druckkraft weißer und farbiger Kinder
in Amerika und stellte fest, daß die Kinder der Farbigen die der Weißen
in allen Altersstufen übertrafen. Die Ergebnisse der von Hrdlicka (17)
ausgeführten Messungen an Asylkindern vergleicht Hoesch-Ernst mit
seinen Resultaten. Dabei ergeben sich bedeutende Unterschiede zugunsten
der Züricher Kinder. „Bei der Entwicklung der Muskelkraft machen sich
die schlechteren Lebensverhältnisse der Asylkinder und die ungenügende
Fürsorge in ihrem ersten Lebensjahr bemerkbar.“ Die Druckkraft der
von Mac Donald (18) untersuchten Knaben aus Volksschulen in Michigan
ist im wesentlichen dieselbe wie bei den Züricher Knaben. Dagegen über¬
treffen die Schweizer Mädchen die amerikanischen Mädchen an Körper¬
kraft.
Weitere Zahlen von Schülern haben Kotelmann (19) sowie Schuyten
(zit. 20) ermittelt. Häberlin (21) gibt einige wenige Zahlen über Ver¬
mehrung der Druckkraft in Ferienkolonien, Mc Curdy (22) solche über
amerikanische Schulkinder nach der individuellen Methode bei Einteilung
in vier Altersgruppen. Lehrnbecher (23) hat Untersuchungen beim
Rudertraining gemacht. Merkwürdigerweise fand er eine starke Abnahme
der Druckkraft, in 5 Wochen auf etwa Zweidrittel und weniger des ur¬
sprünglichen Betrages. Dies ist sehr auffallend, nachdem Hedvall (24) an
dem höchst exakt arbeitenden Fußergographen, und am Ergographen
Johannsons Palmen sowie Peder eine fast ständige Steigerung ge¬
funden hat. Man könnte geneigt sein, einen Fehler des Instrumentes an¬
zunehmen; es findet sich auch in der Arbeit keine Angabe, daß das In¬
strument fortdauernd geeicht worden ist, wie es sonst für erforderlich gilt (8).
Doch hört man andererseits bestimmte Äußerungen aus Sportkreisen,
daß eine Zunahme der Körperkraft erst nach einer dem Training folgenden
Pause cintreten soll. Jedenfalls sind hier noch Widersprüche zu lösen.
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6
Heinrich Perl:
c) Zu klinischen Zwecken. Für klinische Zwecke ist die An¬
wendung des Dynamometers allmählich außer Gebrauch gekommen. Die
meisten Lehrbücher erklären es für eine unnütze Vorrichtung. Das
Collinsche Dynamometer sei zwar richtig konstruiert, aber doch, wie
Sternberg betont, für klinische Zwecke ungeeignet, weil es in der Hand
ein Schmerzgefühl hervorruft. Außerdem ist die Feder zu stark; denn es
soll ja von kranken und nicht von gesunden Menschen benutzt werden.
Deshalb konstruierte Sternberg das bereits oben näher beschriebene
Dynamometer.
Die Anwendung des Dynamometers zur Entdeckung von Simulanten,
welche angeben, an Körperkraft infolge von Krankheiten oder Unglücks¬
fällen eingebüßt zu haben, ist ja bekannt. Neuerdings ist das Dynamo*
meter benutzt worden, um bei Hemiplegikern den Grad der Erkrankung
und die fortschreitende Besserung objektiv zu erkennen (25). Wenn man
die Entwicklung der Muskulatur und das Alter des Kranken berück¬
sichtigt, kann man allerdings nach einiger Übung die von einzelnen Muskel¬
gruppen zu erwartende Kraftleistung abschätzen. Jedoch ist zu diesem
Zwecke die Anwendung des Dynamometers vorzuziehen, weil es einen durch
eine Zahl ausdrückbaren objektiven Maßstab bietet. Die gewöhnlichen
Dynamometer eignen sich allerdings nur zur Messung des Händedruckes
und der maximalen Körperkraft. Für Untersuchungen an Hemiplegikern
ist das Sternbergsche und Friedländersche Dynamometer vorzuziehen.
Das letztere ist in der Weise konstruiert, daß Schnüre, welche über Rollen
laufen, die Bewegungen der zu prüfenden Muskulatur auf das Dynamo¬
meter übertragen. Besteht einseitige Lähmung, so ist die Kraft der kranken
Seite geschwächt (in seltenen Fällen erhöht) und wird durch weiteren
Druck noch mehr herabgesetzt. In diesen Fällen kann durch Vergleich
der Druckkraft an beiden Händen ein sicheres Urteil gewonnen werden.
Sind aber die Unke und rechte Körperhälfte zugleich in Mitleidenschaft
gezogen, so sind die Ergebnisse nur mit Vorsicht zu verwerten.
Zu psychologischen Zwecken (vor und nach geistiger Anstrengung)
wird das Dynamometer nicht verwendet, weil die Ergebnisse zu ungenau
sind. An seiner Stelle benutzt man verschiedene Arten von Ergographen,
welche ein viel genaueres Arbeiten ermöglichen.
Vorversuche. Zur Erkennung möglicher Versuchsfehler habe ich
einige Vorversuche angestellt. Daß für die Untersuchungen ein mögüchst
passendes Dynamometer von entsprechender Größe zu w r ählen ist, wurde
bereits oben gesagt. Ferner ist von Wichtigkeit, daß die Hand, welche
das Dynamometer hält, keinen Stützpunkt (z. B. an den Kleidern) findet.
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Die Messung der muskulösen Konstitution. 7
Um die maximale Kraft zu erreichen, soll nicht langsam, sondern mit
einem kräftigem Ruck gedrückt werden. Drückt man in Abständen von
zwei Minuten abwechselnd mit der rechten und linken Hand, so habe ich
durchschnittlich beim fünften bis sechsten Male Tiefpunkte der Druck¬
kurve erreicht. Ebenso zeigte sich bei einer anderen Versuchsperson
(Prof. Kisskalt) ein Abfall nach dem 7. Drücken, gleichgültig, ob die
Pause eine viertel- oder eine ganze Minute betrug. Dabei entsprechen
die Kurven beider Hände einander fast genau. Der höchste Wert rechts
betrug 33 und links 22-5. Der niedrigste Wert war rechts 15-5. Beim
Drücken in Abständen von einer Minute betrugen die höchsten Werte
rechts nach 24 Minuten 34 kg, links nach 11 Minuten 23 kg, die niedrigsten
nach 12 Minuten rechts 22 kg und links 17 kg. Auch in diesem Falle ent¬
sprachen die Druckkurven beider Hände einander ziemlich genau. —
Ferner war die Frage zu prüfen, ob Tagesschwankungen bestehen oder
nicht. Zu diesem Zwecke habe ich an 58 aufeinander folgenden Tagen
sowohl mit der rechten als auch mit der linken Hand meine Muskelkraft
an dem Collinschen Dynamometer geprüft und die gefundenen Werte
aufgeschrieben. Diese Versuche wurden dreimal am Tage ausgeftihrt
und zwar nach dem Essen und möglichst zu derselben Zeit, nämlich um
9 Uhr morgens, um 1 Uhr mittags und 7 Uhr abends, wobei ich jedesmal
dreimal hintereinander mit beiden Händen abwechselnd drückte.
links
rechts
morgens
27-8
33-3
mittags
26-7
31-6
abends
27-4
32-2
Aus diesen Durchschnittszahlen ersieht man, daß am Morgen die größte
Kraft vorhanden ist. Die Druckkraft am Abend ist nur unbedeutend ge¬
ringer als am Morgen. Am Mittag ist die Druckkraft beider Hände am
geringsten. Die andere Versuchsperson hatte den Tag über ebenfalls ziem¬
lich gleichmäßige Werte, nur morgens gleich nach dem Aufwachen und
spät abends waren sie wesentlich niedriger. Betrachtet man jedoch die
einzelnen Zahlen an den verschiedenen Tagen für sich allein, so zeigen
sich bedeutende Schwankungen, z. B. am 14. Juli 1915 morgens links und
rechts 23-5 und 32-5, mittags 21 und 26, abends 23-5 und 28*5. Von
bedeutendem Einfluß auf die Ergebnisse war das psychische Verhalten,
wie auch beim Ergographen [auch Hedvall (24) hat solche Beob¬
achtungen gemacht]. Die höchste Zahl, 39 kg Druckkraft mit der rechten
Hand, erreichte ich an einem Tage, an dem ich einen besonderen Anlaß
zur freudigen Stimmung hatte. Wenn also auch Tagesschwankungen be-
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8
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stehen, so weisen doch die oben mitgeteilten Durchschnittszahlen darauf
hin, daß diese Schwankungen auf die Ergebnisse bei Massenuntersuchungen
kaum von Einfluß sein können; nur hat man darauf zu achten, daß kein
besonderer Anlaß zur Euphorie oder Depression der Versuchspersonen
vorliegt.
Mit dem Dynamometer sind von verschiedenen Autoren Messungen
gemacht worden. So zu anthropologischen Zwecken von Bin et und
Vaschide (26). Sie untersuchten im Jahre 1897 etwa 40 Schüler und
ebensoviel junge Leute im Alter von 14 bis 20 Jahren aus einem Lehrer¬
seminar. Da die Ergebnisse von der Beschaffenheit des Instrumentes ab¬
hängig sind, wählten sie 10 Kinder mit verschieden starker Muskelkraft
aus und prüften diese an einem großen Dynamometer (mit dem Durch¬
messer 12*5 und 5 cm), einem kleinen (mit dem Durchmesser 9-5 und
3*8 cm) und einige auch an dem von Duchenne angegebenen Dynamo¬
meter, welches aus zwei durch den Druck der Hand einander zu nähernden
Handgriffen besteht. Es wurde die Handlänge der Kinder gemessen,
und nach jedem Druck eine Pause von mehreren Minuten gemacht. Es
ergab sich, daß bei einer Handlänge von 13 bis 14 cm mit dem kleinen
Dynamometer das beste Ergebnis erzielt wurde. Bei 15 bis 16 cm Hand¬
länge bestand zwischen den Ergebnissen des großen und kleinen Dynamo¬
meters kein Unterschied, von 16*5 cm aufwärts ergab das große Dynamo¬
meter die besten Resultate. „Damit eine Versuchsperson das Maximum
an Körperkraft entwickeln kann, muß das Dynamometer eine solche
Größe haben, daß die zweiten Fingerphalangen auf den vorderen Rand
der Ellipse drücken.“
Um die Intensität der Druckkraft festzustellen, ließen sie zweimal
hintereinander mit der rechten und linken Hand abwechselnd drücken.
(Diese Prüfung dauerte 40 Sekunden.) Das zu untersuchende Kind blieb
im Untersuchungsraume mit den Autoren allein. Es wurden dabei folgende
Messungen vorgenommen: Beschaffenheit des Pulses, Druckkraft am
Dynamometer wie oben angegeben, Brustumfang, Bestimmung der Ent¬
fernung, welche zum Ausblasen eines Lichtes notwendig war. Diese Unter¬
suchung wurde mit dem R6gnierschen Dynamometer am Vor- und Nach¬
mittag ausgeführt. Die Autoren sind der Ansicht, daß Tagesschwankungen
keinen wesentlichen Einfluß auf das Ergebnis haben.
Eine zweite Reihe von Versuchen sollte die Schnelligkeit der Er¬
müdung ermitteln. Um Fehlerquellen auszuschalten, wurden bei 8 Kindern
Vorversuche in der Weise angestellt, daß 2 Kinder zu gleicher Zeit im
Stehen bei zur Horizontalen erhobenen Armen in jeder Hand eine Hantel
von 1 kg Gewicht möglichst lange halten sollten. Es ergab sich, daß durch
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
9
solche Versuche der Zirkulationsapparat ungünstig beeinflußt wurde.
Sobald das eine Kind zu ermüden begann, betrachtete sich das andere als
„Sieger“ — und ließ ebenfalls die Arme fallen. Aus diesen Gründen wurde
darauf verzichtet, die Ermüdung am ganzen Körper festzustellen. Die
Autoren begnügten sich vielmehr damit, die Ermüdungsdauer einer kleinen
Muskelgruppe mit Hilfe des Dynamometers zu bestimmen. Zu diesem
Zwecke wurden die Untersuchungen in zwei Modifikationen ausgeführt.
Die eine Untersuchung erstreckte sich auf 10 Kinder. Jedes Kind wurde
einzeln in das Untersuchungszimmer gerufen. Man ließ es fünfmal ab¬
wechselnd mit der rechten und linken Hand drücken, ohne es durch
Worte oder Gebärden zu beeinflussen. Auch die Ergebnisse am Dynamo¬
meter wurden dem Kinde nicht mitgeteilt. Außerdem machten die Unter¬
sucher und der Direktor der Schule, welcher den Versuchen beiwohnte,
schriftliche Notizen über Körperhaltung und Gesichtsausdruck. Aus den
gefundenen Zahlen ermittelten sie folgende vier Typen:
1. Rapide Abnahme der Muskelkraft; darauf bleibt sie stationär, z. B.:
17,
13,
14,
13,
14 (kg).
Stationärer Typus, z.
B.:
20,
20,
22,
20,
20.
Beständige Abnahme
der Muskelkraft, z. B.:
32,
30,
30,
29,
28.
Beständige Zunahme,
z. B.
11,
12,
12,
15,
12.
Die zweite Art der Untersuchungen, welche sich auf 40 Kinder er¬
streckte, wurde in folgender Weise, ausgeführt: Vor Beginn hielt der
Direktor der Schule an die Kinder eine Ansprache, in welcher er sie an-
spomte, sich die größte Mühe zu geben. Den Kindern wurden die Er¬
gebnisse mit lauter Stimme mitgeteilt. Außerdem wurde jedes Kind noch
wiederholt vom Direktor und den Untersuchern zu gesteigerter Kraft¬
entfaltung angespornt. Durch diese Ermunterung wurden die Resultate
gegenüber dem ersten Versuchsmodus um ein Siebentel gebessert, und
besonders zeigte sich, daß der erste Typus seltener wurde. Die jungen
Leute aus dem Lehrerseminar ließen die Autoren zehnmal abwechselnd
mit beiden Händen drücken (Dauer 2 x / 2 Minuten). Auch bei ihnen konnten
die oben erwähnten 4 Typen festgestellt werden.
Binet und Vaschide haben ferner den Gesichtsausdruck der Ver¬
suchspersonen beim Drücken am Dynamometer durch Photographien und
Notizen studiert. Der Kopf ist auf die Seite geneigt, der Körper gebeugt,
die Hand-, mitunter auch die Arm- und die Gesichtsmuskulatur zittern,
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10
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besonders dann, wenn lange gedrückt wird, die andere Hand macht Mit¬
bewegungen, der Mund ist geschlossen, die Unterlippe mitunter zerbissen,
die Pupille oft erweitert. Das Lächeln der Kinder ist zu erklären als Aus¬
druck der Muskelermüdung oder als Schamgefühl. Man kann zwei Gruppen
bilden; die eine bleibt beim Drücken ziemlich ruhig, die andere zeigt
heftige Körperbewegungen und lebhaften Gesichtsausdruck. „Wir können
den Schluß ziehen, daß die Kinder, welche beim Drücken des Dynamo¬
meters einen lebhaften, selbst grimassierenden Gesichtsausdruck zeigen,
weniger stark sind als diejenigen, deren Gesicht ruhig bleibt, oder einen
weniger lebhaften Ausdruck darbietet.“ Es ist interessant, daß mit dem
Dynamometer auch derart eingehende Untersuchungen gemacht sind. Zur
allgemeinen Einführung empfehlen sie sich nicht. Nur solche Methoden
sind für Massenuntersuchungen geeignet, welche ein möglichst schnelles
Arbeiten gestatten, weil ja dafür (insbesondere in den Schulen) eine nur
knapp bemessene Zeit gewährt werden kann. Läßt man aber nur mehrere
Male hintereinander drücken, so gehen sie mindestens ebenso schnell von¬
statten wie Messungen des Körpergewichtes oder der Körpergröße, jeden¬
falls schneller als Messungen des Unterarmumfanges, insbesondere dann,
wenn man den Oe der sehen Zirkel zur Messung des Fettpolsters benutzt.
Messungen am Dynamometer können ausgeführt werden, ohne daß die
zu untersuchende Person Schuhe oder Überrock abzulegen oder eine be¬
stimmte Haltung einzunehmen braucht.' Es wäre sehr erfreulich, wenn
sich die Methode bewähren sollte, und dieser Untersuchung dient die nach¬
folgende Arbeit.
Ausführung der Untersuchungen.
Bei meinen Untersuchungen legte ich nicht Wert darauf, eine mög¬
lichst große Anzahl von Personen auszuwählen, wohl aber kam es mir
darauf an, aus verschiedenen Gesellschaftsschichten eine Anzahl von
Gruppen zur Untersuchung herauszugreifen; zu diesem Zwecke sind die
Schulen besonders gut geeignet.
Es wurden von mir untersucht:
1. Die Schule im Dorfe Quednau, etwa 7 km von Königsberg
(87 Knaben, 81 Mädchen). Die Eltern dieser Kinder arbeiten teils auf dem
Lande, teils in der Stadt. "Wegen der Nähe der Großstadt ist Quednau
nicht als eine Landschule zu betrachten (Mitte April).
2. Die Schule im Fischerdorf Schaaksvitte, 31km nördlich von
Königsberg am Haff, der Typus einer reinen Landschule (94 Knaben,
84 Mädchen, Ende April).
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
11
3. Die Knabenvolksschule auf dem Sackheim, dem Arbeiterviertel
Königsbergs; sie wird fast ausschließlich von Arbeiterkindern besucht
(571 Knaben; Mai bis Juni).
4. Das Friedrichskollegium (Gymnasium in Königsberg) 289 Knaben;
Mai bis Juni).
5. Die Arbeiterinnen der Zigarettenfabrik Yenidzc (64).
6. 31 Studenten.
Im ganzen 1301 Personen.
Über die in Betracht kommenden Volksstämme der Umgebung
Königsbergs sei folgendes bemerkt:
Den Grundstock der Bevölkerung bilden die Preußen und Littauer,
welch letztere sich schon sicher aus zweierlei Elementen nämlich blonden
und dunkelhaarigen zusammensetzen. Zwischen Preußen und Littauem
ist kein Unterschied in der Körperbeschaffenheit. Eine geringere Rolle
spielen Letten (Kuren, finnisch-livischer Abstammung) auf der Nehrung
und der Meeresküste des Samlandes und der Haffküste. Dazu kommen
noch die Sudauren (Jadwiger), die 1280 aus dem heutigen Gouvernement
Suwalki in das nordwestliche Samland (Gegend von Heiligencreutz) ein-
wanderten (diese letzteren kommen für die Orte unserer Untersuchung
nicht in Betracht). Später wanderten in sehr großer Zahl die Deutschen
ein und zwar aus allen Teilen des Reiches. Auch Polen finden sich in
nicht unbeträchtlicher Zahl; dazu kommen Einwanderer aus allen Gegenden,
wie in jeder Hafenstadt.
In den untersuchten Ortschaften wiegen in Schaaksvitte und Quednau
die Preußen und Littauer (27) bei weitem vor, dazu kommen im ersteren
Orte Letten. In der Stadt ist eine Mischung aller erwähnten Volksstämme
eingetreten; das deutsche Element wiegt vor. Im Sackheim hat sich die
ursprüngliche Bevölkerung vielleicht länger erhalten, da es bis vor hundert
Jahren noch ein Dorf war; doch pflegt ja der häufige Wohnungswechsel
des Proletariats eine schnelle Vermischung herbeizuführen.
Die Untersuchungen fanden im Frühjahr 1914 statt. Als Tageszeit
wurde nach Möglichkeit der Vormittag gewählt. Die Schulen wurden
während der Turnstunden am Vormittag untersucht, die Arbeiterinnen
während der Arbeitszeit am Vormittag und Nachmittag, die Studenten
am Nachmittag.
Es wurden jedesmal 3 bis 4 Schüler aufgerufen, während die Lehrer
die anderen beschäftigten, wobei jedoch körperlich anstrengende Übungen,
z. B. Turnen an Geräten und Laufen, vermieden wurden, um die Resul¬
tate nicht durch Erschöpfung zu beeinflussen. Es wurden gewöhnliche
Tage gewählt, um nicht durch besondere Ergebnisse das Resultat un-
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12
Heinrich Perl:
günstig zu gestalten. Die Untersuchung einer einzelnen Person dauerte
durchschnittlich 2 Minuten, da zwei Präparatorinnen des hygienischen
Institutes einen Teil der Arbeit übernahmen.
Diese geschah in folgender Weise:
Zunächst wurde nach Namen, Alter, Religion, Anzahl der Geschwister
und Stand des Vaters gefragt. Die Anzahl der Geschwister und der Stand
des Vaters geben eine Vorstellung von der Umgebung, in der die zu unter¬
suchende Person aufwächst oder sich befindet. Nach der Religion wurde
gefragt, um einen Vergleich zwischen christlichen und jüdischen Schul¬
kindern zu ziehen. Ich mußte jedoch aus Gründen, die der Krieg mit sich
brachte, auf die Untersuchung von Kindern der jüdischen Religions¬
schulen verzichten. Alsdann wurde Körpergröße und Körpergewicht,
der Umfang der Unterarme, die Druckkraft beider Hände am Dynamo¬
meter gemessen.
Die Bestimmung der Körpergröße geschah in der Volksschule mit
Hilfe eines Holzgestelles, wie es beim Militär im Gebrauche ist. Bei allen
anderen Messungen stand mir eine solche Vorrichtung nicht zur Verfügung.
In diesem Falle wurde an der Wand eine Strecke von 100 und 150 cm ab¬
gemessen; der zu Untersuchende stellte sich mit geschlossenen Füßen,
ohne Schuhe in möglichst aufrechter Körperhaltung an die Wand, worauf
sich die Größe mit Hilfe eines Lineals, welches in Kopfhöhe senkrecht
zur Wand gehalten wurde, ablesen ließ. Nur bei den Studenten und Gym¬
nasiasten wurde aus äußeren Gründen auf das Ausziehen der Schuhe ver¬
zichtet.
Das Gewicht wurde mit einer Jarasowage bestimmt, welche billig
und leicht transportierbar ist. Sie wurde jedesmal vor Untersuchung
einer Schule mit Hilfe eines Gewichtes auf ihre Richtigkeit geprüft. Die
Wägung geschah ohne Schuhe (mit Ausnahme der Studenten und Gymna¬
siasten) und bei den Knaben nach Ablegung des Überrockes. Ebenso sind
fast alle anderen Untersucher vorgegangen (28), so daß die Zahlen gut
vergleichbar sind.
Der Druck am Dynamometer geschieht mit der Muskulatur der Hohl¬
hand und den Beugern des Vorderarmes. Zum Zwecke der Messungen
erschien mir diejenige Stelle am geeignetsten, welche am oberen Drittel
des Unterarmes als Muskelwulst deutlich erkennbar ist. Nun ist zwar für
den Oberschenkel ein besonderer Meßapparat von Maas (29) angegeben.
Er benutzt an Stelle des Bandmaßes einen Apparat, welcher aus einem
graduierten Metallstab besteht, an welchem ein verschiebbares Meßband
befestigt ist. An dem Ende des Bandes befinden sich Gewichte, welche
dasselbe stets in gleicher Spannung halten. Dieser Apparat ist für die
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
13
Messung des Unterarmes jedoch nicht verwendbar. In seinem Buche: „Die
Untersuchung und Begutachtung der Invalidenrentenanwärter“ sagt
\V. Stempel (30. S. 41): „Die Vorderarme sind zweckmäßig an ihrer
stärksten Stelle, also dicht unterhalb des Ellenbogengelenkes, zu messen.“
Diese Angabe genügt jedoch nicht. Es ist bei den Messungen darauf zu
achten, daß die Muskeln nicht angespannt werden. Ferner kommt es
darauf an, daß das Meßband lose und möglichst an derselben Stelle angelegt
wird. Gewöhnlich genügt es, ein geeichtes Zentimetermaß lose und mög¬
lichst gleichmäßig um den Unterarm herumzulegen, durch Hin- und Her¬
schieben ist die umfangreichste Partie leicht zu bestimmen. In seltenen
Fällen macht die Bestimmung der Stelle, an der der Unterarm den größten
Umfang hat, durch den Anblick allein Schwierigkeiten, weil man gelegent¬
lich zwei Wülste findet. In diesen Fällen verfährt man folgendermaßen:
Man verbindet das Olecranon mit dem Proc. styl, ulnae bei nach außen
rotiertem Unterarm und teilt diese Linie in 6 Teile. Die Grenze des oberen
ersten und zweiten Sechstels entspricht der stärksten Stelle des Unterarmes,
wie man sich leicht durch Nachmessen überzeugen kann. Nun könnte
man einwenden, daß die Messung des Unterarmumfanges mit dem Zenti¬
metermaß allein nicht genüge. Die Dicke, der Haut stellt wohl nur eine
geringe Fehlerquelle dar. Anders verhält es sich mit dem Fettpolster.
Oed er (6) hat einen besonderen Zirkel* angegeben, mit welchem man das
Fettpolster des Bauches messen kann. Es kommt darauf an, den Zirkel
möglichst an derselben Stelle, dicht am Nabel, und mit gleichbleibendem
Fingerdruck anzusetzen und dabei eine Falte der Bauchhaut in möglichst
gleicher Spannung aufzuheben. Oeder gibt selbst zu, daß diese Messungen
nicht absolut genau sein können, doch dürften die Fehler für seine Zwecke
nicht in Betracht kommen. Nun finden sich zwar größere Fettablagerungen
in normaler Weise an der Brust, am Bauch, am Gesäß, am Oberarm und
Oberschenkel, aber nicht am Unterarm. Das lehrt ja bereits der bloße
Anblick. Außerdem entwickelt sich das Fettpolster besonders deutlich
erst nach der Pubertät. Bei einer kleinen Anzahl von Schülern, die ich
untersuchte, ergab die Fettpolstermessung mit dem Oeder sehen Zirkel in
der Tat nur einen Ausschlag von wenigen Millimetern, die jedoch bei
Massenuntersuchungen nicht in Betracht kommen. Ich habe daher von
der Fettpolstermessung Abstand genommen.
Die Messungen mit dem Dynamometer geschahen unter Beobachtung
der von Binet und Vaschide (26) gegebenen kritischen Vorschriften.
1. „Das Instrument ruft in der Hand einen Druckschmerz hervor,
welcher die Versuchsperson hindert, die ganze Körperkraft anzuwenden.“
Dieser Versuchsfehler läßt sich nach Möglichkeit vermeiden dadurch, daß
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14
Heinrich Perl:
man gut passende Dynamometer von verschiedener Größe verwendet.
Außerdem wurden die zu Untersuchenden aufgefordert, die Ringe von
den Fingern zu ziehen.
2. „Manche Individuen schwitzen sehr stark; sie können daher nicht
das Maximum der Druckkraft erreichen.“ Dieser Fehler läßt sich leicht
dadurch vermeiden, daß man hin und wieder das Dynamometer mit einem
trockenen Tuche abwischt.
3. „Nicht jeder versteht es, das Instrument richtig anzufassen, so
daß sich Unterschiede bis zu 10 kg (1) ergeben.“ Selbstverständlich ist es
erforderlich, jedesmal vor Beginn eines Versuches den Gebrauch des
Dynamometers genau auseinanderzusetzen. Bei den kleineren Schülern
war es sogar erforderlich, jedem einzelnen die Handhabung zu zeigen.
Manche Personen erreichen nicht das Maximum ihrer Kraft, entweder
aus Unkenntnis mit dem Gebrauch des Instrumentes oder aus Furcht
oder Unruhe. Dies zeigte sich besonders deutlich bei den kleinsten Schülern.
Es gelang sehr oft, durch gütliches Zureden und Anspornen von seiten des
Lehrers die Resultate zu verbessern. Außerdem benutzte ich zwei ver¬
schiedene Dynamometer, ein größeres und ein kleineres, denn es ist von
Wichtigkeit, daß das Instrument gut gefaßt wird. Der Druck erfolgt am
besten mit einem plötzlichen Ruck des nach unten gehaltenen Armes,
wobei darauf zu achten ist, daß die Hand keinen Stützpunkt (am Tische
oder an den Kleidern) findet.
4. „Man weiß nicht, welche Muskeln beteiligt sind.“ Das Resultat
ist abhängig von dem Zusammenarbeiten verschiedener Muskeln.
5. „Die Ermüdungskurve für eine bestimmte Muskelgruppe kann
man nicht erhalten. Die eine Muskelgruppe arbeitet, während die andere
sich ausruht.“ Diesem Übelstand halfen Binet und Vaschide ab, indem
sie die Versuchspersonen vorher an den Ergographen setzten. Die unter
4. und 5. angegebenen kritischen Bemerkungen der Autoren spielen wohl
in der Psychologie eine Rolle, aber nicht bei Massenuntersuchungen,
welche die Körperkraft im allgemeine^ erhärten sollen.
6. „Schwache Muskelkraft wirkt nicht auf das zu wenig elastische
Instrument.“ Diese Tatsache war für meine Untersuchungen bedeutungslos,
weil es mir ja darauf ankam, nicht den geringsten, sondern im Gegenteil
den größten Ausschlag des Dynamometers zu erzielen.
1; Es ist nicht möglich, mehrmals unmittelbar hintereinander zu
drücken. Der Zeiger muß jedesmal zurückgestellt werden, unterdessen
können sich die Muskeln ausruhen.
Die Messungen am Dynamometer geschahen in der Weise, daß mit
der rechten und linken Hand abwechselnd gedrückt wurde. Die Kinder
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
15
aus Quednau und Schaaksvitte und die Arbeiterinnen ließ ich fünfmal
hintereinander drücken, Gymnasiasten dreimal, wobei in der Tabelle II
nur das höhere Ergebnis der beiden ersten angegeben ist, und die Volks¬
schüler und Studenten nur zweimal. Oft wird beim ersten oder zweiten
Male das Maximum erreicht, jedoch nicht immer. Die Unterschiede sind
nicht unwesentlich, wie ein Vergleich von Tabb. II und III zeigt. Pausen
wurden nur so weit gemacht, als Zeit zum Zurückschieben des Zeigers
notwendig war. Außerdem wurde darauf geachtet, daß jedesmal mit
einem Ruck möglichst kräftig gedrückt wurde, ohne daß die zu unter¬
suchende Hand einen Gegenstand berührte, der einen Stützpunkt hätte
bieten können (Kleider, Tisch). Auch das Komitee der British Asso¬
ciation (35) empfiehlt das Dynamometer von Collin. Mit ihm soll mit
jeder Hand abwechselnd dreimal gedrückt werden. Die höchste Zahl ist
zu notieren.
Jedesmal vor Beginn einer Untersuchung in einer Schule wurden
die Dynamometer mittels eines Gewichts auf ihre Genauigkeit geprüft.
Bemerkenswert ist, daß sich eine wesentliche Veränderung nicht ergab.
Im allgemeinen boten die Untersuchungen keine Schwierigkeiten, indem
die Versuchspersonen die Kraftprobe am Dynamometer nach vorheriger
Erläuterung richtig ausführten. Für die kleinsten Schüler war selbst das
kleine Dynamometer in mehreren Fällen noch zu groß, so daß es nicht
gut gefaßt werden konnte. Ein großer Teil der kleinen Mädchen, aber auch
der Knaben, hatte vor den Untersuchungen Angst; sie fingen an zu weinen,
und es bedurfte allen pädagogischen Geschickes seitens der Lehrer, um
sie den Untersuchungen geneigt zu machen. Eine große Anzahl von
Arbeiterinnen ließ die Messungen nur mit Widerwillen an sich vornehmen;
einige protestierten lebhaft in Ausdrücken, die an Deutlichkeit nichts zu
wünschen übrig ließen, teils weil sie ihre Zeit, da sie auf Akkord arbeiteten,
nicht opfern wollten, und teils weil sie befürchteten, daß die Fabrikleitung
sie auf ihre Tüchtigkeit hin prüfen wollte. Ich möchte daher auf die bei
diesen Personen erhaltenen Resultate kein besonderes Gewicht legen.
Allgemeine Körperbeschaffenheit der Untersuchten. —
Bevor die Ergebnisse der Messungen am Dynamometer besprochen werden,
soll die Körperkonstitution, durch Größe und Gewicht beurteilt, in Kürze
betrachtet werden. Zum Vergleich seien die Normalzahlen von
Camerer (31) angeführt.
Die Gymnasiasten übertreffen alle anderen Schüler bedeutend an
Körpergewicht. Sie wiegen durchschnittlich 2 bis 3 kg mehr, als sich
aus Camerers Zahlen ergibt, was teilweise die Kleidung ausmachen
durfte. Sie sind aber in jedem Alter schwerer als sämtliche von Samo sch
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Heinrich Perl:
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tabelle
Gewicht.
Die Messung der muskulösen Konstitution.
17
angeführte mit Kleidern gewogene Schulkinder Deutschlands (28). Die
Knaben aus Quednau haben ziemlich genau das Normalgewicht. Die
Knaben aus Schaaksvitte sind im gleichen Alter noch etwas leichter,
während die Sackheimer etwa so schwer sind wie die Schaaksvitter. Die
cm
Mädchen aus Quednau und Schaaksvitte haben durchweg ein höheres
Gewicht als das Normalgewicht.
Auch hinsichtlich der Körperlänge sind die Gymnasiasten allen
anderen weit voraus, auch den Kindern Camerers. (Da die Größe der
Gymnasiasten mit Schuhen bestimmt wurde, habe ich 3 Schüler in ver-
Zritschr. f. Hygiene. LXXXII -
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18
Heinrich Perl:
schiedenem Alter mit und ohne Schuhe gemessen und die gefundene Diffe¬
renz von 2 cm in Abzug gebracht.) Die Knaben aus Quednau haben
ungefähr die Camererschen Normalmaße, die Knaben aus Schaaksvitte
sind ebenfalls bis zum 10. Lebensjahre normal groß und blieben dann
hinter den anderen zurück. Die Sackheimer haben fast genau die Normal¬
größe.
Zum Vergleich seien noch die Zahlen beigefügt, die früher Ascher (32)
an 14000 Volksschulkindern sowie vor kurzem (Dezember 1915) Schlake (33)
in Schaaksvitte und Görner (34) in Pobethen im Samlande gefunden
haben. Es muß zwar darauf aufmerksam gemacht werden, daß sie in einem
anderen Monat ermittelt sind. Trotzdem stimmen sie mit den meinigen
gut überein. Insbesondere zeigt sich, daß die niederen für die älteren
Schaaksvitter Kinder von mir gefundenen Zahlen nur auf einem Zufall
beruhen. Nur die 13 jährigen, von Schlake gemessenen Kinder (die
meinen etwa 11 jährigen entsprechen) sind hier auffallend kleiner.
Das durch die Messungen der Knaben gefundene Ergebnis ist sehr
interessant. — Vergleichende Untersuchungen an Gymnasiasten und Volks¬
schülern wurden schon in vielen Städten vorgenommen und hatten stets
das Ergebnis, daß die ersteren größer und schwerer waren. Man schob
dies auf die sozialen Verhältnisse und erklärte es mit Unterernährung.
Hier sind nun zum ersten Male auch Landschulkinder untersucht worden,
die, wie der Augenschein und eine Beurteilung der lokalen Verhältnisse
ergab, gut ernährt waren, und trotzdem waren auch sie den Gymnasiasten
unterlegen und den Landschulkindern etwa gleich.
Mehrere Möglichkeiten sind gegeben: Entweder gehören die Stadt¬
kinder sämtlich der gleichen Rasse an, und die Volksschüler sind hier
unterernährt und haben nur noch Länge und Gewicht der Kinder einer
kleineren Rasse (Litauer), oder die Stadtvolksschulkinder gehören wie die
Landvolksschulkinder der kleineren Rasse an oder einer Vermischung der
kleineren und größeren.
Es könnte aber auch noch eine andere Ursache vorliegen. — Seit
Qu6telet wissen wir, und zahlreiche Untersuchungen haben es bestätigt,
daß bei einer Bevölkerung, die seit längerer Zeit in der Stadt wohnt, die
Körperlänge zunimmt. Die Ursache ist ebensowenig bekannt wie die der
Ausbildung des Yankeetypus in Gesicht und Gestalt bei Einwanderern
in Amerika und Australien. Man könnte also auch annehmen: die Gym¬
nasiasten haben die richtige Körperlänge; auch die Sackheimer Kinder
sollten, selbst aus einer kleinen Rasse stammend, als Stadtkinder größer
sein als die Landkinder; daß sie es nicht, sind, kann nur mit Unterernährung
erklärt werden. Auf die Namen ist kein Gewicht zu legen. Auch in den
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
19
Dörfern mit typisch litauisch-preußischer Bevölkerung sind sie ganz über¬
wiegend deutsch.
Es fragt sich nun, ob hier Messungen mit dem Dynamometer Aus¬
kunft geben können.
Tabelle II.
Druckkraft (zweimaliges Drücken).
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16*6
16*6
18-4
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18*5
—
—
13
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20*1
23-2
23-6
—
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—
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Bei den Mädchen aus Schaaksvitte, Tab. III, (5 mal) war die geringste
Druckkraft im Alter von sieben Jahren links 8-6, rechts 8-9 kg, die höchste
mit dreizehn Jahren links 18-5 und rechts 20-1 kg. Bemerkenswert ist, daß
zwischen der Druckkraft der rechten und linken Hand kaum ein Unterschied
besteht. Mit zwölf Jahren ist die Druckkraft in der linken Hand um
O l kg höher.
Die Mädchen aus Quednau haben mit sechs Jahren die geringste
Druckkraft links 7-7 und rechts 8-1 kg, die größte mit dreizehn Jahren
links 17-8, rechts 18 * 2 kg. Die Druckkraft ist an beiden Händen in allen
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20
Heinrich Perl:
Altersstufen nahezu gleich. Nur mit zwölf Jahren übertnfft, wie auch
bei den Mädchen aus Schaaksvitte, die linke Hand die rechte um 0*1 kg
an Druckkraft.
Bei den Arbeiterinnen ist die Druckkraft rechts größer als links, aus¬
genommen im 17. Lebensjahre
(Durchschnittszahl bei 10 Unter¬
suchten links 19, rechts 18-5 kg).
Im Durchschnitt war ihre Druck¬
kraft im Alter von 14 bis 28
Jahren links 18 • 1,rechts 19• 8kg;
d. h. sie haben ungefähr
dieselbe Druckkraft wie die
13 jährigen Mädchen ausSchaaks-
vitte.
Die Knaben aus der Schule
zu Quednau (2 mal) zeigen eine
Druckkurve, welche vom sechs¬
ten bis dreizehnten Lebensjahre
allmählich ansteigt. Die ge¬
ringste Kraft im sechsten Jahre
rechts 8-1 kg, die größte rechts
23-2 im dreizehnten Jahre. Im
zehnten Jahre übertrifft die
rechte Hand die linke an Druck¬
kraft um 1-6 kg, im dreizehnten
um 3-3 kg. In den übrigen
Jahren besteht zwischen rechts
und links ein Unterschied von
nur 0-5 kg oder weniger.
Die Druckkurve der Knaben
aus Schaaksvitte ist fast iden¬
tisch mit der obigen. Die ge¬
ringste Kraft ist im Alter von
sieben Jahren und rechts 10 • 0 kg,
die größte im vierzehnten Jahre
rechts 27-6 kg. Im Alter von
zwölf Jahren übertrifft die rechte
Hand die linke an Druckkraft
um 3-9 kg. In allen anderen
Jahren besteht zwischen rechts
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7 8 9 10 1L 12 13
Fig. 2.
Alter und Druckkraft rechts
bei zweimaligem Drücken.
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
21
und links ein, Unterschied von fast genau 1 kg zugunsten der rechten
Hand.
Dasselbe gilt für die im Dezember 1915 von Schlake (34) unter¬
suchten Kinder in Schaaksvitte. Die Zahlen von Görner (35) können
nicht herangezogen werden; sie sind viel höher, da sie mit einem anders
konstruierten Dynamometer ermittelt sind.
Tabelle IIL
Druckkraft (fünfmaliges Drücken).
Alter
Knaben
Knaben
Mädchen
Mädchen
1 Schaaksvitte
Quednau
Schaaksvitte
Quednau
6
81
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8-1
7
11-6
10-8
8-9
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8
1 12-7
11-7
11-2
8-9
9
; 14-0
13-5
12-3
11 -5
10
16-4
16-2
12-4
12-6
11
17-4
19-2
14-8
13-9
12
22-6
1 19-8
15-3
16-0
13
21-6
23-2
20-1 |
18-2
Die Gymnasiasten haben wohl eine etwas größere Körperkraft als
die Landschüler. Die geringste Druckkraft ist mit sechs Jahren
links 9, rechts 9-4 kg, die größte mit 16V 2 Jahren links und rechts 41-5 kg.
Dabei bestanden zwischen der linken und rechten Hand bedeutende Unter¬
schiede, in einem Falle bis 5 kg. Differenzen von 1 bis 2 kg waren
nichts Seltenes. In sechs Fällen ist die linke Hand stärker als die rechte.
Die Einzelfälle würden an sich keine Besonderheit darbieten, da ja Per¬
sonen, welche viel Sport treiben, sehr wohl in der linken Hand mehr
Kraft besitzen können als in der rechten. Die Gymnasiasten sagten selbst,
daß sie viel Sport treiben. Auffallend war dagegen, daß bei 17 Schülern
im Alter von 9 Jahren die Druckkraft in der linken Hand 15-4 beträgt,
in der rechten dagegen weniger (15-2 kg). In fünf Fällen war die Druck¬
kraft in beiden Händen gleich.
Die Druckkurve der Studenten ist stark zackig, da nur wenige Mes¬
sungen vorgenommen wurden. Sie haben die geringste Druckkraft im
Alter von 21 Jahren, nämlich links 38 und rechts 40-6 kg. Die höchste
Druckkraft wurde erreicht mit der linken Hand im Alter von 22 Jahren
(43 kg), mit der rechten im Alter von 28 Jahren (57 kg). In einem Falle
allerdings erreichte ein 35 jähriger Student mit der linken Hand 58 kg.
Mit 26 Jahren war die Druckkraft in der linken Hand stärker als in der
rechten, links 41, rechts 37-5 kg. Sonst übertraf die rechte Hand die
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linke um durchschnittlich 3 bis ökg. Mit 27 Jahren war die rechte Hand
um 10 kg stärker als die linke, mit 28 Jahren sogar um 21 kg. Natürlich
sind solche Unterschiede nur als Ausnahmefälle zu betrachten.
Die Sackheimer Volksschüler haben die geringste Druckkraft im Alter
von sechs Jahren links 8, rechts 8-6 kg, die größte mit vierzehn Jahren
links 22-6, rechts 24-1 kg. Mit S 1 ^ Jahren ist die linke Hand um 2-5 kg
stärker als die rechte, ln allen anderen Lebensjahren übertrifft die rechte
Hand die linke an Druckkraft um durchschnittlich 1 bis 2 kg.
Wie sich aus dem beigefügten Diagramm ergibt, sind die Stadtvolks¬
schüler den Gymnasiasten und Landschülern an Druckkraft durchweg
unterlegen, und man könnte sich, wenn hier weitere Zahlen vorlägen,
tatsächlich zu der Annahme einer Unterernährung entscheiden.
Unterarmumfang. Zur exakten Bestimmung war noch der Unter¬
armumfang gemessen worden.
Tabelle IV.
Alter und Armumfang rechts.
Alter
!
j Gymnasium
ffcl;
i
Volksschule
i Sackheim
Knabenschule
j Quednau
c
fjs
St c i
"5 jS
Studenten
Mädchenschule
Quednau
Mädchenschule
Schaaksvitte
Arbeiterinnen
der Zigaretten¬
fabrik Yenidze
6
17-6
17-5
17-5
_
17-3
_
_
7
18-8
17-7
17-4
17*5
—
17-4
171
—
8
19-2
18*1
18-5
18
—
17-7
17*7
—
9
19-3
18-3
18*8
18-7
—
18-1
18-4
—
10
19-4
19-3
19*3
19
_
18-6
’18*5
—
11
20-5
19-8
19-9
19-1
—
19*9
19*1
—
12
21-5
20*4
20-6
20*7
—
20*2
19-8
13
21*7
21
21-4
21
—
21-1
21-4
—
14
22-6
22*1
21
20*4
—
—
—
20-6
15
23-5
—
—
—
—
—
23
16
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—
—
-—
-—
—
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17 ,
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25-7
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25
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—
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26
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— 1
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22-6
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— 1
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1
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_
—
28
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— i
—
—
28-7
—
— 1
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32
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1 —
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
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Die Mädchen aus Quednau und Schaaksvitte haben in allen Alters¬
stufen nahezu denselben Unterarmumfang, wobei zwischen links und
rechts kein wesentlicher Unterschied besteht. Die Arbeiterinnen haben
im Durchschnitt einen Armumfang von 22*7 cm, ohne wesentlichen
Unterschied zwischen rechts und links. Sie zeigen keine jährliche Zunahme
des Unterarmumfanges mehr.
Der Umfang des rechten Unterarmes ist bei den Knaben aus Quednau
um durchschnittlich 0-5 cm größer als der des linken. In allen Alters¬
stufen findet eine ziemlich regelmäßige Zunahme um 0-5 cm statt, so daß
das Diagramm eine fast gerade Linie bildet. Bei den anderen Schülern
läßt sich diese Kegelmäßigkeit nicht feststellen.
Die Knaben aus Schaaksvitte haben einen etwas geringeren Armum¬
fang als die Quednauer, ohne eine regelmäßige jährliche Zunahme zu zeigen.
Der Umfang ihres rechten »Armes ist durchschnittlich etwa um 0*5 cm
größer als der des linken.
Die Sackheimer haben in gleichem Alter etwa denselben Armumfang
wie die Schaaksvitter und einen etwas geringeren wie die Quednauer,
wobei der rechte Arm um etwa 0*3 cm dicker ist als der linke.
Die Gymnasiasten haben den größten Armumfang und werden in
keinem Jahr von den anderen erreicht. Der rechte Arm ist im Durch¬
schnitt um 0-3 cm dicker als der linke; nur im Alter von 7 Jahren ist der
linke Arm (bei 4 Untersuchten) um 0*2 cm dicker als der rechte.
Bei den Studenten findet eine regelmäßige jährliche Zunahme des
Annumfanges nicht statt, weil ja in diesem Alter das Wachstum des Orga¬
nismus überhaupt abgeschlossen ist. Der rechte Unterarm ist bei ihnen
um einen ganzen Zentimeter dicker als der linke, eine bemerkenswerte
Tatsache!
Vergleicht man diese Zahlen insbesondere nach graphischer Dar¬
stellung, so findet man: In jedem Alter haben die Gymnasiasten den be¬
deutendsten Armumfang. Dagegen zeigt sich bei den Volksschulkindern
in Stadt und Land kein sehr wesentlicher Unterschied.
Um diese mi$ dem obigen Befunde schlecht übereinstimmende Tat¬
sache zu erklären, wurden nunmehr die Kinder der gleichen Schule mit
demselben Armumfang ohne Kücksicht auf das Alter nach ihrer Druck¬
kraft zusammengestellt. Dabei ergab sich, was sich schon aus den vorigen
Tabellen vermuten ließ:
Einer bestimmten Dicke des Unterarmes entspricht nicht bei allen
Kindern die gleiche Druckkraft, sondern es zeigen sich, wenn auch ge¬
ringe, Verschiedenheiten wohl zum kleinsten Teil deshalb, weil die Hand-
muskulatur anders entwickelt sein kann als die Unterarmmuskulatur.
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Heinrich Perl:
Die Gymnasiasten haben bei gleichem Umfang ungefähr die gleiche Druck¬
kraft. Von ihnen heben sich die Stadtvolksschulkinder deutlich ab, indem
die Druckkraft geringer ist.
Der Abstand ist jedoch, wie man besonders bei graphischer Dar¬
stellung sieht, viel geringer als beim Vergleich von Alter und Druckkraft.
— Daraus ergibt sich, daß die große Verschiedenheit der dynamometrischen
Leistung von Stadt- und Landschulkindera nicht allein auf einer geringeren
Dicke des Unterarmes beruht, sondern daß noch ein anderer Faktor mit¬
spielt. Es könnte sein, daß der Muskel chemisch etwas anders zusammen¬
gesetzt (wasserreicher) ist, es könnte aber auch sein, daß der Impuls ge¬
ringer ist. Für die Wichtigkeit des Impulses spricht die oben erwähnte
Tatsache, daß an Tagen euphorischen Gefühles die Leistung am stärksten
ist; für die Messungen in Schulen ist noch besonders wichtig, daß wir durch
zahlreiche Untersuchungen (20) wissen, daß - Kinder, die schlechter ent¬
wickelt sind, auch in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit Zurückbleiben.
Schon der bloße Anblick unserer Stadtvolksschulkinder zeigte, daß sich
viele unterernährte darunter befanden.
Unsere Untersuchungen regen jedoch zur Kritik in einer Hinsicht an.
Anscheinend haben die früheren Untersuchungen vorausgesetzt, daß die
Druckkraft einen direkten Schluß auf die Quantität der Muskelmasse zu-
ließe. Nach unseren Ergebnissen gilt dies nicht im vollen Umfange. Der
Impuls und vielleicht auch die Qualität spielen eine äußerst wichtige Rolle.
Dynamometrische Untersuchungen sind also nicht gleich der Messung
des Armumfanges einzuschätzen. Sie ergeben in einer Beziehung weniger,
in anderer mehr, denn die Muskelmasse ist nicht allein für die Leistungs¬
fähigkeit maßgebend. Im Kampfe siegt nicht der, der die größte Muskel¬
masse hat, sondern der, der sie anzuwenden versteht. Man wird also
am besten bei derartigen Untersuchungen sowohl Armum¬
fang als auch Druckkraft messen.
Die Mädchen hatten bei gleichem Armumfang eine geringere Druck¬
kraft als die Knaben; die Arbeiterinnen eine Druckkraft, die ihrem ge¬
ringen Armumfang ziemlich genau entsprach.
Sieht man von den immeihin nur geringen Differenzen ab und kon¬
struiert eine Linie, welche die mittlere Druckkraft der Knaben aus diesen
4 Schulen darstellt, so ist, wenn D Druckkraft und U Unterarmumfang
bedeutet,
D — 2-58 U — 32-9.
Diese Formel gilt nur für einen Armumfang bis etwa. 25 cm, weil
alsdann die Kurve steiler verläuft.
Noch eine interessante Tatsache hat sich ergeben. Entsprechend
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
25
dem nahezu gleichen Armumfang zwischen links und rechts ist auch die
Druckkraft mit der linken und rechten Hand bei den Volksschulkindern
fast dieselbe. Anders bei den Studenten. Wie oben bereits gesagt, ist
ihr rechter Arm um etwa 1 cm dicker wie der linke, daher ist auch die Druck¬
kraft rechts größer als links. Die Mittelwerte sind: Linker Armumfang
26-6 cm und Druckkraft links 40-2 kg; rechter Armumfang 27-5 cm,
Druckkraft rechts 44 *7 kg. Aber der Arm ist nicht nur leistungsfähiger,
weil seine Muskulatur dicker ist. Zeichnet man nämlich auf eine Tafel,
deren Ordinate die Druckkraft und deren Abszisse den Unterarmumfang
beiderseits darstellt, so findet man: Von den Volksschulkindem in Stadt
und Land wird bei gleichem Umfang des rechten und linken Armes gleich
stark gedrückt. Bei den Gymnasiasten aber und besonders bei den Stu¬
denten ist die Druckkraft bei Gleichheit des Armumfanges rechts be¬
deutend größer als links. Hieraus ergibt sich, daß bei gebildeten Per¬
sonen eine starke Differenzierung zwischen rechts und links
stattgefunden hat, welche mit dem Alter fortschreitet, während eine solche
Differenzierung bei den städtischen und ländlichen Volksschulkindern
nicht zum Ausdruck kommt. Auch daraus ersieht man, daß durch das
Dynamometer nicht allein die Muskelmasse, sondern auch der Impuls
gemessen wird.
Vergleicht man unsere Untersuchungen mit den an anderen
Orten vorgenommenen, so findet man:
Tabelle V.
JJ
Im Zj
® 'S '
< 5 ;
Hoesch -Ernst
Volksschule
Zürich
Druckkraft
Hrdlicker
Asylkinder
New- York
Mac Donald
Volksschule
Saginaw
Michigan
Niceford
Knaben
reich
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rechts
links
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links
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141
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16- 6
18-4
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23-9
1 24-3
13- 6
14- 2
15- 3
17*3
18*7
231
23-3
9-1
10*9
12-7
14*5
16*3
18*1
20*0
8*2
10*9
11-8
13*6
15*4
17*2
18*4
1
16-0
190
21 0
22-0
26
14*0
15*0
18*0
: 20*0
23*0
10- 0kg
11- 8
14- 5
15- 7
16- 7
190
21-5
24-8
8-6 kg
10-8
12-3
14-6
16-6
18-8
20-0
23-3
Die größte Druckkraft haben die Königsberger Gymnasiasten, die
amerikanischen Volksschüler in Saginaw (Mich.) und die Züricher Volks-
schüler. Dann folgen die „reichen“ Kinder in Lausanne und die ost-
preußischen Landschulkinder in Schaaksvitte und Quednau. Die nächsten
sind die Königsberger Stadtvolksschüler; nach ihnen die armen Kinder
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in Lausanne und ganz zum Schlüsse die Asylkinder in New York. Letztere
blieben um ein volles Jahr hinter den Sackheimem zurück. Kassenunter¬
schiede spielen sicher eine Rolle, aber das soziale Moment ist offenbar
ebenfalls von größter Wichtigkeit.
Um nochmals auf die andere obengestellte Frage zürückzukommen,
so hat sich ergeben: Die Körperbeschaffenheit der Stadtvolksschulkinder
ist der der Gymnasiasten unterlegen. Man könnte annehmen, daß dies
Kassenunterschiede sind, indem die Landschulkinder etwa ebenso groß
und schwer sind wie die Stadtvolksschulkinder; aber das Aussehen und
die Untersuchungen mit dem Dynamometer ergeben auch diesen gegen¬
über eine Minderwertigkeit. Wären sie von der gleichen Kasse, so hätte
man sie infolge der schlechten sozialen Verhältnisse wohl kleiner und
leichter gefunden als diese. Es ist daher wahrscheinlich, daß sie aus einer
Vermischung der beiden Kassen stammen und sich infolge der ungünstigen
Bedingungen nicht so entwickeln konnten, wie es in ihrer Natur lag.
Zum Schlüsse erlaube ich mir, Herrn Professor Dr. Kisskalt für die
Anregung zu dieser Arbeit und seine beständige eingehende Unterstützung
meinen besten Dank zu sagen, ebenso den Schulbehörden sowie Herrn
Fabrikdirektor Edlich für die gütige Erlaubnis zur Ausführung der
Untersuchungen.
Zusammenfassung.
1. Das Dynamometer ist ein für Massenuntersuchungen gut geeignetes
und brauchbares Instrument, da sich damit schnell arbeiten läßt. Jedoch
sind die Angaben nur mit Kritik zu verwerten, da sie von mehreren Fak¬
toren abhängig sind,
2. Die Messung der Druckkraft allein genügt zwar nicht zur Beur¬
teilung der Körperkonstitution, wohl aber ist sie imstande, im Verein mit
anderen Methoden (Armumfang, Körperlänge, Gewicht), ein übersicht¬
liches Bild zu geben.
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Die Messung der muskulösen Konstitution.
27
Literaturverzeichnis.
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wachsenen. Medizinische Klinik. 1910. Nr. 17. — Fettpolsterdicke und Fettpolster¬
messung. Fortschritte der Medizin. 1911. Nr. 41.
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Bd. IV, 1. — Grotjahn, Soziale Pathologie. — Samosch in Mosso und Tugend-
reich, Krankheit und soziale Lage.
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Anthropologische psychologische Untersuchungen an Züricher Schulkindern von Hoesch-
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1898. (Zitiert nach Hoesch-Ernst.)
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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28 Heinrich Perl: Die Messung der muskulösen Konstitution.
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19. Kotelmann in Vierordts Tabellen. 3. Auflage. 1906. S. 431. — Roth
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21. Häberlin, Die physischen Erfolge von Ferienkolonien. Vierteljahrsschrift
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22. McOurdy, Physical efficiency teste during adolescence. 15th international
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23. Lehrnbecher, Beobachtungen beim Rudertraining. Archiv für Hygiene.
LXXXI. S.l.
24. Hedvall, Skandirvav. Archiv für Physiologie. 1914. XXXII.
25. Le wando wsky, Handhuch der Neurologie. I. Bd. 2. S. 456. Springer.
Berlin 1910.
26. Binet etVaschide, Vannee psychologique. Quatridme annee. Paris 1898.
p. 15 et 173.
27. Isidor Brennsohn, Beiträge zur Anthropologie der Littauer. Dissertation.
Dorpat 1883. — Virchow, Verhandl. der Berliner Gesellschaft für Anthropologie.
Zeitschrift für Ethnologie. 1891. XXIII. — Bezzenberger, Sitzungsberichte der
AltertumsgeseUschaft Prussia. 18. Heft. Königsberg 1893.
28. Samosch in Mosse und Tugendreich, Krankheit und soziale Lage.
München 1913. S. 314.
29. Maas, Deutsche med. Wochenschrift. 1912. S. 2313.
30. W. Stempel, Die Untersuchung und Begutachtung der Invalidenrenten-
anwärter. S. 41. G. Fischer, Jena 1899.
31. Camerer, Gewichts- und Längenwachstum der Kinder. Handbuch der
Kinderheilkunde von Pfaundler und Schlossmann. Bd. I. S. 232. • 2. Auflage.
32. Ascher, Zeitschrift für Medizinalbeamte. 1912. XXV. S. 79.
33. Schlake, Körpermessungen von Landkindern an der Südküste des Kuri-
schen Haffs. Inaug.-Dissert. Königsberg 1916.
34. Görner, Körpermessungen an sainländischen schul- und vorschulpflich¬
tigen Kmdern. Inaug.-Dissert. Königsberg 1916.
35. British association. Anthropometric investigation in the british isles.
Report of the Committee. London, the royal anthropoligical institute. 1909.
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Biologisch-epidemiologische Gedanken über die Frage der
Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen,
mit besonderer Berücksichtigung des Bacillus Hofmanni.
Von
Frl. M. van Eiemsdyk,
Assistentin am hygienisch-bakteriologischen Institut der Universität Amsterdam.
1. Einleitung.
Keine Diphtheriebekämpfung ohne bakteriologische Hilfe und in
manchen Fällen auch infolge des wenig einheitlichen klinischen Bildes
keine richtige Diagnose des Diphtheriekranken ohne bakteriologische
Untersuchung; dies hat sich wohl seit der Entdeckung des Diphtherie¬
bacillus durch Löffler mehr und mehr bewährt, und jetzt gibt es wohl
kaum noch jemand, der damit nicht völlig einverstanden ist.
Obwohl man, dank der eifrigen Erforschung der epidemiologischen
Verhältnisse bei dieser Krankheit und der von Behringschen Antitoxin¬
therapie, sagen kann, daß es keine so furchtbaren Epidemien mehr gibt
wie früher, wo unter den Kindern wahre Verwüstungen angerichtet wurden,
und, wenn es jetzt noch zur Epidemie kommt, die Mortalität unendlich
herabgesunken ist, so kann man doch keineswegs sagen, daß die Krankheit
erloschen ist. Sie besteht noch ebenso wie früher in all ihrer Heftigkeit,
nur mit dem Unterschiede, daß sie jetzt, dank der streng spezifischen anti¬
diphtherischen Therapie und der wirksamen hygienischen Maßnahmen, in
ihrem freien Lauf gehemmt und an gewisse Schranken gebunden wird.
Die Diphtherie ist eine Krankheit, welche man noch immer unter
die konstant vorkommenden Kinderkrankheiten zu rechnen hat, die fast
überall in Europa endemisch auftritt und dann und wann unter günstigen
Verhältnissen zur Epidemie aufflaekern kann.
Selbstverständlich ist es denn auch, daß die bakteriologische Diph¬
theriediagnostik für den medizinischen Bakteriologen zu den am meisten
vorkommenden Untersuchungen gehört und vielleicht auch eine von den
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30
M. van Riemsdyk:
schwersten Untersuchungen ist, nicht was die Technik, sondern vielmehr
was die richtige Einsicht in die Frage des Diphtherie- und Pseudodiphtherie¬
bacillus anbelangt. Schon von Loefflers Entdeckung an ist das eben die
wichtige Frage gewesen, über die so unendlich viel geschrieben und disku¬
tiert worden ist. Die 7. Tagung der Freien Vereinigung für Mikrobiologie
in Berlin 1913 hat davon von neuem den Beweis geliefert, und man fragt
sich wohl, wird es denn nie zu einer Lösung kommen?
Jedermann, der sich mit der bakteriologischen Untersuchung von
Diphtherie im weitesten Sinne des Wortes beschäftigt, weiß aus Erfahrung,
welche große Schwierigkeiten eben die Gruppe der sogenannten Pseudo¬
diphtheriebazillen dabei bietet und jene Untersuchung fast zu einer un¬
möglichen macht, wenn man über diese Frage nicht zur völligen Klarheit
gekommen ist.
Die Gruppe der sogenannten Pseudodiphtheriebazillen (Bacillus diph-
theroides) ist eine überaus große. Man hat sie auf den verschiedensten
gesunden und pathologisch veränderten Schleimhäuten, in Abszessen, auf
der Haut, in den Sekreten und Exkreten des Menschen, bei Geflügel
(Hühnern, Tauben), Ratten, Hunden, in Vaccinelymphe, Milch usw. ge¬
funden. Verschiedene Arten sind beschrieben worden, z. B. Bac. ceruminis,
Bac. auris, Bac. coryzae segmentosus, Bac. diphtheroides citreus, Bac.
diphtheroides liquefaciens, Corynebacterium vaccinale usw. usw., aber
diese Organismen unterscheiden sich kulturell und morphologisch so stark,
daß man sie höchstens zu der Gruppe der diphtheroiden Bazillen, wenn
man will zu der Gruppe der Corynebakterien (Lehmann und Neumann)
oder der noch viel mehr umfassenden Gruppe der Mycobacteriaceae
(de Negri) rechnen kann. In einer mehr einheitlichen Gruppe kann man
sie kaum mehr unterbringen. Obwohl man fast sagen könnte, daß es kaum
eine Stelle am menschlichen Körper gibt, wo nicht einmal Pseudodiphtherie¬
bazillen gefunden sind, gibt es doch nur zwei Schleimhäute, wo sie
konstant angetroffen werden, nämlich die der Nasen-Rachen-
höhle (Bac. Hofmanni) und des Konjunktivalsacks(Bac.Xerosis).
Diese zwei diphtherieähnlichen Bazillengruppen täuschen morpho¬
logisch und kulturell den echten Diphtheriebacillus so vor, daß man sie
wohl zu den echten Pseudodiphtheriebazillen rechnen darf. Sie geben
auch zwei viel einheitlichere Gruppen als die erstgenannten. Morpho¬
logisch und kulturell sind die Unterschiede von den verschiedenen Stämmen
untereinander auf ziemlich enge Grenzen zurückzuführen; nur agglütina-
torisch verhalten sie sich nicht so einheitlich, wie man das bei den mehr
parasitär lebenden Organismen beobachtet. Man wird sich ihnen gegenüber¬
stellen wie den Bact. coli, Bac. paratyphi B, Bac. faecalis alkali-
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Uber die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 31
genes usw., welche man auch zu selbständigen Gruppen rechnet, die sich
aber agglutinatorisch auch nicht einheitlich verhalten.
Für den praktischen Bakteriologen haben die Hofmannschen Bazillen
bei weitem ein viel größeres Interesse als die Xerosebazillen, weil eben die
diphtherische Konjunktivitis im Verhältnis zur Bachendiphtherie zu den
Seltenheiten gehört, also die differentielle Diagnostik fast nie in Betracht
kommt .während diese gerade bei der Bachendiphtherie fast täglich vorkommt.
Die Gruppe der Hofmannschen Bazillen wird also die im
nächsten Absatz zu besprechende Pseudodiphtheriebazillen¬
art sein.
Für ein gutes Verständnis ist ein kurzer historischer Überblick über
beide Organismen, die Parasiten und Saprophyten, an diesem Orte nicht
überflüssig.
2. Historische Übersicht.
In ,den Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin (Wies- •
baden 1883) lesen wir, daß Klebs an der Peripherie der diphtherischen
Membranen, welche er mit Methylenblau färbte, kurze schlanke Stäbchen
gefunden hatte, von unregelmäßiger Lagerung, mit „Sporen“ an jedem
Pol des Bacillus. Er meinte, daß es eine zweite Form von Diphtherie
gäbe, nicht, wie die erste, verursacht durch das Microsporon Diphthericum
(womit er verschiedene Kokkenarten meinte), sondern durch dieses kurze,
schlanke Stäbchen. Als er die diphtherische Membran über Schwefelsäure
trocknete, entstanden in den Stäbchen mehrere „Sporen“. Einzelne Stäbchen
enthielten deren nicht weniger als 4. — Hier sehen wir also schon eine
ganz primitive Polfärbung; infolge der Säurebehandlung wurde eben der
Farbstoff von den Polkörnern viel intensiver aufgenommen als von dem
Bazillenleibe, weshalb Klebs auch so viele sogenannte „Sporen“ sah.
Bei der damaligen bakteriologischen Technik war es Klebs unmöglich,
diese Stäbchen rein zu züchten.
In der Diskussion, welche danach stattfand, sagte Edlefsen, daß
er dieselben Stäbchen bei den Diphtheriefällen, welche er in Kiel beob¬
achtet hatte, konstant angetroffen habe.
Im Jahre 1884 kommt Loeffler mit seiner ungemein wichtigen Mit¬
teilung aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, in der er die Besultate
seiner auf Anregung von Koch ausgeführten Diphtherieuntersuchungen
bespricht und den Beweis liefert, daß die schon von Klebs beobachteten
Stäbchen das ätiologische Moment der Bretonneauschen Diphtherie
seien, weil diese Organismen ganz den drei Anforderungen genügen, welche
nach Koch an einen Organismus gestellt werden müssen, will man ihn als
das ätiologische Moment einer bestimmten Krankheit betrachten, nämlich:
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M. van Riemsdyk:
*
1. Daß der Parasit in jedem einzelnen Falle der betreffenden Krankheit
anzutreffen ist, und zwar unter Verhältnissen, welche den pathologischen
Veränderungen und dem klinischen Verlauf der Krankheit entsprechen.
2. Daß er bei keiner anderen Krankheit als zufälliger und nicht
pathogener Schmarotzer vorkommt.
3. Daß er von dem Körper vollkommen isoliert und in Reinkulturen
hinreichend oft umgezüchtet imstande ist, von neuem die Krankheit zu
erzeugen.
Diesem Organismus gab Loeffler den Namen Bacillus diphtheriae.
Die zweite Aufgabe, welche Loeffler sich stellte, war die Unter¬
suchung von ganz Gesunden, um festzustellen ob der Diphtheriebacillus
auch bei ihnen vorkäme. Zu diesem Zweck untersuchte er Rachenschleim
und Zahnfleisch von 10 gesunden Erwachsenen und 20 gesunden Kindern
von 1 bis 8 Jahren alt. In 3 Fällen fand er große, mattweiße Kolonien
auf der Platte, nach dem mikroskopischen Befund aus kurzen Stäbchen
bestehend, welche nicht die typische Diphtherieform zeigten und für
Meerschweinchen nicht pathogen waren. (Dies sind wohl schon Hof-
mannsche Bazillen gewesen.)
In einem Falle fand er aber typische Diphtheriebazillen, welche dem
Meerschweinchen gegenüber sich als pathogen erwiesen. Dieser letzte
Befund hat Loeffler zunächst zweifeln lassen, ob die keulenförmigen
Stäbchen wirklich das ätiologische Moment der Diphtherie seien, oder
ob sie doch als normale Rachenbewohner anzusehen wären. Dazu kamen
noch zwei Tatsachen, welche auch nicht stimmten, 1. daß die Diphtherie¬
bazillen nicht in allen diphtherischen Membranen angetroffen wurden;
2. daß die durch diese Organismen auf. der Rachenschleimhaut tracheo-
tomierter Kaninchen erzeugten Membranen nicht dieselbe Struktur
zeigten, wie die bei der menschlichen Diphtherie gefundenen Pseudo¬
membranen. Der Befund des virulenten Diphtheriebacillus beim völlig ge¬
sunden Kinde hat Loeffler aber sofort auf den Gedanken gebracht, daß
diese Bazillen, in Anbetracht der zurzeit überall in Deutschland endemisch
herrschenden Diphtherie, sehr gut in den Rachen dieses Kindes gekommen sein
könnten, ohne daß sie dort pathologische Wirkung zu entfalten brauchten.
Am 21. April 1887 teilte Loeffler in der Berliner militärärztlichen
Gesellschaft die Resultate seiner letzten Untersuchungen über Diphtherie
mit, wobei er u. a. sagte, daß er immer mehr zu dem Urteil hinneigte, die
keulenförmigen Stäbchen doch als das ätiologische Moment der Diph¬
therie anzusehen. — Weiter besprach er auch den wichtigen Befund, daß
er bei einem Diphtheriekranken, einen Tag nachdem sich die typischen
Symptome zeigten, neben dem Bac. diphtheriae ein diphtherieähnliches.
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Uber die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 33
Stäbchen fand, das aber kürzer und kleiner war und für das
Meerschweinchen keine Pathogenität zeigte.
Bei einem letal geendeten Diphtheriefall, bei dem die Obduktion von
Prof. Heller in Kiel ausgeführt war, wurden auch im Magen diphtherische
Membranen gefunden. Eine Kultur, welche davon hergestellt wurde, ergab
neben dem typischen virulenten Diphtheriebacillus auch ein ähnliches
Stäbchen, das aber völlig avirulent, kleiner war als der virulente Diphtherie¬
bazillus und die kolbigen Endanschwellungen weniger reichlich zeigte. —
Darauf legt Loeffler ganz speziell den Nachdruck, daß es eben auch
avirulente Organismen gäbe, welche morphologisch den Diphtheriebazillen
sehr ähnlich sind. Er hält es für unbedingt notwendig, bei jeder bakterio¬
logischen Untersuchung dieser Krankheit die gezüchteten Bazillen auf
ihr Verhalten dem Meerschweinchen gegenüber zu prüfen, damit man
diese zwei verschiedenen, sehr ähnlichen Bazillenarten voneinander zu
trennen imstande wäre. Er glaubt entschieden, daß es bei scharfer Beob¬
achtung der morphologischen und biologischen Kennzeichen möglich wäre,
diese Pseudodiphtheriebazillen stets von den echten zu unterscheiden.
Hier sehen wir also schon zur Zeit, wo das eigentliche Diphtherie¬
stäbchen erst entdeckt wurde als das ursächliche Agens der Diphtherie,
auclfalle die Schwierigkeiten zutage treten, womit die späteren Bakterio¬
logen zu kämpfen hatten und eigentlich noch zu kämpfen haben, nämlich:
1. Daß nicht in allen diphtherischen Membranen die Diphtherie¬
stäbchen angetroffen wurden.
2. Das Vorkommen von Pseudo diphtheriebazillen neben den echten
Diphtheriebazillen.
3. Das Vorkommen der echten Diphtheriebazillen nicht nur bei
Diphtheriekranken, sondern auch bei völlig Gesunden, welche mit
Diphtheriekranken in Berührung gekommen sind.
Im selben Jahre (1887) erscheint die Publikation von v. Hofmann-
Wellenhof, in der er speziell die Frage der Pseudo diphtheriebazillen
bespricht. Er fand diese Organismen bei Diphtherie, Morbilli, Scarlatina,
Katarrh des Pharynx und auch auf ganz normalen Bachen- und Nasen¬
schleimhäuten. Bei 45 gesunden Personen fand er 26 mal Pseudodiph¬
theriebazillen, also bei 57*5 Prozent. Bei 7 Fällen von typischer Diph¬
therie wurden von ihm sehr virulente, avirulente, auch mehr oder weniger
v irulente Diphtheriebazillen gefunden.
Hof mann hat damit den Beweis liefern können, was Koux später
auch hat zugeben müssen, daß die Virulenz des Bac. diphtheriae
keine konstante Größe ist, wodurch ein wichtiges differentielles Dia-
gnosticum zwischen beiden Organismen fortfiel.
Zeitachr. f. Hygiene. LXXXII
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Weil v. Hofmann die sogenannten Pseudodiphtheriebazillen genau
studiert und beschrieben hat, gibt man ihnen auch wohl den Kamen
Bac. Hofmanni.
Aus dem Vorhergesagten ist wohl deutlich zu ersehen, daß die Trennung
dieser zwei verschiedenen Organismen nicht so einfach und leicht ist, wie
Loeffler sich das ursprünglich dachte.
Nach dieser Publikation hat der große Kampf (welcher heutzutage
noch besteht) in seinem ganzen Umfange begonnen.
Auf der einen Seite die französische Schule mit Roux, Yersin,
Martin, Schanz, Fraenkel, Abbott, von Behring, Lesieur,
Lambotte, Roussel undMalard usw. als „Unizisten“, welche den Pseudo¬
diphtheriebacillus als ein avirulent-atoxisch gewordenes Diphtherie¬
stäbchen ansehen, ihnen gegenüber Loeffler, v. Hofmann-Wellen-
hof, Zarnico, Escherich, Beck, Fraenkel, Spronck, Graham
Smith, Neisser u. a. als „Dualisten“, welche die Pseudodiphtherie¬
bazillen als selbständige Organismen betrachten. Ein interessantes Bei¬
spiel für die Schwierigkeit dieses Problems habe ich immer in Fraenkel
gefunden, der bis 1893 völlig Unizist war, im Jahre 1896, also drei Jahre
später, Vollblut-Dualist wurde.
Man kann freilich sagen, daß es kaum eine kulturelle, biologischtfoder
tinktorielle Methode gibt, welche nicht zur Differenzierung dieser beiden
Organismen herangezogen worden ist.
Die vornehmsten sind: Morphologie — Polfärbung auf alle verschie¬
dene Weisen — Säurebildung aus verschiedenen Zuckerarten — Virulenz¬
prüfung — Agglutination — Präzipitation — Bakteriolyse — Komplement¬
ablenkung usw. Die Resultate sind, wenn man in der fabelhaften Menge
von Literatur herumschaut, leider so inkonstant und so widersprechend, die
unizistischen und dualistischen Anschauungen noch so häufig, daß man
sich kaum ein richtiges Urteil über die Frage bilden kann. — Eigene
Erfahrung, Selbstausprobieren, selbst den Wert dieser verschiedenen Reak¬
tionen nachprüfen, eingehende, kritische Erforschung der biologischen und
epidemiologischen Verhältnisse, ist der einzige Weg welcher zu einem Ziele
führt, und welcher es ermöglicht, daß man über eine so äußerst praktische
Frage zur Klarheit kommt.
Die rein bakteriologischen Untersuchungen, welche ich über dieses
Problem anstellte, wurden von mir ausführlich im Zentralblatt für Bak¬
teriologie veröffentlicht. Auf diesem Wege bin ich schon zur völligen Über¬
zeugung gekommen, daß der Bac. diphtheriae und der Bac. Hofmanni ganz
entschieden zu zwei verschiedenen Bazillenartcn gerechnet werden
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über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 35
müssen. Dife Untersuchungen am kranken Kinde und einer großen Anzahl
von gesunden Kindern (Diphtheiiekontakte) von mir angestellt, haben
mir genügenden Anlaß gegeben, diese wichtige Frage von ganz anderem
Standpunkt aus anzusehen.
Es genügt nicht, nur im Laboratorium mit Kulturen zu arbeiten,
welche aus ihrem natürlichen Milieu herausgenommen sind, welche auf
den verschiedensten künstlichen Nährmedien fortgezüchtet und weiter den
eingreifendsten Methoden unterworfen werden, mit anderen Worten,
die Organismen nur in unnatürlichem Verhältnisse kennen zu lernen; die
Erforschung des fraglichen Organismus an seinem natürlichen Stand¬
orte, also die biologisch-epidemiologische Forschung, kann uns vielleicht
besser zum Ziele führen und eine verläßliche Bestätigung der ßesultate
geben, welche nur am Laboratoriumstisch erzielt wurden.
Zu diesem Zweck habe ich versucht, diese Frage vom rein biologisch¬
epidemiologischen Standpunkte aus zu studieren und auf folgende
zwei Fragen eine Antwort zu geben:
1. Wo und bei wem werden Bac. diphtheriae und Bac. Hofmanni
am häufigsten gefunden?
2. Müssen Bac. diphtheriae und Bac. Hofmanni aus biologisch¬
epidemiologischen Gründen zu zwei verschiedenen Bazillengruppen
gerechnet werden?
Zuerst werde ich die Gruppe der typischen Diphtheriebazillen
behandeln.
3. Zur Lokalisation des Bac. diphtheriae im menschlichen Körper.
Jeder Mikroorganismus, ob er zu den Prototrophen, Metratrophen oder
Paratrophen gehört, hat nach seinen chemisch-physisch-physiologischen
Leistungen in der Natur seinen bestimmten Standort bekommen, wo
er am vorzüglichsten die für seine Art typische Form und Eigenschaften
entfalten und behalten kann. Die Mikroorganismen (Saprophyten- und
Halbparasiten), welche sich im gesunden menschlichen Körper aufhalten,
und die Halbparasiten (fakultative) und obligaten Parasiten, welche im
menschlichen Körper an Schleimhäuten und Organen gewisse Krankheiten
hervorrufen können, haben auch da für ihre Äh besonders bevorzugte
Plätze. Wenn wir uns auf die medizinische Bakteriologie beschränken,
so vergegenwärtigen wir uns bei einem jeden Organismus Herkunft, Ort
und Stelle wo er am häufigsten angetroffen wird, die Schleimhaut(häute),
zu denen er die größte Affinität besitzt. So findet man z. B. Bact. coli
meistens im Kolon; Bact. paratvphi B im Darm; Bact. typhi im Anfang
der Krankheit im Ileum und im Blute, später in den Fäces und in der
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M. van Riemsdyk:
Galle; Vibrio cholerae im Darm; Pneumococcus im Tractus röspiratorius;
Gonococcus im Urogenitalapparat; Meningoeoccus im Retropharyngeal¬
schleim und den Meningen; Bact. pestis im Lymphapparat, Lungen, Blut
usw. und Bac. diphtheriae auf der Rachenschleimhaut.
In pathologischen Zuständen werden in dieser Beziehung beim Fort¬
schreiten der Krankheit wohl kleinere und größere Störungen hervor¬
gebracht, wodurch andere Schleimhäute mit erkranken und Auswande¬
rungen ins Blut stattfinden können. Ferner kommt die allgemeine Herab¬
setzung der natürlichen körperlichen Wehrmittel in Betracht, wodurch
Misch- und Sekundärinfektionen auftreten können, wo Saprophyten plötzlich
eine erhöhte Virulenz zeigen, oder andere Parasiten, welche sonst harmlos
wären, zur Sepsis führen können.
In diesen Fällen spielen dann so viele hinzukommende Faktoren eine
Rolle, daß kaum noch von den mehr natürlichen Verhältnissen die Rede
sein kann. In der Regel aber entfalten die pathogenen Orga¬
nismen ihre krankmachenden Eigenschaften zuerst auf den
Geweben, zu denen sie die größte Affinität besitzen.
So ist es eben mit dem Diphtheriebacillus auch; der krankhafte Prozeß
fängt fast immer auf der Rachenschleimhaut an, zu der der Diph¬
theriebacillus die größte Affinität hat. Schreitet die Entzündung weiter,
so beobachtet man meistens zuerst eine Ausbreitung nach den unteren
Luftwegen, Pharynx, Larynx, Trachea, Bronchi. Geht es noch weiter,
dann werden Nasenhöhle, Nasennebenhöhlen, Mittelohr usw. angegriffen.
Bei letal endigenden Fällen hat man dann und wann auch Diphtherie¬
bazillen im Blute, in der Leber und Milz angetroffen; dies gehört aber zu
den Seltenheiten und wird wohl nur da stattfinden können, wo der Prozeß
ein so bösartiger ist, und die natürlichen Wehrmittel dermaßen herab¬
gesunken sind, daß es zu einer Septikämie kommen kann. Die schönen
Untersuchungen Becks haben im Tierexperiment erwiesen, daß der Diph¬
theriebacillus nicht in den Körper und ins Blut auswanderte, nicht auf
gesunden Schleimhäuten zu leben imstande ist, sondern sich nur da an¬
siedelt und wächst, wo die Mukosa durch Epitheldefekte ihm gute Wachs¬
tumsbedingungen bietet. Mallory stellt es sich so vor, daß die eigentliche
Entzündung anfängt durch'das Toxin der Diphtheriebazillen, welche sich
im Rachen oder Speichel befinden. — An diesen Stellen nekrotisiert die
Schleimhaut, eine Membran formt sich auf der Oberfläche, und da siedeln
sich jetzt die Diphtheriebazillen pn und können erst in diesem sehr eiwei߬
reichen Milieu sich vermehren und viel Toxin produzieren.
Die Menge Untersuchungen, welche angestellt worden sind, um beim
an Diphtherie erkrankten Menschen und bei infizierten Tieren im Blute
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 37
und den Organen Diphtheriebazillen nachzuweisen, sind denn auch meistens
erfolglos gewesen; beim infizierten Tier kann man sie höchstens noch
an der Injektionsstelle wiederfinden, wo sie aber auch bald absterben.
Bonhoff, der sehr zuverlässige Untersuchungen anstellte und das
Leichenblut von 314 Diphtheriekranken bakteriologisch untersuchte, fand
bei zehn Fällen Diphtheriebazillen und Streptococcus pyogenes im Blute,
also eine Mischinfektion; nur bei drei Fällen, also 0-95 Prozent, allein
Diphtheriebazillen. Wenn man bedenkt, daß es sich hier um die schwersten
Diphtherieformen handelt, so ist dieser Befund auffallend wenig.
Was die diphtherischen Erkrankungen an anderen Stellen des mensch¬
lichen Körpers anbelangt, z. B. Hautdiphtherie, Wunddiphtherie, diph¬
therische Abszesse, Vulvadiphtherie, Diphtherie der Genitalien usw., so
sind diese selten. Die Wunddiphtherie tritt öfters auf an der
Tracheotomiewunde. — Fast immer hat man sie zurückfuhren können auf
Sekundärinfektionen vom Rachen aus. Man hat sich das so vorzustellen,
daß Diphtherie des Rachens bestand, oder Diphtheriebazillen auf der ge¬
sunden Rachenschleimhaut zu finden waren, und durch kratzende Finger
die Diphtheriebazillen weiter über den Körper verbreitet wurden, daß
also diese Infektionen als sekundäre zu betrachten sind.
Der Fall Schottmüllers gibt davon ein schönes Beispiel: Bei einem
kleinen Kinde zeigte sich in der Leiste eine Wunde mit deutlichen Pseudo-
membranen. Diphtheriebazillen konnten herausgezüchtet werden. Obwohl
der Rachen normal war, konnten die Diphtheriebazillen in Reinkultur
von dieser Schleimhaut isoliert werden. Das Kind hatte ein Püstelchen
in der Leistengegend gehabt und es mit dem Finger, an dem Diphtherie¬
bazillen aus dem Rachen hafteten, aufgekratzt und so selbst die schwere
diphtherische Entzündung in der Leiste hervorgerufen. Der Bruder dieses
Kindes war zwei Wochen zuvor an Diphtherie gestorben; die Herkunft
der Diphtheriebazillen war also klar.
Einen anderen Fall erzählt Bauer: Bei einem Fall von Rachendiph¬
therie, wo sich an den Mundecken diphtherische Abszesse zeigten, trat ein
diphtherisches Panaritium auf, in dessen Eiter typische Diphtheriebazillen
nachgewiesen werden konnten. Das Kind hatte nämlich die Gewohnheit,
mit dem Finger an der Unterlippe zu saugen. — Diese Fälle könnte man
noch mit vielen ähnlichen ergänzen. [Häla, Jez, Williams, Seitz,
Salmon, Mc Collom (siehe Graham Smith), Jochmann usw.]
Der Diphtheriebacillus hat also eine ausgesprochene Affi¬
nität zur Rachenschleimhaut und wird, wie wir weiter sehen
werden, am häufigsten nicht auf der normalen, sondern auf
der an Diphtherie erkrankten Rachenschleimhaut gefunden.
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M. van Riemsdyk:
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4. Der Klebs-Loefflersche IMphtheriebacillus in dem an
Diphtherie erkrankten Pharynx.
Durch die Entdeckung Loefflers im Jahre 1884 ist das Klebs-
Loefflersche keulenförmig angeschwollene, grampositive Stäbchen als das
ätiologische Moment einer Rachenkrankheit erkannt, welche schon seit
dem ersten Jahrhundert bekannt war, und der man seitdem die ver¬
schiedensten Namen gegeben hat. Je nachdem die Krankheit lokalisiert
war auf den Tonsillen (Ulcera pestifera), im Pharynx (Morbus strangu-
latorius), im Larynx (Morbus suffocatus; Asthma acutum) wurde der
Krankheit ein anderer Name gegeben, und wurden sie jede für sich als
ganz selbständige Krankheiten aufgefaßt, welche in keiner Hinsicht mit¬
einander übereinstimmten. — Dem genialen Bretonneau verdanken wir
es, daß er in diesem Chaos einige Ordnung geschaffen hat. Durch die
furchtbaren Angina-Epidemien in Tours, Fernere und Chenuson (1818
bis 1826) war Bretonneau, der damals Arzt im Krankenhaus zu Tours
war, in den Stand gesetzt, diese Krankheit in ihrem ganzen Umfange,
sowohl klinisch wie pathologisch-anatomisch zu studieren. Er konnte
feststellen, daß alle diese verschiedenen Pharynx- und Larynxkrankheiten
durch dieselbe Struktur, welche die Pseudomembranen zeigten, eine
und dieselbe Krankheit darstellten und die gleiche Actiologiam morbi
hatten. Bretonneau gab dieser Krankheit den Namen StrpOigu, was
„Membran“ (Haut) bezeichnet.
Die Angina diphtherica möchte ich in zwei Gruppen unterbringen:
A. Angina diphtherica: wo der für Diphtherie typische
Symptomenkomplex klinisch so deutlich vorhanden ist, daß
man imstande ist, die Diagnose Diphtherie ohne weitere bak¬
teriologische Hilfe zu stellen.
B. Angina diphtherica: wo der klinische Symptomenkom¬
plex demjenigen einer Angina tonsillaris, katarrhalischen An¬
gina oder ganz leichten Angina entspricht, weshalb die diph¬
therische Ätiologie nur durch den Bakteriologen festgestellt
werden kann (rudimentäre Diphtherie).
Selbstverständlich ist, daß man zwischen diesen beiden Angina¬
extremen noch viele sogenannte „Ubergangsformen“ hat, welche eben
vom Arzt als „verdächtige“ Angina diagnostiziert werden.
A. In wieviel Fällen von klinisch diagnostizierter Rachen¬
diphtherie konnten die Klebs-Loefflerschen Bazillen nach¬
gewiesen werden?
In der interessanten Diphtherie-Monographie von Graham Smith
fand ich folgende Zahlen aufgezeichnet:
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über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 39
Von 2846 Diphteriefällen, von 1886 bis 1896 in Europa bakterio¬
logisch untersucht, wurden Diphtheriebazillen gefunden bei 82-4 Proz.
Im Institut Pasteur von 960 untersuchten Diphtheriefällen
Bac. diphtheriae bei. 73-0 ,,
In Deutschland während 1894 von 972 untersuchten Diph¬
theriefällen Bac. diphtheriae bei. 97-2 ,,
Park und Morse von 5340 untersuchten Diphtheriefällen
Bac. diphtheriae bei.67-5 ,,
Josias und Tollemer von 709 untersuchten Diphtheriefällen
Bac. diphtheriae bei. 81-0 ,,
Weiter noch von mir selbst gesammelte Prozentzahlen:
Martin von 193 untersuchten Diphtheriefällen Bac. diph¬
theriae bei. 71-0 ,,
Roux und Yersin von 80 untersuchten Diphtheriefällen
Bac. diphtheriae bei. 76-2 ,,
Muysken in Holland von 116 untersuchten Diphtheriefällen
Bac. diphtheriae bei. 97-4 ,,
Heubner von 193 untersuchten Diphtheriefällen Bac. diph¬
theriae bei. 99*0 ,,
Im Hygienischen Institut in Bremen während 1904 bis 1905
von 1404 untersuchten Diphtheriefällen Bac. diphtheriae bei 67-0 ,,
Baginsky von 154 untersuchten Diphtheriefällen Bac. diph¬
theriae bei. 76*6 ,,
Morel von 86 untersuchten Diphtheriefällen Bac. diph¬
theriae bei. 76*7 ,,
Durchschnittlich erhalten wir hier als Prozentzahl. 80*0 „
Man hätte vielleicht eine höhere Durchschnittsprozentzahl erwartet;
auch sind die Zahlen im einzelnen ziemlich großen Schwankungen unter¬
worfen (67-0 bis 99-0 Prozent), aber dies muß uns nicht wundem. Es
ist an dieser Stelle wohl nicht überflüssig, einen Augenblick die Aufmerk¬
samkeit auf die Faktoren zu lenken, welche den bakteriologischen Befund
direkt und indirekt sehr beeinflussen können. Bei jedem Diphtherie¬
patienten, welcher zur bakteriologischen Untersuchung kommt, spielen
nämlich 3 Faktoren eine wichtige Rolle:
1. Der Kliniker.
2. Die Weise, in der die Entnahme des Schleims stattfindet.
3. Der Bakteriologe.
1. Was die klinische Diagnose betrifft, so wissen wir alle, daß die soge¬
nannten „Pseudomembranen“, eins der wichtigsten Symptome bei der
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M. van Reemsdyk:
Diphtherie, nicht nur von den Diphtheriebazillen, sondern auch von
anderen Mikroorganismen verursacht werden können.
Die Streptokokkenanginae, welche so oft bei Scarlatina beob¬
achtet werden,
die Staphylokokkenanginae,
die Pneumokokkenanginae,
die Plaut-Vincentschen Anginae, vom Bac. fusiformis verur¬
sacht, können eine diphtherische Angina so Vortäuschen, daß die differen¬
tielle Diagnose klinisch nicht zu stellen ist.
Diese klinisch der typischen Diphtherie sehr ähnlichen Anginen, bei
denen man trotz mehreren sorgfältigen bakteriologischen Untersuchungen
keine Diphtheriebazillen hat nachweisen können, verlaufen meistens ohne
spezifische Behandlung mild und ohne Komplikationen, was auch für
ihre Nicht-Diphtherienatur spricht.
Ich brauche nicht weiter zu erörtern, wie gefährlich es eben für der¬
artige Fälle ist, wenn sie in Krankenhäusern in die Diphtherieabteilung
aufgenommen werden, weil sie eben als echte Diphtherie angesehen wer¬
den. Die Infektion mit Bac. diphtheriae wird dann auf der schon
kranken Schleimhaut eine noch viel schwerere und gefährlichere sein.
2. Bei der Entnahme des Rachenschleimes mittels des sterilen Watte¬
tupfers, wie sie meistens durch den behandelnden Arzt ausgeführt wird,
können auch einige Faktoren einen direkten Einfluß auf den späteren
bakteriologischen Befund ausüben:
a) Das Gurgeln vom Patienten mit Antiseptica, was immer sofort
vom Arzt befohlen wird. Die Zeit zwischen der letzten Mundspülung und
der Schleimentnahme hat großen Einfluß auf die Vitalität des Diphtherie¬
bacillus, was die praktischen Ärzte gar nicht immer bedenken.
b) Die Entnahme mittels des Tupfers selbst, die bisweilen von den
Kindern kaum zugelassen wird. Weil die Diphtheriebazillen nicht gleich¬
mäßig über die Schleimhaut verbreitet sind, sondern sich, wie ich schon
früher hervorhob, nur da ansiedeln, wo die Membranen sich befinden,
sowie auf den Tonsillen, wo sie nesterartig angeordnet sind, kann eine
Abwehrbewegung des Kindes leicht machen, daß eine Stelle abgestrichen
wird, wo die Diphtheriebazillen sich gar nicht oder sehr spärlich befinden.
Dies gilt auch für den Diphtherierekonvale'szenten und ge¬
sunden Bazillenträger. Ich selber habe bei letzteren erfahren, wie
schwer und mühsam es oft ist, bei kleinen Kindern von verschiedenen
Rachenstellen Schleim zu entnehmen; schon das öffnen des Mundes macht
ihnen Angst.
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über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 41
c) Das unmittelbar vorher stattgehabte Aushusten von Membranen
und viel Exsudat, wodurch auch massenhaft Diphtheriebazillen mit ent¬
leert werden können.
d) Bei der gangränösen Diphtherieform das Mitschleppen von vielen
Fäulnisorganismen, durch welche die Diphtheriebazillen später überwuchert
werden.
e) Das mehr oder weniger schnelle Austrocknen des Materials am
Wattetupfer, bevor dieser zur Untersuchung kommt, was auch sehr von
der Beschaffenheit des Schleimes abhängig ist, was aber von den Diphtherie¬
bazillen so schlecht vertragen wird.
3. Endlich die bakteriologische Untersuchung selbst, welche nicht
immer mit derselben Genauigkeit und Zuverlässigkeit geschieht (schlechte
Nährmedien, zu kurze Bebrütung, Untersuchung von zu wenigen Kolonien,
in einem Worte schlechte Technik).
Aus all dem Vorhergesagten ist wohl deutlich zutage getreten, daß
es viel unvermeidliche und vermeidliche Fehlerquellen gibt, welche einen
großen direkten Einfluß ausüben können auf den späteren bakterio¬
logischen Befund bei Diphtheriekranken.
Glücklicherweise sind die unvermeidlichen Fehler hier an Zahl die
geringeren.
B. Bei den diphtherischen Anginae, welche klinisch als
gewöhnliche Anginae diagnostiziert wurden, zeigten sich doch
viele als diphtherisch:
Der Massachusetts State Board of Health untersuchte
2340 Fälle von gewöhnlichen Anginae und konnte fest¬
stellen, daß Bac. diphtheriae gefunden wurde bei. 18 Proz.
Glücksmann in Zürich von 119 Anginaefällen Bac. diph¬
theriae t>ei . 12 ,,
Büsing in Bremen von 830 Anginaefällen Bac. diphtheriae bei 16 ,,
Scheller von den Anginaefällen „ohne irgendwelchen Belag“
Bac. Diphtheriae bei.*. 11 ,,
Durchschnittlich also hier. 14 ,,
Diese atypischen Diphtherien sind viel häufiger als die nicht diph¬
therischen Anginae, welche klinisch ganz dem Diphtherie-Symptomen-
komplex entsprechen. Diese leichten atypischen Formen werden ent¬
weder von Diphtheriebazillen mit geringer Virulenz verursacht oder bei
hoher Virulenz des Bacillus am häufigsten bei weniger Empfindlichen,
zum Beispiel bei älteren Kindern und Erwachsenen Vorkommen, da diese
bekanntlich eine so viel geringere diphtherische Empfindlichkeit zeigen.
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M. van Riemsdyk:
Werden bei gewöhnlichen Anginae typische Diphtherie¬
bazillen gefunden, so müssen sie als diphtherisch angesehen
werden. Sind auch die klinischen Symptome sehr mild, so hat
man solche Patienten dennoch epidemiologisch als eine große
Infektionsgefahr zu betrachten und gerade bei der Bekämp¬
fung einer Epidemie sehr auf diese rudimentären Diphtherie¬
formen zu achten.
5. Die Klebs-Loefflerschen Diphtheriebazillen in der kranken
Nase.
Später, bei der Besprechung des Bac. Hofmanni, wird es deutlich
werden, warum ich absichtlich die Nasenschleimhaut, welche so nah an
der Rachenschleimhaut liegt, gesondert und so ausführlich behandele.
Die Nasenschleimhaut ist ein Luftfilter im vorzüglichsten Grade und
macht, daß die Atmungsluft, welche täglich Millionen und Millionen patho¬
gener und nichtpathogener Mikroorganismen in die Nase führt, fast keim¬
frei in die Trachea und die Lungen gelangt. Die Luftflora wird teils
mechanisch im Vestibulum nasi durch die Vibrissae, Flimmerepithel, Nasen¬
abfluß zurückgehalten und fortgeführt, teils sind es die stark bakteriziden
Eigenschaften des Nasenschleims und der Schleimhaut, welche die Orga¬
nismen in ihrer Entwicklung hemmen und abtöten. Dieser Beschaffenheit
des Nasenschleims ist es eben zu verdanken, daß die Nase so selten primär
erkrankt.
Die Diphtherie ist von jeher bekannt als eine primäre Rachen¬
krankheit. Interessant ist es jedoch zu untersuchen, wie sich der Diph¬
theriebacillus eben zur Nasenschleimhaut verhält. Erst seit die Bakterio¬
logie an der diphtherischen Diagnostik ihren Anteil bekommen hat, sind
die diphtherischen Nasenerkrankungen bekannt geworden. »
Die sogenannten Nasendiphtherien lassen sich in 3 Gruppen unter¬
bringen:
1. Die primäre Nasendiphtl^prie (Rhinitis oronposa -oder Rhi¬
nitis diphtherica) ist eine echte diphtherische Entzündung mit eitrigem,
auch wohl blutigem Ausfluß aus der Nase und Pseudomembranen, wodurch
Stenose der Nasengänge eintritt, Fieber und allgemeines Kranksein des
Patienten. Im Nasenschleim sind typische Diphtheriebazillen nachzu¬
weisen. öfters tritt auch Krustenbildung an den Nasenflügeln auf. Diese
eingreifende Entzündung bleibt nicht immer in der Nase lokalisiert, sondern
greift gern auch auf Rachen und Larynx über. — Serumtherapie ist hier
auch besonders angezeigt und gibt die schönsten Erfolge.
2. Die sekundäre Hasendiphtherie, ganz dieselbe Krankheit wie
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Uber die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 43
die eben beschriebene, nur daß sie sekundär bei Rachendiphtherie auf-
tritt und als eine Ausbreitung der Rachenentzündung aufgefaßt werden muß.
3. Die Rhinitis fibrinoaa oder Rhinitis pseudomembran&cea,
welche erst 1866 von Demme beschrieben worden ist. Diese Entzündung
fängt wie ein heftiger Schnupfen an, mit starkem Ausfluß; nach einigen
Tagen tritt Stenose der Nasengänge durch' fibrinöse Pseudomembranen,
auf, welche fest auf der stark geschwollenen und hyperämischen
Schleimhaut haften und entweder von den Patienten selber ausgestoßen
werden oder mittels einer Pinzette abgenommen werden können, wonach
eine geringe Blutung auftritt, und die Membranbildung aufs neue anfängt.
Nach 8 bis 14 Tagen werden die Membranen vom Patienten selber spontan
abgestoßen und ausgeniest, wonach völlige Heilung stattfindet. DieKrank-
heit bleibt in dei Nase lokalisiert, es besteht kein Fieber,
und das Wohlbefinden des Patienten ist gar nicht gestört.
1. DasVorkommen der primärenNasendiphtherie. — Wenn man
nur die Literaturangaben berücksichtigt, in denen neben der genauen
bakteriologischen Untersuchung auch der klinische Symptomenkomplex in
allen Einzelheiten aufgezeichnet ist, erscheint es wirklich auffallend, wie
selten eben die primäre Nasendiphtherie vorkommt.
Von den zahllosen Untersuchern abgesehen, welche kein einziges
Mal von einer primärenNasendiphtherie reden—Rouxund Yersin
(14 Fälle), Martin (200 Fälle), Muysken (133 Fälle), Beck (83 Fälle),
Kossel (14 Fälle), Slawyk und Manicatide (28 Fälle), Baginsky
(525 Fälle), Max Cohn (1000 Fälle) (der letzte hat von 1000 Diphtherie¬
kranken etwa 50 schon am ersten Krankheitstage ins Krankenhaus be¬
kommen) — finden wir folgendes:
Welch hatte unter 6156 klinisch verdächtigen Diphtherie¬
fällen in New York, welche er bakteriologisch untersuchte,
nur 4 Fälle primärer Nasendiphtherie, also nur .... 0-065 Proz.
Glücksmann in Zürich von 520 klinischen Diphtherien nur
4 Fälle von Rhinitis diphtherica =. 0-8
Scheller von 897 von ihm bakteriologisch festgestellten
Diphtheriefällen Rhinitis diphtherica in nur. 2-0 ,,
91-3 Prozent waren Rachendiphtherie.
Hasslauer fand unter 47 kranken Nasen, welche er unter¬
suchte, keinen einzigen Fall von diphtherischer Rhinitis. 0-0 ,,
Wolff sah unter 23 sehr schweren Rachendiphtherien, wo
keine Serumtherapie angewandt wurde, und welche alle
letal endigten, nur zwei, bei denen der Krankheitsprozeß
auf der Nasenschleimhaut angefangen hatte, also ... 8-0
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44
M. van Riemsdyk:
Im großen Sammelreferat von Hasslauer über „Die Mikroorganismen
der gesunden und kranken Nase“ sind nur einige Fälle von primärer
Rhinitis diphtherica beschrieben; sie sind auch da als eine ziemlich seltene
Krankheit bezeichnet.
Obwohl es schwer ist, aus diesen Zahlen eine Durchschnittsprozent¬
zahl zu berechnen, • kann man doch sagen, daß die primäre Nasendiph¬
therie kaum 1 / 2 Prozent der Diphtheriefälle beträgt.
2. Das Vorkommen der sekundären Nasendiphtherie. — Das
sekundäre Erkranken der Nase bei Rachendiphtherie ist häufiger, als
das primäre.
So fand Muysken unter 133 typischen Dyphtheriefällen bei
5, wovon 1 letal endigte, eine ausgesprochene sekundäre
Nasendiphtherie, also bei. 3*0 Proz.
49*0 Prozent zeigten eine vorübergehende erhöhte Sekretion der
Nase. Es ist natürlich schwer zu sagen, weil Muysken die Nase nicht
bakteriologisch untersuchte, ob diese erhöhte Sekretion Diphtheriebazillen,
welche vom Rachen aus in die Nase gelangt waren, zuzuschreiben ist,
oder ob sie als eine regionäre Schleimhautreizung aufgefaßt werden muß,
weil Nasen- und Rachenhöhle bei Kindern so nah aneinander liegen.
Baginsky sah bei seinen 525 ausgesprochenen Diphtherie¬
fällen bei 109 = 21 Proz. Nasensymptome (Rhinitis —
Katarrh — erhöhte schleimige — seröse oder eitrige Se¬
kretion). — Bei 56 Fällen aber eine ausgesprochene
sekundär e Nasendiphtherie mit Membranen also bei 10-6 Proz.
Beck sah unter 53 klinisch und bakteriologisch sicher fest¬
gestellten Diphtheriefällen bei 4 sekundäre Nasensymptome
(3 davon starben) . ±8*0 .,
Kossel unter 14 von ihm bakteriologisch untersuchten Diph¬
theriefällen 2 sekundäre Nasensymptome .±14*0 ,,
Roux und Yersin: Unter 14 Fällen, welche sehr genau
klinisch und bakteriologisch beschrieben werden, wird nur
von einem Fall gesagt „les liquides ressortent du nez“; = 7-0 ,,
Jener Fall war eine sehr heftige Rachendiphtherie.
Martin sah unter 200 Fällen, wo keine Serumtherapie ange¬
wendet werden konnte, wo also nichts Spezifisches die Krank¬
heit beeinflußt hatte, sekundäre Nasensymptome bei . . 0-0 ,,
Slawyk und Manicatide unter 28 Diphtheriefällen bei
2 Fällen Nasensymptome. 7-0 ,,
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über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 46
Max Cohn: Unter 1000 Fällen von klinisch und bakterio¬
logisch bestätigter Diphtherie waren bei 167 Fällen Rachen
und Nasen erkrankt. 16-7 Proz.
Wolff: Unter 23 sehr schweren und ausnahmslos letal endi¬
genden Fällen sekundäre Nasensymptome bei. 38-0 „
Diese Beobachtungen gehen ziemlich weit auseinander, aber es ist
aus ihnen, deutlich zu ersehen, daß die sekundären Nasendiphtherien
häufiger sind als die primären. Bei Wolff, welcher die höchste Zahl von
beiden beobachtete, tritt dieser Unterschied auch deutlich hervor.
Man könnte noch behaupten, weil die Nasendiphtherien meistens so
leicht verlaufen, daß die Aufmerksamkeit des Klinikers an erster Stelle
auf die viel schwereren Rachensymptome gelenkt ist, und deswegen die
Nasensymptome übersehen werden. Diese Bemerkung ist mir in der Tat
gemacht worden.
Würde dies wirklich so sein, dann können nur die Pathologanatomen,
welche gerade die schwersten Diphtheriefälle beobachten, die Antwort
hierauf geben. Ist der Krankheitsprozeß zur Nasenhöhle fortgeschritten,
so wird die Sektion es feststellen können:
Wolff, der ganz ausführliche und zuverlässige Untersuchungen
über die „Nebenhöhlen der Nase bei Diphtherie,
Masern und Scharlach“ anstellte, fand unter 23 letal
endigenden schweren Diphtherien, welche von ihm seziert
wurden, bei 12 deutliche Pseudomembranen in der Nasen¬
höhle, also bei. 50-0 Proz.
Er sagt: „Die Diphtherie der Nasenhöhlen hat jedesmal auf die
Nebenhöhlen übergegriffen. Kommt es zu einer pseudomembranösen Nasen-
diphtherie, so wandert der Diphtheriebacillus in die Nebenhöhlen (High¬
morshöhle, Stirnhöhle, Paukenhöhle, Keilbeinhöhle) hinüber. In den Neben¬
höhlen bleiben dann die Diphtheriebazillen zurück. Bei Nasendiphtherie
wird nach der Komplikation mit Sepsis die schlechteste Prognose gestellt/ 1
Mallory, der 251 Diphtheriefälle im „Contagious Department of
the Boston City Hospital“ sezierte, konnte Pseudomembranen nacliweisen,
welche auf folgende Weise lokalisiert waren:
Auf dem Larynx.86 mal
,, den Tonsillen.74 ,,
.. der Trachea.73 ,.
.. der Epiglottis.67 ,.
,, den Bronchi.44 ,,
„ der Nasenschleimhaut.43 ,,
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M. van Riemsdyk:
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Auf dem weichen Gaumen.15 mal
„ dem Ösophagus.12 „
,, der Zunge. 9 „
,, dem Magen. 5 „
,, dem Duodenum. 1 ,,
,, der Vagina. 2 ,,
„ der Vulva. 1 ,,
,j der Konjunktiva. 1 „
Bei 315 Fällen ist also die Rachenhöhle ergriffen und nur bei 43 die
Nasenschleimhaut.
Max Cohn gibt von seinen 1000 Fällen eine Mortalitätsstatistik, und
es ist auffallend, daß mit der Ausbreitung der Rachendiphtherie die Mor¬
talität eine höhere wird:
Lokalisation der Krankheit
338 mal auf Tonsillen (Erwachsener)
Todesfälle
3
151
,, „ Tonsillen und Rachen .
19
167
,, ,, Rachen und Nasen . .
38
172
„ „ Larynx.
12
172
,, ein deszelldierenter Prozeß
64
Er sagt: „In den ausgesprochenen Sepsisfällen stellten die Nasen¬
rachendiphtherien das Hauptkontingent.“
Baginsky konnte bei seinen 525 ausgesprochenen Diphtheriefällen
folgende Lokalisation der Pseudomembranen feststellen:
Todesfälle
Auf Tonsillen 316 mal (Kinder) 6-3 Proz.
„ Tonsillen und Rachen 209 „ ( „ ) 21-5 „
„ Nasen und Rachen 56 ,, ( „ ) 38 0 ,,
Wir sehen also; daß die pathologisch-anatomischen Ergebnisse die
klinischen ergänzen, und daß die Nasendiphtherie, wenn sie auftritt,
meistens als eine Ausbreitung des Rachenprozesses anzusehen ist, welche
sofort die Prognose sehr ungünstig macht.
Die ganz leichten, atypischen Nasendiphtherien.
Ebensogut, wie es sehr milde, atypische Rachendiphtherien gibt, bei
denen die klinischen Symptome so leicht sind, daß man sie fast nicht be¬
merkt, gibt es auch Nasendiphtherien, welche unter dem Bilde einer Coryza
oder leichten Rhinitis verlaufen, dann und wann mit einer gewissen
Hyperämie des Rachens. Der Patient fühlt sich unwohl, sieht anämisch
aus, hat etwas frequenten Puls, ohne jedoch wirklich krank zu sein. In
der Nase werden virulente Diphtheriebazillen gefunden. Eine Eigenart
dieser leichten Nasenentzündung ist es, daß sie so oft chronisch wird,
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 47
Wochen und Wochen bestehen bleibt, um plötzlich von selbst wieder zu
verschwinden.
Man findet diese leichten Nasenentzündungen mit positivem Diphtherie¬
bazillenbefund öfters bei unterernährten Säuglingen, wo sie epide¬
misch auftreten können (Blochmann, Conradi, Ballin, Seligmann,
Silberschmidt u. a.). Ich selber hatte Gelegenheit, einen derartigen
Fall bakteriologisch zu untersuchen. Ein Säugling, welcher Pneumonie,
Pyelitis und Peritonitis hatte, aber einen ganz gesunden Rachen und eine
gesunde Nase, sollte mit der Sonde ernährt werden, weil er alle Nahrung
verweigerte. Nach einigen von diesen Sondenernährungen zeigte die Nase
eine erhöhte Sekretion. Im Exsudat konnte ich Diphtheriebazillen nach-
weisen, welche auch im Rachen zu finden waren; die intrakutane Impfung
beim Meerschweinchen ergab eine schwach positive Reaktion, die Säure¬
produktion in der neutralen Glykose-Pepton-NaCl-Lackmuslösung war
nach 24 Stunden deutlich positiv.
Wahrscheinlich war dieses Kind Diphtheriebazillenträger; das öftere
Eindringen der Sonde durch die Nase hat vielleicht das Epithel geschädigt,
die Schleimhautresistenz dadurch abgenommen, wodurch den Diphtherie¬
bazillen gute Wachstumsbedingungen geboten wurden und sie ihre patho¬
gene Wirkung entfalten konnten. Diphtheriebazillen wurden auch im
Rachen gefunden, diese sehr empfindliche Schleimhaut erkrankte aber nicht.
Daß solche nicht als Diphtherie erkannten leichten Nasenkatarrhe
öfters Veranlassung gegeben haben zu schweren Rachendiphtherien, ist
wohl genügend bekannt. Die Fälle von Seligmann, Cobbett, Burnett,
Park und Beebe, Newsholme u. a. haben ja erwiesen, wie groß die In¬
fektionsgefahr bei diesen leichten diphtherischen Nasenkatarrhen sein kann.
Interessant ist es dabei, daß man fast immer den Zusammenhang zwischen
diesen Katarrhen und einem Diphtheriefall nachweisen kann, und daß
diese Fälle meistens erst zur bakteriologischen Untersuchung gekommen
sind, weil stets neue Rachendiphtherie in der nächsten Umgebung vor¬
kam, und man nicht wußte, woher die Infektion stammte.
Es i st darum dringend geboten, bei jeder Diphtherie¬
bekämpf ung genau auf diese leichten Nasenkatarrhe zu achten.
3. Das Vorkommen der Rhinitis fibrinosa.
Im Gegensatz zur echten Nasendiphtherie bleibt die Rhinitis iibri-
nosa meistens in der Nase lokalisiert, der Rachen ist ganz frei. Braucht
Sle auch nicht allein von dem Diphtheriebacillus verursacht zu sein, so
spielen doch oft die Diphtheriebazillen die ätiologische Rolle. Sie ist eine
rein lokale krupöse Form der Nasendiphtherie und verläuft öfters
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M. van Kiemsdyk:
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chronisch. Nur die bakteriologische Untersuchung kann hier entscheiden,
ob die Krankheit eine diphtherische ist oder nicht.
In der Literatur sind nur einige hundert Fälle bekannt.
Gerber untersuchte bakteriologisch 40 Fälle von Rhinitis
fibrinosa und fand Diphtheriebazillen bei. 72-5 Proz.
Meyer untersuchte 22 Fälle und fand Diphtheriebazillen bei 59-0 ,.
Scheller untersuchte 39 Fälle und fand Diphtheriebazillen bei 56-0 ,,
Ravenei untersuchte 41 Fälle und fand Diphtheriebazillen bei 82-0 ,,
Durchschnittlich sind also 66*0 Prozent der Fälle von Rhinitis fibri¬
nosa diphtherisch; die anderen werden von Staphylo-, Strepto- und
Pneumokokken verursacht.
Uber die Ätiologie dieser Krankheit gehen die Meinungen noch sehr
auseinander. Einige Forscher meinen, daß, wenn typische Diphtherie¬
bazillen sich vorfinden, diese Schleimhautentzündung durch die patho¬
gene Wirkung dieses Bacillus verursacht wird. Andere Untersucher
sjnd der Meinung, daß in dergleichen Fällen die Diphtheriebazillen als zu¬
fällige Schmarotzer anwesend sind (das Kind also Diphtheriebazillen¬
träger ist).
Durch irgendwelchen Umstand sei die Nasenschleimhaut erkrankt, und
die Diphtheriebazillen würden neben den natürlichen Saprophyten gefunden,
ohne daß sie als die alleinige Ursache dieser Entzündung anzusehen seien.
Welcher Meinung man auch zustimmen möge, so ist doch genügend be¬
kannt, daß diese Krankheit wegen ihres mildert Verlaufes zwar klinisch
keine große Bedeutung hat, epidemiologisch aber desto mehr. Diese
Fälle haben öfters schon Veranlassung gegeben zu neuen Fällen von Rhi¬
nitis fibrinosa und typischen schweren Rachendiphtherien (Dowson,
Ravenei, Abbott, Concetti, Neumann). Gerade das Verbleiben
auf der Nasenschleimhaut macht, daß man diese Diphtheriebazillen als
die resistentesten Formen ihrer Art zu betrachten hat. Begreiflich ist es,
daß die Diphtheriebazillen durch ihr großes Anpassungsvermögen an
weniger gute Nährverhältnisse, wozu auch die Nasenschleimhaut zu rechnen
ist, diese Krankheit zu einer chronischen machen, weil sie, wenn sie hier
einmal eingewöhnt sind, nicht so schnell verschwinden werden. Dadurch
eben sind diese chronischen diphtherischen Nasenentzündungen epidemio¬
logisch so sehr zu fürchten.
Wie es zu erklären ist, daß die Nasenentzündungen, bei denen Diph¬
theriebazillen die ätiologische Rolle spielen, so außerordentlich mild und
gutartig verlaufen, ist nicht bekannt. Ob die Nasenschleimhaut das Diph-
therietoxin schlecht zu resorbieren vermag, oder ob der Nasenschleim
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 49
(das Mucin) spezielle noch unbekannte antitoxisch-bakterizide Eigen¬
schaften hat, oder das mehrschichtige Flimmerepithel, das im
Pharynx nicht zu finden ist, eine gewisse Rolle spielt, wissen wir nicht.
Das häufige Erkranken der Nase hier in Holland unter dem Bilde
eines Schnupfens, was auch stark beeinflußt wird durch das sehr wech¬
selnde Klima, erweckt jedenfalls den Eindruck, daß die Nasenschleimhaut
gar nicht immer imstande ist, einer Infektion entgegenzutreten. An dem
ziemlich seltenen Auftreten der diphtherischen Nasenentzündung ist wohl
die Beschaffenheit der Nasenmukosa nicht allein Schuld.
Meines Erachtens hat man hier vier Momente, welche ein eventuelles
Zustandekommen einer Nasendiphtherie sehr beeinflussen können:
1. Die geringe Affinität des Diphtheriebacillus zut Nasenschleimhaut,
weil sie ihm schlechte Lebensbedingungen bietet.
2. Die Intensität der antiinfektiösen-antitoxischen Kraft der Nasen¬
schleimhaut und des Sekrets, welche mehr oder weniger hemmend auf
den Diphtheriebacillus wirken kann (lokale Prädisposition).
3. Die Virulenz und Resistenz der betreffenden Diphtheriebazillen.
4. Die mehr oder weniger große körperliche Prädisposition.
Es wird natürlich von dem Gleichgewicht zwischen diesen Faktoren
abhängen, ob eine eventuelle Naseninfektion durch Diphtheriebazillen
stattfinden kann.
Baginsky gibt davon ein schönes Beispiel. Bei den 525 klinisch sehr
genau beschriebenen Diphtheriefällen hat er zeigen können, daß die Inten¬
sität der Krankheit, die Schwere der Racheninfektion parallel geht
mit dem Auftreten von Nasendiphtherie und letalem Ausgang:
Nasendiphtherie Todesfälle
Unter 138 Fällen von einfacher
lokalisierter Diphtherie
(ziemlich leichtes Krankheits¬
bild, niedriges Fieber usw.) 1 Fall = 0-74 Proz. 0 Fälle = 0*0 Proz.
Unter 361 Fällen von allge¬
mein toxischer Diph¬
therie (hohes Fieber mit
Erkrankung des gesamten
Organismus) .44 Fälle = 12-1 ,, 56 ,, = 15-5 ,,
Unter 29 Fällen von sep¬
tischer Diphtherie (sehr
schweres Krankheitsbild mit
Erkrankung des gesamten
Organismus, Gangrän) . . . 11 ,, = 38 0 ,, 26 „ = 90*0 ,,
Vielleicht daß es sich bei der Rhinitis fibrinosa und den ganz leichten
chronischen diphtherischen Coryzac, bei ganz intakter, gesunder Raehen-
Zeitächr. f. Hygiene LXXXII
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M. van Riemsdyk:
Schleimhaut um eine lokale Herabsetzung der Schleimhautimmunität
in dem Wrightschen Sinne handelt, wie bei Furunkulose, lokalen Ab¬
szessen, Fisteln usw.
Resümierend können wir also sagen:
Das keineswegs regelmäßige Erkranken der Nase bei der
gewöhnlichen Rachendiphtherie, das seltene Vorkommen der
primären akuten Nasendiphtherie und der gutartige milde
Verlauf der diphtherischen lokal-krupösen, oft chronisch ver¬
laufenden Rhinitis fibrinosa, der Coryzae und leichten Rhini¬
tiden liefern uns den Beweis, daß der Diphtheriebacillus kein
gewöhnlicher Gast der Nasenschleimhaut ist und seinp patho¬
genen Eigenschaften bei weitem besser auf der Rachenschleim¬
haut entfalten kann.
Der Klebs-Loefflersche Diphtheriebacillus hat eine viel größere Affi¬
nität zur Rachenschleimhaut als zur Nasenschleimhaut.
Im allgemeinen darf man sagen: Je weiter vom Rachen entfernt,
desto seltener zeigen sich die diphtherischen Entzündungen.
Scheller fand von 887Diphtheriefällen91 • 3 Prozent Rachendiphtherie,
2 Prozent Nasendiphtherie und nur 1 mal diphtherische Konjunktivitis;
Cohn auf 1000 Diphtheriefälle nur 2 mal eine diphtherische Konjunkti¬
vitis, 1 mal Diphtherie des Gchörganges, 1 mal Wunddiphtherie usw.
Baginsky von 525 Diphtheriefällen, wovon 100 Prozent Rachendiph¬
therie, nur bei 3 Fällen eine diphtherische Konjunktivitis.
6. Die Klebs-Loefflerschen Diphtheriebazillen nach der
klinischen Heilung des Diphtheriekranken.
Roux und Yersin haben zuerst 1890 darauf hingewiesen, daß die
Diphtheriebazillen mit der Heilung des diphtherischen Prozesses nicht
sogleich verschwinden, sondern nach dem Verschwinden der Pseudo¬
membran noch 2 Wochen auf der Rachenschleimhaut verbleiben können.
Dies wurde kurz darauf zuerst von Escherich, Loeffler und Abel be¬
stätigt, und später sind noch unendlich viele Untersuchungen dazu ge¬
kommen, welche gleiche Befunde ergaben.
Loeffler gebührt wieder das große Verdienst, daß er diesen Befund
sofort zur Diphtheriebekämpfung herangezogen hat, indem er 1894 auf
dem 8. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie in Buda¬
pest den Antrag stellte, daß Diphtherierekonvaleszenten nicht eher zum
freien Verkehr mit anderen zurückkehren dürfen, bevor es bakteriologisch
festgestellt worden ist. daß die Diphtheriebazillen völlig verschwunden sind.
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 51
Daß die Diphtherie eine ziemlich leicht zu bekämpfende Krankheit
ist, muß wohl an erster Stelle dem Umstande zugeschrieben werden, daß,
wie ich schon im Kapitel 3 ausgeführt habe, der Diphtheriebacillus viel mehr
zu den obligaten Parasiten gehört denn zu den fakultativen, daß er
wegen seiner hohen Ansprüche an Nahrung usw. ziemlich schwer ein sapro-
phytisches Leben führen kann.
Folgende Statistiken dürften das noch weiter beweisen:
Kolle untersuchte 750 Diphtheriefälle so lange, bis keine Diphtherie¬
bazillen mehr gefunden wurden. Es verschwanden die Bac. diphtheriae:
Bei 325 Fällen nach 3 Tagen
201 „
„ 5-7
84 ,.
12
69 „
„ 15
57 „
„ 21
11 „
„ 28
5 „
,, 35
1 Fall
„ 50
Scheller fand bei 339 Diphtheriefällen, daß die Diphtheriebazillen
nachweisbar waren:
Unter 10 Tagen bei 75 Personen
„ 11 „ „ 264
„ 21 „ ,. 119
„ 31 „ „ 62
51 „ „ 26
61 „ „ 18
90 „ ,., 8
99
91
99
von Drigalsky, welcher über die Diphtherie in Halle Erfahrung
fand unter 2800 Fällen nur bei 6 Diphtheriebazillen noch nach 4 Wochen
im Rachen. ’
Tjaden fand, daß unter 1338 Diphtheriefällen in Bremen
33 Prozent nach 2 Wochen
25 ,, ,, 3
10 „ „ 5
^ e >ne Bac. diphtheriae mehr hatten.
Otto sah die Diphtheriebazillen verschwinden
bei 45 Prozent nach
,, 55 ,, ,,
9 9
98
4 Tagen
10 „
20 „
30 .,
4*
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52
M. van Riemsdyk:
Bilsing fand unter 2063 Fällen, welche er untersuchte, bis keine
Diphtheriebazillen mehr gefunden wurden,
55 Prozent nach 2 Wochen
70 „ „ 3 „
frei von Bac. diphtheriae.
Ich selber sah auch meistens die Diphtheriebazillen nach
2 oder 3 Wochen verschwinden.
Die Zahlen von diesen verschiedenen Statistiken stimmen also ziem¬
lich gut überein. — Durchschnittlich verschwinden die Diph¬
theriebazillen nach 2 bis 3 Wochen nach dem Ausbruch der
Krankheit.
Aus diesen Zahlen tritt also deutlich hervor, was Beck schon 1890
am infizierten Tiere hat beweisen können, daß der Diphtheriebacillus auf
der ganz intakten Schleimhaut kaum imstande ist zu leben.
2 / s der Diphtheriekranken verlieren die Diphtheriebazillen, wenn
die Pseudomembranen verschwinden, die Schleimhaut in Heilung über¬
geht, das Epithel sich regeneriert, und die Flora wieder zu normalen Ver¬
hältnissen zurückkehrt. Das übrige x /s der Diphtheriekranken braucht
längere Zeit, um sich selbst zu desinfizieren, 6 Wochen, 2 Monate, und
dann sind noch äußerst hartnäckige Fälle bekannt, wo sich die Diphtherie¬
bazillen mehrere Monate bis ein Jahr mit voller Virulenz hielten, trotz
Mundspülungen und Insufflationen mit allen möglichen Antiseptica (Selig¬
mann, Prip, Schäfer u. a.). Daß bei solchen Fällen mehrere Faktoren
Zusammenarbeiten müssen, um dies zu ermöglichen (individuelle Prä¬
disposition, lokale Prädisposition, erhöhte Resistenz der Diphtheriebazillen)
ist wohl wahrscheinlich (siehe noch Seite 54).
Obwohl die Diphtheriebazillen hier auch am häufigsten auf der
Rachenschleimhaut Zurückbleiben, kann es uns doch nicht wundern,
daß solche resistentere Bazillenformen auch auf der für die Diphtherie¬
bazillen weniger günstigen Nasenschleimhaut verbleiben, und wenn sie
einmal durch ihr Anpassungsvermögen an sie gewöhnt sind, auch da lange
verbleiben können.
Wahrscheinlich ist, wie Wolff und Mallory am Sektionstisch haben
feststellen können, daß die Diphtheriebazillen, welche in der Nasenhöhle
Zurückbleiben, aus den Nasennebenhöhlen (Antrum Highmori usw.)
stammen, welche bei Diphtherie ja öfters mit erkranken. Die Diphtherie¬
bazillen bleiben in diesen tiefen Höhlen zurück und kommen dann und
wann schubweise wieder in der Nasenhöhle zum Vorschein, wie bei der
Meningitis cerebrospinalis (Weich sei bäum). Man wird dies also am
meisten zu erwarten haben bei den geheilten Fällen von allgemeintoxischer
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. ü3
und septischer Diphtherie, wo sich eben die Nasenerkrankung (Neben¬
höhlenerkrankung) am häufigsten zeigt.
Die Untersuchungen Bonhoffs sind in diesem Verbände sehr inter¬
essant. Während er nur bei 0-95 Prozent allein Diphtheriebazillen im
Blute hat nachweisen können, hat er sie bei 53 Prozent in der Zerebro¬
spinalflüssigkeit, wenn auch sehr spärlich, auffinden können. Es ist denn
auch sehr wahrscheinlich, daß die Diphtheriebazillen via der Nase (La¬
mina cribrosa) in die Spinalflüssigkeit hineingelangten, weil bei diesen
schweren Fällen eine sehr hohe Zahl von schwerer Nasendiphtherie be¬
stand, nämlich 66 Prozent.
Ich selbst sah bei drei geheilten Rachendiphtherien die Diphtherie¬
bazillen nur in der Nase Zurückbleiben, und die Fälle WolffsundPughs,
Dowson u. a. liefern wohl den größten Beweis, wie notwendig es eben
ist, bei jeder Untersuchung eines Diphtherierekonvaleszenten die Nasen¬
untersuchung nicht zu unterlassen. Viele gibt es noch, welche die
Nasenuntersuchung von Rekonvaleszenten und gesunden Bazillenträgern
vernachlässigen; die Diphtherie sei eine typische Rachenkrankheit, und
die Nase habe damit nichts zu schaffen. Es ist auffallend, wie wenig man
in der Literatur Angaben von Nasenuntersuchungen auf Diphtherie¬
bazillen findet. Meine Erfahrung geht dahin, daß die Nasenuntersuchung
von ebenso großer Wichtigkeit ist, wie diejenige der Rachenschleim¬
haut. Aus den neulichen Untersuchungen Schürmanns geht das wohl
am deutlichsten hervor (Seite 60 und Kapitel 11).
Selbstverständlich ist, daß bei der Rhinitis fibrinosa und all den
anderen diphtherischen Nasenentzündungen die Diphtheriebazillen nach
der klinischen Heilung besonders auf der Nasenschleimhaut Zurück¬
bleiben werden.
7. Die Klebs-Loefflcrschen Bazillen bei denjenigen, welche
mit Diphtherie in Berührung gekommen sind (die gesunden Bazillen¬
träger, Diphtheriekontakte).
Der Befund Loefflers, kurz nach der Entdeckung des Diphtherie¬
bacillus, wo er bei einem ganz Gesunden virulente Diphtheriebazillen auf
der Rachenschleimhaut antraf, was ihn selbst zu Zweifeln an der ätio¬
logischen Bedeutung des Diphtheriebacillus gebracht hat, wurde durch
den Befund von Roux, Escherieh u. a. bei Diphtherierekonvaleszenten
bestätigt, wo es sich eben zeigte, daß Diphtheriebazillen sich auch auf den
Schleimhäuten ganz Gesunder aufhalten können.
Über die Frequenz dieser,.Bazillenträger“ hat Loeffler zuerst Zahlen
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54
M. van Riemsdyk:
geben können. Während einer Schulepidemie in Greifswald 1894 wurden von
ihm und Abel 160 gesunde Kinder bakteriologisch untersucht, von denen
sich 4 als Diphtheriebazillenträger zeigten. Im Jahre 1897 hat Fibiger
auf glänzende Weise gezeigt, daß er eine bis dahin stets wiederkehrende
Diphtherieepidemie in einem Gymnasium in Herlufsholm mit vollem Er¬
folge hat bekämpfen können durch Aufspüren und Isolieren der gesunden
Diphtheriebazillenträger. Seitdem ist überall die große epidemiolo¬
gische Bedeutung dieser gesunden Bazillenträger zutage getreten, und
jene Bekämpfungsmethode mit den besten Resultaten befolgt worden.
Jetzt gibt es wohl kaum jemand mehr, der nicht davon überzeugt ist r
daß die Desinfektion von Räumen, in denen die Diphtheriekranken
während der Inkubationszeit und Krankheit sich aufhielten, von Gegen¬
ständen usw. nutzlos ist, wenn nicht vor allem die Keimträger, die
lebendigen Infektionsquellen, isoliert werden. Was im vorigen Kapitel
über das Verschwinden der Diphtheriebazillen bei Rekon¬
valeszenten gesagt wurde, gilt auch für den gesunden Bazillen¬
träger.
Die Statistik Ottos, der zugleich mit den Rekonvaleszenten die ge¬
sunden Diphtheriekontakte untersuchte, gibt ein schönes Beispiel dafür,
daß die Verhältnisse bei beiden demselben Gesetze unterworfen sind.
Unter 68 Diphtheriebazillenträgern waren frei von Diphtheriebazillen:
37 Prozent nach 2 Tagen
53 ,, ,, 4 ,,
84 „ „ 20 „
Daß bei sogenannten „Dauerausscheidern“, auch bei den ganz gesunden
Diphtheriekontakte Vorkommen können, ist aus der Literatur genügend
bekannt (Lehrer in Schulen, Pflegerinnen in Spitälern usw.). Solche ganz
gesunden Keimträger sind natürlich am gefährlichsten da, wo sie mit vielen
anderen, besonders Kindern Zusammenleben (Schulen, Anstalten, Kranken¬
häuser usw.). Man sieht dann oft die Epidemien erst aufhören, wenn solche
hartnäckigen Keimträger isoliert werden.
Wie eben die Beschaffenheit der Schleimhaut einen großen Einfluß
auf das Haftenbleiben der Diphtheriebazillen bei den gesunden Diphtherie¬
kontakten ausübt, möge die interessante Statistik der Diphtheriestation in
Breslau zeigen: Unter 139 Personen mit anormaler Rachenschleimhaut,
welche mit Diphtherie in Berührung gekommen waren, wurden bei 70 Pro¬
zent Diphtheriebazillen gefunden; unter denjenigen mit ganz gesunden
Schleimhäuten nur bei 8 bis 10 Prozent.
Goadby untersuchte 100 gesunde Schulkinder; bei 42 Kindern mit
anormaler Pharynxschleimhaut wurden 14 mal Diphtheriebazillen ge-
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 55
funden = 34 Prozent; bei den übrigen 58 Kindern mit gesunden Schleim¬
häuten nur 4 mal = 7 Prozent.
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die große Kategorie der ge¬
sunden Diphtheriebazillenträger lenken, so ist es auffallend, wie groß der
Parallelismus ist zwischen den Keimträgern und den Diphtheriekranken,
mit anderen Worten, je inniger der Kontakt mit dem Diphtherie¬
kranken, desto häufiger werden die Diphtheriebazillen auf
gesunde Schleimhäute verpflanzt.
Ich habe versucht, darüber einige Klarheit zu erlangen. Aus den
ungeheueren Mengen von Untersuchungen werde ich hier nur die „zu¬
verlässigsten“ verwerten* bei denen nicht allein der morphologische Be¬
fund, sondern auch entweder Säureproduktion aus Glykose oder Virulenz¬
prüfung die Diagnose Diphtheriebacillus bestätigt haben.
Um den strengen Parallelismus zwischen Diphtheriekranken und
Bazillenträgern nachzuweisen, möchte ich die Diphtheriebazillenträger in
5 verschiedene Kategorien einteilen, je nach der Innigkeit des Kontaktes
mit Diphtherie.
a. Kategorie I umfaßt die nächsten Verwandten des Diphtheriekranken,
also Eltern und Geschwister.
Cobbett untersuchte alle Mitglieder einer Familie (9 Per¬
sonen) und fand Bac. diphtheriae bei ..100*0 Proz.
Park untersuchte alle Mitglieder einer Familie (4 Personen)
und fand Bac. diphtheriae bei .. . 100*0 .,
Scheller in 3 Familien mit 16 Personen Bac. diphtheriae bei 87*5 ,,
Park und Beebe in 14 infizierten Familien mit 48 Personen
Bac. diphtheriae bei. 50*0 ,,
Williams in einer infizierten Familie mit 5 Personen Bac.
diphtheriae bei . 60*0 ,,
Spirig in 2 Familien mit 9 Personen Bac. diphtheriae bei 66*6 ,,
Durchschnittliche Prozentzahl. 66-0 „
In anderen Familien, wo die Isolierung des Kranken gründlich vor¬
genommen wurde, Bac. diphtheriae nur bei 10 Prozent der Hausgenossen.
b. Kategorie n umfaßt diejenigen, welche in Krankenhäusern oder An«
stalten Diphtheriekranke behandeln und pflegen, also Ärzte, Kranken¬
schwestern und Stadenten.
Richmond und Salter untersuchten den Rachenschleim
von 29 Ärzten, Pflegerinnen und Studenten und fanden Bac.
diphtheriae bei . 48*0 Proz.
Seligmann unter 27 Pflegerinnen Bac. diphtheriae bei . . 40*0 ,,
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56
M. van Riemsdyk:
Lippmann unter 250 vom Personal eines Krankenhauses
Bac. diphtheriae bei. 50-0 Proz.
Pugh unter 56 Krankenschwestern Bac. diphtheriae bei 12*5
Ritter unter 18 Personen, welche Diphtheriekranke pflegten,
Bac. diphtheriae bei. 11-0
Fibiger unter 53 Personen des Krankenhauspersonales Bac.
diphtheriae bei . 6-0
Durchschnittliche Prozentzahl. 37*0
o. Kategorie m umfaßt Bewohner von Kasernen und Pensionaten, also
Militär und Schüler.
Peck unter 100 Schülern eines Pensionates Bac. diph¬
theriae bei . 31-0 Proz.
Gabrischewsky unter 66 gesunden Kindern eines Pensio¬
nates Bac. diphtheriae bei . 31*5
Arkwright unter 537 Knaben einer Militärschule (Duke of
York school) Bac. diphtheriae bei. 21-0
Aaser unter 89 Militärs aus der Kaserne zu Kristiania Bac.
diphtheriae bei . 19-0 .,
Thure Hellström unter 706 Gesunden aus der Kaserne zu
Stockholm Bac. diphtheriae bei. 19-0
Otto in einer Kaserne Bac. diphtheriae bei. 34-0 ,,
Roussel und Malard unter 78 Gesunden aus der Kaserne
des 2. Reg. d’artillerie coloniale Bac. diphtheriae bei. . . 32-0
Durchschnittliche Prozentzahl. 23*0 ,.
d. Kategorie IV umfaßt Personen, welche in Krankenhäusern oder Spitälern
mit Diphtheriekranken zusammen gepflegt wurden, selbst aber gesunde Rachen
und Nasen hatten.
In dem Bethany House (Minnesota Board of Health 1900),
wo 3 Diphtheriefälle vorgekommen waren, wurden unter
den 69 Bewohnern Bac. diphtheriae gefunden bei ... . 28-0 Proz.
Müller untersuchte systematisch 100 Kinder in einem
Krankensaal der Heubnersehen Klinik. Bei der ersten
Untersuchung fand er bei 4 Kindern Bac. diphtheriae.
Später kamen 6 neu aufgenommene Kinder hinzu; 14 Kinder
bekamen jetzt während ihres Aufenthaltes auf dem Saal
Bac. diphtheriae im Rachen, also im ganzen Bac. diph¬
theriae bei. 14-0
Müller sah, daß die Infektion von Kind zu Kind weiterging.
Hieraus ist auch wieder zu ersehen, wie unbemerkt die
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 57
Diphtherie durch nicht an dieser Krankheit leidende Kinder
in ein Krankenhaus eingeführt werden kann.
Graham Smith fand unter 48 Patienten und Pflegerinnen
eines Krankensaales Bac. diphtheriae bei. 12-0 Proz.
Büsing fand unter 42 Patienten eines Krankensaales Bac.
diphtheriae bei .
Johannessen fand bei einer Untersuchung von 38 Patienten
Park und Beebe untersuchten 55 Kinder in dem New York
Foundling Hospital und fanden Bac. diphtheriae bei . .
Seligmann in einer Idiotenanstalt, wo immer Diphtherie
auftrat, unter 126 Versuchen Bac. Diphtheriae bei. . . .
therie infizierten Schulen besuchen.
Crowley und Erich untersuchten die Rachenschleimhaut
von 93 Lehrern und Kindern einer Klasse, wo nicht weniger
als 80 Diphtheriefälle vorgekommen waren, und fanden
Bac. diphtheriae bei.
Denny bei 190 Knaben einer Zuchtschule, wo 10 Diphtherie¬
fälle vorgekommen waren, Bac. diphtheriae bei.
Graham Smith bei einer Schulepidemie in Colchester unter
519 untersuchten gesunden Kindern Bac. diphtheriae bei
Tornas bei 29 Schulepidemien Bac. diphtheriae bei ... .
Ustvedt untersuchte 3 Schulen mit 4211 Kindern und fand
Abel unter 160 Schulkindern Bac. diph¬
aus 4 Klassen Bac. diph-
Loeffler und
theriae bei.
Leegaard unter 341 Knaben
theriae bei .
Geirsvold unter 967 Schülern Bac. diphtheriae bei . . .
Lomry untersuchte 32 Schulen in 2146 Einzeluntersuchungen
im belgischen Luxemburg und fand Bac. diphtheriae bei
Durchschnittliche Prozentzahl.
12-0
9 5
18-2
59
10*0
55
10-0
55
140
99
e mit Diph-
45-0 Proz.
9-0
95
10-4
55
7-5
59
4-5
95
2-5
55
2-0
5 9
9-0
99
6-6
99
70
59
Wenn wir die Zahlen dieser letzten Kategorie prüfen, so sehen wir,
daß Crowley und Erich eine sehr hohe Prozentzahl fanden, nämlich
45*0 Prozent, aber es waren auch nicht weniger als 80 Diphtheriefälle
vorgekommen. Bei den anderen Untersuchern, wo die Prozentzahl zwischen
2*5 und 10 Prozent schwankt, ist die Zahl der vorgekommenen Diphtherie-
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58
M. van Riemsdyk:
fälle auch bedeutend niedriger. Es besteht denn auch ein direkter Zu¬
sammenhang zwischen der Anzahl Diphtheriekranker und der Anzahl
Bazillenträger.
Folgende Beispiele dürften diesen strengen Parallelismus noch viel
deutlicher beleuchten.
Seligmann untersuchte bakteriologisch eine Anzahl Säuglinge, welche
in verschiedenen Säuglingsstationen eines Kinderkrankenhauses gepflegt
wurden, und fand folgende Zahlen:
Säuglingshaus II 1 Diphtheriefall und 1 Diphtheriebazillenträger
„ 12 Diphtheriefälle ,, 4 ,,
IV 4 „ „6
III 4 „ „ 10
„ V 8 „ „ 18
Frank in einer Mädchenschule:
Januar 11 Bazillenträger 11 neue Diphtheriefälle
Februar 13 ,, 8 ,, ,,
März 3 „ 0 ,, ,,
April 8 1 „ „
Wenn wir die Untersuchung von Crowley und Erich also nicht mit¬
rechnen, weil sie nicht das natürliche Schulverhältnis darstellt, so ist die
Durchschnittsprozentzahl für die normalen Schulkinder 7*0 Prozent.
Vergleichen wir jetzt alle Durchschnittsprozentzahlen miteinander,
so fällt die starke konstante Abnahme sofort auf, welche in unmittel¬
barem Zusammenhang steht mit der Innigkeit des Kontaktes
mit den Diphtheriekranken:
66*0 Proz. gesunde Diphtheriebazillenträger unter denjenigen, welche in un¬
mittelbarer Nähe des Diphtheriekranken sich aufhalten (Eltern
und Geschwister).
37-0 „ gesunde Diphtheriebazillenträger unter denjenigen, welche Diph¬
theriekranke behandeln und pflegen (Ärzte, Pflegerinnen, Stu¬
denten).
23-0 ,, gesunde Diphtheriebazillenträger unter denjenigen, welche Ka¬
sernen und Pensionate bewohnen.
14-0 ,, gesunde Diphtheriebazillenträger unter denjenigen, welche in
Krankenhäusern und Anstalten zugleich mit Diphtheriekranken
gepflegt werden.
7*0 ,, gesunde Diphtheriebazillenträger unter Schulkindern, welche die
mit Diphtherie infizierte Schule besuchen (siehe Fig. 1).
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Uber die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 59
Die Prozentzahl ist also am niedrigsten bei den Schulkindern, und
das läßt sich auch gut verstehen. Durch die permanente Aufsicht der Lehrer
ist der Kontakt zwischen den Schülern nicht innig genug, daß die Diph¬
theriebazillen leicht weiter verbreitet werden können. Es ist denn auch
sehr wahrscheinlich, wie Stokvis, Ustvedt, von Drigalsky, Angus
Mc Donald u. a. meinen, daß die Diphtherie vielmehr als eine „Haus¬
infektion“ denn als eine Schulinfektion zu betrachten ist. Doch kann
die Schule eine große Infektionsquelle bieten, wenn die
Diphtheriefälle und Bazillenträger nicht sofort erkannt und
isoliert werden.
Interessant ist die Prozentzahl der Kasernenbewohner und Pensionate,
wenn wir sie denjenigen der Schule gegenüberstellen. Nur das Zusammen¬
schlafen und die gemeinschaftlichen Mahlzeiten (verringerter Kontakt)
machen, daß hier die Zahl der Bazillenträger sofort in die Höhe getrieben
wird. Das Beispiel Tjadens ist in diesem Verbände zu schlagend, um es
hier nicht zu erwähnen. Tjaden wollte in FamilieD, in denen Diphtherie
vorgekommen war, feststellen, welche Personen die höchste Prozentzahl
an Diphtheriebazillenträgern aufwiesen, und fand:
bei den Müttern.15*5 Proz. Bazillenträger
„ Vätern. 7-7 „
,, ,, Geschwistern. 10*0 ,,
„ „ übrig. Hausgenossen (Dienerschaft usw.) 2-8 „ ,,
Auch hier ist sofort zu ersehen, daß diejenigen, welche in unmittel¬
barer Nähe der Kranken verweilen, die höchsten Zahlen geben.
Der strenge Parallelismus zwischen Anzahl von Diphtheriebazillen¬
trägern und Diphtheriekranken macht die folgende Schlußfolgerung be¬
rechtigt :
Je inniger der Kontakt mit dem Diphtheriekranken, desto mehr Diph-
theriebazülenträger.
Soweit ich weiß, sind die Untersuchungen dieses Kapitels alle an
der Bachenschleimhaut vorgenommen; die Nasenuntersuchung ist auch
hier wieder nicht in Betracht gekommen.
Pugh gibt uns jedoch ein Beispiel von einem Kinde, das Diphtherie¬
bazillen nur in der Nase hatte, selbst völlig gesund war, dessen 2 Schwestern
aber an Bachendiphtherie litten.
Van Riemsdyk sah bei einem gesunden Lehrer virulente Diphtherie¬
bazillen nur in der Nase; in seiner Schule waren Diphtheriefälle vorge¬
kommen.
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60
M. van Riemsdyk:
Trump fand bei einer Hausinfektion Diphtheriebazillen mehr in der
Nase als im Rachen.
Graham Smith gibt in seiner Monographie eine Statistik von Fällen,
wo bei gleichzeitiger Untersuchung der Nasen- und Rachenhöhle allein
die Nase mit Diphtheriebazillen infiziert gefunden wurde. Nach diesen
Angaben hatten 6/3 Prozent der gesamten Diphtheriekontakte und 1*9 Pro¬
zent der Schulkinder nur infizierte Nasen.
Schürmann gibt folgende Zahlen von 8885 Diphtherieuntersuchungen
aus dem Untersuchungsamte für ansteckende Krankheiten in Halle:
Unter 1068 Nasensekretproben wurden bei 17 Prozent virulente
Diphtheriebazillen gefunden.
Unter 7770 Rachensekretproben wurden bei 21 Prozent virulente
Diphtheriebazillen gefunden.
Obwohl auch hier wieder deutlich die Prädilektion der Diphtherie¬
bazillen für den Pharynx zutage tritt, wird man doch nie die Nasen¬
untersuchung unterlassen dürfen, weil es eben bei Diphtherie¬
kontakten darauf ankommt, Bazillenträger aufzusuchen, und
man im voraus nicht wissen kann, ob man es nicht mit einem Nasen¬
dauerausscheider zu tun hat.
8. Das Vorkommen von Klebs-Loefflerschen Bazillen bei Ge¬
sunden, welche nicht mit Diphtherie in Berührung gekommen sind.
Die Zahlen, welche hierüber publiziert sind, gehen weit auseinander,
und das ist wohl dem Umstande zuzuschreiben, daß die Nachfrage, ob die
betreffenden Personen wirklich nicht mit Diphtherie in Berührung ge¬
kommen sind, nicht mit genügender Zuverlässigkeit geschehen ist.
Ich will hier also nur solche Untersuchungen erwähnen, von denen
man in jeder Hinsicht sagen kann, daß sie gewissenhaft vor¬
genommen sind.
Kober, der sich selbst über die außerordentlich hohen Zahlen
der anderen Untersucher wunderte, untersuchte 600 nor¬
male Schulkinder aus Breslau, bei denen ein Diphtherie¬
kontakt nicht nachgewiesen werden konnte, und fand Bac.
diphtheriae bei. 0-83 Proz.
Graham Smith untersuchte 362 Personen und fand Bac.
diphtheriae bei. 0-27 ,.
Park und Beebe in New York untersuchten 830 Personen
und fanden Bac. diphtheriae bei . 0-6 ,,
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Uber die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 61
Der Massachusetts Board of Health untersuchte in
Providence 927 Nichtkontakte und fand Bac. diph-
theriae bei.
Scheller gelegentlich einer Massenuntersuchung Bac. diph-
theriae bei.
Joh. Fibiger unter 82 Nicht kontakten Bac. diphtheriae bei
Cobbett unter 43 nicht kontakten Schulkindern Bac. diph¬
theriae bei./.
Lomry „en dehors de tout cas de Diphtherie depuis plusieurs
annees“ (La Diphtherie dans le Luxembourg beige) Bac.
diphtheriae bei.
0-3 Proz.
0-0 „
0-0
0-0 „
0-0 „
Für Dörfer, wo jeder Kontakt mit Diphtherie ausge¬
schlossen werden konnte, weil in den letzten 8 bis 10 Jahren
kein einziger Fall von Diphtherie oder verdächtiger Angina
vorgekommen war, fand ich folgende Zahlen:
Stokvis und van Kiemsdyk unter 50 Kindern aus der Veluwe
und Limburg (Holland) Bac. diphtheriae bei . 0-0 Proz.
Steenmeyer in Schelluinen (Holland) Bac. diphtheriae bei 0-0 ,,
Ustvedt in Norwegen, Bac. diphtheriae bei. 0-0 ,,
Cobbett unter 90 Knaben einer Zuchtschule, in der seit
mehreren Jahren kein einziger Diphtheriefall vorgekommen
war, Bac. diphthteriae bei. 0-0 „
Roux und Yersin in einem Seedorf Caen, wo in den letzten
Zeiten kein einziger Diphtheriefall vorgekommen war,
Bae. diphtheriea bei. 0-0 ,,
In den Großstädten sehen wir also doch noch einige Fälle mit posi¬
tivem Diphtheriebazillenbefund; dies kann uns aber gar nicht wundern;
denn in einer Großstadt, wo es immer Diphtherie gibt, ist es außerordent-
ieh schwer zu wissen, ob jemand mit Diphtheriebazillen in Berührung
gekommen ist oder nicht. Wir denken dabei sofort an die ganz leichten
diphtherischen Anginae, welche entweder ganz übersehen oder doch nicht
als diphtherisch angesehen werden, und an die gesunden Bazillenträger,
mit denen man vielleicht öfters in Berührung kommt, ohne es zu wissen.
In Dörfern, wo in den letzten Jahren kein einziger Diphtheriefall oder
verdächtige Angina vorgekommen ist, und wo selbstverständlich, infolge
des geringen Außenverkehrs der Bewohner, gar nicht einmal zu reden von
den Kindern, jeder Kontakt mit Diphtherie mit größter Sicher¬
heit auszuschließen ist, sehen wir keinen einzigen Diphtherie¬
bazillenträger. Statt also den Parallelisnius zwischen Bac. diphtheriae
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gekommen sind.
62
M. van Riemsdyk:
cd o
OOOOOOOOO OO
und Diphtherie zu schwächen, ist dieser Befund nur ein neuer Beweis für
meine Behauptung.
Die Kurve sinkt also immer mehr herab, von 66’0 bis
0-0 Prozent, je nachdem der Kontakt mit Diphtherie weniger
innig wird (Fig. 1). Es ist darin ein so großer und strenger Parallelis¬
mus zu erblicken, daß die Behauptung von v. Behring, daß die Diphtherie¬
bazillen ubiquitär seien und ebenso wie die Pneumokokken überall ge¬
funden werden könnten, auch da, wo sich die betreffende Krankheit gar
nicht zeigt, absolut keinen Grund hat und durch diese Tatsachen wider¬
legt wird.
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über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtiieriebazillen. 63
Werden Diphtheriebazillen bei Gesunden gefunden, so wird man,
wenn man nur gut nachforscht, immer imstande sein, den Kontakt mit
Diphtherie nachzuweisen.
Es besteht ein strenger Parallelismus zwischen Diphtheriekranken und
gesunden Bazillenträgern.
Keine Diphtheriebazillen ohne Diphtherie.
9. Zur Lokalisation des klassischen Bac. Hofmanni im
menschlichen Körper.
Der tvpftche Pseudodiphtheriebacillus, wie Hofmann ihn zuerst im
Jahre 1887 ausführlich beschrieben hat, ist überall in der Literatur als
ein Bewohner der Nasenrachenhöhle bekannt.
Von Anfang an, seit ich mich mit der bakteriologischen Untersuchung
von Bachen- und Nasenhöhle, besonders von Kindern, beschäftigt habe,
ist mir folgende Eigentümlichkeit stets aufgefallen: die Anhäufung des
Bac. Hofmanni auf der Nasenschleimhaut. Dies war so auffallend und
zeigte sich so konstant, daß es nicht reiner Zufall sein konnte.
Wurde der Bac. Hofmanni zugleich auch im Rachenschleim gefunden,
dann war die Anzahl erstens sehr viel geringer, und zweitens waren die
Bazillen mit anderen Bakterien so verunreinigt, daß von einer Reinzüchtung
kaum die Rede sein konnte.
Ich für meine Person habe den Eindruck bekommen, daß der Bac.
Hofmanni ohne Zweifel eine sehr viel größere Affinität zur Nasen¬
schleimhaut zeigt — und als ein echter Nasenhöhlenbewohner
aufgefaßt werden muß.
Selten findet man in der Literatur Angaben, daß Rachen- und Nasen¬
höhle von eventuellen Keimträgern zugleich untersucht wurden. Der
Gedanke, daß die Diphtherie eine primäre Rachenkrankheit ist, steht bei
den Forschern so im Vordergrund, daß die Nasenuntersuchung meistens
nicht in Betracht gezogen wird. Um aber eine größere Affinität eines be¬
stimmten Mikroorganismus gegenüber Rachen- oder Nasenhöhle feststellen
zu können, ist eine gleichzeitige Untersuchung dieser beiden Schleim¬
häute bei demselben Individuum geboten, wie ich selbst sie auch immer
vorgenommen habe. Glücklicherweise habe ich noch einige Forscher
auffinden können, welche diese gleichzeitige Untersuchung auch vorge¬
nommen haben, und zu meiner Freude stimmen die Zahlen mit den meinigen
überraschend überein.
Bei den Diphtheriekontakten fand:
van Riemsdyk bei einer Schuluntersuchung Bac. Hofmanni
im Rachen allein bei. 3 0 Proz.
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Original frurn
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64
M. van Riemsdyk:
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Bac. Hofmanni in der Nase allein bei.
in Nasen und Rachen bei .
Stadler unter 464 untersuchten Kindern bei 49 Bac. Hof¬
manni im Rachen allein .
bei 186 Bac. Hofmanni in der Nase allein.
Das Massachusetts Committee (1902) in Minnesota fand
unter 1154 untersuchten Kindern Bac. Hofmanni im Rachen
allein bei.
in der Nase allein bei.
De Simoni ohne genaue Zahlen anzugeben, sagt: „Die
Pseudodiphtheriebazillen sind als gewöhnliche Kommensalen
der Nasenschleimhaut aufzufassen.“
Le sie u r fand Bac. Hofmanni im Rachen al 1 e i n bei.
in der Nase allein bei .
Pugh fand unter 414 untersuchten scarlatinakranken Kindern
Bac. Hofmanni im Rachen allein bei.
in der Nase allein bei.
Richardiöre und Tollemer von 16 Untersuchten (Kranken¬
hauspersonal) im Rachen allein bei.
in der Nase allein bei..
Bei Nichtdiphtheriekontakten ist es dasselbe.
Untersuchungen des Massachusetts Committee (1902) in
Ontario unter 50 Erwachsenen Bac. Hofmanni im Rachen
allein bei..
in der Nase allein bei.
Boston unter 892 Erwachsenen Bac. Hofmanni im Rachen
allein bei.
in der Nase allein bei.
Providence unter 927 Erwachsenen und Kindern Bac. Hof¬
manni im Rachen allein bei.
in der Nase allein bei.
44-0 Proz.
8-0
n
10*5
40-0
91
1 J
14*5
33-0
43-0
16-0
56-5
18-6
62-0
6-0
14-0
5-0
37-0
15-0
Um gegenüber dem Diphtheriebacillus die größere Affinität des Hof-
mannschen Bacillus zur Nasenschleimhaut zu zeigen, mögen die Unter¬
suchungen von Lambert Lack in diesem Zusammenhänge genannt werden:
Bei 13 Prozent Diphtheriebazillen in der Nase,
,, 52 „ Hofmannsche Bazillen in der Nase.
Merkwürdig ist es, daß die höchsten Zahlen (die von Pugh und
Richardifcre und Tollemer) aus Krankenhäusern stammen; die Ver¬
hältnisse sind da natürlich andere, die Infektionsmöglichkeit größer; durch
Gck igle
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Uber die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 65
die permanente Rückenlage ist die Aspiration von Mikroorganismen von der
Nase aus zum Rachen auch eine viel größere. Der Unterschied zwischen
Rachen und Nasen ist aber auch hier verhältnismäßig derselbe.
Als Durchschnittszahlen bekommt man also hier für Erwachsene und
Kinder:
Bac. Hofmanni allein in der Nase bei ±38 Prozent
„ „ allein im Rachen bei ±9 „
Aus diesen Zahlen geht also deutlich hervor, daß der Bac. Hof¬
manni im Gegensatz zum Bac. diphtheriae eine ausge¬
sprochene Vorliebe für die Nasenschleimhaut besitzt.
10. Der klassische Bacillus Hofmanni im kranken Bachen und
in der kranken Nase, mit besonderer Berücksichtigung der
diphtherischen Anginae und Rhinitiden.
Was vom bakteriologisch-diagnostischen Standpunkte aus hier am
meisten interessiert, ist die Frage: „Wie steht es mit dem Bac. Hofmanni
bei der Angina diphtherica im akuten Stadium der Krankheit?“ Meine
eigene Erfahrung darüber geht dahin, daß ich beide Organismen nie zu¬
sammen antraf, aber mein Material ist nicht gerade groß; später, wenn
die Genesung eingetreten war, und der Patient zum zweiten Male bak¬
teriologisch untersucht wurde, fand ich fast immer den Bac. Hofmanni,
und besonders in großer Anzahl in der Nase.
Wenn man in der Literatur die bakteriologische Untersuchung von
Diphtheriekranken im akuten Stadium studiert, so wird man nie finden,
daß die Hofmannschen Bazillen dabei auch nur irgendwelche Schwierig¬
keiten gemacht haben. Es ist natürlich unmöglich zu behaupten, daß die
Hofmannschen Bazillen bei negativem Ausfall der Untersuchung nicht
doch anwesend sein können. Zur bakteriologischen Untersuchung ent¬
nimmt man soviel wie möglich den Schleim von den Schleimhautstellen,
welche am meisten durch die Krankheit betroffen sind, am liebsten dort,
wo die Pseudomembranen sich vorfinden, von den anderen Stellen der
Schleimhaut weiß man also nichts. Weiter untersucht man von der Loeffler-
platte nur eine sehr beschränkte Zahl von Kolonien; unendlich viele bleiben
ununtersucht, und endlich kann auch das langsamere Wachsen des Hofmann¬
schen Bacillus auf Loefflerserum zur Folge haben, daß man seine Kolonien
leicht übersehen kann, und die Loef fl er sehen Bazillen sie ganz verdrängen.
Weil es eben mein Zweck ist, die Frage der Diphtherie-Pseudodiph¬
theriebazillen von allen Seiten zu betrachten, ist auch hier die Stelle, die
Fälle aufzuzeichnen, in denen beide Organismen zusammen bei Diph¬
theriekranken im akuten Stadium angetroffen wurden.
Zeitachr. f. Hygiene. LXXXII
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66
M. van Riemsdyk:
Zuerst die 2 Fälle Loefflers, wo er neben dem echten virulenten Diph¬
theriebacillus ein kleineres, plumperes Stäbchen fand, welches für Meer¬
schweinchen nicht pathogen war.
von Hofmann-Wellenhof fand auch den falschen Diphtherie¬
bacillus neben den echten.
Neumann bei einem Fall von Nasendiphtherie auch die zwei Orga¬
nismen zusammen.
Graham-Smith, der ein äußerst zuverlässiger Untersucher ist, konnte
die Hofmannschen Bazillen bei 17 Prozent seiner typischen Diphtherie¬
fälle zugleich mit den Bac. Diphtheriae nachweisen.
Lesieur auch bei 17 Prozent.
Beck von 42 typischen Diphtheriefällen bei 19 Prozent beide Orga¬
nismen zusammen.
Petri fand beide Organismen bei 3 Fällen zusammen.
Glücksmann fand auch beide Organismen zusammen bei ausgesproche¬
ner Diphtherie, er sagt: „Die Zahl der Kolonien der Pseudodiphtheriebazillen
ist in der Regel sehr gering (1 bisö Kolonien). Oft waren die Pseudodiphtherie¬
bazillen erst am zweiten oder dritten Tage der Untersuchung gewachsen.“
Die Frage lediglich vom praktischen Standpunkte aus betrachtend darf
man ruhig sagen: DiphtheriebazillenundHofmannsche Bazillen wer¬
den im akuten Stadium der Diphtheriekrankheit seltene u sam-
men angetroffen.
Ich brauche hier nicht weiter zu erörtern, welcher große praktische
Vorteil sich hieraus ergibt insofern, als die bakteriologische Diagnose der
Diphtheriekranken dadurch sehr erleichtert wird.
Auch bei anderen entzündlichen Rachen- und Nasenaffektionen wurde
der Bac. Hofmanni gefunden, ohne daß auf irgendwelche Weise der Be¬
weis erbracht ist, daß er als Ursache der Entzündung auf gef aßt werden muß.
Spronck, Hewlett und Knight, Lesieur, Beck, Scheller u. a.
fanden diese Organismen bei Anginae, welche sehr mild verliefen.
van Riemsdyk fand sie in großer Zahl bei zwei Fällen von Rhinitis
bei Säuglingen, zusammen mit Staphylokokken und anderen Kokkenarten.
Auche und Brindel, Stein fanden den Bac. Hofmanni bei Ozaena.
Sehr interessant ist eine Untersuchung Hasslauers, der eine Anzahl
gesunder und kranker Nasen von Erwachsenen der Garnison in Würzburg,
also von Zusammenwohnenden, untersuchte. Er konnte feststellen, daß
bei den gesunden und kranken Nasen dieselben Bazillenarten gefunden
wurden, nur mit dem Unterschied, daß bei den kranken Nasen die Pro¬
zentzahl der verschiedenen normalen Nasensaprophyten stark gestiegen
war, auch die des Bac. Hofmanni.
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über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 67
Gesunde Nasen Kranke Nasen
12*0 Prozent Bac. pseudodiphtheriae 37*0 Prozent
25-3 ,, Staphylococcus pyogenes albus 41-2 „
19-9 „ Diplococcus pneumoniae 49-7 „
17-2 „ Streptococcus pyogenes 51-6 „
Hieraus ist wieder zu ersehen, daß Bac. Hofmanni sich wie ein echter
gewöhnlicher Saprophyt verhält, welcher auch wie die anderen Saprophyten
dann und wann Sei verschiedenen Aff ektionen in den Vordergrund treten kann.
Über die Pathogenität des Hofmannschen Bacillus für den Menschen
ist nichts Sicheres bekannt.
Ich für meine Person glaube, daß der Bac. Hofmanni zu den gewöhn¬
lichen Saprophyten gehört, daß es aber sehr gut möglich ist, daß er auch
unter gewissen Umständen (kranke Schleimhaut, allgemeine Herabsetzung
der natürlichen körperlichen Abwehrmittel, lokale Prädisposition und noch
zahllose andere Faktoren) ebenso wie anderen Saprophyten imstande ist,
einige krankmachende Eigenschaften zu entfalten, obgleich der direkte
Beweis dafür noch nie geliefert worden ist. Das jedenfalls wissen wir
ganz entschieden, daß der Bac. Hofmanni epidemiologisch
nicht die geringste Bedeutung hat. Man hat durch jene An-
ginae und Rhinitiden noch nie Diphtheriefälle entstehen sehen.
Neumann hat auf seiner eigenen Nasenschleimhaut eine ganze Kultur
des Bac. Hofmanni verrieben, ohne irgendwelchen Erfolg.
11. Das Vorkommen des Bac. Hofmanni bei Diphtherie-
rekonraleszenten.
Fast immer traf ich den Bac. Hofmanni an, wenn der Diphtheriekranke
im klinischen Sinne Rekonvaleszent war. Dies wurde von vielen Forschern
auch beobachtet, ich nenne hier nur: Hewlett und Knight, West¬
brook, Wilson und Mc Daniel, Roux und Yersin, Roussel und
Malard, Cadiot-Cathoire und Henry, Muysken.
Dieser Befund hat viele zu der Ansicht geführt, daß es damit be¬
wiesen sei, daß der Bac. diphtheriae sich während der Rekonvaleszenz
allmählich in den Bac. Hofmanni umwandelt, der toxische Bacillus in den
atoxischen übergeht und damit zugleich auch andere Eigenschaften sich
ändern (Säureproduktion aus Glykose, Polkörner, Virulenz usw.).
Gorham formuliert es folgenderweise: „That the granulär or barred
forms are the natural forms of virulent Diphtheria bacilli, and that these
forms under the influence of body fluids of persons not susceptible to the
Diphtheria toxin, or who are becoming slowly immun, gradually beeome
non-virulent, and in doing so change to the solid staining types.“
5 *
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M. van Riemsdyk:
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Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß diese Auffassungen viel zu
der unendlichen Verwirrung, welche über dieses Problem herrschte und
noch herrscht, beigetragen haben. Obwohl zuzugeben ist, daß jene Beob¬
achtungen an eine Umwandlung denken lassen können, steht dem entgegen
der Befund von Bac. Hofmanni in hohen Prozentzahlen da, wo jeder Diph¬
theriekontakt absolut auszuschließen ist, wo also vorher keine Diph¬
theriebazillen vorhanden waren. Von einer Umwandlung kann hier also
unmöglich die Rede sein, zumal im vorigen Kapitel so deutlich hervorge¬
treten ist, daß es nur Diphtheriebazillen gibt, wo Kontakt mit
Diphtherie gwesen ist.
Ich für meine Person glaube, daß die Ursache dieses Umstandes eine
ganz andere ist, nämlich daß die kranke Schleimhaut, besonders infolge
der starken Hyperämie, Fibringerinnungen, Leukozytose usw. zu hoch
organisierte Eiweißkörper hat, als daß der Hofmannsche Bacillus auf
ihr gut zu wachsen vermag. Ich bin auf diesen Gedanken gekommen, weil
der Bac. Hofmanni an den Nährboden nicht so große Anforderungen stellt
wie der Diphtheriebacillus. Auf serum- und eiweißreichen Nährboden wächst
er viel weniger schnell und üppig, es ist immer eine gewisse Retention zu
beobachten in den ersten 24 Stunden, danach gleicht sich allerdings dieser
Wachstumsunterschied wieder aus, und sehen dann Diphtherie- und Pseudo¬
kulturen ähnlich aus. Das Wachstum der Hofmannschen Bazillen auf
gewöhnlichem Nähragar ist im Gegensatz zum Bac. diphtheriae viel
üppiger und schneller, sie mehren sich selbst bei Zimmertemperatur;
dann und wann ist die Kultur auch leicht pigmentiert. Ich habe den Ein¬
druck bekommen, daß die Ernährungsphysiologie dieser zwei Bazillenarten
sicher eine verschiedene ist; vielleicht, daß sie sich gegenüber differenten
N- und C-Quellen auch anders verhalten werden.
Eine Bestätigung meiner Ansicht fand ich noch bei Beck, der unter
seinen 42 typischen Diphtheriefällen, welche er bakteriologisch unter¬
suchte, bei gleichzeitiger Benutzung von Loeffler- und Agarplatten, 8 mal
die Hofmannschen Bazillen neben den Diphtheriebazillen antraf, aber
sie nur in 3 Fällen auch auf der Loefflerplatte hat finden können, die übrigen
fünf nur auf der Agarplatte. Bei diesen letzten 5 Fällen sind also die
Pseudodiphtheriebazillen im Rachen nicht ganz von den echten über¬
wachsen, und hat die Agarplatte die Anreicherung der andere Nähr¬
verhältnisse bevorzugenden Hofmannschen Bazillen ermöglicht.
Stein fand eben bei seinen 51 Ozaenafällen nur 1 mal die Hofmann¬
schen Bazillen, während er sie 7 mal naehweisen konnte bei Personen,
welche keine Ozaena hatten.
Bei gewöhnlichen Anginen sieht man doch auch, daß die eine oder
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 69
andere Bazillenart zeitweise die überhand gewinnt, wie auch die Namen
Streptokokken-, Staphylokokken- und Pneumokokkenanginae darauf hin¬
deuten. Wenn die Heilung eintritt, so sehen wir auch hier die normale
Flora zurückkehren; von dem Prädominieren eines bestimmten Bacillus
kann dann also auch nicht mehr die Rede sein. Wie oft sehen wir nicht,
daß bei Züchtung diphtherischen Materials aus dem akuten Stadium der
Krankheit nur Diphtheriebazillen auf der Loefflerplatte zu finden sind,
und daß diese die doch sehr serumliebenden Staphylokokken und Strepto¬
kokken überwuchert haben.
van Riemsdyk fand unter 21 positiven Diphtheriefällen bei 50 Pro¬
zent nur Diphtheriebazillen auf der Loefflerplatte.
Martin fand unter 69 typischen Diphtherien bei 52 nur Diphtherie¬
bazillen auf der Platte, also bei 78 Prozent, er nannte diese denn auch
„Diphtheries pures“, bei den übrigen 22 Prozent waren neben den
Diphtheriebazillen noch viele andere Organismen zu finden, Staphylo-,
Streptokokken usw. Bei der Heilung kehren auch hier die normalen
Schleimhautbewohner zurück und mit ihnen der Bac. Hofmanni.
Die Verhältnisse sind hier also den verschiedenen Kokkenarten gegen¬
über beinahe dieselben, wie mit dem Hoffmannschen Bacillus (siehe
Seite 67 und Fig. 4).
M u y s k e n sagte in seiner Dissertation u. a., daß der Bac. Hofmanni immer
nach der zweiten oder einer späteren Untersuchung des Patienten sich zeigte.
Wenn wir uns jetzt noch einen Augenblick an die Zeitdauer des Ver¬
schwindens des Bac. diphtheriae aus dem Rachen von Diphtheriekranken
erinnern (Kapitel 6), so sehen wir, daß bei der größten Anzahl die Diphtherie¬
bazillen ziemlich schnell verschwinden (± 2 und 3 Wochen). Wir können uns
also sehr gut erklären, daß bei der zweiten Untersuchung des betreffenden
Patienten, welcher dann Rekonvaleszent ist, also nach ± 2 Wochen seit
die Diphtheriesymptome sich zeigten, der Bac. diphtheriae und der Bac.
Hofmanni nicht häufiger zusammen gefunden werden können. Bleiben
die resistenten Formen der Diphtheriebazillen in kleiner Anzahl übrig, so
Ist es sehr gut möglich, daß die Pseudodiphtheriebazillen und die anderen
Saprophyten nunmehr die Diphtheriebazillen verdrängen.
Es ist also notwendig, bei der Untersuchung der Diphtherierekon¬
valeszenten möglichst viele Kolonien von der Loefflerplatte
zu untersuchen, damit man die Diphtheriebazillen, wenn auch in ge¬
ringer Anzahl, aufzuweisen vermag. Ich glaube, wenn die zweite bakterio¬
logische Untersuchung des Patienten früher stattfände, die 2 Organismen
auch häufiger nebeneinander gefunden würden.
Die Schleimentnahme beim Diphtherierekonvaleszenten geschieht eben
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M. van Riemsdyk:
auch unter ganz anderen Umständen. Beim Diphtheriekranken kann man
sich orientieren, weil die Mukosa erkrankt ist und man soviel wie möglich
von diesen erkrankten Stellen, wo sich eben die Diphtheriebazillen nester¬
artig anhäufen, Schleim entnimmt; man hat also hier schon eine gewisse
Anreicherung. Beim Rekonvaleszenten hat man aber eine scheinbar ge¬
heilte Schleimhaut vor sich, wo man keinerlei Anhaltspunkte für die
Anhäufung der Diphtheriebazillen hat. Dazu kommt noch der Umstand, daß
die Kinder im letzten Fall gesund und munter sind, sich also die Rachen¬
behandlung öfters nicht gern gefallen lassen, die beim erkrankten Kinde
in Rückenlage usw. bequemer vor sich geht. Die Chance, viel normale
Saprophyten (Bac. Hofmanni) mitzuschleppen, ist also beim Rekon¬
valeszenten sehr viel größer. Von Zusammenvorkommen des Bac. diph-
theriae und Bac. Hofmanni bei Diphtherierekonvaleszenten sind auch
einige Fälle bekannt.
Cobbett isolierte bei 3 Rekonvaleszenten Bac. Hofmanni neben Bac.
diphtheriae.
Graham Smith bei 6 Rekonvaleszenten Bac. Hofmanni neben Bac.
diphtheriae.
Büsing bei einem gesunden Hausgenossen eines Diphtheriekranken
neben einem vollvirulenten Diphtheriebacillus ein kurzes, plumpes Stäbchen,
das nicht pathogen war und keine Neisserfärbung zeigte.
Im allgemeinen darf man von den Diphtherierekonvaleszenten sagen:
Wird die zweite Untersuchung kurz nach der klinischen Heilung vorge¬
nommen, so ist die Möglichkeit größer, die zwei Organismen anzutreffen;
geschieht sie aber viel später, so ist die Möglichkeit gering.
Ich selber war in der Lage, die eigentümlichsten Kombinationen beider
Organismen bei Diphtherierekonvaleszenten zu konstatieren, van Riems¬
dyk fand bei einem Schulkinde zu gleicher Zeit typische Diphtherie¬
bazillen im Pharynx und typische Hofmannsche Bazillen in der Nase;
ein anderes Mal Bac. diphtheriae und Bac. Hofmanni zugleich auf der
Rachenschleimhaut. Bei den „Dauerausscheidern“, also den¬
jenigen, welche die Diphtheriebazillen lange behalten (Re¬
konvaleszenten und gesunde Bazillenträger), ist selbstver¬
ständlich die Möglichkeit groß, die beiden Bazillenarten zu¬
gleich anzutreffen, besonders weil die Diphtheriebazillen bei
diesen Personen in der Nase haften bleiben können, und
diese Schleimhaut die bevorzugte für den Bac. Hofmanni ist.
Was die bakteriologische Untersuchung des Diphtherierekonvales¬
zenten so unendlich viel schwerer macht als diejenige des Diphtherie¬
kranken, ist wohl auch die längere Bebrütung. Beim Rekonvaleszenten
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Uber die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 71
dürfen eben die Loefflerplatten erst nach mindestens 24 Stunden Be¬
brütung bei 37° C untersucht werden, weil von den Schleimhäuten ent¬
nommene Diphtheriebazillen längere Zeit zum Wachsen brauchen, was
wohl von ihrer viel geringeren Anzahl und etwas herabgesetzten Vitalität
abhängen wird. Neisser gibt davon folgende Zahlen: „Unter 576 Fällen
von Bachenmaterial von Rekonvaleszenten, die bei der Plattenunter¬
suchung nach 20 Stunden glatt negativ waren, wurden 55, also 9 bis
10 Prozent, am zweiten Tage glatt positiv.“ Die „Anreicherung“, welche
eben beim Diphtheriekranken sich durch langsameres Wachsen des Pseudo¬
diphtheriebacillus und größere Anzahl der Diphtheriebazillen zeigte, fällt
also beim Rekonvaleszenten gänzlich fort, da sie sich nach 24 Stunden
völlig ausgleicht. Man wird also bei jeder bakteriologischen Unter¬
suchung von Rekonvaleszenten und gesunden Bazillenträgern
auf diese Faktoren bedacht sein, mindestens 24 Stunden be¬
brüten und viele Kolonien nachsehen müssen.
12. Der klassische Bacillus Hofmanni bei Gesunden, welche mit
Diphtherie in Berührung, gekommen sind
(Diphtheriekontakten).
In der Monographie von Graham Smith findet man darüber große
Statistiken von europäischen und amerikanischen Untersuchern. Die
Zahlen gehen aber sehr auseinander, von 0-0 bis 97-0 Prozent. Auf die
Ursache dieser Unterschiede hoffe ich später noch zurüek-
zukommen. Ich erwähne diese Statistik hier aber deshalb, weil auch
die Zahl der bei diesen Personen (Erwachsenen und Kindern) gefundenen
Diphtheriebazillen aufgezeichnet ist. Wenn man diese Statistik studiert,
dann fällt einem etwas ganz Interessantes auf, nämlich daß es absolut
keinen einzigen Parallelismus gibt zwischen Bac. Hofmanni und
den bei diesen Personen gefundenen Bac. diphtheriae. Auf Fig. 2
habe ich diese Zahlen, diejenigen von Graham Smith betreffs seiner
eingehenden Untersuchungen von Schulen, Anstalten und Instituten in
Cambridge und Colchester und noch einige von mir selbst gefundene Zahlen
in Kurven dargestellt. Man sieht sofort, daß nicht die geringste Be¬
ziehung zwischen der Prozentzahl des Bac. Hofmanni und
den bei diesen Personen gefundenen Diphtheriebazillen be¬
steht.
Sehen wir jetzt, in wieviel Fällen der Bac. Hofmanni
gefunden wird bei Kindern mit Diphtheriekontakt:
Graham Smith fand bei gesunden Kindern (Diphtherie¬
kontakten) Bac. Hofmanni bei..±51*4 Proz.
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M. van Riemsdyk
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Roux und Yersin fanden in einem Pariser Kinderkranken
hause unter 45 Kindern Bac. Hofmanni bei .
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 73
Chatin und Lesieur unter 75 untersuchten Kindern Bac.
Hofmanni bei. 30-0 Proz.
Cobbett unter 1724 Kindern Bac. Hofmanni bei. 39-0 ,,
Beck fand unter 66 Kindern Bac. Hofmanni bei . ... 33-0
Glücksmann fand in einem Kinderkrankenhaus unter den
39 Kindern, die alle ganz gesunde Nasen und Bachen hatten,
Bac. Hofmanni bei. 52-0 „
Steenmeyer in der Chirurgischen Klinik des Kinderkranken¬
hauses in Rotterdam Bac. Hofmanni bei. 75*0 ,,
Stokvis und van Riemsdyk in Amsterdam unter gesunden
Kindern, welche mehr oder weniger mit Diphtherie in Kon¬
takt gekommen waren, Bac. Hofmanni bei. 72-0 „
Durchschnittlich unter Kindern mit Diphtheriekontakt Bac.
Hofmanni bei. 48-0
Bac. Hofmanni bei Erwachsenen mit Diphtheriekontakt:
Mark und Pollak unter 98 Personen (bosnische Pilger und
Soldaten) Bac. Hofmanni bei . .. 24-0 Proz.
Golowkoff unter 115 Kadetten des II. Kadettenkorps in
Petersburg Bac. Hofmanni bei. 12-0 „
Cathoire unter 450 Militärs eines Bataillons des II. Infan¬
terieregiments in Casteisarrazin Bac. Hofmanni bei ... 15-5
Hasslauer unter 82 gesunden Erwachsenen (Militärs der
Garnison Würzburg) Bac. Hofmanni bei. 12-0 „
Graham Smith unter 268 gesunden Erwachsenen Bac.
Hofmanni bei. 19-0 „
Fibiger unter 135 gesunden Erwachsenen (8 Pflegerinnen
und Krankenhauspersonal) Bac. Hofmanni bei. 11-0 „
Durchschnittlich Bac. Hofmanni bei Erwachsenen mit Diph¬
theriekontakt . 16*0 ,,
Aus diesen Durchschnittsprozentzahlen geht also deutlich hervor, daß
unter den Diphtheriekontakten die Zahl des Bac. Hofmanni bei den
Kindern (48-0 Prozent) eine sehr viel höhere ist als bei den Erwachsenen
(16-0 Prozent). Auf diese Differenz hoffe ich später noch kurz zurückzu¬
kommen. Die Prozentzahlen, welche in dieser Hinsicht die Kasernen
(Soldaten) geben, sind viel niedrigere als diejenigen bei den Kindern der
Volksschule (48 Prozent). Bei Diphtherie verhält es sich gerade
umgekehrt (Volkschulkinder 7 Prozent, Kasernenbewohner 23 Prozent).
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M. van Riemsdyk:
13. Der klassische Bac. Hofmanni bei Gesunden, welche nicht
mit Diphtherie in Berührung gekommen sind
(nicht Diphtheriekontakte).
Kinder ohne Diphtheriekontakt:
Roux und Yersin sind die ersten gewesen, welche im
Jahre 1890 eine Anzahl Kinder in einem Orte untersuchten
(Seedorf Caen), wo in den letzten Jahren kein einziger
Diphtheriefall vorgekommen war. Sie unternahmen diesen
Versuch, um zu sehen, ob diese Organismen auch da ge¬
funden würden, wo keine Diphtherie vorkam; sie fanden
Bac. Hofmanni bei.. 44-0 Proz.
Lesieur fand unter denjenigen „ä l’abri de tout Contact“
Bac. Hofmanni bei. 31-5 Proz.
Graham Smith unter 100 Schulkindern Bac. Hofmanni bei 56-0 „
Cobbett unter 90 Knaben einer Zuchtschule, wo in mehreren
Jahren kein einziger Diphtheriefall vorgekommen war, Bac.
Hofmanni bei. 43-3
Ustvedtin Norwegen in einem Dorfe unter den Schulkindern,
wo in den den letzten 8 Jahren kein einziger Diphtheriefall
vorgekommen war, Bac. Hofmanni bei. 70 0 „
Steenmeyer in Schelluinen bei Gorichem, wo in den letzten
10 Jahren kein einziger Diphtheriefall oder verdächtige
Angina vorgekommen war, unter den Schulkindern Bac.
Hofmanni bei. 50-0 ,,
Stokvis und van Riemsdyk in Dörfern auf der Veluwe
und Limburg, wo sich in den letzten 10 Jahren kein ein¬
ziger Diphtheriefall unter den Schulkindern gezeigt hatte,
Bac. Hofmanni bei. 50 0 „
Durchschnittlich Bac. Hofmanni unter Kindern ohne
Diphtheriekontakt. 49-0 „
Erwachsene ohne Diphtheriekontakt:
Park und Beebe fanden unter 257 untersuchten Erwachsenen
Bac. Hofmanni bei. 10-5 Proz.
Leider habe ich für diese Kategorie nur diese eine Prozentzahl finden
können, weshalb hier keine Durchschnittszahl aufzumachen ist; sehr wahr¬
scheinlich wird sie aber derselben Zahl entsprechen wie bei den Kontakten.
Beim Vergleich dieser Durchschnittsprozentzahlen fällt es sogleich
auf, daß das Vorkommen oder Nichtvorkommen von Bac.
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 75
diphtheriae in der Umgebung durchaus keinen Einfluß auf
die Prozentzahl des Bac. Hofmanni ausübt.
Wenn es nun wirklich so wäre, daß der Bac. Hofmanni ein avirulent-
atoxiseh gewordenes Diphtheriestäbchen sei, so hätte man meines Er¬
achtens nur zwei Möglichkeiten:
a) Entweder die Prozentzahl des Bac. Hofmanni wird da, wo viele
Diphtheriefälle vorgekommen sind, bei den gesunden Diphtheriekontakten
viel niedriger sein müssen, weil viele von diesen avirulenten Organismen
(unter dem Einfluß zahlloser unbekannter Faktoren) wieder virulent und
also Diphtheriebazillen werden;
b) oder die Prozentzahl des Bac. Hofmanni wird bei solchen Personen
stark erhöht sein, weil durch die vielen Diphtheriefälle auch wieder viele
avirulente Bac. diphtheriae entstehen werden.
Jedenfalls würde man irgendwelche Beeinflussung erwarten
müssen.
Das Vorkommen von Bac. Hofmanni da, wo kein einziger Fall von
Diphtherie oder verdächtiger Angina sich seit mehreren Jahren gezeigt
hat, bleibt, wenn man es als ein avirulent gewordenes Diphtheriestäbchen
ansieht, unerklärlich. Das nie wieder pathogen (virulent-toxisch)-Werden
dieser Keime ist meines Erachtens auch ein Beweis dafür, daß es eine
andere Bazillenart ist, denn bei fast allen pathogenen Organismen sind
Virulenz und Avirulenz mehr oder weniger labile Eigenschaften, und es
ist nicht anzunehmen, daß gerade der Bac. diphtheriae sich in dieser
Hinsicht so beständig verhalten sollte. Ich selbst habe gerade bei Bac.
diphtheriae die Virulenz und Avirulenz als eine sehr schwankende Eigen¬
schaft gefunden.
Es wäre undenkbar, daß ein avirulent gewordenes pathogenes Stäb¬
chen in einer Umgebung, wo es sicherlich viele kränkliche, schwache Indi¬
viduen mit sehr prädisponierten Schleimhäuten gibt, in so vielen Jahren
keinen geeigneten Nährboden zur Wiederentfaltung seiner krankmachenden
Eigenschaften finden sollte, wo auf künstliche Weise (Trump, Bardach,
Schmitz) und spontan (van Riemsdyk) bei virulenten Kulturen, welche
die Virulenz völlig eingebüßt hatten und sie nach kurzer Zeit wieder spon¬
tan zurückbekamen, die Virulenzsteigerung wohl gelungen ist. Während
wir für den Dipjitheriebazillus eine so ausgesprochene herabsinkende Kurve
haben, je nachdem der Kontakt mit Diphtherie weniger innig wird,
zeigt sich bei den Bac. Hofmanni nicht der geringste Zusammenhang
und keinerlei Beeinflussung durch Berührung oder Nichtberührung mit
Diphtherie. Die Untersuchungen von Roux und Yersin sind namentlich
sehr beweiskräftig
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M. van Riemsdyk:
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::::::::::
im diphtheriefreien Seedorf Bac. Hofnianni bei. 44-0 Proz.
im Krankenhaus zu Paris.. 33-0 „
Auf Fig. 3 habe ich einige Untersuchungen von Forschern
dargestellt, welche teils in der Nähe von Diphtherie untersuchten, teils
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da, wo kein Kontakt mit Diphtherie nachgewiesen werden konnte. Die
Kurven lassen aufs deutlichste ersehen, daß von einem kon¬
stanten Unterschiede absolut keine Rede ist.
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Über dle Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen.
77
14. Einfluß der sozialen Lage und Reinlichkeit auf die Ver¬
breitung des Bac. Hofmanni auf Nasen- und Rachenschleimhaut.
Graham Smith macht uns, als Resultat seiner umfangreichen Unter¬
suchungen in Cambridge und Colchester, auf einige sehr interessante Tat¬
sachen aufmerksam.
1. Daß keinerlei Beziehung besteht zwischen den Bac. Hofmanni
und den bei diesen Personen gefundenen Bac. diphtheriae.
2. Daß die Prozentzahl des Bac. Hofmanni bei den Kindern eine
viel höhere ist, als bei den Erwachsenen.
3. Daß die Prozentzahl bei ärmeren Kindern wieder eine viel
höhere ist, als bei den Kindern aus besseren Ständen.
Er gibt davon folgende Zahlen:
Erwachsene aus den unteren Volksschichten ohne Diph¬
theriekontakt Bac. Hofmanni bei. 20*6 Proz.
Erwachsene aus besseren Ständen, Studenten ohne
Diphtheriekontakt, Bac. Hofmanni bei. 9-0 ,,
Kinder aus den unteren Volksschichten ohne Diph¬
theriekontakt Bac. Hofmanni bei. 55-0 ,,
Kinder aus besseren Ständen, ohne Diphtheriekontakt
Bac. Hofmanni bei .. 8*0 „
Bei den Diphtheriekontakten ist es genau dasselbe.
Roux und Yersin und Cobbett fanden das gleiche. Dies läßt sich
auch leicht erklären. Ärmere Kinder in der Schule haben meistens die
schlechte Gewohnheit, ihre Bleistifte, Griffel usw. abzubeißen, welche sie
dann wieder einander leihen. Schiefertafeln werden oft mit der Zunge
gereinigt, gehen auch wieder von Kind zu Kind, Taschentücher sind meistens
gemeinsames Gut, genügende Faktoren, um diesen anspruchslosen Sapro-
phyten, der, wenn er bei den Kindern sich findet, meistens in sehr großer
Zahl anwesend ist, von einem Kinde zum andern zu überpflanzen. Die
Klassen der Volksschulen sind dabei meistens so groß, daß die Aufsicht
nicht immer genügend streng sein kann.
Bei den Erwachsenen, welche die schlechten Gewohnheiten viel
weniger zeigen, ist die Prozentzahl von Bac. Hofmanni naturgemäß auch
eine viel niedrigere, 9-0Prozent bei denjenigen in sehr guter sozialer Lage,
20-6 Prozent bei denjenigen ans dem Volksstande. Die Zahlen von Mark
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M. vax Riemsdyk:
und Pollack und Graham Smith (siehe Bac. Hofmanni bei Erwachsenen
mit Diphtheriekontakt, Seite 73), welche die höchsten sind, sind in diesem
Zusammenhänge interessant. Sie stammen eben auch von Personen aus
sehr armen Klassen.
Einen Augenblick möchte ich noch bei den Prozentzahlen aus Holland
verweilen, weil sie ebenfalls in diesem Verbände interessant sind. Die
Zahlen von Steenmeyer und Stokvis und van Riemsdyk stimmen
überraschend überein:
In den Großstädten (Amsterdam und Rotterdam). 73-0 Proz.
In den diphtheriefreien Dörfern. 50-0
Bei beiden ist die Prozentzahl in den Großstädten eine höhere als in
den Dörfern; die untersuchten Kinder gehören aber alle den unteren Volks¬
klassen an. In den sozialen Verhältnissen kann also die Ursache des Unter¬
schiedes nicht liegen. Ich für meine Person glaube, daß sie darauf beruht,
daß der Kontakt zwischen den Kindern in einer Großstadt ein viel größerer
ist, als in einem Dorfe. Erstens stehen in einem Dorfe die Häuser viel
weiter auseinander; öfters stehen die Bauernhäuser sogar ganz isoliert;
dann ist die Entfernung zwischen Schule und Haus oft eine so große, daß
die Kinder nach der Schule nicht so lange auf der Straße miteinander
spielen können, wie es in einer Großstadt fast immer stattfindet.
ln den Großstädten, wo meistens bakteriologische Untersuchungen
planmäßig vorgenommen werden, weil das Sanitätswesen durch die Gesund¬
heitsämter viel besser organisiert ist als auf dem Lande, hat man aber dessen¬
ungeachtet aus obigen Gründen leider am meisten mit diesen banalen
Saprophyten zu kämpfen.
Bei einer Reihe von Untersuchungen an Säuglingen fand ich, daß
Bac. Hofmanni nicht nur in der Nase anwesend waren, sondern auch in
ziemlich großer Zahl im Rachen, hier aber meistens nicht in Reinkultur.
Von 21 Untersuchungen an Säuglingen:
Bac. Hofmanni im Rachen allein bei ... . 0 Proz.
,, ,, in der Nase allein bei ... . 5 ,, \
„ ,, in der Nase und im Rachen bei 35
Dies war zu auffallend, als daß es reiner Zufall sein konnte, weil ich es bei
größeren Kindern so selten sah. Die Ursache dieses Befundes muß nach
meiner Meinung folgenden Umständen zugeschrieben werden:
1. Der permanenten Rückenlage des Säuglings.
2. Dem vielen Aspirieren und Saugen.
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über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 79
3. Dem kleinen Abstande zwischen Nasen- und Bachenhöhle, welcher
bei größeren Kindern mit dem Herauswachsen der Nase zunimmt (kümmer¬
liche Entwickelung der Conchae, Vibrissae usw. sind auch wohl von Einfluß).
4. Der Schwierigkeit, Nase und Mund bei Säuglingen rein zu halten;
alles Faktoren, welche es ermöglichen, daß ein derartiges Kind sich selbst
weiter infiziert.
Es versteht sich aus all dem Gesagten auch leicht, warum die Zahlen
der Untersucher hinsichtlich des Vorkommens des Bac. Hofmanni so weit
auseinandergehen; sie haben ihr Untersuchungsmaterial, ohne darauf zu
achten, aus allen Bevölkerungsschichten gesammelt, bald Er¬
wachsene, bald Kinder, bald Bachen und bald Nasen zu ihren Unter¬
suchungen benutzt. Der primäre Sitz des Bac. Hofmanni ist die
Nase, wird der Bachen infiziert, so ist es fast immer eine
durch mechanische oder andere Einflüsse (Aspiration, Un¬
sauberkeit) bewirkte Infektion von der Nase aus (Kapitel 9).
Wie oft sieht man nicht, auch bei guterzogenen Kindern, daß sie so ein¬
genommen sind durch ihr Spiel, daß sie es langweilig finden ihre Nase zu
putzen, und wenn das Nasensekret abläuft, es ganz ruhig mit der Zunge
ablecken. Ist es denn zu wundern, daß Bac. Hofmanni auch in dem Bachen
sich öfters zeigt?
Bei Säuglingen findet sich also in Nase und Bachen
öfters der Bac. Hofmanni; bei größeren Kindern beschränkt
er sich, infolge der Entwicklung der Nase, der aufrechten
Körperhaltung und größerer Beinlichkeit, überwiegend auf
die Nasenschleimhaut, und bei Erwachsenen ist er wegen
vermehrter Beinlichkeit in viel geringerer Anzahl vorhanden
als bei den Kindern, hier auch überwiegend auf der Nasen¬
schleimhaut. Dazu kommen die durch die soziale Lage be¬
dingten Unterschiede. Beinlichkeit hat eben großen Einfluß
auf Anzahl und Sitz des Bacillus Hofmanni, so daß er bei
Personen aus ärmeren Klassen in viel höherer Prozentzahl
anwesend ist, als bei denjenigen in besserer sozialer Lage.
All das Gesagte resümierend, seien nachstehend die Ergebnisse für beide
Bazillenarten einander gegenübergestellt:
Bacillus diphtheriae. Bacillus Hofmanni.
1. Die Schleimhaut, zu der der 1. Die Schleimhaut, zu der der
Bac. diphtheriae die größte Affinität Bac. Hofmanni die größte Affinität
hat. ist die Rachenschleimhaut hat, ist die Nasenschleimhaut
(Kapitel 3. 4 bis 5). (Kapitel 9).
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M. van Kiemsdyk:
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2. Man hat den Bac. diphtlieriae
in erster Stelle zu suchen bei der
Angina diphtherica und der Rhi¬
nitis diphtherica (Kapitel 4 und 5).
3. In zweiter Stelle hat man
Bac. diphtheriae bei denjenigen zu
suchen, welche mit Diphtherie in
Berührung gekommen sind; er findet
sich in desto niedrigerer Prozent¬
zahl, je weniger innig der Kon¬
takt mit Diphtherie (von 66-0 bis
0-5 Prozent) ist (Kapitel 7 und Fig. 1).
4. Bac. diphtheriae wird nicht
gefunden da, wo keine Berührung
mit Diphtherie stattgefunden hat
(0-0 Prozent) (Kapitel 8).
5. Während der Rekonvaleszenz
verschwindet Bacillus diphtheriae
schnell von den Schleimhäuten
(Kapitel 6).
6. Bac. diphtheriae wird unter
den gesunden Diphtheriekontakten
am wenigsten häufig beim Kinde der
Volksschule gefunden (7-0 Prozent)
(Kapitel 7).
7. Für die Verbreitung des diph¬
therischen Virus von einem Indi¬
viduum zum anderen ist ein inniger
Kontakt notwendig (Kapitel 7 und
Seite 81).
8. Die Prozent zahl des Bac. diph¬
theriae für die Erwachsenen und
Kinder wird nur beeinflußt durch
die Intensität des Kontaktes mit
dem Diphtheriekranken (Kapitel 7).
2. Bac. Hofmanni wird in den
Pseudomembranen bei der Angina
diphtherica und der Rhinitis diph¬
therica nur selten angetruffen
(Kapitel 10).
3. Bac. Hofmanni wird in
gleicher Prozentzahl angetroffen,
da wo Kontakt und wo kein
Kontakt mit Diphtherie stattge¬
funden hatte (48 und 49 Prozent)
(Kapitel 12 bis 13).
4. Bac. Hofmanni wird bis zu
49-0 Prozent angetroffen da, wo
keine Berührung mit Diphtherie
stattgefunden hat (Kapitel 13).
5. Bac. Hofmanni erscheint in
der Diphtherierekonvaleszenz auf
den Schleimhäuten wieder (Kap. 11).
6. Bac. Hofmanni wird beim
Kinde der Volksschule am häu¬
figsten gefunden (49 Proz.) Kap. 12).
7. Für die Verbreitung des Bae.
Hofmanni von einem Individuum
zum anderen braucht der Kontakt
nicht so innig zu sein (Seite 81
und Kapitel 14).
8. Erwachsene, sowohl nach Dipli-
theriekontakt wie ohne Diphtherie¬
kontakt, zeigen den Bac. Hofmanni
in einer viel niedrigeren Pro¬
zent zahl als die Kinder (16 und
49 Prozent) (Kapitel 12 bis 13).
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t^BER die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 81
9. Für die Verbreitung der Diph- 9. Für die Verbreitung des Bac.
therie spielen die- „Gegenstände“ Hofmanni spielen wahrscheinlich die
eine untergeordnete Rolle. Innige „Gegenstände“ die Hauptrolle (Ka-
Berührung mit dem Kranken und pitel 12, 13, 14 und Seite 81).
Bazillenträger (Küsse, Tröpfchenin¬
fektion beim Sprechen, Taschen¬
tücher, körperliche Pflege, Zu¬
sammenschlafen usw.) ist der Weg,
wodurch hier die Infektion zu¬
stande kommt (Kapitel 7 und
Seite 81).
10. Der Klebs-Loefflersche 10. Der Hofmannsche Pseudo-
Diphtheriebacillus ist ein echter diphtheriebacillus ist ein echter
Parasit und gehört zu der obli- banaler Saprophyt (Kap.10u.ll).
gaten Parasitengruppe (Kap. 3 u. 6).
Durch meine Ausführungen ist wohl genügend bewiesen, daß die
„dualistische“ Anschauung die richtige ist, daß Bac. diphtheriae und Bac.
Hofmanni nicht nur aus rein bakteriologisch-serologischen Gründen, sondern
auch aus biologisch-epidemiologischen Gründen als zwei verschiedene
Bazillenarten betrachtet werden müssen, daß Bac. diphtheriae ein echter
Parasit 1 — Bac. Hofmanni ein echter harmloser Saprophyt ist.
Es ist eben eine bedauernswerte Koinzidenz, daß die Diphtherie eine
echte Kinderkrankheit ist, und der Bac. Hofmanni ebenfalls am häufigsten
bei Kindern vorkommt. Auf Fig. 4 habe ich versucht eine übersicht¬
liche Kurve zusammenzustellen der verschiedenen Durchschnittsprozent¬
zahlen der Diphtherie- und Hofmannschen Bazillen bei Diphtherie¬
kranken, bei den gesamten Diphtheriekontakten (Erwachsene und
Kinder) und bei den Nicht-Diphtheriekontakten (diphtheriefreie
Gegenden, Erwachsene und Kinder), nachdem ich die mittlere Zahl
der verschiedenen Gruppen (Durchschnittsprozentzahlen) berechnete.
Daß die epidemiologischen Verhältnisse bei Bac. diphtheriae und
Bac. Hofmanni verschiedene sind, ist wohl im vorstehenden deutlich zutage
getreten; die Kurve von den Hofmannschen Bazillen bleibt, außer der
Diphtheriekrankheit, also bei gesunden mit oder ohne Diphtheriekontakt,
auf gleicher Höhe. Während für die Verbreitung des diphtherischen
Virus ein' inniger Kontakt nötig ist (Küsse, Husten, Pflege, Tropfen¬
infektion beim Sprechen, Taschentücher, Zusammenschlafen usw.), spielen
sehr wahrscheinlich beim Bac. Hofmanni die „Gegenstände“ eine große
Rolle bei der Verbreitung, was auch erklärlich ist, da der Bac. Hofmanni
Zeitschr.f. Hygiene. LXXXII 6
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M. van Riemsdyk:
Mittlere Zahlen der Diphtherie- und Ho£manuseben Bazillen bei Diphtherie¬
kranken, bei den gesamten Diphtheriekontakten und bei den nicht
Diphtheriekontakten.
100
so
80
70
60
00
40
30
20
10
0
viel leichter ein saprophytisches Leben führen kann, als der Bac. diph-
theriae. In Übereinstimmung hiermit wird der Bac. Hofmanni am häu¬
figsten bei den Volksschulkindern gefunden, wo eben die Gegenstände
soviel zirkulieren.
Im vorstehenden ist bereits nebenbei die Beantwortung vieler mehr rein
bakteriologischer Fragen berührt, namentlich auch der wichtige Punkt, wie
die bakteriologischen Verhältnisse sich beim Diphtheriekranken, beim
Diphtherierekonvaleszenten und beim gesunden Bazillenträger ge¬
stalten. Ohne hier in die technisch-bakteriologischen Fragen tiefer ein¬
zudringen, möchte ich doch folgendes besonders besprechen: „Was hat
man beim Diphtheriekranken, Rekonvaleszenten und gesunden Bazillen¬
träger mit spezieller Berücksichtigung des Bac. Hofmanni vom bakterio¬
logischen Standpunkt aus zu erwarten?“
Diphtherie - und
tk/mannsche 6azrhen
he/ kt misch an
Diphtherie erkrankten
Personen
—
Diphtherie - und
tfofmeansche Baz/Uen
hei den oesammten
D/ot/thmne Kontakten
Erwachsene u. Kinder
Diphthanehaziffen
Hofmannsche Öazt/fen
Diphtherie -und
Hofmannsche 6az/Uen
he/ den nicht Oiphthene ~
Kontakten m vöft/g
Diphtherie frei. Gegenden
Erwachsene. u Kinder
1
i
—•-i
i
!
Fig. 4.
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 83
Bei der bakteriologischen Untersuchung der Diphtherie
werden zwei Sachen vom Bakteriologen gefordert:
1. Die Untersuchung des Diphtheriekranken im akuten Stadium
der Krankheit, also die Untersuchung der erkrankten Schleimhaut.
2. Die Untersuchung des Diphtherierekonvaleszenten und gesunden
Bazillenträgers, also die Untersuchung der heilenden und gesunden
Schleimhaut.
Wir wissen alle, daß die Schleimhautflora schon unter normalen Be¬
dingungen kleineren und größeren Schwankungen unterworfen ist, daß
aber bei der erkrankten Schleimhaut das Gleichgewicht sich so absolut
Ändert, daß man von einer völligen Umwandlung der Flora reden darf.
Die Verhältnisse sind also bei der kranken und der gesunden Schleimhaut
ganz verschiedene, und das übt natürlich einen direkten Einfluß aus auf
die bakteriologische Untersuchung selbst. Es fragt sich nun: Sind die
Schwierigkeiten der Untersuchung in beiden Fällen gleich groß? Schon
aus dem Gesagten geht hervor, daß die Verhältnisse beim Diph¬
theriekranken viel günstigere sind, als beim Rekonvaleszenten und ge¬
sunden Bazillenträger, nicht nur was die Pseudodiphtheriebazillen an¬
belangt, sondern auch die Züchtung des Diphtheriebacillus selbst. Im
übrigen verweise ich auf die nachstehende Gegenüberstellung:
Diphtheriekranke im akuten
Stadium der Krankheit.
1. Die Diphtheriebazillen häufen
sich an den erkrankten Partien
der Schleimhaut an und vermehren
sich an diesen Stellen (Seite 8).
2. Von diesen erkrankten Stellen
wird mit Vorliebe Schleim zur bak¬
teriologischen Untersuchung ent¬
nommen. Man hat also hier eine
gewisse Orientierung zur Schleim¬
entnahme, wodurch schon eine An¬
reicherung der Diphtheriebazillen
stattfindet (Seite 40, 70).
Diphtherierekonvaleszenten
und gesunde Bazillenträger.
1. Bei ± 2 /a der Fälle verschwinden
die Diphtheriebazillen schon nach
2 bis 3 Wochen von der Schleim¬
haut. Bei dem übrigen 1 /, der Fälle
verbleiben die Diphtheriebazillen
länger auf den Schleimhäuten
(Kapitel 6).
2. Für die Schleimentnahme hat
man auf der anscheinend geheilten
und gesunden Mukosa keinen ein¬
zigen Anhaltspunkt. Das Mit¬
schleppen von vielen Saprophyten,
auch Bac. Hofmanni, ist davon die
direkte Folge (Seite 70).
6 *
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M. van Riemsdyk:
3. Bei den meisten Diphtherie¬
fällen haben die Diphtheriebazillen
die anderen Keime überwuchert,
werden also nicht gehemmt und auf
der Loefflerplatte noch weiter an¬
gereichert (Kapitel 10 und Seite 69).
4. Wenn keine direkten Indika¬
tionen dafür gegeben sind, braucht
die Nasenuntersuchung hier mei¬
stens nicht stattzufinden (Ka¬
pitel 4, 5).
5. Bac. Hofmanni wird selten
auf den an Diphtherie erkrankten
Schleimhautstellen (Pseudomem¬
branen) gefunden (Kapitel 10).
6. Weil die Diphtheriebazillen
meistens in großer Zahl anwesend
sind, wachsen sie schnell und üppig
auf der Loefflerplatte, so- daß man
die Hofmannschen Bazillen, wenn
diese doch vorhanden sind, infolge
ihres langsameren Wachsens auf
eiweißreichen Nährböden viel eher
ausschließen kann (Seite 68, 69).
3. Die Möglichkeit, daß die Diph¬
theriebazillen, zumal sie hier mei¬
stens nicht in so großer Zahl an¬
wesend sind, beim Eintreten der
normalen Verhältnisse durch die
Saprophyten überwuchert werden,
ist hier groß (Seite 69).
4. Durch die Möglichkeit des Ver¬
bleibens der Diphtheriebazillen auf
der Nasenschleimhaut darf gerade die
Nasenuntersuchung (die Prädilek¬
tionsstelle des Bac. Hofmanni) hier
nicht unterlassen werden (Seite52,60).
5. Bac. Hofmanni ist ein nor¬
maler Bewohner der gesunden
Rachen-Nasenschleimhaut und zeigt
sich oft in erheblichen Quantitäten
(Kapitel 9, 12, 13).
6. Weil die Diphtheriebazillen hier
in kleiner Anzahl anwesend sein
können, ihre Wachstumenergie oft
abgenommen hat, und die Sapro¬
phyten durch ihre große Anzahl
und Stoffwechselprodukte hemmend
wirken können, muß den Diphtherie¬
bazillen Zeit gelassen werden, sich
zu entwickeln. Eine längere Be¬
brütung (mindestens 24 Stunden)
ist hier also angezeigt. Der Wachs¬
tumsunterschied, der nach ± 12 bis
20 Stunden zwischen beiden
Bazillenarten noch besteht, wird
durch die längere Bebrütung auf¬
gehoben; die Saprophyten und auch
der Bac. Hofmanni können dann
aber auch viel üppiger wachsen, wo¬
durch die Untersuchung wieder sehr
erschwert wird, und die Unter¬
suchung von einer großen Anzahl
Kolonien geboten ist (Seite 69 u. 71).
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Über die Frage der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen. 85
Ich will, wie gesagt, an dieser Stelle nicht die ganze bakteriologische
Technik der Diphtherieuntersuchung und die kritische Beurteilung der
verschiedenen differentielldiagnostischen Methoden behandeln; ich ver¬
weise in dieser Hinsicht auf zwei meiner Arbeiten, in denen ich diese
Fragen ausführlich erörtert habe.
Jedenfalls steht fest, daß die bakteriologische Untersuchung des
Diphtherierekonvaleszenten in jeder Hinsicht eine viel schwierigere und
mühsamere ist als die des Diphtheriekranken und nur den Händen von
sehr Geübten anvertraut werden soll.
Die bakteriologische Diagnostik eröffnet zur erfolgreichen
Diphtheriebekämpfung den einzig sicheren Weg, und der Bak¬
teriologe hat es daher zum großen Teil in der Hand, ob die so
gefährliche Kinderkrankheit weiterverbreitet wird. Es ist aber
auch andererseits notwendig, vor unnötiger Isolierung von
Personen, welche keinerlei epidemiologische Gefahr bieten, zu
warnen. Unbedingt notwendig ist es darum, die bakterio¬
logische Untersuchung von Diphtheriejrekonvaleszenten und
Gesunden mit größter Sorgfalt und Genauigkeit vorzunehmen
und die differentielle Diagnostik zu verwerten, damit der Bac.
diphtheriae vom Bac. Hofmanni geschieden wird, und nur echte
Diphtheriebazillenträger isoliert werden.
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86
M. van Riemsdyk:
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[Aus dem Kgl. Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“.)
Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
Bericht über die im Aufträge des Herrn Ministers des Innern
unternommenen Versuche.
Von
Dr. med. H. A. Gins.
Das weit ausgedehnte Gebiet der experimentellen Vaccine, auf welchem
noch zahlreiche praktisch wichtige Fragen ihrer Beantwortung harren, wurde
dem Versuch zugänglicher, nachdem das Kaninchen als brauchbares Ver¬
suchstier erkannt und verwendet wurde. Uber seine Brauchbarkeit hat
sich bereits eine zahlreiche Literatur angesammelt, deren chronologische
Aufzählung hier um so eher fehlen kann, als sie an anderem Orte, so in
der ausführlichen Arbeit Süpfles (1) über die Vaccineimmunität, bei
Paschen, Handbuch der Immunitätsforschung, Kraus-Levaditi, I. Erg.-
Band, und im Handbuch der pathogenen Mikroorganismen von Ko Ile
und Wassermann, 2. Aufl., Bd. VIII, bei Tomarkin und Carriere
fast lückenlos vorhanden ist.
Da bei unseren Versuchen bisher beinahe ausschließlich das Kaninchen
als Versuchstier verwendet wurde, ist es angebracht, auf seine Eignung
kurz einzugehen, um die Fehlerquellen, mit denen zu rechnen ist, wenig¬
stens annähernd übersehen zu können. Um zuerst eine Antwort auf die
Frage zu finden, ob bei Vaccine versuchen dem Erfolg der Hornhaut- oder
der Hautimpfung die entscheidende Bedeutung zuzumessen ist, sei hier
das Resultat der Impfungen virulenten Materials an 173 Kaninchen er¬
wähnt. Diese Tiere waren teils korneal allein, teils kutan allein geimpft,
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90
H. A. Gins:
die größere Zahl von ihnen jedoch gleichzeitig auf Hornhaut und Haut.
Das zur Verimpfung verwendete Material war entweder Kälberlymphe
nach Glyzerinzusatz, Ätherbehandlung oder Behandlung mit Phenol oder
Toluol, oder es war verschiedenartiges Material vom Kaninchen. Die
Virulenz war in allen Fällen als noch vorhanden anzusehen, wenn auch
manchmal eine Verminderung mit Sicherheit zu erkennen war. Es ergibt
nun ein Überblick über dieses Material folgendes Bild:
Verimpfung von virulentem Material auf Hornhaut und Haut gleich¬
zeitig bei 149 Kaninchen.
Hornhaut und Haut sicher positiv 138 mal
Hornhaut negativ, Haut positiv 6 „
„ positiv, „ negativ 1 „
„ „ „ fraglich 3 „
„ negativ, „ negativ 1 „
Verimpfung von virulentem Material auf Haut allein 13 mal positiv,
niemals negativ.
Verimpfung von virulentem Material auf die Hornhaut allein 10 mal
positiv, lmal negativ.
Bei allen 173 Fällen sind also nur 2 Versager vorgekommen. In dem
einen Falle (Haut und Hornhaut negativ) war höchstwahrscheinlich die
Impftechnik mangelhaft, da andere Tiere, am gleichen Tage mit dem
gleichen Material geimpft, Vaccine bekamen. Der andere Mißerfolg be¬
traf die Verimpfung einer Kaninchenkomea, die wahrscheinlich nicht ge¬
nügend aufgeschlossen war. Eine spontane Unempfänglichkeit für das
Vaccinevirus scheint beim Kaninchen demnach äußerst selten zu sein.
Diese Ansicht dürfen wir mit einiger Bestimmtheit äußern, da unter
unserem Tiermaterial die Albinos in der Minderzahl waren, und Tiere der
verschiedensten Färbung verwendet wurden. Kurz erwähnt werden müssen
die Fälle, bei denen entweder die Haut- oder die Hornhautimpfung allein
versagten. 6 mal war die Hornhaut negativ, während die Haut positiv
war. Bis auf einen Fall, bei dem das Nichtangehen der Komeaimpfung
nicht aufgeklärt ist, handelte es sich jedesmal um schwach virulentes Ma¬
terial. Auf der Haut waren nur wenige Pusteln vorhanden, die aber durch
'Weiterverimpfung als Vaccine sichergestellt wurden. Die Erklärung dürfte
darin zu finden sein, daß in die Homhautkratzer, an denen ja nur mini¬
male Mengen Material haften, kein Virus hineinkam, während auf der
großen Hautfläche, die wir zu beimpfen pflegen, ein Vielfaches von Ma¬
terial verstrichen wurde, und die Aussicht dementsprechend größer war,
daß Virus haften konnte. Der eine Fall, bei dem auf der Haut keine Ver-
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Übe» experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 91
änderungen aultraten, während die Kornea eine spezifische Trübung hatte,
ist dadurch aufzuklären, daß das Tier am 3. Tage nach der Impfung schon
spontan gestorben war.
Es ergibt sich also aus unserem Material, daß es am zweckmäßigsten
sein wird, in allen Fällen, wo durch den Kaninchenversuch virulentes
Vacqinematerial nachgewiesen werden soll, die Hornhaut und die Haut
auf breiter Fläche zu impfen. Tritt die spezifische Hornhauttrübung auf,
so wird durch den Nachweis der Guarnierikörperchen unmittelbar das
Vorhandensein von Vaccinevirus erwiesen, und der Prozeß auf der Haut
als Vaccineeruption sichergestellt. Finden sich auf der Haut nur einzelne
Pusteln, so ist es notwendig, falls sie nicht als einwandfreie Vaccinepusteln
kenntlich sind, durch Weiterimpfung ihres Inhalts auf Hornhaut und Haut
eines neuen Kaninchens den Nachweis des Virus zu erbringen.
Bezüglich der Fehlerquellen bei der Verwendung von Kaninchen seien
noch zwei Punkte erwähnt. Erstens ist es unzweckmäßig, bei gescheckten
Kaninchen pigmentierte Hautpartien zu beimpfen, weil auf diesen das
Vaccinevirus schlechter haftet und weniger deutliche oder gar keine Erup¬
tionen gibt, und weil der Haarwuchs auf solchen Stellen besonders schnell
vor sich zu gehen pflegt. Zweitens vermeide man, an sehr heißen Sommer¬
tagen Kaninchen zu impfen, weil dann an diesen gelegentlich recht schlechte
Resultate erzielt werden. Eine Erklärung habe ich für diese Tatsache
bisher nicht.
Der Befund weniger isoliert stehender Pusteln auf der Kaninchen¬
haut bei Tieren, die an der Hornhaut nicht geimpft waren oder keine
Trübung der Hornhaut hatten, machte uns zu Beginn der Versuche
Schwierigkeiten. Es war auch in solchen Fällen, wo die Hautverände¬
rungen sicher als Vaccine kenntlich waren, der Befund nicht als einwand¬
frei beweisend für den betreffenden Versuch gewertet worden, da die
Möglichkeit einer spontanen Vaccineübertragung nicht ausgeschlossen
werden konnte. Und gerade bei dem Nachweis geringer oder abgeschwächter
Vaccine erlebt man es nicht selten, daß auf der Haut noch wenige Pusteln
erscheinen, während die Hornhaut frei bleibt. Die Wertung dieses Be¬
fundes ist aber besonders wichtig, denn er scheint ja zu beweisen, daß
die Hornhautimpfung die weniger zuverlässige diagnostische Methode
sei. Es liegen hier jene Verhältnisse vor, die ich schon erwähnt habe.
In die Homhautkratzer sind eben nur sehr geringe Mengen Material ein¬
zubringen. Man ist also gezwungen, von der fraglichen Hautpustel aus
auf die Kornea zu übertragen und an ihr den definitiven Nachweis der
Vaccine zu erbringen. Würde an Stelle des Homhautkratzers aber das
Material in die Hornhaut selber injiziert, so wäre die Empfindlichkeit
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H. A. Gins:
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wohl entsprechend der etwas größeren Menge von Injektionsmaterial zu
steigern, aber es müßte zum Nachweis der Guarnierikörperchen jedes¬
mal der Bulbus histologisch verarbeitet werden. Das ist bei großen Ver¬
suchsreihen, die in der Woche die Untersuchung von 50 und mehr Horn¬
häuten nötig machen, kaum durchführbar und für zahlreiche Versuche
unmöglich, da wir besonderes Interesse an den Tieren haben, die schon
einmal an Hornhaut oder Haut eine Vaccineinfektion durchgemacht haben.
Man muß sich dann auf die Vitalfärbung der Guarnierikörperchen be¬
schränken, wie ich sie seinerzeit empfohlen habe (8).
Kommen nun bei den Kaninchen spontane Vaccineübertragungen
vor? Im Verlauf unserer Vaccineversuche, die sich jetzt schon auf ein
Tiermaterial von über 700 Kaninchen erstrecken, hat sich herausgestellt,
daß diese Gefahr nicht vorliegt. Bei sehr zahlreichen Impfungen mit
sicher nicht virulentem Material, das auf beiden Seiten in breiter Fläche
verstrichen wurde, konnten wir niemals auch nur einzelne Pusteln beob¬
achten, trotzdem die Tiere in Ställen und Käfigen gehalten wurden, in
denen vorher häufig virulent geimpfte Kaninchen saßen. Um diese wichtige
Frage endgültig zu entscheiden, wurde bei mehreren Dutzend Tieren nur
die rechte Seite beimpft, aber die linke Seite in gleicher Weise rasiert und
mit Impfschnitten versehen. Auch bei dieser Versuchsanordnung traten
niemals Pusteln auf der linken Tierseite auf. Die einzige Beobachtung
in dieser Richtung betraf eine sehr wahrscheinliche Spontaninfektion bei
einem Kaninchen, das mit anderen virulent geimpften Tieren zusammen
in demselben Käfig gehalten wurde. Eine experimentelle Wiederholung
einer solchen Übertragung gelang jedoch nicht.
Für ausgedehnte Versuche mit Kaninchen ist dieses Verhalten bei¬
nahe als Bedingung anzusehen; denn wäre die Gefahr der Spontaninfektion
vorhanden, dann würde das experimentelle Arbeiten außerordentlich er¬
schwert. Jeder Käfig müßte vor jedem Versuch sterilisiert werden, es
müßten verschiedene Ställe dauernd in Betrieb gehalten werden usw.
Da wir für unsere Versuche ständig 20 bis 30 Käfige mit vaccineinfizierten
Kaninchen benutzten, wäre die Möglichkeit der spontanen Übertragung
entschieden vorhanden gewesen; trotzdem wurde keine beobachtet.
Es muß jedoch betont werden, daß unsere Erfahrungen über die
Seltenheit der Spontanübertragung sich nur auf Kaninchen beziehen,
nicht aber auf den Menschen oder das Kalb. Denn hier liegen zweifellos
andere Verhältnisse vor. Beim Menschen ist die spontane Vaccineüber¬
tragung gar nicht selten, und daß sie beim Kalbe vorkommt, wissen wir
aus den Erfahrungen der Impfanstalten und können es schließen aus
dem Auftreten der Kuhpockenerkrankungen beim Rindvieh, während
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
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eine spontane Kaninchenpockenkrankheit bisher noch nicht nach¬
gewiesen ist.
Die Veränderungen der Kaninchenkornea nach der Impfung mit
Vaccinevirus sind von Hückel (2), v. Wasielewski (3), Paschen (4)
und v. Prowazek (5) schon so genau beschrieben worden, daß es un¬
nütz erscheinen könnte, noch einmal auf dieses Thema einzugehen. Immer¬
hin glauben wir einige wenige Punkte noch einmal betibnen zu müssen.
Die meisten Autoren bisher schilderten die makroskopisch sichtbaren Ver¬
änderungen derart, daß nach wenigen Tagen sich auf der Hornhaut ein
kleiner pustelartiger Tumor entwickelt, der dann zerfällt und zu einem
kleinen Geschwür wird. In dessen Umgebung sind dann die Vaccine¬
körperchen sichtbar. Diesen Befund haben wir oft genug erhoben, ganz
entsprechend dieser Schilderung aber nur bei der Verimpfung abgeschwäch¬
ten oder sehr stark verdünnten Materials. Sonst verlief die Hornhaut¬
vaccine bei unseren Kaninchen wesentlich stürmischer. Allerdings wich
unsere Impftechnik etwas von der meist geschilderten ab. Wir machen
mit der Spitze einer sterilisierten Spritzenkanüle zwei sich kreuzende
Kratzer quer über die ganze Hornhaut und bringen dann eine Platinöse
voll des zu untersuchenden Materials durch Reiben in möglichst innige
Berührung mit der Hornhaut. Das Vorfällen der Nickhaut stört dabei
nicht, man kann auch unter dieser reiben. Der Rest des Materials bleibt
im Bindehautsack. Unmittelbar darauf tritt starker Tränenfluß auf, die
Bindehaut rötet sich leicht. Nach 24 Stunden ist die Hornhaut in ihrer
ganzen Ausdehnung uneben, feucht, am Rande bereits deutliche peri¬
korneale Injektion. Nach einem weiteren Tage pflegt die Hornhaut in
ihrer ganzen Ausdehnung deutlich getrübt zu sein, daneben ist eine Kon¬
junktivitis vorhanden. Am 3. oder 4. Tage ist der Prozeß, auf seinem Höhe¬
punkt, meistens an der Kreuzung der beiden Kratzer hat sich ein mehr
oder weniger großer Substanzverlust eingestellt. Die ganze Hornhaut ist
stark trüb, die Konjunktivitis hat sich derart verstärkt, daß häufig die
Lider ektropisch sind. Dann geht der Prozeß wieder zurück, doch dauert
es bis zu 3 Wochen und mehr, ehe die letzten Reste dieser ausgedehnten
Korneatrübung verschwunden sind.
Das histologische Bild derartiger ausgedehnter Hornhautveränderungen
ist insofern etwas befremdend, als die spezifischen Zelleinschlüsse keines¬
wegs gleichmäßig in der Hornhaut Vorkommen, sondern immer nur in der
Umgebung des Ulcus oder aber, wenn die Hornhaut entnommen wurde,
ehe es zu dem Epitheldefekt kam, an einem Sektor der Hornhaut, der
allerdings 1 / 5 bis 1 / 6 des ganzen Umfanges annehmen kann. (Wir legen
die Schnitte immer senkrecht zur Sehachse an und erhalten so kreis-
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H. A. Gins:
förmige Hornhautsegmente oder Ringe.) Bezüglich der Vaccinekörperchen
erübrigt es sich, nähere Beschreibung zu geben, da ihre Diagnose unter
den eben geschilderten Versuchsbedingungen nicht schwierig ist. Daß
wir sie für diagnostisch ausschlaggebend ansehen, habe ich früher schon
betont.
Auf einen anderen Bestandteil des histologischen Bildes hinzuweisen,
erscheint angebracht, das sind die Leukozyten. Zwischen Vaccineinfektion
der Hornhaut und den Leukozyten müssen irgendwelche engen Bezie¬
hungen bestehen, denn sie sind regelmäßig in großer Anzahl in und unter
der infizierten Hornhaut anwesend. Je ausgedehnter der Vaccineprozeß,
desto größer ihre Zahl. Sie kann so groß sein, daß der geimpfte und
Vaccinekörperchen enthaltende Hornhautteil wie mit einem Leukozyten¬
wall von dem übrigen Gewebe abgesperrt ist.
In den Leukozyten, die sich in der Nähe des Vaccineprozesses auf¬
halten, finden wir manchmal ganz vereinzelte, manchmal massenhaft
kleine Einschlüsse. Es werden dieselben Einschlüsse sein, die v. Prowacek
erwähnt hat und die er in nahe Beziehungen zu dem Vaccineprozeß bringt.
Sie stellen sich dar als kleine kugelige Gebilde, viel kleiner als Kokken,
mit einem feinen hellen Saum. Darstellbar sind sie nach Heidenhain
nicht, dagegen mit der Giemsa-Schnittmethode. Besonders deutlich wurden
sie, wenn wir die Präparate nach der Azetondifferenzierung kurze Zeit
in absolut wasserfreien Alkohol, dem einige Tropfen konzentrierte alko¬
holische Eosinlösung zugesetzt war, eintauchten. Sie waren dann als leuch¬
tend rote Körnchen in dem blassen Protoplasma deutlich sichtbar. Je
näher der Stelle, die Vaccinekörperchen enthält, desto reichlicher die
Leukozyten mit diesen Einschlüssen. Es macht uns, da immer eine Zahl
von Leukozyten frei ist von diesen Einschlüssen, durchaus den Eindruck,
als ob sie in der geimpften Hornhautpartie von den Leukozyten aufge¬
nommen und zwecks Vernichtung in das Körperinnere abgeschleppt würden.
Für den Vaccineprozeß scheinen auch sie charakteristisch zu sein, aller¬
dings gelang ihr Nachweis nicht ganz so regelmäßig, wie derjenige der
V accinekörperchen.
Versuche, derartige Leukozyteneinschlüsse in künstlichen Exsudaten
in der Kaninchenbauchhöhle aus Kälberlymphe zur Darstellung zu bringen,
waren erfolglos. Über die Natur dieser Einschlüsse ist nicht leicht ein
Urteil abzugeben. Am wahrscheinlichsten dürfte die Annahme sein, daß
es Reste von Zellbestandteilen und vielleicht auch Vaccinekörperchen
sind, die auf diese Weise unschädlich gemacht werden. Daß diese Körn¬
chen das Vaccinevirus selber darstellen, glaube ich nicht, daß sie identisch
sind mit den v. Prowazekschen, Volpinoschen (6) oder Paschenschen
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
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Körperchen, ist ja wohl möglich. Solange aber der Nachweis ihrer ätio¬
logischen Bedeutung nicht erbracht ist, können sie lediglich als interessanter
mikroskopischer Befund gebucht werden.
Erwähnen möchte ich noch, daß wir die Diagnose Vaccine von dem
Auftreten einer makroskopisch sichtbaren Keratitis abhängig machen, da
der Nachweis der Guarnierikörperchen in der anscheinend unveränderten
Hornhaut, in der vielleicht die Kratzer nach 4 bis 5 Tagen gerade eben
noch sichtbar sind, nicht selten Schwierigkeiten macht. Man sieht in
solchen Hornhäuten entlang der Narbe des verheilten Kratzers gelegent¬
lich in den Zellen Trümmer von zerfallenen Kernen und dergleichen, die
auch den vielleicht vorhandenen vereinzelten Guanierikörperchen jede
Beweiskraft rauben müssen. Dagegen ist das histologische Bild der
übrigens klinisch gut charakterisierten spezifischen Vaccinekeratitis ein
ganz eindeutiges und läßt jeden Zweifel an der Beweiskraft der Zellein¬
schlüsse verschwinden.
Auch zur Klinik der Vaccine nach ausgedehnter Hautimpfung können
wir keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte beisteuern. Wie Süpfle (1)
und zahlreiche andere Untersucher schon festgestellt haben, tritt beim
Kaninchen die genabelte, sekretgefüllte Pustel, die wir vom Menschen
und vom Kalbe kennen, nicht auf. Demnach ist der Ausdruck „Pustel¬
bildung“ beim Kaninchen nicht ganz zutreffend, da die Vaccine sich meist
als starke Infiltration und Rötung der obersten Hautschichten darstellt.
Nur selten findet man bei der Verimpfung gut virulenten Materials die
Andeutung richtiger Pustelbildung: auf dem Impf schnitt eine strich-
förmige, mit gelblichem Sekret gefüllte Stelle. Kommt es jedoch zur
Entwicklung einzeln stehender Herde, dann ist die einzelne Pustel besser
entwickelt und hebt sich von der umgebenden unveränderten Haut sehr
deutlich ab. Etwas andere Erscheinungen treten auf, wenn dem Kaninchen
das virulente Material nicht kutan in die Impfschnitte, sondern intrakutan
beigebracht wird, wie es zuerst von Novotny und Schick (7) gemacht
wurde. Es entsteht beim Kaninchen unmittelbar nach der Injektion eine
Quaddel, die nach mehreren Stunden verschwindet. Nach 24 Stunden
pflegt die Injektionsstelle unverändert oder leicht gerötet zu sein. Nach
zweimal 24 Stunden beginnt eine lebhafte Rötung und Schwellung in der
Umgebung der Injektionsstelle, 1 bis l 1 / 2 cm im Durchmesser groß. Nach
dreimal 24 Stunden beginnt auf der Höhe der Schwellung sich eine klein?
Einsenkung zu entwickeln, die im weiteren Verlauf zu einer zentralen Ne¬
krose führt. Eine echte Pustel, wie sie beim Menschen oder beim Kalbe
?ich entwickelt, tritt nicht auf.
Um uns zu überzeugen, daß die Hautveränderung nach intrakutaner
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Injektion eine spezifische ist, wurden zahlreiche Kontrollimpfungen aus¬
geführt. Wurde virulentes Material gleichzeitig dem einen Kaninchen
intrakutan injiziert, dem anderen in die Kornea gebracht, so ergab sich
immer Übereinstimmung bezüglich der späteren Veränderungen; waren
nach 3 bis 4 Tagen gerötete Infiltrate an den Injektionsstellen vorhanden,
so war auch eine spezifische Korneatrübung mit Guamierikörperchen
nachweisbar. Und ebenso blieben sowohl die intrakutan geimpften Stellen
als auch die zur Kontrolle dienende Hornhaut unverändert, wenn nicht
mehr virulentes Material verwendet worden war. Als weitere Kontrolle
wurden Glyzerin, Kaninchen- oder Kälberserum und durch 1 ständiges
Erhitzen auf 70° unwirksam gemachte Lymphe intrakutan injiziert. Alle
derartigen Stellen blieben reaktionslos, auch wenn demselben Tiere an
anderen Hautstellen virulentes Material injiziert wurde. Eine gerötete
Infiltration mit zentraler Nekrose wurde beim Kaninchen niemals an
solchen Kontrollstellen beobachtet, höchstens trat ein kleines Knötchen auf.
Für das in die Haut injizierte Vaccinevirus sind die Lebensbedingungen
augenscheinlich nicht so günstig, als beim Auf bringen auf die obersten
Hautschichten. Es gelang wohl, gut virulentes Material durch intrakutane
Injektionen zwei oder drei Passagen hindurch wirksam zu erhalten, aber
eine Vermehrung des Virus war nicht zu beobachten, und sehr bald war
es ganz unwirksam. Bei einigen Versuchen fanden sich besonders stark
ausgeprägte Infiltrationen mit deutlicher Nekrose. Vom getöteten Tiere
wurde Material zur Weiterimpfung in der Form entnommen, daß von
dem Unterhautzellgewebe her die Injektionsstellen freigelegt wurden. Die
Injektionsstelle stellte sich dann dar als etwa 1 cm im Durchmesser große
Infiltration mit reichlicher Blutversorgung, in deren Mitte ein etwa steck¬
nadelkopfgroßer Eiterherd sichtbar war. Das mikroskopische Bild dieses
Eiters ergab gleichmäßig große Mengen von Leukozyten ohne sonst irgend¬
wie besondere Befunde. Die kulturelle Untersuchung auf Bakterien blieb
ergebnislos, wenn Glyzerinlymphe als Ausgangsmaterial benutzt wurde.
Auffallend war es, daß sich in derartigem Eiter das Vaccinevirus gar nicht
mehr oder nur in nur sehr abgeschwächter Form nachweisen ließ. Es
machte durchaus den Eindruck, als ob die zahlreichen Leukozyten mit
der Vernichtung des Vaccinevirus etwas zu tun hätten. Ich erinnere hier
an das histologische Bild der stark infizierten Kaninchenkornea, bei welcher
ein starker Wall von polymorphkernigen Leukozyten den Vaccineprozeß
begrenzt, und an die Tatsache, daß sich infizierte Hornhäute jenseits des
8. Tages oft nicht mehr zur Fortzüchtung des Virus eignen.
Bei unserem zahlreichen Tiermaterial ergab sich die Gelegenheit, bei
infizierten Tieren nach Veränderungen innerer Organe zu suchen. Es wurde
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Uber experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
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daher bei jedem Tiere, das aus irgendeinem Grunde geschlachtet wurde,
eine Obduktion ausgeführt, die sich auf die Brust- und Bauchhöhle er¬
streckte. In der Brusthöhle wurden bei kutan infizierten Tieren niemals
Veränderungen beobachtet, nach intravenöser Injektion wurden manchmal
kleine embolische Herde in den Lungen gefunden. Dagegen »fanden sich
regelmäßig Veränderungen an den Kniefaltendrüsen und an der Milz,
soweit es sich um Kaninchen handelte, die mit virulentem Material kutan
geimpft waren. Hautimpfungen führten regelmäßig zu einer Schwellung
der regionären Kniefaltendrüse, die bis bohnengroß werden konnte. Die
Anschwellung der Drüse scheint abhängig zu sein von der Intensität des
Hautprozesses. Impfungen großer Flächen führten in der Regel zu er¬
heblicher Größe der geschwollenen Drüse, während örtliche beschränkte
Prozesse mit einer geringen Drüsenschwellung einhergingen. Die Virulenz
des zur Impfung verwendeten Materials scheint ebenfalls von Einfluß sein
zu können. Auf dem Schnitt war die Drüsenmasse feucht, aufgelockert, von
gelblicher Farbe. Blutungen in die Drüsenmasse wurden nicht beobachtet.
Die Milzschwellung schien mehr abhängig zu sein von der Virulenz
des Ausgangsmaterials als von der Größe der geimpften Fläche. Denn
gelegentlich fand sich die Milz stark vergrößert bei sehr virulenter Impfung
nur der einen Tierseite, während eine ausgedehnte Impfung beider Tier¬
seiten mit schwach virulentem Material nur zu einer unerheblichen Ver¬
größerung der Milz führte. Wir haben Milzschwellungen beobachtet, die
das Organ auf das Doppelte und mehr der normalen Größe brachten.
Auf dem Schnitt war das Milzgewebe breiig, die Zeichnung etwas
unscharf. Im mikroskopischen Bilde ließ sich kein für Vaccine charak¬
teristischer Befund erheben. Auf die Milzschwellung beim Vaccinekaninchen
ist bisher anscheinend nicht sehr geachtet worden, denn es finden sich in
der Literatur keine Hinweise darauf. Und doch handelt es sich hierbei
um eine bedeutungsvolle Tatsache. Denn wir haben in diesem Verhalten
der Milz immerhin einen Hinweis darauf, daß der Gesamtorganismus des
Kaninchens durch die Vaccineimpfung der Haut beeinflußt wird, daß das
Vaecinevirus die Eigenschaft haben muß, an inneren Organen Verände¬
rungen hervorzurufen. Wir werden so wiederum zu der noch nicht end¬
gültig gelösten Frage geführt: Kreist das Vaccinevirus im Tierkörper?
Da ich einen Beitrag zu dieser Frage gemeinsam mit dem Assistenten des
Laboratoriums Dr. med. vet. Weber geben werde, wird an dieser Stelle
nicht näher darauf eingegangen werden.
Nur sei hier noch verwiesen auf die Variolaerkrankung beim Menschen,
bei welcher als fast alleinige Veränderung innerer Organe eine Milzschwellung
durch die Obduktion schon häufig festgestellt wurde.
Zeltsehr. 1 . Hygiene. LXXXII 7
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Um die Zusammengehörigkeit der Drüsen- und Milzschwellung mit
dem Vaccineprozeß zu erweisen und ihren Ursprung durch eine bakterielle
Infektion auszuschließen, wurden zahlreiche bakteriologische Untersuchungen
solcher steril entnommenen Organe gemacht. Bei der Züchtung auf festen
und flüssigen Nährböden unter aeroben und anaeroben Verhältnissen wurde
kein Bakterienwachstum beobachtet.
Milzveränderungen nach Impfung der Kornea wurden niemals beob¬
achtet.
*
Wir dürfen es als feststehende Tatsache ansehen, daß beim
kutan geimpften Kaninchen eine Vergrößerung der regionären
Lymphdrüsen und eine Milzschwellung auftritt. Über ihre Be¬
deutung soll an anderem Orte berichtet werden, ebenso über
die Ergebnisse der Verimpfung dieser Organe.
Versuche zur Züchtung des Yaccinevirus außerhalb des
Tierkörpers.
Trotzdem schon mehr als zwölf Autoren, die geglaubt hatten, daß
ihnen die Züchtung des Vaccinevirus gelungen sei, sich von dem schließ-
lichen Mißerfolg ihrer Versuche überzeugen mußten, war die Nachprüfung
dieser Frage noch einmal notwendig, nachdem der Japaner Noguchi (9)
die Kultur des Poliomyelitisvirus und des Lyssavirus angeblich fertig¬
gebracht hatte, und Stabsarzt Fornet (10) mit seinen Versuchen zur
Züchtung des Variola- und Vaccinevirus an die Öffentlichkeit trat. Über
unsere negativen Versuche bei der Anwendung seiner Züchtungsmethode
habe ich in der Berliner mikrobiologischen Gesellschaft bereits berichtet.
Da unser Material seitdem noch umfangreicher geworden ist, seien die
Ergebnisse hier noch einmal dargestellt. Kulturversuche genau nach dem
Fornetschen Vorgehen konnten nicht angestellt werden, da die Voraus¬
setzung dafür sich nicht erfüllen ließ. Es gelang uns auch nach meiner
damaligen Mitteilung nicht, Vaccine durch Ätherbehandlung von allen
Begleitbakterien zu befreien und dabei virulent zu erhalten. Da aber
anderes bakterienfreies Einsaatmaterial beschafft werden konnte, hätten
unsere Versuche unter sonst gleichen Bedingungen dieselben Resultate,
wie sie Fornet erhielt, erzielen müssen. Es ist uns aber nie gelungen,
in Rinderserumbouillon bei 37° auch nur die Andeutung einer Vermehrung
des Vaccinevirus zu beobachten.
Bereits vor Fornets Mitteilung hatten wir einige Kulturversuche
angestellt. In der Annahme, daß in den Hautzellen Bestandteile vorhanden
sein könnten, die einer Weiterentwicklung des Vaccinevirus förderlich
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
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sind, wurde ein Hautextrakt folgendermaßen hergestellt: Kaninchenhaut,
von den Haaren befreit, wurde klein geschnitten und 48 Stunden lang in
der Kugelmühle mit Kochsalzlösung zerrieben. Die Flüssigkeit wurde
erst durch Papier abfiltriert und dann durch eine Chamberlandkerze zur
Sterilisierung geschickt. Dieser Hautextrakt gab, mit Kaninchenserum
zu 5 Prozent versetzt, die Nährlösung ab. Beimpft wurde sie mit bakterien¬
freier Glyzerinlymphe. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt im Brut¬
schrank bei 37° wurde Kaninchen 103 am 3. IX. 13 in die rechte Horn¬
haut geimpft.
Resultat: Am 11. IX. 13 keine Veränderung an der Hornhaut.
Zu einem weiteren Versuch wurde am 7. VIII. 13 in ebenso zusammen¬
gesetzter Nährlösung ein Hautstückchen eingebracht, welches von dem
mit virulenter Vaccine geimpften Kaninchen Kl. 56 steril entnommen
war. Am 6. IX., also nach etwa 4 Wochen Aufenthalt in der Nährlösung
bei 37°, wurde das Hautstückchen herausgenommen, zerkleinert, und dem
Kaninchen Kl. 107 von diesem Material in die gekratzte Hornhaut ein¬
gebracht. Nach zweimal 24 Stunden war der Homhautkratzer leicht ge¬
schwollen. Nach fünfmal 24 Stunden war an der Hornhaut eine kaum
merkliche Trübung festzustellen, Guar nie rische Körperchen waren nicht
vorhanden. Das Hautstückchen hatte also seine Virulenz vollständig ein¬
gebüßt.
Bei diesem Befund ist es nicht weiter verwunderlich, daß eine zweite
Kaninchenimpfung mit der nächsten Passage dieser „Kultur“ in gleicher
Nährlösung nach mehrtägiger Bebrütung bei 37 0 auch völlig ergebnislos blieb.
Weitere Versuche mit derartigem Hautextrakt haben wir dann nicht
mehr gemacht.
Eine Reihe von Nachprüfungen führte dann zur Verwendung der
von Fornet empfohlenen Rinderserumbouillon. Zwei Verimpfungen von
Vaccinematerial, das nach Ätherbehandlung mehrere Tage in aerober
Rinderserumbouillon bei 37 0 bebrütet worden war, auf die Kaninchenhorn¬
haut mußten ergebnislos bleiben, da sich später ergab, daß das Vaccine-
virus schon durch den Äther zerstört worden w r ar. Parallel mit diesen
Versuchen gingen andere, bei denen als Einsaatmaterial bakterienfreie
alte Glyzerinlymphe verwendet wurde. Als Nährmedium w r urde Rinder¬
serumbouillon benutzt, in die kurz vor der Beimpfung ein Stück steril
frisch entnommener Kaninchenniere eingelegt worden war (nach Tarozzi).
Der Luftabschluß wurde durch Aufgießen von flüssigem Paraffin bewirkt.
Bei dieser Anordnung soll das Virus der Poliomyelitis zur Vermehrung
zu bringen sein (Noguchi). Wir ließen die vorher auf ihre Wirksamkeit
geprüfte Lymphe 5 bis 7 Tage in dieser Bouillon bei 37° und verimpften
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dann auf die Kaninchenkornea. Ohne Erfolg! Es trat keine Spur Trübung
ein, im Schnitt durch die Hornhaut waren Guamierikörperchen nicht zu
sehen. Das vorher virulente Material hatte in der Bouillon seine Virulenz
verloren! Ganz ähnlich ging es mit dem zweimal 24 Stunden in Äther
geschüttelten Rohmaterial von Kalb 52 der Kgl. Impfanstalt. Die bakterio¬
logische Prüfung ergab unter aeroben und anaeroben Bedingungen Wachs¬
tum, die Virulenz war erhalten. Kaninchen 194, das dieses Material in
die rechte Kornea bekam, hatte nach 3 Tagen eine starke Keratitis, Guar-
nierikörperchen waren massenhaft vorhanden. Am 8. XI. 13 wurde ein
Teil dieser Äthervaceine zerkleinert, in steriler Kochsalzlösung aufge¬
schwemmt und bei 37° gehalten. Am 22. XI. wurde das Material in die
Kornea von Kaninchen 216 verimpft. Erst am 27. XI. trat eine kleine
Pustel auf, am 29. XI. hatte sich ein kleines Ulcus entwickelt, in dem
wenige Guarnierikörperchen nachweisbar waren. Das Vaccinevirus hatte
also in den 14 Tagen eine ganz erhebliche Abschwächung erfahren. Dieser
Versuch wurde noch mehrmals unter gleichen Bedingungen wiederholt.
Ganz gleich, ob als Einsaatmaterial Hautstückchen oder stark getrübte
Hornhäute verwendet wurden, nach mehrtägigem Aufenthalt in dem flüs¬
sigen Nährmedium bei 37° war die Virulenz erloschen oder erheblich ab¬
geschwächt.
Da dasselbe Ergebnis beobachtet wurde bei Verwendung von Koch¬
salzlösung, Rinderserumbouillon aerob und anaerob, Serumbouillon mit
überlebenden Organstücken, bei Glyzerinlymphe, Äthervaccine, steril ent¬
nommenen Haut- und Hornhautstückchen, müssen wir zu der Überzeugung
kommen, daß der mehrtägige Aufenthalt bei 37° das Vaccinevirus
bereits erheblich schädigt.
Nach unseren übereinstimmend ungünstigen Versuchen, in denen in
den bisher üblichen Nährmedien eine Vermehrung des Vaccinevirus nicht
gelang, ja nicht einmal von einer Konservierung gesprochen werden konnte,
wenn die Materialien bei 37° bebrütet wurden, erscheint wenig Aussicht
vorhanden, auf diesem Wege eine Kultur des lang gesuchten Vaccinevirus
zu bekommen.
So führten uns die Versuche, einer Anregung des Herrn Geh. Ober¬
medizinalrats Dr. Finger folgend, auf einen Weg, der in Deutschland
zur Züchtung des Vaccinevirus meines Wissens noch nicht betreten wurde:
Zur Züchtung von vaccineinfiziertem Gewebe nach der Carrelschen Me¬
thode. Unsere Versuche wurden seinerzeit unterbrochen und erst kürz¬
lich wieder aufgenommen. Zu einem Abschluß konnten sie noch nicht
gelangt sein. Zur Mitteilung unserer bisherigen Ergebnisse drängt mich
der Wunsch, diese Methode für weitere Versuche zu empfehlen, da hier
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 101
auf Grund unserer Erfahrungen wenigstens nicht von völliger Aussichts¬
losigkeit gesprochen werden kann. In dieser Hinsicht nämlich können wir die
Erfahrungen von Steinhardt, Israel und Lambert (11) bis zu einem
gewissen Grade bestätigen. Diese Autoren gingen so vor, daß sie Hornhäute
von Kaninchen und Meerschweinchen unmittelbar nach der Herausnahme
aus dem Tierkörper kurze Zeit in eine verdünnte dialysierte Glyzerin-
lymphe eintauchten und in Blutplasma brachten. Nach mehrtägigem
Aufenthalt im Plasma wurden die Hornhäute teils mikroskopiert, teils
auf Kaninchen verimpft. In allen Fällen, selbst nach über 30tägigem Auf¬
enthalt im Plasma bei 37 °, wurden positive Impferfolge an der Kaninchen¬
haut beobachtet. Und zwar soll ein ganz auffallender Unterschied in der
Zahl der Vaccineeruptionen sich gezeigt haben: Während das nicht in
Plasma befindliche Ausgangsmaterial zur Entwicklung einzeln stehender
Pusteln führte, entwickelte sich nach Verimpfung der in Plasma gehaltenen
Hornhäute immer eine konfluierendc Vaccine, so daß die Autoren aus
diesem Verhalten schließen, daß eine Vermehrung des Vaccinevirus ein¬
getreten sei.
Die mikroskopische Untersuchung derartiger, virulentes Material be¬
herbergender Hornhäute blieb völlig ergebnislos, Guar nierische Körper¬
chen konnten in ihnen nicht nachgewiesen werden. Daraus müßte man
schließen, daß die Guarnierischen Körperchen nicht notwendig zum
Zustandekommen einer Vaccineinfektion sind.
Wir selber haben diese Verhältnisse in der erwähnten Versuchsan¬
ordnung noch nicht nachprüfen können, werden es aber, sobald die Um¬
stände es gestatten, beginnen. Denn die Züchtung in Plasma verspricht,
dem Wesen der Guarnierikörperchen näherkommen zu können. In einer
späteren Mitteilung haben dieselben Autoren (12) weitere Erfahrungen
veröffentlicht. Der Grundversuch wurde wiederum bestätigt. Außerdem
wurde versucht, an Stelle von Hornhautgewebe das Gewebe anderer Organe
zu verwenden, um zu sehen, wie sich unter sonst gleichen Bedingungen
dieses zu dem Vaccinevirus verhält. Es stellte sich heraus, daß bei der
Anwesenheit von Lebergewebe das Vaccinevirus sehr bald zugrunde ging,
und daß bei Verwendung von Herzmuskel- und Nierengewebe keine Ver¬
mehrung zu beobachten war. Ebenso konnte keine Vermehrung beob¬
achtet werden, wenn Hornhautgewebe und Blutplasma von immunen
Kaninchen genommen wurden.
Da das Arbeiten mit überlebenden Zellen in # Blutplasma in Deutsch¬
land noch nicht zu den allgemein geübten Versuchsmethoden gehört, er¬
scheint es angebracht, unsere Versuchstechnik, die uns erfolgversprechende
Resultate ergeben hat, etwas ausführlicher darzustellen. An Apparaten
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und Instrumenten genügt das, was in jedem bakteriologischen Labora¬
torium vorhanden ist. Wichtig ist es, in der Nähe des Versuchsraumes
eine schnellaufende elektrische oder Handzentrifuge zu haben. Zum Auf¬
fangen des Kaninchenblutes dienen Zentrifugengläser, die mit Paraffin
ausgegossen sind. Wir machten das Paraffinieren derart, daß das Zentri¬
fugenglas bis zum Rande mit flüssigem, etwa 55° warmem Paraffin gefüllt
und das Paraffin sofort wieder in das Vorratsgefäß zurückgegossen wird.
Das Zentrifugenglas kommt dann in ein Wasserglas mit möglichst fein
gemahlenem Eis. Das an den Wänden haftende Paraffin erstarrt schnell
und bildet einen ziemlich gleichmäßigen, dünnen Überzug über die Innen¬
fläche des Zentrifugenglases. Das paraffinierte Glas wird nun dauernd
in dem Eise gehalten, während das Tier zur Entblutung vorbereitet wird.
W T ir nehmen das Plasma von dem geimpften Kaninchen selber, wenn die
Infektion nicht mehr als 5 Tage zurückliegt. Wir entbluteten immer aus
der Karotis, die in leichter Chloroformnarkose freigelegt wurde. Mit großem
Vorteil verwendeten auch wir bei der Entblutung ein rechtwinklig um¬
gebogenes, an einer Seite dünn ausgezogenes Glasröhrchen, das zwischen
einer Unterbindung und einer Abklemmung durch einen Schlitz in das
Lumen der Karotis eingebracht und festgebunden wurde. Beim öffnen
der Klemme läßt sich das Blut in gleichmäßigem Strome bequem ent¬
nehmen. Es ist bei der Plasmagewinnung wichtig, die Öffnung dieses Glas¬
röhrchens bei der Blutentnahme in das paraffinierte Zentrifugenglas hinein¬
zuhalten, während dieses noch im Eise steckt. Denn nur bei rascher Ab¬
kühlung des ausfließenden Blutes ist die Gerinnung zu verhindern. Das
mit Blut angefüllte Zentrifugenglas wird möglichst schnell, jetzt nach
Herausnahme aus dem Eise, tariert und etwa 5 Minuten lang schnell
zentrifugiert. Empfehlenswert ist es, den Zentrifugeneimer auch in Eis
gut zu kühlen. Dann kommt das Zentrifugenglas in das mittlerweile neu
gefüllte Glas mit Eis zurück. Es hat sich nach dieser Zeit in der Regel
schon genügend viel Plasma abgesetzt, wie es für den Versuch ausreicht.
Um brauchbar zu sein, muß das Blutplasma noch ganz flüssig sein, wovon
man sich erst überzeuge. Dabei ist zu beachten, daß gelegentlich eine schon
cingetretene Gerinnung übersehen wird, weil das aus dem Plasma ausge¬
preßte Serum dieselbe Farbe hat, wie die koagulierte Substanz.
Während der Bereitung des Plasmas müssen schon alle Vorbereitungen
für die anzulegenden Kulturen getroffen sein. Dazu gehören die bereits
mit Vaseline bestrichepen Objektträger und die schon auf Cornetsche
Pinzetten montierten Deckgläser. Sollen von der Hornhaut Kulturen
angelegt werden, dann entnimmt man die Hornhautstückchen von dem
mittlerweile entbluteten Tiere nach Luxation des Bulbus und gründlichem
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Uber experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 103
Abspülen mit steriler Kingerlösung mit einem Skalpell, bringt sie sofort
in Ringersche Lösung, wäscht kurz aus, bringt in neue Ringersche Lösung
und dann in einen Tropfen Plasma auf ein Deckglas, oder man bedeckt
das Organstückchen mit Plasma. Die sämtlichen Handgriffe müssen sehr
schnell ausgeführt werden, damit das Plasma nicht schon erstarrt, ehe
das Hornhautstückchen hineingebracht ist. Das Deckglas kommt dann
auf den Objektträger, wird gut mit Vaseline verstrichen, um die Aus¬
trocknung zu verhindern, und dann in den Thermostaten. Natürlich ist
für das Gelingen der Versuche absolut steriles Arbeiten Vorbedingung.
Sobald das Plasma mit Bakterien verunreinigt ist, hört jede Möglichkeit
eines Erfolges auf. Die große Schwierigkeit bei diesen Versuchen besteht
darin, daß es eigentlich ganz vom Zufall abhängig ist, ob man ein bak¬
terienfreies Homhautstückchen erwischt. Durch das Auswaschen in Ringer
läßt sich allerdings schon viel erreichen, aber wo die Bakterien schon
zwischen das Hornhautepithel eingedrungen sind, können sie nicht mehr
entfernt werden.
Unsere ersten Versuche litten unter diesen Schwierigkeiten, bis es
allmählich gelang, das Bakterienwachstum zu verhindern. Von einer Be¬
brütung bei 37° sahen wir ab, da auf Grund unserer bisherigen „Kultur¬
versuche“ eine Schädigung des Vaccinevirus bei dieser Temperatur als
sicher angenommen werden mußte. Wir brachten die Plasmakulturen
daher in der Regel in 30 bis 32°, eine Temperatur, die derjenigen in den
oberen Hautschichten entsprechen dürfte. Als Einsaatmaterial benutzten
wir zuerst Haut- und Milzstückchen von nortnalen Kaninchen, um die
Technik zu üben und um die im Plasma auftretenden Veränderungen zu
studieren.
Die Hautstückchen gaben uns bisher insofern schlechte Resultate,
als wir nur selten sterile Stückchen hatten, also die Bakterienverunreinigung
lebhaft störte. Aber auch zeigten uns bisher die eingesäten Stückchen so
wenig Veränderungen, daß vom Überleben größerer Zellkomplexe nicht
gesprochen werden konnte. Vielleicht spielt die Entnahme der Haut¬
stückchen dabei eine größere Rolle, als wir ihr bisher zumaßen. Später
anzustellende Versuche werden darüber Aufklärung geben. Die Verarbeitung
von Milzstückchen war zur Einübung der Technik bedeutend günstiger.
War die Plasmabereitung gut gelungen, und wurden die Milzstückchen
schnell entnommen und eingelegt, dann konnte man nach 1 bis 2 Stunden
schon die ersten Veränderungen beobachten. Sie betrafen die reichlich
in der Milz vorhandenen Leukozyten. Bei Beobachtung des Randes des
Organstückchens mit dem schwachen Trockensystem sah man schon nach
wenigen Stunden außerhalb von ihm einen feinen Saum. Mit stärkerer
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H. A. Gins:
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Vergrößerung, Immersion oder Apochromat, konnte man deutlich er¬
kennen, daß er aus zahlreichen auswandemden Leukozyten bestand. Das
Vortreiben der Pseudopodien, die Form Veränderung des Kernes bei der
Vorwärtsbewegung, das Nachfließen des Protoplasmas waren ausgezeichnet
zu sehen, und die Ortsveränderung der Zelle konnte genau verfolgt werden.
Es ergab sich das Bild zahlloser wandernder Amöben. Nach 24 Stunden
machte das Organstück den Eindruck, als ob es von einem unendlich feinen
Strahlenkranz umgeben sei, der sich bei Besichtigung mit stärkeren Systemen
enthüllte als Züge von Leukozyten, die sich von dem Organstück entfernt
hatten.
Wir fanden bei der Weiterbeobachtung dieser Organstückchen nach
drei- und viermal 24 Stunden Aufenthalt in Plasma noch zahlreiche gut
bewegliche Leukozyten und waren überrascht, wie weit sie sich von dem
Milzstückchen entfernt hatten. Sie waren bis an die Grenze des Plasma¬
tropfens gekrochen, also bis 3 bis 4 mm von dem Rande des Milzstückchen?
entfernt. An diesem selber waren die Veränderungen nicht so augenfällig.
Jedoch fanden wir nach zwei- bis dreimal 24stündiger Bebrütung an irgend¬
einer Stelle des Stückchens Zapfen, die in das Plasma hineinragten, an¬
scheinend aus Bindegewebszellen bestehend. Diese Zellkomplexe müssen
sich erst im Plasma entwickelt haben, denn auf der Zeichnung, die unmittel¬
bar nach Einbringen des Milzstückchens in das Plasma gemacht wurde,
waren sie noch nicht vorhanden. Daß diese augenscheinliche Vermehrung
der Zellen immer nur an einer oder an wenigen Stellen vor sich ging und
nicht rings um das Milz&ückchen, führe ich darauf zurück, daß unsere
Technik der Entnahme von Organstückchen noch etwas mangelhaft ist.
Wahrscheinlich sind die Organstückchen nicht schnell genug in das Plasma
gekommen, so daß ein großer Teil der Zellen schon seine Vermehrungs¬
fähigkeit eingebüßt hatte. Wurde die Bebrütung in demselben Plasma
mehr als 5 Tage fortgesetzt, dann stellten sich deutliche Degenerations¬
erscheinungen an den Zellen ein, die Kerne wurden verschwommen, ihr
Inhalt zerfiel, die Zellen wurden kugelig, das Protoplasma wies Vakuolen auf.
Nachdem unsere Vorversuche ergeben hatten, daß im Plasma eine
sehr gute Konservierung lebender Zellen möglich ist, daß sogar eine Ver¬
mehrung von Organzellen zu beobachten ist, wenn wir auch die Erfolge
von Harrison und Carrel bei weitem noch nicht erreichten, gingen wir
daran, beimpfte Hornhäute und Hautstückchen in Plasma zu bringen.
Die ersten in Plasma eingelegten Hornhäute stammten von Kaninchen,
die 5 bis 7 Tage vorher mit virulentem Material geimpft worden w r aren.
Vor der Verarbeitung der Hornhäute wurden Guarnierikörperchen vital
nachgewiesen. Gleich die ersten Einsaaten führten zu einem glatten Miß-
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
105
erfolg. Es wurden Korneastückchen von einem mit Vaccine geimpften
Kaninchen in Plasma gebracht, und nach 5 Tagen dieses Plasma verimpft
auf die Corneae von Kaninchen Kl. 199. Die Kulturen waren bei 35°
gehalten. Die Verimpfung ergab auf der linken Hornhaut keine Ver¬
änderung. Die rechte Hornhaut wurde mit Plasma beimpft, in dem Haut¬
stückchen von demselben Kaninchen lagen und unter gleichen Bedingungen
in Plasma gehalten waren. Auch hier waren keine Veränderungen nach¬
weisbar. Ebenso blieb ein Versuch ergebnislos, bei dem die Haut- und
Korneastückchen 4 Tage in Plasma bei 30° gehalten waren.
Ein weiterer Versuch unter ähnlichen Bedingungen, bei dem die Kul¬
turen im Thermostaten bei 22° gehalten waren, blieb auch ergebnislos.
Aus diesen drei Versuchen ist zu schließen, daß das Vaccinevirus sich
auch im Plasma nicht außerhalb des Gewebes entwickelt. Es war also
zu untersuchen, wie es mit den Hornhäuten selber sich verhält. Von Horn¬
haut und Haut von Kaninchen 390, bei welchem Vaccine nachgewiesen
war. wurden kleine Stückchen in Plasma gebracht und bei 22° und 32°
im Thermostaten gehalten. Nach 48 Stunden wurden die Kulturen mikro¬
skopisch untersucht. An den Organstücken, die bei 22° gehalten waren,
hatten sich keine Veränderungen gezeigt.
Dagegen konnte man an den Hornhautstückchen, die bei 30° ge¬
halten waren, an einigen Stellen Zellverbände sehen, die wie schmale
Säulen aus dem Organ Stückchen hervorragten. Es ist sehr wahrschein¬
lich, daß diese Zellverbände sich im Plasma entwickelt haben. Andere
Zellkomplexe innerhalb des Organstückchens wiesen Vakuolen in den Zellen
auf, wieder andere machten den Eindruck, als ob sich Fettropfen in
den Zellen gebildet hätten.
Die Entwicklung muß bald zum Stillstand gekommen sein. Am 2. V.
waren deutliche Zeichen von Degeneration der Zellen vorhanden, außer¬
dem hatten sich große Bakterienmengen entwickelt. Trotzdem wurde das
Hornhautstückchen am 2. V. auf die rechte und linke Kornea eines
Kaninchens verimpft. Bereits nach 24 Stunden war die linke Kornea in
ihrer ganzen Ausdehnung stark getrübt, die rechte Kornea war unver¬
ändert. Am 5. V. war der Befund ebenso, in der linken Kornea wurden
zahlreiche Giiarnierikörperchen nachgewiesen.
Auffallend ist bei dem Ausfall dieses Versuchs das verschiedene Ver¬
halten der rechten und linken Hornhaut, trotzdem beide mit gleichem
Material beimpft waren. In der einen Hornhaut bewies die starke Trübung
nach 48 Stunden das Vorhandensein sehr reichlichen virulenten Materials.
Hie Vermehrung des Virus im Plasma geht daraus nicht hervor, obgleich
derartige schnell eintretende starke Keratitis bei der Verimpfung von viru-
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H. A. Gins:
lenten Hornhäuten nicht alltäglich ist. Das Freibleiben der anderen Horn¬
haut erklärt sich wahrscheinlich dadurch, daß bei der Impfung infolge
zu leichten Kratzens das Hornhautepithel nicht verletzt worden war, und
daher eine Infektion nicht zustande kommen konnte.
Vom Kaninchen 390 wurde am 8. Tage nach der Infektion Hornhaut¬
material entnommen und in Kaninchenplasma eingebracht. Die Organ¬
stückchen wurden 2 Tage bei 30° gehalten und dann auf die linke Horn¬
haut eines Kaninchens verimpft, die rechte Hornhaut blieb ungeimpft.
Nach 3 Tagen war an der geimpften Hornhaut eine deutliche Trübung
vorhanden. Im Schnitt waren Guamierikörperchen vorhanden, daneben
aber massenhaft Stäbchen und Kokken, die sich auf dem kleinen Kornea-
ulkus angesiedelt hatten und zum Teil in das Gewebe selber eingedrungen
waren. Für die Frage der Vermehrung des Virus ist dieser Versuch nicht
sehr wertvoll. Seine Erwähnung wird gerechtfertigt durch die Tatsache,
daß mit der in Plasma aufbewahrten Hornhaut, trotzdem sie erst am 8. Tage
nach der Infektion entnommen war, noch eine deutliche Vaccine zu er¬
zeugen war. Man hat zwar Impferfolge bei wesentlich älteren Hornhäuten
gesehen (v. Prowacek), doch ist in diesen Fällen der Nachweis virulenten
Materials eben noch gelungen, während bei unserem erwähnten Versuch
ganz beträchtliche Mengen von Virus nachgewiesen wurden.
Wesentlich erfolgreicher und für die Frage wichtiger wurde die Ver¬
arbeitung von Hornhautmaterial des Kaninchens 450. Dieses Tier war
am 7. V. 14 mit Lapine von Kaninchen 304 auf Haut und rechte Horn¬
haut geimpft worden. Am 12. V., also am 5. Tage nach der Infektion,
war die rechte Hornhaut in ihrer ganzen Ausdehnung stark trüb. Die
Vitalfärbung zeigte Zellkomplexe, in denen jede einzelne Zelle ihr großes
Vaccinekörperchen beherbergte. Von dieser Hornhaut wurden nun am
12. V Plasmakulturen angelegt. Vor der Entnahme der Organstückchen
wurde die Hornhaut mit 1 / i Liter steriler Ringer scher Lösung, die in
dünnem, starkem Strahl auf sie geleitet wurde, abgespült. Damit sollte
der Bindehautsack gründlich ausgewaschen, und die Hornhautoberfläche
von allen Keimen befreit werden. Die Homhautstückchen wurden so¬
gleich nach dem Einbringen in Plasma mikroskopiert. In einigen von ihnen
waren zahlreiche deutliche, große Vaccinekörperchen sichtbar. Nur der¬
artige Stückchen wurden zum weiteren Versuch in den Thermostaten bei
31 0 gebracht. Jeden Tag wurden die Stückchen mikroskopiert, um irgend¬
welche Veränderungen an ihnen zu entdecken. Nach dreimal 24 Stunden
waren an einigen Stückchen säulenartige oder manchmal flächenhafte
Vortreibungen in das umgebende Plasma zu beobachten. Weitere Auf¬
schlüsse über histologische Einzelheiten konnten nicht erhalten werden.
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Übek experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 107
Nach fünfmal 24 Stunden waren keine Veränderungen über das schon
Gesehene hinaus nachweisbar. Ein Hornhautstückchen wurde nach fünf¬
tägigem Aufenthalt in Plasma, so wie es auf dem Deckglas montiert war,
in heißem Sublimatalkohol fixiert und dann 24 Stunden in Delafield-
schem Hämatoxylin gefärbt. Das mikroskopische Bild war nun ein sehr
lehrreiches. Die größte Zahl der Zellen erschien ganz unverändert, die
Kerne wie unmittelbar nach der Herausnahme aus dem Tierkörper. Also
hatte der 5 tägige Aufenthalt in Plasma die Mehrzahl der Zellen in keiner
Weise geschädigt. Nur an einzelnen Stellen waren die Kerne in einzelne
intensiv gefärbte, unregelmäßig runde Schollen zerfallen. Zwischen dem
Homhautstückchen und dem Plasma fand sich ein kleiner Zwischenraum,
der die Begrenzung des Plasmas gegenüber dem Organ darstellte. Dieser
Zwischenraum war an einer Stelle, die etwa ein Achtel des Umfanges ein¬
nahm, überbrückt durch eine dünne Schicht von Homhautzellen, welche
sich in das Plasma hinein erstreckte. Zur Zeit der Einsaat war diese Partie
von Hornhautzellen noch nicht vorhanden, sie hatte sich erst im Plasma
entwickelt. In diesen Zellen, fast in jeder von ihnen, fanden sich Ein¬
schlüsse, homogene Scheiben mit feinem hellen Hof, durch ihre intensive
Färbung sich von dem blassen Zellkern deutlich abhebend, die man sehr
wohl für Vaccinekörperchen halten konnte. In unserem Verdacht, daß
es sich um solche handeln könnte, wurden wir wesentlich bestärkt, als
wir in dem alten Hornhautstückchen an den verschiedensten Stellen in
den Zellen sichere Vaccinekörperchen fanden, die ihrem Stadium ent¬
sprechend nicht wohl in einer 5 tägigen Hornhaut vermutet werden konnten.
Es waren ganz kleine Formen, wie man sie in den ersten 2 Tagen des
Vaccineprozesses zu sehen gewöhnt ist, von denen wir also annehmen
müssen, daß sie sich erst in der Plasmakultur entwickelt haben. Eine
Wiederholung dieses Versuches ist aus äußeren Gründen noch nicht möglich
gewesen. Wir werden so bald als möglich weitere Versuche darüber an¬
stellen, um den noch fehlenden Nachweis zu bringen, daß bei der Züchtung
von infizierter Hornhaut im Plasma sich in den neugebildeten Zellen
Vaccinekörperchen entwickeln können. Mit der Wahrscheinlichkeit eines
solchen Verhaltens stimmte unser Tierversuch mit einer anderen Horn¬
haut-Plasmakultur aus derselben Reihe gut überein. Am 19. V. 14, also
nach 7 tägigem Aufenthalt in Plasma bei 31°, wurde ein Hornhautstückchen
von Kaninchen 450 auf die rechte Hornhaut und die rechte Hautseite von
Kaninchen 484 verimpft. Nach 4 Tagen waren auf der Haut deutliche
Pusteln vorhanden, die Hornhaut war total getrübt, hatte zentral einen
großen Substanzverlust, im vital gefärbten Präparat waren massenhaft
Vaccinekörperchen vorhanden.
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Die Verimpfung dieser Homhaut-Plasmakultur am 7. Tage nach der
Einsaat muß ungefähr den Höhepunkt der Virulenz angezeigt haben, denn
bei der Verimpfung stark infizierter Hornhäute pflegten wir sonst niemals
so weitgehende Zerstörung der neuen geimpften Hornhaut zu beobachten,
und eine Verimpfung der Hornhaut-Plasmakultur vom Kaninchen 450
nach 11 tägiger Bebrütung ergab auf der Hornhaut von Kaninchen 494
nichts mehr, auf der Haut nur noch ganz vereinzelte Pusteln.
Die Kultur von Hautstückchen von Kaninchen 450 hatte weniger
günstige Ergebnisse. Nach 7 tägiger Bebrütung bei 31° ergab die Ver¬
impfung auf die Kaninchenkornea nichts, auf der Haut entstanden einzelne
Pusteln. Nach 11 tägiger Bebrütung war das Resultat gleich. Die mikro¬
skopische Untersuchung der Hautstückchen hatte an keinem Tage irgend¬
welche Veränderungen nach weisen lassen.
Bei diesem Versuche muß, im Gegensatz zu dem Resultat der drei
früher erwähnten Versuche, Vaccinevirus in das Plasma eingedrungen
sein; ob es sich dann vermehrt hat, kann nicht erwiesen werden.
Am 14. V. wurde Kaninchen 472 in die rechte Hornhaut mit dem
Plasma, nach Herausnahme des Hornhautstückchens von Kaninchen 450,
geimpft. Die Bebrütungsdauer war 3 Tage bei 31° gewesen. 4 Tage nach
der Verimpfung hatte das Kaninchen eine Hornhauttrübung, Vaccine¬
körperchen wurden vital nachgewiesen.
Als Resultat dieser wenigen orientierenden Versuche über die Brauch¬
barkeit von Kaninchenplasma zu Züchtungsversuchen können wir fest¬
stellen: Das Vaccinevirus läßt sich in Kaninchenplasma bei
31° unter günstigen Bedingungen 7 Tage lang so gut konser¬
vieren, daß der Gedanke einer gewissen Vermehrung außerhalb
des Tierkörpers naheliegt. Er wird berechtigt durch die Fest¬
stellung von Zelleinschlüssen in neugebildeten Hornhautzellen,
die unter anderen Umständen ohne weiteres als Vaccinekörper¬
chen angesprochen werden würden.
Hautstückchen von Vaccinekaninchen, in Plasma gebracht, ver¬
änderten sich makroskopisch nicht und gaben bei der Verimpfung nur un¬
günstige Resultate. In ihnen scheint sich das Vaccinevirus auch bei 31°
nicht konservieren zu lassen. Von einer Züchtung des Vaccinevirus außer¬
halb des Tierkörpers sind wir also noch recht weit entfernt. Allerdings
müssen erst noch alle Möglichkeiten der Harrison-Carrelschen Methode
ausgeschöpft sein, ehe ein abschließendes Urteil möglich ist. Immerhin
ermuntern unsere bisherigen Ergebnisse zu weiteren Versuchen mit dieser
Methode.
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 109
Über den Einfluß einiger Desinfektions- und Konservierungs¬
mittel anf Virulenz und Keimgehalt der Vaccinelymphe.
Unsere Erfahrungen mit der Ätherbehandlung der Vaccinelymphe
nach Fornet (10) habe ich bereits in dem ersten Bericht über unsere
Versuche mitgeteilt (8). Es ergab sich als Resultat unserer ausgedehnten
Nachprüfung, daß
1. durch die Ätherbehandlung eine rasche Verminderung der Keimzahl
eintritt,
2. eine völlige Entfernung der Bakterien nur selten gelingt,
3. das Vaccinevirus durch den Äther regelmäßig geschädigt oder gar ab¬
getötet wird,
4. die Herstellung einer virulenten Lymphe ohne jeden Bakteriengehalt
nie gelang,
5. durch die Ätherbehandlung kein Impfpräparat zu erzielen ist, das der
Glyzerinlymphe ebenbürtig wäre.
Dieses Ergebnis ist mittlerweile von den verschiedensten Seiten be¬
stätigt worden. Damit war das Urteil über Fornets zuerst veröffentlichte
Methode gesprochen. In den letzten Monaten vor Kriegsausbruch hat nun
Fornet seine Methode modifiziert und erwartete, nun bessere Resultate
zu erhalten. Im Laufe des Juni 1914 bekamen wir einige nach der neuen
Methode hergestellte Proben, deren Untersuchung folgendes ergab.
Probe I erwies sich bei 10 tägiger Bebrütung in Serumbouillon als
anaerob steril, aber durch die aerobe Kultur waren noch Bakterien nach¬
weisbar. Am Kaninchen ging das Material verzögert an, jedoch waren
5 Tage nach der Impfung auf der Haut einzeln stehende, gut entwickelte
Pusteln, die Hornhaut hatte ihre spezifische Väccinetrübung.
Also handelte es sich um eine nicht bakterienfreie, in ihrer Virulenz
geschädigte Lymphe.
Probe II erwies sich als völlig frei von Bakterien, die Verimpfung
auf Haut und Hornhaut blieb aber resultatlos. Hier war also mit dem
letzten Bakterium auch der letzte Rest Vaccinevirus zerstört.
Probe III war ebenfalls frei von Bakterien. Die Verimpfung ergab
auf der Kaninchenhaut das Entstehen einer Pustel, die Hornhaut blieb
unverändert. Pie Virulenz war bis auf einen minimalen Rest erloschen.
Probe IV war ebenfalls frei von Bakterien. Die Verimpfung führte
zu einer schwachen Hornhauttrübung, auf der Haut entstanden zweifel¬
hafte, pustelähniiche Gebilde: Also auch hier fast völliges Verschwinden
der Virulenz.
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H. A. Gins:
Eine weitere Reihe von Proben, die in der Pissin sehen Anstalt nach
Fornets neuer Äthermethode hergestellt worden waren, verhielten sieh
ebenso. Zwei Proben ergaben bei der Verimpfung recht gute Vaccine¬
eruption, waren aber nicht bakterienfrei.
Eine Probe ergab einzelne, aber recht gut entwickelte Hautpusteln,
während die Hornhaut unverändert blieb. Die Probe war nicht bakterienfrei.
Zwei Proben erwiesen sich als völlig bakterienfrei, aber ihre Virulenz
war ganz erloschen.
Der Ausfall dieser Versuche bestätigt also genau unsere früheren Er¬
fahrungen. Der Äther wirkt wie ein Desinfektionsmittel auf das Vaccine¬
virus ein. Dieses aber verhält sich den Desinfizientien gegenüber wie die
anderen bekannten Krankheitserreger, d. h. es wird allmählich abgetötet.
Eine gewisse größere Widerstandsfähigkeit gegen die Ätherwirkung hat
es wohl, wenn man es mit anderen sporenlosen Bakterien vergleicht, aber
es erscheint unmöglich*, die Grenze so zu treffen, daß beim Vaccinevirus
die Virulenz ganz erhalten bleibt, während die Bakterien alle vernichtet
werden.
Im Anschluß an diese Nachprüfung seien einige andere Verfahren
besprochen, die dazu dienen sollen, die Lymphe von Bakterien zu be¬
freien. Das eine stammt von Geissler (13). Er hat die Forderung, daß
das Desinfektionsmittel, nachdem es seine Wirkung getan hat, wieder aus
der Lymphe entfernt werden soll, in einer Weise erfüllt, die auf dem Ge¬
biete der Lympheherstellung ganz neu ist. Als Desinfektionsmittel benutzt
er Wasserstoffsuperoxyd, aus frischem Perhydrol hergestellt. Zur Er¬
höhung der Desinfektionskraft leitet er Kohlensäure ein und benutzt dazu
eine Siphonflasche, die zur Herstellung von kohlensäurehaltigen Limo¬
naden dient. Die Kohlensäure wird durch kurzen Aufenthalt bei 37°
entfernt, das H 2 0 2 wird durch Zusatz von Hepin durch Katalyse zer¬
stört. Zur Entfernung der Bakterien dient eine lprozentige H 2 0 2 -Lösung,
d. h. es werden gleiche Mengen Lymphe und angesäuertes 2prozentiges
H 2 0 2 gemischt und in gut verschlossenem Gefäß bis 3 / 4 Stunden im Brut¬
schrank gelassen. Nach dem Herausnehmen wird Hepin zugesetzt (1 ccm
lOprozentige Hepinlösung zerstört 10 ccm lprozentige H 2 0 2 -Lösung). Die
Katalyse läßt man im Brutschrank vor sich gehen, damit auch gleichzeitig
die Kohlensäure entfernt wird.
Versuch I. Die Behandlung mit Wasserstoffsuperoxyd wie oben be¬
schrieben.
Nach Zerstörung des Desinfektionsmittels werden aerobe und anaerobe
Bouillonkulturen angelegt. Sie erweisen sich nach 7tägiger Behandlung
steril.
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 111
Die Verimpfung auf Kaninchen 502 wird derart gemacht, daß rechte
Hornhaut und rechte , Flanke mit dem vorbehandelten Virus, linke Horn¬
haut und linke Flanke mit demselben nicht vorbehandelten Virus infiziert
werden. Nach 5 Tagen zeigt sich links eine deutliche Hornhauttrübung und
gute Pustelbildung, während rechts keine Veränderungen zu sehen sind.
Bei diesem Versuch war also das Vaceinevirus durch die H 2 O a -Lösung
völlig zerstört worden.
Versuch II. Diesmal wurde nicht Vaccine, sondern Lapine verwendet,
sonst war die Anordnung wie bei I. Die Bouillonkulturen waren nach 2 Tagen
getrübt.
Verimpfung auf Kaninchen 566 ergab rechts (Wasserstoffsuperoxyd¬
lymphe) einzelne Pusteln und Hornhauttrübung, links (dasselbe Virus in
Glyzerin) dagegen eine konfluierende Pusteleruption und sehr starke Horn¬
hauttrübung.
Auch bei diesem Versuche wurde das Vaccinevirus durch die lpro-
zentige H 2 0 2 -Lösung schon geschädigt, trotzdem noch keine Bakterien¬
freiheit erzielt war. Ein dritter Versuch unter gleichen Bedingungen ergab
wie der erste die völlige Abtötung aller Bakterien. Aber auch hier war
das Vaccinevirus wieder fast gänzlich zerstört. Bei der Verimpfung ergab
sich auf der rechten Seite eine Schorfbildung, die nicht als spezifisch an¬
gesehen werden konnte. Dagegen war auf der anderen Flanke die Kontroll-
impfung mit demselben Virus in Glyzerin sehr kräftig aufgegangen, hatte
zu einer sehr starken Hornhauttrübung mit zahlreichen Vaccinekörperchen
und zur Entwicklung einer konfluierenden Vaccine geführt.
Wir sehen also hier ein Verhalten des Vaccinevirus ganz analog dem,
das bei der Ätherbehandlung geschildert war. Die Versuche ergeben, daß
die H 2 0 2 -Behandlung des Vaccinevirus keine geeignete Methode zur Ent¬
fernung der Bakterien aus der Lymphe ist.
Einige weitere Versuche mit der Chinosolbehandlung nach Seiffert
und Hüne (14) haben nicht zu einer Änderung unserer schon mitgeteilten
Ansicht geführt. Es liegen hier die Verhältnisse augenscheinlich ganz ähn¬
lich wie bei der Ätherbehandlung. Wird die Einwirkung des Desinfektions¬
mittels so lange fortgesetzt, bis alle Bakterien abgetötet sind, dann läßt
sich eine mehr oder weniger weitgehende Schädigung des Vaccinevirus
feststellen. Nach unseren Erfahrungen reicht die 24stündige Behandlung
mit O-dprozentigem Chinosol zur Entfernung der Bakterien nicht aus.
Bei 48stündiger Einwirkung sahen wir allerdings bakteriologische Sterilität
eintreten, die nach Geissler jedoch auch Wachstumshemmung sein kann,
aber gleichzeitig starke Verminderung der Virulenz.
Wir möchten also auch die Chinosolbehandlung nicht als Verbesserung
unseres Impfstoffes anerkennen.
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H. A. Gins:
Außer den schon erwähnten Chemikalien prüften wir das Toluol auf
seine desinfizierende und konservierende Wirkung. Material von Kalb 15
wurde gleichzeitig mit Glyzerin und mit Toluol behandelt. Das Resultat
der Keimzählungen war folgendes:
Glyzerin
Toluol
nach 3 Tagen . . .
. . 50000
30000
8 ,;
. . 30000
5000
.,30 .
. . 13000
3000
,.50 „ . . .
. . 700
300
Die Verimpfung auf Kaninchen ergab keine Unterschiede zwischen
den beiden Proben. Dieselbe Erfahrung machten wir bei einigen anderen
Lapinen, so daß wir annehmen dürfen, daß das Toluol in seiner Wirkung
auf das Vaccinevirus dem Glyzerin recht ähnlich ist. Wenn auch diese
wenigen Versuche keine praktische Bedeutung haben, so bleiben sie für
uns wegen der Eigenart des Toluols bemerkenswert. Da dieses sich mit
der Vaccineaufschwemmung nicht mischt und außerdem sehr schnell ver¬
dunstet, läßt es sich leicht wieder entfernen. Für solche Zwecke, wo eine
schnelle Keimverminderung bei möglichster Schonung des Virus in Frage
kommt, besonders bei manchen experimentellen Arbeiten, könnte seine
Verwendung vorteilhaft sein. Allerdings wird man durch Toluolbehandlung
keine völlig keimfreie Vaccine erhalten, besonders versagt das Toluol ganz,
wenn sporenbildende Bakterien vorhanden sind.
Die letzte Gruppe unserer hierher gehörigen Versuche bezieht sich
auf die Wirkung der Karbolsäure. Bei der Diskussion zu meiner Mit¬
teilung in der Berliner mikrobiologischen Gesellschaft machte Lentz (15)
darauf aufmerksam, daß durch lprozentige Karbolsäure eine rasche Ver¬
minderung der Bakterien in der Lymphe bei recht guter Konservierung
der Virulenz möglich sei. Dieses Verfahren ist in Deutschland bisher noch
nicht praktisch erprobt, dagegen hat die karbolisierte Lymphe meines
Wissens in Japan weite Verbreitung gefunden.
Versuch I. Lapine 282 wird mit 3 Teilen Kochsalzlösung gemischt,
im Mörser möglichst fein zerrieben und dann durch ein feinmaschiges Draht¬
sieb filtriert. Ein Teil kommt in lprozentiges Phenol, der andere Teil in
66prozentiges Glyzerin. Die Keimzählungen werden derart gemacht, daß
je 1 ccm der Verdünnung 1 / 10 und Vioo zu Platten verarbeitet werden. Das
arithmetische Mittel aus der Keimzahl der beiden Platten wird nach Abrun¬
dung als Keimzahl angesprochen.
Am 19. V. 14 wurden die Proben hergestellt. Keimzahl war am
20. V. in Phenol 400000
in Glyzerin oo
23. V. in Phenol 13000
in Glyzerin oo
13. VI. in Phenol auf der Platte 1 / 100 keine, auf 1 / 10 eine Kolonie.
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ÜBER EXPERIMENTELLE VACCINE UND VACCINEIMMUNITÄT. 113
Die Lapine war also praktisch bakterienfrei.
Die Verimpfung am 22. V. ergab eine erhebliche Abschwächung der
Phenollapine gegenüber der Glyzerinlapine: Die erstere erzeugte in der
Kaninchenhornhaut keinerlei Veränderung, auf der Haut einzelne Pusteln,
dagegen die letztere eine typische Vaccinekeratitis und erhebliche Pustel¬
bildung.
Versuch II. Lapine 490 ebenso vorbehandelt wie bei Versuch I.
Verarbeitung der Proben am 28. V. 14. Keimzählung am 13. VI. ergibt
auf der Platte 1 / 100 keine Kolonie, auf x / 10 nur 2 Kolonien. Also auch diese
Lapine war praktisch als bakterienfrei anzusehen.
Die Verimpfung nach 2 tägiger Phenoleinwirkung ergab keinen Unter¬
schied zwischen der Phenol- und der Glyzerinlapine, ebenso war es nach
einer zweiten Verimpfung nach 14 Tagen.
Der Versuch läßt also erkennen, daß das Vaccinevirus durch lpro-
zentige Karbolsäure nicht merklich geschädigt wurde, daß aber die Be¬
gleitbakterien fast*alle vernichtet waren.
Versuch III bezog sich auf die Phenolbehandlung der Mischlapine
516/17 nach derselben Weise.
Nach 10 tägiger Phenoleinwirkung waren etwa 1000 Keime im Kubik¬
zentimeter Lymphe noch nachweisbar. Die Verimpfung ergab wieder eine
geringe Abschwächung der phenolisierten Lymphe gegenüber der glyzeri-
nierten.
Versuche IV und V ergaben übereinstimmend die außerordentliche
Verminderung der Begleitbakterien, deren Zahl nach 6 tägiger Einwirkung
fast auf Null gesunken war.
Die Verimpfung ergab in einem Falle keinen Unterschied gegenüber
dem in Glyzerin konservierten Virus, in dem anderen Falle wurde eine
merkliche, aber nicht starke Virulenzabnahme festgestellt.
Ein Überblick über diese Versuche lehrt, daß die Phenolbehandlung
innerhalb der Gruppe der geprüften Mittel die günstigsten Erfolge in bezug
auf Bakterienvernichtung und Virulenzerhaltung ergeben hat. Dürften wir
nun daraufhin die Zulassung der Phenollymphe zu den nach dem Impfgesetz
vorgeschriebenen Impfungen jetzt schon empfehlen ? Ich glaube nicht! Denn
uns mangelt trotz der großen Erfahrungen an den Kaninchen die Kom¬
petenz des erfahrenen Impfarztes. Nur dieser darf entscheiden, ob eine
Lymphe der bisherigen gleichwertig ist oder nicht. Männer, wie der ver¬
storbene Geheimrat M. Schulz, konnten an einer minimalen Verschlech¬
terung ihrer Schnitterfolge beim Erstimpfling schon sehr geringe Grade
von Abschwächung des Impfstoffes feststellen, und sie lehnten im Inter¬
esse des Impfschutzes der deutschen Bevölkerung jeden abgeschwächten
Zeitschr. f. Hygiene. LXXXII 8
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Impfstoff rücksichtslos ab. Auf diesem Wege sollen wir ihrem Beispiel
folgen. Seien wir uns darüber klar, daß unsere gebrauchsfertige Lymphe
das Virus bereits in abgeschwächter Form enthält, aber eben noch kräftig
genug als Antigen ist, um eine genügende aktive Immunisierung herbei¬
zuführen. Wenn also von jetzt ab Verbesserungen des Impfstoffes erstrebt
werden, so dürfen diese nicht auf Kosten des Antigens zustande kommen,
denn nur eine virulente Lymphe kann eine gute Lymphe sein. Die er¬
strebenswerteste Verbesserung unserer Lymphe wäre, abgesehen von einer
möglichst weitgehenden Ausschaltung der Begleitbakterien, in einer Ver¬
mehrung und dauernden Haltbarmachung ihrer antigenen Eigenschaften
zu sehen. Ehe dies Ziel erreicht ist, haben wir allen Grund, mit der Gly¬
zerinlymphe zufrieden zu sein.
Diesem Kapitel sind noch einige Bemerkungen anzuschließen über
die Einwirkung des Glyzerins auf Keimzahl und Keimart der Lymphe.
Es ist nicht beabsichtigt, zu den sehr reichlichen Erfahrungen etwa
Neues beibringen zu wollen. Das ist auch nicht nötig, da das Gly¬
zerin sich bisher als das beste Mittel bewährt hat, die Begleitbakterien
erheblich zu vermindern und dabei die Virulenz der Lymphe verhältnis¬
mäßig gut zu konservieren. Darüber sind wir uns aber auch klar, daß
das Glyzerin keineswegs ein Idealmittel darstellt, das etwa unter allen
Umständen eine bakterienfreie Lymphe liefert. Nachdem wir aber die
Grenzen der Leistungsfähigkeit des Glyzerins gut kennen, erscheint doch
jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem eine systematische bakteriologische
Untersuchung der Lymphen aus allen Anstalten vorbereitet werden könnte.
Es hat nicht nur der Hersteller der Lymphe, sondern auch der Verbraucher
ein erhebliches Interesse daran, zu wissen, wieviel Bakterien die von ihm
auf Kinder verimpfte Lymphe enthält. Denn es kann dem Impfarzt mit
Rücksicht auf die Impfreaktion nur willkommen sein, wenn er bei jedem
auftauchenden Verdacht einer Impfschädigung sogleich das amtliche Ma¬
terial zur Hand hat, das ihn über Keimzahl und vielleicht auch Keimart
der Lymphe unterrichtet.
Neben der Bestimmung der Keimzahl wäre auf die bakteriologische
Diagnose der in der Lymphe vorhandenen Bakterien Wert zu legen. Wenn
es auch nicht möglich ist, den pathogenen Keim von dem Saprophyten
jedesmal mit Sicherheit zu unterscheiden, so haben wir doch Handhaben,
um uns ein Urteil zu bilden.
Die praktische Durchführung dieser Lympheuntersuchung, soweit sie
nicht schon besteht, wäre vorläufig unschwer zu erreichen durch Verträge
mit den Medizinaluntersuchungsämtern. Jede Lymphe könnte, ehe sie in
Gebrauch genommen wird, zuerst auf Keimarten und dann auf Keim-
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 115
zahl geprüft werden. Die Untersuchung kann mit einer Probe aus der
Vorratslymphe gemacht werden. Der Befund ist dann maßgebend für
jede aus diesem Vorrat abgefüllte Sendung, da ja beim Abfüllen eine Ver¬
mehrung der Keime nicht zu befürchten ist.
Lymphproben, die Streptokokken oder echte Staphylokokken ent¬
halten, sollten so lange zurückgehalten werden, bis eine genaue Unter¬
suchung auf Differentialnährböden, auf Hämolysinbildung und Tierpatho¬
genität ihre Harmlosigkeit ergeben hat.
In den Monaten vor Kriegsausbruch wurden gemeinsam mit dem
jetzt verstorbenen Vorsteher der Berliner Impfanstalt, Geheimrat M. Schulz,
eine Reihe von Lymphproben nach diesen Gesichtspunkten untersucht.
Die Keimzahlen bei der letzten Untersuchung von 12 Proben seien
hier mitgeteilt:
Tier
Dauer des Aufenthaltes
in Glyzerin
Keimzahl
in ccm
Kalb 6
5 Wochen
2000
„ 7/9
3 Monate
800
„ 12
2 „
300
„ 18
3 Wochen
9000
„ 19
6 „
200
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400
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3000
„ 26
4 „
200
„ 27
4 „
100
„ 28
4 „
100
„ 29
4 „
100
„ &
3 Monate
50
Die Keimzahlen sind, wie sich ergibt, sehr gering. Nicht selten ent¬
sprechen sie den Anforderungen, die bei uns an gutes Trinkwasser gestellt
werden. Da mit einem Kubikzentimeter Lymphe etwa 100 Kinder geimpft
werden können, und nur ein minimaler Teil der Lymphe in den Impfschnitt
eingebracht wird, läßt sich erkennen, daß bei einer gut keimarmen Lymphe
nur ganz vereinzelte Bakterien in den Impfschnitt gebracht werden können.
Welche Arten da in Frage kommen, muß die bakteriologische Diagnose
ergeben. Wir haben bei den erwähnten Lymphproben einmal Strepto¬
kokken gefunden, und zwar in einer früheren Probe von Kalb 12. Dieser
kurze Streptococcus war nicht pathogen, er verschwand bald. In der letzten
Probe war er nicht mehr nachweisbar. Einmal fand sich ein saprophy-
tischer Streptococcus longissimus. Die übrigen Proben enthielten alle nur
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H. A. Gins:
weiße und gelbe Sarcine, ganz vereinzelt waren Kokken gefunden, die
nach ihrem Verhalten in den Nährböden eher als weiße Staphylokokken
angesehen werden konnten. Aber auch bei ihnen fehlte das Charakteri¬
stikum des Staphylococcus: die Verflüssigung der Gelatine.
Zur Unterscheidung von Staphylococcus und Sarcine wurden immer
beimpft: Traubenzuckeragar in hoher Schicht, Milch, Löfflerserum und
Gelatinestich. Die meisten Sarcinen wachsen nur aerob und verflüssigen
das Löfflerserum, was die Staphylokokken nie tun. Außer den üblichen
Nährböden für aerobes Wachstum wurden die Lymphproben auch in anaerobe
Verhältnisse gebracht. Hierfür erwiesen sich die Lentzsche Anaeroben-
platte und das Burri-Whrightsche Röhrchen als besonders gut geeignet.
Unsere kurze Reihe hat abermals bestätigt, daß in abge¬
lagerter Glyzerinlymphe die Keimzahl sehr gering ist, und daß
pathogene Bakterien nicht darin sind. Außerdem aber hat sie
die leichte Durchführbarkeit der bakteriologischen Lymphe¬
untersuchung erwiesen. Deren allgemeine Einführung ist nicht
nur möglich, sondern sogar sehr empfehlenswert, um impf gegne¬
rischen Angriffen gegen die Lymphe sofort die Spitze bieten zu
können.
Über die Immunltätsverliältiiisse beim Vaccinekaninchen.
Trotzdem schon eine große Zahl von Arbeiten sich mit diesem Ka¬
pitel der Pockenforschung befaßt haben, ist unsere Kenntnis immer noch
eine recht ungenügende. Es ist bisher nur unter erheblichen Schwierig¬
keiten möglich, wenigstens die Grundlagen für eine einheitliche Darstellung
der Immunität bei experimenteller Vaccine aus der reichhaltigen Literatur
zu entnehmen. So ist es auch kein Wunder, daß man größere Zusammen¬
stellungen über dieses Thema, wie z. B. den ausführlichen und gewissen¬
haften Artikel von To markin und Carriere im Handbuch der patho¬
genen Mikroorganismen Kolle und Wassermann etwas unbefriedigt
aus der Hand legt, weil er in erster Linie dazu da ist, eine Übersicht über
den bisherigen Stand der Kenntnisse zu geben und bei der Vielfältigkeit
der geäußerten Meinungen kein klares Bild von den nun tatsächlich be¬
stehenden Verhältnissen geben kann.
Diese Unsicherheit ist wohl zum größten Teile dadurch verursacht,
daß eine systematische Durchprüfung aller in Betracht kommenden Ver¬
hältnisse an großem Tiermaterial bisher nur in ungenügender Weise an¬
gestellt worden ist. Außer den Arbeiten von Siipfle (1), Paschen (4),
Krausund Volk(16),v. Prowazek(17) und v. ProwazekundMiyaji(38)
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Uber experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 117
sind meistens Beiträge geliefert worden, die sich auf die Beobachtung weniger
Tiere beschränkten, die sehr interessante Einzelbeobachtung boten, aber kaum
Aufklärung in das noch herrschende Dunkel zu bringen geeignet waren. Unser
großes Tiermaterial hat uns nun Gelegenheit geboten, einige Immunitäts¬
fragen genauer zu verfolgen und, soweit möglich, systematisch zu bearbeiten.
Bei Besprechung der einzelnen Punkte wird es nicht zu vermeiden sein,
eine teilweise von der bisher fast allgemein herrschenden abweichende
Anschauung vorzutragen. Doch glauben wir mit unseren Erfahrungen
bereits einige erfolgversprechende Schritte in das noch wenig geklärte
Gebiet getan zu haben, und hoffen, durch unsere Mitteilungen zur Nach¬
prüfung und zu weiteren Fortschritten anregen zu können.
A. Ergebnis der zweiten Vaccination beim Kaninchen.
Das einmal vaccinierte Kaninchen wird unempfänglich für eine zweite
Impfung, sofern diese jenseits vom 7. bis 9. Tage nach der Erstimpfung
ausgeführt wird. Diese schon lange erhärtete Tatsache wurde von uns
in vielen Fällen bestätigt. Da wir unsere Tiere auf beiden Flanken und
auf breiter Fläche impfen, so erzielten wir in der Regel eine völlige Im¬
munität der Hautdecke, wenn die Erstimpfung mit virulentem Material
ausgeführt worden war. Selbst die Verwendung von unverdünnter Gly¬
zerinlymphe blieb dann erfolglos — die Immunität war so stark, daß sie
selbst durch die virulentesten Materialien nicht gebrochen werden konnte.
Diese starke Immunität ist jedoch keineswegs ein regelmäßiges Vorkommnis.
Wird die erste Impfung mit schwach virulentem Material'gemacht, dann
ist die Immunität oft nur in den ersten Wochen eine völlige, nimmt aber dann
bald ab. Eine Nachimpfung nach mehreren Wochen beweist immer noch
eine deutliche Abnahme der Empfänglichkeit, es treten z. B. nach viru¬
lenter Nachimpfung nur ganz vereinzelte Pusteln auf, während eine Kon-
trollimpfung zur Entwicklung einer konfluierenden Vaccine führt.
Umgekehrt aber darf man von einer sehr schwach virulenten oder
örtlich stark begrenzten Erstimpfung nach unseren Erfahrungen keine
länger dauernde allgemeine Immunität erwarten. Wir haben fast immer
erlebt, daß in den Fällen, wo bei der Erstimpfung nur ganz wenige oder
nur schwache Pusteln auftraten, die Nachimpfung nach 2 oder mehr Mo¬
naten wieder zur Hautpustelbildung führte. Nur in ganz wenigen Fällen,
die in der Tab. I mit aufgeführt sind, fanden wir nach einer geringgradigen
Pustelentwicklung bei der Erstimpfung eine länger dauernde allgemeine
Immunität. Dies schien nur einzutreten, wenn die Erstimpfung mit stark
virulentem Material gemacht worden war. Diese Erfahrung steht im Gegen¬
satz zu der bisherigen weit verbreiteten Annahme. Nach dieser sollte
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die Entwicklung einer einzigen Hautpustel zur Immunisierung der ganzen
Hautdecke führen. Die Nachimpfung wurde in den positiv verlaufenen
Fällen meistens wenige Wochen nach der Erstimpfung gemacht. Wäre
sie erst mehrere Monate später gemacht, so würden wohl dieselben Re¬
sultate erzielt worden sein, wie von uns auch.
Diese Tatsache hat für die Frage der Vaccineimmunität eine gewisse
Bedeutung. Denn wenn es sicher ist, daß eine einzige kleine Hautpustel
zum Zustandekommen einer allgemeinen Immunität ausreicht, dann gewinnt
v. Prowazeks Annahme von der rein histogenen, d. h. „dermatogenen“
Immunität erheblich an Wahrscheinlichkeit; dann muß man zu der An¬
nahme kommen, daß die Immunisierung der Hautdecke vermittelst der
Lymphwege von einem Hautbezirk zum anderen fortschreitet. Dann würde
aber auch einmal beobachtet worden sein, daß ein der ersten Hautpustel
benachbarter Hautbezirk schon immun ist, während ein entfernter Bezirk
noch nicht immun ist.
Unsere Versuche stützen diese Annahme nicht, denn wir haben, wie
schon erwähnt, häufig nach dem Auftreten vereinzelter Pusteln keine
völlige Immunität der Hautdecke beobachtet.
Die Dauer der Immunität war sehr verschieden. Wir haben bei ein¬
zelnen Kaninchen schon nach 4 Monaten ein fast völliges Verschwinden
der Immunität beobachtet, während bei anderen nach 6 Monaten noch
keine Verminderung der Immunität vorhanden war. Wir sind mit dieser
Zeit sicher noch nicht an der Grenze der Immunitätsdauer angelangt und
können dies daraus schließen, daß wir selten vor Verlauf von 5 Monaten
bereits eine Abnahme der Immunität beobachten konnten. Die Dauer der
Immunität war gleich bei Kaninchen, die zuerst kutan geimpft waren,
und bei intravenös immunisierten. Dagegen hatten wir nicht den Ein¬
druck, daß nach intrakutaner Einverleibung des Virus eine irgend erheb¬
liche Immunität erzielt werden kann. Wurden derartige Tiere 2 bis 3 Wochen
nach der Erstimpfung wieder intrakutan infiziert, dann traten dieselben
oder wenig geringere Erscheinungen auf.
Die Hornhaut verhielt sich bei der zweiten Impfung so, wie es bereits
oft beschrieben wurde. Sie wurde nach der ersten Impfung immun, wenn
das Virus nicht sehr schwach war. War es sehr schwach, dann konnte die
Immunität durch ein stärkeres Virus gebrochen werden, und es kam dann
zu einer entschieden abgeschwächten Keratitis. Die Erscheinungen waren
aber im übrigen ebenso typisch wie bei der ersten Infektion, und zwar
makroskopisch und mikroskopisch. Wir konnten bei der Trübung nach
der zweiten Impfung Vaccinekörperchen nachweisen.
Bei einigen Kaninchen beobachteten wir einen besonderen Verlauf
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 119
der kornealen Nachimpfung. Während sonst sich die Keratitis wie bei
normalen Kaninchen in einigen Tagen entwickelte, trat bei diesen Tieren
bereits 24 Stunden nach der zweiten Impfung eine intensive milchweiße
Trübung der ganzen Hornhaut auf. Diese Trübung nahm von Tag zu Tag
rasch ab, so daß nach 4 bis ö Tagen nur noch die spezifische Vaccinekeratitis
sichtbar war. In derartigen Hornhäuten konnten wir, wie in den anderen
nachgeimpften, Vaccinekörperchen nach weisen. Es scheint sich bei diesem
Verhalten um eine Überempfindlichkeit _der schon einmal geimpften Horn¬
haut zu handeln. Irgendwelche besonderen Umstände, bestimmte Zeit
seit der Erstimpfung, besonderes Virus bei dieser, konnten bisher nicht
erkannt werden. Diese überstürzte Trübung war keineswegs ein häufiges
Ereignis; wir haben sie bei der großen Zahl der nachgeimpften Kaninchen
nur dreimal gesehen.
B. Beziehungen der Hornhautimmunität
zur allgemeinen Immunität.
Die Durchsicht der auf diese Frage bezüglichen Literatur läßt er¬
kennen, daß sich die Überzeugung von der Sonderstellung der Kaninchen-
homhaut bei der Vaccineimmunität recht weit verbreitet hat. Es seien
die bisherigen Erfahrungen hier kurz erwähnt, um an ihnen unsere anders
lautenden Befunde zu erläutern. Paschen hat 1903 festgestellt, daß
korneal geimpfte Kaninchen für eine nachträgliche Hautimpfung emp¬
fänglich bleiben, ebenso wie hautgeimpfte Kaninchen mit Erfolg in die
Hornhaut geimpft werden können. Es ist also mit diesen Versuchen die
Sonderstellung der Kaninchenhomhaut zum erstenmal experimentell nach¬
gewiesen worden. Erweitert wurden diese Versuche durch Kraus und
Volk, die weder durch subkutane noch durch intraperitoneale noch durch
intravenöse Injektion eine Immunität der Hornhaut beim Kaninchen be¬
kommen konnten. Beim Affen lagen die Verhältnisse anders, hier gelang
auch gelegentlich eine Immunisierung der Kornea nach subkutaner In¬
jektion. Eine weitere Versuchsreihe dieser Autoren erwies, daß nach Imp¬
fung der Konjunktiva die ganze Hautoberfläche und die Hornhaut der¬
selben Seite, dagegen nicht diejenige der anderen Seite immunisiert werden
konnte.
Dieses eigentümliche Verhalten der Kaninchenhomhaut ist von mehreren
Autoren bestätigt worden. Süpfle schloß sich der erwähnten Auffassung
zuerst rückhaltlos an,, gab aber dann in einer Mitteilung, zusammen mit
Eisner (18), immerhin die Möglichkeit einer schwachen Immunisierung
der Hornhaut von dem Organismus aus zu. v. Prowazek (17) dagegen
findet in einer neueren Versuchsreihe weitere Stütze für seine Annahme
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der reinen Gewebeimmunität. Grütter (19), der die Nachimpfung der
Kaninchen mit stark verdünnter Lymphe gemacht hatte, war zur Über¬
zeugung gekommen, daß die Hornhaut in geringerem Maße an der all¬
gemeinen Immunität teilnimmt. Bölin (20) hatte beobachtet, daß nach
ausgiebiger Hautimpfung eine Immunität der Hornhaut eintrat.
Süpfle war durch theoretische Überlegung in seiner Auffassung be¬
stärkt worden. Die Kaninchenhornhaut steht, wie er annimmt, in keinem
direkten Zusammenhang mit den Blutgefäßen des Körpers, sie wird ledig¬
lich vom Kammerwasser her ernährt. Die Tatsache nun, daß in dem
Kammerwasser keine Immunkörper nachweisbar sein sollen, sprach sehr
für seine Annahme, v. Prowazek kam durch das Ergebnis seiner eigenen
Versuche, besonders aber durch den Calmette-Guör in sehen (21) Ver¬
such — das intravenös injizierte Vaccinevirus verschwindet sehr schnell
aus dem Blutstrom und wird in der Haut abgelagert, wo es nach Rasieren
oder anderweitiger Eröffnung der Hautdecke innerhalb der ersten 24 Stunden
nach der Injektion durch Pustelbildung nachgewiesen werden kann — zu
seiner Auffassung der Immunitätsverhältnisse beim Kaninchen. Er hielt
die Immunität für eine rein „histogene“, d. h. nach der Hautimpfung ent¬
steht eine Immunität der gesamten Hautoberfläche und nicht der Horn¬
haut, nach der Hornhautimpfung auf einer Seite entsteht also auch nur
eine Immunität der geimpften Hornhaut, nicht aber der anderen Horn¬
haut und der Hautdecke.
So finden wir denn bei Tomarkin und Carriere (22) als Nieder¬
schlag der weitest verbreiteten Anschauung den Satz: „Im allgemeinen
jedoch dürfen wir als feststehend betrachten, daß die Kornea sich weder
an der allgemeinen Hautimmunität beteiligt, noch ihren eigenen Immu¬
nitätszustand anderen Geweben mitzuteilen imstande ist.“
Ehe wir nun unsere Ergebnisse darstellen, erscheint es doch ganz lehr¬
reich, durch einen kurzen Rundblick über andere Gebiete der Immunitäts¬
forschung festzustellen, was denn bisher über die Immunitätsverhältnisse
der Hornhaut bekannt ist. Zuerst einige Sätze über die Stellung der Horn¬
haut zur Blutversorgung der Gewebe. Nach den Untersuchungen von
Leber (23), Gruber (24), Grifford (25), v. Recklinghausen (26) darf
man als feststehend betrachten, daß die Hornhaut die minimalen Nähr¬
stoffe, die sie für ihr langsam wachsendes Gewebe gebraucht, aus dem
Randschlingennetz der Conjunctiva bulbi entnimmt. Die Saftkanälchen
stehen mit dem Randschlingennetz in Verbindung. Ob der radiär zentri¬
petal verlaufende Saftstrom sich direkt auf die Venen des Randschlingen-
netzes fortsetzt oder ob er nach hinten in die Vorderkammer mündet, steht
noch nicht fest. Weder das Hornhautepithel noch das Endothel ist völlig
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 121
undurchgängig, so daß also immerhin die Möglichkeit zu einem minimalen
Säfteaustausch vorhanden ist. In der entzündeten Hornhaut liegen die
Verhältnisse etwas anders. Aus der augenärztlichen Praxis wissen wir,
daß die meisten Erkrankungen der Hornhaut mit einer starken Vermehrung
des Blutstroms in der Conjunctiva bulbi einhergehen, so daß die peri¬
korneale Injektion ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel ist.
Und ganz analoge Erscheinungen beobachten wir regelmäßig beim
Vaccinekaninchen. Sobald in der geimpften Hornhaut sich die spezifische
Keratitis zu entwickeln beginnt, ziehen, zumal an dem oberen Rande der
Hornhaut, zahlreiche erweiterte Blutgefäße aus der Konjunktiva an die
Hornhaut hin. Es wird so ohne weiteres der Eindruck gefestigt, daß in
der entzündeten Hornhaut ein lebhafter Säfteaustausch mit dem übrigen
Organismus stattfindet.
Loeffler (27) prüfte 1881 bei seinen Mäuseseptikämieversuchen auch
die Immunität der Hornhaut. Er konnte damals feststellen, daß nach
überstandener Hornhautinfektion eine Immunität der anderen Hornhaut
eintrat, ebenso eine Hornhautimmunität nach überstandener Infektion an
einem Ohre. Daß hierbei eine zeitliche Verschiebung bei der Entwicklung
der allgemeinen Immunität und der Hornhautimmunität vorkommt, sah
Loeffler auch schon, wie sich aus folgenden Sätzen ergibt: „Impft man
ein Tier am rechten Ohre, nach etwa 8 Tagen am linken Ohre, so erfolgt
keine Reaktion. Wollte man hieraus nun den Schluß ziehen, daß das
Tier bereits immun sei, so würde man fehlgehen; eine Hornhautimpfung
ist noch erfolgreich. Der Zeitraum für das Immunwerden eines Ohres
nach vorausgeschickter Impfung des anderen beträgt etwa 1 Woche,
bis zur völligen Immunität der Kornea nach Impfung eines Ohres dagegen
etwa 3 Wochen.“
Miyashita (28) kam zu demselben Ergebnis. Er konnte außerdem
nachweisen, daß bei der üblichen Immunisierung von Kaninchen gegen
Hammelblut der hämolytische Ambozeptor auch in die Hornhaut über¬
geht. Ebenso fand er, daß bei passiver Immunisierung die Hämolysine
auch in eine nicht entzündete Hornhaut übergehen.
Erinnern wir nun noch an Ehrlichs (29) klassische Versuche über
die Rizin- und Abrinimmunität. In ihnen konnte Ehrlich nachweisen,
daß nach der Immunisierung gegen Ricin auch die Hornhaut immun wird
und ohne Krankheitserscheinungen das Vielfache einer Ricindosis ver¬
trägt, die bei einem normalen Kaninchen zu völliger Zerstörung der Horn¬
haut führen würde.
Alle diese Erfahrungen beweisen, daß die Hornhaut an der allgemeinen
Immunität teilnimmt. Wenn die bei der Vaccineinfektion erhobenen Be-
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Haut: schwache
Pustelbildung
Äthervaccine Starke Keratitis. 4 Monate Dasselbe Rechts: nichts.
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität,
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H. A. Gins:
funde alle uneingeschränkt zu Recht bestehen, dann liegt hier allerdings
in immunisatorischer Hinsicht eine fast unerklärliche Sonderstellung vor.
Nun liegen aber auch bezüglich der Vaccineimmunität schon einige
Befunde vor, die nicht für die Sonderstellung der Vaccineimmunität sprechen.
Kraus und Volk sahen bei Affen nach subkutaner Immunisierung eine
Hornhautimmunität auftreten, v. Prowazek stellte selber fest, daß sich
Makakus cynomolgus bezüglich der Hornhautimmunität anders verhält als
das Kaninchen. Paschen sah, allerdings nur in einem Falle, beim Impf¬
kalb eine Unempfänglichkeit der Hornhaut auftreten. Nehmen wir dazu
noch die Feststellung von Camus (30), daß sich in dem Kammerwasser
antivirulente Substanzen beim vaceineimmunen Kaninchen nachweisen
lassen, allerdings in geringerer Menge als im Serum, so müssen wir doch
die Vermutung äußern, daß die Sonderstellung der Kaninchenhornhaut bei
der Vaccineimmunität nicht unwiderleglich begründet ist. Die Brücke von
der einen der beiden entgegengesetzten Auffassungen zu der anderen sehen wir
in den Versuchen von Grütter und in ihrer Nachprüfung durch Süpfle
und Eisner. Grütter hat mit dem bisher fast allgemeinen Brauche ge¬
brochen, die Prüfung auf Immunität mit unverdünnter Glyzerinlymphe
zu machen. Er ging von der einleuchtenden Auffassung aus, daß geringe
Grade von Immunität durch unverdünntes Virus gebrochen w f erden und
sich dadurch dem Nachweis entziehen können. So kam er dazu, seine
Prüfungen mit stark verdünnter Vaccine zu machen. Als Erfolg dieser,
wie wir glauben, feineren Technik sah er nach ausgedehnter Hautimpfung,
nach subkutaner und intravenöser Injektion die Teilnahme der Hornhaut
an der allgemeinen Immunität dadurch zum Ausdruck kommen, daß ent¬
weder gar keine Veränderung am geimpften Auge oder aber eine wesent¬
lich mildere Keratitis als bei den Kontrollieren auftrat.
Diese Grütterschen Befunde sind von Süpfle und Eisner teilweise
bestätigt worden. Sie kommen zu der Ansicht, daß bei entsprechend inten¬
siver Vorbehandlung eine Immunisierung der Hornhaut von dem übrigen
Organismus möglich ist. Warum v. Prowazek sich dieser Anschauung
nicht angeschlossen hat, geht aus seinen neuen Versuchen hervor, die bei
ihrer Anordnung kein anderes Resultat haben konnten. Auf diese Versuche
werde ich noch zurückkommen.
Unser auf diese Frage bezügliches Material an Kaninchen ist in der
Tab. I zusammengestellt. Wir haben die Imraunitätsverhältnisse nach
kornealer, kutaner und intravenöser Infektion beobachten können. Zur
Nachimpfung verwendeten wir teils unverdünnte frische Glyzerinlymphe,
teils ältere verdünnte Lymphe, die schon etwas abgeschwächt war. Alle
Verdünnungen, die in der Tabelle angegeben sind, beziehen sich auf ge-
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 127
brauchsfertige Glyzerinlymphe als Ausgangsmaterial. Bezüglich des zur
Nachimpfung gebrauchten Virus vermitteln unsere Versuche zwischen
den bisher von anderen gemachten, aber durch das Intervall zwischen
erster und zweiter Impfung unterscheiden sie sich wesentlich von ihnen.
Während nämlich bei fast allen früheren Versuchen die Nachimpfung inner¬
halb der ersten Wochen nach der Erstimpfung gemacht wurde, ließen wir
die Tiere längere Zeit sitzen und machten die Prüfung auf Immunität meistens
nach mehr als 6 Wochen. Das Nähere ergibt sich aus der Tab. I.
Betrachten wir zunächst die erste Gruppe der Tabelle, welche die nur
durch Impfung in die rechte Hornhaut vorbehandelten Tiere umfaßt. Bei
allen hier aufgeführten Kaninchen war als Resultat eine charakteristische
schwache oder starke Keratitis zu beobachten, durch vitale Färbung waren
Vaccinekörperchen nachgewiesen. Die Nachimpfung wurde gemacht 4 Wo¬
chen bis 8 Monate nach der Erstimpfung. Eine Anzahl von diesen Kaninchen
verhielt sich so, wie es bisher als allgemein gültig betrachtet wurde. Bei
der Nachimpfung, die entweder in beide Hornhäute oder auf die Haut
oder in beide gemacht wurde, erwies sich die schon einmal geimpfte Horn¬
haut als immun, die andere Hornhaut bekam ihre spezifische Trübung,
auf der Haut entwickelten sich Pusteln in mehr oder weniger großer Zahl
und Ausbildung. Eine Ausnahme machte Nr. 2 Tab. I, welches gleich nach
24 Stunden die schon erwähnte übermäßige Trübung bekam. Ob bei diesen
Tieren eine Abschwächung eintrat gegenüber der Wirksamkeit des gleichen
Virus an anderen Tieren ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen, deshalb
lassen wir sie für die Beantwortung unserer Frage außer Betracht (1, 2,
3, 5, 6, 8, 9, 11 der Tab. I). Es finden sich unter ihnen Tiere, die mit
recht virulentem Material infiziert waren, neben solchen, die nur schwach
virulent geimpft waren. Das Intervall war auch recht wechselnd.
Auf die anderen Tiere muß etwas näher eingegangen werden. Nr. 4
wurde in die rechte Hornhaut infiziert mit einer zerriebenen, stark trüben
Hornhaut eines früher geimpften Kaninchens. Das in ihr enthaltene Virus
war sehr kräftig und führte nach 4 Tagen zu einer sehr starken spezifischen
Keratitis, in der massenhaft Vaccinekörperchen nachgewiesen worden
waren. Nach 5 Wochen erfolgte die Nachimpfung mit einer Ätherlymphe,
die bei anderen Kaninchen eine deutliche Pustelbildung und starke Horn¬
hauttrübung zu bewirken pflegte, in beide Hornhäute. Nach 5 Tagen und
weiterhin blieben sie beide reaktionslos: Das Kaninchen muß eine all¬
gemeine Immunität und vermöge dieser eine völlige Immunität der linken,
bisher ungeimpften Hornhaut erworben haben. Nr. 7 wurde mit Äther¬
vaccine in die rechte Hornhaut infiziert; auch hier entwickelte sich eine
sehr starke Keratitis, in welcher massenhaft Vaccinekörperchen vorhanden
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waren. Die Nachimpfung nach 4 Monaten erfolgte mit Kalbslymphe 1 J t0 ,
also mit virulentem Material, das bei normalen Kaninchen eine konfluie-
rende Pusteleruption und starke Keratitis mit großem Substanzverlust
machte. Bei Nr. 7 jedoch trat 6 Tage nach der zweiten Impfung eine
schwache Pustelbildung auf, deren Spur nach 2 Tagen schon verschwunden
war; in der linken Hornhaut war nur eine verspätet entwickelte schwache
Trübung nachweisbar.
Hier war es also nicht zu einer völligen Immunität, sondern zu einer
immerhin deutlichen Widerstandsfähigkeit gegen das Vaccinevirus gekommen.
Dagegen hatte Nr. 10 noch 5 Monate nach der Erstimpfung mit Kalbs¬
lymphe Vio« in die rechte Hornhaut eine völlige, allgemeine Immunität
entwickelt. Eine mit Kalbslymphe 1 / i0 vorgenommene Hautimpfung auf
breiter Fläche blieb ganz erfolglos. Die Immunität der linken Hornhaut
war nicht geprüft worden.
Nr. 11 verhielt sich ebenso wie Nr. 7; auch bei ihm war nach nicht sehr
virulenter Erstimpfung eine schwache allgemeine Immunität eingetreten,
wie der Ausfall der Nachimpfung nach 2 Monaten ergab. Nr. 12 endlich
hatte nach der Erstimpfung mit Kalbslymphe 1 / 50 eine sehr starke Kera¬
titis mit Substanzverlust. Die Nachimpfung nach 8 Monaten mit Kalbs¬
lymphe 7 10 , also mit recht virulentem Material, führte nur zur Entwicklung
vereinzelter schwacher Pusteln, während die Kontrolltiere eine konfluie-
rende Vaccine bekamen. Also hatte sich hier eine deutliche, wenn auch
nicht völlige Immunität entwickelt.
Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß nach einer viru¬
lenten Vaccination der einen Hornhaut sich eine Immunität
des ganzen Organismus und damit auch der anderen Hornhaut
entwickeln kann. Diese Immunität kann monatelang bestehen
bleiben; die Umstände, von denen ihr Auftreten oder Aus¬
bleiben beeinflußt wird, kennen wir noch nicht.
Gegen diese Beobachtungen bleibt ein Einwand möglich. Nachdem
Kraus und Volk eine allgemeine Immunität durch Vaccination der Kon-
junktiva erzielt hatten, wäre es ja möglich, daß auch bei unseren Tieren
die Verhältnisse so lägen. Es könnte ja die starke Konjunktivitis, die wir
bei jeder Keratitis beobachten, auch eine Vaccineinfektion sein. Dem¬
gegenüber erinnern wir daran, daß sich Zeichen einer Vaccine auf der Binde¬
haut niemals bemerkbar machten, daß besonders keine Pusteln oder pustel-
ähnliche Gebilde zu sehen waren. Schließlich haben wir das Konjunktival-
sekret und später auch die ganze Conjunctiva tarsi eines Vaccinekaninchens
verimpft. Auch hierbei erzielten wir keine Anhaltspunkte für die An¬
nahme einer vaceinalen Mitbeteiligung der Bindehaut.
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 129
Nachdem sich herausgestellt hat, daß von der Hornhaut her eine all¬
gemeine Immunität zustande kommen kann, ist es nicht mehr erstaun¬
lich, daß wir nach ausgedehnter kutaner Vaccination eine Immunisierung
der Hornhaut sahen. Auch diese trat nicht regelmäßig ein, jedoch sahen
wir sie schon häufiger als das umgekehrte Vorkommnis. Die Tiere 14,
15, 16 und 18 werden in der Tabelle aufgeführt als Beispiele dafür, daß
auch nach virulenter Erstimpfung es nicht zur Ausbildung einer allge¬
meinen Immunität kommen kann. Die Prüfung wurde mehrere, 3 bis
7 Monate nach der Erstimpfung gemacht, allerdings mit gut virulenter
Lymphe. Wir halten 4s für durchaus möglich, daß geringere Grade einer
allgemeinen Immunität uns dadurch verdeckt wurden. Nr. 15 spricht
in diesem Sinne. Bei ihm erzielten wir mit Lapine 1 / 20 so geringe Er¬
scheinungen, daß wohl eine gewisse Immunität vorhanden sein kann.
Von den immun gewordenen Kaninchen seien besonders und zuerst er¬
wähnt 17, 19 und 20, weil sie eine ganz erhebliche Menge von Antikörpern 1
in der früher nicht geimpften Hornhaut nachweisen ließen. Bei 17 blieb die
Nachimpfung beider Hornhäute und der Haut mit unverdünnter Kalbs¬
lymphe nach 2 Monaten ganz ergebnislos, 19 hatte eine fast nicht erkenn¬
bare und 20 eine sehr schwache Trübung gleichmäßig in beiden Hornhäuten.
Dieses eigenartige Verhalten der gleichen schwachen Reaktion in dem früher
geimpften und dem früher ungeimpften Auge haben wir mehrmals beobachtet,
ohne daß es uns bisher gelungen wäre, dafür eine Erklärung zu finden.
Bei den übrigen in der Gruppe B, Tab. I, aufgeführten Kaninchen
liegt kein Grund zu einer ins einzelne gehenden Besprechung vor. Die
Tabelle ergibt genügend deutlich die Tatsache der Immunisierung der
bisher nicht vaccinierten Hornhaut nach einer ausgedehnten virulenten
Hautimpfung. Nur eines von diesen Tieren, Nr. 23, sei besonders er¬
wähnt. Es war bei der Erstimpfung mit geringer Menge virulenten Ma¬
terials vacciniert worden. Zu einer Keratitis kam es nicht, aber auf der
Haut traten einzelnstehende, gut entwickelte Pusteln auf. Diese quan¬
titativ geringe Hautaffektion reichte aus, um eine völlige Immunität des
Tieres zu vermitteln, wie die nach 2 Monaten mit Kalbslymphe VlO vor¬
genommene Nachprüfung ergab. Bei den Kaninchen 24, 25 und 26 war
die Nachimpfung mit abgeschwächter Lymphe, deren Virulenz jedoch
durch Kontrollimpfung sichergestellt war, gemacht. Hier wäre uns die
entstandene Horahautimmunität bei Verwendung sehr virulenten Ma¬
terials bei der Nachimpfung vielleicht entgangen.
Wie unsere Erfahrungen über diese Frage gelehrt haben, ist auf eine
Immunisierung der früher nicht geimpften Hornhaut nicht zu rechnen,
wenn nicht eine völlige Immunität der Hautdecke, d. h. des ganzen Orga-
Zeitechr. f Hygiene. LXXXII
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nismus, vorhanden ist. Dies beweisen z. B. Nr. 14,15,16 und 18. Bei diesen
allen war keine allgemeine Immunität entstanden, bei dpr Nachimpfung
hatten sich noch Hautpusteln entwickelt. Es ist hieraus zu schließen, daß
sich im Organismus schon eine erhebliche Menge von Antikörpern an¬
gesammelt haben muß, ehe genügende Mengen von ihnen den engen Weg
in die Hornhaut finden können.
Der große, anscheinend nicht überbrückbare Gegensatz in den Ver¬
suchen von Süpfle und v. Prowazek gegenüber den unsrigen wird zum
größten Teile aus der Welt geschafft, wenn der Termin der Nachimpfung
ins Auge gefaßt wird. Diese Autoren machten die Nachimpfung nach
wenigen Wochen, das längste Intervall in v. Prowazeks Versuchen war
7 Wochen; dagegen hatten wir Zwischenräume zwischen Erst- und Nach¬
impfung von einigen Monaten. Da wir aus Loefflers Versuchen mit
Mäuseseptikämiebazillen wissen, daß die Hornhautimmunität wesentlich
später eintritt als die Hautimmunität, haben wir Grund, anzunehmen,
daß bei der Vaccine die Verhältnisse ebenso liegen. War also schon die
Möglichkeit zum Übersehen der Hornhautimmunität durch die kürzere
Zeit bis zur Nachimpfung gegeben, so wurde sie in v. Prowazeks Ver¬
suchen noch vergrößert dadurch, daß er für die Nachimpfung eine un¬
verdünnte Glyzerinlymphe verwendete. Damit konnten schwache Im-
munitätsgrade nicht nachgewiesen werden. Eine neue Nachprüfung der
Verhältnisse mit langem Intervall und abgestuftem Virus wird unsere
Beobachtungen bestätigen.
Den großen Einfluß des Termins der Nachimpfung sehen wir deut¬
lich aus der Tab. I, Gruppe C. Hier sind die Kaninchen aufgeführt, die
durch intravenöse Injektion immunisiert worden waren. Nr. 31 und 32
bekamen einmal 15 ccm zentrifugierte Kalbslymphe Vio io die Ohrvene.
Die Nachimpfung erfolgte nach 10 Tagen mit unverdünnter Kalbslymphe.
Die Hautimpfung blieb völlig negativ, die Hornhautimpfung führte zu
einer starken Keratitis. Also tritt die Immunität der Hornhaut nach
intravenöser Injektion später auf, als die Hautimmunität. Bei Nr. 27
war dieselbe Menge intravenös injiziert worden, aber die Nachimpfung
erfolgte erst nach 2 Monaten. Weder an der Haut noch auf der Hornhaut
trat eine Spur Reaktion auf die Kalbslymphe 1 / 10 auf, das Tier hatte eine
völlige, allgemeine Immunität, an der auch die Hornhaut teilnahm. Nr. 28
und 29 hatten 30 ccm Vio'Lymphe intravenös bekommen. Nach l 1 /* Mo¬
naten war die Immunität vollständig, eine Impfung mit Kalbslymphe 1 / 10
ließ Hornhaut und Haut ganz reaktionslos.
Hatten die erwähnten Tiere ihre Immunität durch einmalige intra¬
venöse Injektion einer großen Vaceinemenge erworben, so war bei Nr. 30
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über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 131
dasselbe Ergebnis erzielt durch fünfmalige Injektion von je 1 ccm frischer
Lapine.
Als Ergebnis dieser Gruppe von Versuchen stellen wir fest, daß die
Hornhaut des Kaninchens bei der Vaccineimmunität keine Sonderstellung
im Organismus einnimmt. In Übereinstimmung mit den Erfahrungen
aus anderen Gebieten der Immunitätsforschung haben wir gefunden:
1. Durch eine virulente Vaccineinfektion einer Hornhaut kann eine
Immunität des ganzen Organismus und der bisher nicht infizierten Horn¬
haut auftreten. '
2. Durch die virulente Impfung der Haut oder der Haut und einer
Hornhaut kann eine Immunität der anderen Hornhaut auftreten.
3. Durch intravenöse Vaccineinfektion ist beim Kaninchen nicht nur
eine Immunität der gesamten Hautdecke, sondern auch der Hornhaut
zu erzielen.
4. Die Immunität der Hornhaut tritt später auf als diejenige der Haut,
sie ist abhängig von der Menge der Antikörper in dem Organismus.
C. Über die antivirulenten Substanzen
des Vaccineserums.
Unsere Beobachtungen über das Verhalten der Kaninchenhornhaut
im vaccineimmunen Organismus, besonders aber das Auftreten der Horn¬
hautimmunität nach intravenöser Injektion bringen uns zu einer von der
bisher fast allgemein angenommenen abweichenden Auffassung über das
Entstehen der Vaccineimmunität, v. Prowazek, der leider zu früh ver¬
storbene, erfolgreiche Vaccineforscher, hat das große Verdienst, die bisher
bekannten Tatsachen zu einer brauchbaren Hypothese über die Ent¬
stehung der Vaccineimmunität zusammengefaßt zu haben. Vor allem
waren es zwei Beobachtungen, die ihn zu seiner Auffassung brachten:
Der schon erwähnte Calmette-Gu6rinsche Versuch und die augen¬
scheinliche Sonderstellung der Hornhaut. Konnte er aus dem ersten in
Übereinstimmung mit den französischen Autoren annehmen, daß das
Vaccinevirus nach intravenöser Injektion in der Haut abgelagert wird,
so befestigte die letztere Tatsache ihn in der Annahme, daß das Haut-
und Homhautgewebe bei dem Zustandekommen der Vaccineimmunität
ursächlich beteiligt sei. So hielt er die Vaccineimmunität für eine rein
histogene, d. h. durch das Gewebe erzeugte, in dem das Vaccinevirus Ge¬
legenheit zur Vermehrung fand. Ganz folgerichtig mußte er also erwarten,
daß nach der Hornhautimpfung nur die Hornhaut, nach der Hautimpfung
nur die Haut immun werde. Nachdem Calmette und Guörin nachge¬
wiesen haben, daß durch intravenöse Injektion und bei Vermeidung jeder
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Hautpustel eine Immunität zustande kommt, und Kraus und Volk,
weiterhin auch Süpfle, mit abgetötetem Virus immunisieren konnten,
war der v. Prowazek sehen Auffassung schon eine wichtige Stütze ent¬
zogen. Die Teilnahme der Hornhaut an der allgemeinen Immunität, die
sich aus unseren Beobachtungen ergibt, spricht nun auch sehr erheblich
gegen eine histogene und mehr für eine allgemeine Immunität, und schlie߬
lich ist der Ausfall des Calraette-Gu6rinsehen Versuchs, mit dem ich
mich in einer besonderen Mitteilung gemeinsam mit Dr. med. vet. R. Weber
näher befassen werde, nicht so eindeutig, daß er unsere Auffassung erschüt¬
tern könnte. Erinnern wir nun noch an die Feststellung, daß beim kutan
geimpften Kaninchen eine Schwellung der regionären Lymphdrüsen und
der Milz auftritt als Ausdruck für eine Mitbeteiligung der inneren Organe,
so haben wir genügend Gründe, anzunehmen, daß die Vaccineimmunität
nicht durch die Haut oder durch die Hornhaut ausschließlich zustande
kommt, sondern daß die Blutflüssigkeit vorwiegend Träger der Immun¬
körper ist. Wo die Immunität nun tatsächlich entsteht, wissen wir nicht,
und sind bei der Vaccine ebenso wie bei den anderen Infektionskrankheiten
auf Vermutungen angewiesen.
Im Blutserum bei vaccinierten Menschen und Tieren sind von B6-
clfere, M6nard und Chambon (31) spezifische Antikörper nachgewiesen
worden, über deren Bedeutung für die Vaccineimmunität noch keine ge¬
nügende Klarheit herrscht. Die Tatsache des Vorhandenseins virulizider
Substanzen ist von Martius (32), Freyer (33), Risel (34), Süpfle (1),
v. Prowacek (5) und von Gastinel (35) bestätigt worden, so daß an
ihrem Vorhandensein nicht zu zweifeln ist. Eine andere Frage jedoch ist
es, ob ihr Auftreten so regelmäßig ist und ihre Menge so reichlich, daß
man sie als ausschlaggebend für die Vaccineimmunität ansehen kann.
Einige Beobachtungen haben ergeben, daß eine Hautimmunität schon
vorhanden sein kann, ehe die antivirulenten Substanzen ihren Höhepunkt
erreicht haben, andere, daß Immunität noch bestehen kann, wenn keine
Antikörper mehr im Serum vorhanden sind. Beide Beobachtungen setzen
die Bedeutung dieser Substanzen nicht herab. Besonders nicht die letztere,
da neuerdings mit Sicherheit Immunität bei Versuchstieren erzielt werden
konnte, ohne daß auch nur eine Spur von Immunkörpern im Serum nach¬
weisbar war. Ausschlaggebend wird die Regelmäßigkeit ihres Auftretens
bei den verschiedenen Einverleibungen des Vaccinevirus bei Mensch und
Tier sein.
Verschiedenheiten in der Beurteilung der Befunde erklären sich aus¬
reichend durch die Versuchsanordnung, die zumal in den ersten Ver¬
suchen ziemlich große Fehlerquellen enthielt. Die zuerst geübte Technik
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 133
*
vrar folgende: Einige Kubikzentimeter Serum wurden mit gleicher oder
abgestufter Menge humanisierter oder animaler Lymphe vermischt und
blieben ein- bis zweimal 24 Stunden im Eisschrank mit der Lymphe in
Kontakt. Dann wurde die Mischung verimpft. Süpfle hat die Ver¬
suchsanordnung dadurch modifiziert und verbessert, daß er höchstens
2 ccm des zu prüfenden Serums mit 1 ccm verdünnter Lymphe mischte,
und daß er abgestufte Serummengen in den Versuch brachte. Die Dauer
der gegenseitigen Einwirkung mit 24 Stunden behielt er bei. In dieser
Hinsicht trat dann eine Veränderung ein in den Versuchen von Henseval
und Convent (36) und in denjenigen von Gastinel (35). Sie ließen Serum
und Vaccine 2 Stunden im Brutschrank aufeinander ein wirken. Diese
Yersuchsanordnung haben wir auch übernommen, vorübergehend die Zeit
sogar auf 1 Stunde abgekürzt, sind aber neuerdings wieder zu 2 Stunden
zurückgekehrt.
Von großer Bedeutung für die Beurteilung der Befunde ist die Art
der Verimpfung. Um eine möglichst genaue quantitative Auswertung
der geprüften Seren zu erzielen, haben Calmettc und Guörin (21) eine
Methode ausgearbeitet, die auch brauchbar sein soll, um ein Urteil über
die Virulenz eines gegebenen Impfstoffes zu bekommen. Auf dem Rücken
eines Kaninchens wird eine rasierte Fläche von 60 qcm markiert. Die zu
verimpfende Vaccine wird in ein zur Kapillare ausgezogenes Glasröhrchen
gebracht und mit dem scharfen Rande des Kapillarröhrchens durch Kritzel¬
schnitte möglichst gleichmäßig auf die ganze Fläche verteilt. Nach 4 bis
5 Tagen wird die Zahl der aufgegangenen Pusteln festgestellt. Da gleiche
Quanten von Vaccine verimpft werden, gibt die Pustelzahl einigermaßen
einen Anhaltspunkt für die Menge des vorhandenen Virus. Wir haben
uns davon überzeugt, daß diese Methode der Auswertung nicht genügend
zuverlässig ist, da häufig auftretende flächenhafte Schorfbildungen die
Beurteilung erschweren. Die Notwendigkeit einer solchen Auswertung
bei der Verimpfung ist auch überflüssig, wenn der virulizide Versuch
mit gut abgestuften Komponenten angesetzt wird. Wir hatten das Bestreben,
im Versuch eine wenn möglich vollständige Abtötung des Virus zu bekommen,
in den Kontrollen jedoch eine deutliche Pustelbildung und Hornhaut¬
trübung. Dazu war es notwendig, die Lymphe mehr zu verdünnen, als
es bisher geschehen war. Unerläßlich ist aber dann zu jedem Versuch
eine Kontrolle der Lymphe mit normalem Serum, um die tatsächliche,
ausreichende Virulenz der im Versuch befindlichen Virusmenge festzu¬
legen. Nach zahlreichen tastenden Versuchen kamen wir schließlich dazu,
die Lymphe 1 / 200 zu verwenden. Neuerdings glauben wir, die Technik
des viruliziden Versuchs noch etwas verbessert zu haben durch Ver-
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Wendung zentrifugierter, aber dann um 1 / 60 verdünnter Lymphe. Durch
das schnelle Zentrifugieren werden alle Gewebepartikelchen entfernt und
es läßt sich dann in der Tat eine ganz ausgezeichnete homogene Mischung
von Lymphe und Immunserum erzielen. Das manchmal störende Auf¬
treten von ganz vereinzelten Pusteln scheint so vermeidbar zu sein. Wahr¬
scheinlich wird es dadurch verursacht, daß virushaltige Gewebestückchen,
die von dem Immunscrum nicht genügend durchdrungen werden konnten,
zur Verimpfung kamen. Die Serummenge haben wir auch wesentlich be¬
schränkt. Wir verwenden jetzt 0-2 ccm der aktiven Serum- und 0-2 der
Lympheverdünnung.
Von dem komplexen Bau der antivirulenten Substanzen, wie ihn
Süpfle (1) vermutete, konnten wir uns nicht überzeugen. Der wirksame
Bestandteil des Serums behielt seine Eigenschaften nach Erhitzung auf
56° augenscheinlich unvermindert bei. Durch Beigabe von normalem
Meerschweinchenserum zum inaktivierten Serum konnte keine größere
Wirkung erzielt werden, als sie das aktive Serum auch hatte. Wir ließen
daher aus unseren späteren Versuchen das Komplement als unnötig weg.
Uber die Immunisierung der Kaninchen durch intravenöse Injektion
sind einige Worte zu berichten. Es hat sich die auffallende Tatsache heraus¬
gestellt, daß sehr viele Kaninchen mehrfache intravenöse Vaccineinjek¬
tionen nicht vertrugen. Von 23 Kaninchen, die im Abstand von je 1 Woche
je 1 bis 2 ccm zentrifugierte frische Lapine bekamen, gingen uns 5 bei der
5. bis 7. Injektion ein. Hier kann allerdings Embolie durch kleine Gewebe¬
partikel, die durch das Zentrifugieren nicht entfernt waren, die Ursache
gewesen sein. Die Tiere starben schon einige Minuten nach der Injektion.
14 weitere Tiere starben in dem Intervall zwischen zwei Injektionen,
1 nach der 1. Injektion, 2 nach der 2., 7 nach der 3., 4 nach der 4. In¬
jektion. Dabei hatten die Tiere vorher keine auffallenden Krankheits¬
erscheinungen, es war auch keine Abmagerung zu erkennen.* Der Ob¬
duktionsbefund blieb ergebnislos. Bakteriologische Untersuchung des Herz¬
blutes ebenfalls. Es liegt der Verdacht nahe, daß das Vaccinevirus selber
eine giftige Wirkung auf den Tierkörper ausübt, die sich nur bei länger
dauernder Behandlung äußert. Aber eine Erklärung für diese Todesfälle
haben wir noch nicht. Einige Tiere dagegen ertrugen 8 Injektionen glatt
und lieferten brauchbare Immunsera. Die intravenöse Immunisierung
geschah .entweder durch Injektionen, die eine Woche voneinander ent¬
fernt waren, oder durch 15 Injektionen an aufeinanderfolgenden Tagen,
Auch bei dieser Anordnung konnten gut wirksame Sera erzielt werden,
Tierverluste traten dabei nicht ein. Allerdings haben wir nur wenige Tiere
in dieser Weise vorbehandelt. Die in der Tab. II aufgeführte Versuche
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Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 135
beziehen sich auf Tiere, die entweder durch ausgedehnte Hautimpfung
oder durch intravenöse Injektion immun geworden waren.
Die Durchsicht der Tabelle läßt deutlich erkennen, daß das Auf¬
treten von antivirulenten Substanzen fast regelmäßig ist. Bei intra¬
venöser Immunisierung scheinen wesentlich größere Mengen von Anti¬
körpern gebildet zu werden als nach der Hautimpfung. Wir haben bei
einigen Tieren Seren erzielt, die noch in der Verdünnung 1 / 100 deutliche
Wirkung auf das Vaccinevirus hatten. Einzelne dieser Prüfungen waren
noch mit ziemlich konzentriertem Virus angestellt (Nr. 2 und 11 der Ta¬
belle), trotzdem ^wurde völlige Abtötung des Virus erzielt. Es ist zu er¬
warten, daß wir mit unserer jetzigen Versuchsanordnung, die in der Ta¬
belle noch nicht vertreten ist, noch weitergehende virulizide Wirkung
beobachten können. Von den intravenös immunisierten Tieren lieferten
uns die täglich gespritzten Kaninchen die besten Seren. Wir konnten
bei diesen mit so geringen Mengen Serum noch Wirkungen auf das Vac-
cinevirus erzielen, wie sie bisher noch nicht bekannt sind. Daß bei der
Immunisierung auch Mißerfolge Vorkommen, beweisen Kaninchen 337
und 338, die beide nach langer intravenöser Vorbehandlung keine Spur
von antivirulenten Substanzen im Serum hatten. Ob das als Antigen ver¬
wendete Virus nichts taugte, oder welche anderen Umstände als Ursache
anzusprechen sind, läßt sich jetzt, da die Versuche fast 2 Jahre zurück¬
liegen, nicht mehr feststellen.
Dem Vorgang von Casagrandi (37) folgend, haben wir versucht,
Kaninchen mit durch Porzellankerzen filtrierter Lymphe zu immunisieren.
Die Versuche sind nicht im einzelnen aufgeführt, da sie alle negativ aus¬
fielen. Diese Tatsache hat nichts Auffallendes. In meiner früheren Mit¬
teilung habe ich schon betont, daß die Filtrabilität des Vaccinevirus nicht
ganz wörtlich aufzufassen ist. Sie gelingt keineswegs regelmäßig, und wenn
sie gelingt, dann sind nur minimale Mengen von Virus im Filtrat nach¬
zuweisen. Wahrscheinlich sind die Mengen so gering, daß sie schon aus
diesem Grunde keine antigenen Eigenschaften äußern können. Casa-
grandis Erfahrung konnte also bisher von uns nicht bestätigt werden.
Dagegen ist hier schon eine Beobachtung erwähnenswert, die eigentlich
in das Kapitel vom Kreisen des Virus im Tierkörper gehört. Sie betrifft
Kaninchen 341. Dieses Tier wurde jede Woche mit zermahlenen Lymph-
drüsen von Vaccinekaninchen intravenös vorbehandelt. Die Herausnahme
der Drüsen erfolgte immer am 4. Tage nach der sehr virulenten Haut¬
impfung. Die geschwollenen Kniefaltendrüsen wurden mit Kochsalzlösung
zerrieben, und dann durch kurzes, aber energisches Zentrifugieren die
Gewebepartikel entfernt. Die überstehende Flüssigkeit wurde zur In-
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Tabelle 11.
Nachweis von viruliziden Antikörpern bei Kaninchen.
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Tabelle II (Fortsetzung).
138
H. A. Gins
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(einzelne Impfung
PuHteln)
Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 139
jektion benutzt. Nach der 7. Injektion wurde das Tier mit virulentem
Material auf die Haut geimpft, erwies sich aber als immun. Eine Prüfung
des Serums ergab die Anwesenheit von antivirulenten Substanzen. Dieses
Tier erwies sich als einziges einer Reihe als immun nach der Behandlung
mit Drüsenmasse. Da es bisher auch das einzige blieb, wollen wir keine
weitgehenden Folgerungen aus dem Befunde ziehen. Immerhin müssen
wir annehmen, daß in den regionären Lymphdrüsen bei vaccinierten Tieren
noch 4 Tage nach der Hautimpfung Vaccinevirus mit antigenen Eigen¬
schaften vorhanden sein kann. Bei dieser Annahme dürfen wir bleiben,
ehe nicht bei Kaninchen eine natürliche Immunität gegen Vaccine und im
Serum antivirulente Substanzen bei normalen Tieren nachgewiesen werden.
Von den durch Hautimpfung immun gewordenen Tieren sei auf Ka¬
ninchen 285 verwiesen. Die Prüfung des Serums dieses Tieres war inso¬
fern lehrreich, als der erste Versuch mit 1 /io 0 -Lymphe keine Spur von
virulizider Kraft erkennen ließ. Als aber dann später die Lymphe noch
weiter verdünnt verwendet wurde, stellte sich heraus, daß 1 ccm 1 / 100 -
Serum noch deutlich virulizid wirkte. Ähnlich, aber nicht ganz so
deutlich, verlief die Prüfung des Serums von Kaninchen 395. Jedenfalls
sieht man hieran, wie wichtig es ist, für den viruliziden Versuch ein gut
abgestuftes Virus zu verwenden. Leider lassen sich bisher noch keine ge¬
nauen Vorschriften geben über eine Vaccinemenge, die immer in gleicher
Dosis verwendet werden könnte, da eine Normallymphe noch nicht exi¬
stiert und die übliche Glyzerinlymphe ein labiles Produkt ist, das seine
Virulenz allmählich verliert. Die stark verdünnte Vaccine, die wir für
unsere Versuche verwendeten, weist uns augenscheinlich den Weg zu
einem quantitativen Arbeiten mit den Vaccineantikörpem, ebenso wie es
sonst in der Immunitätsforschung auch üblich ist. Sie verpflichtet den
Untersucher allerdings zur selbstverständlichen Kontrolle des Virus bei
jedem Versuch.
Wir sind uns bewußt, mit dem Mitgeteilten die Frage nach der Art
der antivirulenten Substanzen keineswegs gelöst zu haben. Unsere bis¬
herigen Versuche sind als Bestätigung des bisher schon Bekannten auf¬
zufassen, sie dienten vorwiegend der Feststellung einer brauchbaren Technik.
Neue Versuche, die jetzt im Gange sind, beschäftigen sich mit dem Nach¬
weis der antivirulenten Substanzen beim normalen, vaccinierten und von
der Pockenkrankheit genesenen Menschen. Die bisherigen Ergebnisse
lassen es aussichtsreich erscheinen, mit dem Nachweis der antivirulenten
Substanzen zu einer retrospektiven Differentialdiagnose zwischen Pocken
und Varizellen zu kommen, die für praktische Zwecke gewissen Wert
haben könnte.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
140
H. A. Gins:
Eines aber glauben wir jetzt schon aus unseren Erfahrungen erkennen
zu können: Daß die antivirulenten Substanzen bei Vaccine und
Variola dieselbe Bedeutung für das Vorhandensein der Immu¬
nitäthaben, wie die bei anderen Infektionskrankheiten bekann¬
ten Antikörper auch. Die Erfahrung hat ja gelehrt, daß die Bedeutung
der Antikörper keineswegs davon abhängig ist, daß sie während der ganzen
Dauer der Immunität, sondern vielmehr davon, daß sie regelmäßig und mit
einer genügend genauen Methodik nachweisbar sind. Dies aber trifft nach
den neueren Erfahrungen ausländischer Untersucher und auch nach unseren
zweifellos für die antivirulenten Substanzen des Vaccineserums zu.
Schlußsätze.
1. Spontanes Auftreten von Vaccinepusteln bei Kaninchen wurde nie
beobachtet, deshalb können auch die ganz vereinzelt auftretenden Pusteln
experimentell verwertet werden.
2. Bei den mit virulentem Material auf breiter Hautfläche geimpften
Kaninchen tritt regelmäßig eine Schwellung der Kniefaltendrüsen und
fast immer eine Milzschwellung auf.
3. Versuche, das Vaccinevirus in den üblichen künstlichen Nährböden
zur Vermehrung zu bringen, schlugen alle fehl.
4. Infizierte Hornhäute, die nach der Harrison-Carrelschen Methode
in Plasma kultiviert wurden, konservierten das Virus überraschend gut.
In dem in Plasma neugebildeten Gewebe traten Zelleinschlüsse auf, die
von Vaccinekörperchen nicht zu unterscheiden waren.
5. Bakteriologische Untersuchungen einer erheblichen Zahl von Gly¬
zerinlymphen führten niemals zum Nachweis pathogener Bakterien. Die
Keimzahl geht bei der Glyzerinkonservierung so weit zurück, daß bei der
Kinderimpfung nur ganz vereinzelte Bakterien in den Impfschnitt ge¬
langen können.
6. Eine prinzipielle Sonderstellung der Kaninchenhorahaut bezüglich
der Vaccineimmunität besteht nicht. Die Hornhaut nimm t an der all¬
gemeinen Immunität in abgeschwächtem Maße teil, gleichviel, ob das Ka¬
ninchen durch Hautimpfung oder durch intravenöse Injektion immunisiert
war. Starke Infektion der Hornhaut kann zur Immunisierung des ganzen
Organismus führen. ^
7. Die Immunität der Hornhaut nach kutaner oder intravenöser In¬
jektion tritt erheblich später auf als die Hautimmunität.
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität. 141
8. Die Vaccineimmunität des Kaninchens ist keine rein histogene
Immunität im v. Prowazekschen Sinne. Als Träger der Immunstoffe
ist die Blutflüssigkeit anzusehen.
9. Die schon früher beschriebenen antivirulenten Substanzen sind
spezifische Reaktionsprodukte auf die Vaccineinfektion. Sie treten so
regelmäßig und reichlich auf und sind nach der Infektion so lange haltbar,
daß sie als Ausdruck einer erworbenen aktiven Immunität angesprochen
werden müssen.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized by
142 H. A. Gins: Über experimentelle Vaccine und Vaccineimmunität.
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1915.
Gck igle
Original frnm
UNIVERSiTY OF CALIFORNIA
[Aus dem Egl. Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“.]
Über den Nachweis des in die Blutbahn eingespritzten
Vaccinevirus in inneren Organen bei Kaninchen.
Von
Dr. med. H. A. Gins and Dr. med. vet. B» Weber.
Die Frage, ob das Vaccinevirus nach kutaner Impfung sich längere
Zeit in der Zirkulation aufhält und in inneren Organen nachweisbar ist,
stand schon verschiedentlich zur Diskussion. Trotzdem zahlreiche Ver¬
suche an Kälbern und Kaninchen angestellt wurden, konnte bisher noch
keine Übereinstimmung in dieser Sache erzielt werden. Die Stütze für
die Annahme eines längeren Vorhandenseins von Vaccinevirus in inneren
Organen nach Hautimpfung sind noch immer die Versuche von Frey er
und Vanselow (1). Sie seien daher kurz erwähnt. Die Verimpfung von
inneren Organen geimpfter Kälber auf normale Kälber war meistens erfolg-
reich, wie
folgende Übersicht ergibt:
1.
Drüsensaft.
5 Pocken
2.
Milz-Lebersaft .
27
11
3.
Milzsaft.
80
11
4.
Drüsensaft.
13
11
5.
Milz-Drüsensaft zentrifugiert.
6 + 50
11
6.
Milz-Drüsensaft, durch Cambric gequetscht
5 + 12
11
7.
Knochenmark.
8
11
8.
Knochenmark.
1
11
Dies die Ergebnisse der Stettiner Versuche. In Cöln gelang ebenfalls
die Verimpfung von Milz- und Inguinaldrüsenbrei.
Das Vaccinevirus soll 3 bis 4 Wochen nach erfolgter Impfung in inneren
Organen nachweisbar bleiben. Diese Annahme ist mit dem Auftreten der
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144
H. A. Gins und R. Weber:
antivirulenten Substanzen im Blut jenseits des 10. Tages nicht in Einklang
zu bringen.
Die Verimpfung von Kälberorganen geimpfter Tiere auf Kälber ist
von Paschen (2) in einer größeren Versuchsreihe nachgeprüft worden,
aber sie hatte niemals einen Erfolg. Er hatte die Organe am 5. und 6. Tage
nach der Impfung entnommen. Leider ist bei der Mitteilung der Freyer-
und Vanselowschen Versuche keine nähere Angabe über den Tag der
Organentnahme gemacht, und nichts über die makroskopischen Ver¬
änderungen an ihnen gesagt.
Dieselbe V ersuchsanordnung, dieFreyerundVanselowbeiV erimpf ung
der Kälberorgane verwendeten, wurde dann später von v. Provazek
und Halberstädter (3), Jürgens (4), Hauser (5), Mühlens und
Hartmann (6) und Süpfle (7) benutzt, um die Verhältnisse beim Kanin¬
chen klarzulegen. Sämtliche Organverimpfungen blieben negativ.
Die meisten Organverimpfungen von hautgeimpften Kaninchen blieben
auch bei uns völlig ergebnislos. Trotzdem können wir uns nicht auf den
streng ablehnenden Standpunkt der vorigen Autoren stellen, daß beim
vaccinierten Kaninchen das Virus sich nicht in inneren Organen findet.
Wir verfügen über einen Versuch, bei dem die Milz eines hautgeimpften
Kaninchens Virus enthielt. Jn diesem Fall traten nach der Verimpfung
der Milz am 4. Tag nach der Impfung 3 Hautpusteln auf, die Hornhaut
blieb unverändert. Bei diesem positiven Fall waren Milzstückchen 2 Tage
in Kaninchenplasma bei 31° gehalten worden. Ob in diesem Medium eine
Anreicherung des Virus stattgefunden hat, läßt sich noch nicht erweisen.
Weitere Untersuchungen über diese Frage sind im Gang.
Jedenfalls ergibt sich aus allen bisherigen Versuchen, daß beim haut¬
geimpften Kalb und Kaninchen der Nachweis des Virus in inneren Organen
vom Zufall abhängig ist. Meistens gelingt der Nachweis nicht.
v. Provazek und Yamamoto(8) konnten bei Kaninchen intravenös
injiziertes Vaccinevirus nur ganz kurze Zeit nach der Injektion nachweisen.
Nach einer Stunde verschwand es aus dem Blute, nach zwei Stunden aus
Knochenmark, Leber und Milz, nach 4 Stunden aus der Peritonealhöhle.
Bei intraperitonealer Injektion wird das Virus nach v. Provazek bereits
nach 2 Stunden von Leukozyten aufgenommen, aber in diesen nicht so¬
gleich vernichtet.
Diese Versuche sind so eindeutig ausgefallen, daß kaum ein weiterer
Beitrag zu dieser Frage notwendig erscheint. Und doch sahen wir uns
veranlaßt, eine experimentelle Prüfung der Verhältnisse zu versuchen,
nachdem wir durch verschiedene Beobachtungen dazu gedrängt wurden,
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Nachweis des in die Blutbahn eingespritzten Vaccinevirus. 145
anzunehmen, daß das Vaccinevirus irgendwelche Beziehungen zu den
inneren Organen beim Kaninchen hat. In dem Bericht über die bisherigen
Vaccineversuche wurde unsere wesentlichste Stütze für diese Auffasssung
schon hervorgehoben. Wir finden nämlich bei allen mit virulentem Material
auf die Haut geimpften Kaninchen nach 4 Tagen, also zu der Zeit, wo
das Vaccinevirus seine stärkste Vermehrung erfährt, eine Anschwellung
der regionären Lymphdrüsen und der Milz.
Ehe wir auf unsere Versuchsergebnisse näher eingehen, müssen wir
uns mit der herrschenden Auffassung über das Schicksal des Vaccine¬
virus im Tierkörper auseinandersetzen. Diese geht zurück auf die Ver¬
suchsanordnung von Calmette und Gu6rin (9).
Sie sei daher mit einigen Worten geschildert: Wird einem Kaninchen
Vaccinevirus intravenös injiziert, und innerhalb 24 Stunden nach der In¬
jektion die Hautdecke durch Rasieren oder Ausrupfen der Haare eröffnet,
dann kommt es an dieser Stelle zur Entwicklung von Vaccinepusteln.
Eine Hautverletzung später als 24 Stunden bleibt ergebnislos. Aus diesem
Versuch, dessen Gelingen von verschiedenen Untersuchern bestätigt wurde,
schloß man nicht ohne Grund, daß das Vaccinevirus nicht länger als
24 Stunden im Organismus kreist. Aber es wurden noch viel weitergehende
Schlüsse auf den Ausfall des Calmette- Gu6r in sehen Versuches auf¬
gebaut. Tomarkin und Carriere (10) fassen die bisher fast allgemein
gültige Anschauung in den Satz: „Man ersieht daraus, daß das Virus auch
bei direkter Einführung in den Kreislauf sehr bald aus dem Blut und den
inneren Organen verschwindet, um sich im Hautorgan anzusiedeln und
dort verhältnismäßig längere Zeit weiter zu leben und unter geeigneten
Bedingungen, wie z. B. bei Eröffnung der Hautdecke, seine spezifische
Tätigkeit zu entfalten.“ Diese Affinität zur Hautdecke wurde auch als
Ausgangspunkt gewonnen für die weitverbreitete Ansicht, daß die Vaccine¬
immunität ausschließlich in der Haut entsteht, ja es war sogar die Meinung
geäußert woren, daß durch die Vaccineinfektion einer Hautstelle die Im¬
munität der gesamten Hautoberfläche durch den Lymphstrom zustande
kommt, also daß eine rein histogene Immunität vorliegt. Wir haben bereits
mitgeteilt, was uns veranlaßt, nicht an die „dermatogene“ Immunität
zu glauben. Nun soll an der Hand unserer Versuchsergebnisse untersucht
werden, wie weit der Calmette-Guirinsche Versuch geeignet ist, die
bisherige Annahme über das Kreisen des Virus im Tierkörper zu stützen.
Die meisten Zusammenfassungen besprechen diesen Versuch, ohne
darüber Aufschluß zu geben, ob überhaupt und wie oft negative Ausfälle
beobachtet werden. Denn es ist doch zweifellos von einiger Bedeutung,
ob dieser Versuch regelmäßig positiv ausfällt oder ob Mißerfolge in größerer
Zeit sehr. f. Hygiene. LX XXII 10
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146
H. A. Gins und R. Weber:
Zahl Vorkommen, ob die Pustelbildung reichlich ist, oder ob nur einzelne
Pusteln entstehen. Über die Frage gibt die Mitteilung Calmettes und
Gußrins keinen Aufschluß, v. Provazek (11) dagegen hat gelegentlich
Mißerfolge eintreten sehen, und ebenso ist es uns gegangen.
Tabelle I.
Lfd. Nr.
Injizierte
Menge in ccm
Lymphe , / t0
Resultat
Bemerkungen
1
5
Nichts
—
2
10
Nichts
—
3
10
Nichts
—
4
15
Nach 4 Tagen einzelne
Pusteln
Durch Verimpfung als Vaccine
sichergestellt
5
15
Nach 5 Tagen deutliche
Pusteln
—
6
15
Nach 5 Tagen mehrere
Pusteln
Durch Verimpfung als Vaccine
sichergestellt
7
15
Nach 4 Tagen 1 Pustel
—
8
15
Nichts
—
9
15
Nach 5 Tagen mehrere
deutliche Pusteln
—
10
20
Nichts
—
11
20
Nichts
—
12
20
Nach 4 Tagen 1 Pustel
—
13
20
Nach 3 Tagen einzelne
zweifelhafte Pusteln
—
14
20
Nichts
—
15
20
Nach 6 Tagen 1 fragliche —
pLd
16
20
Nichts
—
17
35
Nichts
—
18
50
Nach 5 Tagen 8 kleine
Pusteln
—
19
15
Nichts
Vor der Injektion die Milz
exstirpiert
20
15
Nach 4 Tagen. 2 schwache
Pusteln
Vor der Injektion die Milz
exstirpiert
21
30
Nichts
3 Stunden nach der Injektion
die Milz exstirpiert
22
30
Nichts
4 Stunden nach der Injektion
die Milz exstirpiert
23
30
Nach 3 Tagen 1 Pustel
5 Stunden nach der Injektion
die Milz exstirpiert
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Nachweis des in die Blutbahn eingespritzten Vaccinevirus. 147
Die Tabelle I gibt Aufschluß über unsere Resultate bei mehr als
20 Versuchen, die nach der üblichen Methode aber mit ganz verschiedenen
Mengen des injizierten Virus angestellt waren. Zur Injektion verwendeten
wir regelmäßig gut wirksame Lymphe aus der Berliner kgl. Impfanstalt.
Die Lymphe wurde 1:20 mit steriler Kochsalzlösung verdünnt, um die
Glyzerinkonzentration auf ein unschädliches Maß zu vermindern und
dann einige Minuten mit 3000 Umdrehungen zentrifugiert, um die Ge¬
webereste zu sedimentieren. Die überstehende Flüssigkeit war schwach
trüb und konnte ohne Gefahr der Embolie auch in größeren Mengen
eingespritzt werden. Die Virulenz war so, daß die Verimpfung immer
noch eine konfluierende Pusteleruption beim Kaninchen gab.
Die Enthaarung und Verletzung der Haut wurde 1 bis 5 Stunden nach
der Injektion gemacht.
Eis ist aus der Tabelle leicht zu ersehen, daß wir den Calmette-
Gu6r in sehen Versuch keineswegs regelmäßig positiv ausfallend bekamen.
Von unseren 23 Versuchen sind 12 glatt negativ ausgefallen, 3 weitere
Versuche lieferten ein zweifelhaftes Ergebnis (Nr. 13, 15, 20), die übrigen
können als positiv bezeichnet werden. Die positiven Versuche müssen
kurz erwähnt werden, denn nur einer von ihnen (5) lieferte deutliche
Vaccinepusteln in etwas größerer Zahl, bei allen anderen traten nur ganz
vereinzelte, wenn nicht nur eine einzige Pustel auf. Nach der Injektion
von 5 ccm Lymphe V*o wurden keine Hautpusteln beobachtet, ebenso
nicht nach Injektion von 10 ccm. Bei Verwendung von 15 ccm, einer
Menge, die bei 8 Tieren injiziert wurde, sahen wir 5 positive Versuche,
bei 20 ccm unter 7 Versuchen 2 positive, einen zweifelhaften Ausfall, bei
30 ccm unter 3 Versuchen einen positiven, bei 35 ccm einen negativen.
Der einzige Versuch mit 50 ccm verlief positiv, nach 5 Tagen traten 3 kleine
Pusteln auf.
Bei einer kleinen Zahl von Tieren wurde vor der Injektion oder wenige
Stunden nachher die Milz exstirpiert. Irgendein erkennbarer Einfluß
auf den Ausfall des Versuches wurde durch diese Operation nicht bewirkt.
Auch bei diesen Tieren blieb der Erfolg unregelmäßig, und die Ausbeute
an Hautpusteln war recht gering. Bei einem Tier kamen nach 4 Tagen
2 schwache Pusteln, bei dem anderen Tier nach 3 Tagen nur eine Pustel.
Da es immer etwas unangenehm ist, auf ganz vereinzelte Pusteln hin die
Vaccinediagnose zu stellen, haben wir bei 2 Tieren die Pusteln weiter-
verimpft und die Vaccine auch durch den Nachweis der Vaccinekörperchen
sichergestellt.
Das Ergebnis unserer Versuche liefert wohl kaum eine Stütze für die
Anschauung, daß das Vaccinevirus schnell im Hautorgan vermöge seiner
10 *
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148
H. A. Gins und R. Weber:
besonderen Affinität zu diesem Gewebe sich ansiedelt. Wenn das tat¬
sächlich der Fall wäre, dann müßten wir ganz andere Hauterscheinungen
gesehen haben. Die Mengen, die wir absichtlich bis auf 50 ccm 1 / 10 Lymphe
gesteigert hatten, stehen in gar keinem Verhältnis zu der minimalen Pustel¬
bildung. Es kann gar keine Rede davon sein, daß das intravenös injizierte
Vaccinevirus in der Haut abgelagert wird und dort günstige Bedingungen
für längeres Weiterleben findet. Viel mehr Wahrscheinlichkeit ist dafür
vorhanden, daß das in die Blutbahn injizierte Vaccinevirus im Kaninchen¬
körper sehr schnell abgetötet wird. Die minimalen Reste von Vaccine¬
virus, die wir nach ausgedehnter Eröffnung der Hautdecke in Gestalt von
einzelnen Pusteln noch nachweisen können, verdanken ihr Überleben nicht
so sehr ihrer Affinität zu dem Hautorgan, als vielmehr dem Zufall, der sie
gleich in die Hautgefäße spülte, wo die Gefahr der Vernichtung nicht so
groß ist. Denn, wenn nicht eine sehr rasche Abtötung im Tierkörper von¬
statten ginge, dann müßte bei einer derartigen Überschwemmung mit
Virus, wie sie in unseren Versuchen vorlag, erheblich mehr Virus auch in
der Haut nachweisbar gewesen sein. Wo das Virus vernichtet wird, wissen
wir vorläufig noch nicht sicher. Es scheint aber in der Blutbahn die Ver¬
nichtung mindestens zu beginnen. Die anschließend zu schildernden Ver¬
suche sprechen ebenso wie die von v. Provazek und Yamamoto ent¬
schieden dafür.
Ebenso können wir noch keine ganz klare Vorstellung davon haben,
wie die Zerstörung des Vaccinevirus vor sich geht. Möglicherweise ist es
die Bluttemperatur, die das Virus schädigt und so Hand in Hand mit den
normalen Abwehrkräften an seiner Vernichtung tätig ist. Eine solche
rein physikalische Auffassung würde wohl das Verschwinden des Virus
im Blutstrom erklären und auch das Überleben weniger Reste von Virus,
die das Glück hatten, rasch in die Hautgefäße transportiert worden zu
sein. Denn in der Haut ist die Temperatur bekanntlich um mehrere Grade
kühler als in den inneren Organen. Aber das von uns beobachtete rasche
Verschwinden so reichlicher Virusmengen in so kurzer Zeit kann kaum
durch die Temperatur allein erklärt werden. Wir wissen zwar, daß bei
37° das Vaccinevirus nach einigen Tagen schon abgetötet zu sein pflegt —
das Verschwinden aus dem Blutstrom innerhalb 2 Stunden muß jedoch
noch andere Ursachen haben. Virulizide Antikörper werden beim normalen
Kaninchen nicht gefunden, sie können also nicht verantwortlich gemacht
werden. Die Tätigkeit der Leukozyten des strömenden Blutes bezüglich
des Vaccinevirus ist noch unbekannt.
So werden wir zu der Vermutung geführt, daß gewisse innere Organe das
Virus aus demBlutstrom herausfischen, esaufspeichem und allmählich abtöten.
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Nachweis des in die Blutbahn eingespritzten Vaccinevirus. 149
Derartige Überlegungen waren es, die sich aus dem Ausfall unserer
Calmette-Gu6rin-Versuche ergaben und die uns veranlagten, die Frage
nach dem Schicksal des intravenös eingebrachten Vaccinevirus noch einmal
experimentell anzufassen
Wir gingen bei unseren Versuchen so vor, daß eine gewisse Menge
1 / 20 verdünnter Lymphe zentrifugiert, und die überstehende Flüssigkeit
dem Kaninchen in die eine Ohrvene injiziert wurde. Nach verschieden
langer Zeit wurde das Tier entblutet, und dann die inneren Organe zur Ver¬
impfung entnommen. Um das Virus aus dem Blut nachzuweisen, gingen wir
in verschiedener Weise vor. Es wurde das frisch entnommene Blut direkt
auf möglichst große Kontaktflächen verimpft, oder aber es wurden Serum
und Blutzellen getrennt verimpft. Um geringe Mengen von Virus aus dem
Blut noch nachweisen zu können, fingen wir die Gesamtblutmenge des
Tieres in destilliertem Wasser auf. Nach der Auflösung der Blutkörperchen
wurde Kaolin in geringer Menge zugesetzt und nach gründlichem Schütteln
abzentrifugiert. Da das Vaccinevirus sehr leicht an Kaolin zu adsorbieren
ist, wie einer von uns (Gins [12]) seinerzeit mitgeteilt hat, war Aussicht
vorhanden, auf diese Weise, die uns früher bei Filtrierversuchen manchmal
gute Dienste leistete, kleine Mengen von Virus noch nachzuweisen.
Nach der Entblutung wurden die Organe entnommen und direkt
verimpft. Als nach den ersten Versuchen sich schon ein Überblick ge¬
winnen ließ, wurde manchmal einige Stunden nach der Injektion die Milz
exstirpiert, und das Tier für andere Zwecke aufgehoben. Die geplante ge¬
nauere Beobachtung der entmilzten Tiere wurde seinerzeit unmöglich
gemacht.
Für alle Versuche, bei denen es sich um die Erforschung des weiteren
Schicksals des intravenös injizierten Vaccinevirus handelte, hielten wir den
Grundsatz fest, größere Mengen von Virus, als sie bisher angewendet worden
waren, zu injizieren. So steigerten wir die Mengen in unseren einzelnen
Versuchen bis auf 50 ccm a / 20 Lymphe. Selbst diese großen Mengen wurden
glatt vertragen, auch der Glyzeringehalt, der immerhin noch 2 bis 3 Pro¬
zent betrug, hatte augenscheinlich nichts zu bedeuten. Die entmilzten
Tiere, die teilweise auch schon recht erhebliche Mengen bekommen hatten,
boten keinerlei Krankheitserscheinungen dar und blieben gesund, solange
wir sie noch beobachten konnten.
Die Tabelle II gibt einen Überblick über 27 Versuche, die wir mit
intravenös injiziertem Virus machten. Bei keinem unserer sämtlichen Ver¬
suche gelang der sichere Nachweis des Virus im strömenden Blut. Ein
einziges Mal nach Injektion von 50 ccm 1 / 20 Lymphe traten nach Ver¬
impfung des Blutes einige fragliche Pusteln auf, die aber nicht sicher als
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150
H. A. Gins und R. Weber:
Tabelle II.
Nachweis von intravenös injiziertem Vaccinevirus.
u
55
Injizierte
Organ-
Ergebnis der Verimpfung von
o3
s
i-}
Menge
in ccm l /*>
Ver¬
impfung
nach Std.
Blut
Milz
Knochen¬
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Leber
Bemerkungen
1
5
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2
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2
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—
12
13
20
20
2
—
—
Milz vor der Injek¬
tion exstirpiert
2
4
3 Pusteln
14
15
25
30
2
—
—
Milz vor der Injek¬
tion exstirpiert
2
4 4
16
30
5
—
4
—
2 Pusteln
17
80
3 , /t
i
4
i
deutl.
Pusteln
18
30
»Vl
+
1
1 Pustel
19
1 30
4
—
20
30
3 1
4
21
30
4
4
einzelne
Pusteln
22
30
5
4
einzelne
Pusteln
23
80
1 2
4
—
2 Pusteln,
schwach
24
35
2
4
i
3 Pusteln
25
50
l #/ 4
+ ? !
4 4
Milz vor der Injek¬
2 !
1
4 .
— |
tion exstirpiert
26
50
i
einzelne
4
j
1
Pusteln
einzelne
27
50
2 |
1
—
i
Pusteln
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Nachweis des in die Blutbahn eingespritzten Vaccinevirus. 151
Vaccineeruption nachgewiesen werden konnten. Das Blut war l s / 4 Stunden
nach der Injektion entnommen, vorher war bei dem Tier die Milz exstirpiert
worden. Sämtliche andere Versuche, das Virus im Blut aufzufinden,schlugen
fehl. Weder bei einem Tier, das unmittelbar nach der Injektion von 10 ccm
V* o Lymphe an Embolie einging, noch bei anderen, die 1 bis 5 Stunden
nach der Injektion entblutet wurden, fanden wir das Virus. Auch die ein¬
gespritzte Menge spielte dabei keine Rolle, denn nach der Injektion von
5 bis 50 ccm 1 / 20 Lymphe hatten wir immer gleiche Mißerfolge. Die starke
Verdünnung des Virus im Blut kann als Erklärung hierfür nicht ohne
weiteres herangezogen werden, seitdem wir wissen, daß sich selbst sehr
kleine Virusmengen durch Kaolinausschüttelung noch nachweisbar machen
lassen. Es muß das Virus sehr schnell abgetötet oder in die Organe ab¬
gelagert worden sein.
Besondere Erwähnung verdient die Verimpfung der Milz nach intra¬
venöser Injektion. Es sei hier noch einmal an unsere schon früher gemachte
Beobachtung bezüglich der Milz beim Vaccinekaninchen erinnert. Wir
finden nämlich bei den auf die Haut mit virulentem Material geimpften
Tieren fast regelmäßig am 4. bis 5. Tag eine erhebliche Milzschwellung.
Und ebenso sahen wir wenige Stunden nach der intravenösen Vaccine¬
injektion eine mehr oder weniger ausgesprochene Milzschwellung auf-
treten als Zeichen dafür, daß die Milz irgend etwas mit dem in die Blut¬
bahn eingebrachten Vaccinevirus zu tun hat. Es lag also nahe, die Milz
solcher Tiere auf ihren Gehalt an Vaccinevirus zu prüfen. Die Verimpfung
wurde ohne besondere Vorbehandlung gemacht, es wurden Milzstückchen
zerkleinert und dann direkt in die Cornea und auf die Haut verimpft.
Das Ergebnis dieser Verimpfungen ist aus der Tabelle ersichtlich. 21 Ver¬
suche wurden gemacht, 17 mal wurde das Vaccinevirus ge¬
funden, 4 mal gelang der Nachweis nicht. Die Intensität des Impf¬
erfolges war recht verschieden. Bei der größeren Zahl von Tieren traten
nur vereinzelte Pusteln auf der Haut auf, während die Hornhaut frei blieb.
In diesen Fällen wurde die Diagnose: Vaccine durch weitere Verimpfung
der einzelnen Pusteln auf neue Kaninchen sichergestellt. Bei 3 Kaninchen
dagegen ließen sich erhebliche Virusmengen feststellen, die Verimpfung
der Milz auf die Haut führte zur Entwicklung einer beinahe konfluierenden
Vaccineinfektion, die Verimpfung in die Hornhaut zu einer starken Kera¬
titis mit zahlreichen Vaccinekörperchen. Die eingespritzte Menge hatte
auf den Erfolg der Milzvermischung weniger Einfluß, als wir zuerst ver¬
muteten. Die Injektion von 5 ccm ergab einen Erfolg, einen Mißerfolg,
10 ccm 3 Erfolge, 1 Mißerfolg, 15 ccm einen besonders guten Erfolg und
einen Mißerfolg, 20 ccm einen besonders starken Erfolg, einen Mißerfolg,
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152
H. A. Gins und R. Weber:
30 ccm 7 Erfolge, darunter einen sehr starken, und einen Versager, 35 ccm
einen Erfolg, 50 ccm einen schwachen Erfolg und einen Versager. Es
macht ja wohl den Eindruck, als ob bei der Injektion größerer Mengen
der Nachweis des Virus häufiger gelänge, aber es ist doch darauf hinzu¬
weisen, daß meistens nur sehr spärliche Impferfolge erzielt wurden. Die
Zeit zwischen Injektion und Herausnahme des Organs hielt sich zwischen
l 1 /* und 5 Stunden. Bei den verschiedensten Zeiten innerhalb dieser
Grenzen wurden erfolgreiche Milzverimpfungen vorgenommen.
Als Ergebnis dieses Teiles unserer Versuche können wir also fest-
stellen, daß wir nach intravenöser Injektion größerer Lymphmengen in
einer beträchtlichen Zahl aller Versuche Vaccinevirus in der Milz wieder
nachweisen konnten. Meistens fanden sich geringe, in 3 Fällen jedoch
recht erhebliche Virusmengen in der Milz vor.
Um der Bedeutung dieser Versuchsergebnisse näher zu kommen, ist
es zweckmäßig, die Versuche mit den größten injizierten Mengen zu be¬
trachten. Die beiden letzten in der Tabelle aufgeführten Versuche be¬
ziehen sich auf die Injektion von 50 ccm 1 / t0 Lymphe. Bei dieser großen
Menge von Virus darf man wohl den Ausdruck brauchen, daß der Tier¬
körper mit infektiösem Material überschwemmt wurde. Und das Ergebnis
der Verimpfung? Nach 2 Stunden war in Milz und Leber das Virus in ge¬
ringer Menge nachweisbar, es traten nach der Verimpfung der Organe des
einen Tieres nur einzelne Pusteln auf. Dagegen blieb die Verimpfung der
Organe des anderen Tieres völlig negativ. So scheint es, daß das Virus
im Körper des lebenden Kaninchens sehr schnell zugrunde geht. Daß
diese Zerstörung in der Milz erfolgt, ist zu vermuten, aber bisher nicht
zu beweisen. Es müssen jedoch noch andere Orte der Vernichtung oder
Ablagerung in Frage kommen, da wir meistens nur relativ geringe Mengen
von Virus in der Milz gefunden haben. Allerdings möchten wir aus dieser
Tatsache keine weitgehenden Schlüsse ziehen, denn wir kennen die nächsten
Schicksale der in die Blutbahn eingespritzten organisierten und nicht-
organisierten Gifte überhaupt erst wenig. Die theoretische Möglichkeit
liegt allerdings vor, daß Vaccinevirus an irgendwelchen Körperstellen
unwirksam gemacht wird und bereits in diesem Zustand in dem lymphati¬
schen Apparat aufgespeichert wird. Für eine solche Auffassung spricht
das auch von uns bei früheren Versuchen oft erlebte negative Ergebnis
der Verimpfung einer geschwollenen Milz nach Hautimpfung und aber
auch die serologische Untersuchung des Kaninchens 341, welches nach
Vorbehandlung mit Lymphdrüsenmasse von Vaccinekaninchen immun
wurde und antivirulente Substanzen im Serum hatte.
Wir sehen also auf Grund dieser Annahme in dem Virus, das wir in
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Nachweis des in die Blutbahn eingespritzten Vaccinevirus. 153
der Milz finden, Reste, die der schnellen Vernichtung entgangen sind und
von uns vor ihrer endgültigen Zerstörung eben noch nachgewiesen werden
konnten. Für eine schnelle Ablagerung des lebenden Virus aus der Blut¬
bahn in die Milz zum Zweck der Vernichtung in diesem Organ haben wir
keinen Anhaltspunkt. Wäre es der Fall, dann müßten wir regelmäßig
und in weit größeren Mengen das Virus in der Milz nachweisen können.
Allerdings ist darauf hinzu weisen, daß auch unsere Versuche die Verhält¬
nisse noch nicht endgültig geklärt haben. Es wird noch weiterer Forschungen
bedürfen, um die Wechselwirkungen des Kaninchenkörpers und des in die
Blutbahn eingespritzten Vaccinevirus in allen Phasen klarzustellen. Es
ist leicht möglich, daß wir mit noch viel feinerem Nachweis des Virus regel¬
mäßig positive Milzverimpfungen bekommen werden, und daß sich noch
ein Zeitpunkt finden läßt, an dem wesentlich größere Mengen von Virus
nachweisbar sind, als wir gewöhnlich beobachteten.
Nachdem unsere Versuche die Möglichkeit des Virusnachweises unter
den angegebenen Bedingungen ergeben hatten, war es naheliegend, zu
beobachten, wo das intravenös injizierte Virus gefunden wird, wenn die
Milz entfernt ist. Wir haben bisher 3 Versuche nach dieser Richtung ange¬
stellt. Vor der Injektion wurde die Milz exstirpiert, und nach etwa 2 Stunden
das Tier getötet zur Verimpfung der Organe. 2 Versuche mit 20 und 25 ccm
Injektionsmaterial blieben ganz ergebnislos, die Verimpfung von Blut,
Leber und Knochenmark bei dem einen, von Leber und Knochenmark
bei dem anderen führte nicht zu einer Vaccineeruption. Dagegen hatte
der dritte Versuch mit 50 ccm injizierter Lymphe insofern ein Ergebnis,
als die Verimpfung der Leber zu einer fast konfluierenden Vaccine führte,
während das Blut zweifelhaft und das Knochenmark negativ blieb. Bei
allen anderen Versuchen an nicht entmilzten Tieren fanden wir Virus in
der Leber nur einmal (Kaninchen 593) nach der Injektion von 50 ccm
Va, Lymphe. Da wir seinerzeit weitere Versuche zu diesem Thema nicht
anstellen konnten, sei hier nur auf den Ausfall dieser Versuche hingewiesen,
ohne daß wir die mögliche Stellvertretung der inneren Organe dem Vaccine¬
virus gegenüber eingehend besprechen. Das soll erst geschehen, wenn
größere Erfahrungen an entmilzten Tieren vorliegen.
Über das vermutliche Schicksal des intravenös injizierten Vaccine¬
virus können wir uns auf Grund unserer Versuchsergebnisse folgender¬
maßen äußern:
1. Die Tatsache, daß das Vaccinevirus aus der Blutbahn sehr schnell
verschwindet, wurde auch von uns bei allen Versuchen bestätigt.
2. Beim Calmette-Gu6rinschen Versuche ist Vaccinevirus in der
Haut in sehr geringer Menge und keineswegs regelmäßig nachzuweisen.
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154 H.A.Gins u. R. Weber: Nachweis des eingespritzten Vaccinevirus.
3. Dieses Virus verdankt sein Überleben wahrscheinlich der Tat¬
sache, daß es unmittelbar nach der Injektion in Hautgefäße geriet und da¬
durch der raschen Abtötung im Organismus entging.
4. Nach intravenöser Injektion großer Virusmengen läßt sich Virus
in verschieden reichlicher Menge in der Milz nachweisen, wenn die Ver¬
impfung dieses Organs in den ersten 5 Stunden nach der Injektion erfolgt.
5. Im Knochenmark konnte niemals Vaccinevirus nachgewiesen werden,
in der Leber einmal in geringer Menge nach Injektion von 50 ccm 1 / M Lymphe
und einmal reichlich bei einem entmilzten Tier.
6. Milz von hautgeimpften Kaninchen enthielt Virus ein einziges Mal.
Literaturverzeichnis.
1. Vanselow und Freyer, Bericht über die Tätigkeit der Kommision zur
Prüfung der Impfstoffrage. Berichterstatter Dr. P. Frosch. Berlin 1896. Jul.
Springer.
2. Paschen im Handbuch der Technik der Imm.-Forschg. Kraus-Levaditi.
1911. I. Erg.-Bd.
3. v. Provazek und Halberstädter, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheits-
Amt. Bd. XXVI.
4. Jürgens, Chariti-Annalen. 1903.
5. Hauser, Inaug. Dissert. Freiburg i. Br. 1905.
6. Mühlens und Hartmann, Centradbl. /. Baku Or.-Bd. XLI.
7. Süpfle, Archiv für Hygiene. 1908. Bd. LXVTII.
8. v. Provazek und Yamamoto, Münchener med. Wochenschr. 1909.
9. Calmette und Gu6rin, Ann. Inst. Pasteur. T. XV.
10. Tomarkin und Carri&re, Handbuch der pathog. Mikroorg. Kolle und
Wassermann. Bd. VIII.
11. v. Provazek, CentraJbl. f. Bald. Or.-Bd. LXXII. 1914.
12. Gins, Berliner klin. Wochenschr. 1914. Nr. 9.
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Über den Einfluß gewisser physikalisch-chemischer Faktoren
auf Präzipitation und Agglutination . 1
Von
Dr. St. Berkowski,
Leiter des Bakteriologischen Laboratoriums in Warschau.
Bei den über die Reaktion von Widal-Gruber und über die auf
den Einfluß von Serum immunisierter Tiere zurückzuführende Bakterien-
agglutination von mir ausgeführten Versuchen habe ich zahlreiche Be¬
funde wahrgenommen, welche von den üblichen Schlußfolgerungen be¬
deutend abweichend gewesen sind; ich beschloß daher, diese Befunde in
einer Reihe systematischer Forschungen zu prüfen, deren Ausführung
die Jahre 1914 und 1915 in Anspruch genommen hat. Der damit beab¬
sichtigte Zweck war der folgende:
1. Das quantitative Verhältnis und den gegenseitigen Zusammenhang
der drei an der Reaktion mitwirkenden Faktoren zu ermitteln;
2. zu untersuchen, inwiefern sich Präzipitine an spezifischen Sedi¬
menten beteiligen, d. h., ob die Sedimente, außer Bakterienagglutinaten,
auch noch Globulinpräzipitate enthalten;
3. zu ermitteln, ob gewisse Reaktionen (wie z. B. die von Kraus
bei Bakterienfiltraten angewendete Uhlenhuthsche Probe) ebenfalls für
Bakteriensuspensionen anwendbar sind.
4. zu untersuchen, ob Präzipitate nicht durch ausschließlich kata¬
lytische Wirkung spezifischer Bakterien zu erzeugen wären, oder aber,
ob die Mitwirkung von Bakteriensuspensionen, bzw. von deren Filtraten
absolut erforderlich sei;
5. zu bestimmen, ob der beobachtete Anstieg des präzipitativ-agglu-
tinativen Titers sich etwa nicht in Abhängigkeit stellen ließe: a) von
der absoluten Quantität des Präzipitinogens und Präzipitins; b) von
Änderungen des Sättigungsgrades der NaCl-Salze von 0*85 bis 8*5 Pro¬
zent; c) von Substitution des NaCl durch (NH^g.SC^; vom Zusatz von
1 Vorgetragen am 15. Oktober 1915 in der Sitzung der Warschauer Gesell¬
schaft der Wissenschaften.
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156
St. Serkowski:
CH3.COOH; e) vom Komplementzusatz; f) von Erwärmung der Bakterien¬
suspensionen u. dgl., und
6. zu ermitteln, ob überhaupt eine solche Änderung der
Untersuchungsmethode zulässig wäre, welche das Erlangen
eines beträchtlich höheren Titers ermöglichen und somit
bei geringem Präzipitin- bzw. Agglutiningehalte positive
Resultate gewähren würde (im Serum der Typhuskranken während
des Initialstadiums, bei Tuberkulose, in Krankensekreten, in der Frauen¬
milch usw.).
Ich sehe davon ab, an dieser Stelle zu beschreiben die Ausführungsweise
von makroskopischer Agglutination in Kapillaren, in kleinen, engen, auf
1 ccm berechneten Röhrchen, in größeren Probiergläsern, auf Platten u. dgl.
Sämtliche dieser Versuchsmethoden gehen von dem Standpunkte aus,
daß die Resultate einer makroskopischen Probe auf den Verdünnungs¬
grad des Serums, sowie auf vorschriftsmäßige Darstellung der Bakterien¬
suspension zurückzuführen sind, ohne Rücksicht auf den Behälterumfang
bzw. das Volumen der gemischten Flüssigkeiten (d. h. des verdünnten
Serums und der Suspension).
Laut der üblichen Meinung kann ein gleicher Titer bei 0-5, 1*0, bei
5 oder 10 ccm Gemisch erlangt werden; es handelt sich nur um den genauen
Verdünnungsgrad des Serums.
Ob dieser Grundsatz den Tatsachen entspricht, tritt durch folgende
Versuche zutage: nach vorangehender Titerbestimmung (pro 1 ccm) wurden
diverse Sera mit einem Volumen Suspension vermengt, welches deren
Verhältnis ungeändert gelassen; das Gemisch wurde auf diese Weise dar¬
gestellt, daß die Menge der beiden Substanzen, mit Aüfrechterhaltung
des im ersten Probierglas vorhandenen Verdünnungsgrades, in jedem
folgenden Probierglas vergrößert wurde, z. B. 1. 1 ccm Bakteriensuspension
+ 1 Tropfen Präzipitin (Verdünnung 1 zu 100); 2. 2 ccm Suspension
+ 2 Tropfen Präzipitin; im 3. Glas —3 ccm +3 Tropfen usw.
Befunde 1 : Die Resultate der Präzipitation sind nicht
allein von der Verdünnung des spezifischen Serums, sondern
auch von der absoluten Menge der verbrauchten Substanzen
abhängig. Beträgt bei Berechnung pro 1 ccm der Titer des Gesamt¬
gemisches 1:200, so können bei fünffachen Mengen, sogar bei 1:2000,
Sedimente erhalten werden; bei hochagglutinierendem Serum beträgt der
1 An den vorgeführten, wie auch an weiteren Versuchen haben sich meine
Mitarbeiter: A. Sachnowski, J. Przyborowski, K. Sterling, L. Szeres-
zewski und T. Raniecki beteiligt, wofür ich ihnen hier meinen höflichsten Dank
ausd rücke.
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 157
Anstieg des Titers 1:2500 bis 1:20000; bei allmählich an wachsenden
Mengen steigt der Titer der Sera unbegrenzt an. Daraus folgt ein weiterer
Schlußsatz: Sollte das Serum eines Typhuskranken im Ini¬
tialstadium, bei üblicher Verdünnung (1:25—50—100) und bei
Anwendung von 1 ccm Gemisch nicht agglutinieren, so ist
die Agglutination in stärkeren Dosen zu wiederholen (5 bis
10 fach), bei ungeänderter Verdünnung des Serums. Das gleiche
bezieht sich auf andere Infektionsprozesse, wie Ruhr, Tuberkulose u. dgl.
Das Resultat der Sedimentation ist auf die absolute Menge der Be¬
standteile zurückzuführen, eine Menge, die nur insofern von der Ver¬
dünnung der Präzipitine bzw. der Agglutinine abhängt, als bei einer
ungeheuren Verdünnung der letzteren die absolute Menge der Bestand¬
teile anstatt 3 oder 5 mal, 8 bis 10 mal zu vergrößern ist; diese Abhängig¬
keit tritt durch die in Tabelle II zusammengestellten Versuche zutage.
Was die Erhöhung des Agglutinationstiters unter dem Einfluß der
im Serum selbst stattfindenden Änderungen betrifft, so ist ein solcher,
auf verschiedene Ursachen zurückzuführender Anstieg von den Forschem
hier und da beobachtet worden. So haben z. B. R. Scheller 1 , Glässner 8
und F. Eisenberg 8 bei länger stehen gelassenen Sera einen Anstieg des
Titers im Vergleich zu den frischen Sera wahrgenommen. •
Indem ich in der Theorie der Kolloide nach einer Erläuterung der vor¬
geführten Phänomene suche (Tabb. I und II), welche mehr auf Bedeutung
des Volumens beider Bestandteile, als auf Verdünnung des spezifischen
Serums beruhen, bin ich nicht imstande, daselbst eine genaue Analogie zu
finden. Mehrmals wurde ein Zusammenhang zwischen dem osmotischen
Drucke und der Teilchenzahl des bestimmten Volumens beobachtet. 4
Es ist wohl möglich, daß auch in dieser Erscheinung der Teilchen¬
zahl eine gewisse Bedeutung zufällt. Die Kolloidlösungen pflegen sich
öfters zu ändern, parallel mit den in den Teilchen selbst vor sich gehenden
Änderungen: Amikronen werden zu Submikronen, und zuletzt erfolgt die
Koagulation mit simultaner Erniedrigung des osmotischen Druckes. Da
der Einfluß von Elektrolyten auf den osmotischen Druck von Eiweiß
festgestellt ist, so bewirkt die Salzlösung auch in diesem Falle, auf größere
Eiweißmengen einwirkend, eine Erniedrigung dessen osmotischen Druckes:
die Mikronen selbst erleiden Änderungen, worauf Koagulation erfolgt.
_ %
1 Centralbl. f. Bakteriol. 1904. Bd. XXXVI. S. 427,694 u. 1905. Bd. XXXVIII.
S. 100.
* Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 1905. Bd. I. S. 640.
1 Centralbl. f. Bakteriol. 1906. Bd. XLI. S. 96 u. folgende.
4 R. Zsigmondy, Kolloidchemie. 1912. S. 42.
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158
St. Serkowski:
Trotzdem ist die vorgefübrte Auseinandersetzung nicht imstande, uns
weder den Einfluß und die Beteiligung des spezifischen Serums, noch die
Bedeutung der vergrößerten Präzipitinogenmengen zu erläutern.
Tabelle I.
Titer pro 1 ecm
50
100
1 200
250
500
1000
2000
4000
8000
o
o
o
o
Kontr.
Hochagglutinierendes
Typhusserum . . . ,
1
; +
4-4-
1
+ +
4 - 4-
1
4- 4-
4 - 4 -
1
+
1
_
_
Serum eines Typhus- |
kranken (9 Tage) . .
x h
4-4-
4 - 4-
1 + +
—
—
—
Hochagglutinierendes
Choleraserum . . .
! + +
4- 4-
4- 4-
4 - 4 -
+ +
i 4- 4 -
4-4-
—
— s
Tabelle I (Fortsetzung).
Agglutination oberhalb des „Titers“.
Serum- und Suspensionsmengen werden allmählich vergrößert, doch
bleibt dabei das Verhältnis des ersten zum zweiten, sowie die Verdünnung
in jedem der 6 Probiergläser ungeändert.
Susp. v. 1-
-6 ccm K. — serum-
Bemerkungen
2
3 ! 4
_5
6 lose Susp. 1
Hochaggl. Typhusser.,
verd. 1:40004-Typhus¬
suspension ....
i —
—
± i +
+ +
+ + : "
Im 5. u. 6. Probierglas-Prä¬
zipitat ebenso groß (trotz
der Verdünnung 1:4000)
wie oben bei Verdünnung
1:100—1000.
Hochaggl. Typhusser.,
verd 1:8000 4- Typhus¬
suspension ....
± ±
+ +
4-4- —
Präzipitat im 5. u. 6. Pro¬
bierglas bei 1:8000 = Prä¬
zipitat bei 1:100—1000.
Serum eines Typhus-
kranken (10 Tage), verd.
1 : 1000 4-[ Typhussus¬
pension .
± + +
4-4-
4-4- —
Präzipitat im 4., 5. und 6
Probierglas bei Serumver¬
dünnung 1:1000 = dem
Präzipitat bei Verdünnung
1:100—200.
Serum des gleichen Kr.,
verd. 1:2000 4- Typhus¬
suspension ....
± i++
4-4-
, ++ 1 “
Wie oben, trotz der Serum¬
verdünnung 1:2000.
Hochaggl. Choleraser.,
verd. 1:10000 4- Suspen¬
sion v. Vibrio Cholerae
± 1
+!++
4- 4-
+ + +
Präzipitat im 4., 5. u. 6.
Probierglas bei Serum Ver¬
dünnung 1:10000 = dem
Präzipitat 1:50—4000.
Hochaggl. Choleraser.,
verd. 1:20000 4- Suspen¬
sion v. Vibrio Cholerae
± ++
4- 4-
j ++ —
Wie oben, trotz der Serum¬
verdünnung 1:20000.
Hochaggl. Choleraser.,
verd. 1 : 20000 4- Ty-
phussuspension . . .
i—' —
—
Zweite Kontrolle, suspen¬
sionsloses Serum ebenfalls
negativ.
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 159
Diese Versuche sind 4 mal wiederholt worden mit gleichen positiven
Resultaten in den Probiergläsern 4 bis 6; nur im 2. und 3. Probierglas
sind geringe Differenzen beobachtet worden.
Tabelle II.
Serumtiter bleibt ohne Änderung. Die Menge der beiden Substanzen
wächst gleichmäßig um den Inhalt des ersten Probierröhrchens, auf solche
Art, daß wir in dem zweiten Probierröhrchen 2 mal Suspension der ersten,
in drittem =3x1 usw. haben.
Multi probe von 1—8 ccm
La.
2
1 3
1 4 1
5
6
7 !
8
8 Kontr.
Serum eines Typhuskranken
In 8 Kon-
(14 Tage d. Krankheit), Verd.
1
trollen Sus-
Ytooo + Typhussuspension .
—
— !
± 1
4- 1
4-
4-
I 4-
+
pension ohne
, 4-
4-
4-
Serum.
Serum ein. Meerschweinchens,
Verd. l / 1000 4- Typhussuspen-
<
sion.
—
—
—
|
—
—
HochagglutinierendesTyphus-
serum, Viooo 4- Cholerasuspen-
sion.
—
—
1 —
—
Hochagglutinierendes Typhus-
serum, Y4000 4- Typhussuspen¬
sion .
_
_
±
4-
[ 4-
+
4-
+
_
4~
1 4-
! +
4"
HochagglutinierendesTyplius-
serum. 7« 000 4 - Typhussus¬
pension .
—
±
4-
4-
! 4-
—
4-
4-
4-
; +
HochagglutinierendesTyphus-
serum, 1 /i 0 ooo 4- Typhussus¬
pension .
' ±
4-
. 4-
4-
4-
! 4-
’ 4-
4-
4-
4-
Schwachagglutinierendes Cho¬
leraserum (3malige Injektion),
V-Vjoioo 4-Cholerasuspension
_
i ±
+
+
4-
4-
+
—
4-
4-
4-
! 4-
Menschenserum (vor 11 Mon.
3 mal mit Choleraserum im¬
munisiert) .
—
| —
±
4-
4-
4-
, 4-
_
Verdünnung
der Sera
Menschenserum (vor 3 Mon.
V1000*
2 mal mit Typhusvaccin im¬
munisiert) .
—
±
4-'
| 4-
1 4-
Prinzipiell ist bei Darstellung von spezifischen Niederschlägen das
Phänomen der Agglutination von demjenigen der Präzipitation getrennt
zu halten: die erste Bezeichnung umfaßt die Sedimentation von Bakterien-
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160
St. Serkowski:
körpern, die zweite dagegen die Koagulation der in Extrakten und ,
bakterienlosen Filtraten gelösten Verbindungen. Sowohl die erste, als
auch die zweite Erscheinung erfordert eine parallele Mitwirkung von
drei Faktoren, und zwar von Antigen (Agglutinogen bzw. Pr&zipitinogen),
von Antikörper (Agglutinin bzw. Präzipitinin) und von physiologischer
Kochsalzlösung.
Zahlreiche der bestehenden Arbeiten bezwecken entweder eine Identi¬
fikation oder Analogie dieser beiden Phänomene, oder aber dieselben be¬
absichtigen eine Ermittelung von prinzipiellen Unterschieden zwischen
den beiden Erscheinungen. Gestützt auf Beobachtungen aus meiner
Praxis, möchte ich hier die Meinung aussagen, daß beide Erscheinungen
gleichzeitig in einen und denselben Probiergläsern erfolgen
können, und zwar sowohl unter dem Einfluß von Serum
kranker, wie immunisierter Tiere in Verbindung mit einer
entsprechenden Bakteriensuspension: die Agglutination wird
fast ausnahmslos von Präzipitation begleitet. Bei niedrigeren
Verdünnungen pflegt die letztere die erstere derart zu übersteigen, daß
wir von positiver Agglutination in denjenigen Fällen sprechen, in welchen
Präzipitation beobachtet werden müßte. Nicht allein bei gewöhnlicher
makroskopischer Untersuchung, sondern auch durch Abwägen konnte
ich feststellen, daß das Präzipitat 10 bis 20 mal die verwendete Menge
der Bakterienkörper überstieg. Auch mikroskopisch hatte ich öfters Ge¬
legenheit, wahrzunehmen, daß in spezifischen Agglutinaten Bakterien¬
konglomerate eine verschwindende Minderheit bilden, wogegen der Nieder¬
schlag meist aus amorphen, bakterienlosen Massen und Flocken besteht:
somit hat das Präzipitat Übergewicht über das Agglutinat.
Bei Versetzen der Bakteriensuspensionen mit entsprechendem spezi¬
fischen Serum, in einer Reihe von Probiergläsern bei allmählich ab¬
nehmenden Mengen, d. h. in stets anwachsender Verdünnung, beobachten
wir beständig eine beträchtliche „Agglutination“ (+ -f +) in den schwä¬
cheren Verdünnungen, und eine unvollständige (±) in den stärkeren.
Meiner Ansicht nach könnte diese allgemein bekannte Tatsache damit
erklärt werden, daß die sogenannte ausgesprochene Agglutination eine
Verbindung von Agglutination und Präzipitation ist, und die unvoll¬
ständigen Niederschläge ausschließlich Agglutinate enthalten; mit anderen
Worten: der Agglutinationstiter des Serums ist stets höher, als der Prä¬
zipitationstiter. Wird sogar nach ausgeführter Reaktion kein teilweiser
Niederschlag erhalten, was mitunter bei beträchtlichen Verdünnungs¬
unterschieden vorzukommen pflegt (200—100—500 u. dgl.), so erfolgt
derselbe dennoch, sobald wir eine genauere Abstufung oder geringere
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 161
Differenzen zwischen den aufeinanderfolgenden Verdünnungsgraden ein¬
gehalten haben.
Es ist mir öfters vorgekommen, eine unvollständige Widalsche Reak¬
tion (oder die eigentliche Agglutination) bei Serumverdünnung 1 zu 250
zu erhalten; eine beträchtlichere dagegen bei 1 zu 200; dabei habe ich
aber nur in der letzteren Verdünnung Präzipitat, selbstverständlich mit
Agglutinat, feststellen können.
Um die chemischen Eigenschaften der erzeugten Niederschläge zu
ermitteln, habe ich folgende Versuche ausgeführt: mit Hilfe einer Kapillar¬
pipette beseitigte ich die Flüssigkeit oberhalb des Niederschlages und
wusch denselben zweimal mit physiologischer Kochsalzlösung. Das
ausgewaschene Sediment zeigte sich unlöslich in destilliertem Wasser,
löste sich dagegen in schwachen Lösungen von Salz und Lauge auf. Nach
Beseitigung der Salzlösung löste ich den Rückstand in schwacher Natrium¬
lauge auf (1 Prozent). Sodann habe ich die gewonnene Flüssigkeit, welche
geringe Mengen von unlöslichen Flöckchen enthielt, durch ein chemisch
reines Papierfilter zweimal passieren lassen und führte mit dem klaren
Filtrat folgende Reaktionen aus:
1. Einem Teil dieses Filtrates wurde ein gleiches Volumen von ge¬
sättigter Ammoniumsulfatlösung beigemengt, wobei eine ausgesprochene,
nach und nach niederfallende Trübung beobachtet wurde. Magnesium¬
sulfat erzeugt bei gesättigter Flüssigkeit ebenfalls Sedimente.
2. Der zweite Teil des Filtrates wurde mit einem Tropfen verdünnter
Essigsäure versetzt; auch bei dieser Probe erfolgte Trübung und nach einer
gewissen Zeit ein geringes, flockenartiges Sediment.
3. Der dritte Teil des Filtrates wurde mit 10 prozentiger Phosphor¬
wolframsäure vermischt; im Berührungspunkte beider Flüssigkeiten bildete
sich ein weißer Ring.
4. Der vierte Teil trübte sich nach Zusatz von Alkohol und bildete
nach einiger Zeit einen Niederschlag.
Sämtliche der vorgeführten Proben, besonders aber die erstere,
scheinen dafür zu sprechen, daß Sedimente aus Verbindungen bestehen,
die der Globulingruppe gehören. Nur ein geringer Teil des Niederschlages,
in Gestalt von unlöslichen Flöckchen, bestand aus Bakterien, zum Teil
aus Globulin, da die unvollständige Löslichkeit in Lauge gleichfalls auf
längeres Verbleiben der Sedimente in Kochsalzlösung zurückgeführt werden
kann: nach längerem Verbleiben in Wasser- oder in Salzlösungen werden
gewisse Globulinarten ebenfalls unlöslich.
Die weiteren von mir ausgeführten Versuche bezweckten zu ermitteln,
ob die präzipitative Ringreaktion von Uhlenhuth, deren sich Kraus
Zeitechr. f. Hygiene. LXXXII
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162
St. Serkowski:
bei bakterienlosen Filtraten bediente, auch für Bakteriensuspensionen ver¬
mittelst Schichtung mit entsprechendem spezifischen Serum anwendbar
sei. Ich griff zu dieser Reaktion auch bei der von meinem Mitarbeiter
Br. Kretkowski 1 für latente Blutungen vorgeschlagenen Modifikation.
Und zwar vermengte ich spezifisches, verdünntes und unverdünntes Serum
in sehr schmalen Probiergläsern mit einer dichten Suspension von ent¬
sprechenden Bakterienarten — nicht in physiologischer Kochsalzlösung,
sondern in doppelter Konzentration; mit Hilfe einer Pipette träufelte man
ganz vorsichtig die Suspension den Wänden entlang ein, um zwei Schichten
zu bilden. Bei konzentriertem Serum kam die Suspension oberhalb des¬
selben, bei verdünntem dagegen — unterhalb zu liegen.
Ich bemerkte, daß bei Anwendung von homologem Präzipitin und
Präzipitinogen ein weißer Ring entsteht an der Berührungsstelle beider
Flüssigkeiten, sofort nach geschehener Stratifikation, — z. B. Serum eines
Typhuskranken nebst dichter Suspension von Typhusbazillen in 1*7 proz.
Kochsalzlösung.
Der Ring pflegt sich gewöhnlich sofort und jedenfalls nicht später als
in 20 bis 40 Minuten, bei Zimmertemperatur zu bilden. Diese Reaktion
war zuweilen so auffallend, daß in einer langen Reihe von Probiergläsern
dasjenige sofort bestimmt werden konnte, in welchem die beiden in Be¬
rührung kommenden Substanzen gegenseitig spezifisch gewesen.
Dergleichen Versuche sind in Hunderten ausgeführt worden; ich
sehe indes von deren eingehender Beschreibung ab, da sich diese Proben
endgültig als in der Praxis unausführbar zeigten. Und zwar pflegt es vor¬
zukommen, daß eine und dieselbe mit gleichen Reagenzien, in mehreren
Probiergläsern ausgeführte Reaktion nicht ganz übereinstimmende Resul¬
tate gibt — in den einen positive, in anderen dagegen — negative. Bei den
letzteren bilden sich Sedimente an Stelle der Ringe. Die Resultate werden
beeinflußt durch die Dichte der Suspension, durch mehr oder minder
sorgfältige Schichtung, sowie auch durch öftere Bildung von nichtspezi¬
fischen Niederschlägen, infolge von übermäßiger Sättigung des Serums
und von der Suspensionsdichte.
Um Präzipitate zu erhalten, darf man anstatt Bakteriensuspensionen
oder Filtraten auch ausgetrocknete Bakterienpräparate anwenden. Ich
gelangte zu diesem Befunde, indem ich feinste Kapillarröhrchen in 1:1 bis
1:1000 fach verdünntes Serum von Typhuskranken eintauchte. Die Ober¬
fläche der Kapillaren wurde mit einer dünnen Schicht von Typhus¬
suspension überdeckt, darauf getrocknet und vor dem Eintauchen sorg-
1 St. Petei'sburger Medizinische Wochenschrift. 1909.
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 163
fältig ausgewaschen, um die Bakterienzellen mit dem Serum in Berührung
zu bringen, ohne dabei Suspension zu bilden. Das in gewissen Probier¬
gläsern, unter dem Einfluß der katalytischen Bakterien Wirkung, inner-
oder außerhalb der Kapillaren erzeugte meßbare Präzipitat beweist, daß
sogar bei Fehlen von Suspension oder Filtrat ein spezifischer Niederschlag
erhalten werden kann. Meßbare Sedimente werden bei Anwendung von
größeren Serummengen erhalten (bis 3 bis 5 ccm), manchmal auch bei
1 ccm, doch wird dabei das Resultat durch die folgende, schwer zu ver-
füllende und nachzuprüfende Bedingung erschwert, und zwar soll die Schicht
der ausgetrockneten Bakterien ziemlich dicht der Oberfläche fest an¬
liegend und durch Wasserstrom nicht fortzuspülen sein. Bezügliche Ver¬
suche sind recht oft vorgenommen worden, doch sehe ich von der Be¬
schreibung derselben ab, mit Rücksicht auf oben angeführte Gründe,
welche sowohl die vorgeführten, als auch die Ringprobe in deren prak¬
tischer Anwendung unausführbar machten.
Seit der Entdeckung der Gruber-Widalschen Reaktion wurde von
zahlreichen Forschern bereits beobachtet, daß eine positive Reaktion ge¬
wöhnlich nicht früher als am 7. bis 11. Krankheitstage erhalten werden
kann. Zwar kommen seltene Fälle von positiver Reaktion bereits am
3. bis 5. Tage vor, doch sind diejenigen weit zahlreicher festgestellt worden,
in denen die Widalsche Reaktion erst am 18., 22., 2ö., 32., ja sogar am
40. Krankheitstage erfolgt war. Somit schlägt die serodiagnostische Reak¬
tion bereits im ersten Typhusstadium fehl, wo eine frühzeitige Diagnose
von größtem Wert sein würde.
Auch bei Tuberkulose führt die Agglutination zu Enttäuschungen.
Wie bekannt (Arloing und Courmont 1898), agglutiniert das. Serum
von Tuberkulösen entweder überhaupt nicht, oder es bildet Sedimente
bei Verdünnungen etwas über die Norm — 1:5 bis 20; nach Jessen wäre
1:25 der niedrigste Titer. Infolgedessen konnten bei völlig gesunden
Individuen bis 30 Prozent positive Resultate beobachtet werden (13 bis
25 Prozent bei Paltauf, 22 bis 25 Prozent nach Carrieres); dagegen
beträgt bei den mit Tuberkulose, ja sogar mit Miliartuberkulose befallenen
Subjekten, die positive Serumreaktion 15 bis 88 Prozent der Fälle nach
dem ersten, und 51 bis 58 Prozent nach dem zweiten dieser Forscher.
Demnach bestehen zahlreiche Befunde dafür, daß sowohl im ersten
Typhusstadium, wie auch bei Tuberkulose, das Krankenserum einen zu
kleinen Antikörpergehalt zeigt, im Vergleich zu demjenigen, welcher un¬
bedingt nötig ist, um die serodiagnostischen Reaktionen — die Aggluti¬
nation und die Präzipitation — an den Tag treten zu lassen. Wir müssen
unumgänglich eine Konzentration von Antikörpern, sowie auch ein
ii*
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164
St. Serkowski:
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Sensibilisieren der Reaktion selbst, bzw. einen Titeranstieg zu erlangen
suchen.
Was nun die Konzentration von Antikörpern in antitoxischen Sera
betrifft, so sind dafür recht zahlreiche Methoden vorgeschlagen worden 1 :
von den mehr bekannten erwähne ich der Methode von Gibson — ver¬
mittelst Fällung mit Ammoniumsulfat (3 fache Konzentration), derjenigen
von Gibson-Banzhaf (5 fache Konzentration) nebst der neueren Methode
von Brieger-Krause (Chlornatrium), von Brunner-Pinkus — mit
Natriumsulfat u. dgl. Von diesen Befunden kann bei Präzipitinenkonzen-
tration kein Gebrauch gemacht werden (wegen der kleinen Menge des
Krankenserums).
In einem engen Zusammenhänge mit dem Bereiche der von mir vor¬
genommenen und ausgeführten Versuche steht die bisher noch nicht end¬
gültig gelöste Frage, mit welcher Globulinfraktion sich die spezifischen
Präzipitine verbinden. Bezügliche Forscherbefunde sind völlig divergent,
und es ist noch nicht genau bekannt, ob Präzipitin und Agglutinin durch
Euglobulin oder durch Pseudoglobulin gebunden werden 2 : es ist nur fest¬
gestellt worden, daß keiner der Antikörper durch Albumin gebunden wird.
Demzufolge war ich in der weiteren Ausführung meines Versuc-hsplanes
außer Stande, die einzelnen Fraktionen zu berücksichtigen; ich suchte nur.
wenn möglich, die Aufklärung dieser Frage auf empirischem Wege zu
finden. Somit bediente ich mich bei Darstellung von Suspensionen ab¬
nehmender Verdünnungen von (NH 4 ) 2 S0 4 von 76 bis 0-59 Prozent, oder
zunehmender Konzentration von NaCl von 0-85 bis 8-5 Prozent, allein
oder mit Zusatz von CH 3 .COOH.
Ich gebe hier einen Teil der ausgeführten Proben an (s. Tabb. IIL
IV und V).
1 Über Konzentration von Antikörpern durch Einfrieren (Methode von Buj-
wid) sowie durch Trennung des Globulins von »Serum, siehe bei Samuely, im
Handbuch von Abderhalden, Handbuch d. biochemischen Arbeitsmethoden. 1910.
Bd.II. S. 360; bei Hoppe-»Seyler, Handbuch d. phys. u. path. ehern. Analyse.
1909. 8. Aufl. S. 406; zum Teil im Handbuch d. physiol. Chemie von Hammarsten.
/. Biochemie von Oppenheimer und in den „ Methoden d. AnlikörperdarsleUung"
von M. Ficker (Kolle-Wassermann. Bd. II, S. 210ff.).
8 »So sind z. B. Präzipitine mit Euglobulin vollständig (Pick, Bang) oder
nur zum Teil gebunden (Franceschelli); die Typhusagglutinine binden sich
meist mit Pseudoglobulin (Pribram), Sehutzagglutinate und Antitoxine im Serum
von Ziegen, Pferden und Kaninchen mit der Euglobulinfraktion (Gibson und
Collins); Hämolysine in beiden Fraktionen (Fuhrmann), Antitoxine im Eu-
und Pseudoglobulin. Näheres siehe bei Franceschelli. Arch. /. Hygiene. 1909.
Bd. LXIX. »S. 207; Pribram im Handbuch von Kraus-Levaditi, Bd. II. S. 87
und Ficker im Handbuch von Kolle-Wassermann, Bd. II. S. 230.
Go gle
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 165
Tabelle III a.
Präzipitation und Agglutination einer Typhussuspension, welche in
verschiedenen Konzentrationen von NaCl (0-85 bis 8-5 Prozent), unter
dem Einfluß von Typhusserum eines 9 mal mit Typhusvaccine immuni¬
sierten Kaninchens dargestellt wurde. Um Spontansedimente zu ver¬
hüten, wurden sämtliche Suspensionen vorher 2 Stunden im Brutofen
gelassen. Mit jeder Kochsalzlösung wurden 9 Proben ausgeführt: Ver¬
dünnung des Serums 1: 50 bis 1: 20000. Jede Probe mit 1 ccm Sus¬
pension. Kontrolle k x enthält serumlose Suspension, k t -Suspension mit
Serum in Verdünnung 1 zu 2000 (wie im Probierglas 6), mit Zusatz von
1 Tropfen 10 prozentiger Essigsäure.
Verdünnung des Serums
Kontr.
1
2
3
4
_ 5
(6)
7
8
9
k t
1.
0.85% NaCl . . . .
ii
i 1 +
4-
-L-
♦
4
(-)
—
_
_
i _
( + )
2.
0*85° o NaCl + lTr.l0o/ o -
igeCH,«COOH . . .
!i +
4-
4-
4-
4-
( + )
_
_
_
ii.
l-70%igesNaCl . . .
+ +
4- 4-
+ 4-14-4-
4- 4-
±
±
±
4-
in.
2 -55°/ 0 ige8 NaCl . . .
+ 4*
4- 4-
4- 4-
+ +
4- 4-
±
±
—
—
j —
4
IV.
3*40°/ O iges NaCl . . .
■ + +
4- 4-
4- 4-
4- 4-
4
+
±
±
—
; -
+
V.
4-25° 0 iges NaCl . . .
h + 1
+ !
4-
—
—
(-)
—
—
—
■ <-)
VI.
5-10 0 / 0 ige8 NaCl . . .
■ + |
4-
4-
±
—
(-)'
—
— '
—
(-)
VIII.
6«80°/ 0 igeB NaCl . . .
4-
1 4-
4-
±
—
(-)
—
— '
1 —
(— )
IX.
8«5°' 0 iges NaCl . . .
4-
4-
4-
_
i
+ !
+
4- i
4-
| : (4-)
—
X.
8-5°/ 0 iges NaCl 4- 1 Tr.
10° o ige CH 8 • COOH . .
i, +
4-
4-
_
_
i
.—
i
i
j i
V
Die Resultate wurden dreimal nachgeprüft: nach 8,16 und 24 Stunden.
Nach 8 Stunden erfolgte die stärkste Präzipitation in den Probiergläsern
mit Zusatz von CH 3 -COOH; nach 24 Stunden gleich wie nach 16. Ein
Titeranstieg mit Hilfe von Essigsäure wurde nur in schwächeren Kon¬
zentrationen von NaCl (0*85 und 1-70 Prozent) beobachtet. Nicht-
spezifischer Niederschlag erfolgte nur bei 8 • 5 prozentigem säurelosen NaCl.
In säurelosen Agglutinationen zeigten 1-79 und 2 • 55 prozentige Kon¬
zentrationen von NaCl den höchsten Titer.
Das Vorhandensein von Essigsäure bewirkt stets einen Titeranstieg,
insofern die Salzsättigung in der Suspension 2’55 Prozent nicht über¬
schreitet; bei höherem Sättigungsgrade ist die Wirkung eine direkt ent¬
gegengesetzte: die Essigsäure setzt den Titer herab, übrigens pflegen in
den 8-5 Prozent sich nähernden Sättigungen spontane Sedimente in den
serumlosen Kontrollen zu erfolgen.
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166
St. Serkowski:
So hat z. B. das Serum eines Typhuskranken (14. Krankheitstag)
in folgenden Verdünnungen mit spezifischer Suspension (pro 1 ccm) spe¬
zifische Niederschläge erzeugt:
Tabelle III b.
Cholerakulturen Nr. 26 und 27.
NaCl:
I. 0-85
II. 1-70
III. 2*25
IV. 3-40
V. 4-25
VI. 5-10
VIII. 6-80
X. 8*50
1 2 3 I 4 5 6 7 8 9
Kontr.
10 11
o o o o I © o I © C ® _ *0 II d. h.: beträgt die Konzeu-
»0000,0 00 0 0 OS*®?: . J
.. — ca to o o o o o ssoob tration von NaCl — 1-70 und
— ^ °2 • 55 °L . so becninsticrt di*>
+ + + + — — — —
4- 4- 4- 4- 4- (—) — — — —
4- 4- 4- 4- 4- — — — — —
+ 4- + + +— — — — —
4- 4- 4- 4- (dh) (—) — — — —
js ü & ,g | --- -
° uo ^ ® i 2-55%, so begünstigt die
Gegenwart v. Säure (1 Tropf.
( + \l 10° 0 iger Essigsäure) die Prä-
' ~ 1 zipitation, gibt einen Titer
|| = 1 :2000 — in den Fällen,
wo derselbe ohne Säure =
1—1 1:1000 + beträgt.
1
2
3
4
5
6 7
Kontr.
8 9 |_i,
10 | 11
süß dagegen: bei Konzentra-
I. 0-85
w t tionen von NaCl über 3-40
. *5 werden die Prüzipitate bei
® Gegenwart von Säure unter-
11. 1*70 +
4 -
4-
4 -
4-
+ -
+ drückt.
III. 2*55 +
4 -
4 -
4-
4-
— —
_t
IV. 3-40 +
4-
4 -
4-
4 -
— —
— — — 1 — v
V. 4-25 +
4-
4-
+
4 -
— 1 —
— — — l —
VI. 5*10 +
4 -
4-
4 -
4 -
( — —
— — — —
VIII. 6-80 ®
00
o
o
o
©
o
o
io !o
© o
o o o
o © o
X. 8.50 ..
1
w W
o o o
o o «
" —
<M
Ohne (Säure
Mit Säur*
bei 085 prozentigem NaCl. 1:200 1:2000
bei dreifacher Konzentration (2-55 Proz.) 1:200 1:2000
in 5 prozentigem Schwefelammon .... 1: 500 (Serum ist ermangelt)
Serum eines immunisierten Kaninchens (Typhusagglutination) mit
entsprechender Typhussuspension (pro lcem):
Ohne Säure Mit Säure
in 0-85 prozentigem NaCl. 1: 2000 1: 5000
in dreifacher Konzentration (2*55 Proz.) 1:2000 1:5000
in 5 prozentigem Schwefelammon .... 1: 2000 1: 2000
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 167
Tabelle IV.
Präzipitativ-agglutinativer Titer nach 15 Minuten, in 4 Stunden und
in 24 Stunden. Serum eines fünfmal mit gemischter Choleravaccine immuni¬
sierten Kaninchens. Blut vermittelst einer Spritze aus dem Herzen ge¬
sammelt. Proben ausgeführt einige Stunden darauf, nach vorangehender
Serumabsonderung; Suspension dargestellt mit der Cholerakultur Nr. 36,
d. h. mit einer von den die Vaccine zusammensetzenden Kulturen. Allein
-f ist in Rechenschaft gezogen worden; ± ist unberücksichtigt geblieben.
Titerberechnung pro 1 ccm.
1
j nach 15 Min.
in 4 Std.
in 24 Std.
1.0-85 NaCl
i
1: 50
1:50
1 :100
II. 1-70
1 : 100
1 :100
1 :200
III. 2-55
1:200
1 :200
t : 200
IV. 8-40
1 :200
1 :200
1 :200
V. 4-25
1:200
1:500
1:2000
VI. 5-10 l
1:200
1:200
1 :500
VII. 5-95
1:200
1:200
1 :1000
VIII. 6-80
1:200
1 :200
1 :1000
IX. 7-65
1 :200
1 : 200
1:1000
X. 8-5
1 :200
o
o
M
H
1 :5000
Nr. IX zeigt ein größeres, Nr. X dagegen ein kleineres Spontansediment
im Kontrollprobierglas (Suspension serumlos).
Der gleiche Versuch ist tags darauf wiederholt worden; der höchste
Titer wurde von neuem mit der Kultur von Choleravaccine Nr. 36 in der
V. Probe erhalten, d. h. bei einer 4-25 prozentigen Kochsalzlösung; in den
Kontrollen hat nur die Probe X (8-5 prozentiges NaCl) nichtspezifischen
Niederschlag gezeigt. Indem man die vorgeführten Proben mit einer sehr
dünnen, kaum opalisierenden Suspension modifizierte, erhielt man im
Probierglas V sogar einen höheren Titer 1 :2500. Die übrigen Cholera¬
kulturen zeigten nicht ganz übereinstimmende Resultate (Tabelle V).
Serum eines immunisierten Kaninchens (Paratyphusagglutination B)
mit entsprechender Paratyphussuspension (pro 1 ccm):
Ohne Säure Mit Säure
mit physiologischer Kochsalzlösung ... 1:1200 1: 2000
in dreifacher Konzentration (2-55 Proz.) 1:2000 1:4000
in 5 prozentigem Schwefelammonium... 1: 500 1:1000
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168
St. Serkowski:
Durch 1 stündige Inaktivation des Serums bei 60° wurde nur eine
Vergrößerung des Präzipitates bei stärkeren Konzentrationen erhalten,
d. h. eine Beseitigung der sogenannten „Hemmungszone“, ohne Anstieg
des Gesamttiters: die Erwärmung von Bakteriensuspensionen dagegen
führt einen Anstieg des Titers herbei (s. Tabelle X).
Tabelle V (pro 1 ccm).
Jede Probe wurde in 9 Probiergläsern ä lccm Suspension mit ab¬
nehmender Serummenge und 2 Kontrollen ausgeführt.
Cholerakultur Nr. 26 mit spezifischem Serum:
Titer „pa“ = 1: 2000 (Suspension in physiol. NaCl)
,, ,, = 1: 2000 (in 2-25 Prozent NaCl)
„ „ = 1: 5000 (in 2-25 Prozent NaCl + 1 Tropfen CH 3 • COOH)
„ ,, [in 10 prozentigem (NHjJjSOJ.
Cholerakultur Nr. 18 mit spezifischem Serum:
Titer „pa“ = 1: 100 (suspendiert in physiol. NaCl)
„ „ = 1:5000 (suspendiert in physiol. NaCl 1 Tropfen 10 pro-
zentige CH 3 • COOH)
„ „ = 1: 500 (suspendiert in 5 Prozent Na 2 S0 4 ).
Kultur von Typhus abdominalis mit spezifischem Serum:
Titer „pa“ = 1: 2000 (Susp. in physiol. NaCl)
„ „ = 1: 5000 (Susp. in physiol. NaCl + 1 Tropfen CH 3 . COOH)
„ „ = 1: 20000 (Susp. in 5 Prozent Na 2 S0 4 ).
(Die Suspension von Vibrio cholerae zeigt in 5 Prozent Na 2 S0 4 eine
Erniedrigung, B. Typhi dagegen einen Anstieg des Titers.)
Kultur von Cholera asiat.:
Titer „pa“ = 1: 1000 (bei Suspensionen von 1-70 bis 3-40 Prozent NaCl)
„ „ = 1: 2000 (Suspension von 1-70 NaCl + 1 Tropfen lOproz.
CH 3 . COOH)
„ ., = 1:500 (Suspension > 3-40 bis 5-10 Prozent NaCl)
„ „ = 1:200 (Suspension von 5-10 Prozent NaCl + 1 Tropfen
CH 3 . COOH).
Kultur von Vibrio Cholera asiat. Nr. 19:
Titer „pa“ = 1 : 1000 (Suspension 1-70 und 2-55 Prozent NaCl)
„ „ = 1: 2000 (Suspension 1-70 und 2-55 Proz. NaCl + 1 Tropfen
CH 3 .COOH)
„ „ = 1:200 (Suspension >3-40 bis 5-10 Prozent NaCl)
„ ,. = 1 : 200 (das gleiche mit Zusatz von 10 Proz. CH 3 . COOH)
„ „ 0 (das gleiche mit Überschuß von Essigsäure).
Vibrio berolinensis mit spezifischem Choleraserum:
Titer ,.pa“ = 1 : 50 ± (Suspension von physiol. NaCl)
„ „ = 1 : 50 ± (das gleiche mit Emuls. bis 3-40 Prozent NaCl)
„ „ 0 (Suspension >4-25 Prozent NaCl)
„ „ 0 (sämtliche Konzentrationen von NaCl -f- Essigsäure).
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 169
Größerer Zusatz von Essigsäure, 3 bis 4 Tropfen der gleichen 10 proz.
Lösung, erzeugte Pseudopräzipitate sogar bei Verdünnung 1 zu 1000 in
der Suspension von V. berolinensis. Gleiche Resultate sind bei V. non
phosphorescens beobachtet worden.
Typhussuspension: 1 ccm + Serum der Kranken (9. Krankheitstag):
Titer „pa“ = 1:200 (diese und die folgenden in physiologischer Koch¬
salzlösung).
Typhussuspension: 1 ccm + Serum des Kranken (9. Krankheitstag):
Titer „pa“ = 1:1000 (nach 25 Stunden wurde den vorigen 1 prozentiges
Krankenserum hinzugefügt).
Typhussuspension -f- Serum eines schwach immunisierten Kaninchens:
Titer „pa“ = 1:200 (nach 24 Stunden wurde zu den positiven und nega¬
tiven Probiergläsern 1 prozentige Menge des gleichen Serums hinzugefügt).
Typhussuspension + Serum eines schwach immunisierten Kaninchens:
Titer „pa“ = 1: 2000.
Aus den recht zahlreichen Versuchen, deren Teil in den der vorliegenden
Arbeit beigefügten Tabellen zusammengefaßt ist, geht klar hervor, daß
von sämtlichen, die Suspension beeinflussenden Substanzen Essig¬
säure in geringen Mengen den Präzipitationstiter, bei nicht
allzu großem Salzgehalt, zu erhöhen vermag.
Die Theorie der Kolloidchemie liefert uns eine Begründung für diese
Tatsache. Globuline lösen sich in verdünnten Neutralsalzlösungen auf,
sind aber ganz unlöslich in reinem Wasser. Ein Überschuß von Salz fällt
die Globuline, die sich bei Verdünnung wiederum auflösen. 1 Nach Hardy*
stellt das Globulin einen im Wasser unlöslichen Körper vor, dessen Lös¬
barkeit in Alkalisalzen als Bildung von Doppeltverbindungen aufzufassen
ist. Gleich wie bei anorganischen Verbindungen, bildet das Globulin mit
Chlornatrium die Verbindung Na • (Glob.)Cl; diese Verbindung dissoziiert
sich nach folgender Formel:
CI • (Glob.). Na £ CI • (Glob.) 1 + Na .
Bei Gegenwart von Chlornatrium wird der Abbau gewissermaßen
unterdrückt. Bei hochgradiger Verdünnung spaltet sich die obige Ver¬
bindung, indem sie unlösliches Globulin nach folgender Formel bildet:
CI • (Glob.) • Na = Na + CI 1 + (unlösl. Glob.),
wobei die Trübung beträchtlicher wird. Bei mittlerer Sättigung der Koch¬
salzlösung bleibt der größere Teil des Globulins in der Lösung zurück in
1 Richard Zsigmondy, Kolloidchemie . Leipzig 1912. Kapitel Eiwei߬
körper. S. 246.
2 Hardy, Journ. of Physiol. 1905. Bd. XXXIII. S. 251—337.
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170
St. Serkowski:
Gestalt von Elektrolyten, der kleinere Teil dagegen nimmt die Form von
Submikronen an. In den stärker konzentrierten NaCl-Lösungen wird die
Spaltung der Verbindungen von Globulin mit Chlornatrium unterdrückt,
und es erfolgt eine Sedimentbildung.
Mit den vorgeführten Ansichten stimmen die Beobachtungen von
Michaelis 1 überein, welcher festgestellt hat, daß die mit Wasser ver¬
dünnten Globulinlösungen weit mehr Ultramikronen enthalten, als die
mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnten Lösungen. Die Kolloid¬
lösungen sind weniger reversibel und fällen keine Globulinteilchen, was
am bequemsten auf die elektrische Ladung der Globulin-Ultramikronen
zurückgeführt werden kann. Diese schematischen Befunde konnten nach
folgender Formel ausgedrückt werden:
(ü) + CI • Glob. 1 = (U) • CI • Glob. 1
Was die Verbindung von Globulinen mit Säuren und Alkalien be¬
trifft, so setzt Hardy die Entstehung von eigentlichen Eiweißionen voraus,
denen die Hydrolyse entgegenwirkt. Verbindungen von Globulin
mit schwächeren Säuren erleiden Hydrolyse und bilden dabei
Ultramikronen in weit größerer Menge als Verbindungen
mit stärkeren Säuren. Wie erwähnt, sind die aus Verbindungen von
Salz mit Globulin entstandenen Ultramikronen elektrisch geladen. Geladene
Mikronen zeigen ein weit größeres Beweglichkeitsvermögen als eigent¬
liche Eiweißionen; auf Grund dessen unterscheidet Hardy die eigent¬
lichen Ionen von den scheinbaren, d. h. von geladenen Ultramikronen.
Die Abhängigkeit der Präzipitate vom größeren oder geringeren Zu¬
satz von Essigsäure läßt sich auf die Elektrolyteneigenschaften zurück¬
führen. Wie bekannt, wird Serumeiweiß durch stärkeren Zusatz von
Alkalien- und Magnesiumsalzen gefällt; Eiweißfällung wird durch Anionen
bewirkt. Nahmen wir z. B. die Natriumsalze verschiedener Säuren, so
ist das Fällungsvermögen von der Säure allein abhängig und zwar in
folgender Reihe: Am stärksten wirken: Citrat > Tartrat > Sulfat >
Acetat > Chlorid > Nitrat > Jodid > Rhodanid. Acetat fällt stärker als
Chlorid. Wenn wir also in ein ausschließlich Chlorionen enthaltendes
Milieu Essigsäureionen einführen, so steigern wir dadurch das Präzipita-
tionsvermögen. Diese Befunde erklären uns, weshalb Essigsäure nur bei
gewissen Konzentrationen von NaCl das Präzipitat zu vergrößern vermag;
dagegen bei übermäßiger Sättigung (vgl. Tab. III) wird der Einfluß von
CHg.COOH durch den Überschuß von Chlorionen unterdrückt.
1 Virchows Arch. /. palh. A?iat. u . Phys. 1905. Bd. CLXXIX. S. 195—208.
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 171
In der Literatur gibt es recht zahlreiche Befunde über den Einfluß
von Säuren, besonders von Essigsäure, auf den Agglutinationsverlauf. 1
Es wurde beobachtet, daß Choleravibrionen bei Gegenwart von 1 prozentiger
Kalilauge ihre Agglutinogenbeschaffenheit im Verhalten gegen spezifisches
Serum verlieren (Neufeld). Neisser und Friedemann haben das Ver¬
mögen wahrgenommen, durch den geringsten Zusatz von Säure Typhus¬
bazillen zu fällen. Bei jeder Reaktion erfolgen die Präzipitate immer
rascher (Kraus), die saure Reaktion begünstigt die Sedimentbildung,
insofern die letztere durch organische Säuren — durch Essigsäure oder
saure Salze — (phosphorsaures Natrium) herbeigeführt wird (Rostoski).
Eine Abnahme des Fällungsvermögens bei Typhusbazillen wurde beob¬
achtet: von Wassermann — bei Anwendung von stark alkalischen Nähr¬
böden; von Lentz und Tietz — die sich des Malachitgrüns bedienten,
von Kirstein in Kulturen von Typhusbazillen in eiweißlosem, mit Ham
vermengtem Agar. Der letzgenannte yerfasser beobachtete einen An¬
stieg des Titers in Kulturen von Typhusbazillen auf Kartoffeln mit Zu¬
satz von 1 prozentiger Essigsäure. In sämtlichen dieser Fälle kehrte der
Titer — sowohl nach Abnahme, als auch nach Anstieg — zu seiner früheren
Norm zurück, sobald gewöhnliche Nährböden angewendet wurden. Eisen¬
berg 2 führte durch Vermengung eines Teiles von Serum mit einem gleichen
Teil von HCl• 1 / 2 N eine Inaktivation herbei; desgleichen auch durch Zu¬
satz von H 2 S0 4 , was teilweise aktiviert werden konnte durch rasches
Neutralisieren der Säure. Aus den Arbeiten von Winterberg ist es gleich¬
falls bekannt, daß ein Überschuß von Essigsäure auf Agglutinine beein¬
trächtigend einwirkt.
Die meisten Forscher haben eine Analogie zwischen der Bakterien¬
agglutination und den durch Elektrolyten bisweilen auch durch Nicht¬
elektrolyten bedingten Sedimenten der Kolloidsuspensionen anerkannt:
ein Unterschied wurde nur im Einfluß der Alkali- und Erdalkalisalze beob¬
achtet. In den letzten Jahren befaßte man sich nicht wenig mit der so¬
genannten Säureagglutination der Bakterien, besonders der Typhusbazillen.
Nach Michaelis 8 soll das Koagulationsoptimum von denaturiertem Ei¬
weiß mit dem isoelektrischen Punkte zusammenfallen, welcher bei schwach¬
saurer Reaktion von Eiweißlösungen entsteht. Was Bakterien anbelangt,
so werden dieselben nur bei einem bestimmten Säuregrad gefällt, der aber
für diverse Bakterienarten ungleich ist; infolgedessen soll nach Michaelis
1 Näheres siehe bei Paltauf und Kraus im II., imd bei Fornet im III.Band
d. Handb. v. Kolle-Wassermann, 2. Aufl.
2 Centralbl. f. Bakteriol. 1906. Bd. XLI. S. 760ff.
3 Deutsche med. Wochensckr. 1911. S. 969 u. Centralbl . /. Bakteriol .
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172
St. Serkowski:
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die Säureagglutination bei Differenzierung der Bakterienarten angewendet
werden. Nach Beniasch 1 ist die Säureagglutination weder auf Säuren,
noch auf Anionen, sondern allein auf H-Ionen zurückzuführen, und erfolgt
dieselbe nur bei einer bestimmten Konzentration von H-Ionen (H): für
Typhusbazillen beträgt deren Optima = 4 x 10 -5 . Die Gruppe Bac.
enterid. befindet sich im Bereiche der gleichen Konzentration: Para¬
typhus A und B liegen in den gleichen Konzentrationsgrenzen der H-Ionen:
auch lassen sich auf diesem Wege der Bac. diphtheriae vom Bac. pseudo-
diphtheriae und überhaupt die spezifischen Bakterien von den analogen
nicht unterscheiden. Die Säureagglutination wird durch Salze unterdrückt.
In meinem Bestreben, einen möglichst hohen präzipitativ-agglutina-
tiven Titer zu erlangen („pa“), habe ich weiter noch folgende Unter¬
suchungen über den Einfluß von sauren und alkalischen Nährböden auf
die Bakterieneigenschaften ausgeführt. Zu diesem Zweck bediente ich
mich der genau nach der Mads.enschen Skala titrierten Nährböden, und
zwar der schwachsauren (+20°), der schwachalkalischen (—20°), der
alkalischen (—60° und —105°). Auf solchen Agarnährböden wurden
B. typhi abdomin. und V. cholerae asiat. (Kultur Nr. 36) geimpft. Die
Kultur dauerte 20 Stunden bei 37° C; nach vorangegangener Aussäung
auf neutralen Nährböden 0° Madsen, wurden daraus Suspensionen herge¬
stellt, dieselben zur Kontrolle auf 3 Stunden in den Brutofen gestellt und
zuletzt mit hochagglutinierendem Choleraserum und Typhusserum agglu-
tiniert in Verdünnung 1 zu 50 bis 1 zu 20000, d. h. weit über den Titer
dieser Sera hinaus (vgl. Tab. VI).
Da es sich zeigte, daß ein Anstieg des Titers bis 1: 20000 nur bei An¬
wendung von Bakteriensuspensionen aus sauren Nährböden erfolgte
(-4- 20 NI.), so wurde nachträglich aus einer 2 tägigen Kultur eine Sus¬
pension dargestellt, um den höchsten Titer zu bestimmen. Es zeigte sich
sodann, daß „pa“ ausgesprochen positiv ist:
für Typhussuspension bei Serumverdünnung bis 1:200000!
für Cholerasuspension erhob sich „pa“ nicht über 1: 20000.
Sowohl die Erniedrigung des Titers bei Alkalinährböden, wie auch
der Anstieg desselben waren ebenfalls mehr ausgesprochen für Typhus¬
bazillen. *'
Aus den auf neutralen Nährböden geimpften Kulturen (0°M.) wurden
nach 2 Stunden Emulsionen bereitet, um die Reversibilität des Phänomens
zu bestimmen, d. h. zu ermitteln, ob die Erniedrigung und der Anstieg
reversibel oder irreversibel sind. Die Einzelheiten und Resultate dieser
Vntersuchungsroihc sind in Tab. VI zusammengestellt.
1 Zeitsehr. f. Immunität*forsch. 11)12. Bd. XII. S. 368.
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 173
Wie bei den vorhergehenden, so hat sich auch bei diesen Unter¬
suchungen gezeigt, daß die Sensibilisierung der Bakterien vermittelst Essig¬
säure Typhusbazillen stärker beeinflußt, als die Choleravibrionen, was
Präzipitate und Anstieg des Präzipitationstiters betrifft.
Forschungen über Substitution von NaCl durch schwefelsaures Am¬
monium (Tabb. VII und VIII) beweisen, daß Suspensionen auch mit
5 prozentigem (NH 4 ) 2 S0 4 dargestellt werden können, daß jedoch eine der¬
artige Substitution weder den Reaktionsverlauf, noch die Titerhöhe be¬
einflussen würde.
Tabelle Via.
„pa“ von Typhusbazillen. Bakteriensuspension aus 1 tägigen Kul¬
turen auf den nach Madsen titrierten von + 20 bis — 105 Nährböden.
Spezifisches Serum von immunisierten Tieren.
Reversibilität d. Phfinom.
Skala v. M. aus d. Nährbödeu 0° M.:
Titer Passagen
4 20
- 20
- 60
3 o
M O
- 105 +*g
O O © e •
(MO CO o
I «4H | Cs-
S . 2
Sa
WH %
1
1,-50
4
+
4
„• s6
+ . +
> Ä > 35
4* 4 4-
> Ä
4
1 100
4
4
4
4
4
+
+
4
1/200
4
4
4
4
4
+
4
4
1,500
1 4
4 ;
4
4
4-
+
4
4
1 1000
4
+ 1
4
- ! +
+
4-
4
1/2000
4
4 1
! 4
— ; 4
4 : 4-
4
1/5000
_u
4
! 4
- ; 4*
+
4
| 4
noooo
4
! 4
4
— 4
+
4
1 4- :
1/20000
4
i +
+
— +
4
4
; 4 - !
(pro 1 ccm)
In den 4 senkrechten Ru¬
briken rechts ,.pa“ in den
Typhusbazillensuspensionen
von Nährböden 0° M., auf
denen das Material v. sauren
+ 20° und von alkalischen
Nährböden bis — 105° ge¬
impft wurde.
Resultat der Suspensionen
von 0° = + 20° M.
Kontrollkulturen in 9 Probiergläsern ohne Serum — negativ.
Angesichts dessen, daß der höchste Titer in Suspensionen von schwach¬
sauren Nährböden -f 20 °M. ( 1 / 200 oo) betragen hat, ergab eine nachträg¬
lich dargestellte „pa“ aus den gleichen 2 tägigen Nährböden einen Titer
bis an die 1: 200000!
B. typhi abdomiu.
| 4 20 M.
1/5000
4
1/10000
4
1/20000
4
1/50000
4
1/100000
i
1/200000
4
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174
St. Serkowski:
Tabelle VI b.
Cholera „pa“ (ebenfalls pro 1 ccm). Suspensionen der V. cholerae
(Kultur Nr. 36) von 1 tägigen Kulturen auf Nährböden, titriert von 20°
bis ’ — 105 0 M. Spezifisches Serum immunisierter Tiere. Rechts in der
Tabelle — das Phänomen von Reversibilität: von den vorigen Nährböden
wurde das Material auf neutrale Nährböden (0°M.) geimpft und davon
Suspensionen dargestellt.
1
1
1 Skala v
. Mads. j
Reversibilität d. Phänom.
!
Titer
„pa“ |
1 4- 20
1
- 20
- 60
1
- 105 j
§ ©
+ '3
O o
^ O
1 <3
® ©
1 'S
u-5
2©
i 'S
i|
(pro 1 ccm)
_i
i
i
> CS
> *
> 3
*
j_
1/50
4-
4-
4- -
1
4- |
4-
4- 1
4-
4-
1/100
i +
4-
4-
4-
4-
4-
4-
4-
i
1/200
j 4-
4-
4-
4-
4-
4-
4-
4-
i
1/500
4-
4-
4-
4-
4-
4-
4-
+ !
1/1000
1 4-
4-
4-
+
O-
4-
4-
± *
i
1/2000
4-
4-
4*
+ i
4-
4-
±
—
!
1/10000
4-
4-
—
1
±
±
—
-
1/20000
4-
±
—
—
—
—
—
—
1
1/50000
—
—
—
—
—
—
—
i
1/100000
1
1 _
1 •
—
—
—
| —
—
—
—
i
Wir sehen also, daß der Anstieg des Choleratiters von sauren Nähr¬
böden zwar beträchtlich, jedoch weniger auffallend, als bei Typhus¬
suspensionen ist; das gleiche bezieht sich auf das Reversibilitätsphänomen.
Eine ganze Reihe von Meiostagminbezeichnungen ist ausgeführt
worden, um Unterschiede in Oberflächenspannungen der Präzipitinogene
zu ermitteln, im Verhältnis zu denjenigen der Gemische, nach voran¬
gegangener Verbindung der Präzipitinogene mit dem Präzipitin, wobei
die Zeit derart berechnet wurde, daß die Reaktion jede zwei Stunden er¬
folgte, und zwar zwischen der ersten („Periode d’impression“ von Bordet)
und der zweiten Präzipitationsperiode („Agglutination proprement dite“
— eigentliche Agglutination).
Für einige dieser Versuche wurden Antigene nach der Methode von
Ascoli dargestellt. Die Unterschiede zwischen zwei Bezeichnungen sind
so gering und unbeständig, ja des öfteren geradezu ganz widersprechend
gefunden worden, daß sich aus denselben keine weitergehenden Schlu߬
folgerungen ziehen lassen, um die Meinung von Pauli zu unterstützen,
laut welcher sowohl bei Kolloidpräzipitation, als auch bei Bakterien¬
agglutination die Phänomene auf die Änderungen der Oberflächenspannung
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 175
zurückzuführen sind. Es sei hier angedeutet, daß die meisten eine Er¬
läuterung des Präzipitationsphänomens anstrebenden Theorien berück¬
sichtigten: die Abhängigkeit der Kolloide von den Salzen, die auf Säuren
und Alkalien, wie auch auf Metalle zurückzuführenden Adsorptions¬
erscheinungen, die Änderungen der Oberflächenspannung oder der Vis¬
kosität (Pauli); doch zeigen diese Befunde keine genaue Analogie weder
zur gegenseitigen Reaktion zweier Eiweißkörper, die gegenseitig spezifisch
sind und bei Gegenwart von Salzen Niederschläge geben, noch zum Aus¬
bleiben von Niederschlägen in den Fällen, wo einer dieser Körper dem
anderen gegenüber nichtspezifisch gewesen ist. Nach den neueren For¬
schungen von Pribram weisen die Bakteriensuspensionen eine Emulsions¬
beschaffenheit auf, welche unter dem Einfluß von spezifischem aggluti¬
nierenden Serum einen den Kolloiden eigenen, suspensoiden Charakter
erhält.
Tabelle VII.
Präzipitate ohne spez. Sera.
In Schwefelamm,
von Konzentration:
B. typhi abdom.
i
V. cholerae asiat.
j
o
o
CO
l-
4-
4-
38
i
4-
+
19
±
9 • 5
—
1
4 • 75
—
—
2-38 1
—
—
1-19
—
—
0-59 !
—
—
Kultur Nr. 21.
„Pä“: £ Typhusbazillen- und Cholera Vibrionensuspensionen inSchwefel-
ammonium vom Sättigungsgrade 19 °/ 0 und 9 • 5 °/ 0 ; hochagglutinierende
spez. Sera in Verdünnung 1:50 bis 1:200000. Jede Probe ausgeführt
in 10 Probiergläsern und 2 Kontrollen.
Kouzentr. v. 19°/ 0 (NH 4 ),S0 4 Suspensionen: 1 ccm
B. typhi 4- Typhusserum .„pa“ = I : 1000
V. cholerae 21 4- Choleraserum. „ = 1 : 2000
Kontrollen ohne Niederschlag.
Konzentr. v. 9-5°/ 0 (SH 4 ) 4 S0 4 Suspensionen: l ccm
B. typhi 4- Typhusserum .„pa“ = 1:1000
V. cholerae 21 4- Choleraserum. „ = 1:2000
(der gleiche Titer wurde in phys. XaCl-Lösung erhalten).
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St. Serkowski:
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Serum eines Typhuskranken (4. Woche) + Suspension
in 20%igem Ammoniumsulfat.
1
B. typhi abdom.
B. paratyphi B.
1/50 |
! +
d. .gleiche
+ +
1/100
+
Resultat
1
1/200 !
+ <
i.gewöhnl.
+ +
Kontrolle ohne j
phys.
Serum |
—
NaCl-Lös.
+ + (ohne Serum!)
Ich verzichte darauf, eine ganze Reihe von Theorien anzuführen,
welche auseinanderzusetzen bezwecken, daß die Agglutination eine aus¬
gesprochen kolloide Reaktion ist, und die Bildung spezifischer Präzipitate
sowohl auf die Oberflächenspannung, wie auch auf Änderungen der Lösungs¬
konzentration zurückzuführen ist (bakterielle Eiweißsuspensionen gehören
zu hydrophilen oder lyophilen Kolloiden).
Zuletzt habe ich bei der letzten Untersuchungsreihe beobachten können:
daß eine 1 stündige Inaktivation der Suspensionen bei 56 bis 64° die
Titerhöhe der „pa“ begünstigt, ein Komplementzusatz auf dieselben nur
schwach einwirkt, und das Erwärmen des Serums gar keinen Einfluß übt. 1
Tabelle VIII.
Physikalische Änderungen in serumlosen Bakteriensuspensionen und
mit Zusatz von Serum in den Grenzen von „pa“. V. cholerae asiat.
+ Choleraserum (Verdünnung 1:1000).
Meiostagmische Reaktion von Ascoli mit Hilfe
des Stalagmometers (pro 1 ccm).
Konzentr.
d. (NH 4 ) 4 S0 4 -
Lösung
Lösung
v. Schwefelamm,
-f Bakterien
(ohne Serum)
Bakter.-Suspens.
i. Schwefelamm.
4- Serum
(2 St. im Thermo¬
stat)
Anstieg
(im Stalag-
mometer)
° i 0
17-0
18*2
1-2
10
17-1
18-3
1.2
15
17-5
18*2
0*7
20
18-5
19-1
0-6
25
17-5
19-0
1.5
30
17-6
19-6
2-0
35
18-0
19*6
1*6
40
17-7
21.2
3*5
1 Vergleiche C. Moreschi, Beschleunigung und Verstärkung der Bakterien¬
agglutination durch Antieiweißsera. Centralbl . /. Bakteriol. 1907. Bd. XLVI.
S. 456.
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 177
Kontrollen ohne Spontansedimente nur in den 5- und 10 prozentigen
Lösungen.
Bestimmung des elektrischen Leitungsvermögens der Suspension von
Typhusbazillen in 5°/ 0 iger (NH 4 )j S0 4 -Lösung (bei vergleichendem Wider¬
stand = 80 Ohm):
1. 5%ige Lösung .
2. Typhussuspension
in 5°/ 0 iger Lösung . . .
4- agglutin. Serum 1 : 500
4- Krankenserum 1 : 60 .
4- Krankenserum 1 : 500 .
79-4 Ohm
79-9 „
Leitung.
79-5 „
> i. mittl.
79-5 „
= 0-00107
19-7 „ ,
0-85°/ 0 ige NaCl-Lösung (vergleichender Widerstand von 70 Ohm):
1. bakterienlose 0«85°/ 0 ige Lösung
2. Typhussuspensionen ....
3.
4- agglut. Serum 1: 500
4.
»
4- Krankenserum 1: 60
5.
jj
4- Krankenserum 1: 500
76- 5 Ohm
77- 3 „
77-5 „
77-7 „
77-7 „
[ Leitung,
i. mittl.
= 0*00174
2*55°/ 0 ige NaCl-Lösung (vergleichender Widerstand 80 Ohm):
1. Lösung allein 2'55%.
2. mit Bakteriensuspension.
3. „ „ + agglut. Serum 1: 500
4. „ „ + Krankenserum 1: 60
5 . „ „ 4- agglut. Serum 1 : 500
79 -4 Obml
T9-7 „
79-6 „
79-8 „
19-5 „
Leitung.
= 0-00126
Tabelle IX a. 1
Meiostagminreaktion von As coli. Einfluß der Verbindungen von
Agglutininen mit komplementhaltenden oder komplementlosen Agglutino-
genen auf die Oberflächenspannung.
Hochagglutinierendes Typhusserum.
Typhusser.,
verd. 1 :20
Typhusser.
4- 24 std.
Typhusantig.
(Ascoli)
Typhusser.
4- 24 std.
Typhusantig.
4- Komplem.
Erwärmt.
Typhusser.
4- 24 std.
Typhusantig.
4- Komplem.
Typhusser.
4- Cholera¬
antigen
Typhusser.
4- Cholera-
antigen
4- Komplem.
- - -i
- 05
4- 0-6
4- 0-9
4- 1*0
4- 1*4
4- 0-6
- 0*5
4- 0*5
4- 0*6
- 0-2
4- 0-5
4- 0*5
- 0*2
4- 0-5
- 1-0
- 0*4
4- 1*5
+ 0*3
- 0-5
4- 0*3
4- 0-3
1 Frl. K. Sterling ist mir bei der Ausführung der Meiostagminreaktion
behilflich gewesen (Tabb. VII, IXa, IXb).
Zeitschr. f. Hygiene. LXXX1I 12
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St. Serkowski:
Hoch agglutinierendes Choleraserum.
® «'S
3 X
X +ü
o
fl £
o 2
bO £
§ 1
o
+ 0«3
+ 2-1
- 07
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SS | §
+ oM
o +
4 - 1*6
4- 1*5
4- 0-4
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1*1
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o+ +
4- 0-3 4- 0-3
- 1-0 0
. h gfc ^
's S o o J2
fff!
«6 + +
+ 0-1
0
Tabelle IXb.
Änderungen der Oberflächenspannung.
Normales Menschenserum A.
Serumkomplement d. Meerschweinchens 1 .
Serumkomplement d. Meerschweinchens 2 .. .
Destilliertes Wasser.
Normales Tierserum 1 : 20 .
, f „ 4 - Komplement 1 ää.
>» v » 4:2.
Normales Menschenserum B 1:20 ..
Tier. Typhusserum 1 : 20 .
Normales Menschenserum C 1 : 20 .
Serum e. TBc-Meerschwein, 1:20 .
TBc-Serum 4 - TBc-Antigen ..
TBc-Serum 4 - Normalorgane.
TBc-Serum -f TBc-Antigen 4 - Komplement.i
TBc-Serum + Normalorgane 4 - Komplement.j
Normalserum A -f Normalorgane.
Normalserum A + TBc-Antigen.t
Normalserum A 4 - Normalorgane 4 - Komplement.|
Normalserum A 4 - TBc-Antigen 4 - Komplement.i
TBc-Serum 1 : 20 (menschl.).;
„ 4 - Normalantigen (org.). . . .!
„ 4 - Normalorgane 4 - Komplement.j
„ 4 - TBc-Antigen 4 - Komplement.!
Tier. Typhusserum A, Typhusserum 4 - norm. Menschenserum aä |
ff jf ti 4~ ?? m 2:1*5
ii j» ?i 4 » ,.2*5:1
if 5 » ii 4- m ,,3:0*5
— norm. Antigen
18*3 i
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 179
Tabelle IXb (Fortsetzung).
j
vor Er-
wärmg.
TS O
aa?.
ca CO
fi-ö
Tier.
Typhusserum A
, Typhusserum 4- norm. Menschenserum
— Typhusantigen
17-5
17-2
11
>»
„ 4 norm. Menschenserum
— Typhusantigen
17*2
18-0
,, ,
ii
„ 4- norm. Menschenserum
— Typhusant. (4 Std.)
j»
„ 4- norm. Menschenserum
— Alkoh., Typhusant.
17-5
17-5
■n
„ 4- norm. Menschenserum
— Alkoh., Typhusant.
(4 Std.)
17-2
17*5
Typhusserum B 1 : 20.
18
17*5
ii
4- spez. Antigen (24 Std.).
17*4
18*0
Typhusserum
4- spez. Antigen (4 Std.).
17-3
17*8
>«
+ Antigen aus den Normalorganen . . .
18-0
18.5
ii
4- Normalantigen 4- Komplement ....
18*0
18-0
7*
T,
4- Komplement (ää) 4- spez. Antigen (24 Std.)
17-5
18-4
V
11
4- „ (2: 7) 4- spez. Antigen . .
17-5
17-8
1»
11
+ „ (3:6) + ,, . . .
17-3
17‘5
11
*1
4- v (4:5) 4- v v ...
17-7
18-8
V
11
+ „ (aa) + .. ,, (4 Std.)
17-5
17-5
Komplement allein .
17-2
17*4
Tier. Typhusserum C
1 : 20.
17-5
17*3
v
11
4- Typhusantigen (1 : 5) 24 Std.
17-5
17-8
v
11
4- „ (ää) 24 Std.
18-5
19*0
V
,,
4- konzentr. Typhusantigen (aa) 24 Std. . .
2Ö.2
20*2
V
V
4- Komplement ää 4- Typhusantig. ää 24 Std.
17-9
18.5
11
11
4- Komplement aa 4- Normalantigen 24 Std.
18*0
18*8
1*
y
4- Komplement aa 4- Normalantigenkonzentr. i
19*0
19-5
11
Typhusserum B (agglutin.).
V
ii
4- Typhusantigen aa 24 Std.
19-5
18*0
■v
V
4- Antigen 24 Std. 4- Komplement . . .
18*1
18*0
11
11
4- Choleraantigen.
! 17-2
18*6
11
4- Choleraantigen 4- Komplement . . . J
! 18-2
18*8
11
Choleraserum (agglutin.).
1'
V
4* Choleraantigen aa 24 Std. ..
ü 20*5
22-6
M
4- „ 4- Komplement . . . . j
1 19*0
20-6
u
4 Typhusantigen aa 24 Std.
21-2
1
21*5
V
4- ,, 4 - Komplement ...
| 18-8
19-1
Agglutin. Typhusserum, verd. 1 : 20 .
17-6
17-9
v
V
4- Typhusantigen aa 24 Std .
18-7
19*0
V
11
4- 4- Komplement ....
18-2
18-5
«1
11
4- Choleraantigcn aa 24 Std .
19-5
21-0
*1
V
4- „ 4- Komplement.
18-5
; 18-5
12*
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
180
St. Serkowski:
Tabelle X. 1
Komplementieren der Agglutinine und Präzipitine mit
Normalserum (Agglutination pro 1 ccm).
l h Thenn. 87°
2 b ohne
Therm.
Nacht
ohne
Therm.
1:5000
1:10000
1:10000
—
1:10000
1:10000
—
14 Std. i.
Brutofen
1:5000
1:20000
80»»
16 h
Therm-
1 : 500
1:500
1:1000
1:1000
1:1000
1:1000
1:3000
1:5000
1 :200
1: 500
1:500
1 :500
1:20000
1:20000
1:200
1 :500
16 h
24 h
1 :100
—
1:200
—
1:200
1:200
—
geringer
Nieder-
1:500
1:1000
sehlag
1:500
1:1000
24 h i. Thenn.
1 :
50
1 :
100
1 :
100
1 :
50
1 :
50
Cholerakultur Nr. 36 1: 4000
Agglutin. Präzipit. ohne Komplement.
„ „ + Komplement.
Cholerakultur Nr. 37 1: 4000
Agglutin. Präzipit. ohne Komplement.
„ „ + Komplement 1:10000 . . - .
B. typhi abdom.
Agglutin. Präzipit. ohne Komplement (hochaggl. Serum)
„ „ + Komplement.
mit Typhussuspension:
Serum v. Typhuskranken.
„ „ „ + Komplement.
„ „ „ erwärmt l b b. 56°.
„ ,, „ l h „ 56° + Komplement
Serum v. Typhuskranken.
„ „ „ + Komplement.
Suspension, erwärmt l h b. 56° + Komplement.
„ „ 1 h „ 56° ohne Komplement ....
Serum v. Typhuskranken.
„ + Komplement.
,, inaktiviert l h b. 56° . . .
„ „ „ „ l h „ 56° + Komplem.
Emuls., erwärmt l h 56—64°.
„ l h 56—64® + Komplement.
,, 1 h 56—64° + erwärmt. Serum ....
inakt. Emuls. + inakt. Serum + Komplement.
■ 1 ?
Reakt. v. Widal (23 Kr.-Tg.).
Krankenser. + Emuls. + Komplement .
+ Komplement inakt. 58° ....
+ Komplement; Serum erwärmt 58°
+ aggl. Serum 1/10000 .
1 Bei Ausführung der in Tabelle X zusammengestellten Untersuchungen, sowie
beim Sammeln des Krankenblutes in den Krankenhäusern leistete mir mein Mit¬
arbeiter, Herr Leon Szereszewski, gefl. Hilfe.
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UNIVERSiTY OF CALIFORNIA
Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 181
Tabelle X (Fortsetzung).
ii
Reakt. v. Widal (13 Kr.-Tg.). j
Krankenger. + Emuls. 4- Komplement.i
,, „ 4- erwärmt l h b. 58° .Ii
„ 4- Kompl.; Serum erwärmt b. 58° . . I
„ „ 4- Kompl. 4- Serum agglut 1/10 000 1
Reakt v. Widal (16 Tg.).j
Krankenser. + Emuls. 4- Komplement.j
„ „ 4- aggl. Typhusserum 1/10 000 1 . . .
Reakt. v. Widal (19 Kr.-Tg.).
Krankenser. 4- Emuls. 4* Komplement.
„ „ 4 - aggl. Typhusserum 1/10 000 1 . . .
Reakt v. Widal (14 Kr.-Tg.).
,, ,, „ 4 - Komplement.
., „ 4- inakt Typhussuspension l h 56—64° . |
.. „ + inakt. Komplement.
36 h i. Therm.
1:200
1:500
ente
ohne
itat
1:500
j *>•§•
1:500
IQ Blä
1:1000
j U>
16 h
36 h Therm,
1 :200
1 : 500
1 :500
1:1000
1:100!
1:100!
24 h
86 h
1:100
1:100
1:200
1:200
1:100!
1:100!
24 h
1:100
1:200
1 :100
Reakt v. Widal (31 Tg.).
,, „ „ 4- Komplement.
,, „ ,, 4- Komplement (inaktiv. Serum)
„ ,, + inakt. Komplement ....
16 h
1:50
1:100
24 h Therm.
1 :50
1:100
1:50
1 : 50
Schlußfolgerungen.
1. Das Bestreben, einen Anstieg vom Präzipitations- und Agglutina¬
tionstiter zu erlangen, bezweckt, eine solche Änderung der Untersuchungs¬
methode herbeizuführen, welche es ermöglichen würde, spezifische Prä¬
zipitine und Agglutinine im Blutserum (frühe Stadien von Typhus,
Tuberkulose), in den Krankensekreten und überhaupt bei sämtlichen
pathologischen Zuständen zu ermitteln, bei denen negative Resultate der
Agglutination und Präzipitation auf einen zu geringen Antikörpergehalt
zurückgeführt werden, welcher in quantitativer Beziehung höheren Ver¬
dünnungen der spezifischen Sera oberhalb deren Titer entspricht.
2. Ein Anstieg des Agglutinationstiters von Typhus- und Cholera¬
bazillen ist zu bewirken durch gleichmäßige Vergrößerung von Serum
und Suspensionsmenge von 3 bis 5 bis lOmal, jedoch in der Weise, daß
' Der Zusatz von hochagglut. Typhusserum über Titer ( l 10000 ) hat den Zweck,
die BakterienemuUion zn sensibilisieren: die Ergebnisse waren negativ.
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UNIVERSiTY OF CALIFORNIA
182
St. Serkowski:
der Verdünnungsgrad des Serums und das gegenseitige Verhältnis sämt¬
licher Bestandteile dabei ungeändert bleibt. Wenn z. B. die Widalsche
Reaktion negativ ist, so kann das Serum in beliebiger Weise verdünnt
werden, und zwar im Verhältnis von 1:100, oder 1:1000 und auch darüber*
und von einer jeden dieser Verdünnungen sodann eine Agglutination pro
3 bis 5 oder mehr (bis 10 ccm) ausgeführt werden.
3. Bei Titerermittelung ist die Menge der gebrauchten Substanzen
zu berücksichtigen, oder anders gesagt, muß dabei nicht allein der Ver¬
dünnungsgrad des Serums, sondern auch das Gemischvolumen angegeben
werden (1, 3, 5 ccm u. dgl.).
4. Bei Bestimmung von Präzipitation und Agglutination in größeren
Flüssigkeitsmengen sind die Kontrollproben mit in Rechnung zu ziehen:
z. B. in dem einen Probierglas nur die Suspension allein, im zweiten —
Serum des Kranken, Suspension heterogener Bakterien (s. Tabb. In. II:
Vermengen von Choleraserum mit Typhussuspensionen und vice versa).
5. Ein sehr auffallender Anstieg des „pa“-Titers kann durch Bak¬
terienkulturen erreicht werden, besonders durch Typhusbazillen auf Nähr¬
böden von — 20° C und +20° Madsen; bei solchen Proben muß der
Aziditäts- und Alkalinitätsgrad des Nährbodens ganz genau angegeben
werden: Bezeichnungen wie „sauer“, „alkalisch“ u. dgl. sind dabei un¬
zureichend.
6. Ein Titeranstieg kann ebenfalls durch Zusatz von geringen Mengen
5 bis 10 prozentiger Essigsäure erzielt werden, z. B. 1 Tropfen pro 1 ccm
Suspension, insofern die NaCl-Konzentration derjenigen der physiologischen
Kochsalzlösung (0*85 Prozent) oder einer zwei- und dreifachen entspricht
(2*55 Prozent). Der geringste Zusatz dagegen von CH s .COOH zu den
stärker konzentrierten Salzlösungen unterdrückt das Phänomen von „pa“ -
und erniedrigt den Titer.
7. Ein Zusatz stärkerer Konzentrationen von CH S . COOH muß unter¬
lassen werden, wenn die gegebene Reaktion nicht völlig unterdrückt
werden soll. Auch dürfen zwei verschiedene Methoden nicht vereinigt
werden, um einen möglichst hohen Titer zu erhalten, weil dabei spontane
Niederschläge ohne Beteiligung des Serums erfolgen könnten; z. B. eine
Typhussuspension von Nährböden +.20° Madsen darf mit CH S • COOH
nicht vermengt werden, da sich dabei nicht-spezifische Sedimente bilden.
8. Konzentration der Salze über 1*70 Prozent oder Substitution von
NaCl durch (NH 4 ) 2 • S0 4 und durch andere Salze ist als allgemeine Methode
nicht zu empfehlen, obschon diese Vorgangsweise wohl einen Anstieg des
„pa“-Titers in bezug auf einzelne Bakterienarten (z. B. einen der Cholera¬
stämme) zeigen mag.
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Einfluss gewisser physik.-chem. Faktoren auf Präzipitation usw. 183
9. Obgleich die Ringprobe positive Resultate ergibt, darf sie dennoch
für praktische Agglutinationszwecke nicht empfohlen werden, in Er¬
wägung der methodischen Schwierigkeiten; das gleiche bezieht sich auf
die Proben mit ausgetrockneten Bakterienpräparaten.
10. Ein Anstieg von „pa“-Titer kann ebenfalls durch Erwärmen der
Bakteriensuspensionen bis 56° und nicht über 64° C herbeigeführt werden;
dagegen weder das Erwärmen der Sera, noch das Komplementieren mit
frischem Serum vermag in dieser Richtung einen meßbaren Einfluß zu
üben, außer daß in den niedrigeren Verdünnungen die Präzipitate ver¬
mehrt werden, und die Wirkung der sogenannten Hemmungszone unter¬
drückt wird.
11. Die bei antitoxischen Sera angewendete Konzentration darf zur
Vergrößerung von Agglutininen und Präzipitinen nicht benutzt werden.
12. Unter dem Einfluß des Serums sowohl von kranken, wie von
immunisierten Tieren in Verbindung mit entsprechender Bakteriensuspen¬
sion (nicht allein mit dem Filtrat der letzteren) erfolgen beide Phänomene
parallel in einen und denselben Proben — die Agglutination und die Prä¬
zipitation, wobei die Präzipitationssedimente 10 bis 20 mal größer sind
als die bakteriellen. Da bei der Agglutination der Titer höher als bei der
Präzipitation ist, so können wir bakterielle Niederschläge nur in hohen
Verdünnungen erhalten.
13. Mit Hilfe der vorgeführten Methoden kann ein Anstieg vom
präzipitativ-agglutinativen Titer der verschiedenen Bakterienarten erzielt
werden, obwohl nicht in einem für alle gleichen Grade; von den bereits
untersuchten läßt sich der agglutinative und präzipitative Titer
der Typhusbaiillen am beträchtlichsten steigern, weit schwächer
dagegen derjenige vom V. cholerae (Bac. coli com. — negativ).
In der vorliegenden Arbeit stellte ich mir vor allem zur Aufgabe die
Bearbeitung einer den „Titeranstieg“ bezweckenden Methode; doch ent¬
scheidet sie keineswegs, inwiefern diese Methoden in der ärztlichen Klinik
praktische Anwendung finden könnten.
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Die Seuche des Thukydides (Typhus exanthematicus).
Von
Dr. med. et phil. Friederich Kanngiesser,
Privatdozent an der Universität za Neach&tel.
(Hieran Taf. I.
Deimos, Phobos und L(o)imos sind die Trabanten des Mars, und der
loifidq xaz t£oxv v ist der koi/xog r&v noXifmv. der Kriegs- und Hunger¬
typhus, der Typhus exanthematicus. Die Größe seiner sozialen, politischen
und medizinischen Bedeutung offenbaren u. a. ein paar Notizen aus der
letzten großen serbischen Epidemie. So schrieb Dr. med. van Tienhoven,
der bis Mitte März 1915 dort tätig war, im Nieuwe Rotterdamsche Courant,
desgleichen in der Reforma nuova u. a. „Die furchtbarste unter den Seuchen
ist der Flecktyphus. Vor dem Kriege kam dieses Fieber in Serbien auch
zuweilen vor: die Sterblichkeit betrug dann gewöhnlich 5 bis 6 Prozent.
Jetzt ist sie auf 60 Prozent gestiegen. 1 Das ganze Land ist ein riesiger
Totenacker.“ Mario Bassini schrieb in einem Brief an die Turiner
Stampa: „Im März soll die Sterblichkeit 70 Prozent erreicht haben, und
die Zahl der Todesfälle in Nisch auf etwa 200 in 24 Stunden gestiegen sein.
Im ,Lazarett am Schädeltor 1 waren die Betten — elende Lagerstätten
ohne Wäsche und Kissen — zuerst mit je zwei Kranken belegt; dann wurden
immer zwei zusammengestellt, damit man in zwei Betten fünf Kranke
legen konnte. Und es kam vor, wenn einer der fünf starb, daß er zwischen
den anderen hervorgezogen und unter das Bett gelegt wurde, bis er zum
Begräbnis abgeholt werden konnte. Sein Platz, der von seinem Todes-
1 Zeguras gibt in der griech . ärztl. Zeitschr. Jatriki Proodos 1915, S. 188 eine
Mortalität von sogar 80 Prozent an. K.
bv Google
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Friederich Kanngiesser: Die Seuche des Thukydides. 185
kampf noch warm war, wurde sofort von einem der Kranken eingenommen,
die auf Aufnahme in das Lazarett warteten.... Wieviel Tote? Wer
zählt die schwarzen Fahnen, die längs der Straßen an den Fenstern der
Häuser als düstere Zeichen eines Todesfalles hängen?“ Die Morning Post
meldete: „Hügel, die bis jetzt kahl waren, sind mit hunderten von Kreuzen
bedeckt. Ganze serbische Dörfer sind ausgestorben. Ein Dorf mit 2000 Ein¬
wohnern bei Skoplje ist völlig verschwunden. Hundert von dreihundert-
undsechzig Ärzten sind gestorben.“ Sir T. Lipton erklärte (März 1915),
daß die Hospitäler in ganz Serbien mit Fleckfieberkranken überfüllt seien:
„In Nisch, das sonst höchstens 20000 Einwohner hat, seien jetzt 100000
Menschen zusammengedrängt. An einem Tage waren in Nisch beinahe
300 Tote. Typhuskarren durchrollen die Stadt, auf denen Menschen liegen,
die im Fieber irre reden.“ Am klassischsten aber ist das Seuchenelend
des Typhus exanthematicus von Thukydides beschrieben worden. Wenn
ich meiner Übersetzung der betreffenden Stellen dieses Autors einige Notizen
über das klinische Bild dieser Infektionskrankheit voranschicke, so bitte ich,
diese Zeilen ebenso wie die dann nachfolgenden Anmerkungen lediglich
als einen Kommentar zu der meisterhaften Schilderung des großen athe¬
nischen Historikers zu betrachten.
Das klinische Bild des Typhus exanthematicus.
Synonyme: Fleckfieber, Kriegstyphus, Petechialtyphus, Schiffsfieber,
Lazarettfieber, Hospitalfieber, Nervenfieber, hitziges Hauptweh, Dysen¬
terietyphus, Kriegspest, Hungertyphus, Kerkertyphus, Faulfieber, Soldaten¬
fieber, Feldfieber, österreichische, ungarische, cyprische, griechische, welsche,
hessische, pfälzische, Mansfeldische Seuche usw., französischer und eng¬
lischer „typhus“. Die Krankheit wird leider diagnostisch wie sprachlich
vielfach mit dem Abdominaltyphus verwechselt.
Geschichte. Die Seuche des Thukydides. Der Dreißigjährige Krieg.
Der Türkenkrieg. Der Siebenjährige Krieg. Der Rückzug der Napo-
leonischen Armee aus Rußland durch Deutschland. Der Krimkrieg. Der
amerikanische Sezessionskrieg. Der russisch-türkische Krieg. Der Balkan¬
krieg. Der Krieg 1914/16.
Ätiologie. Der Kriegstyphus wird nicht direkt, sondern durch die
Kleiderläuse übertragen (Nicolle). Doch auch für die alte Theorie der
Luft- bzw. Tröpfcheninfektion werden nach wie vor noch Stimmen laut.
Als Erreger vermutet man irgendeinen Mikroorganismus. Die Inkubation
beträgt wenige Tage, eventuell ein paar Wochen.
Prophylaxis. Rechtzeitige Erkennung der Krankheit. Isolierung
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
186
Friederich Kanngiesser:
der Kranken. Femhalten der Kleiderläuse aus Hospitälern und Lazaretten.
Entlausungsanstalten („Lausoleum“). Abwaschen (eventuell Rasieren) der
Verdächtigen und Kranken auf isoliertem Platz. Dampfdesinfektion der
Kleider und infizierten Zimmer zwecks Vernichtung auch der Nisse, da
die zweite Läusegeneration ebenfalls als infektiös gilt. KleiderwechseL
Anlegen der desinfizierten oder reinen Kleider auf anderem Platz. Sowohl
zum Femhalten wie zum Abtöten der Läuse sind ungemein zahlreiche
Mittel empfohlen worden, die entweder überhaupt keine Wirkung oder
schädliche Nebenwirkungen haben. Man muß schon mit Anosmie begabt
sein, wenn man die diversen ätherischen Öle, gegen die die Haut meist mit
Ekzemen (vgl. Fenchelöl) reagiert, erträgt, oder eine besonders starke Kon¬
stitution haben, wenn man auf die SchwefelbepudCrung nicht mit Durch¬
fällen oder auf die Quecksilberschmiere nicht mit heftiger Mundentzündung
reagiert. Indem ich mich darauf beschränke betreffs der „Läuseplage
und ihre Bekämpfung“ auf das Büchlein von Polizeiarzt a.D. Dr. H. Dreuw 1
zu verweisen, möchte ich nicht unbetont lassen, daß Krieg und Läuseplage
derart versehwistert sind, daß eine wirksame, erfolgreiche Bekämpfung
dieses Ungeziefers nur durch den Frieden erreichbar ist. Zur persönlichen
Prophylaxis der bei der Flecktyphustherapie stets besonders gefährdeten
Wärter und Ärzte sei vermerkt, daß man durch Besprengen der Kleider
mit Anisöl oder mit Kresolpuder die Läuse fernzuhalten glaubt und durch
Gummihandschuhe und Gummireifen über Ärmel und Fußgelenke, even¬
tuell auch durch Tragen seidener Unterwäsche, die die Kleiderläuse nicht
lieben, dieselben vom Körper einigermaßen fernzuhalten vermag. Falls
möglich, verwende man in den Fleckfieberlazaretten nur solche Medizinal-
personen, die die Krankheit schon einmal überstanden haben, da diese
meist gegen eine Neuansteckung bzw. deren tödliche Folge geschützt zu
sein pflegen.
Beginn der Erkrankung. Allmählich oder plötzlich. Heftige Kopf¬
schmerzen. Schüttelfrost. Bindehautentzündung. Gerötetes (eventuell
gedunsenes) Gesicht. Angina: Rötung, selten Exanthem im Rachen.
Schnupfen. Erbrechen. Mattigkeit. Gliederreißen.
Diagnose. Die Schwierigkeit der Fleckfieberdiagnose, so es sich
um die ersten oder um sporadische Fälle handelt, wird allgemein betont.
Auch durch einen verschiedenen Genius epidemicus loci et individui, des¬
gleichen durch Komplikationen und Mischinfektionen ist es oft schwer,
die Diagnose sicher zu stellen. So kommt es, daß das Fleckfieber recht
oft unter falscher Flagge: wie Gastroenteritis, Masern, Typhus abdomi-
1 Berlin, Fischers Mediz. Buchh. 1915.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Seuche des Thukydides.
1S7
nalis, Blutvergiftung usw. segelte, zumal den meisten Ärzten die Krank¬
heit höchstens vom Hörensagen her bekannt war oder ist. Zur Diagnose sei
bemerkt, daß schon am 2. Tag rote, später livide (sogenannte Gränzsche)
Fleckchen auf der Schleimhaut des weichen Gaumens zu sehen sind. Zwischen
dem dritten und sechsten Tag erscheint zunächst an der Brust-Bauchgrenze
ein Stecknadelkopf- bis linsengroßer fleckiger Ausschlag; derselbe ist zu¬
erst rosa, wird aber allmählich dunkler, infolge einer durch Gefäßver¬
änderung bedingten venösen Stauung cyanotisch und petechiös, um in der
Genesung braune Pigmentfleckchen als Reste der Blutzersetzung eine
Zeitlang zurückzulassen. Die Roseolen sind zunächst nicht, später manch¬
mal, infolge Infiltrat, leicht erhaben; auch morbillo-papulöser, seltener
bläschenförmiger Ausschlag wird beobachtet. Der Ausschlag, der in
manchen Fällen fehlt, kann den ganzen Körper überziehen. Auf der Höhe
der Erkrankung zeigt der Ausschlag kleine rote verschwommen begrenzte,
rundliche oder ovale Fleckchen, die von einem lividen (violetten), ver¬
schwommen begrenzten Hof umgeben sind. Die blau durchschimmemde
Hautmarmorierung, das bunte meist petechiös sich verändernde — und
dadurch von den Masern zu unterscheidende — Ausschlagsbild und die
fieberhaft gerötete Haut geben der Krankheit ein unheimlich düsteres Aus¬
sehen. Während beim Abdominaltyphus die Roseolen scharf begrenzt
sind und auf Druck verschwinden, sind sie beim Fleckfieber verschwommen
und nicht wegdrückbar. Übrigens tritt beim gewöhnlichen Typhus der
Ausschlag meist erst in der zweiten Woche ein. Auch ist die Pulsfrequenz
beim Bauchtyphus meist unter, beim Flecktyphus meist über 100. Infolge
der parasitenzerstochenen und daher ekzematösen Haut vieler Kriegs¬
typhuskranken ist übrigens das Ausschlagsbild oft recht undeutlich. Die
Diagnose muß sich eben auf den Gesamteindruck mehrerer Fälle stützen,
um ziemlich sicher zu sein. Jedenfalls sind die neuerdings beachteten
mikroskopischen Befunde an den Gefäßen exzidierter Roseolen nicht patho-
gnostisch, wie ja auch die makroskopische Nekrotomie mit ihren Organ¬
hyperämien keinen einigermaßen charakteristischen Befund ergibt.
Symptomatologisch sei noch vermerkt: Katarrh der Mundhöhle
und des Rachens. Zunge trocken, rissig, eventuell blutend, mit braun¬
schwarzen, fuliginösem Belag oder lebhaft und gleichmäßig lackrot.
Trockener Husten. Heiserkeit. Febris continua (etwa 40°) mit ge¬
ringen Schwankungen und kritischer Lösung innerhalb 48 Stunden.
Dyspnoe mit vertiefter Atmung. Bronchitis. Gelbes Sputum. Singultus.
Nasenbluten. Schwerhörigkeit. Ohrensausen. Vertigo. Jaktationen.
Sehnenhüpfen. Fieberdelirien (Irreden, Tobsuchtsanfälle 1). Zuweilen
Milzschwellung. Leib-, Kreuz-, Glieder- und Wadenschmerzen. Albu-
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188
Friederich Kanngiesser:
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minurie. Stuhl normal, angehalten oder — und zwar sehr häufig, in Lehr¬
büchern leider als „typisch fehlend“ vermerkt — Diarrhöen. Zittern.
Durst. Schlaflosigkeit. Unruhe.
Komplikationen. Bronchopneumonie. Decubitusgeschwüre. Gan¬
grän (Zehen, Finger, Ohrmuscheln, Penis, Skrotum). Hämorrhagische
Diathese. Eitrige Parotitis. Otitis media. Erkrankungen der Kornea, der
Iris, des Glaskörpers, der Retina und des Sehnerven. Komplikationen
mit Influenza, Abdominaltyphus, Rekurrens, Dysenterie und Cholera.
Prognose. In etwa 90 Prozent der Fälle Heilung. Die Heilung erfolgt,
indem gegen Ende der Continua feinblättrige, oberflächliche Hautab¬
schuppung einsetzt, meist kritisch. Oft schon am zehnten Tag, meist gegen
Ende der zweiten Krankheitswoche pflegen die Kranken das Bett zu ver¬
lassen, doch zieht sich die völlige Genesung infolge von großer Schwäche
oft sehr, doch selten über die 8. Woche hinaus. In etwa 10 Prozent der
Fälle durch Herzinsuffizienz Exitus letalis. Der Tod erfolgt zwischen dem
2. und 38. Tage, meist am 9. oder 10. Tage der Krankheit.
Therapie. Kühle Bäder oder kalte Abreibungen; im übrigen sympto¬
matisch. Mundpflege. Gegen den Kopfschmerz Eisbeutel, eventuell As¬
pirin oder Antipyrin, auch gegen das Beklemmungsgefühl. Gegen die
Schlaflosigkeit, Unruhe und Delirien: Sedativa z. B. Bromural oder — mit
Vorsicht — Veronal. Gegen etwaiges Schlucksem warme Haferschleim¬
suppe. Wegen des Delirs seitliche Bettbretter und guter Wachdienst durch
kräftige Wärter. Verhütung des Decubitus (Umlagern, bei beginnender
Rötung Waschen der gefährdeten Stellen mit Alkohol oder Einreiben mit
Zinksalbe). Bei drohender Gangrän wechselndes Eintauchen der befallenen
Partien in abwechselnd kaltem und warmem Wasser, eventuell Amputa¬
tion. Bei Collaps heiße Ganzpackungen und Wärmeflaschen. Von der
gefährlichen, teueren und wertlosen Salvarsanspritzerei 1 nehme man Abstand.
Literatur: Bücher oder Abhandlungen und Vorträge von Amrhein,
H. Aronson, L. Arzt, Becker, Bonhoff, J. Bory, H. Curschmann, K. Dehio,
L. Detre, C. Dietsch, E. Ebstein, Fahr, Fraenkel, Gränz, v. Hecker,
C. Hegler, M. Höfler, Hirsch, M. Kaiser, W. Kerl, Lindner, M. Matthes,
A. Molodenkoff, B. Naunyn, Ch. Nicolle, Nocht, E. Mühlens, v. Müller,
R. Paltauf, v. Pastau, Fr. Port, S. v. Prowazek, F. Prinzing, Rumpel,
H. Schröder, Schürer v. Waldheim, J. Schuster, Skutetzky, Tobeitz,
Vollbrecht, Wagener, Wenckebach, Wendland, Zekuras und Zlato*
goroff, Desgl. im Verzeichnis der Arbeiten von F. Kanngiesser 1905—1913,
in den Universitätsbibliotheken. Über anatomische Befunde bei Fleckfieber vgl. die
Abh. v. L. Aschoff in der Med. Klinik. 1915. Nr. 29.
1 Vgl. meine Arbeiten in der ösierr. Arzte-Ztg. 1913. Nr. 16 u. Nr. 21; Petersb.
Med . Zeiischr. 1913. Nr. 18; Der Frauenarzt. 1915. H. 4 und nutürlichere Heil
methoden. 1915. Nr. 463.
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Die Seuche des Thukydides.
189
Die Schilderung des Thukydides Ton der Fleckfieberseuche
zu Athen.
Buch II, Kap. 47. Sogleich mit Sommeranfang (d. h. im März 430
v. Chr.) fielen die Peloponnesier und ihre Bundesgenossen, wie schon einmal,
mit zwei Dritteln ihres Heeres in Attika ein. Es befehligte sie Archidamos,
der König der Lacedämonier und Sohn des Zeuxidamos. Sie ließen sich
nieder und verheerten das Land. Sie waren erst einige Tage in Attika,
als sich die ersten Seuchenfälle bei den Athenern ereigneten, nachdem
die Seuche schon vorher in verschiedenen Orten, z. B. auf Lemnos, plötz¬
lich zum Ausbruch gekommen war. Aber man erinnerte sich nicht, daß die
Seuche irgendwo so heftig aufgetreten war und so zahlreiche Menschen¬
leben gefordert hat als zu Athen. Da den Ärzten die Krankheit neu war,
verstanden sie sie nicht zu behandeln. Auch starben gerade sie am meisten,
da sie am häufigsten mit den Kranken in Berührung kamen. Keine mensch¬
liche Kunst konnte helfen, und auch Gebete, Orakelsprüche und dergleichen
nützten nichts. Alles war umsonst. Und so nahm man denn schließlich,
von dem Unglück überwältigt, von allen Maßnahmen Abstand.
Kap. 48. Die Seuche soll angeblich in Innerafrika ihren Ursprung
genommen haben und von dort sich über Ägypten nach Nordafrika und
in das Perserreich ausgebreitet haben. In Athen aber brach sie ganz plötz¬
lich aus und zwar ergriff sie zuerst die Bewohner des Piräus, so daß diese
behaupteten, die Peloponnesier hätten Gift in die Regenwasserzistemen
geworfen, denn Quellbrunnen gab es dort noch nicht. Später kam dann
die Seuche vom Hafen hinauf in die Stadt, und da setzte dann das große
Sterben ein. Über die Ursache der Seuche, die solche Umwälzung hervor¬
ruft, mag jeder, sei er Arzt oder Laie, seine eigene Meinung haben, ich
aber, der ich selbst an der Seuche litt und andere daran leiden sah, will
lediglich berichten, wie sie verlief, und worauf man zu achten hat, um sie
nicht zu verkennen, falls sie wiederkehren sollte.
Über das wichtige Kap. 49 siehe die beiliegende Tafel, Spalte VIII.
Kap. 50. Es ist schwer zu sagen, was das für eine Krankheit war.
Ganz abgesehen von der ungestümen Gewalt, mit der sie die Menschen
befiel, offenbarte sie nämlich ihre außergewöhnliche Natur vornehmlich
im folgenden: Die Raubvögel und Raubtiere, die Aas fressen, gingen, ob¬
wohl viele Kadaver unbestattet herumlagen, entweder nicht heran oder
starben, wenn sie das Menschenfleisch gefressen hatten. Ein Beweis ist
wohl das deutliche Verschwinden dieser Vögel, die nicht, weder bei den
Leichen noch sonstwo, gesehen wurden. 1 ) Auch an den Hunden konnte man,
da man diese um sich herum hatte, die erwähnte Wirkung beobachten. 2 )
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Friederich Kanngiesser:
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Kap. 51. Das also wäre im großen und ganzen das Bild der Krank¬
heit, wenn man von diesem oder jenem mehr oder minder individuellen
Zeichen absieht. Von den üblichen (ansteckenden) Krankheiten ereigneten
sich in jener Zeit keine, so sich abej eine auszubilden schien, schlug sie in
die Seuche um. Es starben aber die schlecht wie gut gepflegten. Ein
wirkliches Heilmittel in des Wortes eigenster Bedeutung gab es nicht.
Denn was dem einen half, schadete dem anderen. Auch erwies sich kein
Körper, ob stark oder schwach, gegen die Ansteckung sicher, sondern alle,
auch die sorgsamst behüteten, wurden von der Krankheit ergriffen. Das
schlimmste Übel aber war der Mangel an Willenskraft, denn sobald sich
einer krank fühlte, da hatte er auch schon alle Hoffnung aufgegeben, ließ
sich hängen und leistete der Krankheit keinen Widerstand. Und da einer
durch die Pflege des anderen angesteckt wurde, starben sie wie die Schafe.
Und so wurde es ganz schlimm. Denn, wenn sich die Leute nicht einander
helfen wollten, starben sie einsam und verlassen, und viele Häuser starben
aus Mangel an Pflege ganz aus. Half man aber, so lief man Gefahr, eben¬
falls zu sterben. Und gerade die besten Menschen, die aus Nächstenliebe
sich selbst nicht schonten, mußten, als sie zu den Freunden — denn trotz
des Jammerns der Sterbenden versagten vom Unglück überwältigt sogar
die Hausgenossen — hingingen, daran glauben. Am meisten aber nahmen
der Kranken und Sterbenden sich diejenigen an, die die Krankheit über¬
standen hatten, da sie die Seuche kannten und selbst in Sicherheit waren.
Denn zweimal ergriff keinen die Seuche derart, daß er an ihr hätte sterben
müssen. 3 ) Und diese wurden nicht nur von den anderen glücklich ge¬
priesen, sondern waren auch selbst jetzt sehr erfreut, da sie die trügerische
Hoffnung hatten, überhaupt nicht mehr an einer Krankheit sterben zu
können.
Kap. 52. Die Athener bedrängte zu dem vorhandenen Unglück noch
obendrein das Zusammenströmen der Landbevölkerung in der Stadt, und
wurden die Landleute ihrerseits mindestens ebensosehr von dem Unheil
betroffen. Denn da keine Häuser für sie zur Aufnahme bereit standen,
mußten sie die heiße Jahreszeit in dumpfigen Hütten zubringen, so daß
das Sterben ganz regellos vor sich ging. Tote und Sterbende lagen über¬
einander, und Halbtote wälzten sich in den Gassen und umlagerten des
Durstes halber die Zisternen. Auch die Tempel, in denen man lagerte und
starb, lagen voller Leichen. Denn vom Unglück überwältigt, und da sie
nicht wußten, wie all das werden sollte, war die Heiligkeit geweihter Stätten
ihnen gleichgültig. Auch die Gebräuche, deren man sich früher bei der
Bestattung bediente, wurden sämtlich über den Haufen geworfen. Denn die
Bestattung erfolgte, wie jeder gerade konnte. Viele wandten schamlose
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Die Seuche des Thukydides.
191
Mittel an, aus Mangel am Nötigen, da ihnen schon zu viele weggestorben
waren. So legten die einen ihre Toten auf fremde Scheiterhaufen, nachdem
sie denen, die sie errichtet, zuvorgekommen waren, und zündeten das
Holz an; andere aber legten den Toten, den sie schleppten, auf einen bereits
brennenden Scheiterhaufen obendrauf und gingen weiter.
Kap. 53. Aber auch in anderer Hinsicht veranlagte die Krankheit
weitere Unzuträglichkeiten. Denn manch einer wagte jetzt eher seinen
früher verborgen gehaltenen Lüsten nachzugehen, da man den raschen
Umschwung sah, sowohl bei Wohlhabenden, die plötzlich starben, als auch
an den früher Armen, die jetzt plötzlich in den Besitz der Habe jener
kamen. So glaubten diese denn ein Anrecht auf raschen Genuß zu haben,
da ja Gut und Blut rasch vergänglich erschienen. Und keiner war bereit,
statt das angeblich Gute zu genießen, obendrein Beschwerden zu ertragen,
da man es für zweifelhaft hielt, ob man etwas noch bei Lebzeiten erreichen
könne. Was also auch immer für angenehm und gewinnbringend galt,
das wurde für gut und nützlich angesehen. Da hielt denn keinen die Furcht
vor Menschen oder Göttern zurück, denn in Anbetracht des großen
Sterbens schien es ihnen gleichgültig, ob man ehrfürchtig sei oder nicht.
Auch glaubte man nicht, daß man das Gericht über seine Verfehlung oder
gar die Verbüßung der Strafe erlebe, da ja eine viel größere Strafe bereits
ihnen zugedacht und über sie verhängt war. Es sei daher billig, bevor man
diese Strafe erduldete, noch was vom Leben zu genießen. 4 )
Anmerkungen zu dem Bericht des Thukydides
und den Übersetzungen.
1 ) Vgl. hierzu H. Schöppler: Bayerns letzte große Pestepidemie zu
Begensburg im Jahre 1713/14. Ärztl. Rundschau 1913. Nr. 52: „Der Pest¬
arzt Dr. Dieterich meinte auch, daß die in Pestzeiten oft erwähnten
Fälle, wo Vögel tot zur Erde fielen, auf nichts anderes zurückzuführen
sei, als auf die unsinnige und ungeheuerliche Räucherung auf den Straßen
und in den Häusern der Stadt.“ Vielleicht, daß durch solche Räucherungen
wie durch die zahlreichen Scheiterhaufen die Vögel vertrieben wurden.
In „le Nord Maritime“ 1915 teilt ein englischer Soldat mit: „Merkwürdiger¬
weise künden uns die Vögel ihren (der Deutschen) Angriff mit Gasdämpfen
an. Häufig riechen wir sie noch gar nicht, da verlassen die schlafenden
Vögel schon die Zweige, auf denen sie gesessen, fliegen unruhig hin und
her und piepsen ängstlich. Solcherweise werden wir beinahe regelmäßig
gewarnt und haben Zeit, Maßregeln zu treffen.“ — Vgl. bei dieser Gelegen¬
heit auch den mitteleuropäischen Mythos vom Kriegs- und Pestvogel,
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Friederich Kanngiesser:
Bombycilla gamüa, dem Seidenschwanz, der in seltenen Jahren bei Futter¬
mangel von den Polarländern bis in die Schweiz herabkommt und der dann
als Unglücksvorbote angesehen wird. — *) Wenn P. Richter seiner Milz¬
branddiagnose zulieb diese Stelle: „Auch Vögel und vierfüßige Tiere, wie
Hunde, wurden von der Krankheit ergriffen“ übersetzt, so ist diese Inter¬
pretation recht willkürlich. Aus der Schilderung des Thukydides kann
doch lediglich auf eine alimentäre Vergiftung der Tiere durch Genuß
kranken Menschenfleisches geschlossen werden. — *) Richter übersetzt:
„Zum zweitenmal befiel die Krankheit denselben Menschen nicht, so daß
sie ihn auch nicht töten konnte.“ — 4 ) Kap. 57 wird noch erwähnt, daß die
Krankheit auch auf der Flotte der Athener wütete. Kap. 58 wird berichtet,
daß der Athener Hagnon bei der Belagerung von Potidäa von 4000 Hopliten
1050 in höchstens 40 (nicht 14, wie Richter schreibt) Tagen an der Krank¬
heit verlor. Im III. Buch, Kap. 87 heißt es: Im Winter waren die Athener
wieder von der Seuche befallen. Dieselbe hatte zwar nie ganz, aufgehört,
aber doch immerhin merklich nachgelassen. [Sie hielt etwa 4 Jahre an,]
so daß die Athener von keinem Unglück so schwer betroffen, und ihre Macht
durch nichts so sehr beeinträchtigt wurde, als durch diese Krankheit. Starben
ihnen doch diesmal (426 v. Chr.) von ihren Untertanen 4400 Hopliten
und 300 Reiter und eine zahllose Menge der Zivilbevölkerung. Im VI. Buch
Kap. 26 heißt es dann, daß Athen [im Jahre 416?] sich von dem langen
Kriege und der Seuche wieder so erholt hatte, daß während des Waffenstill¬
standes eine hinlängliche Zahl junger, waffenfähiger Leute wieder heran¬
gewachsen war. Auch bei Diodor und Plutarch 1 ist von der athenischen
Seuche, jedoch ohne wesentliche Bereicherung der Thukydideischen Quelle,
die Rede. Es wird mit Recht dem Zusammengedrängtsein der vielen
Menschen auf engem Raum Mitschuld an der Entstehung der Seuche ge¬
geben, wie denn das Volk ja auch den Perikies wegen seiner Maßnahme
der Preisgabe des platten Landes und Unterbringung der Bauern in der
Stadt für die Seuche verantwortlich machte. — Was die Morbiditäts- und
Mortalitätsziffer betrifft, so mag die Krankheit — da ja Greise und Frauen
etwas weniger und Kinder, je jünger um so seltener, vom Fleckfieber er¬
griffen werden — etwa 20 Prozent der Einwohner befallen und etwa 50 Pro¬
zent von diesen hingerafft haben. Doch sei ausdrücklich vermerkt, daß
diese Zahlen werte nur auf sehr vager Vermutung beruhen. — 6 ) Die Über¬
setzung von ai(jutT(üdr]q macht große Schwierigkeiten; Pape (Lexikon
1842) übersetzt einfach mit „blutig“, Mitsotakis (im neugriechischen
Wörterbuch): „blutreich, vollblütig“. Meines Erachtens ist der Satz ent-
1 Vgl. Münchener med. Wochenschr. 1912. Nr. 7.
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Die Seuche des Thukydides.
193
weder zu übersetzen: „Die Zunge blutete bzw. neigte zu Blutungen“ (sei
es durch rissig werden oder durch hämorrhagische Diathese) oder „die
Zunge wurde hyperämisch: d. h. lebhaft rot.“ Ich glaube, daß die Papesche
Übersetzung am zutreffendsten; vgl. neugr. ßceXr(ü8r,g (sumpfig), awvsgxüdrjg
(bewölkt), Tgixvfioid'Tjg (stürmisch), 8a(uoSijg (waldreich), üfufuod'Tjg (sandig),
fiijaXtoÖtjg (felsig), xpr]fiv(88r/g (abschüssig), dekrjTijüuoöijg (giftig), vevoojÖijg
(nervig, kräftig), (fanayytitSitg (schluchtreich); vgl. aber auch icod'ijg (veilchen¬
blau) und vd'aQiüStjg (von wäßrigem Ansehen). — 8 ) Unter usioxu&unaug
•/o’/J/g ist wohl einfach „Erbrechen“ zu verstehen. Je nach dem Aussehen,
der Farbe, dem Geruch, den Komponenten (Galle, Schleim, Magensaft,
Blut usw.) des Erbrochenen scheinen die alten Ärzte diese Materie differen¬
ziert zu haben. — 7 ) Unter Xvyg ist selbstredend weder „Schlucken“ noch
„Aufstoßen“, sondern das „Sehlucksem“ zu verstehen, ein Symptom, das
bei schweren Leiden recht ernst zu nehmen. Daß Thukydides das
Sehlucksem „hohl“ nennt und daß er sagt, daß es den Körper erschüttere,
ist ein Schulbeispiel für die Ausdrucksweise des Thukydides, der im
Interesse der Genauigkeit der Darstellung (hier also des Singultus, des
Zwerehfellkrampfs) vor Pleonasmen nicht zurückschreckt. — 8 ) Zu iiti-
(>vdQog: rötlich, ziemlich rot, rosarot, gerötet (fieberrot) vgl. neugr.
i’xöUvxog (weißlich), vndfieXag: (schwärzlich), vnoxuoravog (bräunlich), vtiö-
£vvog (säuerlich), vnoxtxoog (etwas bitter), vtptiXfivoog (etwas salzig),
viöin’xpog (kühl; yv/nög = kalt), vnoöttxvvw (andeuten) usw. — 9 ) Zu
den beiden Schreibweisen nthrvög oder neXtSvög — mit dem Wort soll
die petechiöse livide Hautmarmorierung der Fleckfieberkranken bezeichnet
werden — vgl. die Aussprache des vx im neugriechischen wie „nd“, vgl.
griechisch 8iv8nov (Baum), vulgärgriechisch auch divxno (Baum, speziell
die Eiche) geschrieben. — 10 ) Unter fiixpul (pXvxxarvui — das fuxoal kann
sich selbstredend nur auf cp/.vxxuivui, nicht auch auf llxr\ (Kratz- und
Dekubitusgeschwüre) beziehen (was in manchen Übersetzungen nicht
deutlich zum Ausdruck kommt) — kann man „kleine Bläschen“, die ja
AVendland zufolge ebenfalls bei Fleckfieber beobachtet worden sind,
verstehen. Doch war rflixxtuva wohl ein Kollektivbegriff für diverse Aus¬
schlagsformen. Da (fXvxxaivu schon das Diminutiv einer Blase bezeichnet,
und ausdrücklich von „kleinen Bläschen“, also von einer winzigen Einzel-
fonn des Exanthems die Rede ist, kann ich nicht annehmen, daß hierunter
die „echte Pocke“ verstanden sein soll, um so weniger als Thukydides
dann doch die zurückbleibenden, entstellenden Pockennarben erwähnt
hätte. Vgl. übrigens zur Interpretation dieser Stelle die neugriechische
Beschreibung des Fleckfieberausschlags durch G. Zekuras (laxntxi/
npöotiog 1915 p. 184) „.. .. ix xoö i^uvO >)puxog, avurf uivofiivov xiiV
Zeitschr. f. Hygiene. LXXXII 13
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Friederich Kanngiesser:
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5 r/v—ßfjv t r,g vöfTov i/fitnug xai änoxtXovfitvov ix fitxg&v ßvamvoyijooir
xißtdcov <tt tyfiouößv-.... Ai i^av&tjftanxai avrai XTjXtSeg xafUaxavxai
ütu ntrsyetojSeig ij aifioggaytxai, ....“ Nach dieser Beschreibung
besteht also das Exanthem aus kleinen, punktförmigen, sauerkirsch-
farbenen Flecken, die später petechiös oder hämorrhagisch werden. —
“) Wäre als prophylaktische Maßnahme nicht schlecht, denn auf den
Sklavenschiffen sind Zlatogoroff zufolge die nackten Neger nicht an
Flecktyphus erkrankt, da das Vorkommen der die Krankheit vermittelnden
Kleiderlaus an die Kleidungsstücke gebunden ist. — 12 ) Kühle Bäder haben
nach von Pastaus Erfahrungen einen günstigen Einfluß auf den Verlauf
des Fleckfiebers. — 1S ) Schon die längere Dauer der Krankheit spricht
gegen die Diagnose „Pest“, unter welchem meist kollektiv gehandhabten
Begriff die Seuche in den Geschichtsbüchern, z.B. auch in der Griechischen
Geschichte von Swoboda (Leipzig 1907, S. 86) rubrifiziert wird. Die
Lungenpest pflegt innerhalb 24 Stunden zu töten, und die Drüsenschwärungen
der Beulenpest pflegt kein Beschreiber zu übersehen, auch die übrigen
Pestformen töten durchschnittlich rascher als das Fleckfieber. — 14 ) &x<w< v;
(von i/.xfo : ziehen, zerren) habe ich erstmals mit Kolik, d. h. Leibschneiden
übersetzt, welcher Übersetzung auch Richter beipflichtet. — 15 ) Unter
öiÜQooiu üxoaxog kann sowohl heftige, als auch „unvermischte“ Diarrhöe
verstanden sein: das letztere Epitheton bezieht sich dann entweder auf
blutig-schleimig-eitrigen Stuhl oder einfach auf unverdaute Massen. Be¬
merkt sei hier, daß Diarrhöen sowohl als Symptom des Fleckfiebers, wie
als Symptom einer komplikativen Dysenterie deutbar sind. — 1# ) Beein¬
trächtigung oder Verlust der Sehkraft infolge von Aderhaut- und Netz-
hauterkrankungen oder infolge von Keratitis ulcerosa. Wie sich P. Richter
den Verlust der Augen durch Milzbrandkarbunkelbildung an den Augen
..ohne weiteres“ erklärt, ist mir unverständlich. — 17 ) Gemeint ist die
Amnesie nach dem Infektionsdelir. — 18 ) Man beachte, daß ijyvörjnav Aorist
ist und als solcher nicht als Imperfekt übersetzt werden darf. — 19 ) Man
vergleiche zu der lateinischen Übersetzung durch Lukrez auch die in
der Ödipustragödie des L. Aennaeus Seneea wohl auf den Text des
Thukvdides gegründeten Verse 182 bis 194, die ich hier abgekürzt über¬
setzen möchte: „Mattigkeit der Glieder. Rötung des Gesichts (rubor in
vult u aegro). Kleine Flecken (leves maculae) bedecken die Haut. Gluthitze
im Kopf. Ohrgeräusche. Nasenbluten. Häufiges Seufzern erschüttert
die Eingeweide usw.“ Unter dem letzteren Symptom ist wohl der Siie
gultus verstanden. Die beiden vorletzten Symptome, die auch Lukrez
erwähnt und die beide bei Fleckfieber beobachtet werden, finden sich
nicht in dem uns erhaltenen Text des Thukvdides. Bemerkenswert ist,
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Die Seuche des Thukydides.
19ö
daß Seneca die (pXixruivui /uixoai ausdrücklich mit maculae leves
übersetzt. Erwähnt sei hier, daß das Vorbild von Senecas Ödipus¬
tragödie, nämlich der „König Ödipus“ von Sophokles im Jahre 430/429
oder gleich darauf und zwar unter dem Eindruck der Seuche — die auch
Vers 28 und später; vgl. Vers 178: „Die Stadt gleicht einem großen Grab,“
erwähnt wird — gedichtet worden sein soll.
Ich möchte diese Anmerkungen nicht beschließen, ohne auf die
Wichtigkeit der Kenntnis des Neugriechischen zum Verständnis des Alt¬
griechischen hingewiesen zu haben. Aus Spalte VII der Tabelle kann man
sich einen Begriff machen, wie gering der Unterschied der heutigen Schrift¬
sprache von der der sogenannten klassischen Periode ist. Auch kommt die
heutige Ausspräche des Griechischen der alten Aussprache sicher näher
als die verfehlte erasmische Aussprache, die auf den Schulen gelehrt wird.
Als Lehrbücher des Neugriechischen seien empfohlen: H. C. Müller,
Historische Grammatik der hellenischen Sprache nebst Chrestomathie,
2 Bde. Leiden 1891 und 1892; E. Legrand, Grammaire grecque
moderne. Paris 1878; L. Olivier, Grammaire Hementaire du grec moderne.
Athenes. Paris 1886; E. Vincent and T. G. Dickson, A handbook to
modern Greek. London 1881; K. Wied, Lehrbuch der neugriechischen Volks¬
sprache. Verlag A. Hartleben; J. Kalitsunakis, Neugriechisch-deutsches
Gesprächsbuch und neugriechisches Lesebuch. Beide in der Göschen-
Sammlung. Als Lexikon: Neugriechisch-deutsch v. K. Mitsotakis und
Deutsch-neugriechisch v. K. Dieterich. Beide im Langenscheidtschen
Verlag.
Möge die Zeit nicht mehr fern sein, wo Griechisch an unseren Gym¬
nasien, wenn auch nur als Wahlfach, so doch von moderner Grundlage aus¬
gehend als lebendige Sprache, nicht als tote Sprache, gelehrt wird. Neu¬
griechisch ist ein Edelreis an altem Stamm, es ist das schönste Ver¬
mächtnis des klassischen Hellas, noch schöner als die Ruinen der Akropolis.
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Mitteilung an die Redaktion.
Zur Schlichtung des Prioritätsstreits zwischen den Herren Uh len-
huth und Fromme einerseits und den Herren Hübener und Heiter
andererseits hinsichtlich ihres Anteils an der Klärung der Ätiologie der
Weil sehen Krankheit ist auf Anregung Seiner Exzellenz des Herrn Chefs
des Feld-Sanitätswesens unter dem Vorsitz des Unterzeichneten ein
Schiedsgericht zusammengetreten, zu dem jede der beiden Parteien zwei
Vertreter in Vorschlag gebracht hatte. Das außer dem Unterzeichneten
aus den Herren Professor Gaffky in Hannover, Professor Gärtner in
Jena, Professor Otto in Berlin und Professor Kuhn in Straßburg im Elsaß
bestehende Schiedsgericht hat nach eingehender am 18. Mai 1916 statt¬
gehabter Beratung einstimmig folgenden Spruch beschlossen:
1. Die Übertragung der Weil sehen Krankheit auf Meerschweinchen
ist Hübener und Reiter zuerst gelungen, erst nach ihnen Uhlenhuth
und Fromme.
2. Die heute als Erreger der Weilschen Krankheit geltende Spirochäte
ist zuerst von Uhlenhuth und Fromme als Spirochäte erkannt und
richtig beschrieben. Hübener und Reiter haben zwar vor Uhlenhuth
und Fromme in ihren Präparaten unter anderen Gebilden auch solche
gesehen, die nach unserer Überzeugung Spirochäten gewesen sind. Sie
haben sie aber erst später als solche richtig erkannt.
Das Recht, die Spirochäten zu benennen, kann hiernach Hübener
und Reiter nicht zuerkannt werden.
Prof. C. Flügge.
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[Aus der bakteriologischen Untersuchangssteile des beratenden Hygienikers
einer Armee.]
(Generalarzt Prof. Bonhoff.)
Bakteriologische und serologische Untersuchungen mit
dem Fränkelschen Gasbrandbacillus . 1
Von
Dr. P. Klose,
Oberarzt beim beratenden Hygieniker einer Armee
Die große Bedeutung, die die Gasphlegmone als gefürchtete Wund-
infektionskrankheit im Kriege erlangt hat, veranlaßte Herrn Generalarzt
Prof. Bonhoff, mich im April 1915 mit bakteriologischen Untersuchungen
der in unseren Lazaretten zur Beobachtung gelangenden Gasphlegmone¬
fälle zu beauftragen. Nach den Arbeiten von Hibler über die pathogenen
Anaerobier war von vornherein zu erwarten, daß ein einheitlicher In¬
fektionserreger kaum in Betracht kommen würde, wie das in jüngster
Zeit von Conradi und Bieling angenommen wird. Die laufenden täg¬
lichen Untersuchungen zwangen zunächst zur Beschränkung auf die Fest¬
stellung, welche Rolle der Fränkelsche Gasbrandbacillus in der Ätiologie
des Gasbrandes spielt. Zur Untersuchung gelangte bis jetzt Material von
125 Fällen klinisch als sichere Gasphlegmone bezeichneter Erkrankungen;
dabei konnte 39 mal der Fränkelsche Gasbrandbacillus isoliert werden.
Als Untersuchungsmaterial wurde in 35 Fällen vom Lebenden ent¬
nommenes Wundmaterial, in drei Fällen bei der Sektion gewonnenes
Leichenwundmaterial und in einem Falle gleichfalls bei der Sektion ge¬
wonnenes Herzblut zur Züchtung benutzt. In 39 Fällen glückte die Iso¬
lierung des Fränkelschen Gasbrandbacillus, und zwar fand ich ihn in
20 Fällen mit anderen, von mir nicht näher bestimmten Bakterien, in
1 Abgeschlossen am 1. März 1916.
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198
F. Klose:
zwei Fällen mit Tetanusbazillen 1 , in 17 Fällen nur mit aeroben Kokken¬
arten (Staphylo- und Streptokokken) vergesellschaftet. Diese 17 Gas¬
branderkrankungen dürften somit als reine Infektionen mit dem Frankel-
schen Gasbrandbacillus betrachtet werden. Ganz hervorragend hat sich
mir zur Keimtrennung die von Fränkel und Hibler empfohlene sofortige
Verimpfung des Untersuchungsmaterials auf Tiere, Meerschweinchen, be¬
währt. Aus der Peritonealflüssigkeit der verendeten Versuchstiere er¬
reichte ich fast immer in kurzer Zeit Reinkulturen. Daneben wurden
von dem Untersuchungsmaterial Oberflächenausstriche auf Nähragar ange¬
legt und direkt in frisch aufgekochte, 100° messende l®/,, Traubenzucker¬
agar geimpft, wodurch eine entwicklungshemmende Schädigung der aeroben
Begleitbakterien erreicht wurde. Die Identifizierung des Fränkelschen
Gasbrandbacillus wurde dadurch sehr erleichtert, daß ihm als einziger
der in Betracht kommenden Bakterienarten jegliche Bewegungsfähigkeit
mangelte. Alle meine Stämme, die ich mit einem von E. Fränkel aus dem
Hamburger Pathologischen Institut mir freundlichst zur Verfügung gestellten
Stamm seines Gasbrandbacillus vergleichen konnte, bildeten in 1 % Trauben¬
zuckeragar reichlich Gas mit Wachstumsbeginn 1 cm unterhalb der Ober¬
fläche, sie schwärzten den von Hibler angegebenen Hirnbreinährboden
nicht. Im hängenden Tropfen zeigten sie vollkommen unbewegliche, zu
zweit parallel oder hintereinander gelagerte, plumpe, grampositive Stäb¬
chen, die von einer meist deutlich sichtbaren Kapsel umgeben waren. Bei
Meerschweinchen erzeugten sie die für die Gasphlegmone charakteristischen
Hautveränderungen, in entsprechenden Dosen den Tod der Tiere. Zur
Durchführung meiner Versuche, die das Ziel verfolgten, ein von dem
Fränkelschen Gasbrandbacillus gebildetes, spezifisches Toxin nachzuweisen
und eine aktive und passive Immunisierung von Meerschweinchen oder
anderen Tieren gegen eine Infektion mit ihm zu erreichen, wählte ich
einen von mir im März 1915 aus Leichenmaterial eines an Gasphlegmone
verstorbenen Verwundeten gezüchteten Stamm „Pryrn“.
Meinen weiteren Ausführungen möchte ich zunächst eine kurze Schil¬
derung des Verlaufes der Gasphlegmoneerkrankung beim Meerschweinchen
voranstellen. Bei einem mit 0-3 ccm 24stündiger Hirnbreikultur des
benutzten Stammes subkutan an der Brust infizierten Tiere beginnt die
Krankheit bald nach der Einspritzung ohne jegliche Inkubationszeit mit
einer schmerzhaften Infiltration und Rötung der Haut im Bereiche der
Impfstelle. Schon 2—3 Stunden später ist es hier unter Temperaturanstieg
1 Ein Patient war prophylaktisch mit Tetanus-Antitoxin gespritzt und bekam
keinen Tetanus; der andere, nicht mit Tetanus-Antitoxin behandelte, erkrankte
erst an Gasphlegmone, zu der tödlich verlaufender Wundstarrkrampf hinzutrat
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 199
zu einer durch Exsudation leicht rosa gefärbter Flüssigkeit und Gas-
ansammlung bedingten Hautabhebung gekommen, die sich beim Betasten
durch die Verschieblichkeit einer Gasblase und deutliches Gurren kund¬
gibt und die nunmehr rasch auf die Bauchhaut weiter vorschreitet, so
daß in den foudroyant verlaufenden Fällen nach 10 Stunden der ganze
Bezirk der Bauch- und Brusthaut befallen ist. Beim Schütteln des Tieres
in horizontaler Lage sieht man ausgesprochene Wellenbewegung des Ex¬
sudates und hört ein glucksendes Geräusch. Des weiteren verfärbt sich
die von der Unterlage abgehobene Haut grünlich mißfarben, die Flüssig-
keits- und Gasansammlung nehmen ständig weiter zu, schließlich tritt,
wenn nicht durch eine spontane Perforation der mazerierten Haut ein
Abfluß der Exsudatflüssigkeit und damit ein Ausgang in Heilung erfolgt,
nach 12—60 Stunden unter einem erheblichen Temperaturabfall der Tod
des einen schwerkranken Eindruck machenden Tieres ein, dessen All¬
gemeinbefinden schon bald nach der Infektion zu leiden beginnt.
Die Sektion zeigt die Haut im Bereiche der Brust und des Bauches
— der seitlich einstrahlende Hautmuskel ist meist zerstört und aufge¬
fasert — schmutziggrünlich verfärbt. In den abhängigen Partien, nament¬
lich im Bereich der Übergangsstelle der Vorder- und Hinterbeine, findet
sich eine ödematöse Durchtränkung des Unterhautzellge^vebes, meist auch
eine freie Ansammlung rötlichwässeriger, alkalisch reagierender Exsudat¬
flüssigkeit. Im Bereich der Hautabhebung hat die Muskulatur ein blasses,
gekochtes Aussehen; beim längeren Bestehen des Krankheitsprozesses ist
sie in den obersten Schichten zunderartig zerfallen. An den inneren Or¬
ganen fällt makroskopisch eine leichte Hyperämie von Milz und Leber
auf. In einigen Fällen trat eine Perforation der Bauchdecken mit Darm¬
prolaps und peritonitischen Erscheinungen auf.
Das ganze Krankheitsbild macht völlig den Eindruck einer schweren
Vergiftung des tierischen Organismus, so daß E. Fränkel in seiner Mono¬
graphie über Gasphlegmone zu der Ansicht kommt, daß die lokal im
Bereich der Erkrankung aufgespeicherten toxischen Substanzen durch
ihren deletären Einfluß auf den tierischen Körper den Tod der Versuchs¬
tiere herbeiführen. Er faßt also wohl ebenso wie Novy, der als Ursache
für den Tod der mit seinem Bacillus infizierten Tiere die von ihm gebil¬
deten Toxine ansieht, die Gasphlegmoneerkrankung der Versuchstiere
nicht als Bakterämie, sondern als Toxämie auf, um so mehr, als es ihm
nicht gelungen ist, aus den Organen der Brust- und Bauchhöhle durch das
Kulturverfahren die Bazillen nachzuweisen. Damit stimmen auch meine
an einer größeren Reihe Meerschweinchen gewonnenen Erfahrungen, sowie
Beobachtungen am Krankenbett, verbunden mit bakteriologischen Unter-
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200
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Buchungen, überein. So konnte ich intra vitam bei infizierten Meerschwein¬
chen zu keiner Zeit Gasbrandbazillen in aus der Carotis und aus dem Ohre
durch Einschneiden gewonnenen Blutproben kulturell auffinden; auch
glückte bei den Sektionen die Züchtung der Bazillen aus dem Herzblut
um so eher, je größer der Zwischenraum zwischen dem Tode des Tieres
und dem Zeitpunkte der Sektion war. Seine Einwanderung in die Blut¬
bahn des Organismus setzt jedenfalls unmittelbar nach dem Tode, viel¬
leicht sogar schon in der Agonie ein, um dann ganz rapide Fortschritte
zu machen. Zuerst sind die Bazillen im Wandbelag der Brust- und Bauch¬
höhle zu finden, was vielleicht für eine Weiterwanderung dem Verlauf der
Lymphwege nach sprechen dürfte. Ferner ruft lccm 24stündiger Trauben¬
zuckerbazillenkultur, Meerschweinchen intravenös eingespritzt, keine Er¬
krankung hervor, während 0-5 ccm derselben Kultur subkutan gegeben
den Tod des Tieres herbeiführt.
Des weiteren liegt, wie die untenstehende Aufstellung zeigt, die intra-
peritoneal für Meerschweinchen tödliche Dosis einer 24stündigen Hirnbrei¬
kultur des von mir benutzten Stammes siebenmal höher als die subkutane.
Selbst wenn man die erhebliche Schutzkraft des Peritoneums gegen fremde
Organismen in Betracht zieht, so darf man diese Tatsache doch wohl auch
in dem Sinne verwerten, daß die Gasphlegmoneerkrankung der Meer¬
schweinchen nicht als Bakterämie verläuft.
Dosis v. 24std.
Hirnbreikultur
intraperitoneal
0-05 ccm
0-1
0-2
0-3
0-4
0-5
0*6
0-7
0-8
i
Tier lebt
??
t nach 48 Stunden
i
24
subkutan
lokale Erkrankung
7 an Gasphlegmone
Auch die schweren Störungen im Allgemeinbefinden der an Gas¬
phlegmone erkrankten Verwundeten, die an sich allein schon oft das Vor¬
liegen einer Gasphlegmone vermuten lassen, das schwere subjektive Krank¬
heitsgefühl der Patienten, der meist schlechte, frequente Puls, die Schläfrig¬
keit und Benommenheit, sowie das verfallene, ikterisehe Aussehen weisen
ebenso wie vor allem das beinahe völlige Fehlen von Schüttelfrösten viel
mehr auf eine in der Form einer Vergiftung als auf eine in der Form der
Bakterämie verlaufenden Erkrankung hin, für die auch beim Menschen
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 201
jegliche Inkubation zu fehlen scheint. Daß Gasbrandbazillen bei Sektionen
im Herzblut gefunden werden, findet wohl seine Erklärung durch die von
mir oben für die Versuchstiere gegebenen Ausführungen, im strömenden
JBlute sind sie meines Wissens bis jetzt noch nicht nachgewiesen. Auch
meine in dieser Richtung vorgenommenen Untersuchungen an Patienten,
denen Blut in der Zeit der höchsten Temperatursteigerung aus der Arm¬
vene entnommen wurde, hatten keinen Erfolg, trotzdem jedesmal etwa
20 ccm Blut in 1% Traubenzuckeragar verimpft wurden. Wohl aber
glückte der Nachweis eines Toxins im Blutserum von an Gasphlegmone
Erkrankten in fünf Fällen, worüber weiter unten ausführlich berichtet
werden soll.
Ist also die Gasphlegmone eine Toxikose, so lag es auf der Hand, das
Toxin, wenn ein solches von dem Fränkelschen Gasbrandbacillus gebildet
ward, zunächst in dem beim infizierten Meerschweinchen im Verlauf der
Erkrankung gebildeten Exsudat zu suchen. Und in der Tat gelang es,
mit dem sterilen Filtrat des Exsudates bei subkutaner Einspritzung in
die Brusthaut in der Dosis von 0*5 ccm (Meerschweinchen Tox. 282) eine
charakteristische Hautveränderung ohne erhebliche, andauernde Beein¬
flussung des Allgemeinbefindens hervorzurufen. Schon 4 Stunden nach
der Einspritzung kommt es unter Anstieg der Körpertemperatur im Be¬
reich der Impfstelle zu einer erheblichen Infiltration und intensiven, fast
hämorrhagischen Rötung der Haut, die nach 24 bis 48 Stunden im zen¬
tralen Teil des Impfbezirkes gelbgrünlich verfärbt und durch die Bildung
eines bakterienfreien Exsudates, das wohl infolge der durch das Toxin
lokal bedingten Gefäßschädigung auftritt, abgehoben ist. Im Bereiche
der Hautverfärbung kommt es dann weiter zum Haarausfall. Bei der
Einführung schwächerer Giftmengen bleibt eine deutlich sichtbare Ab¬
hebung der Haut aus. Hier erfolgt nur eine gelblichgrüne Verfärbung der
Haut in der Mitte der Impfstelle, die von einem intensiv geröteten Saum,
der Demarkationszone, umgeben ist. Von dieser Demarkationszone aus
erfolgt die Abstoßung des nekrotischen Hautstückes und sein Ersatz durch
Narbengewebe. Je nach der Menge des einverleibten Toxins greift die
Nekrose auch auf die oberste Muskelschicht über, so daß nach Abstoßung
des nekrotischen Hautstückes ein Geschwür entsteht, in dem der Muskel
mit seinen zerstörten, oberflächlichen Partien zutage tritt. Seinen Aus¬
gang nimmt der Prozeß in Narbenheilung, die je nach der Ausdehnung
schneller oder langsamer erfolgt. Es gelang also mit entsprechenden Dosen
der Exsudatflüssigkeit, alle für die Gasphlegmoneerkrankung charak¬
teristischen, wohl durch die Einwirkung des Toxins bedingten anato¬
mischen Veränderungen mit Ausnahme der Gasbildung, die naturgemäß
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F. Klose:
in ihrem Entstehen an die Lebensvorgänge des Bacillus gebunden ist,
hervorzurufen.
Meerschweinchen Tox. 282.
14. IX. 15 erhält 0.5 ccm Filtrat der Exsudatflüssigkeit von Meer¬
schweinchen Tox. 249 subkutan an der Brust eingespritzt. 4 Stunden nach
der Einspritzung Haut im Bereich der Impfstelle in einem Bezirk 3: 1.5 cm
infiltriert und gerötet. Temperatur abends 39.8°.
15. IX. 15. Infiltration hat an Stärke zugenommen, in ihrem zentralen
Teile ist in pfennigstückgroßem Bezirke die Haut gelbgrünlich verfärbt,
leicht abgehoben. Der Prozeß grenzt sich gegen das Gesunde durch einen
roten Saum ab. Temperatur morgens 40.1°, abends 39.5°.
17. IX. 15. In dem verfärbten Bezirke ist die Haut feucht, es besteht
Haarausfall. Temperatur normal.
18. IX. 15. Die Demarkation des nekrotischen Hautstückes hat zuge¬
nommen.
20. IX. 15. Das zu einem braunen, nekrotischen Schorf eingetrocknete,
nekrotische Hautstück fällt ab, darunter ein lochartiges Geschwür, in dem
Muskelsubstanz zutage tritt.
22. IX. 15. Fortschreitende Verkleinerung des Geschwüres durch Narben¬
bildung.
27. IX. 15. Strahlige, mit der Unterlage schlecht verschiebliche, pfennig¬
stückgroße Narbe, Tier gesund.
Dieselbe durch die subkutane Einverleibung der Exsudatflüssigkeit
infizierter Meerschweinchen bedingte Hautveränderung konnte ich in fünf
Fällen bei den Versuchstieren auch durch subkutane Einspritzung von
2-5 bzw. 5 ccm Blutserum erzeugen, das von klinisch und bakteriologisch
an durch den Fränkelschen Gasbrandbacillus hervorgerufener Gasphleg¬
mone erkrankten Verwundeten stammte und das in den ersten Krank¬
heitstagen aus der Armvene entnommen war (Meerschweinchen Tox. 68),
während Kontrollen mit normalem Menschenserum außer einer bald
schwindenden Infiltration keine anatomischen Veränderungen zeigten.
Dadurch wurde der Nachweis erbracht, daß das von dem Fränkelschen
Gasbrandbacillus lokal am Sitze der Gasphlegmone gebildete Toxin in
ziemlich erheblichen Mengen von dem Organismus resorbiert wird, wo¬
durch dann weiter wohl die schweren Störungen im Allgemeinbefinden
der Patienten bei lokal oft unbedeutendem Krankheitsbefund ausgelöst
werden dürften.
Meerschweinchen Tox. 68.
20. VII. 15. Erhält 5 ccm Serum Bolues (entnommen am zweiten
Krankheitstage) subkutan an der Brust eingespritzt.
21. VII. 15. Haut der Impfstelle in dreimarkstückgroßem Bezirk in¬
filtriert, bläulichrötlich verfärbt.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 203
22. VII. 15. Hautverfärbung und Infiltration bestehen fort, Haut in
schmalem Bezirk von der Unterlage abgehoben, beginnender Haarausfall an
dieser Stelle, beginnende Demarkation gegen das Gesunde.
23. VII. 15. Haarausfall nicht vorgeschritten, in diesem Bezirk Haut
gelblichgrün verfärbt. Infiltration besteht fort.
24. VII. 15. Gelblich verfärbtes Hautstück beginnt zum Schorf ein¬
zutrocknen, ausgesprochene Demarkation gegen das Gesunde.
26. VII. 15. Beginnende Lösung des zum Schorf eingetrockneten,
nekrotischen Hautstückes an der Demarkationszone. Ersatz durch Narben¬
gewebe.
29. VII. 15. Schorf abgefallen, 2.5 cm langes, 0.5 bis 1 cm breites,
etwas vertieftes Geschwür mit narbigen Bändern.
9. VIII. 15. Fünfpfennigstückgroße, flächenhafte, mit der Unterlage
schlecht verschiebliche, haarlose Narbe.
Bei intraperitonealer Verabreichung der Exsudatflüssigkeit ließ sich
in der Dosis von 0,5 ccm ein schweres, als charakteristisches Symptom
Dyspnoe aufweisendes Krankheitsbild, in der Dosis von 1 ccm der Tod
der Versuchstiere hervorrufen. Bald nach der Einspritzung des toxin¬
haltigen Filtrates setzt ohne jede Inkubationszeit eine rasch fortschreitende
schwere Schädigung des Allgemeinbefindens ein. Die Tiere sitzen in sich
zusammengekrochen, mit gesträubten Haaren da, zeitweise überläuft ein
Zittern ihren Körper, die Atmung ist vertieft und angestrengt und ge¬
schieht mit Zuhilfenahme aller Hilfsmuskeln, es findet keinerlei Nahrungs¬
aufnahme mehr statt. Im weiteren Verlauf tritt ein solch großer Tem¬
peratursturz ein, daß die Tiere sich völlig kühl anfühlen. Je nach der
eingeführten Toxinmenge erfolgt nach einigen Stunden unter zunehmenden
Erstickungserscheinungen der Tod bzw. unter allmählichem Wiederanstieg
der Temperatur und Besserung der Atmung eine Restitutio ad integrum
(Meerschweinchen Tox. 285 u. 286).
Meerschweinchen Tox. 285
erhält am 14. IX. 15 1 ccm Filtrat der Exsudatflüssigkeit von Meerschwein¬
chen Tox. 249 um 10 h intraperitoneal eingespritzt. Unter schwersten
Störungen des Allgemeinbefindens, wie oben näher beschrieben, sinkt die
Temperatur nach 2 Stunden auf 33.8°, nach 6 Stunden auf 29.4°. Der
Tod tritt nach 6 1 /, Stunden ein. Organausstriche bleiben steril.
Meerschweinchen Tox. 286
erhält am 14. IX. 15 0.5 ccm Filtrat der Exsudatflüssigkeit von Meer¬
schweinchen Tox. 249 um 10 h intraperitoneal eingespritzt. Unter schweren
Störungen des Allgemeinbefindens sinkt die Temperatur nach 2 Stunden
von 38.5° auf 37.1°, nach 4 Stunden auf 35.1°, steigt dann allmählich
wieder an und beträgt nach 10 Stunden 37.1°, am nächsten Morgen 38.1°.
Das Tier wird völlig gesund.
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Es erhob sich nun weiter die Frage, ob sich dieses Toxin des Fränkel-
schen Gasbrandbacillus nicht auch in künstlichen Nährböden in nach¬
weisbaren Mengen erzeugen ließ.
Ausgehend von der Tatsache, daß die Züchtung dieses nur anaerob
wachsenden Bacillus am besten in zuckerhaltigen Nährböden gelingt, wurde
als Kulturmedium l°/oige Traubenzuckerbouillon gewählt, zumal man ein
Toxin zunächst in einem flüssigen Nährboden zu erhalten hoffen durfte.
Die Hauptschwierigkeit — namentlich unter den beschränkten Verhält¬
nissen eines Feldlaboratoriums — lag darin, den Bacillus, diesen strengen
Anaerobier, in größeren Mengen Kulturflüssigkeit zu züchten. Es mußte
daher eine Züchtungsart benutzt werden, die ohne kostspielige Apparate
sich durchführen ließ und dennoch ein gutes anaerobes Wachstum der
Bazillen gewährleistete. Dies gelang, indem unmittelbar vor der Benutzung
im Wasserbade aufgekochte 100 ccm lprozentige Traubenzuckerbouillon
fassende Erlenmeyerkölbchen von 120 ccm Inhalt bei 80° beimpft, dann
die Kölbchen rasch in Eiswasser gebracht, mit Wattepfropf, Gummikappe
und einem Paraffinüberzug versehen wurden. Durch das Aufkochen wurde
eine fast völlige Befreiung des Nährstoffsubstrates von dem in ihm ent¬
haltenen Sauerstoff erreicht, und es wurde auch der Sauerstoff in dem
darüber befindlichen freien Raume, der alsbald von den als Abbauprodukte
der Nährflüssigkeit entstehenden Gasen — wahrscheinlich Kohlensäure —
ausgefüllt wurde, auf ein Minimum herabgesetzt.
In dieser Weise beimpfte, im Brutschränke bis 37° gehaltene Kölb¬
chen zeigen nach 24 Stunden eine Trübung der Nährflüssigkeit; auf der¬
selben steht eine 1 bis 1-5 cm hohe, feinblasige Schaumschicht. Am Boden
befindet sich ein leichter, weißlichgrauer Bodensatz, der von den zur Ent¬
wicklung gelangten Bazillen gebildet wird, und von dem ein dauerndes,
lebhaftes Aufsteigen von kleinen Gasblasen erfolgt, „die Flüssigkeit mous¬
siert“. Nach 48 Stunden hat das Aufsteigen von Gasblasen erheblich
nachgelassen, die Schaumschicht ist kleiner geworden; sie besteht jetzt
aus mehr groben Gasblasen. Die Trübung der Bouillon und der Boden¬
satz haben zugenommen. Nach 72 Stunden finden sich nur noch ver¬
einzelte Gasblasen am Rande des Flüssigkeitsspiegels, ihr Aufsteigen er¬
folgt spärlich; der weißlichgraue Bakterienrasen am Boden des Kölbchens
zeigt eine weitere Zunahme. Nach 96 Stunden finden sieh keine oder nur
noch ganz vereinzelte Gasblasen auf dem Flüssigkeitsspiegel, es erfolgt
kein Aufsteigen von solchen mehr aus der Tiefe. Die Kultur erweist sich
als abgetötet, eine Verimpfung auf Tiere und in ein anderes Kulturmedium,
z. B. Iprozentigen Traubenzuckeragar bleibt ergebnislos. Im weiteren Ver¬
laufe klärt sich die Nährflüssigkeit unter Zunahme des Bodensatzes all-
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 205
mählich; sie ist dann nach 14tägigem ruhigen Stehen völlig klar und
durchsichtig.
1- prozentige Traubenzuckerbouillonkultur.
Tier
Infektion
1 Verlauf
24stündig
Meerschweinchen
Gas 56
Erhält 0 • 5 ccm
subkutan an der
Brust 26. V. 15.
f am 28. V. 15 unter typischen
Erscheinungen
der Gasphlegmone
48stündig
Meerschweinchen
Gas 26
Erhält 0*5 ccm
subkutan an der
Brust 27. V. 15.
f am 29. V. 15 unter typischen
Erscheinungen
der Gasphlegmone.
72stündig
Meerseh weinchen
Gas 11
|
Erhält 0-5 ccm
subkutan an der
Brust 28. V. 15.
t am 29. V. 15 unter typischen
Erscheinungen
der Gasphlegmone.
4tägig
Meersch weinchen
Gas 12
Erhält 0*5 ccm
subkutan an der
Brust 29. V. 15.
Keinerlei Veränderung.
Tier gesund.
Stägig
Meerschweinchen
Gas 13
Erhält 0*5 ccm
subkutan an der
IJrust 30. V. 15.
Keinerlei Veränderung.
Tier gesund.
Es erhob sich nun die Frage, weshalb und wodurch die Trauben-
zuckerbouillonkultur des Gasbrandbacillus nach 14 Tagen abgetötet war,
um so mehr, als beim Fortimpfen des Stammes in flüssigen lprozentigen
Traubenzuckeragar die Erfahrung gemacht wurde, daß noch nach 14 Tagen
der Bacillus sich als lebensfähig erwies, während er, als Stichkultur ge¬
züchtet, auch in diesem Nährmedium nach 3 bis 4 Tagen zugrunde ging.
Zur Beantwortung boten sich zwei Möglichkeiten: erstens der Bacillus
hatte in dieser verhältnismäßig kurzen Zeit den Nährboden erschöpft,
oder zweitens durch seine Assimilationsvorgänge wurden Stoffe gebildet,
die auf ihn selbst entwicklungshemmend, ja direkt abtötend wirkten.
Die schon von Hibler angestellten Bestimmungen des Säuregehaltes der
mit verschiedenen Arten von Gasbranderregem beimpften Nährböden
wiesen mich darauf hin, auch meinerseits Austitrierüngen der beimpften
Traubenzuckerbouillon vorzunehmen, und es zeigte sich durch systema¬
tische Untersuchungen, daß der Säuregehalt der bei der Beimpfung für
unser Lackmuspapier neutralen, azidimetrisch aber noch leicht sauren
Traubenzuckerbouillon erheblich, im Durchschnitt um das Vierfache zu¬
nahm. Daraus durfte man wohl den Schluß ziehen, daß die Abtötung der
Kultur nach 96 Stunden durch die infolge des Abbaues der Nährflüssig¬
keit gebildeten Säuren, über deren Natur ich mir mangels geeigneter In¬
strumente keine Aufklärung verschaffen konnte, die ich aber für Kohlen-
und Buttersäuren anspreche, bedingt ist. Gelang es also, die in dem Nähr-
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boden durch Stoffwechselvorgänge des Gasbrandbacillus gebildeten Säuren
zu neutralisieren, so mußte damit eine längere Lebensdauer und damit
wahrscheinlich auch eine stärkere Toxinbildung erreicht werden. Nach¬
dem Versuche, die Nährflüssigkeit dauernd neutral zu erhalten durch
genau dosiertes Zufließen von n.-lOO KOH mittelst einer Bürette, die
durch einen Korkstopfen in das Kulturkölbchen geleitet wurde, daran
gescheitert waren, daß der durch die Gasentwicklung in dem Erlenmeyer-
kölbchen erzeugte Druck das Ausfließen der Neutralisationsflüssigkeit
verhinderte, verwendete ich einen Zusatz von steriler, dickflüssiger Schlemm¬
kreide zu dem Nährsubstrat. In der Tat gelang es nunmehr, wo die in
der Nährflüssigkeit gebildeten Säuren zum Teil sofort durch das beige¬
fügte Calc. carb. abgestumpft, und dadurch eine fast dauernd neutrale
bzw. nur schwach saure Reaktion der Nährflüssigkeit erreicht wurde,
die Bazillen in 1 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur bis zu 4 Wochen
lebensfähig, wenn auch nicht voll virulent, zu erhalten.
Auf dieser Züchtungsart bauten sich die weiteren Versuche auf.
Die zum Nachweis eines in der Traubenzuckerbouillön befindlichen
Toxins notwendig werdende Befreiung derselben von den Bazillen geschah
in der ersten Zeit, in der mir weder eine Wasserstrahlpumpe noch Berke-
feldkerzen zur Verfügung standen, durch mehrmaliges Filtrieren durch
gehärtete Filter, während jetzt durch Berkefeldkerzen filtriert wird.
Darauf wurde das klare sterile Filtrat subkutan und intraperitoneal auf
Meerschweinchen verimpft. Dabei konnte regelmäßig bei subkutaner
Einverleibung des Filtrates von 4 tägigen lprozentigen Traubenzucker¬
bouillonkulturen mit Schlemmkreidezusatz in die Brusthaut in Dosen
von 5 ccm, zuweilen auch schon von 2 ccm, die durch Hautnekrose mit
Ausgang in Narbenheilung charakterisierte Toxinwirkung, wie sie durch
entsprechende Dosen des Exsudatfiltrates infizierter Meerschweinchen er¬
zeugt wurde, beobachtet werden (Meerschweinchen Tox. 46), während
sich bei intraperitonealer Impfung in Dosen bis zu 10 ccm eine einwand¬
freie Giftwirkung nicht feststellen ließ. Kontrollversuche mit unbeimpfter
1 prozentiger Traubenzuckerbouillon verliefen ergebnislos. Auch ließ eine
anaerobe Züchtung nach Büchner eine Vermehrung des Toxins nicht
erkennen.
Meerschweinchen Tox. 46.
30. VI. 15. Erhält 5 ccm Filtrat einer 72stündigcn lprozentigen Trauben¬
zuckerbouillonkultur „Prym“ subkutan an der Brust eingespritzt.
1. VII. 15. In einmarkstückgroßem Bezirk der Impfstelle bläulich¬
grünliche Hautverfärbung und Infiltration.
3. VII. 15. Hautverfärbung mehr braunrötlich, gegen das Gesunde
stark demarkiert.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 207
5. VII. 15. Das nekrotische Hautstück ist zum Schorf eingetrocknet,
die Demarkation hat zugenommen.
7. VII. 15. Fortschreitende Abstoßung des nekrotischen Hautstückes.
10. VII. 15. Lösung des noch mit Haaren besetzten Schorfes im Fort-
selireiten, mäßige Infiltration.
11. VII. 15. Schorf abgefallen, kleines Geschwür mit narbig gewulsteten
Rändern, ausgefüllt mit Granulationen.
13. VII. 15. Fortschreitende Verkleinerung des Geschwüres durch Narben¬
bildung.
17. VII. 15. Heilung mit flächenhafter, mäßig verschieblicher Narbe.
Da aber der Gehalt der 1 prozent igcn Traubenzuekerbouillonkultur
an Toxin nicht befriedigte, sich auch kein wesentlicher Unterschied in
dem Toxinreichtum bei Kulturen, die 3 Tage alt — also Mrz nach dem
Aufhören der Gasentwicklung — angewandt wurden, und solchen, die
4 Wochen alt waren, feststellen ließ, so wurde versucht, in anderen flüs¬
sigen Nährböden eine Toxinanreicherung zu erzielen. Dabei zeigte sich,
daß gewöhnliche alkalische Nährbouillonkulturen mit Schlemmkreidezusatz
und Himbreikulturen, in denen die Bazillen sehr wenig Gas bilden, auch
nach 14 Tagen bei erhaltener Lebensfähigkeit der Bazillen keine erheb¬
liche, nachweisbare Toxinmenge enthielten. Das führte zu der Annahme,
daß bei dem Fränkelschen Gasbrandbacillus eine gewisse Wechselbeziehung
zwischen Toxin- und Gasbildung bestehen müsse, und das wurde die Ver¬
anlassung, nunmehr höherprozentige Traubenzuckerbouillon mit Calc.-
earb.-Zusatz zu verwenden. Und in der Tat nahm mit steigendem Zucker¬
gehalt und damit der Möglichkeit verlängerter Gasbildung auch der Toxin¬
reichtum des Filtrates zu. In einer öprozentigen Traubenzuckerbouillon
mit Schlemmkreidezusatz, die nach den Angaben von Graßberger und
Schattenfroh mit Paraffinum liqu. überschichtet würde, hält die Gas¬
entwicklung bis über 14 Tage hinaus ziemlich lebhaft an. Das Filtrat der
in dieser Nährflüssigkeit gezüchteten, 14 Tage alten Kulturen erzeugt,
subkutan Meerschweinchen eingespritzt, schon in der Dosis von 0-5 ccm
die für die Toxinwirkung charakteristische Hautveränderung, in höheren
Dosen schwere anatomische Gewebsschädigungen.
Meerschweinchen Tox. 176.
22. VIII. 15. Erhält um 10.30 h 0.5 ccm Filtrat einer 14tägigen 5pro-
zentigen Traubenzuekerbouillonkultur „Prvm“ subkutan an der Brust ein¬
gespritzt.
9 h . Intensive Rötung und Infiltration der Impfstelle in fünfzigpfennig¬
stückgroßem Bezirk.
23. VIII. 15. Die Rötung hat nachgelassen, die Infiltration besteht
unverändert fort.
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208
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25. VIII. 15. Im Gebiet der Infiltration ist die Haut in einem gut
linsengroßen Bezirk grünlich verfärbt, der begrenzt wird von einem intensiv
geröteten Saum (Demarkationszone).
26. VIII. 15. Die Demarkation des nekrotischen Hautstückes hat zu¬
genommen.
28. VIII. 15. Weiter fortschreitende Demarkation.
1. IX. 15. Das nekrotische Hautstück stößt sich ab und wird vom Rande
aus durch Narbengewebe ersetzt.
5. IX. 15. Feste, etwa linsengroße, verschiebliche, haarlose Narbe. Tier
gesund.
Bei intraperitonealer Verabreichung führten als Minimaldosis 3 ccm
Filtrat einer 14 tägigen öprozentigen Traubenzuckerbouillonkultur des
benutzten Stammes unter starkem Temperaturabfall und schweren Stö¬
rungen des Allgemeinbefindens, unter denen die Dyspnoe in den Vorder¬
grund tritt, den Tod, bzw. 2 und 1 ccm nur die oben beschriebenen schweren
Störungen des Allgemeinbefindens der Versuchstiere herbei.
Filtrat 14tägiger öprozentiger Traubenzuckerbouillonkultur.
Tier
i
Dosis
Verabreichung
Verlauf
Meersch weinchen
Tox. 239
1
0-5 ccm
intraperitoneal
Nach der Einspritzung ge-
ringeTemperaturherabsetzung.
Tier bleibt am Leben.
Meerschweinchen
Tox. 240 |
1 ..
9*
Dasselbe.
Meerschweinchen
Tox.241 i
2 „
Dasselbe.
Meerschweinchen
Tox. 242
1
I
3 „
>•
3 7, Stunden nach der Ein¬
spritzung Temperatursturz von
38° auf 31 *5°. f nach 4 Tag.
Organausstr. steril.
Meerschweinchen
Tox. 243
l
4 „
!
i
H /2 Stunden nach der Ein¬
spritzung Temperatursturz von
1 37*2° auf 30-1°. f 37* Stdn.
nach der Einspritzung. Organ¬
ausstr. steril.
Meersch weinchen
Tox. 244 i
i
l
1
37 2 Stunden nach der Ein-
spritzungTemperatursturz von
36-3° auf 28-0°. f 5 3 / 4 Stdn.
nach der Einspritzung. Organ¬
ausstr. steril.
Bei intravenöser Injektion des Filtrates 14tägiger öprozentiger Trauben¬
zuckerbouillon setzte sofort nach der Einspritzung ohne jegliche Inkubations¬
zeit das schwere Krankheitsbild der Giftwirkung ein, das in der Dosis von
2 ccm nach 5V 2 Stunden mit dem Tode endete, während in geringeren
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 209
Dosen nach einem je nach der Höhe der Dosis mehr oder minder erheb¬
lichen Temperaturabfall eine Erholung der Tiere eintrat. Unmittelbar
nach der Einspritzung, sehr oft noch beim Einfließen der Giftlösung in
die Vena jugularis, setzt plötzlich bei den Versuchstieren die Atmung aus,
die Lungen stehen in tiefster Inspiration still, der Herzschlag bleibt normal,
um dann allmählich langsamer zu werden, der Komealreflex ist meist
deutlich herabgesetzt, das schwerkrank auf der Seite liegende Tier läßt
Kot und Urin. Bei Verabreichung einer sofort tödlichen Giftdosis erfolgt
nach einigen krampfhaften, tonisch-klonischen Zuckungen des ganzen
Körpers und einigen angestrengten Atembewegungen unter allmählich
eintretendem Herzstillstand das Ableben des Tieres. Andernfalls kommt
die Atmung langsam wieder in Gang, die Atemzüge sind zunächst krampf¬
haft und erfolgen unregelmäßig, in mäßig langen Zeitabständen unter
Benutzung aller Hilfsmuskeln. Sodann treten Muskelzuckungen auf.
Das auf der Seite liegende Tier macht mit den Extremitäten laufende
Bewegungen. Die Zahl der Herzschläge und Atemzüge nimmt zu, es sitzt
schließlich in sich zusammengekrochen mit gesträubten Haaren da. Etwa
10 bis 15 Minuten nach der Einspritzung beginnt eine deutlich erkennbare,
fortschreitende Temperaturherabsetzung, die bei entsprechender Giftdosis
nach einigen Stunden einen solchen Tiefstand erreicht, daß der Tod des
Tieres eintritt. Bei geringeren Giftdosen steigt die Temperatur wieder an,
das Tier erholt sich völlig.
Tier |
Dosis
Verabreichung
Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 340
| 1 ccm
intravenös
Temperatursturz von 38 • 7 °auf
37*3°. Tier erholt sich.
Meerschweinchen
Tox. 341
2 „
99
Temperatursturz von 38*2°
auf 29’9°. f nach 5 l / 2 Stdn.
Organausstriche steril.
Meerschweinchen
Tox. 342
3
1
99
1
Temperatursturz von 38 • 4 0
auf 29-6°. t nach 5 Stunden.
Organausstriche steril.
Meerschweinchen
Tox. 476
3 ccm 10 prozent.
Traubenzucker¬
bouillon
99
1
Kontrolle,
Tier lebt nach 4 Tagen
i gesund.
Es wurde nun weiter versucht, durch Zugabe von menschlichem
Eiweiß (Ascitesflüssigkeit) oder Kaninchenleber, und Steigening des
Traubenzuckergehaltes bis auf 10 Prozent eine weitere Toxinanreicherung
zu erhalten. Und in der Tat war in dem Filtrat 4tägiger lOprozentiger
Traubenzuckerbouillonkultur mit Kaninchenleber- und Schlemmkreide¬
zusatz eine deutliche Zunahme des Toxingehaltes zu konstatieren. Es
Zeitschr. f. Hygiene. LXXXII
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F. Klose:
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erzeugten 0-05 ccm dieses Filtrates, subkutan gegeben, bei Meerschwein¬
chen die für die Toxinwirkung charakteristische Hautnekrose, 2 ccm,
intraperitoneal gegeben, den Tod des Tieres, 1 ccm, intravenös gegeben,
innerhalb 3 Minuten, 0-5 ccm innerhalb 60 Stunden den Tod des Tieres.
Tier
Dosis
Verabreichung
Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 413
0*05 ccm
subkutan
Infiltration und Verfärbung
in knapp linsengroß. Bezirk.
Meerschweinchen
Tox. 428
01 „
-
Hautnekrose in dopp. linsen¬
großem Bezirk. Narbenheilung.
Meerschweinchen
Tox. 429
0-3 ..
-
Hautnekrose in über doppelt
linsengr. Bez. Narbenheilung.
Meerschweinchen
Tox. 430
0-5 ,.
*
Hautnekrose im Bezirk 2:1cm
Narbenheilung.
Meersch weinchen
Tox. 431
1
1
i nt ra peritoneal
Tier erkrankt,
erholt sich wieder.
Meerschweinchen
Tox. 432
2
t n ft ch 60 Stdn. aufgefunden.
Organausstriche steril.
Meerschweinchen
Tox. 433 j
3
9*
f 4 Stdn. nach d. Einspritz.
Organausstriche steril.
Meerschweinchen
Tox. 482
0-5 ,. ]
intravenös
f nach 60 Stunden.
Organausstriche steril.
Meerschweinchen,
Tox. 481 |
1
9*
f 3 Min. nach d. Einspritz.
Organausstriche steril.
Ob durch eine symbiotische Züchtung mit Streptokokken oder Sta¬
phylokokken, mit denen ich den Fränkelschen Gasbrandbacillus ver¬
gesellschaftet fand, eine weitere Toxinvermehrung erreicht werden kann,
darüber sind Versuche noch im Gange.
Bei den Sektionen der infolge der Toxinwirkung zugrunde gegangenen
Meerschweinchen wurden makroskopisch öfters eine je nach der Höhe der
Dosis mehr oder minder ausgeprägte Anämie der Leber und Milz, zuweilen
auch Hämorrhagien in den Nebennieren neben Ekchymosen in den Lungen,
wie sie beim Erstickungstode beobachtet werden, sowie gelegentlich starke
Füllung des Netzes und der Darmgefäße festgestellt.
Dagegen zeigten mehrere intravenös zum Zwecke der Gewinnung
eines Innnunserums gespritzte Kaninchen eine Veränderung der Leber,
die mir geeignet erscheint, auch für das Auftreten des Ikterus im Ver¬
lauf der Gasphlegmoneerkrankung beim Menschen eine Erklärung zu
geben. Bei der intravenösen Immunisierung dieser Tiere mit toxin¬
haltigem Filtrat 14tägiger 5 prozentiger Traubenzuckerbouillonkulturen
wurde die Beobachtung gemacht, daß meist nach der vierten bis fünften
Gck igle
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 211
Einspritzung, zuweilen schon früher, die Tiere während bzw. unmittelbar
nach der Injektion plötzlich unter den beim Meerschweinchen beob¬
achteten Vergiftungssymptomen zugrunde gingen. Die eingeführte Flüssig¬
keitsmenge an sich konnte nach dem Ausfall von Kontrollversuchen mit
50 ccm physiologischer NaCl-Lösung, die reaktionslos vertragen wurden,
den plötzlichen Tod nicht erklären. Die sofort vorgenommene Sektion
zeigte in allen Fällen eine reichliche Ansammlung blutiger Flüssigkeit in
der Bauchhöhle, die aus öfters mehrfach vorhandenen Leberzerreißungen
stammte. Ich lasse hier ein typisches Sektionsprotokoll (Oberarzt Dr. Prym)
folgen von einem Kaninchen, das zusammen mit vier anderen am
16. IX. 1915: 2 ccm
21. IX. 1915: 5
26. IX. 1915: 10 „
1. X. 1915: 15 „
8. X. 1915: 25 ,,
Filtrat 14tägiger 5 prozentiger Traubenzuckerbouillonkulturen intravenös
verabreicht erhielt. Alle fünf Tiere gingen im Anschluß an die letzte In¬
jektion zugrunde.
Kaninchen M. III.
Bei vorsichtigster Eröffnung der Bauchhöhle ohne jede Berührung der
inneren Organe sieht man die Oberfläche der Leber in großer Ausdehnung
zerrissen. Das Lebergewebe macht den Eindruck, als ob es etwas morsch
wäre. Es ist im ganzen blaß, nur an einzelnen Stellen sind hyperämische
Bezirke. Die Zerreißung verläuft im ganzen sagittal, ist aber breit, so daß
größere Flächen von rauhem, nicht mehr von Serosa bedecktem Leber¬
gewebe frei liegen. In der Bauchhöhle finden sich reichlich flüssiges Blut
und einzelne Blutkoagula. In einem Koagulum sind etwas festere, hellere
Massen, die vielleicht abgerissenes Lebergewebe darstellen. Auf dem Schnitt
ist die Leber von geringem Blutgehalt ohne deutliche Veränderung. Nieren
und Nebennieren blaß. Lungen hell, von umschriebenen roten Flecken durch¬
setzt, die z. T. deutlich als Blutungen zu erkennen sind. In der rechten
Pleurahöhle etwa 10 ccm klare, wäßrige, hellrote Flüssigkeit. Aorta völlig
intakt, auch die übrigen Organe ohne Befund.
Die von Oberarzt Dr. Prym vorgenommene histologische Untersuchung
dieser Leber ergab: Präparate aus den Rißstellen zeigen unregelmäßige
Risse und Spalten, in denen zum Teil noch Blut nachzuweisen ist. Ver¬
änderungen des Lebergewebes selbst sind nicht festzustellen, auch nicht bei
Färbung auf Fett. Das Koagulum aus der Bauchhöhle zeigt zum Teil nach
Art eines Thrombus geschichtete Blutmassen, in denen kleine Leberbezirke
eingebettet liegen. Das Lebergewebe dieser Bezirke zeigt aber außer einer
etwas dunkleren Beschaffenheit des Protoplasmas keine Veränderungen,
insbesondere ist die Kernfärbung erhalten.
Lunge: Herdförmige pneumonische Prozesse und Blutungen in die Al¬
veolen.
14 *
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Original frum
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212
F. Klose:
In einem Falle Kaninchen M. I gelangte im Verlaufe der Behandlung
mit Toxin neben einer Leberruptur auch eine Gefäßzerreißung in der Lunge
mit Blutung in die Pleurahöhle zur Beobachtung. Die Gefäßruptur konnte
von 0. A. Prym histologisch sichergestellt werden.
Die bei der Einverleibung von Toxin festgestellte Anämie der Milz
und Leber, die in letzterer von 0. A. Prym nachgewiesenen Veränderungen,
die Gefäßzerreißung in der Lunge, die Hämorrhagien in den Nebennieren,
sowie die bei der intravenösen Injektion von Toxin öfters auftretende
Ischämie des Kaninchenohres dürfen wohl im Sinne einer blutgefäß-
alterierenden Wirkung des Toxins verwertet werden, wodurch wohl auch
das oft so rasch einsetzende Auftreten der Gangräne bei der menschlichen
Gasphlegmone seiner Erklärung näher gebracht wird. 1
Endlich möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß bei der subkutanen
imd intraperitonealen Verabreichung des Toxins eine auffällige Beobachtung
im Temperaturverlauf bei den Versuchstieren gemacht wurde. Bei sub¬
kutaner Injektion steigt nämlich, wie die Aufstellung zeigt, fast entsprechend
der Zunahme der Toxindosis die Temperatur, während dieselbe bei intra-
1 Oberarzt Dr. Prym: Bis jetzt konnten erst 21 Kaninchen histologisch unter¬
sucht werden. Davon waren 17 intravenös, 4 intraperitoneal mit Toxin behandelt
worden. 6 Tiere waren an Leberruptur mit Verblutung in die Bauchhöhle ge¬
storben, eines hatte außerdem noch Lungenruptur mit Blutung in die Pleura¬
höhle. Die histologischen Befunde der Leber sind sehr mannigfaltig, im ganzen
handelt es sich um eine schwere Schädigung der Leberzellen bis zur Nekrose und
um schwere Veränderungen der Kapillarwände. Folgende Gruppen von Verände¬
rungen kommen in Betracht: 1. zentroazinäre Verfettung der Leberzellen, 2. zentro-
azinäre Nekrose der Leberzellen, 3. unregelmäßig herdförmige Nekrosen der Leber,
4. Verfettung der Kupferschen Stemzellen, 6. fleckweise Verfettung der ganzen
Kapillarwand. Verschiedene dieser Veränderungen können in einer Leber kom¬
biniert Vorkommen
Auffällig ist, daß bei einzelnen Tieren die Leber unverändert gefunden wurde.
Bisher konnten allerdings nur Gefrierschnitte untersucht werden. Interessant
scheint mii die Schädigung des Kapillarsystemes der Leber; ob die Lebernekrosen
von dieser Schädigung direkt abhängen, ist bisher nicht entschieden. Das Zustande¬
kommen der Leberruptur ist auch noch nicht völlig aufgeklärt; in einem Falle
konnten Nekrosen an der Rupturstelle nachgewiesen werden, in mehreren anderen
fanden sich in den Koagula der Bauchhöhle nekrotische Gewebsstücke, die mit
großer Wahrscheinlichkeit aus der Rißstelle ausgeschwemmtes Lebergewebe dar¬
stellten. Den Mechanismus der Ruptur stelle ich mir vorläufig so vor: Nekrose
des Lebergewebes durch Toxinwirkung, plötzliche Blutdrucksteigerung, im An¬
schlüsse eine erneute Toxininjektion, Zerreißung des nekrotischen Gewebes mit
Verblutung in die Bauchhöhle.
Manches bleibt noch unklar, aber auf Einzelheiten gehe ich nicht ein, da die
histologischen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 213
peritonealer Verabreichung von kleineren Giftmengen eine Steigerung,
von größeren dagegen ein mit der Höhe der Dosis zunehmendes Absinken
erfährt. Ob dieses Verhalten die Deutung zuläßt, daß bei subkutaner
Einspritzung des Giftes, wo seine Resorption allmählich erfolgt, sowie
bei intraperitonealer Einführung kleinerer Giftmengen die eingeführten
Bakterientoxine einen Reiz auf das Wärmeregulationszentrum ausüben
und damit eine Temperatursteigerung auslösen, während bei intraperi¬
tonealer Verabreichung größerer Giftmengen, wo durch raschere Resorp¬
tion eine schneller eintretende Überschwemmung des tierischen Organismus
mit Toxin erfolgt, durch die Giftwirkung eine allmählich zunehmende
Lähmung des Wärmeregulationszentrums und damit ein Sinken der Tem¬
peratur bedingt ist, das muß durch weitere Versuche sichergestellt werden
(Figg. 1 und 2).
Toxin: Filtrat 6tägiger 2prozentiger Traubenzuekerbouillonkultur.
Meerschweinchen Meerschweinchen
Tox. 69 Tox. 70
0*5 ccm Toxin 1*0 ccm Toxin
subkutan subkutan
Meerschweinchen
Tox. 71
2 ccm Toxin
subkutan
Meerschweinchen
Tox. 72
5 ccm Toxin
subkutan
Wie schon der negative Ausfall des Versuches, eine Toxinanreicherung
durch streng anaerobe Züchtung der Kulturen zu erzielen, vermuten ließ,
übt der Sauerstoff keinen wesentlich schädigenden Einfluß auf das Toxin
aus. Auch nach 1 ständigem Durchleiten von reinem Sauerstoff durch
toxinhaltiges Filtrat erzeugte bei intraperitonealer Injektion die vorher
ermittelte sicher tödliche Dosis den Tod der Tiere unter dem für die Toxin¬
wirkung typischen Krankheitsbilde.
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214
F. Ki.ose:
Meerschweinchen
Tox. 73
0-5 ccm Toxin
int ra peritoneal
Meerschweinchen
Tox. 74
1 ccm Toxin
int ra peritoneal
Meerschweinchen
Tox. 75
2 ccm Toxin
intraperitoneal
Meerschweinchen
Tox. 76
5 ccm Toxin
in tra peritoneal
Fig. 2.
Die Prüfung des Toxins in seinem Verhalten zur Wärmeeinwirkung
ergab eine ziemlich große Thermostabilität, indem selbst 1 ständiges Er¬
wärmen im Wasserbade von 80° zu-keiner Schädigung desselben führte.
0-öpro zentiger Karbolzusatz hatte keine Schädigung des Toxins zur
Folge, ebenso wie die einige Stunden dauernde Einwirkung des Sonnen¬
lichtes eine merkliche Abnahme der Wirksamkeit zunächst nicht erkennen
ließ. Dagegen trat bei Aufbewahrung im Eisschranke nach einigen Tagen
eine deutliche Abschwächung der Wirksamkeit des Toxins ein.
Es war also die Darstellung eines Toxins des Fränkelschen Gas¬
brandbacillus gelungen, das eine charakteristische Wirksamkeit auf die
Haut, auf das Gefäßsystem, auf das Atemzentrum, auf die Leber und die
Temperatur bei den Versuchstieren aufwies. Um aber völlig sicher zu sein,
daß das nachgewiesene Stoffwechselprodukt des Fränkelschen Gasbrand¬
bacillus als Toxin angesprochen werden darf, wurde weiter versucht, einen
spezifischen Antikörper, ein Antitoxin, zu gewinnen, über diese Unter¬
suchungen möchte ich nun des weiteren kurz berichten.
Schon E. Fränkel konnte mit dem Serum eines Hundes, der inner¬
halb von 10 Wochen 60 ccm Kultur intraperitoneal bekommen hatte und
auf subkutane Kulturinjektion nunmehr nur leicht lokal reagierte, bei
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 215
Meerschweinchen, welche 1 bis 2 Stunden vorher 1 ccm Kultur erhalten
hatten, eine Lokalisierung des Krankheitsprozesses erzielen. Weitere Ver¬
suche zur Erlangung eines Immunserums sind mir bis jetzt nicht bekannt
geworden. So wurde denn versucht, nachdem es nicht gelungen war,
Meerschweinchen subkutan und intraperitoneal durch Verabreichung 4 tägiger,
also durch die eigenen Stoffwechselprodukte abgetöteter 1 prozentiger
Traubenzuckerbouillonkultur in steigenden Dosen aktiv zu immunisieren,
von Kaninchen, Eseln und Pferden, bei denen durch subkutane Einver¬
leibung der Gasbrandbazillen nur örtliche Krankheitserscheinungen, be¬
stehend in einer entzündlichen Schwellung und Infiltration des Impf¬
bezirkes mit deutlich fühlbarem Knistern ausgelöst werden konnten, ein
Serum zu erhalten, das, Meerschweinchen einverleibt, die Tiere, denen
das Überstehen einer Gasphlegmoneerkrankung keine Immunität verleiht,
vor der Erkrankung schützen bzw. bei erkrankten Tieren den tödlichen
Ausgang abwenden sollte.
Die intravenöse Immunisierung von Kaninchen mit 24 ständiger
1 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur hatte zahlreiche Tierverluste
zur Folge, namentlich, sobald im Verlaufe der Behandlung größere Kultur¬
mengen gegeben wurden, im Kampf mit denen der tierische Organismus
unterlag. Es konnte von den auf diese Weise immunisierten Kaninchen
kein wirksames Immunserum mit antitoxischen Schutzstoffen gewonnen
werden. Wohl aber zeigte das Serum dieser Tiere einen beträchtlichen
Gehalt an antibakteriellen Stoffen. Mischte man fallende Dosen von Serum
von Kaninchen II und III der Gruppe Berlin, die innerhalb 14 Wochen
durch 16 Einspritzungen insgesamt 69 ccm 24stündiger 1 prozentiger
Traubenzuckerbouillonkultur 1 intravenös und 118 ccm derselben Kultur
intraperitoneal erhalten hatten, mit 0-3 ccm 24stündiger Himbreikultur,
also der für Meerschweinchen dreifach tödlichen Dosis, und injizierte nach
lstündigem Verweilen bei 37° dieses Gemisch Meerschweinchen subkutan
an der Brust, so konnte man bis zur Dosis von 0-05 ccm Serumzusatz
die Tiere vor dem Tode schützen. Es kam nur entsprechend der Höhe der
Serumdosen zu leichten oder schwereren Krankhe.tserscheinungen. Ein
Gemisch von 0-5 ccm normalen Kaninchenserums mit 0-3 ccm 24stün-
diger Hirnbreikultur führte zum Tode des Tieres (s. nächste Tabelle).
Auch die intraperitoneale Verabreichung von 48 ständiger Hirnbrei¬
kultur auf Kaninchen führte, wie zu erwarten stand, zu keinem Erfolge
hinsichtlich der Gewinnung eines antitoxischen Immunserums, trotzdem im
1 Der Toxingehalt 24stündiger 1 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur ist
äußerst gering.
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216
F. Klose:
«
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Verlaufe von 72 Tagen in 12 Einspritzungen 90 ccm Kultur gegeben
wurden.
Tier
1 Gemisch
Verlauf
Meerschw.-Tox. 837
2*0 ccm S. Kan. III. Berlin
1 4-0-3 ccm 24std. üirnbreikult.
1 1 Std. 37°
Tier lebt
838
1 -0 ccm S. Kan. IIL Berlin
+ 0*3 ccm 24std. Hirnbreikalt.
1 Std. 37°
i
839
0-5 ccm S. Kan. III. Berlin
4-0*3 ccm 24std. Hirnbreikult.
1 Std. 37°
l
V 928
0-3 ccm S. Kan. II. Berlin
4-0*3 ccm 24 std. Hirnbreikult.
1 Std. 37° I
„ 929
1
1
0 • 2 ccm S. Kau. II. Berlin
4-0*3 ccm 24std. Hirnbreikult.
1 Std. 37°
**
v 930 1
i
1
!
0*1 ccm S. Kan. n. Berlin
4-0*3 ccm 24std. Hirnbreikult.
1 Std. 37°
V •»
„ 931
j
0*05 ccm S. Kan. II. Berlin
4-0*3 ccm 24 8td. Hirnbreikult.
! 1 Std. 37°
932
0*3 ccm 24std. Hirnbreikult.
7 innerhalb 48 Std.
Kontrolle
933
Kontrolle
0*3 ccm 24std. Hirnbreikult.
+ 0*5 ccm norm. Kan.-S.
1 Std. 37°
48
Die intravenöse Behandlung von Kaninchen mit 4tägiger, d. h. durch
die eigenen Stoffwechselprodukte abgetöteter, 1 prozentiger Traubenzucker¬
bouillonkultur fand ihre Beschränkung in der Flüssigkeitsmenge, die intra¬
venös den Tieren eingeführt werden kann, und die zur Erzielung eines
Immunserums nicht ausreichte.
Dagegen lieferte ein zunächst intravenös mit Agarkultur, dann weiter
intraperitoneal mit 4tägiger 1 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur
immunisiertes Kaninchen, das im ganzen 400 ccm Kultur im Verlaufe
von 26 Tagen, davon als letzte Dosis vor der Serumentnahme 100 ccm,
erhielt, ein Serum, das Meerschweinchen in Dosen von 5, 2 und 1 ccm
prophylaktisch einverleibt, die Tiere bei einer nach 26 bzw. nach 4 Stunden
erfolgenden Infektion mit der zweifach tödlichen Dosis einer 24stündigen
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 217
Himbreikultur 1 des benutzten Stammes gegen erhebliche Erkrankung
schützte.
Tier
Behandlung
Infektion
Meerschweinchen
Tox. 129
1 ccm Serum
Kaninchen I
intra peritoneal
12 h 45'
14. VIII. 15
0*2 ccm 24std.
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
4 h 30'
14. VIII. 15
Meerschweinchen
Tox. 128
2 ccm Serum
Kaninchen I
intra peritoneal
10 h 30'
14. VIII. 15
Dasselbe
12“ 30'
15. VIII. 15
Meerschweinchen
Tox. 115
5 ccm Serum
Kaninchen I
intraperitoneal
| 10 h 30'
14. VIII. 15
Dassell>e
12“ 30'
15. VIII. 15
Meersch weinchen
Tox.127
Kontrolle zu
Meerschweinchen
Tox.129
Dasselbe
4 “30'
14. VIII. 15
Meerschweinchen
Tox. 131
i
Kontrolle zu
Meerschweinchen
Tox. 128, 115
Dasselbe
12“ 30'
15. VIII. 15
Verlauf
An der Impfstelle kleine In¬
filtration. Nach einigen Tagen
Abstoßung eines linsengroßen
nekrotischen Hautstückes mit
Narbenheilung;
Tier lebt nach 4 Wochen.
An der Impfstelle Infiltration
u. Knistern in fünfzigpfennig¬
stückgroßem Bezirk. Infiltr.
geht im Verlauf einiger Tage
restlos zurück.
Tier lebt nach 4 Wochen.
An der Impfstelle Infiltration
in einmarkstückgroßem Bez.,
kein Knistern. Völlige Rück¬
bildung der Infiltration im
Verlauf einiger Tage.
Tier lebt nach 4 Wochen.
f am 10. VIII. 15 5 h 30' unter
den typischen Erscheinungen
der Gasphlegmone.
f am 17. VIII. 15 9 h unter den
typischen Erscheinungen der
Gasphlegmone.
Ferner schützte das Serum von Kaninchen IX, intraperitoneal durch
420 ccm 4 tägiger 1 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur immunisiert,
am 20. VIII. 15 in der Dosis von 3 und 5 ccm mit der dreifach tödlichen
Dosis 24 ständiger Himbreikultur infizierte Meerschweinchen vor dem Tode,
am 1. IX. 15 nach weiterer Immunisierung in der Dosis von 5 ccm ebenso infi¬
zierte Tiere vor jeglicher Erkrankung, in der Dosis von 3 ccm vor dem Tode.
Bei zur Kontrolle mit normalem Kaninchen- und Pferdeserum vorbehandelten
Tieren konnte keinerlei Beeinflussung der Erkrankung beobachtet werden.
Tier
Behandlung
Infektion
! Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 168
3 ccm Serum
' Kaninchen IX
j v. 20. VIII. 15
intra peritoneal
10“ 30'
21. VII. 15
0-3 ccm 24std.
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
0 h 30'
21. VIII. 15
Infiltration und Hautnekrose
in einem Bezirk 3:0-5 cm an
der Impfstelle. Ausgang in
Narbenheilung.
Tier lebt nach 4 Wochen,
gesund.
1 Wie die vom gebrachte Aufstellung zeigt, ist 0-1 ccm 24stündiger Hirn-
breikultur die für ein 300 g schweres Meerschweinchen einfach tödliche Dosis.
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218
F. Klose:
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Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meerschwei neben
Tox. 169
5 ccm desselben
Serums
intraperitoneal
10 h 30'
21. VIII. 15
Dasselbe
Infiltration u. Hautnekrose in
einem Bezirk von 2-5: 0-5 cm
an der Impfstelle, Ausgang in
Xarbenheilung. Tier lebt nach
4 Wochen, gesund.
Meerschweinchen
Tox. 171
Kontrolle
Dasselbe
f am 23. VIII. 15 frühmorgens
aufgefunden. Typische Gas-
ph 1 egmoneersch ei nungen.
Meerschweinchen
Tox. 211
5 ccm normales
Kaninchen¬
serum
intra peritoneal
9 h 30'
3. IX. 15
0*3 ccm 24std.
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
12 h 30'
3. IX. 15
f am 4 IX. 15 frühmorgens
aufgefunden. Typische Gas-
phlegmonecrschei nungen.
Meerschweinchen
Tox. 212
5 ccm normales
Pferdeserum
intra peritoneal
9 h 30'
3. IX. 15
Dasselbe
t am 4. IX. 15 frühmorgens
aufgefunden. Typische Gas¬
phlegmoneerscheinung.
M ee r s ch we i n eh e n
Tox.215
3 ccm Serum
Kaninchen IX
vom 1. IX. 15
intra peritoneal
9 h 30'
3. IX. 15
Dasselbe
i
!
Infiltration, Hautabhebung m.
Gurren in zweimarkstückgr.
Bezirk der Impfstelle. Aus¬
gang in Xarbenheilung.
Tier lebt nach 4 Wochen,
gesund.
Meerschweinchen
Tox. 213
5 ccm desselben
Serums
intra peritoneal
9 h 30'
3. IX. 15
Dasselbe
5 Stdn. nach d. Infekt. Infil¬
tration in einmarkstückgroßem
Bezirk d. Impfstelle, die nach
48 23t dn. restlos gesell wund. ist.
Tier lebt nach 4 Woeli., gesund.
Meerschweinchen
Tox. 218
Kontrolle
Dasselbe
i
f am 4. IX. 15 frühmorgens
aufgefunden. Typische Gas¬
phlegmoneerscheinungen.
Meerschweinchen
Tox. 219
Kontrolle
!
i
0» 1 ccm derselben
Kultur subkut. |
an der Brust
9 h 30' |
3. IX. 15
t am 4. IX. 15 7 h . Typische
Gasphlegmoneerscheinungen.
Die Versuche, durch intravenöse Einspritzung von Kaninchen mit
toxinhaltigem Filtrat ein Immunserum zu gewinnen, scheiterten bis jetzt
an der oben näher beschriebenen, im Verlauf der Behandlung auftretenden
Leberveränderung, an der fast regelmäßig die Versuchstiere zugrunde gingen,
indem schon die Belastung des Kreislaufes mit 20 ccm toxinhaltigen Fil¬
trates im Verlaufe der Immunisierung hinreichten, in dem veränderten
Lebenrewebe eine Buptur und damit die Verblutung der Tiere herbeizu¬
führen. Bei zufälligem Vorbeifließen von Toxin gelegentlich der Injektion
am Ohr wurden umschriebene Hautnekrosen an dieser Stelle beobachtet.
Gck 'gle
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 219
Über die Möglichkeit, Kaninchen intraperitoneäl mit Toxin zu immuni¬
sieren, läßt sich noch kein abschließendes Urteil fällen.
Die bei einem Pferde „Luise II“ und einem Esel „Emma“ durch intra¬
venöse Verabreichung von 4 tägiger 1 prozentiger Traubenzuckerbouillon¬
kultur erzielte Schutzwirkung ihres Serums ist wohl ebenso wie bei den
Kaninchen auf die Einführung des in der Traubenzuckerbouillon mit ent¬
haltenen Toxins zurückzuführen. Nach 10 wöchentlicher Behandlung des
ersteren mit 1432 ccm, des letzteren mit 824 ccm Kultur wurden mit diesen
Sera intraperitoneal behandelte Meerschweinchen bei gleichzeitiger Infektion
mit 0-3 ccm 24stündiger Hirnbreikultur im Gegensätze zum Kontrollier
vor dem Tode bewahrt.
Tier Behandlung j Infektion
Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 345
5 ccm Serum j 0*3 ccm 24std.
Emma | Hirnbreikultur
vom 10. IX. 15 ; Prym subkutan
intraperitoneäl ; an der Brust
ll h j 11*
27. IX. 15 I 27. IX. 15
Infiltration, Hautabhebung im
Bezirk 5: 1 cm der Impfstelle,
deutliches Knistern, Hautnekr.
im Bezirk 4 : 1 cm. Ausgang in
Narbenheilung. Tier lebt nach
4 Wochen, gesund.
Meerschweinchen I 5 ccm Serum
Tox. 346 ! Luise II
vom 24. IX. 15
, intraperitoneal
1 ll h
| 27. IX. 15
Meerschweinchen Kontrolle
Tox. 356 j
Dasselbe
Dasselbe
Infiltration, Hautabhebung im
Bezirk 4 : 1 cm, deutliches Kni¬
stern. Hautnekr. in knapp
|einpfcnnigstückgr. Bezirk. Aus¬
gang i. Narbenli. Tier lebt
j nach 4 Wochen, gesund.
f am 29. IX. 15 frühmorgens
aufgefunden. Typische Gas-
| phlcgmoneerscheinungen.
Endlich führte die intravenöse Immunisierung von Pferden 1 mit
toxinhaltigem Filtrat von Traubenzuckerbouillonkulturen zur Gewinnung
eines noch ungleich besseren Immunserums, bei dem sich im Laufe der
Behandlung ebenso wie bei Kaninchen IX eine deutliche Zunahme des
Gehaltes an Schutzstoffen erkennen ließ. So schützte das Serum des
Pferdes „Marianne“, das zuerst das Filtrat 4 tägiger 1 prozentiger, dann
weiter 14tägiger öprozentiger Traubenzuckerbouillonkulturen eingespritzt
erhielt, am 11. VIII. 15 prophylaktisch in Dosen von 5 und 10 ccm Meer¬
schweinchen gegeben, bei einer 2 Stunden nach der Serumdarreichung
1 Bei Pferden stellten sich bei der Einführung des gifthaltigen Filtrates
starker Schweißausbruch, Vertiefung und Beschleunigung der Atmung, die unter
Zuhilfenahme aller Hilfsmuskeln erfolgte, sowie fast immer sofortige Entleerung
von Kot und Urin ein. Meist zeigten die Tiere auch eine deutliche Schwache in
den hinteren Extremitäten.
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220
F. Klose:
erfolgten Infektion der Tiere mit der zweifach tödlichen Dosis 24stündiger
Himbreikultur zwar nicht vor jeglicher Erkrankung, wohl aber in der
Dosis von 10 ccm vor dem Tode.
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meerschweinchen
Tox.125
5 ccm Serum
Marianne
v. 11. VIII. 15
intra peritoneal
10 h 30'
14. VIII. 15
0-3 ccm 24std.
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
| 12 h 30'
| 14. VIII. 15
Zeigt in d. nächsten Tag. lang¬
sam zunehm. Gasphlegmone-
veränd. f am 19. VIII. 15 früh-
morg. aufgef. Die anatom.
Veränd. sind deutl. geringer
als beim Kontrolltier.
Meerschweinchen
Tox.120
10 ccm
desselben
Serums
intraperitoneal
10 h 30'
14. VIII. 15
Dasselbe
Starke Infiltr. d. Impfstelle u.
fortschreit, in d. Mittellinie d.
Bauches deutl. Knistern, Haut¬
abheb. u. Nekr. i. Bez. 5: 1 cm.
Heilung mit Narbenbild. Tier
lebt nach 4 Wochen, gesund.
Meerschweinchen
Tox. 127
Kontrolle
Dasselbe
f am 17. VIII. 15 9 h unter den
typischen Erscheinungen der
Gasphlegmone.
Das am 29. VIII. 15 nach Weiterbehandlung entnommene Serum
dieses Pferdes vermochte nunmehr auch in der Dosis von 5 ccm den Tod
des mit der dreifach tödlichen Doxis infizierten Meerschweinchens abzu¬
wenden.
Tier
Behandlung
Meerschweinchen 5 ccm Serum
Tox. 189 Marianne
v. 29. VIII. 15
intraperitoneal
9 h 30'
30. VIII. 15
Meerschweinchen 10 ccm desselb.
Tox. 190 Serums
intraperitoneal
9 h 30'
30. VIII. 15
Meerschweinchen
Tox. 191
Kontrolle
Infektion
Verlauf
0*3 ccm 24std. j
Himbreikultur j
Prym subkutan :
an der Brust I
11 h 30
30. VIII. 15 |
Dasselbe
Dasselbe
Infiltration, Hautnekrose im
Bezirk 5: 1 cm im Bereich der
Impfstelle. Ausgang in Narben¬
heilung. Tier lebt nach 4 Wo¬
chen, gesund.
Infiltration, Hautnekrose in
bohnengroßem Bezirk, Ausg.
in Narbenheilung. Tier lebt
nach 4 Wochen, gesund.
f 7 h 15' desselben Tages unter
typischen Erscheinungen der
Gasphlegmone.
Dieselbe Schutzwirksamkeit zeigte das Serum eines Pferdes „Käthe II“,
nachdem es 4 Wochen lang mit dem stärker toxinhaltigen Filtrat von
14 tägigen öprozentigen Traubenzuckerbouillonkulturen behandelt war und
nachdem es innerhalb dieses Zeitraumes 912 ccm Filtrat intravenös er¬
halten hatte.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 221
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meersch weinchen
Tox. 500
,
j
5 ccm Serum
Käthe II
vom 8. X. 15
' intraperitoneal
9» 30'
17. X. 15
i
0-3 ccm 24Btd.
Hirnbreikultur
Prym subkutan
1 an der Brust
! 11*30'
17. X. 15
Infiltration der Impfstelle im
Bezirk 5:3 cm, Hautnekrose
in knapp pfennigstückgr. Bez.
Ausgang in Narbenheilung.
Tier lebt nach 4 Wochen,
gesund.
Meerschweinchen ,
Tox. 502
Kontrolle
Dasselbe
t am 18. X. 15 6 h unter den
typischen Erscheinungen der
Gasphlegmone.
Bei der Bewertung dieser Ergebnisse muß man in Betracht ziehen,
daß das Einsetzen der ersten Krankheitssymptome, d. h. der Beginn der
anatomischen Veränderungen und auch der Toxinwirkung, was namentlich
bei der intravenösen und intraperitonealen Einverleibung des Toxins deutlich
hervortritt, jegliche Inkubationszeit vermissen läßt. Deshalb braucht man
naturgemäß bei prophylaktischer intraperitonealer Anwendung des Immun¬
serums mit kurz darauf folgender Infektion oder bei therapeutischer intra-
peritonealer Verabreichung zur Absättigung des nach der Infektion als
Lebensäußerung des Bacillus alsbald sich bildenden, vom Organimus an¬
scheinend rasch resorbierten Bakterientoxins ungleich höhere Dosen von
Immunserum, als man gewohnt ist bei den Versuchen mit Tetanus- und
Diphtherieantitoxin zu verwenden, wo zur Entfaltung der vollen Gift¬
wirkung eine bestimmte Inkubationszeit verstreicht, innerhalb deren bei
einer prophylaktischen Anwendung von Immunserum eine vollständige
Resorption und Verarbeitung der Immunstoffe im Organismus gewähr¬
leistet wird. Dabei bin ich mir auch sehr wohl bewußt, daß eine stärkere
Konzentration des Serums an Immunstoffen anzustreben und wohl auch
durch Verabreichung von stärker toxinhaltigem Filtrat zu erhalten sein
wird. Demnach mußte es also gelingen, bei prophylaktischer Impfung
der Meerschweinchen mit Immunserum mit der gleichen Dosis einen um
so größeren Schutz gegen eine nachfolgende Infektion zu erzielen, je
größer der Zwischenraum von der Serumgabe und der Infektion innerhalb
von 24 Stunden, dem Optimum der Schutzwirkung, gewählt wurde. Es
erhielt also Meerschweinchen Tox. 505 am 19. X. 15 5 ccm Serum des
Pferdes „Marianne“ vom 18. X. 15 intraperitoneal injiziert. 24 Stunden
später, am 20. X. 15, also nach einer Zeit, wo man annehmen durfte, daß
eine völlige Resorption und Verarbeitung der Immunstoffe im Organismus
stattgefunden hatte, erfolgte die Infektion mit 0*3 ccm 24ständiger Hirn¬
breikultur „Prym“, der das Kontrolltier innerhalb 24 Stunden erlag. Im
Gegensatz zu Meerschweinchen Tox. 506, bei dem am 20. X. 15 5 ccm
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222
F. Klose:
desselben Serums erst 2 Stunden vor der Infektion gegeben wurden und
bei dem zwar nicht der Tod, wohl aber eine mäßige Erkrankung eintrat,
kam es bei Meerschweinchen Tox. 505 zu einer Infiltration im Bereich
von 4:1 cm der Impfstelle mit Knistern. Die Infiltration bildete sich
im Verlauf weniger Tage bis auf eine kleine bohnengroße schwielige Ver¬
dickung völlig zurück.
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meerschweinchen
5 ccm Serum
0*3 ccm 248td. 1
Infiltration der Impfstelle im
Tox. 505
Marianne
vom 18. X. 15
intraperitoneal
11 h 30'
19. X. 15
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
11 h 30'
20. X. 15
Bereich 4:1 cm, Knistern,
Rückgang d. Infiltr. bis auf
eine bohnengT. schwiel. Ver¬
dickung. Tier lebt nach 4 Wo¬
chen, gesund.
Meerschweinchen
Tox. 506
5 ccm
dess. Serums
intraperitoneal
9 h 30'
20. X. 15
Dasselbe
i
i
I
Infiltr. u. Hautabheb. im Bez.
5*5: 1*5 cm. Deutl. Gurren.
Abstoß, ein. d. Hautabhebung
entspr. nekrot. Hautstückes.
Narbenheilung. Tier lebt nach
4 Wochen, gesund.
Meerschweinchen
Tox. 507
Kontrolle
Dasselbe
1
i
t 21. X. 15 frühmorgens
aufgefunden. Typische Gas¬
phlegmone Veränderungen.
Noch deutlicher trat die Schutzwirkung des Immunserums zutage,
wenn man dasselbe den Versuchstieren subkutan in die Brusthaut einspritzte
und 24 Stunden später an derselben Stelle eine Infektion mit 0-3 ccm
248tündiger Hirnbreikultur vornahm. Bei einem so behandelten Meer¬
schweinchen-Toxin 566 gelangten keine erheblichen Krankheitserscheinungen
trotz der Infektion mit der dreifach tödlichen Dosis zur Entwicklung.
Es war also durch die an der Infektions stelle vorangegangene Serum¬
injektion eine erhebliche lokale Schutzkraft der Gewebselemente gegen die
schädigenden Einflüsse der Infektion geschaffen worden. Außer einer
vorübergehenden Infiltration ließen sich an der Impfstelle keinerlei krank¬
hafte Veränderungen des Gewebes beobachten.
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meerschweinchen
| 5 ccm Serum
0*3 ccm 24std.
Infiltration an der Impfstelle
Tox. 566 !
Marianne
vom 28. X. 15
subkutan
11 h 30'
31. X. 15
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
I 11 h 30'
l.XI. 15
im Bezirk 2*5: 1 cm, die sich
restlos zurückbildet.
Tier lebt nach 4 Wochen,
gesund.
Meerschweinchen
Tox. 566a
Kontrolle
| Dasselbe
t am 3. XI. 15 frühmorg. auf-
gefunden. Typ. Gasphlegmone-
l veränderungm.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 223
Eine weit bessere prophylaktische Wirksamkeit zeigte das am 28. I. 16
entnommene Serum des Pferdes „Marianne“. Dem Tiere war, nachdem
es innerhalb von 17 1 /* Wochen 2415 ccm Filtrat erhalten hatte, eine 6 wöchent¬
liche Ruhe gegeben worden, ehe es wieder in Behandlung genommen wurde.
Das nach der Ruhe, am Beginn des zweiten Impfturnus entnommene Blut¬
serum wies einen ziemlich erheblichen Rückgang an Immunstoffen auf.
Es erhielt darauf bis zum 28. I. 16 innerhalb von 6 x / 2 Wochen 1780 ccm
Filtrat 5 tägiger 5 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur intravenös ein¬
gespritzt. Das an diesem Tage gewonnene Serum schützte, prophylaktisch
subkutan an die Stelle der nachfolgenden Infektion mit der dreifach töd¬
lichen Dosis 24stündiger Himbreikultur eingespritzt, in der Dosis von
0-2 ccm das Versuchstier vor dem Tode.
Tier
Behandlung
Infektion
Meerschweinchen
Tox. 972
5 ccm Serum
Marianne
vom 28. I. 16
subkutan
4. II. 16
0-3 ccm 24std.
Hirnbreikultur
subkutan
5. II. 16
Meerschweinchen
Tox. 971
4 ccm
dess. Serums
Dasselbe
Meersch weinchen
Tox. 970
3 c&m
dess. Serums
Dasselbe
Meerschweinchen
Tox. 969
2 ccm
dess. Serums
Dasselbe
Meerschweinchen
Tox. 968
1 ccm
dess. Serums
Dasselbe
Meerschweinchen 1
Tox. 982
0-6 ccm
dess. Serums
Dasselbe
Meerschweinchen
Tox. 983
0-4 ccm
dess. Serums
Dasselbe
Meerschweinchen
Tox.984 |
0-2 ccm
dess. Serums
Dasselbe
Meersch weinchen
Tox. 985
Kontrolle
5 ccm normales
Pferdeserum
subkutan
4. II. 16
1
! Dasselbe
1
Meerschweinchen
Tox. 98oa
Kontrolle
—
Dasselbe
Verlauf
Auftreten einer restlos ab-
heilenden Infiltration an der
Impfstelle.
Dasselbe.
Dasselbe.
Auftreten einer Infiltration.
Auftreten einer Infiltration, die
sich bis auf eine schwielige,
bohnengr. Verdick, zurlickb.
Auftreten einer Infiltration im
Bereich 3:0-8 cm.
Mäßige Erkrankung im Bezirk
9-0: 2-0 cm, die sich demark.
Mittelschwere Erkrankung im
Bez. 7: 2 cm, die sich demark.
f innerhalb 36 Stunden.
f innerhalb 30 Stunden.
Demnach haben die Versuche ergeben, daß man imstande ist, mit
verhältnismäßig kleinen Mengen eines durch Vorbehandlung von Pferden
mit einem Toxin des Fränkelschen Gasbrandbacillus gewonnenen Anti-
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224
F. Klose:
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körpers einen absolut sicheren Schutz gegen eine Infektion mit der drei¬
fach tödlichen Dosis 24stündiger Hirnbreikultur zu erhalten. Wie sich die
Wirkung dieses Antikörpers auf das Toxin selbst verhält, das wird in
späterem Zusammenhang besprochen werden.
Auch therapeutisch konnte bei Meerschweinchen eine günstige Be¬
einflussung des Krankheitsprozesses sowohl bei Darreichung des Serums
von Pferd „Marianne“, als auch von Pferd „Käthe II“ sowie „Luise II“
gesehen werden. Je ein Tier (Meerschweinchen Tox. 501 und 545) erhielt
5 ccm Serum „Käthe II“ bzw. „Marianne“ 2 Stunden nach der subkutanen
Infektion mit 0-4 ccm 24stündiger Hirnbreikultur intraperitoneal injiziert,
also zu einer Zeit, wo bei den Tieren schon deutlich wahrnehmbare, durch
den Gasbrandbacillus erzeugte Veränderungen, bestehend in einer In¬
filtration der Impfstelle mit Knistern nachzuweisen waren. Zunächst
machte der Krankheitsprozeß nach der Einspritzung in den nächsten Stunden,
während denen das einverleibte Immunserum resorbiert wurde, noch Fort¬
schritte, um dann aber allmählich zum Stillstand zu kommen, so daß bei
beiden Tieren im Gegensatz zum Kontrolliere, bei dem trotz eingetretener
Spontanperforation der großen Exsudatansammlung der Tod eintrat, die
Krankheit nach Abstoßung eines nekrotischen Hautstückes durch Narben¬
heilung zum Abschlüsse kam.
Derselbe Erfolg wurde auch durch die therapeutische Verabreichung
von Serum von „Luise II“ in der oben beschriebenen Versuchsanordnung
erzielt.
Tier
Behandlung
Infektion
L..
Meerschweinchen
5 ccm Serum
0*4 ccm 24std.
Tox. 501
1 Käthe II
Hirnbreikultur
j vom 8. X. 15
subkutan
’ intra peritoneal
an der Brust
11 h 30'
9» 30'
17. X. 15
1
17. X. 15
Meerschweinchen
Tox. 502
1
Kontrolle
|
Dasselbe
Meerschweinchen
5 ccm Serum
Dasselbe
Tox. 545
| Marianne
5 h 15'
|
1
vom 8. X. 15
int ra peritoneal
7 h 15'
27. X. 15 ,
1
27. X. 15
Verlauf
ll h 30' an der Impfst, deutl.
Infiltration und Knistern.
6 h Hautabheb.i.Bez. 4:1 -5cm,
deutliches Gurren. Inf.
I 18. X. Proz. nicht weitergeg.
Ausg. nach Abstoß, e. nekr.
Hautst. (6:1 cm) i. Narben-
heilung.
Tier lebt nach 4 Woch., ges.
f am 18. X. 15 6 h . Typische
G a s ph legmone Veränderungen.
7 11 15' an d. Impfst, deutl. In-
i filtration und Knistern.
■ 28. X. Hautabheb. i. Bez. 6:
1-5 cm, deutliches Gurren.
29. X. Proz. nicht weitergeg.
Zunahme d. Demark. Ausg.
nach Abstoß, e. nekr. Haut¬
stückes (4: 1) in Narbenheil.
Tier lebt nach 4 Woch., ges.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 225
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 534
Kontrolle
Dasselbe
f am 29. X. 15 frühmorg.auf-
gefunden. Typische Gasphleg¬
moneveränderungen.
Meerschweinchen
Tox. 515a
5 ccm Serum
Luise II
vom 21. X. 15
intraperitoneal
2 h
29. X. 15
0*3 ccm 24std.
Hirnbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
12*
29.X. 15
2* deutl. Infiltr. und Knistern
an der Impfstelle.
5*30' Hautabheb. i. Bez. 5:
2 cm, Knistern.
30. X. Prozeß nicht weitergeg.
Ausg. nach Abstoß, e. nekr.
Hautst. 5: 2 cm in Narbheil.
Tier lebt nach 14 Tag., gesund.
Meerschweinchen
Tox. 516a
Kontrolle
i
Dasselbe
f am 31. X. 16 frühmorg. auf¬
gefunden. Typische Gasphleg¬
moneveränderungen .
Wesentlich bessere Heilerfolge wurden aber erreicht, als das Immun-
serum bei den infizierten Meerschweinchen subkutan appliziert wurde.
Ausgehend von der Annahme, daß die im Verlaufe der Erkrankung
hei den infizierten Tieren entstehenden anatomischen Veränderungen
hauptsächlich eine Wirkung des Toxins sind, das der Gasbrandbacillus
bildet, wurde nunmehr bei kurativer Darreichung des Immunserums
2 Stunden nach der Infektion mit 0-3 ccm 24stündiger Hirnbrei¬
kultur der aus einer Infiltration mit deutlichem Knistern bestehende
Krankheitsherd subkutan an der Grenze des Gesunden mit Serum um¬
spritzt. Dadurch wurde eine sofortige intensive Durchtränkung der¬
jenigen Gewebsteile mit Immunserum erzielt, die einer Schädigung durch
das Toxin zunächst am meisten ausgesetzt sind, und außerdem ein
Depot von Immunkörpern in unmittelbarer Nähe der Bildungsstätte des
Toxins angelegt. Man darf wohl annehmen, daß dadurch unter dem
Einfluß des als Katalysator wirkenden tierischen Organismus eine rasche
Absättigung des an der Infektionsstelle gebildeten Toxins stattfindet,
und damit auch seiner Resorption in die Blutbahn vorgebeugt wird,
wodurch auch das Auftreten schwererer Störungen des Allgemeinbefindens
verhindert wird.
Dies kam deutlich bei folgendem Versuche zum Ausdruck: Bei vier
mit 0'3 ccm 24ständiger Hirnbreikultur subkutan an der Brust infizierten
•Meerschweinchen wurde 2 Stunden nach der Infektion der aus einer deut¬
lichen, schmerzhaften Infiltration mit ausgesprochenem Knistern bestehende
Krankheitsherd mit je 1, 2, 3 und 4 ccm Serum „Marianne“ vom 28. X. 15
umspritzt, und so ein Schutzwall gegen das Weiterschreiten der Erkrankung
geschaffen. Bei dieser Behandlung genügten 2 ccm Immunserum „Marianne“,
Zeltschr. f. Hygiene. LXXXII ]5
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226
F. Klose:
um das Tier vor dem Tode, ja sogar vor schwerereren anatomischen Gewebs¬
veränderungen zu bewahren. Die Dosis von 4 ccm brachte die schon ent¬
standenen Krankheitserscheinungen nicht nur zum Stillstand, sondern
sogar zum Ausheilen. Kontrollversuche mit Umspritzung von normalem
Kaninchen- und Pferdeserum vermochten den Tod der Versuchstiere nicht
zu verhindern.
i
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meerschweinchen
1 ccm Ser. Mar.
0-3 ccm 24std.
12*45' Infiltr. u. Knistern an
Tox. 651
vom 28. X. 15
subkutan um d.
Infektionsstelle
12» 45'
29. X. 16
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
10* 45'
29. X. 16
der Impfstelle.
6*Hautabheb. i. Bez. 9: 2 *6 cm
deutliches Gurren,
t am 1. XI. 15 frühmorgens
aufgefunden.
Meerschweinchen
Tox. 652
2 ccm dess. Ser.
subkutan um d.
Infektionsstelle
12*45'
29. X. 15
Dasselbe
12*45' Infiltr. a. d. Impfst.
6* Infiltr. i. Bez. 7: 2 cm, kein
Kniet., keine Hautabheb.
Abstoß, e. kirschkemgr.
Hautstückes, Narbenheilg.
Tier lebt nach 4 Woch.,gesund.
Meerschweinchen
Tox. 653
3 ccm dess. Ser.
subkutan um d.
Infektionsstelle
12*45'
29. X. 15
Dasselbe
12* 45' Infiltr. u. Kniet, an d.
Impfstelle.
6* Infiltr. u. leicht. Kniet, im
Bez. 6: 1 *5 cm, k. Hautverf.
Abstoß, e. dopp. linsengr. nekr.
Hautstückes, Narbenheilg.
Tier lebt nach 4 Woch., gesund.
Meerschweinchen
Tox. 554
4 ccm dess. Ser.
subkutan um d.
Infektionsstelle
12*45'
29. X. 15
Dasselbe
1
1
12* 45' Infiltr. u. Kniet, an d.
Impfstelle.
6* Infiltr. i. Bez. 5:0*6 cm,
kein Kniet., k. Hautabheb.
31. X. 15 Infiltr. restl. zurück¬
gegangen. Tier lebt nach 4 W,.
gesund.
Meerschweinchen
Tox. 563
Kontrolle
Dasselbe
f frühmorgens am 31. X. 15
aufgefunden. Typische Gas¬
phlegmone Veränderungen .
Endlich wurde die subkutane und intraperitoneale Darreichung des
Immunserums zum Zwecke der therapeutischen Einwirkung miteinander
kombiniert, und zwar erhielt je ein Meerschweinchen 1, 2 und 3 ccm Serum
„Marianne“ vom 28. X. 15 2 Stunden nach der Infektion mit 0-3 ccm
24stündiger Hirnbreikultur um den Krankheitsherd subkutan und gleich¬
zeitig je 3 ccm desselben Serums intraperitoneal einverleibt.
Auch diese Kombination in der Darreichung des Serums erwies sich
als gut wirksam, indem bei allen derart behandelten Tieren die Er¬
scheinungen der Gasphlegmoneerkrankung zum Stillstand und zur Aus¬
heilung kamen.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 227
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meersch weinchen
Tox. 569
1 ccm Ser. Mar.
v. 28. X. 15 um
d. Infektionsst.
+ 3 ccm de88.
Ser. intraperit.
1*
29. X. 15
0*3 ccm 24std.
Himbreikultur
Prym subkutan
an der Brust
11*
29. X. 15
1* Infiltration und Knistern
an der Impfstelle.
6* Infiltr. i. Bez. 10:3 cm,
leicht.Knist. i. Ber. d. Impf¬
stelle.
Restl. Rückbild. d. Infiltr.
Tier lebt nach 4 Woch., ges.
Meerschweinchen
Tox. 660
2 ccm Ser. Mar.
v. 28. X. 15 um
d. Infektionsst.
4- 3 ccm dess.
Ser. intfraperit.
1 * 29. X. 15
Dasselbe
1* Infiltration und Knistern
an der Impfstelle.
6* Infiltr. u. Knist. i. Bezirk
8:2*6 cm, k. Hautverfärb.
Restlose Rückbild. d. Infiltr.
Tier lebt nach 4 Woch., ges.
Meerschweinchen
Tox. 661
3 ccm Ser. Mar.
v. 28. X. 15 um
d. Infektionsst.
+ 3 ccm dess,
Ser. intraperit.
1* 29. X. 15
Dasselbe
1* Infiltration und Knistern
an der Impfstelle.
6* Infiltr. u. Knist. i. Bezirk
5*5:1 cm, k. Hautverfärb.
Restlose Rückbild. d. Infiltr.
Tier lebt nach 4 Woch., ges.
Meerschweinchen
Tox. 563
Kontrolle
—
Dasselbe
f am 31. X. 15 frühmorgens
aufgefunden. Typische Gas¬
phlegmoneVeränderungen.
Schließlich wurde dann noch versucht, 4
bzw. 6 Stunden nach der
Infektion mit
der dreifach tödlichen Dosis 24 ständiger Hirnbreikultur
durch Umspritzen des Krankheitsherdes mit fallenden Dosen von Immun¬
serum die Versuchstiere vor dem Tode zu retten. Das Ergebnis zeigt die
folgende Aufstellung.
Tier
Behandlung
Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 620
6 ccm Ser. Mar.
y. 7. XII. 15 um
d. Infektionsst.
6*30'
9. XII. 15
0*3 ccm 248td.
Himbreikultur
subk. an d. Br.
3*30'
9. XII. 15
6*30' Hautabhebung u. Gurr.
im Bezirk 2:1 cm.
Proz. geht zun. weiter, heilt
dann m. zieml. ausgedehnter
Hautnekr. u. Vernarb, aus.
Meerschweinchen
Tox. 621
Kontrolle
1
Dasselbe
t am 12. XII. 15 früh aufgef.
Typische Gasphlegmonever¬
änderungen.
Meerschweinchen
Tox. 1007
3 ccm Ser. Mar.
vom 9. II. um
d. Infektionsst.
6*30' 10. II. 16
0*3 ccm 24std.
Himbreikultur
12“ 30'
10. II. 16
6*30' Infiltr. u. Knist. im
Bezirk 5*5:3 cm.
Hautnekr. i. einmarkstückgr.
Bezirk, Narbenheilung.
Meerschweinchen
Tox. 1008
2 ccm Ser. Mar’,
vom 9. II. um
d. Infektionsst.
6*30' 10. II. 16
Dasselbe
6* 30' Infiltration u. Knistern
im Bezirk 5*5:3 cm.
Hautnekr. i. Bez. 4:2 cm,
Narbenheilung.
15*
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228
F. Klose:
Tier
Behandlung
Infektion
Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 1009
1 ccm Ser. Mar.
vom 9. II. um
d. Infektionsfit.
6*30' 10. II. 16
Dasselbe
6*30' Infiltration u. Knistern
im Bezirk 6:3 cm.
Hautnekrose im Bezirk 6:2 cm,
Narbenheilung.
Meerschweinchen
Tox. 1010
0-8 ccm Seruiri
Mar. v.9.11. an
der unter. Stelle
d. Infektionsst.
6*30' 10.11.16
Dasselbe
6*30' Infiltr. mit Hau tabheb.
u. Gurr. i. Bez. 7:3 cm.
Hautnekrose im Bezirk 9:
2-5 cm, Narbenheilung.
Meerschweinchen
Tox.1011
0*5 ccm Serum
Mar. v. 9. II. an
d. unteren Pol
d. Infektionsst.
6*30' 10.11.16
Dasselbe
6* 30' Infiltr. u. Knistern im
Bezirk 5*6: 3 cm. Schwere
Ga sphlegmone Veränderungen,
lebt?weiter infolge Spontanper¬
foration
Meerschweinchen
Tox. 1012
Kontrolle
Dasselbe
t am 14. II. 16 früh aufgef.
Typ. Gasphlegmoneveränderg.
Eine später als 6 Stunden nach der Infektion einsetzende Behandlung
mit Immunserum dürfte bei Meerschweinchen kaum noch eine Aussicht
auf Erfolg haben, da in einzelnen Fällen die Erkrankung bei den Tieren
schon in 12 Stunden zum Tode führte.
Damit war der Immunisierungswert des Serums und auch sein
Heilwert gegenüber einer spezifischen Infektion erwiesen.
Es war nun weiter der Beweis zu erbringen, ob das von den mit Toxin
vorbehandelten Pferden gewonnene Heilserum als ein rein antitoxisches
angesprochen werden durfte, d. h. ob das Serum tatsächlich toxinneutra¬
lisierende Kraft besitzt. Als Indikator für die erzielte Toxinabsättigung
wurde der Tierkörper, Meerschweinchen, benutzt, und zwar erhielten sieben
Meerschweinchen 5, 4, 3, 2,1 und 0-5 ccm Serum „Marianne“ vom 27. IX.
intraperitoneal einverleibt. 24 Stunden später erfolgte die intraperitoneale
Einspritzung einer sicher tödlichen Toxindosis (3 ccm Filtrat 14 tägiger
5 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur mit Schlemmkreidezusatz). Ent¬
sprechend der Höhe der Serumdosen und der dadurch erzielten Toxin¬
absättigung zeigten sich bei den Tieren mehr oder minder schwere All¬
gemeinsymptome und Temperatursenkungen. 2 ccm des Serums be¬
wahrten die Versuchstiere vor dem Tode, 1 ccm vermochte den Tod des
Tieres hinauszuschieben, 0-5 ccm konnten das Tier nicht mehr vor dem
Eingehen schützen. In einem weiteren Versuche, der mit dem 4 Wochen
später, nach Weiterbehandlung, entnommenen Serum des Pferdes „Ma¬
rianne“ gemacht wurde, zeigte sich ein deutliches Steigen des Gehaltes
an antitoxischen Stoffen im Serum. .Von diesem am 28. X. gewonnenen
Serum vermochten 0-3 ccm so viel Toxineinheiten abzusättigen, daß das
damit behandelte Versuchstier zwar erheblich erkrankte, aber doch im
Gegensätze zu dem Kontrolliere am Leben blieb.
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 229
Tier
Behandlung
Toxingabe
Verlauf
Tox. 349
5-0 ccm Serum
Marianne
vom 28. IX. 15
10 h
intraperitoneal
3-0 ccm Filtrat
14täg. ßproz.
Traubzbouillkur
24 Std. später
intraperitoneal
3 Stdn. nach der Injektion
Temperaturanstieg von 38-ß°
auf 40°, keine Allgemeiner¬
scheinungen, Tier lebt nach
4 Wochen.
Tox. 350
4*0 ccm
dess. Serums
10 h
intraperitoneal
Dasselbe
1 Stde. nach d. Injektion Tem¬
peraturabfall v. 38-1 auf 35*8°
leichte Allgemeinerscheingn.,
Tier lebt nach 4 Wochen.
Tox. 351
3*0 ccm
dess. Serums
10h
intraperitoneal
Dasselbe
2 Stdn. nach d. Injekt. Tem¬
peraturabfall v. 38 • 6auf 33 • 7 °.
Ziemlich erhebl. Allgemeiner¬
scheingn. Tier lebt n. 4 Woch.
Tox. 352
2*0 ccm
dess. Serums
10 h
intraperitoneal
Dasselbe
•i
2 Stdn. nach d. Injekt. Tem¬
pera turabf. v. 37*9° a. 32-2°.
Erhebl. Allgemeinerscheingn.
Tier erholt sich u. lebt n. 4 W.
Tox. 353
1 • 0 ccm
dess. Serums
10 h
intraperitoneal
Dasselbe
2 Stdn. n. d. Injekt. Temperatur¬
abfall von 38 • 6° auf 32 • 8°. Er¬
hebl. Allgemeinerscheinungen,
Tier erholt sich zun., + 8 Tage
nach d. Einspr. Ausstr. steril.
Tox. 375
0*5 ccm
dess. Serums
10h
intraperitoneal
Dasselbe
3 Stdn. nach d. Injektion Tem-
peraturabf. v. 38-9° auf unter
29°. Tier stirbt 3 1 /* Stdn. n.
d. Einspr. Ausstriche steril.
Tox. 354
Kontrolle
i
Dasselbe
4 Stdn. nach d. Einspr. Tem-
peraturabf. v. 38-3° a. 29*3°,
schwere Allgemeinerscheingn.,
Tier stirbt 5 Stdn. nach der
Einspritzg. Ausstriche steril.
Tox. 924
Tox. 925
Tox. 926
Tox. 927
Tox. 928
Tox. 929
Tox. 930
4 ccm Serum
Marianne
vom 28. I.
intraperitoneal
12 h
' 29. I. 16
3 ccm dess. Ser.
12^
29. I. 16
2 ccm dess. Ser.
12^
29. I. 16
1 ccm dess. Ser.
12h
29. I. 16
0-5 ccm dess.S.
12h
29. I. 16
0*3 ccm dess. S.
12h
29. I. 16
Kontrolle
3 ccm Filtrat
öt&g. ßproz.
Traubzbouillk.
intraperitoneal
12h
30. I. 16
Dasselbe
Dasselbe
Dasselbe
Dasselbe
Dasselbe
Tier lebt.
Tier lebt.
Tier lebt.
Tier lebt.
Tier lebt.
Tier lebt.
2-ßccmdess.Filt. f 13.1.16 frühmorgens aufgef.
i 12 h 30. I. 16 f Ausstriche steril.
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Original fro-m
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen usw. 231
■ Nachdem diese Versuche den Immunisierungswert des Serums gegen
eine spezifische Intoxikation ergeben hatten, konnte des weiteren auch
sein Heilwert gegen eine solche sichergestellt werden.
Sechs Meerschweinchen erhielten eine als sicher tödlich ermittelte
Toxindosis, 3 ccm Filtrat 5 tägiger 5 prozentiger Traubenzuckerbouillon¬
kultur mit Schlemmkreidezusatz, 1 Stunde danach 4, 3, 2, 1, 0*5 und
0-3 ccm Serum „Marianne“ vom 28. X. intraperitoneal eingespritzt. Die
Allgemeinerscheinungen der Giftwirkung bildeten sich nach der Serum¬
verabreichung sichtlich rasch zurück; der auf die Toxineinspritzung ein-
setzende Temperaturrückgang kam zum Stillstand, die Körperwärme
stieg wieder an, die Tiere erholten sich völlig bis auf das mit 0*3 ccm
Immunserum und das mit 5ccm normalem Pferdeserum behandelte, die
beide ebenso wie die Kontrolle zum Exitus kamen.
Tier
ToxindosiB
Immunserum
Mar. ▼. 28. X.
Verlauf
Meerschweinchen
Tox. 904
3 ccm
4 ccm
Tier lebt.
Meerschweinchen
Tox. 906
3 „
3 „
Tier lebt.
Meerschweinchen
Tox. 906
3 „
2 „
Tier lebt.
Meerschweinchen
Tox. 907
3 „
1 „
Tier lebt.
Meerschweinchen
Tox. 908
3 M
j 0*6 „
Tier lebt.
Meerschweinchen
Tox. 909
3 „
0*3 „
t
Meerschweinchen
Tox. 910
Kontrolle
3 „
5 ccm normales
Pferdeserum
t
1
Meerschweinchen
Tox. 911
Kontrolle
3 „
"
t
Ferner wurde versucht, durch Mischung von Toxin und Antitoxin
im Reagenzglas eine Absättigung beider, dem Gesetz der Multipla ent¬
sprechend, zu erzielen. Als Toxineinheit wurde die Dosis angenommen, die
bei intrakutaner Einspritzung in die Brusthaut von Meerschweinchen eine
deutliche, für die Toxinwirkung charakteristische Hautnekrose mit Aus¬
gang in Narbenheilung erzeugte. Als solche wurden 0*02 ccm Filtrat
einer 3 tägigen 5prozentigen Traubenzuckerbouillonkultur mit 2 Prozent
Pepton- und 4 Prozent Eiweißgehalt ermittelt. Diese Toxineinheit wurde
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232
F. Klose:
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im Reagenzglas mit fallenden Dosen von Immunserum des Pferdes „Ma¬
rianne“ vom 28. X. 15 zusammengebracht und nach lstündigem Verweilen
im Brutschrank bei 37 0 intrakutan auf Meerschweinchen, die an der Brust
enthaart waren, verspritzt. Dabei zeigte sich, daß 0*06 ccm Serum „Ma¬
rianne“ vom 28. X. die Wirkung von 0*02 ccm der benützten Giftlösung
aufhob. Demnach mußten 0-3 ccm Serum 5 Toxineinheiten = 0*1 ccm
Filtrat und 1-8 ccm Serum 30 Toxineinheiten = 0-6 ccm Filtrat neu¬
tralisieren. Daß dies der Fall ist, zeigt die folgende Aufstellung.
Tier
Gemisch
1 Std. 37°
Anwendung
Verlauf
Toi. 853
0 *02 ccm Tox. +
0*04 „ Irnmser.
intrakutan
nach 48 Stunden Infiltration
der Impfstelle.
Tox. 867
0 -02 ccm Tox. +
0-06 „ Immser.
»
i
nach 48 Stunden Impfstelle
reaktionslos.
Tox. 868
0-1 ccm Tox. +
0*3 „ Immser.
1
99
1
nach 48 Stunden Impfstelle
reaktionslos.
Tox. 869
0*6 ccm Tox. +
1*8 „ Immser.
j subkutan
nach 48 Stunden Impfstelle
reaktionslos.
Tox. 854
Kontrolle
0*02 ccm Tox.
i
! intrakutan
Hautnekr. in V* linsengroß.
Bezirk. Narbenheilung.
Tox. 856
Kontrolle
0*1 ccm Toxin
i
Hautnekrose in linsengroßem
Bezirk. Narbenheilung.
Tox. 807
Kontrolle
0*3 ccm Toxin
subkutan
Infiltration in bohnengroßem
' Bezirk. Narbenheilung.
Auch durch intraperitoneale Einverleibung eines Toxin-Antitoxin¬
gemisches, das 1 Stunde bei 37° gestanden hatte, konnte eine Absättigung
des Toxins durch das Antitoxin des Serums nachgewiesen werden. Die
intraperitoneal für Meerschweinchen sicher tödliche Dosis Toxin — 2*5 ccm
Filtrat 7 tägiger 5 prozentiger Traubenzuckerbouillonkultur — wurde durch
Mischung im Reagenzglas mit 4-5 ccm Serum „Marianne“ vom 28. I. 16
in ihrer Wirkung völlig aufgehoben. Ebenso sättigte die doppelte Serum¬
menge die doppelt tödliche Toxindosis ab, ein mehrfaches Multiplum konnte
wegen der dazu notwendig werdenden Flüssigkeitsmenge nicht geprüft
werden. (S. nächste Tabelle.)
Versuche, ein hochwertigeres Immunserum herzustellen, sind im
Gange. Ob dieses dann auch bei der Behandlung der infolge Infektion
mit dem Fränkelschen Gasbrandbazillus entstandenen Gasphlegmone-
erkrankungen unserer Verwundeten nutzbringende Verwendung finden
kann, muß die Zukunft lehren. Vor allem dürfte es seine Wnksamkeit
ebenso wie das Tetanusantitoxin bei prophylaktischer Verabreichung voll
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Bakteriologische und serologische Untersuchungen <jsw. 233
Tier
Gemisch
Anwendung
Verlauf
Meerschweinchen
Tox.1066
2-5 ccm Tox. +
4-5 „ Serum
Mar. v. 28. IX.
1,1 Std. 37°
intraperitoneal
Tier lebt.
i
Meerschweinchen
Tox. 1078
5 ccm Tox. +
9 ccm Serum
Mar. v. 28. IX.
1 Std. 37°
V
Tier lebt
Meerschweinchen
Tox. 106
2*5 ccm Toxin
9*
t nach 12 Stunden.
entfalten. Die Einspritzung des Gasbrandheilserums wird vom Menschen
reaktionslos vertragen. Das Auftreten anaphylaktischer Erscheinungen
— wenn man damit in der Praxis überhaupt rechnen will — ist wohl bei
prophylaktischer Anwendung kaum zu fürchten, da die Verabreichung
des Tetanus- und Gasbrandantitoxins 'zeitlich zusammenfallen könnte.
Ob nicht für die Praxis die Herstellung eines polyvalenten Immunserums
in Betracht zu ziehen sein wird, wird von der Feststellung abhängen, ob
die Gasphlegmoneerkrankungen häufiger durch andere Erreger bedingt
sind, und ob die hier gefundenen Tatsachen auch für die anderen bekannten
Erreger Geltung haben.
Zusammenfassung.
1. Der Fränkelsche Gasbrandbacillus bildet ein Toxin, dessen Nach¬
weis im Blutserum von an Gasphlegmone erkrankten Verwundeten, in
der Exsudatflüssigkeit infizierter Meerschweinchen und in Traubenzucker¬
bouillonkulturen des Bacillus gelungen ist, und dessen Resorption als Haupt¬
ursache des Todes der Versuchstiere und der Menschen angesprochen wird.
2. Das Toxin ist ziemlich thermostabil, es wird durch Einleiten von 0
und Zugabe von 0-5 Prozent Karbol nicht wesentlich geschädigt. Auch
Sonnenlicht beeinträchtigt seine Wirksamkeit nach einigen Stunden nicht
merklich. 1
3. Durch subkutane Einverleibung des Toxins konnten die für die
Gasphlegraone charakteristischen, anatomischen Gewebsveränderungen,
durch intraperitoneale ein schweres, unter den Anzeichen der Dyspnöe
stehendes Allgemeinkrankheitsbild, eventuell der Tod der Versuchstiere
erzeugt werden.
1 Auch von anderen Stämmen des Fränkelschen Gasbrandbacillus konnte,
soweit geprüft, das gleiche Toxin nachgewiesen werden.
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234 F. Kl»se: Bakteriologische u. serologische Untersuchungen usw.
4. Durch entsprechende Vorbehandlung von Kaninchen, Eseln und
Pferden gelang es, ein Immunserum zu gewinnen, das bei prophylaktischer
und therapeutischer Verabreichung eine wesentliche Erkrankung der Ver¬
suchstiere trotz der Infektion mit der dreifach tödlichen Dosis 24sttindiger
Hirnbreikultur abwendete, bzw. bestehende Krankheitserscheinungen zur
Rückbildung brachte.
5. Da das Immunserum gegenüber einer spezifischen Intoxikation
einen Immunisierungs- und Heilwert aufwies, und da es gelang, Toxin
und Antitoxin dem Gesetz der Multipla entsprechend abzusättigen, so
wird dasselbe als ein antitoxisches angesprochen.
Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Generalarzt
Prof. Bonhoff für die Anregung und Förderung meiner Arbeit meinen
gehorsamsten Dank zu sagen.
Nachtrag bei der Korrektur.
Günstige Resultate sowohl in prophylaktischer wie in therapeutischer
Beziehung wurden auch mit einem von einem Esel „Hildegard“ ge¬
wonnenen antibakteriellen Serum erzielt. Im Verlauf von 8 Monaten
erhielt dieses Tier in steigenden Dosen 348 ccm 24stünd. lprozentige
Traubenzuckerbouillonkultur „Prym“ subkutan verabreicht; auf die Ein¬
spritzung reagierte er stets mit einer lokalen Erkrankung, bestehend in
einer ödematösen Schwellung mit Knistern und Temperatursteigerung.
Das 10 Tage nach der letzten Einspritzung'entnommene Serum schützte
prophylaktisch 2 Stunden vor der nachfolgenden Infektion mit 0-5 ccm
24stünd. Himbreikultur subkutan gegeben in der Dosis von 0-5 ccm
Meerschweinchen vor dem Tod, therapeutisch 2 Stunden nach der In¬
fektion mit 0*5 ccm 24stünd. Hirnbreikultur subkutan um die Infektions¬
quelle gespritzt in der Dosis von 1 ccm. Eine Mischung von 0*5 ccm
248tünd. Himbreikultur mit 0*5 ccm Serum „Hildegard“, nach */*ständigem
Verweilen im Brutschrank bei 37° Meerschweinchen subkutan injiziert,
führte zu keiner erheblichen Erkrankung des Tieres. Die Kontrolltiere
starben innerhalb 24 Stunden.
Literaturverzeichnis.
1. E. Frankel, Über Qasphlegmonen. 1893.
2. v. Hibler, Untersuchungen über die pathogenen Anaeroben. 1908.
3. Kolle-Wassermann, Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, 1913.
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[Aus den Etappenkrankenhäusem in Ersindjan.]
Über die Ergebnisse der Immunisierungsyersncbe gegen
Typhus exanthematicus.
Von
Prof. Dr. H. Hamdi
in Haldir-Pucha.
Im Jahre 1915 sollten mit Genehmigung des Herrn Armeearztes
Tefik Salim Bey in den Krankenh&usem der dritten Armee Immuni¬
sierungsversuche gegen Flecktyphus mit inaktiviertem Krankenblut
angestellt werden. Infolge eines unglücklichen Umstandes wurde zu
diesem Zwecke durch Dr. H. O. 1 von Flecktyphusrekonvaleszenten Blut
entnommen, defibriniert aber ohne vorherige Inaktivierung, 5 ccm
pro Person, subkutan auf einmal injiziert. Im ganzen wurden 120 Personen
auf diese Art geimpft. Das Ergebnis war, daß einer von diesen am 14. Tage
an Flecktyphus erkrankte und starb. Nach geraumer Zeit erkrankten
noch einige der Geimpften an Fleckfieber, das aber gutartig verlief. Daraus
konnte man schließen, daß diese Impfungsweise zwar keine absolute Im¬
munität gewährt, wohl aber einen milderen Verlauf der Krankheit zur
Folge hat.
Hierauf wurden wieder 310 Personen von H. 0. mit dem defibrinierten,
nicht inaktivierten Blut von Patienten im floriden Exanthem
geimpft, und zwar jede Person mit 5 ccm subkutan. Von diesen erkrankten
174 Personen; 49 davon starben; d. h. 56 Prozent Erkrankungen, 28 Pro¬
zent Todesfälle.*
1 Bei Dr. H. O. wurden Anzeichen einer geistigen Störung festgestellt, die
sich bald zu einer ausgesprochenen Geisteskrankheit entwickelten.
* Erkrankungen am 1., 2. und 3. Tage nach der Impfung wurden dabei nicht
mitgezählt, weil zurzeit eine Typhusepidemie herrschte, und infolgedessen die zur
Impfung kommenden Personen bereits im Stadium der Inkubation dieser Krank-
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Anzahl der Erkrankungen.
236
H. Hamdi:
Es schien uns für die kritische Sichtung der Versuchsfälle von Be¬
deutung, festzustellen, wie lange die Inkubationsperiode bei den einzelnen
Personen sein kann, und wie dieselbe sich prozentual auf die einzelnen
Tage nach der Ansteckung verteilt. Bei den etwa 150 Personen, die nach
der Impfung erkrankten, konnte ich folgende sichere Feststellung machen,
deren graphische Darstellung ich anbei wiedergebe.
Graphische Darstellung der Inkubation des Flecktyphus, prozentual auf die einzelnen
Tage verteilt.
Daraus können wir ersehen, daß die kürzeste Inkubationsperiode
5 Tage, die längste 23 Tage beträgt. Vom 5. Tage an steigt die Häufigkeit
des Krankheitsausbruchs, mn ihren höchsten Grad am 12. Tage zu er¬
reichen. Von da ab beobachtet man eine plötzliche Abnahme, die zwar
unregelmäßig aber stetig bis zum 23. Tage anhält. Danach fällt der Krank¬
heitsausbruch bei mehr als 2 / 3 von 100 Fällen in die Zeit bis zum 12. Tage
nach der Infektion. Ich glaube, daß die Dauer der Inkubationsperiode
von der Virulenz des Ansteckungsstoffes oder des Injektionsblutes ab¬
hängt, da mit demselben Blut in demselben Moment geimpfte Leute
heit stehen konnten. Wenn auch angenommen werden kann, daß die Impfung
die Inkubationsperiode verkürzt so kann man doch den Ausbruch der Krankheit
vor Ablauf vor^ 6 Tagen nicht ihr zuschreiben, weil die mindeste Inkubationsperiode
5 Tage beträgt. Außerdem sind diejenigen Personen nicht mitgczählt, die 25, 31,
35 , 37 Tage nach der Impfung erkrankt sind.
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Immunisierungsversuche gegen Typhus exanthematicus. 237
ziemlich zu gleicher Zeit erkrankten, so daß man einen größeren persön¬
lichen konstitutionellen Einfluß nicht annehmen kann.
Was die Nichterkrankung der Leute anbetrifft, die auf die Weise ge¬
impft worden sind, so kann man wohl bei einigen von ihnen eine stärkere
Tätigkeit der Phagozytose, bei anderen eine hereditäre Immunität an¬
nehmen, während bei einigen wiederum daran gedacht werden muß, daß
das vom Kranken entnommene Blut nach der Vorbereitung nicht sogleich
injiziert wurde, so daß es mit der' Zeit seii^ Virulenz verlor. Letzteres muß
man besonders deshalb annehmen, weil bei der gruppenweisen Impfung
die letztgeimpften Personen, so die Mitglieder des roten Halbmondes von
Konia, nicht erkrankten.
Gleichzeitig wurden von den Mitgliedern des deutschen roten
Kreuzes in Ersindjan Immunisierungsversuche gegen Flecktyphus
ausgeführt. Diese injizierten subkutan Flecktyphusblutserum, das sie mit
Chloroform inaktiviert hatten, etwa 20 Personen ihrer Mitglieder. Sicher
ist, daß durch diese Impfungsweise keiner erkrankte, aber daß sie eine
genügende Immunität gewährte, * kann nicht mit Sicherheit behauptet
werden. Denn einige von diesen Geimpften erkrankten nach mehreren
Monaten an Flecktyphus, der aber gutartig verlief.
Außer den beschriebenen Verfahren wurde noch eine andere Methode
zur Immunisierung gegen Flecktyphus erprobt, die seit langer Zeit von
Tefik Salim Bey in den verschiedenen Krankenhäusern der dritten Armee
angewandt wird. Diese besteht darin, daß das im floriden Exanthem vom
Kranken entnommene Blut defibriniert, bei 60° Temperatur eine Stunde
inaktiviert und pro Person 5 ccm subkutan auf einmal injiziert wird. Dieses
Verfahren hat bisher gar keine gesundheitlichen Gefahren gezeitigt. Je¬
doch muß ich gestehen, daß ich mich nicht ganz von seiner absolut sicheren
Wirkung überzeugen konnte, da eine Zusammenstellung aller Typhus¬
fälle zeigte, daß fast in jeder Woche Geimpfte angesteckt worden waren,
deren Krankheit allerdings gutartig verlief.
Uber "eine neue Art des Verfahrens zur Immunisierung gegen Fleck¬
fieber habe ich in Ersindjan vom September 1915 an eine Reihe von
Versuchen angestellt, die ich im folgenden mitteilen möchte.
Die Hauptgrundlage dieses Verfahrens besteht darin, daß man durch
fortgesetzte Injektion von Krankenblut den Körper der zu immunisierenden
Person für das Typhusgift unempfindlich macht, und zur Inaktivierung
des Injektionsblutes nicht nur die Hitze, sondern auch die Kälte und ein
längeres Stehenlassen gebraucht. In der Tat habe ich mich selbst mit dem
durch 24stündiges Stehenlassen in der Kälte inaktivierten Blute zuerst
geimpft.
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238
H. Hamdi:
Nach einiger Zeit bekam ich während der Autopsie eines vor 1 bis
2 Stunden an Flecktyphus gestorbenen Patienten bei der Eröffnung der
Schädelhöhle eine Wundinfektion am Finger, die eine Vereiterung der
Achselhöhlendrüse nach sich zog. Diese wurde von Dr. Feridoun Bey
geöffnet und behandelt. Nach Eröffnung des Abszesses fiel die anfäng¬
lich hohe Temperatur. Am nächsten Tage aber (d. h. 21 Tage nach der
Infektion am Finger und 2 1 / s Monate nach der Impfungi) begann die
Temperatur wieder allmählich zu steigen, so daß man an Typhus denken
mußte, der sich auch nach einigen Tagen zweifelsfrei feststellen ließ. Trotz
der heftigen Infektionsreaktion des Körpers, die sich durch Albuminurie
nach 2 Tagen, positive Diazoreaktion, Typhusexanthem kund tat, und
obgleich ich durch die vorangegangene Wundinfektion bereits geschwächt
war, verlief doch die Krankheit gutartig. Ich glaube annehmen zu können,
daß dieser Umstand auf die Wirkung der vorhergehenden Impfung zurück¬
zuführen ist.
Schon vorher hatte ich auf den gutartigen Krankheitsverlauf bei
denjenigen hingewiesen, die vor ihrer Ansteckung geimpft worden waren.
Hieraus folgerte ich, daß der Grund, weshalb die bisherigen Impfverfahren
nicht eine absolute Immunität zu gewähren vermochten, in der geringen
Dosierung oder in der mangelhaften Art des Verfahrens liegen mußte. Ich
dachte mir, daß ein ähnliches Verfahren wie bei Abdominaltyphus oder
Cholera durch fraktionierte Injektionen besser zum Ziele führen würde
und machte meine diesbezüglichen Versuche zuerst an 19 zum Tode ver¬
urteilten Personen, die sich damit bereitwilligst einverstanden erklärten
in der Aussicht, bei günstigem Ausgang begnadigt zu werden, was auch
nachträglich der Fall war. Zur Impfung dieser Personen habe ich folgende
Impfstoffe dargestellt:
1. Von Flecktyphuspatienten im floriden Exanthem (6 bis 10 Tage
nach Ausbruch der Krankheit) entnommenes, defibriniertes Blut, das
24 bis 48 Stunden im Schnee gestanden hatte oder 7* Stunde bei 60 bis
62° inaktiviert worden war.
2. Rekonvaleszentenblut, und zwar während der ersten Woche
meist in den ersten 2 Tagen nach Abfall der Temperatur entnommen, wurde
defibriniert und mindestens 24 Stunden in der Kälte aufbewahrt oder
wie oben 1 / i Stunde bei 60 bis 62° inaktiviert.
3. Ein Gemisch von dem nach der 1. und 2. Methode hergestellten
Blut, und zwar von Methode I 1 Teil, von Methode II 2 Teile. Dieser Mi¬
schung geben wir mit Tefik Salim Bey den Namen „sensibilisiertes
Impfblut“.
4. Rinderpestserum.
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Immunisierungsversuche gegen Typhus exanthematicus. 239
Mit diesen 4 verschiedenen Impfstoffen wurden je 2 bis 3 Verurteilte
behandelt, wie aus der weiter unten angeführten Tabelle ersichtlich ist.
Die mit den Impfstoffen 1 bis 3 behandelten Individuen wurden 10 bis
23 Tage, die mit Rinderpest injizierten 5 bis 6 Tage nach der Impfung mit
dem Blute von Flecktyphuskranken im floriden Exanthem gespritzt,
welches ohne vorherige Defibrinierung oder Inaktivierung direkt vom
Kranken entnommen, mit derselben Spritze den Versuchspersonen ein¬
geführt wurde; und zwar bekam jede 1 bis 5 ccm 1 . Dieser letzteren In¬
jektionsmasse gebe ich den Namen des „absoluten Immunitätsblutes“.
Das Resultat dieser Versuchsreihe war absolut positiv; keine der ge¬
impften Personen erkrankte. Durch dieses Ergebnis ermutigt, stellten
sich nun bei mir freiwillig Personen ein, die gleichfalls geimpft zu werden
wünschten. Ich wandte bei ihnen wahllos eine der vier Methoden an.
Über das Ergebnis dieser nach den verschiedenen Methoden Geimpften,
sowie über ihre Anzahl und Resultate soll folgende Tabelle Aufschluß geben.
»- c
O» aj
1 • 1
&
13
Impfungstage
1
2
3
4
5 6
7
8
9
—« fl
jQ 3
ca
a,
, &
r
ccm
ccm
ccm
ccm
1
ccm ccm
ccm
ccm
ccm
1. Blut v. frischen
Exanthemstad. .
1
_
_
2
_ I _
3
_
89
u
141 davon mit Wärme
\ inaktiviert.
2. Rekonvaleszen- 1
1
—
—
2
— 1 —
3
—
—
7
+
tenblut . . . |
3. Sensibilisierter
2
j —
— 3
—
1
—
47
M
8 desgl.
Impfstoff . . .
2
—
' —
—
— 3
—
_
—
19
+
162
4. Rinderpestseruin
l' 5
i
—
7
1
—
10
24
=F
3 davon erkrankt.
Außer den in der Tabelle Erwähnten wurden noch 4 Personen mit
dem durch Chloroform inaktivierten Blut geimpft und dann 23 Tage später
mit dem absoluten Immunitätsblut eingespritzt, ohne daß einer von ihnen
erkrankte. Hierbei woirde folgendermaßen verfahren. Vor dem Inakti¬
vieren mit Chloroform wurde das Blut defibriniert und nach Verdunsten
des Chloroforms der Rückstand vor dem Gebrauch durchgeschüttelt, so
daß die vorhandenen zeitigen Elemente auch mit zur Injektion gelangten.
Später wurden in Erzerum noch andere Leute zum Teil mit dem 1. und
zum Teil mit dem 2. und 3. Impfstoff eingespritzt, und zwar wurde jede
1 Zu Anfang der Versuchsreihe begann ich die Injektionen mit 5 ccm, mußte
aber bald diese Menge auf weniger reduzieren, weil sich heftige Reaktionserschei¬
nungen, Fieber, ikterische Verfärbung der Cutis, Magen-Darmstörungen bemerk¬
bar machten, die etwa 2 Tage anhielten.
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240
H. Hamdi:
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Person 3 mal geimpft. Von einer nachträglichen Einspritzung mit abso¬
lutem Immunitätsblut wurde bei diesen abgesehen.
Aus der Tabelle ersieht man, das man durch Einspritzung des Blutes
bei floridem Exanthem, am 1. Tage lccm, am 4. 2 ccm, am 7. 3 ccm,
die besten Resultate bekommt. Dagegen erkrankten durch die Injektion
des absoluten Immunitätsblutes von 7 Patienten 2 5 Tage nach der In¬
jektion, bei denen am 1. Tage 2 ccm und am 6. Tage 3 ccm eingespritzt
worden waren. Daraus folgt, daß eine 3malige Injektion absolut notwen¬
dig ist, um Immunität zu 'gewähren. Die Zwischenzeit zwischen den
einzelnen Injektioneil betrug in einigen Fällen 4 bis 5 Tage.
Meiner Ansicht nach gibt den besten Impfstoff das Rekonvaleszenten-
blut ab, welches nach der oben erwähnten Art der 3maligen Einspritzung
gute Besultate liefert; außerdem kann man es mit ebenso gutem Erfolge
in 2 Sitzungen einspritzen, und zwar am 1. Tage 2 ccm und am 6. Tage
3 ccm. Es scheint mir, daß das Kekonvaleszentenblut noch reich genug
an Mikroorganismen und Toxinen ist, um Immunität gewähren zu können;
denn nach Abfall der Temperatur ist das Rekonvaleszentenblut nach
2 Tagen sicher noch infektiös. Andererseits müssen sich im Rekonvales¬
zentenblut noch eine Menge abgestorbener Mikrobenleiber befinden; da
außerdem sich bereits eine Menge Antikörper gebildet haben müssen, so
kann bei Personen, die angesteckt zur Einspritzung gelangen, diese Im¬
pfung zum gutartigen Verlauf der Krankheit beitragen.
Der dritte Impfstoff gibt ebenfalls bei einer Einspritzung in 2 Sitzungen
gute Erfolge.
Die durch diese verschiedenen Impfungen erworbene Immunität
scheint durch die in dem Impfstoff enthaltenen Mikroben und deren
Toxine hervorgerufen, also eine aktive Immunität zu sein. Wie lange
aber diese Immunität dauert, ob die Impfmenge oder -art, oder ob die
Person einen Einfluß auf sie ausübt oder ob sie aüeh in manchen, wenn
auch seltenen Fällen versagen kann, muß bisher unentschieden bleiben.
Bei allen Immunität gewährenden Impfstoffen, so verschieden auch
ihre Anwendungsmenge oder -art sein möge, ist die Hauptsache das Typhus¬
blut. Da diese Versuchsreihe sich über eine Zahl von 160 Personen erstreckt,
so kann man ihre Beweiskraft nicht ohne weiteres in Abrede stellen. Wenn
man die Ergebnisse der Versuche des Dr. H. 0. mit defibriniertem und viel¬
leicht auch mit einem Blut, das durch Stehenbleiben eine Veränderung
erfahren hatte, mit den unsrigen vergleicht, so muß man gestehen, daß
bei unseren 160 Fällen doch einige negative Fälle Vorkommen mußten,
falls unser Verfahren nicht mit absoluter Sicherheit eine Immunität gewährt
hätte.
Gck gle
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Immunisierungsversuche gegen Typhus exanthematicus. 241
Zur Defibrinierung des Blutes benutzte ich die bekannten Glasperlen;
damit der Impfstoff den höchsten Sättigungsgrad erreicht, muß das ent¬
nommene Blut bis zum Erkalten andauernd geschüttelt werden. Hier¬
auf schreitet man zur Inaktivierung durch Kälte oder Hitze.
Um die Mikroben oder andere uns noch unbekannte Körper im Blute
nicht zu sehr zu verändern, halte ich die Inaktivierung durch Kälte für
das beste Verfahren. Zu diesem Zwecke genügt ein 42 ständiges Stehen¬
lassen des Impfstoffes in Eis oder Schnee. Selbst der Gebrauch von Blut,
das,nur 24 Stunden in starker Kälte gestanden hatte (es war gefroren!)
hatte keine Erkrankung zur Folge. Dagegen erkrankten 3 Personen von 4,
die mit Blut injiziert wurden, welches 30 Stunden im Eisschrank (+5°!)
gestanden hatte. Es ist daher notwendig, daß im Kälteschrank stets frisches
Eis vorhanden ist, und noch besser, daß das Blut direkt auf Eis gestellt
wird. Auf diese Weise inaktiviertes Blut habe ich bis zum 12. Tage nach
der Darstellung mit gutem Erfolge angewandt. Vielleicht kann die Wir¬
kung noch länger erhalten bleiben.
Die Inaktivierung durch Hitze wurde dadurch erreicht, daß man
die Impfflasche 30 Minuten lang in einem mit Wasser gefüllten Emaille¬
topf auf nicht weniger als 60 bis 62° im Wasserbade unter Umschütteln
erwärmte. Das Schütteln muß bis zum völligen Erkalten fortge¬
setzt werden, und zwar deshalb, weil man nur dadurch den höchsten
Sättigungsgrad erreichen kann. Wenn infolge des Umschüttelns Blut
am Flaschenhalse haften bleibt, und somit nicht an der Inaktivierung
teilnehmen kann, so muß man diese Blutteile entweder an der Spiri¬
tusflamme verbrennen oder sie mit einem Jodtinkturwattebausch vor¬
sichtig abwischen. Von einigen Seiten wurden mir Fälle mitgeteilt, wonach
8 bis 10 Tagen nach der Impfung trotz 1 ständiger Inaktivierung des
Impfblutes im Wasserbade doch Erkrankungen vorgekommen sind. Diese
Erscheinung ist mit Sicherheit darauf zurückzuführen, daß die Blut¬
partikel, die beim Schütteln am Flaschenhalse haften blieben, nicht mit
genügender Sorgfalt entfernt worden sind.
Als Impfstelle wählte ich stets die Brustdrüsengegend, und zwar machte
ich es mir zum Gesetz, stets in derselben Reihenfolge zu impfen, d. h. die
erste Injektion rechts, die zweite links, die dritte rechts. Auf diese Weise
wurde verhindert, daß in kurzem Zeitraum 2 mal dieselbe Impfstelle benutzt
wurde, was sowohl zur leichteren Resorption beiträgt als auch den Pa¬
tienten nicht zu sehr belästigt.
Bevor die Impfung stattfindet, muß der Impfstoff ordentlich umge¬
schüttelt werden, damit die sich zu Boden setzenden zellulären Teile des
Blutes sich wieder gleichmäßig in der Lösung verteilen.
Zettschr. 1 . Hygiene. I.XXXII 16
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242 H. Hamdi: Immunisierungsversuche gegen Typhus exanthematicus.
Was die Rinderpestseruminjektion anbetrifft, so ersieht man aus der
Tabelle, daß bei 24 Personen am 1. Tage 5 ccm, am 4. Tage 7 ccm und am
9. Tage 10 ccm eingespritzt wurden. Diese Personen wurden 5 Tage nach
der Impfung mit dem absoluten Immunitätsblut behandelt, worauf 3 er¬
krankten. Danach könnte man glauben, daß die Rinderpestseruminjek¬
tion in etwa 87 1 l t Prozent der Fälle gegen eine Typhusinjektion schützt.
Vielleicht könnte eine andere Darstellungsweise, Injektionsmenge oder
geeignetere Impfungsweise in Zukunft bessere Resultate liefern.
Zusammenfassung.
1. Die 1 bis 2 malige Injektion von Typhusblut vom floriden Exan¬
themstadium und die 1 malige Injektion von Rekonvaleszentenblut gibt
keine absolute Immunität, bewirkt jedoch einen gutartigen Verlauf bei
späterer Ansteckung.
2. Die 3 malige Injektion von Typhusblut vom floriden Exanthem
sowie die 3, sogar nur 2 malige Injektion von Rekonvaleszentenblut gibt
eine absolute Immunität.
3. Die Inkubationsperiode des Typhus exanthematicus beträgt 5
bis 23 Tage.
4. Die subkutane Injektion von Typhusblut vom floriden Exanthem,
defibriniert aber nicht inaktiviert, ergibt 56 Prozent Erkrankungen und
28 Prozent Todesfälle.
5. Die Iriaktivierungszeit des Typhusblutes beträgt bei 60 bis 62°
Temperatur 30 Minuten, bei Kälte je nach dem Grade derselben 24 bis
42 Stunden.
6. Das zum Impfzweck entnommene Blut muß bis zum Erkalten,
und wenn man die Inaktivierung durch Wärme vomimmt, wiederum
bis zum Erkalten geschüttelt werden.
7. Vor dem Gebrauch muß das Impfblut gründlich durchgeschüttelt
werden.
8. Der Impfstoff ist noch 12 Tage nach der Darstellung wirksam.
9. Bei der Inaktivierung des Blutes ist stets auf die gründliche Ent¬
fernung der am Flaschenhals haftenden Blutpartikel zu achten.
10. Die Anwendung des Rinderpestserums gegen Typhus exanthe¬
maticus bedarf noch weiterer Versuche.
bv Google
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Beurteilung von Umgebungsuntersuchungen und
Meningokokkenträgern bei Bekämpfung der übertragbaren
Genickstarre.
Von
Stabsarzt Dr. Fromme und Oberarzt Dr. Hancken.
Die Kenntnis der Verbreitungswege einer Infektionskrankheit
gibt wichtige Anhaltspunkte für eine zweckmäßige Bekämpfung ab. Das
beweisen die vielfachen Erfolge der Seuchenbekämpfung besonders gegen¬
über den ansteckenden Darmerkrankungen. Von den hauptsächlich
vom Nasenrachenraum aus Verbreitung findenden Infektionskrank¬
heiten — in erster Linie Diphtherie, übertragbare Genickstarre — ist nicht
in gleicher Weise über Erfolge zu berichten. Die Morbidität der Diphtherie
hat gegen die früheren Jahre nicht abgenommen. Auch bezüglich der Be¬
kämpfung der Meningitis epidemica können wir uns nicht auf die gleichen
zuversichtlichen Erwartungen stützen wie beispielsweise bezüglich der
Cholera und des Typhus.
Die mangelnde Kenntnis und Berücksichtigung der Verbreitungswege
dieser Erkrankungen, die ihren Ausgang mehr von den Atmungsorganen
nehmen, dürften an den bisherigen geringen Erfolgen schuld sein. Besonders
über die Wege, die die Erreger der übertragbaren Genickstarre, deren Be¬
zeichnung die durch die Erfahrung ermittelte Tatsache der Übertragbar¬
keit bereits ausdrückt, ist bisher wenig Licht verbreitet.
Für die Erkenntnis der Wege ist von besonderer Bedeutung die Er¬
mittelung der Kokkenträger. Nun wird allerdings der Wert von Um¬
gebungsuntersuchungen bei übertragbarer Genickstarre verschieden be¬
urteilt. Man hat einmal in der näheren Umgebung Genickstarrekranker so
zahlreiche Kokkenträger gefunden, daß die Durchführung der praktischen
Folgerung, die Absonderung der Träger, auf Schwierigkeiten stieß. Dann
wurden auch Kokken bei Leuten gefunden, die, soweit nachweisbar, mit
Kranken niemals in Berührung gewesen waren. Schließlich wird angeführt,
daß von Kokkenträgern ausgegangene Infektionen eigentlich kaum beob¬
achtet werden, und deshalb die Berücksichtigung der Kokkenträger von
10*
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244
Fromme und Hancken:
untergeordneter Bedeutung wäre. Infolge dieser Befunde ist vielfach von
Umgebungsuntersuchungen Abstand genommen und auf eine Absonderung
etwaiger Kokkenträger verzichtet worden.
Wir möchten den Standpunkt vertreten, daß in der Frage der Um¬
gebungsuntersuchungen bei übertragbarer Genickstarre ebenso verfahren
werden sollte, wie bei anderen Infektionskrankheiten: die Träger des Micro-
coccus intracellularis meningitidis Weichsel bäum sind festzustellen und
abzusondern.
Ebenso, wie zur Bekämpfung der Diphtherie ein angebliches all¬
seitiges Vorkommen der Diphtheriestäbchen von der Feststellung der Ba¬
zillenträger nicht abschrecken darf, sind auch die Träger echter Meningo¬
kokken praktisch als Ansteckungsquellen anzusehen.
Solange wir keine Mittel haben zu entscheiden, ob es sich um krank¬
machende Meningokokken oder Diphtheriestäbchen, bzw. um eine für die
Ansteckung günstige Veranlagung der Person handelt, sind wir darauf
angewiesen, die als Träger festgestellten Personen als eine Ansteckungs¬
gefahr anzusehen und dementsprechend zu behandeln. Grundsätzliche
Bedenken, Umgebungsuntersuchungen durchzuführen, können dagegen
nicht geltend gemacht werden.
Im folgenden wollen wir nun auf Erfahrungen zurückkommen, die wir
im vergangenen Jahre bei Gelegenheit einiger Genickstarreerkrankungen
machen konnten.
Die notwendigen Maßnahmen richteten sich von vornherein streng
nach den für die Bekämpfung ansteckender Krankheiten gültigen Gesichts¬
punkten. Absonderung, Desinfektion, Umgebungsuntersuchimgen waren die
drei Forderungen, die in erster Linie als wichtig befolgt wurden. Wir konnten
besonders zur Frage der Umgebungsuntersuchungen und Meningo¬
kokkenträger in mehrfacher Hinsicht wertvolles Material sammeln.
Die einzelnen Fälle und die mit ihnen in Zusammenhang stehenden
Untersuchungen sind im folgenden nach Gruppen zusammengestellt.
Wir unterscheiden, um das zum Verständnis vorwegzunehmen, zwischen
der näheren und weiteren Umgebung des Erkrankten. Erstere betrifft
Personen, die mit dem Erkrankten während der Inkubations- und Krank¬
heitszeit unmittelbar in Berührung gekommen sind. Zur weiteren Umgebung
gehören Personen, die mit Leuten der näheren Umgebung unmittelbar
oder mittelbar in Verkehr standen.
Bei unseren Untersuchungen wurden wir in vortrefflicher Weise von
den Studiosi Sanitätsgefreiten Gerhards und von der Dunk und Sanitäts¬
unteroffizier Stuckrad unterstützt.
Über die einzelnen Beobachtungen ist kurz folgendes zu berichten.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre. 245
I.
1. Gruppe.
L., seit 3. II. 15 krank auf der Ortskrankenstube, am 8. II. wegen
pneuiüonischer Erscheinungen in ein Feldlazarett aufgenommen, kam am
19. II. ins Kriegslazarett. Hier wurden in der Biickenmarksflüssigkeit und
im Bachenschleim Meningokokken nachgewiesen. Ausgang in Genesung.
Die Ansteckungsquelle blieb unbekannt. L. befand sich seit 18. X. 14
bei der Kompagnie, die an verschiedenen Stellen Verwendung fand. Vor
dem Kriege lebte er in Berlin.
Die Umgebungsuntersuchungen hatten folgendes Ergebnis:
Von 40 Leuten, die in der Ortskrankenstube mit L. zusammengelegen
hatten, wurde ein Kokkenträger, und von 18 Leuten des Krankensaals
im Feldlazarett noch zwei weitere Kokkenträger gefunden, also aus der
engeren Umgebung des Kranken etwa 5 Prozent. Von den beiden Kokken¬
trägern des Lazaretts lag der eine seit 2 Tagen wegen Kehlkopf- und Bronchial-
katarrh zwei Betten, der andere schon längere Zeit wegen Bronchial-
katarrhs ebenfalls zwei Betten von L. entfernt im Lazarett.
Die beabsichtigte purchuntersuchung der Kompagnie, sowie
einerweiteren in demselben Orte liegenden wurde aus äußeren Gründen
auf 160 Mann beschränkt. Von diesen, der weiteren Umgebung
angehörenden Leuten wurden noch vier Mann, also 2-5 Prozent als
Kokkenträger ermittelt.
Die Leute wurden aus der Truppe herausgenommen und abgesondert.
Es handelt sich hier also um einen scheinbar vereinzelten Fall von Ge¬
nickstarre, dessen Ansteckungsquelle nicht ermittelt wurde. In seiner näheren
(etwa 5 Prozent) und weiteren (2-5 Prozent) Umgebung fanden sich gesunde
Meningokokkenträger. Bei einem der Leute, die mit L. im Krankensaal
des Feldlazaretts lagen, genügte offenbar zur Erwerbung der Meningo¬
kokken ein zweitägiges Zusammensein. Vielleicht wurde ihre Ansiedlung
auf den erkrankten Schleimhäuten der oberen Luftwege begünstigt.
2. Gruppe.
a) Sch. erkrankte in der Stellung in der Nacht vom 2. zum 3. III. 15
und wurde am 3. III. der Typhusbeobachtungsstation Ch. überwiesen.
Hier bot er ein ausgesprochen für Genickstarre sprechendes Bild: neben
Kopfschmerzen und leichter Benommenheit Nackensteifigkeit und all¬
gemeine lebhafte Uberempfindlichkeit der Haut. In der eitrigen Bückenmarks¬
flüssigkeit vom 4. III. abends konnten mikroskopisch und durch Züchtung
Meningokokken nachgewiesen werden. Der Mann wurde dem Kriegslazarett
überwiesen. Die Krankheit verlief ausgesprochen und schwer.
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246
Fromme und Hancken:
Sch. war seit 14 Tagen vor der Erkrankung auf dem Bataillonsgeschäfts¬
zimmer als Zeichner tätig, schlief nachts zweitägig abwechselnd in der
Höhle S. nördlich von A. und in der Höhle C. am Südhang der Höhe. Die
Ansteckungsquelle wurde nicht ermittelt. Ein Zusammenhang mit Gruppe 1
schien nicht zu bestehen.
Unter 23 Leuten, die in engerer Berührung mit Sch. ge¬
standen hatten, wurden zwei (S. und W.) =8-7 Prozent als
Meningokokkenträger festgestellt. S. hatte dasselbe Strohlager
wie Sch. in der Höhle C. benutzt.
b) Der als Kokkenträger festgestellte W. wurde mit vier anderen
Leuten wegen entfernten Genickstarreverdachts dem Kriegslazarett zu¬
geführt. Er machte hier eine zwar leichte, jedoch dem Verlaufe nach zweifel¬
los als Genickstarre anzusprechende Erkrankung durch, die in Genesung
ausging.
Die übrigen vier dem Lazarett überwiesenen Leute erkrankten nicht;
die wiederholte Untersuchung der Rachenabstriche war negativ.
c) Am 8. III. wurde Sö. wegen einer leichten, bei weiterer Beobachtung
ebenfalls als Genickstarre verlaufenen Erkrankung dem Kriegslazarett
zugeführt. Er gehörte einer anderen Kompagnie an, die aber in zweitägigen
Abständen Stellung und Lager mit der Kompagnie der Fälle Sch. und W.
wechselte. Sö. l^atte in der Höhle C. auf demselben Strohlager
wie Sch. geschlafen.
Wegen dieser durch den regelmäßigen Wechsel der Schlafstellen beding¬
ten innigen Berührungen wurden die Umgebungsuntersuchungen außer
auf die schon erwähnte nähere Umgebung von 23 Leuten auf die beiden*
Kompagnien sowie die Bagage und Wache des Bataillons ausgedehnt.
Die ermittelten Kokkenträger wurden dann später nicht mehr dem Kriegs¬
lazarett überwiesen, sondern in einer Abteilung, die einer Genickstarre¬
beobachtungsstation angegliedert war, nahe der Front abgesondert und
regelmäßig untersucht.
Bei der Durchuntersuchung der Kompagnie, der Fall a) und b) an¬
gehört, wurden bei über 295 Untersuchungen noch 10 Prozent Meningo¬
kokkenträger gefunden.
Eine Häufung der Träger in einer Korporalschaft konnte eigentlich
nicht festgestellt werden.
In der Kompagnie, zu der Fall c) gehört, stellten sich bei über 266
Untersuchungen ausschließlich des zur engeren Umgebung von Fall a) ge¬
hörenden S. 3 Prozent Kokkenträger heraus.
Unter den Leuten der Wache, die in demselben Hause, in dem
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
247
Fall a) (Sch.) tagsüber sich aufgehalten hatte, untergebracht war, fand sich
ein Kokkenträger.
Dieser Kokkenträger gehörte gleichzeitig zu der Bagagemannschaft,
in der außer ihm noch weitere drei Kokkenträger ermittelt wurden, so
daß die Bagage einen Prozentsatz an Kokkenträgern von 7 stellt.
Zwei dieser Kokkenträger waren ebenfalls Angehörige der Kompagnie
der Fälle a) und b), während die beiden übrigen zwei anderen Kompagnien
des Bataillons angehörten.
Zusammenfassend ergibt die Untersuchung auf Kokkenträger also,
daß unter 23 Leuten der engeren Umgebung des Sch. 8.7 Prozent
Kokkenträger, unter der übrigen Kompagnie einschließlich Bagage,
also der weiteren Umgebung im engeren Sinne 10-5 Prozent
Kokkenträger ermittelt wurden.
Zu den Kokkenträgern der engeren Umgebung gehörte ein Mann (W.),
der später während seiner Absonderung an Genickstarre er¬
krankte. Dieser Fall ist ein Beweis für die Wichtigkeit bald einsetzender
Untersuchungen auf Kokkenträger besonders der engeren
Umgebung, weil hier in erster Linie mit Trägern virulenter Meningo¬
kokken gerechnet werden muß.
Die Durchuntersuchung der Kompagnie, die mit der vorerwähnten
zweitägig Unterkunft und Stellung wechselte, ergab einschließlich Bagage
2-8 Prozent Kokkenträger. Rechnet man zu dieser Umgebung in weiterem
Sinne noch hinzu die Bagage der beiden übrigen Kompagnien des Bataillons
mit 2 Kokkenträgern, sowie die Wache, so stellt sich die Zahl der Kokken¬
träger in dieser Umgebung im weiteren Sinne auf 3-1 Prozent.
Dann ist noch ein Mann einer Kompagnie desselben Bataillons zu
erwähnen, der wegen geringen Verdachtes der Genickstarrebeobachtungs¬
station zugeführt wurde. Nach dem Krankheitsverlauf ergab die Beob¬
achtung keine Anhaltspunkte für Genickstarre, im Rachenschleim fanden
sich jedoch Meningokokken.
Ihn eingerechnet, wären demnach in der weiteren Umgebung in
weiterem Sinne 3*5 Prozent Meningokokkenträger gefunden.
Es handelt sich hier also um eine kleine umschriebene Epidemie. Um
einen schweren, ausgesprochenen, klinisch und bakteriologisch sicheren
Genickstarrekranken (Sch.) gruppieren sich zwei leichtere Fälle, von denen
einer vor dem Beginne klinischer Zeichen als Meningokokkenträger
erkannt und durch die daraufhin veranlaßte Absonderung an einer wei¬
teren Ausstreuung der Kokken verhindert werden kann. Ihm reiht
sich der zuletzt genannte Fall an, der wegen allgemeiner Beschwerden der
Beobachtungsstation überwiesen und, ohne daß der weitere Krankheits-
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248
Fromme und Hancken:
verlauf die Erkennung der Krankheit als Genickstarre erlaubt, als Träger
festgestellt wird. Daran schließt sich die auffallend große Zahl anscheinend
vollkommen gesunder Kokkenträger der Kompagnie. Die Meningokokken
haben in dieser Kompagnie eine ausgedehnte Verbreitung gefunden. Es ist
daher auch erklärlich, daß die der Kompagnie angehörenden Leute der
Bagage 2 Kokkenträger stellen. Diese wiederum haben die Meningokokken
auf Bagageangehörige anderer Kompagnien, mit denen sie täglich zu¬
sammen sind, übertragen.
Der durch den regelmäßigen Wechsel von Unterkunft und
Stellung bedingte Verkehr mit der Kompagnie des Falles Sö. hat auch
in diese Kompagnie Kokkenausstreuung bedingt. Bemerkenswert ist
die Erkrankung des Sö., weil er in der Höhle dieselbe Lagerstatt benutzte,
auf der Fall a) (Sch.) schlief. Einmal liegt die Annahme nahe, daß die von
Sch. ausgestreuten Meningokokken a,n Gegenständen des Lagers
(Stroh, Decken) hafteten und von hier aus auf die Schleimhäute des
Sö. gelangten. Da diese Möglichkeit durchaus gegeben ist, ergibt sich aus
dieser Beobachtung die Notwendigkeit gründlicher Entseuchung
aller Gegenstände und Räume, die mit Genickstarrekranken
in Berührung gekommen sind.
Die Ansteckung des Sö. ist dann weiterhin ein Beleg dafür, daß yon
einem Kranken ausgehende Meningokokken offenbar virulenter
sind als solche von gesunden Kokkenträgern, die ihre Meningokokken aus
„zweiter oder dritter Hand“ erhalten. Daraus folgt, daß die Unter¬
suchung der engeren Umgebung auf Kokkenträger in besonders
gründlicher Weise, d. h. je nach der durch die räumlichen Ver¬
hältnisse des Zusammenlebens bedingten Wahrscheinlichkeit
der Ausstreuung zu wiederholten Malen zu erfolgen hat.
Entsprechend der geringeren Gelegenheit der Berührung mit der eigent¬
lichen Quelle der Kokkenausstreuung, dem Fall Sch., fanden sich in dieser
Kompagnie erheblich weniger Kokkenträger (3-1 Prozent). Je weiter
also sich die zu untersuchende Umgebung von dem Kranken
entfernt, um so geringer ist in der Regel die Ausbeute. Diese
auch sonst vielfach gemachte Beobachtung beweist, daß der eigentliche
Ausgangspunkt der Meningokokken der kranke Mensch ist und
spricht gegen ein allgemeines Vorkommen (Ubiquität) der
Meningokokken.
In der Gruppe 2 findet sich in kleinem Rahmen die Abstufung der
schweren Genickstarreerkrankung zu den leicht verlaufenden Formen und
den anscheinend gesunden Kokkenträgern. Auf diese abortiven Formen
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
249
der Genickstarre, auf die auch Hochhaus 1 aufmerksam macht, sei nebenbei
hingewiesen.
3. Gruppe.
Am 22. III. erkrankte H. unter anfangs rheumatischen Beschwerden,
blieb die Nacht zum 23. III. in der Ortskrankenstube C., wurde am 23. III.
mittags in benommenem Zustande im Feldlazarett abgesondert. Er bot jetzt
das klinische Bild einer schweren akuten Meningitis mit starker Nacken-
starre, Benommenheit, Delirien, stark ausgesprochenem Kernigschen
Zeichen. Die am gleichen Tage entnommene Rückenmarksflüssigkeit war
sehr getrübt, eitrig, fibrinös. Sie enthielt mikroskopisch außerordentlich
zahlreiche gramnegative Kokken in typischer Anordnung. Die Züchtung
gelang nicht. Am 24. III. wurde H. dem Kriegslazarett überwiesen, wo
er innerhalb weniger Tage starb. Die Sektion ergab den typischen Befund
der eitrigen Meningitis, ferner ein Siebbeinzellenempyem.
Die Maßnahmen wurden in diesem Falle dadurch erschwert, daß am
Tage des Bekanntwerdens der Erkrankung das Regiment den bisherigen
Verband verließ. Die Untersuchungen konnten daher nur auf die nähere
Umgebung ausgedehnt werden.
Die Aufmerksamkeit richtete sich zunächst auf die Ortskrankenstube,
in der H. den Nachmittag und die Nacht zum 23. III. zugebracht hatte.
Hier waren außer ihm noch 10 Leute, die verschiedenen Truppenteilen
allgehörten, untergebracht und mit ihm zum Teil in nahe Berührung ge¬
kommen. Sie wurden in demselben Orte abgesondert, die Ortskranken¬
stube wurde entseucht.
Es fand eine 4-, zum Teil 5malige Durchuntersuchung statt. Bei der
2. wurden ein, bei der 3. Untersuchung zwei weitere Kokkenträger also
im ganzen unter 10 Leuten der näheren Umgebung 33 Prozent
gefunden. Diese drei Kokkenträger gehörten einem anderen Truppenteil
und zwar verschiedenen Kompagnien an.
In einem abgetrennten Raume des Hauses befand sich die Wache
eines Landsturmbataillons. Mit dem einen oder dem anderen dieser aus
11 Leuten bestehenden Wache konnte H. vorübergehend in Berührung
gekommen sein. Auch diese Leute wurden abgesondert, aber getrennt
von den oben genannten 10. Die einmalige Durchuntersuchung ergab keine
Kokkenträger. Von weiteren Untersuchungen wurde wegen der geringen
Wahrscheinlichkeit einer Übertragung Abstand genommen.
Bei 3 Personen, die H. im Feldlazarett gepflegt hatten, wurden im Rachen¬
schleim keine Meningokokken gefunden.
1 Deutsche Med. Wochenschrift. 1915. Nr. 40.
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250
Fromme und Hancken:
17 Leute, mit denen H. bei der Truppe zusammengewesen war, wurden
vom ersten Marschquartier aus vom Truppenarzt dem Kriegslazarett über¬
wiesen. Von hier aus uns zugesandte Proben waren negativ.
Der Unterstand, in dem H. gelegen hatte, war inzwischen von 5 Leuten
des neueingesetzten Truppenteils bezogen. Er wurde entseucht. Die Hachen¬
untersuchung dieser Leute hatte ein negatives Ergebnis.
Es wurden also unter 46 Personen der Umgebung 3 Kokkenträger
gefunden, und zwar unter den 10 Leuten, die mit H. in der Ortskrankenstube
zusammengelegen hatten. Die erste Durchuntersuchung dieser zehn fiel
negativ aus. Eine nochmalige Untersuchung wurde vorgenommen,
weil die räumlich engen Verhältnisse der Ortskrankenstube
eine Übertragung der Keime wahrscheinlich machten.
Die Untersuchung der weiteren Umgebung — 36 Personen — ver¬
lief negativ.
Die Ablösung des Truppenteils verhinderte eingehendere Nachfor¬
schungen nach der Ansteckungsquelle. Ein Zusammenhang mit den früheren
Erkrankungen konnte nicht nachgewiesen werden.
4. Gruppe.
Am 20. IV. erkrankte [der Krankenträger F. an einer schweren akuten
Meningitis mit ausgesprochenen Erscheinungen, nachdem er bereits am
19. IV. über undeutliche Beschwerden geklagt hatte. Er wurde von der
Truppe zunächst einem Feldlazarett zugeführt. Hier ergab der Einstich
in den Rückenmarkskanal am 20. IV. eine trübe Flüssigkeit, in der sich
bald ein schmutziggrauer Bodensatz bildete. Mikroskopisch bestand der
Bodensatz aus vielkernigen Eiterzellen mit massenhaften, typisch gelagerten
gramnegativen Semmelkokken. Die Züchtung gelang nicht.
F. wurde dem Kriegslazarett zugeführt und starb bald darauf.
F. befand sich die letzten Monate bei der Truppe in vorderer Stellung.
Mit den letzten Fällen hat er, soweit nachweisbar, keine Berührung, wenn
auch das Regiment, dem Fall H. (Gruppe 3) angehörte, nicht weit von seinem
Regiment in Stellung gelegen hatte. Die Entseuchung des Unterstandes
und der sonstigen in Betracht kommenden Räume wurde durchgeführt.
Näher mit F. zusammengelebt hatten 12 Mann von seiner Kompagnie,
von denen zwei als Kokkenträger festgestellt wurden. Weiterhin wurden
von 5 Leuten einer anderen Kompagnie, die 7 Tage vor der Erkrankung
des F. die von F. innegehabte Unterkunft in der Ruhestellung bezogen hatten,
drei als Meningokokkenträger ermittelt. Diese Leute hatten mit F.
keine andere Berührung, als daß sie den gleichen Raum, vor
allem das zuvor von F. benutzte Strohlager übernahmen.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
251
Die innigen Berührungen, in denen die sich ablösenden Kompagnien
standen, veranlagten eine Durchuntersuchung beider Kompagnien. Bei
der zunächst in Angriff genommenen Untersuchung der Kompagnie, die
im Orte C. in der Ruhestellung lag, fanden sich in der weiteren
Umgebung dieser Kompagnie 2*5 Prozent Kokkenträger.
Die Durchuntersuchung der Kompagnie, der F. angehörte, ergab außer
den beiden Kokkenträgern der engeren Umgebung weitere 11 Träger. Einer
dieser Kokkenträger war kurz vor seiner Feststellung als Träger wegen
unbestimmter Beschwerden der Genickstarrebeobachtungsstation über¬
wiesen, ohne indes bei weiterer Beobachtung für Genickstarre sprechende
Zeichen zu zeigen. Es sei bemerkt, daß ein Teil der Leute der Kompagnie
— im ganzen 61 Mann — zweimal untersucht wurden. Unter diesen zweimal
untersuchten Leuten wurde ein Kokkenträger ermittelt. 1 Die übrigen
zehn wurden bei der ersten Untersuchung erkannt. In der weiteren
Umgebung der Kompagnie beträgt der Prozentsatz der Kokkenträger 4*7.
In dem als Ruhestellung dienenden Unterkunftsorte C. waren außer
den vorerwähnten Kompagnien noch Teile einer Jägerkompagnie unter¬
gebracht. Da diese Jäger ebenfalls mannigfache Berührungspunkte mit
den Infanteriekompagnien hatten, so wurden weiterhin 112 in annähernd
gleicher Anzahl den 4 Jägerkompagnieen angehörende Jäger untersucht
und im ganzen 9 Kokkenträger festgestellt, und zwar je 3 von der 2. und 3.,
2 von der 4. und einer von der Machinengewehrkompagnie. Diese der
weiteren Umgebung des Falles F. zuzurechnende Gruppe der Jäger wies
also 8 Prozent Kokkenträger auf.
Die dreimalige Untersuchung von 8 Personen, die mit F. während seines
kurzen Aufenthaltes im Feldlazarett in Berührung gekommen waren (ein
1 Von Interesse ist das bakteriologische Ergebnis dieser beiden Untersuchungen.
Erste Untereuchong Jö. vom 12. V.: gramnegative Kokken, ziemlich typisch; Serum
leicht schleimig; Dextrose blau, Maltose blau, Lävulose blau. Agglutination 1:
50 100 200 400 800 NaCl
nach 2 h + —? + ? —? —? —
nach 19 b + + + ? + ? +? —
Die Diagnose Meningokokken blieb offen. Das Untersuchungsergebnis der nochmals
angeforderten Probe vom 17. V. war folgendes: gramnegative Kokken typisch;
Serumwachstum charakteristisch; Dextrose rot, Maltose blau?, Lävulose blau ?.
Agglutination (Kultur nicht leicht verreibbar):
1:50 100 200 400 800 1600
nach 1V 2 11 + — — — — —
nach 18 h + +—?—?—? —
Danach wurde die Diagnose Meningokokken ausgesprochen. Spätere Untersuchungen
vom 25., 28., 31. V. und 4. VI. fielen negativ aus.
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252
Fromme und Hancken:
Arzt, Sanitätsunteroffiziere, Krankenwärter) war negativ. Die angeordnete
Absonderung wurde daher aufgehoben.
Bezeichnet man als zur engeren Umgebung F.s gehörig einmal die
12 Mann seiner Kompagnie, ferner jene 5 Leute der anderen Kompagnie,
die das Ruhequartier F.s in C. bezogen hatten, so ergibt die Untersuchung
dieser 17 Leute der engeren Umgebung mit 5 Kokkenträgern
eine Prozentzahl von 29*4.
In der gesamten weiteren Umgebung von 590 Personen
fanden sich 26 = 4*4 Prozent Meningokokkenträger.
Bemerkenswert ist auch hier der hohe Prozentsatz an Kokken¬
trägern der engeren Umgebung des Erkrankten. Die auffallend
hohe Zahl von 3 Trägern unter den 5 Leuten, die das von F. benutzte Quartier
bezogen, mit F. sonst aber in keiner Berührung gestanden hatten, läßt sich
doch nur so erklären, daß der Infektionsstoff in der Unterkunft irgendwo
vielleicht in Schleimmassen gehüllt, außerhalb des menschlichen
Körpers lebensfähig geblieben, sich auf den Schleimhäuten der die
Unterkunft neu beziehenden Personen ansiedelte. Hieraus folgt die
Notwendigkeit der Entseuchung alles dessen, was mit dem
Kranken in Berührung gekommen ist.
In der Kompagnie des F. werden 11, in der mit ihr in Unterkunfts¬
und Stellungswechsel stehenden, nahezu gleich großen Kompagnie 6 Kokken¬
träger ermittelt. Mit der Entfernung vom Kranken nimmt die
Zahl der Kokkenträger also ab.
Hoch ist der Prozentsatz der Kokkenträger (8 Prozent) der im Orte C
untergebrachten Jäger. Es handelt sich vorwiegend um Leute, die zur
Bagage und zum Stabe gehören und infolgedessen längere Zeit in den
Quartieren verblieben. Man ist geneigt, die stärkere Verbreitung der Meningo¬
kokken unter ihnen mit auf eine Verseuchung der Quartiere in C.
überhaupt zurückzuführen.
Was die Verteilung der Kokkenträger auf die Korporal-
schaften anlangt, so war innerhalb der Kompagnie des F. die 1., 2., 4.
und 12. mit je einem Kokkenträger, die 5. und 15. mit je 2, die 13. mit 3Kok-
kenträgern beteiligt. Außer F. fand sich noch ein weiterer Krankenträger
als Kokkenträger. Bemerkenswert ist der wiederholte Nachweis von Meningo¬
kokken bei den 3 Leuten der 13. Korporalschaft. Die Kokkenträger be¬
schränken sich also auf bestimmte Korporalschaften. Bei dem ersten An¬
gehörigen der 13. Korporalschaft fanden sich dreimal Meningokokken,
nämlich am 12., 17. und 28. V. Bei dem zweiten elfmal, nämlich am 17.,
22., 28. V., 4., 7., 20. VI., 5., 9., 12. VII., 5. VIII. und 1. IX.; bei dem dritten
ebenfalls elfmal, nämlich am 29. IV., 17. V., 4., 7., 14., 17. VI., o., 9., 15. VII.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
253
5. und 11. VIII. Bei einem Manne der 14. Korporalschaft wurden nach
der erstmaligen Untersuchung am 17. V., weiterhin am 22. und 25. V. Meningo¬
kokken gefunden. Die Untersuchung der übrigen 7 — 2 Mann der engeren
Umgebung wurden anderweitig abgesondert und untersucht — fiel bei
späteren Untersuchungen negativ aus. Auffallenderweise gehören die Träger,
welche die Meningokokken am längsten — 2 bis zu 4 Monaten — beher¬
bergten, zur selben Korporalschaft. Zudem ist es die Korporalschaft,
welche die größte Zahl der Kokkenträger aufweist. Es liegt nahe, anzunehmen,
daß es sich hier um besonders widerstandsfähige Meningokokkenstämme
handelt, und daß mit der erhöhten Widerstandsfähigkeit auch
eine erhöhte Ausbreitungsmöglichkeit gegeben ist.
Die 9 Kokkenträger der anderen Kompagnie gehörten ausschließlich
der 1. und 2. Korporalschaft an. Entsprechende Vergleiche über Häufig¬
keit des Nachweises mit der vorigen Kompagnie lassen sich nicht anstellen,
weil sechs der Kokkenträger unserer weiteren Beobachtung entzogen
wurden.
Auch hier ist indes die Beschränkung der Ausbreitung auf bestimmte
Gemeinschaften (Korporalschaften) bemerkenswert als Beitrag für die
Anschauung von der Bedeutung des kranken Menschen als Aus¬
gangspunkt der Infektion.
5. Gruppe.
Fall Fe. erkrankte am 5. V. fieberhaft. Im Feldlazarett wurde die
Diagnose Meningitis gestellt. Die Rückenmarksflüssigkeit vom 8. V. war •
getrübt, im Zentrifugat fanden sich zunächst nur vereinzelte gramnegative
Kokken, nach 24 ständigem Stehen im Brutschrank konnten im Ausstrich
gramnegative Semmelkokken innerhalb der weißen Blutzellen in großer
Zahl nachgewiesen werden. Die Kokken wurden weiterhin durch Züchtung
und Agglutination bestätigt.
Fe. wurde dem Kriegslazarett zugeführt.
Fe. war erst kurz vor der Erkrankung zur Truppe, einer leichten Muni-
tionskolonne, gekommen, hatte sich vorher in einem anderen Korpsbereich
aufgehalten. Die Untersuchung erstreckte sich zunächst auf die nähere
Umgebung. In Betracht kamen einmal 13 Leute, die mit Fe. in einem Saale
des Feldlazaretts zusammenlagen. Bei der ersten Untersuchung wurden
2 von ihnen = 15 Prozent als Kokkenträger ermittelt; einer, einem anderen
Truppenteil angehörend, konnte der Kokkenträgerabteilung nicht zugeführt
werden, weil er an einer Lungenentzündung litt. Der andere war von dem
gleichen Truppenteil.
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254
Fromme und Hancken:
Die 2. und 3. Untersuchung dieser Leute ergab keine weiteren Kokken¬
träger.
Weiterhin wurden von 13 Leuten der Kolonne sowie eines anderen
Truppenteils, die mit Fe. in derselben Unterkunft untergebracht waren,
Abstriche untersucht. Das Ergebnis war negativ. Auch bei zweimaliger
Wiederholung der Untersuchung wurden keine Kokkenträger gefunden.
Diese 13 zu den 13 Leuten des Lazaretts gerechnet, ergeben demnach
7-7 Prozent Kokkenträger der engeren Umgebung.
Da demnach angenommen werden konnte, daß eine weitere Ausstreuung
der Meningokokken von Fe. aus innerhalb seiner Truppe nicht stattgefunden
hatte, wurde von einer Durchuntersuchung der Kolonne Abstand genom¬
men. Fe. hatte die Meningokokken offenbar aus dem Korpsbereich, den er
kurz vor seiner Erkrankung verlassen hatte, mitgebracht. Im neuen Quartier
hatte sich eine für die Verstreuung günstige Gelegenheit nicht gefunden.
6. Gruppe.
Am 20. V. erkrankte M. von derselben Kompagnie, der Fall L.
(Gruppe 1) angehörte, in der Stellung mit zunächst unbestimmten Er¬
scheinungen, die am 2. Tage ausgesprochen meningitisch wurden. Der
Truppenarzt überwies ihn daher der Genickstarrebeobachtungsstation Ch.
Der hier vorgenommene Einstich in den Rückenmarkskanal ergab eine
stark getrübte Flüssigkeit, die im Zentrifugat zahlreiche Eiterkörperchen
enthielt, in der aber Diplokokken nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden
konnten. Der Züchtungsversuch verlief negativ.
Der Fall wurde wegen dringenden Verdachts auf Meningitis cerebro¬
spinalis epidemica dem Kriegslazarett überwiesen. Hier gelang der Meningo¬
kokkennachweis einige Tage später einwandfrei. Der Verlauf war schw’er.
Ausgang in Genesung.
Die Kompagnie lag für sich allein in einem Lager am Nordhang bei C.
Es wurden umgehend von den Personen, die mit M. in näherer Berührung
gestanden hatten, Abstriche entnommen. Es handelte sich vor allem um
7 Leute, die mit M. einen Unterstand teilten, sowie um 2 Leute, die mit
M. nachts in der Stellung gearbeitet hatten. Unter den 9 Personen der engeren
Umgebung stellten sich bei zum Teil mehrmaliger Untersuchung 3 Kokken¬
träger heraus: der Korporalschaftsführer und 2 Mann des gemeinsamen
Unterstandes. Von diesen drei positiven Fällen der engeren Umgebung
wurden zwei bei der ersten, der dritte bei der 3. Untersuchung festgestellt.
Der Unterstand wurde geschlossen und entseucht, die Leute abgesondert
und nach dreimaligem negativen Ausfall der bakteriologischen Rachen¬
untersuchung wieder freigelassen.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
255
Die hohe Zahl der positiven Befunde der Untersuchung der engeren
Umgebung sowie der Umstand, daß in derselben Kompagnie vor vier
Monaten bereits eine Genickstarreerkrankung vorgekommen war, forderten
nunmehr die Durchuntersuchung der ganzen Kompagnie. Unter den An¬
gehörigen der Kompagnie, abzüglich des erkrankten M. und der 9 Mann
seiner engeren Umgebung, fanden sich 17 Kokkenträger, die der Meningo¬
kokkenträgerabteilung überwiesen wurden. Dieser hohe Prozentsatz hätte
eine nochmalige Durchuntersuchung der Kompagnie gerechtfertigt er¬
scheinen lassen. Äußere Umstände ließen es nicht dazu kommen.
Drei Wochen nach Erkrankung des M. wurde ferner ein Mann derselben
Kompagnie wegen geringfügiger Erscheinungen von Genickstarreverdacht
der Beobachtungsstation überwiesen. Der klinische Verlauf bestätigte den
Verdacht nicht. Dagegen fanden sich bei der zweiten Untersuchung des
Rachenabstrichs Meningokokken.
Die Gesamtzahl der Kokkenträger in der weiteren Umgebung
beträgt somit 8-8 Prozent.
Demgegenüber stehen die drei Kokkenträger aus der engeren Um¬
gebung (9 Personen) mit 33*3 Prozent.
Die Verteilung der Kokkenträger auf die Korporalschaften ist eine
ziemlich regellose: 3 Korporalschaften keinen, 4 je einen, 4 je 2, 2 je 3, eine
4 Kokkenträger. Groß ist die Zahl der Dauerausscheider, indem bei 13 der
22 Kokkenträger wiederholt Meningokokken nachgewiesen wurden. Und
zwar konnten Meningokokken festgestellt werden über einen Zeitraum
von 9, 24, 33, 42, 45, 54, 56, 59, 60, 72, 85, 99 und 107 Tagen.
In der Korporalschaft des erkrankten M. fanden sich 4, also
die größte Zahl der Träger. Unter diesen 4 wurden bei 2 nur einmal,
bei dem 3. während 59 und bei dem 4. während 107 Tagen Kokken nach¬
gewiesen. Es ist jedenfalls hervorzuheben, daß der Träger, der von
allen die Kokken am längsten beherbergte," der näheren Um¬
gebung des erkrankten M. angehört.
Die Korporalschaft des im Februar erkrankten L. (siehe Gruppe 1),
dessen Abstrich jetzt negativ war, stellte bei der jetzigen Untersuchung
einen Kokkenträger, der zu den 9 Leuten mit nur einmaligem Nachweise
der Meningokokken gehört. Zwei der im Februar ermittelten Träger waren
jetzt negativ; auch in den beiden Korporalschaften, denen sie angehören,
wurden keine Träger gefunden. Dagegen fanden sich bei dem dritten,
im Februar ermittelten Träger aus der Umgebung L.s auch jetzt
wiederum Meningokokken, allerdings nur einmal. In seiner Korporal¬
schaft wurde außer ihm noch ein Träger mit einmaligem Nachweise ge¬
funden.
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256
Fromme und Hancken:
Die bei einmaliger Durchuntersuchung herausgeiundene große Zahl
von Kokkenträgern, sowie die ziemlich gleichmäßige Verteilung der
Kokkenträger auf die Korporalschaften deuten darauf hin, daß die Meningo¬
kokken innerhalb der Kompagnie eine weitgehende Ausbreitung gefunden
haben. Bei Gelegenheit des ersten in der Kompagnie aufgetretenen Er¬
krankungsfalles (L.) Anfang Februar hatte, da die Kompagnie aus dem
Verbände herausgezogen wurde, nur eine teilweise Untersuchung
der Leute stattfinden können. Es ist nicht ausgeschlossen, daß infolge¬
dessen eine Reihe von Kokkenträgern in der Kompagnie verblieben und zur
Fortentwicklung und Verbreitung der Meningokokken innerhalb der Kom¬
pagnie beitrugen. M., der erst später als Ersatz zur Truppe gekommen
war, erwarb den in der Kompagnie verbreiteten Ansteckungsstoff. Die
Ansteckungsquelle dürfte mit Sicherheit in der Kompagnie gelegen haben.
Einer der aus Anlaß der Erkrankung M. ermittelten Kokkenträger
war, wie erwähnt, im Februar bereits als Träger festgestellt. Auch diese
Beobachtung deutet darauf hin, daß sich die Meningokokken monate¬
lang auf den Schleimhäuten lebend erhalten und gelegentlich
zu Erkrankungen führen.
In diesen Beobachtungen scheint uns ein weiterer Beweis für die Wich¬
tigkeit der Umgebungsuntersuchungen zu liegen. Es ist anzunehmen,
daß eine Durchuntersuchung der gesamten Kompagnie seinerzeit im
Februar — die indes aus äußeren Gründen unterbleiben mußte — eine
Reihe von Kokkenträgern ausfindig gemacht hätte. Diese verblieben
nun in der Kompagnie und bewirkten eine starke Verbreitung
der Meningokokken, wie aus der hohen Prozentzahl von 8-8 Kokken¬
trägern hervorgeht. Weiterhin ist einleuchtend, daß mit einer starken
Ausbreitung der Meningokokken auch die Wahrscheinlichkeit einer Er¬
krankung zunimmt, und es fragt sich, ob durch eine vollständige Durch¬
untersuchung der Kompagnie im Februar nicht auch die Erkrankung des
M. hätte vermieden werden können.
7. Gruppe.
v. W. erkrankte Mitte Juni unter klinisch unklaren Erscheinungen.
Vom Truppenarzt wurde er am 22. VI. der Genickstarrebeobachtungs¬
station überwiesen. Hier bestand Fieber, Kopfschmerzen, belegte Zunge,
Ileozökalgurren. Die Milz war eben fühlbar. Es bestand keine aus¬
gesprochene Nackensteifigkeit, doch waren Kopfbewegungen schmerzhaft,
die Ansätze der Kopfnicker am Warzenfortsatz druckempfindlich.
Das Lumbalpunktat vom 23. VI. war kaum getrübt, im Zentrifugal
fanden sich vereinzelte Lympho- und Leukozyten, sowie vereinzelte, in den
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
257
Zellen liegende, gramnegative, semmelförmige Diplokokken. Die Kultur¬
platten waren durch Sporenbildner verunreinigt, so daß die bakteriologische
Diagnose zunächst nur mikroskopisch gestellt werden konnte. Die Unter¬
suchung des Rachenabstriches war negativ.
v .W. wurde dem Kriegslazarett überwiesen. Das klinische Bild war
in der Folgezeit wenig charakteristisch, so daß die Diagnose längere Zeit
auf Typhus gestellt wurde. Unsere Maßnahmen gingen infolgedessen
mehr nach dieser Richtung. Eine Durchuntersuchung der Kompagnie auf
Typhusbazillenträger war jedoch ohne Ergebnis. Erst später wurde die
endgültige klinische Diagnose Meningitis gestellt. 1 Die Erkrankung ging
in Genesung über.
Vom Truppenarzt wurden sechs Leute, die mit v. W. in enger Berüh¬
rung gestanden hatten, der Genickstarrebeobachtungsstation überwiesen
und für sich in einem Zelte abgesondert. Bei zwei von ihnen fanden sich
bei der zweiten Untersuchung Meningokokken, die in der Folge wiederholt
nachgewiesen wurden. Auch bei einem dritten Manne, allerdings erst bei der
fünften Untersuchung, und späterhin noch zweimal, wurden Meningo¬
kokken gefunden. Dieser dritte Träger war zu dem Zeitpunkte des ersten
Kokkennachweises bereits 12 Tage mit anderen Kokkenträgern zusammen¬
gewesen, so daß also eine nachträgliche Erwerbung der Meningo¬
kokken für möglich gehalten werden muß.
Man wird mithin mit der Annahme richtig gehen, daß unter den
6 Leuten der engeren Umgebung des v. W. 33 Prozent Kokken¬
träger festgestellt wurden.
Von einer Durchuntersuchung der Kompagnie wurde aus äußeren
Gründen Abstand genommen. Hinzu kam, daß nach Feststellung der Dia¬
gnose seit Beginn der Erkrankung mehrere Wochen verstrichen, und Neu¬
erkrankungen auch leichter Art nicht aufgetreten waren.
Der erkrankte v. W. gehörte zu jenem Jägerbataillon, dessen Bagage
und Stab im Orte C. untergebracht und seinerzeit aus Anlaß der Erkrankung
F. (Gruppe 4) auf Meningokokkenträger untersucht worden war. Damals
hatten sich unter diesen 112 Jägern 9 Kokkenträger befunden. Die Ver-
1 Die Diagnostik dieses Falles beweist, daß unsere Beurteilung des bak¬
teriologischen Befundes bezüglich der endgültigen Diagnose zu vorsichtig war.
Wir sind aus einigen Literaturmitteilungen verleitet worden, den mikrosko¬
pischen Befund durch den kulturellen zu ergänzen, bevor wir die Diagnose Meningo¬
kokken stellten. Unsere Erfahrungen werden vielmehr bestätigt, daß es gestattet
ist, aus einem einwandfrei gefärbten Grampräparat eines einwandfrei entnom¬
menen Lumbalpunktates die Diagnose Meningokokken zu stellen. In diesem Falle
ist unter den angegebenen Voraussetzungen eine kulturelle Diagnose nicht unbe¬
dingt erforderlich.
Zeltachr. f. Hygiene. LXXXII
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258
Fromme und Hancken:
teilung dieser Träger auf die einzelnen Kompagnieangehörigen war fol¬
gende:
unter 31 Angehörigen der 1. Komp. 0 =jj 0 Proz. Träger
„ 25 „ „ 2. „ 3 = 12
24 „ „ 3. ,, 3 = 12-5 ,, ,,
„ 24 „ „4. „ 2=8
,, 8 ,, des Stabes,der
R.- u. M.-
Komp. 1 = 12-5 ,, ,,
Auf die 2. Kompagnie, der auch v. W. angehört, entfällt eine ver¬
hältnismäßig große Zahl von Kokkenträgern. Bei dem ständigen Verkehr
dieser in C. untergebrachten Kommandos mit ihren Kompagnien war somit
die 2. Kompagnie einer Aussaat von Meningokokken und der Erkrankungs¬
gefahr in besonderem Maße ausgesetzt. Es ist daher die Möglichkeit eines
Zusammenhanges des Falles v. W. mit der am 20. IV. beginnen¬
den Erkrankung F. (Gruppe 4) nicht von der Hand zu weisen.
Ein sicherer Beweis für diese Annahme ist naturgemäß schwer zu führen.
Immerhin möchten wir diese Beobachtungen dafür anführen, daß Um¬
gebungsuntersuchungen wertvolle Hinweise für die Verbrei¬
tungswege der Meningokokken und damit der Infektions¬
wege geben können.
Anschließend seien einige Untersuchungen erwähnt, die sich auf
Personen beziehen, die, soweit nachweisbar, mit Genickstarrekranken
in keiner Berührung gestanden hatten.
1. Am 23. VI. wurden 50 Rachenabstrich proben von Personen eines
Feldlazaretts nach der Entnahme unmittelbar auf Aszitesagarplatten aus-
gestrichen. Meningokokken konnten nicht nachgewiesen werden.
2. Am 22. VII. wurden 32 Proben, die infolge eines Mißverständnisses
eingesandt waren, mit negativem Erfolg untersucht.
3. Hierher sind auch 30 bis 40 Proben zu rechnen, die von ansteckungs¬
verdächtigen Leuten, meist neben Blutgalle und Blut zur Widal sehen
Probe eingesandt wurden. Sie alle waren negativ, Zeichen einer Meningo-
kokkenerkrankung sind in diesen Fällen nicht beobachtet worden.
Die Zahl vorstehender Untersuchungen ist verhältnismäßig gering.
Immerhin haben sich bei rund 115 Personen aus einer Umgebung,
in der keine Genickstarreerkrankungen vorgekommen sind,
Meningokokken nicht nachweisen lassen.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
259
Das zahlenmäßige Ergebnis vorstehender Umgebungsuntersuchungen
ist in Tabelle 1 zusammengestellt.
Tabelle 1. 1
Gruppe
Engere Umgebung
Weitere Umgebung
Bemerkungen
Zahl der
untersuchten
Personen
! 1
Zahl der
gefundenen
Kokkenträger
Zahl der
untersuchten
Personen
Zahl der
gefundenen
Kokkenträger
l
58
3= 5 7.
160
4= 2-5% j
2
23
2= 8*7
238
25 = 10-5
weitere Umgebung im
engeren Sinne.
319
11= 3-5
weitere Umgebung im
weiteren Sinne.
3
10
3* = 33*3
36
0 = 0
* nach 2. u. 3. Unter¬
suchung.
4
17
5 = 29-4
590
26= 4*4
5
26
2= 7.7
6
9
3 = 33-3
216
18= 8-8
7
6
2 = 33*3
Zusammen
149
20= 13* 4°/ 0
1559
84= 5 • 9°/ 0
Demnach wurden unter 149 Personen der engeren Um¬
gebung 20 = 13-4 Prozent Kokkenträger, unter 1559 Personen
der weiteren Umgebung 84 = 5-9 Prozent Kokkenträger ge¬
funden.
Diese Zahlen werden naturgemäß im einzelnen Falle schwanken,
größer sein, je enger das Zusammenwohnen erfolgt, und je
länger die Gemeinschaft gedauert hat; kleiner sein, wenn
diese Voraussetzungen in geringerem Grade zutreffen.
Die Ausbeute an Kokkenträgern hängt aber auch, um das
hier anzufügen, ab von der Art der Entnahme des Rachenschleims,
von der Zeitdauer, die zwischen Entnahme und Ausstreichen
des Materials auf Platten und Bebrütung liegt. Bei der geringen
Widerstandsfähigkeit der Meningokokken wird ein längerer Transport und
langes Abwarten bis zum Ansetzen der Proben vielfach zu einem negativen
Ergebnis führen, obwohl in dem Sekret Meningokokken enthalten waren.
Gelegentlich haben wir die Proben an Ort und Stelle auf Platten angesetzt.
1 Es sei noch bemerkt, daß sich die Berechnungen auf verschiedene
Personen beziehen. Von derselben Person mehrfach eingesandte, sowie aus
irgendeinem Grunde für die Untersuchung als ungeeignet befundene Proben
sind nicht eingerechnet. Die Zahl der im ganzen zur Untersuchung eingesandten
Proben beträgt 2117.
17*
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260
Fromme und Hancken:
Späterhin wurden die Proben von den Truppenärzten entnommen, denen
wir die gewünschte Art der Entnahme gezeigt hatten, durch Radfahrer auf
schnellstem Wege überbracht und sogleich verarbeitet, so daß der Zeitraum
zwischen Entnahme und Ansetzen der Proben im allgemeinen nicht länger
als 1 bis 2 Stunden währte.
Die bakteriologische Diagnose der Meningokokken wurde nach den
üblichen, eigentlich erst von v. Lingelsheim gegebenen Grundsätzen ge¬
stellt. Frühere Untersucher haben vielfach das häufige Vorkommen meningo¬
kokkenähnlicher gramnegativer Kokken, die aber mit Meningokokken
nichts zu tun haben, nicht genügend berücksichtigt und so zu hohe Zahlen
von Meningokokkenträgern ermittelt. Für die Isolierung von Meningokokken
aus Rachenschleim kommen in allererster Linie Aszitesagarplatten in Betracht,
die nach 24- bis 36stündiger Bebrütung durchgemustert werden. Von ver¬
dächtigen, aus gramnegativen Kokken bestehenden Kolonien werden bei
geringstem Verdacht einer Verunreinigung durch nochmaliges Ausstreichen
auf Aszitesagar bzw. umnittelbar auf Loefflerserumröhrchen Reinkulturen
gewonnen. Außer nochmaliger mikroskopischer Kontrolle, wobei auf zweifels¬
freie Gramnegativität, Tetradenlagerung, verschiedene Farbstärke und Korn¬
größe zu achten ist, wurde Farbe und Konsistenz der Serumkultur be¬
rücksichtigt. Von einer solchen Serumkultur ausgehend erfolgte Prüfung
auf Maltose-, Dextrose- und Lävuloseaszitesagar, sowie endlich auf agglu-
tinatorisches Verhalten gegenüber spezifischem Serum.
Wir haben die Forderungen, die uns die Diagnose Meningokokken gestat¬
tete, eng gestellt. Über die Berechtigung, Stämme, die in diesem oder jenem
Verhalten Abweichungen zeigten und als fraglich bezeichnet wurden, doch
noch zu den Meningokokken zu rechnen, sowie überhaupt über unsere Er¬
fahrungen bei der Diagnose der Meningokokken wird der eine von uns an
anderer Stelle berichten.
Art der Entnahme und Untersuchung sind jedenfalls neben dem enger
oder weiter gezogenen Kreise der zu untersuchenden Umgebung für die
gefundenen Zahlenverhältnisse der Kokkenträger nicht ohne Einfluß. So
erklären sich die Unterschiede in den Angaben, wenn beispielsweise
v. Lingelsheim 1 15 Prozent Kokkenträger, Trautmann und Fromme* in
der nächsten Umgebung 9.2 Prozent, Ostermann und Bochalli 8 20
bis 100 Prozent Kokkenträger finden.
Bezüglich der Häufigkeit der Meningokokkenträger muß, wie auch
aus unseren vorstehenden Untersuchungen zu entnehmen ist, unterschieden
werden zwischen der näheren und weiteren Umgebung der
Erkrankten. In der näheren Umgebung finden wir etwa 13-4 Prozent,
in der weiteren etwa 5*9 Prozent Träger. Unter den Leuten, die mit Genick-
1 Erwähnt nach Kutscher im Handbuch von Kolle-Wassermann.
4 Beiträge zur Epidemiologie und Bakteriologie der epidemischen Genick¬
starre, Münchener Medizinische Wochenschrift 1908, S. 791.
8 Erwähnt nach Kutscher im Handbuch von Kolle-Wassermann.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
261
starrekr&nken in keiner Beziehung gestanden hatten, waren überhaupt
keine Träger nachweisbar. Es folgt hieraus, daß die Meningokok-
kenverstreuung von dem Kranken ausgeht. Für die Bekämp¬
fung der Krankheit muß an diesem Gesichtspunkt festge¬
halten werden.
Zur näheren Umgebung sind die Personen zu rechnen, die mit dem
Erkrankten während der Zeit der Inkubation und Krankheit bis zur Ab¬
sonderung im Krankenhaus im gleichen Baum dauernd oder vorübergehend
sich auf gehalten haben.
Die weitere Umgebung umfaßt diejenigen, die, ohne mit dem Er¬
krankten selbst unmittelbar in Berührung gekommen zu sein, mit Leuten
der näheren Umgebung oder auch weiterhin mit Personen, die mit diesen
in näherem Verkehr standen, Umgang hatten.
Wie weit der Kreis der weiteren Umgebung gezogen werden soll, hängt
von dem Grade der bereits erfolgten Ausstreuung der Keime ab, der an dem
Ergebnis der Untersuchung der engeren Umgebung erkannt wird. Finden
sich hierbei verhältnismäßig zahlreiche Kokkenträger, so ist anzunehmen,
daß die Kokkenverbreitung dementspechend auch auf die weitere Umgebung
erfolgt ist.
Die Ausstreuung der Keime wird durch örtliche Verhält¬
nisse begünstigt. Enge, dicht belegte, unsaubere Unterkünfte, Be¬
rührungen von Mensch zu Mensch bei gemeinsamen Verrichtungen im
Unterstand, bei Ansammlungen, bei Appells usw. schaffen mehr oder weniger
Gelegenheit, den Anst^ekungsstoff weiterzuverbreiten.
Die Verbreitung der Erreger vom einzelnen Menschen er¬
folgt wohl in erster Linie durch Verspritzung meningokokkenhaltiger Tröpf¬
chen und Schleimteilchen beim kräftigen Sprechen und Bäuspern, beim
Vonsichgeben von Auswurf, sei es in die freie Umgebung, sei es in Taschen¬
tücher. Die Meningokokken gelangen auf diese Weise viel häufiger und
ergiebiger in die freie Umgebung als z. B. die Typhusbazillen eines Typhus¬
bazillenträgers, der seine Entleerungen ein- oder zweimal am Tage in all¬
seits verschlossene Abortgruben entleert. Trotzdem liegen kaum so über¬
zeugende Beispiele von Meningokokkenträgern ausgegangener Infektionen
vor, wie sie die Typhusbazillenträger für die Verbreitung des Typhus ab¬
geben. Das hängt damit zusammen, daß einmal die Meningokokken in der
Außenwelt in der Begel schnell absterben, wenn auch, wie die Kokkenträger¬
befunde beweisen, nicht in dem Maße, wie vielfach angenommen wird.
Vor allem aber sind offenbar die uns im wesentlichen unbekannten Voraus¬
setzungen, die zu einer Infektion durch die zunächst saprophytischen
Meningokokken gehören, selten gegeben.
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262
Fromme und Hancken:
Dem Aufsuchen der einzelnen Kokkenträger kommt somit
eine erhebliche epidemiologische Bedeutung zu. Neben den
wichtigen örtlichen Erhebungen geben die Umgebungsuntersuchungen,
wenn sie gefiügend folgerichtig durchgeführt werden, einen nicht zu unter¬
schätzenden Einblick in die Genese einzelner, scheinbar sprung¬
haft auftretender Erkrankungen. Sie erlauben auch die Diagnose
abortiver Fälle. Der Hauptwert der Untersuchungen liegt aber
darin, daß wir in die Lage versetzt werden, Kokkenträger für ihre
Umgebung unschädlich zu machen, systematische Prophylaxe
treiben zu können. Die Kokkenträger spielen bei der Wäterverbreitung
des Ansteckungsstoffes, möchten wir sagen, fast eine erheblichere Rolle als
der kranke Mensch. Der schwere Allgemeinzustand der Kranken mahnt
von selbst zur Vorsicht im Verkehr, der Kranke wird bald abgesondert.
In seinem oft benommenen Zustand ist die Verstreuung der Keime ein¬
geschränkt. Andererseits soll nicht geleugnet werden, daß die vom Kranken
unmittelbar ausgehenden Keime wegen der anzunehmenden höheren Viru¬
lenz für das Zustandekommen neuer Erkrankungen von besonderer Bedeu¬
tung sein können. Anders die oft nicht geringe Zahl der gesunden Kokken¬
träger, die wochen- und monatelang ihre Kokken — wie eine K^tte ohne
Ende — im freien Verkehr auf Gesunde weiter übertragen können, bis unter
diesen einer ist, der die zur Infektion noch nötige „Krankheitsbereit¬
schaft“ hat.
v Diese individuell örtlich und zeitlich anscheinend außerordentlich
wechselnde Disposition des Menschen, bei der nach Westenhoeffer die
sogenannte lymphatische Konstitution eine Rolle spielen soll, erklärt auch
wohl auf dem Umwege über die Kokkenträger das sprunghafte Auftreten
der ansteckenden Genickstarre, während eigentliche Explosionsepidemien,
wie wir sie bei Typhus und Cholera kennen, fehlen. Wir verstehen, weshalb
die Meningitis epidemica gehäuft in Kasernen vorkommt, warum im gewöhn¬
lichen Leben in der eng zusammenwohnenden Arbeiterbevölkerung, selten
in den wohlhabenden Volksklassen.
Mittel, die Disposition des Menschen wesentlich zu beeinflussen, besitzen
wir vorläufig nicht. Wir müssen uns bei der Bekämpfung der Genickstarre
wesentlich an die Kokkenträger halten.
II.
Aus diesen Erwägungen heraus hielten wir es für wichtig, die Absonde¬
rung der Meningokokkenträger streng durchzuführen. Die als Träger fest¬
gestellten Leute wurden in der ersten Zeit dem Kriegslazarett überwiesen.
Wir gingen dann dazu über, die Träger auf einer besonderen, der Genick-
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Bekämpfung der übertragbaren • Genickstarre.
263
Starrebeobachtungsstation angegliederten Meningokokkenträgerabtei¬
lung zu vereinigen und abzusondem. Durch Gurgelungen mit Wasser¬
stoffsuperoxydlösung und körperliche, den Kreislauf anregende Bewegungen
wurde versucht, die Meningokokken zum Verschwinden zu bringen. In
der Regel alle drei Tage wurden Rachenabstriche untersucht. . Die Ergeb¬
nisse sind nach Gruppen in der Tabelle 2 zusammengestellt.
Die Tabelle zeigt, daß unter 51 Trägern 29 nur durch einmaligen
bakteriologischen Nachweis als solche festgestellt wurden.
Die 29 Träger, die 57 Prozent der überhaupt ermittelten Träger, soweit
sie unserer Trägerabteilung überwiesen worden sind, ausmachen, haben
also anscheinend die Meningokokken nur vorübergehend beherbergt. Die
Absonderung dieser 29 Leute erstreckte sich auf 11 bis 39, durchschnittlich
auf 20 Tage. In dieser Zeit fanden 3 bis 8, durchschnittlich 4 Untersuchungen
mit negativem Ergebnis statt.
Die Häufigkeit wiederholter positiver Meningokokkenbefunde ist
aus der Tabelle 3 ersichtlich.
Es fanden sich
Tabelle 3.
mit
71
1 maligem Nachweis 29 Kokkenträger
2
3
4
7
8
10
11
12
13
14
17
71
11
17
11
11
71
11
11
11
4
4
3
2
1
2
2
2
11
11
Uber die durch den Kokkennachweis bedingte Dauer der Absonderung
sowie die während dieser Zeit erforderliche Zahl der Untersuchungen gibt
Tabelle 4 Aufschluß.
Die kürzeste Zeit der Beobachtung in der Trägerabteilung betrug
also 11, die längste 150 Tage. Der Durchschnittsaufenthalt der
51 Träger ist 44 Tage.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
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266
Fromme und Hancken:
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267
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
268
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52
11
205
81
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5. 7.
9. 7.
12. 7.
15. 7.
18. 7.
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270
Fromme und Hancken:
Tabelle 2
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Anmerkung: u. » unbrauchbare Ergebnisse. Es handelt sich meist um Platten
Proteus) verhindert wurde. +? ** Reinkulturen meningokokkenähnlicher Stämme, die in
Tabelle 4.
1
Nachweishäufigkeit -
_ _ I 1
Dauer der Absonderung
Zahl der Untersuchungen
i. Durchschnitt
Grenzzeiten
i. Durchschnitt
i
Grenzzahlei
1 mai
20
1 1—39 Tage
! 4
3—8
2 mal
34
23—37
99
9
7—12
3 mal jj
33
19—66
99
9
5—16
4 mal
49
38—60
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15
12—18
7 mal
68
66—69
99
i 22
22
8 mal
64
64
99
! 21
1 21
10 mal
110
106—114
99
36
1 35—36
11 mal
143
135—150
19
45
41-49
12 mal
140
139—141
99
45
44—45
13 mal
100
100
9 *
33
33
14 mal
141
141
JJ
1 47
47
Die Absonderungsdauer hängt in erster Linie von der Häufigkeit posi¬
tiver Befunde ab. Je zahlreicher die positiven Befunde bei demselben Fall
sind, um so länger dauert in der Regel die Absonderung.
Zur Erörterung der Frage, nach wieviel negativen Unter¬
suchungen ein Freisein von Meningokokken erwartet werden
darf, sei zunächst auf Tabelle 5 verwiesen. In ihr sind nur die eindeutig
1 Wurden von der Beobachtungsstation zur Trägerabteilung verlegt; berechnet
von dem ersten positiven Ergebnis ab.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
271
(Fortsetzung).
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5 00
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Zahl der Untersuchungen
w&hrend d. Absonderung
Bemer¬
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Übertrag
2070
113
18
343
127
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15. 7.
18. 7.
21.7.
24. 7.
27. 7.
30. 7.
2. 8.
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1. Probe
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2. 8.
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1. Probe
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i
i
i
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1
i
1
+?
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Zusammen
1 2244
i |
125
20
377
136
.38 |
and Kulturen, deren endgültige Untersuchung durch Überwucherung (Sporenbildner,
diesem oder jenem Verhalten von typischen Meningokokken sich abweichend verhielten.
(siehe Anmerkung der Tabelle 2) negativen und positiven Ergebnisse der
Tabelle 2 verwertet.
Tabelle 5.
Positive Befunde
unmittelbar hintereinander
40 mal bei
16 verschiedenen Trägern
Mit einmaligem negativen Zwischenbefund
31 „
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15
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„ zweimaligem
ff
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„ dreimaligem
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3
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„ sechsmaligem
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3 „
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3
ff ff
Von Interesse sind vor allem die Fälle, in denen nach drei- und mehr¬
maligem negativen Befunde bei weiterer Untersuchung doch noch Meningo¬
kokken gefunden wurden. Das ist 20 mal der Fall bei 13 verschiedenen
Trägem. Es ergibt sich demnach, daß unter 21 Personen 1 ,
bei denen mehr als einmal eindeutig Meningokokken fest¬
gestellt wurden, 13=62 Prozent — auf die Gesamtzahl der
in der Tabelle 2 zusammengestellten 51 1 Kokkenträger be¬
rechnet = 25 Prozent— sich finden, in deren Bachenschleim
1 Fall 2 fallt wegen des „ -f ?“ - Befundes fort.
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272
Fromme und Hancken:
nach drei- bis sechsmaligem negativen Zwischenbefund doch
noch Meningokokken enthalten waren.
Die 20mal beobachteten positiven Ergebnisse der Untersuchungen
nach vorangegangenem drei- bis sechsmaligen negativen Befunde machen
unter der in Tabelle 5 verwerteten Zahl von 105 eindeutig positiven
Proben mit mehr als einmaligem positiven Ergebnis einen Prozentsatz von
19, auf die Gesamtzahl der in Tabelle 2 enthaltenen Untersuchungen ein¬
deutig positiver oder negativer Proben der 51 Kokkenträger überhaupt —
= 530 Proben — 3-8 aus. Also unter 530 eindeutigen Untersuchungen
von Rachenschleim auf Meningokokken ergaben 20 (=3*8 Pro¬
zent) doch noch Meningokokken, obgleich drei- bis sechs¬
malige vorangegangene Untersuchungen negativ ausgefallen
waren.
Ursprünglich war beabsichtigt, die in die Meningokokkenträgerabteilung
aufgenommenen Leute nach dreimaliger negativer Untersuchung zu ent¬
lassen in der Annahme, daß ein dreimaliger negativer Befund für ein
dauerndes Freisein von Meningokokken ausreichend beweisend sei. Wir
konnten uns bald von der Unrichtigkeit dieser Annahme überzeugen und
veranlaßten, daß für die Entlassung eine mindestens viermalige negative
Untersuchung erforderlich wäre. Wie aus Tabelle 5 zu sehen ist, wurden
nach viermalig negativem Befunde noch fünfmal, nach fünf- und sechs¬
malig negativem Befunde noch je dreimal Meningokokken festgestellt.
Diese elfmal erhobenen Kokkenbefunde — trotz wenigstens
viermal vorangegangenen negativenErgebnissen— machen unter
den 105 eindeutig positiven Ergebnissen der mehr als einmal
positiven Untersuchungen desselben Falles 10-5 Prozent, und
unter den 530 eindeutigen Gesamtergebnissen (Tabelle 2)
2-1 Prozent aus.
An den 11 Proben sind 9 verschiedene Träger beteiligt. Fordert man
also zur Entlassung eines Trägers eine viermalige negative Untersuchung,
so haben sich unter den 21 Personen, bei denen mehr als einmal
Meningokokken festgestellt wurden, 9 =43 Prozent — auf
die Gesamtzahl der in Tabelle 2 enthaltenen 51 Kokkenträger
berechnet, immer noch 17-6 Prozent — finden lassen, in deren
Rachenschleim auch dann noch Meningokokken enthalten
waren.
Vorstehenden Berechnungen sind die in Tabelle 2 aufgeführten Ergeb¬
nisse zugrunde gelegt, soweit diese durchaus eindeutig waren. Außer acht
gelassen sind die Ergebnisse, die mit + ? versehen sind. Diese betreffen iso¬
lierte Reinkulturen von Meningokokken ähnlichen Stämmen, die zwar nicht
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
273
in jeder Beziehung die strengen Anforderungen der Diagnose des Micrococcus
intracellularis meningitidis Weichselbaum erfüllten, über deren Zugehörigkeit
zu den echten Meningokokken sich indes streiten läßt. Ferner wurden die
mit „u.“ bezeichneten Proben nicht berücksichtigt. Hierbei handelt es sich
vielfach um Aszitesagarplatten und Kulturen, die durch Sporenbildner,
Proteusarten überwuchert waren, so daß eine Isolierung oder endgültige Be¬
stimmung etwaiger Meningokokken nicht möglich war. Da mit diesen Ver¬
hältnissen in der Praxis der bakteriologischen Diagnostik immer zu rechnen
sein wird, so sei vom Standpunkte des Praktikus aus eine entsprechende
Berechnung unter Berücksichtigung der „4- und „u.“-Proben
hier noch kurz angeschlossen. Das den Tatsachen entsprechende
Bild dürfte in der Mitte zwischen den Ergebnissen der Ta¬
belle 5 und 6 liegen. v
In Tabelle 6 sind sämtliche Proben der Tabelle 2 verwertet (siehe An¬
merkung 1 der Tabelle).
Tabelle 6.
Positive Befunde (einschließlich der ,,-f-?“-Befunde)
unmittelbar hintereinander .
45 mal bei
18
verschiedenen Trägern
Mit einmaligem negativen Zwischenbefand
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14
ff
ff
„ zweimaligem
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tt
ff
2 „
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1 Träger
„ zehnmaligem
tt
ff
1 »
ff
1
ff
Nach drei- und mehrmaligem negativen Befunde wurden also noch im
ganzen 30mal Meningokokken festgestellt, d. h. unter den 125 mehr als
einmalig positiven Ergebnissen (siehe Tabelle 2) in 24 Prozent —
unter den die Tabelle 2 enthaltenen Gesamtuntersuchungen
(= 689) in 4-3 Prozent — der Fälle.
Die 30 erwähnten positiven Proben verteilen sich auf 16 verschiedene
Träger. Unter den 22 Personen der Tabelle 2 also, bei denen mehr
als einmal Meningokokken (+ und + ?) nachgewiesen sind, be¬
finden sich 16 = 73 Prozent— auf die Gesamtzahl der 51 Kokken¬
träger berechnet = 31 Prozent —, in deren Rachenschleim nach
drei bis zehnmaligen negativen Zwischenbefunden doch noch
Meningokokken enthalten waren.
Nach vier- und mehrmaligem negativen Befunde konnten
noch 22mal, d.h. in 18 Prozent der mehr als einmalig positiven
Ergebnisse — und in 3 Prozent der überhaupt untersuchten
Proben — Meningokokken gefunden, bzw. 14 = 64 Prozent Träger
der Leute mit mehr als einmalig positivem Untersuchungs¬
befunde— entsprechend 27 Prozent der Gesamtzahl der 51 Träger
— festgestellt werden.
Zeltgohr. f. Hygiene. LXXXII
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Original frum
UNIVERSITY 0F CALIFORNIA
274
Fromme und Hänchen:
Die Ergebnisse sind nochmals in Tabelle 7 zusammengefaßt.
Tabelle 7.
Nach wenigstens
dreimaligem j viermaligem
negativen Befunde
unter 580 (689) 1 überhaupt |
untersuchten Proben . . ( 20(30)mal==3-8%(4-3%) 11 (22)mal = 2-1 °/ 0 (3%)
unter 105 (125) Proben von
Leuten mit wiederholt il
positivem Befunde . . . j| 20 (30) mal = 19% (24%) 11 (22) mal=10- 5% (18%)
unter 51 (51) Trägern . . !; 18(16)mal = 25%, (31%) 9 (14)mal = 17-6% (27%)
unter 21 (22) Trägern mit !;
wiederholt positivem | l
Befunde. ji 13 (16)mal = 62% (73%) 9 (14)mal = 43% (64%)
Von der Gesamtzahl der überhaupt als Kokkenträger
ermittelten Personen aus der Umgebung Genickstarrekranker
wurden also nach dreimaligem negativen Ergebnis wenigstens
noch ein Viertel und nach viermaligem negativen Ergebnis
wenigstens noch 17 Prozent wiederum als mit Meningokokken
behaftet festgestellt.
Es geht daraus hervor, daß eine viermalige negative Unter¬
suchung noch nicht ausreichend ist alsBeweis völligerMeningo-
kokkenfreiheit. Ja selbst nachdem sechs Proben hintereinander ein
negatives Ergebnis hatten, fanden sich bei der siebenten Untersuchung
wiederum Meningokokken. Wir müssen ferner berücksichtigen, daß eine
Anzahl der unseren Untersuchungen zugrunde gelegten Fälle (siehe Ta¬
belle 2) nach weniger als vier- bis sechsmaliger negativer Untersuchung
als meningokokkenfrei bezeichnet entlassen wurde und bei weiteren Unter¬
suchungen vielleicht doch noch als positiv sich herausgestellt hätte. Somit
würde also die Zahl der Fälle, die nach vier- und mehrmaligem negativen
Befunde wiederum positiv sind, noch größer sein. Daraus folgt, daß eine
bündige Beantwortung, nach wieviel negativen Untersuchungen ein Träger
als „frei“ zu bezeichnen ist, deshalb nicht ohne weiteres möglich ist, weil
schließlich auch nach zehn-, zwölf- und mehrmaligem aufeinanderfolgendem
negativen Befunde doch wieder Meningokokken auftreten können. Jeden¬
falls ist die Wahrscheinlichkeit endgültigen Verschwundenseins um so größer,
je größer die Zahl der aufeinanderfolgenden negativen Untersuchungen ist.
Es wurden Meningokokken
festgestellt
1 Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf Berechnung bei Verwertung
sämtlicher Untersuchungen.
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
275
Es ist nicht ohne Interesse, nach der Ursache der häufigen negativen
Befunde zu suchen, die zwischen positiven Ergebnissen liegen.
Man könnte sagen, daß einmal die Entnahme des Materials verschieden
ist, und das Untersuchungsergebnis sehr davon abhängt, ob das entnommene
Sekret der für die Meningokoiokkenansiedlung in Betracht kommenden
Schleimhautstelle entstammt. Weiterhin könnte eine unvollkommene,
ungleichmäßige Untersuchungstechnik für den häufigen l egativen Ausfall
verantwortlich gemacht werden. Wir möchten dagegen einwenden, daß
die Rachenabstriche von dem die Meningokokkenträgerabteilung leitenden
Arzte in immer gleicher, sachverständiger Weise 1 entnommen wurden,
daß das Überbringen der Proben immer in der gleichen Weise erfolgte, daß
auch die bakteriologische Untersuchung stets übereinstimmend ausgeführt
wurde. Es wäre deshalb — bei Richtigkeit dieser Gründe — nicht einzu¬
sehen, weshalb Proben derselben Person (z. B. Nr. 17, 33, 35, 36, 37, 40)
eine Zeitlang mit großer Regelmäßigkeit positive, und zwar vielfach nahezu
Reinkulturen, dann wieder längere Zeit hintereinander negative Befunde
ergaben.
Eine weitere Erklärung für den positiven Ausfall einer Probe, nachdem
eine größere Zahl von Proben desselben Trägers bereits negativ waren,
bleibt zu erörtern. Die Meningokokkenträger waren gemeinsam in einem
Zelte untergebracht und lebten so ständig in mehr oder weniger inniger
Berührung zusammen. Bei der im ersten Abschnitt unserer Arbeit des öfteren
erwähnten leichten Verbreitungsweise der Meningokokken ist es denkbar,
daß Leute, die ihre Meningokokken bereits verloren hatten, durch Meningo¬
kokken noch beherbergende Träger von neuem Meningokokken erhielten.
Dieser Einwand ist nicht von der Hand zu weisen.
Schließlich halten wir für durchaus möglich, daß ähnlich wie beim
Typhus von 0. Mayer zuerst festgestellt ist, auch bei der Meningokokken¬
ausscheidung freie Intervalle Vorkommen, in denen die Erreger nicht in
die Außenwelt gelangen. Man kann sich vorstellen, daß die Meningokokken
in diesen freien Zeiten in Schleimhautbuchten abgeschlossen sind. Durch
irgendwelche Umstände öffnen sich diese abgekapselten Herde, so daß
die Meningokokken wieder an die Schleimhautoberfläche gelangen. Meningo¬
kokkenfreie Zeiten wechselten mit Zeiten, in denen wieder ein reichliches
Vorhandensein von Meningokokken festgestellt werden konnte. Z. B. Nr. 17:
drei Ausscheidungszeiten sind durch zwei- bis dreiwöchige freie Perioden
getrennt. Ähnlich bei Nr. 21, 33, 35, 36, 37, 40.
1 D. h. nach vorangegangenem 24stündigen Aussetzen der H^O)-Behandlung
kräftige Abstriche mit entsprechend gebogenem, mit Watte versehenem Draht-
stabe von der hinteren Gegend des Zäpfchengrundes.
18 *
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276
Fromme und Hancken:
Diese Fälle scheinen uns dafür zu sprechen, daß ähnlich wie beim Typhus
auch bei Meningokokkenträgern mit einem schubweisen Vorkommen
der Meningokokken zu rechnen ist.
Die auf der Abteilung abgesonderten Meningokokkenträger fühlten
sich durchweg gesund. Eine von Herrn Oberarzt d. R. Dr. Dorth vor¬
genommene fachärztliche Untersuchung des Nasenrachenraumes hat in
einzelnen Fällen leicht hypertrophische Tonsillen, Rötung der Gaumen¬
bögen, ödematöse Schwellung des Zäpfchens ergeben, Veränderungen, die
wohl zum großen Teil auf den Reiz der Probeentnahme zurückgeführt
werden können.
Wir haben also gesehen, daß eine aufeinanderfolgende viermalige
negative Untersuchung keine ausreichende Sicherheit für eine endgültige
Abwesenheit der Meningokokken abgibt. Solange die Möglichkeit fehlt,
durch medikamentöse, desinfizierende Mittel oder sonstige Behandlung
die Meningokokken aus dem Nasenrachenraum erfolgreich, d. h. endgültig
zu beseitigen, werden wir uns daher, da die Absonderung der Träger aus
äußeren Gründen zeitlich beschränkt sein kann, unter Umständen genötigt
sehen, auf das Verschwundensein der Meningokokken sämtlicher Träger
zu verzichten. Es gelingt nach verhältnismäßig kurzer Zeit, den bei weitem
größten Teil der Träger als „bakteriologisch genesen“ zu entlassen. Die
Dauer der Absonderung wird sich bis zu einer gewissen Grenze
nach Lage der jedesmaligen Verhältnisse richten müssen. Je länger
sie .währt, um so kleiner ist die Zahl der übrig bleibenden Ausscheider.
Wir halten im allgemeinen eine wenigsterfs viermalige, mit
dreitägigen Zwischenräumen auszuführende, hintereinander
negativ verlaufene Untersuchung des Rachenabstrichs für
erforderlich, ehe eine Freilassung der Kokkenträger zu ge¬
statten ist. Wenn schließlich die Zahl der möglicherweise noch weiterhin
Meningokokken ausscheidenden Personen auf 17 Prozent beschränkt wird,
dann ist die Möglichkeit der Kokkenverbreitung dank der Absonderung
schon so weit eingedämmt, daß die Absonderung an sich vollauf
gerechtfertigt ist. Vielleicht ist auch mit der Abnahme einer Virulenz
der bei ein und derselben Person lange Zeit saprophytär lebenden Meningo¬
kokken zu rechnen, so daß diese übrig bleibenden Dauerausscheider für die
Verbreitung der Genickstarre an Bedeutung verlieren.
Wir kommen zu folgenden Ergebnissen:
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Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre.
277
I.
1. In der Umgebung Genickstarrekranker wurden regelmäßig Meningo¬
kokkenträger gefunden. Unter Leuten, die mit Kranken in keiner Berührung
gestanden hatten, waren Kokkenträger nicht nachweisbar.
2. Unterscheidet man zwischen näherer und weiterer Umgebung
des Erkrankten, so fanden sich in ersterer unter 149 Personen 20 = 13-4 Pro¬
zent, in letzterer unter 1559 Personen 84 = 5*9 Prozent Kokkenträger.
Mit der Entfernung vom Kranken nimmt die Ausbeute an Trägern ab.
3. Die Meningokokkenverbreitung geht also vom Kranken aus. Ein
allgemeines Vorkommen (Ubiquität) der Meningokokken besteht nicht.
4. Die Beobachtungen sprechen dafür, daß sich die Meningokokken auch
außerhalb des menschlichen Körpers lebend erhalten, und daß ihre Ver¬
breitung durch örtliche Verhältnisse (enges Zusammenwohnen, Unsauber¬
keit) begünstigt wird.
5. Es ist daher eine gründliche Entseuchung aller Gegenstände und
Räume, die mit Genickstarrekranken in Berührung gekommen sind, er¬
forderlich.
6. Da die Weiterverbreitung der Erkrankung durch Meningokokken¬
träger erfolgt, so sind diese durch Umgebungsuntersuchungen fest¬
zustellen und abzusondern.
7. Die von Kranken unmittelbar verstreuten Meningokokken scheinen
in erster Linie virulent zu sein. Die Untersuchung der näheren Umgebung
ist daher besonders wichtig. Ihre Wiederholung hängt von dem Ergebnis
der ersten Untersuchung und von den örtlichen Verhältnissen der Um¬
gebung ab.
8. Der Umfang der Untersuchung der weiteren Umgebung richtet
sich nach dem Ergebnis der Untersuchung der näheren Umgebung, ferner
ebenfalls nach der von den örtlichen Verhältnissen abhängigen Verstreu-
ungsmöglichkeit der Erreger.
9. Die Umgebungsuntersuchungen können wertvolle Hinweise für die
Verbreitungswege der Meningokokken und damit der Infektion ergeben.
II.
10. Unter 51 auf der Meningokokkenträgerabteilung abge¬
sonderten Kokkenträgern wurden bei 29 = 57 Prozent durch weitere Unter¬
suchung Meningokokken nicht wieder gefunden. Die Absonderungszeit
dieser Leute betrug durchschnittlich 20 Tage.
11. Die kürzeste Zeit der Beobachtung in der Trägerabteilung betrug
11, die längste 150, die Durchschnittszeit 44 Tage.
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278 Fromme und Hancken: Bekämpfung der Genickstarre.
12. Die Frage, nach wieviel negativen Untersuchungen ein Freisein
von Meningokokken zu erwarten ist, läßt sich nicht zahlenmäßig beant¬
worten.
18. Unter 580 eindeutigen Untersuchungen von Rachenschleim ergaben
20 = 3*8 Prozent doch noch Meningokokken, obgleich drei- bis sechsmalige
hintereinander vorangehende Untersuchungen negativ ausgefallen waren.
Bei vier- und mehrmaligem, vorangegangenem negativen Ausfall fanden
sich noch 11 =2*1 Prozent positive Proben.
14. Von der Gesamtzahl der überhaupt als Kokkenträger ermittelten
Personen aus der Umgebung Genickstarrekranker wurden nach dreimaligem
negativen Ergebnis wenigstens noch ein Viertel und nach viermaligem
negativen Ergebnis wenigstens noch 17 Prozent wiederum als mit Meningo¬
kokken behaftet festgestellt.
15. Eine viermalige aufeinanderfolgende negative Untersuchung ist also
nicht ausreichend als Beweis völliger Meningokokkenfreiheit.
16. Die Dauer der Absonderung wird unter Umständen durch besondere
Verhältnisse eingeschränkt werden müssen. Wir halten aber eine wenigstens
viermalige, mit dreitägigem Zwischenraum auszuführende Untersuchung
von Rachenabstrichen mit negativem Ergebnis für erforderlich, ehe die
Freilassung des Kokkenträgers zu gestatten ist.
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[Aus dem Chemischen Institut der Universität Berlin.]
Über die Desinfektionskraft komplexer organischer
Quecksilberverbindungen.
III. Mitteilung.
Merkurierte Phenole.
Von
Dr. Walther Schrauth und Dr. Walter Schoeller.
Vor längerer Zeit haben wir in dieser Zeitschrift über Untersuchungen
berichtet, die sich mit der Desinfektionskraft komplexer organischer
Quecksilberverbindungen beschäftigen. 1 Im Gegensatz zu den besonders
durch die Arbeiten von Krönig und Paul 2 verbreiteten Anschauungen,
denen zufolge die Lösungen solcher Metallverbindungen, in denen das
Metall Bestandteil eines komplexen Ions und demnach die Konzentration
der freien Metallionen verschwindend klein ist, eine nur außerordentlich
geringe Desinfektionskraft besitzen sollten, haben wir gezeigt, daß die
Alkalisalze der aromatischen Quecksilbercarbonsäuren vielfach außer¬
ordentlich hohe und untereinander stark differenzierte Desinfektionswerte
aufweisen, und daß bestimmte Individua dieser Klasse selbst dem Sublimat
an Wirkung nicht unerheblich überlegen sind.
Die Gesetzmäßigkeiten, welche für das Zustandekommen dieser Wir¬
kungen maßgebend sind, konnten wir dahin zusammenfassen, daß der
obwaltende Unterschied in der Desinfektionskraft der einzelnen Präparate
veranlaßt wird einerseits durch die verschiedene Affinität (chemische
1 Diese Zeitschrift. 1910. Bd. LXVI. S. 497ff. - 1911. Bd. LXX. S. 24ff.
Ä Krönig und Paul. Die chemischen Grundlagen von der Giftwirkung und
Desinfektion. Ebenda. 1897. Bd. XXV. S. 1 und Zeitschrift für 'physikalische
Chemie. Bd. XXI. S. 414.
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Walther Schrauth und Walter Schoeller:
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Venvandtschaft), mit der die einzelnen Reste an der zweiten, nicht organisch
besetzten Valenz des Quecksilbers haften, andererseits durch den Einfluß
der Nebengruppierung im organischen Kern, d. h. durch die Anwesenheit
bestimmter Atomgruppen, welche ihrem Charakter entsprechend eine Er¬
höhung oder Verminderung in der Desinfektionskraft der substituierten
Grundsubstanz (oxyquecksilberbenzoesaures Natrium H0Hg-C e H 4 -C00Na)
bedingen. In Sonderheit wurde durch die Einführung von Halogen, Methyl-
und Methoxygruppen in den Benzolkem eine Steigerung, durch den Ein¬
tritt saurer salzbildender Phenol-, Sulfo- oder Carboxylgruppen eine Ab¬
schwächung der Desinfektionskraft bewirkt.
Auf Grund dieser Ergebnisse durften wir nun erwarten, daß die Wirk¬
samkeit der geprüften Verbindungen mit dem Ersatz der relativ stark
sauren Carboxylgruppe durch die ungleich schwächer saure Phenolgruppe,
d. h. also in den merkurierten Phenolen eine weitere Erhöhung erfahren
würde, eine Vermutung, die w r ir, wie aus den folgenden Tabellen hervor¬
geht, voll bestätigt fanden.
Unsere Versuche haben wir allerdings, von den zwei Formen des
merkurierten Phenols selbst abgesehen, auf solche Phenole beschränkt,
welche neben einem bzw. zwei Oxyquecksilberresten als Substituenten
lediglich Halogen, Alkyl- oder Methoxygruppen enthielten, da die Des¬
infektionskraft der durch den Eintritt saurer salzbildender Gruppen in
den Benzolkem entstehenden Verbindungen aus den früheren Unter¬
suchungen bereits bekannt ist (vgl. II. Mitteilung, Tabelle III und V,
oxyquecksilbersalicylsaures, oxyquecksilber-o-kresotinsaures und oxyqueck-
silbersulfosalicylsaures Natrium). Auch kam es uns vornehmlich darauf
an, durch geeignete Kombination der die Desinfektionskraft dieser kom¬
plexen Verbindungen steigernden Kernsubstituenten Präparate mit mög¬
lichst hohem Wirkungswerte herzustellen. In allen Fällen konnten wir
unsere frühere Beobachtung bestätigen, derzufolge die Stellung der Sub¬
stituenten im Benzolkem für die erzielbare Wirkung nicht ohne Bedeutung
ist, und wir können diese Beobachtung durch die vorliegende Untersuchung
dahin erweitern, daß auch die Stellung des Oxyqueeksilberrestes zur Phenol¬
gruppe einen erheblichen Einfluß auf das Wirkungsresultat ausübt. Denn
einerseits konnten wir z. B. nicht unerhebliche Unterschiede in der Des¬
infektionskraft der merkurierten drei isomeren Kresole feststellen, von
denen analog den an den unsubstituierten Kresolen gemachten Beobach¬
tungen das m-Derivat die größte Wirkung besitzt, andererseits konnten
wir zeigen, daß das o-Oxyqueeksilberphenolnatrium dem p-oxyquecksilber-
phenolnatrium an Desinfektionskraft nicht unerheblich überlegen ist. Wie
bei unseren früheren Untersuchungen, so konnten w r ir auch hier schließlich
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Desinfektionskraft komplexer organ. Quecksilberverbindungen. 281
am Beispiel des Dioxyquecksilberphenolnatriums (Providol) zeigen, daß
der Eintritt einer zweiten Oxyquecksilbergruppe in den Benzolkem die
Desinfektionskraft nicht unerheblich steigert.
Die von uns geprüften Verbindungen erhielten wir sämtlich durch
Behandlung der organischen Grundkörper mit der berechneten Menge
Quecksilberacetat im alkoholischen Lösungsmittel. Die meist schon nach
24stündigem Stehen ausgeschiedenen Produkte wurden aus geeigneten
Lösungsmitteln umkristallisiert, in der berechneten Menge N-Natronlauge
gelöst und mit Wasser auf den beabsichtigten Quecksilbergehalt eingestellt.
Als Testobjekt haben wir wieder, wie in unseren früheren Arbeiten,
den Staphylococcus pyogenes aureus benutzt, auch die Prüfungsmethode
(Glasperlenmethode) haben wir unverändert beibehalten.
Lediglich das Oxyquecksilber-o-chlorphenolnatrium und das Di-
oxyquecksilberphenolnatrium, die sich unter den geprüften Präparaten
als besonders wirksam erwiesen, haben wir ihrer voraussichtlichen prak¬
tischen Bedeutung halber auch an anderen Bakterienarten, daneben aber
auch auf ihre fungicide und parasiticide Wirkung geprüft. Unsere schon
längere Zeit vorliegenden Versuchsergebnisse haben in der Zwischenzeit,
besonders auch in letztgenannter Richtung, durch die Prüfung der auf
Grund dieser Arbeiten für verschiedene technische Zwecke hergestellten
Handelspräparate (Pflanzenschutz- und Holzkonservierungsmittel) weit¬
gehende Bestätigung gefunden. 1
Prflfungsergebnisse.
Zum Verständnis der nachstehenden Tabellen sei erwähnt, daß die
jeweilig verglichenen Lösungen wie bei unseren früheren Untersuchungen
wiederum gleiche Normalität (N/80 und N/160 besaßen. H—|—j- bedeutet
sehr starkes Wachstum (über 100 col.), ++ starkes Wachstum (30 bis
100 col.), + Wachstum (10 bis 30 vol.), — kein Wachstum (eventuell bei
Zahlenangabe 1 bis 10 col.).
Wie aus den nachstehenden Tabellen hervorgeht, besitzen die Natrium¬
salze der Oxyquecksilberphenole den Natriumsalzen der entsprechenden
Oxyquecksilbercarbonsäuren gegenüber in der Tat eine nicht unbedeutend
höhere Wirksamkeit (vgl. Tab. I Nr. 1 und 4, Nr. 2 und 7, Nr. 3 und 14).
Im übrigen finden jedoch die Gesetzmäßigkeiten, welche sich bei den Oxy-
1 vgl. Remy und Vasters,
(Uspulun) als Pflanzenschutzmittel.
Nr. 91 — 92. 1914. u. a.
Beobachtungen über Chlorphenol-Quecksilber
Illustrierte Landwirtschaftliche Zeitung . XXXIV.
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Walther Schrauth und Walter Schoeller
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Desinfektionskraft komplexer organ. Quecksilberverbindungen. 283
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Walther Schrauth und Walter Schoeller
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Oxyc|ueck«ill*.*r-l -U-4-xylenobiatriuiu
Desinfektioxskraft komplexer orciAN. Quecksilberverbinduxgen. 285
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Walther Schrauth und Walter Schoeller:
quecksilbercarbonsäuren mit der Substitution von Benzolkemwasserstoff-
atomen in Bezug auf das Wirkungsresultat ergaben (vgl. Mitteil. II, Tab. III
und V), auch bei den hier geprüften Oxyquecksilberphenolen ihre volle Be¬
stätigung. Die bereits eingangs erwähnten Unterschiede in der Wirk¬
samkeit isomerer Verbindungen sind aus den Tabellen selbst ohne weiteres
ersichtlich, doch läßt es sich an Hand der vorliegenden Ergebnisse nicht
entscheiden, ob auch hier gesetzmäßige Beziehungen zwischen der
Stellung der einzelnen Substituenten im Benzolkern und der Desinfektions¬
kraft der geprüften Verbindungen bestehen.
Versuche mit Oxyquecksilber-o-ohlorphenolnatrium und
Dioxyquecksilberphenolnatrimn.
Für die folgenden Versuche, die die Wirksamkeit des Oxyquecksilber-
o-chlorphenolnatriums und des Dioxyquecksilbcrphenolnatriums bei einer
möglichst großen Anzahl verschiedenartiger Bakterien zeigen sollte,
haben wir im Gegensatz zu den vorbeschriebenen Untersuchungen die
von Bechhold 1 empfohlene Agarmethode benutzt, da in Sonderheit Strepto¬
kokken und Diphtheriebazillen durch das Antrocknen an Glasperlen und
dergleichen so geschädigt werden, daß einwandfreie Versuchsergebnisse
nach der Glasperlenmethode nicht erzielt werden können. Außerdem ist
für die praktische Erprobung eines Desinfektionsmittels die Agarmethode
anderen Methoden auch deshalb vorzuziehen, weil das Desinfektionsmittel
einen starken Bakterienrasen völlig durchdringen, also höheren Anforde¬
rungen als sonst entsprechen muß.
Die Methode selbst wurde in folgender Weise ausgeführt: Röhrchen
mit Schrägagar wurden mit den einzelnen Bakterienarten besät und nach
24 bzw. 48stündigem Wachstum im Brutschrank mit 5 ccm der zu prüfenden
Lösungen übergossen. Nach Ablauf der beabsichtigten Einwirkungszeit
wurde die Flüssigkeit entfernt, der Bakterienrasen zweimal mit l%oiger
Natronlauge und einmal mit sterilem Wasser ausgewaschen und schließlich
auf frischen Agar übergeimpft. (Vgl. Tabelle III.)
Die Versuche zeigen, daß das Oxyquecksilber-o-chlorphenolnatrium und
das Dioxyquecksilberphenolnatrium den geprüften Bakterien gegenüber in
fast gleichmäßiger Weise eine Wirksamkeit besitzen, die sie unter den bisher
bekannten Desinfektionsmitteln mit an erster Stelle erscheinen lassen muß.
Die Präparate gewinnen jedoch, wie die Alkalisalze der aromatischen Oxy-
quecksilbercarbonsäuren und -phenole überhaupt, an praktischer Be-
1 Diese Zeitschrift. 1909. LXIV. S. 116.
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DeSIXFEKTIONSKRAFT KOMPLEXE« ORGAN. QUECKSILBERVERBINDUNGEN. 287
Tabelle III.
Oxyquecksilber-o-chlorphenolnatrium (Uspulun) HOHg • C 6 H 3 C1 • 0 Na.
Normalität 1 / im . 100 ccm enthalten 0*125 g Hg.
Testobjekt
Staphylokokken . . .
Streptokokken ....
Colibakterien.
Diphtheriebazillen. . .
Typhusbazillen ....
Paratyphusbazillen X .
Milzbrandsporen . . .
Dioxyquecksilberphenolnatrium (Providol) (HOHg) 2 *C 6 H 3 *ONa.
Normalität 1 / im . 100 ccm enthalten 0*250 g Hg.
Testobjekt
Staphylokokken . . .
Streptokokken ....
Colibakterien.
Diphtheriebazillen. . .
Typhusbazillen ....
Paratyphusbazillen X .
Milzbrandsporen ....
deutung durch den Umstand, daß diese Verbindungen im Gegensatz zu
allen bisher bekannten chemischen Substanzen eine Abschwächung ihrer
Desinfektionskraft auch bei Gegenwart von Seife nicht erfahren und außer¬
dem in Seifen, die vorwiegend aus den Alkalisalzen gesättigter Fettsäuren
bestehen, dauernd unzersetzt haltbar sind. Infolgedessen müssen die unter
Zusatz der genannten Quecksilberverbindungen hergestellten Desinfektions-
seifen, die auch von der Haut ohne jede Ätz- und Reizwirkung vertragen
werden, einerseits zur Reinigung und Desinfektion der Hände vor der
Vornahme von Operationen, vor und nach gynäkologischen Untersuchungen,
zur Desinfektion ärztlicher Instrumente usw. als besonders geeignet er¬
scheinen, andererseits bei parasitären und bakteriellen Haut- und Haar¬
krankheiten (Furunkulose, Acne vulgaris, Seborrhoe u. a.) als wohlbrauch¬
bare Therapeutica gelten. Die auf Grund eingehender Spezialuntersuchungen 1
unsererseits in den Arzneischatz eingeführten Präparate dieser Art (Afridol-
1 Schrauth und Schoeller, Med. Klinik. 1910. Nr. 36.
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288 Walther Schrauth u. Walter Schoeller: Desinfektionskraft usw.
und Providolseife) haben, wie aus der bisher erschienenen Literatur 1 hervor¬
geht, diesen Erwartungen durchaus entsprochen, in allerletzter Zeit hat
sich insonderheit die Providolseife in einer den gegebenen Verhältnissen
besonders angepaßten Form auch für die Behandlung der Baude bei Pferden
als äußerst wirksam erwiesen.
Für die Durchführung dieser Untersuchungen war uns eine Beihilfe
aus den Mitteln der Jagor-Stiftung bewilligt worden. Dem Kuratorium
der Jagor-Stiftung möchten wir daher auch an dieser Stelle unsern ver¬
bindlichsten Dank aussprechen. Des weiteren möchten wir uns erlauben,
Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Flügge für das uns während der Aus¬
führung dieser Untersuchungen stets bewiesene Wohlwollen ebenfalls
unsern ergebensten Dank zum Ausdruck zu bringen.
1 R. Müller, Deutsche med. Wochenschrift. 1912. Nr. 12. — F. Schmidt,
Therapie der Gegenwart. 1912. Heft 6. — Peters, Münch, med. Wochenschrift.
1913. Nr. 30. — Neumark, Hygienische Rundschau. 1912. Nr. 21. — Bernheim,
Bert. klin. Wochenschr. 1914. Nr. 32. u. a.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle und seine Ursachen
mit besonderer Berücksichtigung der Wirkung des Kupfers.
Von
Dt. Th. Meaaerschmidt,
Assistent des Instituts für Hygiene und Bakteriologie an der Universität Straßburg i. E.
(Hieran Taf. II-V1I.)
I. Teil.
Vorliegende Untersuchungen wurden angeregt durch eine Beobachtung
meines sehr verehrten Chefs, Herrn Geheimrat Uhlenhuth, der schon
zu Beginn des Feldzuges 1914 zeigte, daß das französische Infanteriegeschoß
in infizierten Bakteriennährböden das Wachstum von Keimen in einer
Breite von durchschnittlich etwa 1 / a cm rund um das Geschoß herum ver¬
hindert. Dem deutschen und belgischen Geschoß, die als Kontrolle zu
diesem Versuch herangezogen wurden, kommen diese keimtötenden Eigen¬
schaften in keiner Weise zu: Die Bakterien wachsen in nächster Nähe jener
Geschosse ebenso üppig, wie weiter von ihnen entfernt, während in der
gleichen Agarplatte neben dem Kupfergeschoß eine unbewachsene Zone
bleibt. Die Versuchsanordnung, die zu dieser Beobachtung führte, war
folgende: Gewöhnlicher leicht alkalischer Nähragar wurde verflüssigt, auf
etwa 50° abgekühlt, mit einer Öse Typhusbazillen infiziert und in eine
Petrischale gegossen. In den noch flüssigen Agar wurden sodann ein fran¬
zösisches Infanteriegeschoß, ein etwa 4 mm dicker Querschnitt eines solchen
und weiter ein deutsches Infanterie-S-Geschoß (Gewehr 98), die sämtlich
vorher durch Waschen in Alkohol und nachfolgendes Abbrennen steri¬
lisiert waren, gelegt. Nach 24stündiger Bebrütung zeigte sich, daß um
das französische Geschoß sowie um den Querschnitt eines solchen herum
eine etwa 5 mm breite wachstumsfreie Zone blieb, während die übrige
Platte auch in der Nähe des deutschen Geschosses gleichmäßig dicht und
üppig bewachsen war. Diesen Versuch zeigt Fig. 1, Taf. II, bei dem die
photographische Aufnahme am 5. Versuchstage gemacht wurde. Im durch¬
fallenden Lichte erkennt man, wie der größte Teil der Petrischale undurch-
ZettÄchr. f. Hygiene. LXXXII
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Th. Messerschmidt:
sichtig wurde, während um das französische Geschoß herum eine trans¬
parente, nicht bewachsene Zone blieb.
In der Umgebung des unteren Drittels des deutschen Geschosses sind
der Agar und die auf ihm wachsenden Kolonien leicht bräunlich verfärbt.
In der Nähe der französischen Geschosse zeigt der nicht bew r achsene Agar
nach 24 Stunden keinerlei- Verfärbung. Erst nach etwa 3 Tagen färbt er
• sich leicht grünlich; am Geschoß selbst bilden sich bläulichgrüne Borken,
die tief in den Agar hineinragen und ihn undurchsichtig machen. Die Braun¬
färbung des Nährbodens in der Gegend des unteren Drittels des deutschen
Geschosses nimmt von Tag zu Tag zu, bis dort der Nähragar, wie in
Fig. 1, Taf. II, zu sehen ist, völlig braun und undurchsichtig wird. Auf
die Erklärung dieser Erscheinung wollen wir später eingehen. Hier inter¬
essiert zunächst die Frage nach der keimtötenden Eigenschaft des fran¬
zösischen Geschosses. Es besteht aus Kupfer, das deutsche dagegen ist
ein Stahlmantelgeschoß mit Bleikern.
Es liegt auf der Hand, die keimtötenden Eigenschaften des franzö¬
sischen Kupfergeschosses mit der Wirkung, wie sie von Münzen und son¬
stigen kupferhaltigen Gebrauchsgegenständen her bekannt ist, in Zu¬
sammenhang zu bringen. Über die desinfizierende Wirkung von Kupfer
und auch sonstigen Metallen liegen eine größere Reihe von Untersuchungen
vor. Beim Studium der Literatur fällt aber, mehr als das in anderen Fragen
der Fall ist, auf, daß die Befunde als solche bei den verschiedenen Autoren
trotz gleicher oder doch ganz ähnlicher Untersuchungsmethoden außer¬
ordentlich verschieden sind, ohne daß hierfür bislang eine plausible Er¬
klärung gegeben wäre.
Miller (1) zeigte als erster, daß zu Goldkronen verarbeitetes Gold in
kariösen Zähnen ebenso wie in infizierten Nährböden stark desinfizierend
auf seine Umgebung wirkt. Schill (16) prüfte verschiedene chemisch reine
Metalle auf ihre keimtötenden Eigenschaften in infizierten Gelatine- und
Agarnährböden und stellte solche besonders für Silber und Thallium fest.
v . Behring (2) widmete dann dieser Frage ein eingehendes Studium
und fand, daß Gold, Silber, Quecksilber, Kupfer, Nickel, Zink in Gelatine¬
kulturen von Milzbrand, Diphtherie, Bac. pyocyaneus, Cholera und Typhus
(Gold hatte auf letztere keinen Einfluß) wirkten, während Zinn, Eisen und
Aluminium keinen Einfluß hatten. Unlösliche Metallsalze, wie z. B. das
Kalomel, verhielten sich wie die Metalle selbst. Uffelmann (3) ließ Cholera¬
stuhl oder Cholerabouillonkulturen an Kupfer- und Silbermünzen antrocknen
und fand, daß die Vibrionen in etwa 25 Minuten abgetötet wurden, während
an Platin dazu 5, an Papier 23 Stunden nötig waren. Bolton (4) legte
Metallstücke in infizierte Agarplatten und fand, daß chemisch reines Gold
und Nickel nur auf Milzbrand, nicht auf andere Bakterien wirkte. Auf
Staphylokokken, Milzbrand, Cholera, Typhus, Coli, Prodigiosus, Pyocyaneus
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
291
wirkten keimtötend: Kupfer, Silber, Magnesium, Antimon, Zink, Kadmium,
Quecksilber, Eisen; ohne Einfluß auf das Wachstum war Platin, Aluminium,
Silizium, Niobium. Das Wismut hatte keimtötende Eigenschaften nur auf
Staphylokokken. Nickelmünzen wirkten im Gegensatz zum reinen Metall
stark keimtötend. — In der Literatur kehrt, soweit ich feststellen konnte,
seit der Arbeit von Crede und Beyer regelmäßig die Angabe wieder, Bolton
habe Antimon als unwirksam gefunden, während er gerade Antimon als eines
der wirksamsten Metalle erwähnt. Diese Verschleppung unrichtiger Literatur¬
angaben sei hiermit richtiggestellt. — Ficker (5) fand in Fortsetzung der f
v. Nägelischen Versuche über die oligodynamische Wirkung des Kupfers,
daß metallisches Kupfer in Wasser in ganz außerordentlich starken Ver¬
dünnungen noch keimtötend wirkt. Ähnliches bestätigten Israel und Kling-
mann (17) für Bact. coli. Vincent (6) untersuchte Münzen auf ihren Gehalt
an pathogenen Keimen und fand solche bei etwa 10 Prozent. Meist handelte
es sich um Eitererreger, einmal um Tuberkelbazillen und um Tetanus.
Christian (7) fand mit Leitungswasser keimtötende Eigenschaften von
Kupfer, Messing, Zink, Eisen, in geringerem Maße beim Blei. Nickel war
unwirksam. Crede und Beyer (8) wiesen keimtötende Eigenschaften des
Silbers auf Staphylokokken, Streptokokken und Milzbrandbaziillen nach.
Diese desinfizierenden Stoffe entstehen nach ihren Untersuchungen erst
dann, wenn pathogene Keime vorhanden sind. Thiele und Wolf (9) ver¬
wenden von ihnen selbst chemisch rein dargestellte Metalle. In Plattenform
wirkte auf Staphylococcus pyogenes aureus deutlich Silber und Queck¬
silber; ohne Wirkung waren Gold, Blei, Zinn, Eisen, Zink, Magnesium, Alu¬
minium. Als Metallpulver angewandt, ergaben sich abweichende Befunde
insofern, als auch Zink, Kupfer und Magnesium (Schuchardt) desinfi¬
zierten, während das Magnesium (Merck) unwirksam war. Schenk (10)
stellte Versuche mit Gelatinekulturen von Bac. prodigiosus an: Blei, Zinn,
Eisen und Gold (Zylindergold) hatten keinen Einfluß, während Silber eine
1-5 cm breite, Zink eine 2-5 cm breite wachstumsfreie Zone, deren Schmelz¬
punkt erheblich (bis 40° C) erhöht war, um sich herum bildeten. Hoffmann
(11) empfahl auf Grund seiner Untersuchungen zur Behandlung infizierter
Wunden aus Zinn, bzw. aus Kupfer bestehende Präparate als ,,Epithol
Silber“ und „Epithol Gold“. Bohtz (12) prüfte die Angaben nach und
erweiterte sie durch Prüfung verschiedener Metallpulver auf ihre Wirksam¬
keit in infizierten Wunden und infizierten Nähragarplatten. Milzbrand¬
sporen keimten unter dem Einfluß von Kadmium-, Magnesium-, Kobalt-,
Kupfer-, Silber-, Wismut-, Zinkpulver, Epithol Silber und Epithol Gold
nicht aus. Auf Staphylokokken wirkten quantitativ geordnet: Zink, Kupfer,
Silber, Kobalt, Nickel. Auch in Aszites fanden durch Metallpulver Ent¬
wicklungshemmungen statt, die Bohtz durch das Zustandekommen von
Metallalbuminaten erklärt. Kraemer (13) infizierte filtriertes Wasser mit
Bouillonkulturen von Typhus und Cholera und legte Kupferplatten hinein:
Bei einer Größe derselben von 9 qcm Oberfläche pro Liter Wasser fand eine
Abtötung der Keime statt. Hübners (14) Untersuchungen erstreckten sich
in erster Linie auf den Gehalt von Bakterien — besonders Bact. coli — an
Metallgeld Die Zahl schwankte zwischen 2530 Keimen bei den Dreimark¬
stücken und 5062-5 Keimen an Einpfennigstücken. Gefunden wurden
19 *
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Th. Messerschmidt:
Kokken (keine Diplo- und Streptokokken), Schimmelpilze, Bac. mesent.,
Proteus vulgaris. Wurden Fäzes auf Geldstücken verrieben, so ließ sich
Bact. coli nach einigen Tagen nicht mehr nachweisen, und zwar an Gold*
nach 4 Tagen, an Nickel- nach 3 bis 4 Tagen, an Silber- und Kupfergeld
nach 3 Tagen, während von Glasplatten noch nach 14 Tagen Bact. coli ge¬
züchtet werden konnte. Bitter (19) untersuchte die Haltbarkeit von Bak¬
terien an metallischen und anderen Gebrauchsgegenständen, insofern also
an meist chemisch nicht reinen Metallen. Am wirksamsten fand er das Kupfer,
es folgten dann Messing, Silber, Gold, Platin, Blei, Gußeisen, Stahl, Alumini¬
um. Wirksam waren auch Nickel, Zink, unwirksam Zinn. Bei den Versuchen
bestand kein Unterschied, ob an den Metallen die Bakterien in wässeriger
Aufschwemmung oder als Bouillonkulturen angetrocknet waren, ob die Me¬
talle geputzt oder nicht geputzt waren. Natoneck und Heitmann (15)
bestätigten im wesentlichen nur frühere Angaben, ohne viel Neues zu bringen.
Sie prüften die desinfizierende Wirkung von Metallen und Münzen in in¬
fizierten Nährböden. Daß eine Keimtötung auch dann noch stattfindet,
wenn die Münze aus dem infizierten Nährboden wieder entfernt wird, hatte
v. Behring bereits gezeigt. Im Gegensatz zu letzterem fanden sie, daß
Kupferoxyd in infizierten Nährböden nicht desinfizierend wirken soll.
Auf die verschiedenartigen Erklärungsversuche, die die Autoren für
ihre Befunde gaben, wollen wir später eingehen, ebenso auf die Frage,
wie die anscheinend so ganz und gar verschiedenen Befunde zu er¬
klären sind.
Der anfangs beschriebene Versuch Uhlenhuths wurde mit einem
ganzen Geschoß und einem Querschnitt ausgeführt. Die Wirkung des
letzteren ist prinzipiell die gleiche, wie die des ganzen Geschosses. Aus
ökonomischen Rücksichten haben wir die nun folgenden Versuche ledig¬
lich mit Querschnitten weitergeführt, soweit von französischen Geschossen
die Rede ist.
Es sollte zunächst festgestellt werden, ob sich die verschiedenen Bak¬
terienarten dem unserer Typhusbazillenstämme analog verhalten, d. h.
vom Kupfer 1 am Wachstum in der Nähe des Geschosses verhindert wurden.
Die Versuchsanordnung war bei dieser Prüfung stets die gleiche: Zu¬
nächst diente zu allen Versuchen ein leicht alkalischer Nähragar der gleichen
Kochung. Er war in Reagenzgläser von je etwa 18 ccm oder in Kölbchen
zu etwa 100 ccm Inhalt abgefüllt und sterilisiert worden. Zum Versuch
wurde die erforderliche Anzahl Röhrchen verflüssigt und auf 50° C ab¬
gekühlt. Jedes Gläschen wurde mit etwa x / 5 Öse, die Kolben mit ent¬
sprechend mehr von der fraglichen Bakterienart infiziert und gründlich
gemischt. Danach wurde der Inhalt in Petrischalen ausgegossen, und in
1 Unter „Kupfer“ wird im gesamten Teil I der Arbeit stets technisches, d. h.
nicht chemisch reines Kupfer verstanden.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
293
den noch flüssigen Nähragar ein Stück eines französischen Geschosses
gelegt. Diese waren in 70prozentigem Alkohol gewaschen, dann kurz
flambiert und wieder abgekühlt worden.
Nach dem Erstarren kamen die Platten in den Brutschrank und
wurden nach 24, 48 usw. Stunden besichtigt. Eine mehr oder weniger
wachstumsfreie Zone auf der sonst gleichmäßig bewachsenen Platte sahen
wir ohne Anwendung besonderer Maßnahmen bei folgenden Bakterienarten:
Heubazillen
Milzbrandbazillen
Bac. paratyph. B
Bact. typhi
Bact. coli mucos.
„ „ immob.i
„ „ mobil.
Bac. dysenter. Kruse
Vibrio Cholerae
Bac. violaceus
Staphylococcus aureus
Diplococc. pneumoniae
Sarcina aurantiaca
Sarcina flava
und vier verschiedenen nicht identifizierten Wasserkeimen.
Ein Keimwachstum in der nächsten Nähe der Geschosse wurde fast
regelmäßig beobachtet bei einem Wasserkeim, der in den meisten Wasser¬
versorgungsanlagen vorkommt, Bact. mobile Haenle. (Nach etwa 15-stün-
diger Bebrütung auf Endoagar wächst er sehr typhusähnlich, später
bildet er einen unverkennbaren zartgelben Farbstoff.) Bis an die Geschosse
heran wuchs auch meist Bac. pyocyaneus. Nach 24 ständiger Bebrütung
sieht man zwar in einem Umkreise von etwa 1 / 2 bis 1 cm Breite um das
Geschoß herum eine etwas hellere grüne Farbe des sonst gleichmäßig
dunkelgrün gefärbten Nährbodens. An der Grenze der helleren Zone er¬
scheint ein bläulichgrüner Schimmer. Nach weiteren 24 Stunden hellt
sich dieser Ring weiter auf, während die übrige Platte mehr dunkelgrüne
Farbe annimmt. In der Mitte dieser hellen Zone hat sich ein etwa 2 mm
breiter, scharf abgegrenzter konzentrischer Ring von dunkelblaugrüner
Farbe gebildet.
Im Laufe der nächsten Tage zerfällt dieser Ring, den wir nur bei
Bac. pyocyaneus beobachteten, in fünf bis sechs schmalere konzentrische
Kreise, die allmählich einen mehr rotgrünen dunklen Farbenton annehmen.
Die anfänglich hellgrüne Umgebung des Kupfergeschosses wird ebenfalls
violett.
Diese eigentümliche Ringbildung ist in der Fig. 2, Taf. II, gut zu
erkennen. Auf die Erklärung, wie diese entsteht, werden wir später ein-
gehen.
In Fig. 2, Taf. II, die in durchfallendem Lichte photographiert wurde,
ist der dunkle Fleck Nr. 1 ein französisches Geschoß; um ihn herum ist
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Th. Messerschmidt:
eine breite aufgehellte Zone und in dieser die beschriebene Ring¬
bildung zu erkennen. Der Fleck 2 ist Kuprioxyd (CuO); gleiches Ver¬
halten zeigt Kuprooxyd (Cu 2 0). Beide Oxyde des Kupfers wirken also
in gleicher Weise wie das Metall; Fleck 4 zeigt das Cuprum citricum an,
hier ist die aufgehellte Zone ebenso deutlich, wie beim Kupfer und seinen
Oxyden. Die Ringbildung ist nicht zu erkennen. Sie tritt bei den häufigen
Wiederholungen des Versuchs nur selten und dann nur angedeutet auf.
Weshalb wir neben dem Kupfermetall auch im Wasser unlösliche Kupfer¬
verbindungen prüften, werden wir später erörtern. Erwähnt sei nur noch,
daß die Originalplatten die beschriebenen Veränderungen wesentlich deut¬
licher zeigen. Die Farbentöne rotviolett und grün waren photographisch
nicht leicht zu reproduzieren.
Auf dem anfangs hellen, grünen Ringe selbst ist das Wachstum der
Pyocyaneuskeime zwar weniger üppig, aber doch deutlich zu erkennen.
Ebenso verhält es sich mit dem Bact. mobile Haenle, bei dem in der Nähe
des Kupfers die Platte mehr transparent ist, als weiter vom Metall entfernt.
Es war nun von Interesse, festzustellen, ob nach 3tägiger Bebrütung
die trotz der Nähe des Kupfers gewachsenen Keime noch lebensfähig waren.
Es wurde von dem dort gewachsenen Rasen eine Öse voll abgeschabt
und in Bouillon verimpft. Trotz mehrtägiger Bebrütung fand kein Wachs¬
tum statt. Die anfangs gewachsenen Kolonien waren also abgestorben.
Bei öfteren Wiederholungen der Versuche mit den früher erwähnten
Keimen, die regelmäßig am Wachstum verhindert wurden, fiel auf, daß
die beschriebene keimtötende Wirkung des Kupfers keineswegs quanti¬
tativ so ganz gleichmäßig ist. Mehrfach sahen wir Typhusbazillen, Bact.
coli und andere dicht bis auf 1 mm an das Kupfer heranwachsen, während
meist der wachstumsfreie Hof 5 bis 7 mm breit ist. Es konnte allerdings
regelmäßig nachgewiesen werden, daß die in der Nähe des Kupfers inner¬
halb dieser bis 7 mm breiten Zone gewachsenen Keime nach 2, 3 und
4 Tagen abgetötet waren.
Die Erklärung für diese scheinbaren Unregelmäßigkeiten, die aus den
Angaben der Literatur zutage treten, ergab sich bald, wie aus folgenden
Versuchen hervorgeht.
Es war in je einer Serie der verflüssigte Agar mit 1 / 10 , V 5 , 1 J i , 1, 2,
3 Ösen von derselben Bakterienart infiziert werden. Nach dem Aus¬
gießen in Petrischalen, dem Einlegen von Kupfergeschossen und Be¬
brüten zeigte sich, daß in mit großen Bakterienmengen infizierten Nähr¬
böden das Wachstum bis dicht an die Geschosse heranreichte.
Wurde von Bac. pyocyaneüs, der in den ersten Versuchen stets bis
an die Geschosse heranwuchs, zur Infektion des Nähragars nur eine kleine
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
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Nadelspitze voll genommen, so daß nach 24 Stunden nur isolierte Kolo¬
nien auskeimten, so wuchsen diese nur außerhalb der Kupferzone, niemals
in einem Umkreise von 1 bis 1V 2 cm um das Geschoß herum. Die iso¬
liert stehenden Kolonien konfluierten nach mehreren Tagen, bedeckten sehr
bald die gesamte Platte und ließen eine etwa 1 cm breite wachstumsfreie
Zone um jedes Geschoß herum. Ganz analog verhielt sich das erwähnte
Bact. mobile Haenle.
Man muß sich nach diesen Beobachtungen vorstellen, daß der Über¬
gang wirksamer Stoffe vom Kupfer in den Nährboden eine gewisse Zeit
braucht. Ist die Wachstumsschnelligkeit der Bakterien größer als die
Lösungsgeschwindigkeit dieses keimtötend wirkenden Stoffes im Agargel,
so findet ein Wachstum statt. Die später dann in den Nährboden über¬
gehenden desinfizierenden Stoffe töten die gewachsenen Kolonien ab.
Aus den letzten Versuchen geht hervor, daß die einfache Angabe,
wie sie meist in der Literatur wiederkehrt, ein Stück Kupfer oder ein
sonstiges Metall habe einen wachstumsfreien Hof von 2, 3, 4 usw. mm um
sich herum verursacht, nicht viel sagt, wenn nicht die auch nur ungefähre
Menge der Bakterien dabei angegeben wird. Es gilt das vor allem für die
vergleichende!! Versuche mit verschiedenen Metallen. Für die Größe der
wachstumsfreien Zone ist es bei Kupfergeschossen, die in verdünntem
Alkohol gewaschen und dann flambiert wurden, gleichgültig, ob sie mit
Schmirgelpapier blitzblank geputzt sind, oder ob die Oberfläche durch
längeres Lagern an der Luft blind ist. In einer großen Reihe von Ver¬
suchen — mindestens 50 — konnten wir uns von dieser Tatsache über¬
zeugen.
Anders verhält es sich aber mit Geschossen, die mit einer dünnen
Schicht von säurefreiem Fett bedeckt sind. Überzieht man z. B. in der
Wärme ein Geschoß mit verflüssigtem Stearin oder mit reinem Vaselin
und legt es nach dem Erkalten in den Nährboden, so ist die Wachstums¬
behinderung entweder ganz aufgehoben, oder doch nur an einzelnen kleinen
Teilen des Geschosses eben sichtbar. Die desinfizierend wirkenden Stoffe
können also eine säurefreie Fettzone nicht passieren, oder in ihr nicht
gebildet werden. Lediglich zum Vergleich mit den früheren Angaben der
Literatur lassen wir nun noch eine tabellarische Übersicht über die Größe
der wachstumsfreien Zone, welche die von uns geprüften Bakterien in
der Nähe von Kupfer ließen, folgen. Die Zahl in der senkrechten Reihe 2
und 3 drückt in Millimetern gemessen die Breite des wachstumsfreien
Ringes aus. Von den zahlreichen quantitativ angesetzten Versuchen wählen
wir nur zwei Serien heraus: In der ersten wurden in 18 ccm Nähragar
7t Öse, in der zweiten eine Nadelspitze Bakterienrasen von Schrägagar-
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Th. Messerschmidt:
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kulturen verimpft. Die angegebene Zahl ist das Mittel aus etwa 10 ver¬
schiedenen Versuchen.
Protokoll.
18 ccm Nähragar wurden infiziert mit:
Bakterienart
V* Öse
Nadelspitze
Heubazillen.
. 5—8
7—8
Wurzelbazillen.
. 6—9
6—12
Milzbrandbazillen ....
. 3—5
4—5
B. enteritidis Gärtner . .
. 2-4
4—6
Typhusbazillen.
. 3—6
5—8
B. paratyphus B. ...
. 3—6
5—8
Bact. coli mucos.
. 3—5
4—6
Bact. coli immob. . . .
. 2—6
3—6
Bact. coli mob.
. 2—5
4—5
Staphylococcus aureus
. 2—3
2-4
Pneumokokken.
. 6—9
8—14
Bac. violaceus.
. 3—4
4—7
Bac. pyocyaneus ....
i
3—5
Bac. mobile Haenie . . .
i
2—4
Sarcina flava.
. 2—3
12—15
Sarcina aurantiaca . . .
. 5—7
6—8
4 versch. Wasserkeimen .
. 5—14
7—16
Praktisch kann man also sagen, daß alle Spaltpilze unter Anwendung
geeigneter Versuchsbedingungen durch die Nähe von metallischem, tech¬
nischen Kupfer im Nährboden am Auskeimen verhindert werden. Die
Tatsache, daß eine Art mehr oder weniger als die andere behindert wird,
könnte eventuell eine praktische Bedeutung gewinnen; für die vorliegenden
Versuche hat die quantitative Beeinflussung keine wesentliche Bedeutung.
Anders als die Schizomyceten verhalten sich die Hyphomyceten.
Wurde ein Nährboden, in den zwei Geschosse gelegt waren, nach 14 Stunden
mit den uns zur Verfügung stehenden Schimmeln (Mukor-, Penizillium-,
Aspergillusarten) beimpft, so wuchs das zierlich gefaserte Mycel wie Fig. 3,
Taf. III, zeigt, ungestört neben dem Kupfer und auch über dasselbe hinweg,
während ein Heubazillus, der ebenfalls oberflächlich auf den gleichen Nähr¬
boden geimpft war, sich in etwa l 1 / 2 bis 2 cm Entfernung von dem Ge¬
schoß entwickelte. Die Fruchtkörperbildung der Schimmel leidet in keiner
Weise; unmittelbar vom Kupfer abgeimpftes Mycel keimte auf einem
anderen Nährboden unbehindert aus, morphologisch waren keine Ver¬
änderungen zu erkennen.
Daß die beschriebenen Befunde auf die Anwesenheit des Kupfers
zurückzuführen sind, dürfte nach den analogen Ergebnissen mit Kupfer-
1 Eben erkennbar bis 0 • 5.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw. .
297
münzen ohne Zweifel sein. Es ergibt sich die Frage, wie diese Wirkung
zustande kommt.
Es ist die Ansicht ausgesprochen, die desinfizierende Kraft beruhe
auf dem unveränderten metallischen Kupfer als solchem. Obgleich dieser
Erklärungsversuch von vornherein wenig Wahrscheinlichkeit hat, haben
wir verschiedene Versuche zu seiner Widerlegung angestellt:
In eine Petrischale wurden zwei sterile Geschoßquerschnitte gelegt
und mit sterilem Nähragar übergossen. Nach 5 Stunden wurde der eine
entfernt. (Die Photographie weist an dieser Stelle ein Loch auf, vgl.
Fig. 4, Taf. III.) Nun wurde die gahze Platte gleichmäßig oberflächlich
mit Wurzelbazillen mittels eines Drigalskispatels beimpft. Nach 24 Stunden
zeigte sich, daß die Wachstumshemmung in der Umgebung des Geschosses
nicht größer und nicht kleiner war als dort, wo sich an Stelle des Ge¬
schosses ein Loch im Nährboden befand. Die Wachstumshemmung beruhte
also nicht auf der Anwesenheit des metallischen Kupfers. Gleichzeitig
wurde bei dieser Platte ebenso, wie das schon früher erwähnt war, beob¬
achtet, daß der Nährboden sich an beiden Stellen grünlich färbte. Eine
Tatsache, die als solche schon die Vermutung nahelegt, daß Kupfer im
Nährboden in Lösung geht.
Man muß annehmen, daß, wenn das ungelöste metallische Kupfer die
Keimtötung bewirkt, eine Infektion der Geschosse nicht möglich wäre.
Wir züchteten einen sehr üppig wachsenden Stamm von Bact. coli. Von
der Kultur wurden etwa 10 Ösen in einigen Tropfen destillierten Wassers
verrieben, so daß ein dicker Bakterienbrei entstand. Mit ihm wurden drei
in Wasser und Alkohol gewaschene und flambierte Geschosse bestrichen.
Geschoß Nr. 1 in Fig. 5, Taf. IV, wurde unmittelbar nach der Infektion
in einen Exsikkator über Chlorkalzium gelegt und dieser luftleer gepumpt.
Geschoß 2 und 3 wurden mit einem Tropfen Bouillon befeuchtet, in diesem
wurde die Bakterienaufschwemmung verrieben. Nr. 2 blieb bei Zimmer¬
atmosphäre, 3 in einer feuchten Kammer bis zum nächsten Tage stehen.
Die Trocknung von Nr. 2 dauerte etwa 10 Minuten, die von Nr. 1 etwa
1 Minute. Am 2. Tage wurde in eine Petrischale steriler Nähragar ge¬
gossen und in den noch flüssigen Nährboden die drei Geschosse gelegt.
Das Resultat war folgendes (vgl. Fig. 5, Taf. IV): Von Geschoß 1 keimte
üppiges Coliwachstum aus; bei 2 und 3 fand kein Wachstum statt.
An in Alkohol gewaschenem technischen Kupfer lassen sich also
ohne Anwesenheit von Bouillon Colikeime für längere Zeit antrocknen
und das gleiche gilt für Typhusbazillen, Heubazillen und andere mehr.
Selbst kurz dauernde Einwirkung von Bouillon bringt dagegen die Keime
zur Abtötung (vgl, die Versuche v. Esmarchs). Zur Vervollständigung
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Th. Messerschmidt:
dieses Versuches wurde am 2. Tage von dem üppigen Coliwachstum an
Geschoß 1 abgeimpft und über die ganze Platte ausgestrichen. Bei 2 und 3
kam kein Wachstum zustande; erst am 5. und 6. Tage keimte aus der Nähe
von Geschoß 1 abgeimpftes Bakterienmaterial auf frischen Nährböden
nicht mehr aus. In diesem Versuche wurden sehr große Mengen von
Bakterien in Wasser verrieben und auf die Geschosse gebracht. Bei In¬
fektion derselben mit geringen Mengen bietet sich im Prinzip ein ganz
gleiches Bild. Auch hier findet ein Wachstum in nächster Nähe des Ge¬
schosses statt. Allerdings ist es erheblich geringer und spärlicher. Werden
durch Kondenswasser und durch Auskeimen die Bakterien auf andere
Stellen des Nährbodens verschleppt, d. h. stehen sie außerhalb der
Kupferwirkung, so wachsen sie zu üppigen Rasen aus, wie das in Fig. 6,
Taf. IV, leicht zu erkennen ist. Die weißen Streifen auf der Photo¬
graphie zeigen das Bakterienwachstum an.
Zahlreiche Versuche mit Gelatine ergaben mit allen Bakterien das
gleiche Resultat wie im Nähragar. Das legte die Vermutung nahe, daß
die wirksame desinfizierende Substanz durch das gemeinsame beider Nähr¬
böden, die Bouillon, gebildet wird. Die folgenden Versuche wurden daher
neben Agar und Gelatine auch großenteils mit Bouillon ausgeführt.
Bringt man in ein Röhrchen mit 5 ccm Bouillon ein Stück steriles
Kupfer und beimpft den Nährböden sofort mit Typhus oder auch anderen
Bazillen, so findet ein ganz erheblich geringeres Wachstum wie in einem
Kontrollröhrchen ohne Kupfer statt. Nach 2 Tagen schon ist die das
Kupfer enthaltende Bouillon steril: Von ihr auf neue Nährböden übertragene
Tröpfchen keimen nicht mehr aus. Dabei ist die Bouillon nur wenig grünlich.
Die Tatsache, daß der nicht bewachsene feste oder flüssige Nähr¬
boden anfangs nicht gefärbt ist, hat wahrscheinlich eine Reihe von Unter¬
suchern zu der Annahme verleitet, daß im Agar eine ähnliche Ausstreuung
von metallischem Kupfer stattfände, wie sie von Nägeli zur Erklärung
seiner bekannten Versuche über die oligodynamische Wirkung des Kupfers
in Quellwasser annimmt.
Tatsächlich findet ja im Quellwasser, wie sich durch Prüfung des elek¬
trischen Leitungswiderstandes leicht zeigen läßt, eine Lösung von Kupfer
und anderen Metallen statt, wenn auch in ganz minimalen Mengen. Wie
eine vermehrte Lösung des Kupfers und speziell wie die Wirkung auf Zellen
zu erklären ist, führt Spiro (26) eingehend aus. Es sei hier auf seine Dar¬
stellung verwiesen. Es spielen dabei die Bestandteile und Stoffwechsel¬
produkte der Zellen eine wesentliche Rolle.
In unseren Nährbodenversuchen liegen die Verhältnisse insofern anders,
als in ihm reichlich Stoffe vorhanden sind, die direkt und indirekt eine Lösung
des Kupfers in Salzform ermöglichen.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
299
Hiernach, sowie nach den weiter unten noch näher zu beschreibenden
Versuchen halten wir eine Erklärung der Desinfektionswirkung im Nähr¬
agar nach der von Nägelischen Theorie für unwahrscheinlich. Ehe wir
auf unsere eigenen Versuche zur Darstellung der desinfizierend wirkenden
Substanzen eingehen, seien noch die übrigen in der Literatur vorhandenen
Erklärungsversuche besprochen.
Miller, der als erster die desinfizierende Wirkung von Goldplättchen
und goldenen Zahnkronen beobachtete, stellte sich vor, daß an der Ober¬
fläche des Metalls sich Sauerstoff kondensiere, der im Nährboden frei wird
und dann die Keime abtötet. In der Reduktionsflamme geglühte Metalle
wirkten indessen nicht anders als lange dem Luftzutritt ausgesetzte. Es
gilt das sowohl vom Golde wie auch vom Palladium, das ja gerade als be¬
sonders starker Gaskatalysator bekannt ist. Eine wesentlich desinfizierend
wirkende Kraft kommt also dem auf dem Metall eventuell kondensierten
Sauerstoff nicht zu.
v. Behring hält eine Wirkung von auf den Metallen kondensiertem
Gas auch für unwahrscheinlich; er ist der Ansicht, daß die Metalle im Nähr¬
boden in Lösung gehen und führt die Lösung auf die von den Bakterien ge¬
bildeten Stoffwechselprodukte zurück. Er begründet diese Ansicht mit der
Beobachtung, daß die verschiedenen Bakterienarten in völlig ungleicher
Weise im Nährboden beeinflußt werden. Je mehr die Lösung des Metalls
bewirkende Stoffwechselprodukte gebildet werden, d. h. je mehr Metall
gelöst werden kann, um so breiter würde danach die wachstumsfreie Zone
im Nährboden sein. An Stoffwechselprodukte der Bakterien denken auch
Crede und Beyer; sie stellten fest, daß die Bakterien Milchsäure bilden,
und nehmen an, daß diese Bakterienmilchsäure das desinfizierend wirkende
milchsaure Silber bildet. Natoneck und Reitmann denken an elektro¬
lytische Vorgänge, die ihren Ursprung in Strömen haben könnten, die in
den Kupfermünzen als Metallegierungen entstehen. Daß die Metalle in
diesen Legierungen in der elektrischen Spannurgsreihe sich sehr nahe stehen,
ist zur Widerlegung dieser Theorie weniger ausschlaggebend als die Tatsache,
daß in Legierungen, in denen die Metalle in direktem Kontakt stehen, über¬
haupt keine fließenden Ströme bekannt sind. Daß im Nährboden in der
Nähe des Kupfers indessen elektrische Ströme vorhanden sind, steht außer
Zweifel. Thiele und Wolf haben sich in eingehenden Untersuchungen mit
dieser Frage beschäftigt. Wir haben früher bereits beschrieben, daß am
Kupfer selbst sich grüne Borken, also ein Salz des Kupfers, gebildet hatten.
Nun finden sich bekanntlich bei jeder Salzbildung elektrische Ströme, die
bei der Ionisierung entstehen, bzw. in Lösungen diese bewirken. Diese Ströme
sind aber so schwach, daß eine Desinfektion von ihnen gar nicht zu erwarten
ist. Ganz unvergleichlich viel stärkere Ströme sind auf die Keimtötung
vollkommen unwirksam. Nachdem Natoneck und Reitmann ihre Ver¬
suche, die desinfizierende Wirkung des Kupfers durch elektrische Ströme
als nicht beweisbar auf geben, kommen sie zu der Ansicht, daß die Er¬
klärungen, die nicht direkte Metallwirkung als Ursache der Bakterien¬
schädigung annehmen, „unhaltbar“ sind. Zum Teil begründen sie ihre An-
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300
Th. Messerschmidt:
sicht mit einem Versuch, in dem Kupferoxyd nicht desinfizierend in Nähr¬
böden wirkte. Da die Versuchsanordnung von Natoneck und Reitmann
nicht näher beschrieben ist, vermag ich keine Erklärung für ihre, den mei-
nigen widersprechenden, Resultate zu geben.
In meinen zahlreichen, mehr als 150 Petrischalen umfassenden Ver¬
gleichsversuchen mit Kupfer und seinen Oxyden konnte ich ebenso wie
von Behring keinen Unterschied in den Wirkungen von Metall und
Oxyden feststellen.
Kurz zusammengefaßt, wurden also folgende Erklärungsversuche für
die Desinfektionswirkung der Metalle gegeben:
1. Gase, besonders Sauerstoff, der auf dem Metall kondensiert ist,
2. reine Metallwirkung,
3. elektrische Ströme,
4. Metallsalze, die durch Vermittlung der Bakterien entstehen.
Es wurden in den infizierten Agar außer metallischem Kupfer ver¬
schiedene in Wasser unlösliche Kupferverbindungen gelegt:
Kupferoxyd CuO, Kupferoxydul Cu 2 0 und Cuprum citricum. Diese
chemisch reinen Substanzen hatten keinerlei andere Wirkung wie das
metallische Kupfer selbst. Die wachstumsfreie Zone um diese Verbindungen
herum ist genau so breit wie beim Kupfer. Es zeigt dies Fig. 7, Taf. V,
auf der die runden dunklen Punkte je ein Geschoß, der unregelmäßige
Kupferoxyd sind. Der Nähragar wurde mit Typhusbazillen infiziert. Die
Verfärbung des Agars ist qualitativ und quantitativ die gleiche. Ja sogar
die eigentümliche Ringbildung, die früher beim Bac. pyocyaneus be¬
schrieben ist (vgl. Fig. 2, Taf. II), findet sich hier in ganz gleicher Weise.
In den früheren Versuchen haben wir nur mit Geschossen gearbeitet;
für die weiteren Untersuchungen erwies es sich als zweckmäßig, Kupfer¬
platten von etwa 2 zu 3 cm Kantenlänge zu wählen. Als Testbakterien
diente ein Wurzelbazillenstamm, der als dickes, faltiges Häutchen auf
Bouillon wuchs.
Diese Häutchen von 3- bis 4 tägigen Kulturen wurden von der Bouillon
abgehoben, in reichlich physiologischer Kochsalzlösung gespült und dann
in sterilem, destillierten Wasser unter ständiger Erneuerung gewaschen.
Diese „reinen“ Wurzelbazillen wurden sodann in wenigen Kubikzenti¬
metern sterilen destillierten Wassers zu einer dicken Emulsion verrieben.
Mit dieser wurden Fließpapierstreifen von 1 / 2 qcm Größe infiziert, nach¬
dem sie in physiologischer Kochsalzlösung und in Aqua destillata gründ¬
lich gespült und dann im Dampftopf sterilisiert waren.
Die so behandelten und infizierten Fließpapierstreifen wurden über
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
301
Chlorkalzium im Exsikkator rasch getrocknet. Mit ihnen wurden fol¬
gende Versuche angesetzt:
Zunächst wurde täglich ein Teststreifen auf Schrägagar verimpft und
festgestellt, daß während der Versuchsdauer von etwa 8 Wochen ein
üppiges Wurzelbazillenwachstum von ihnen ausging.
In genau gleicher Weise wurden Fließpapierstreifen mit in destil¬
liertem Wasser verriebenen Typhusbazillen infiziert und getrocknet.
Dieses Testmaterial erwies sich indessen weniger resistent; nach 10
bis 15 Tagen waren die Typhusbazillen abgestorben.
Die zu diesen Versuchen gebrauchten Kupferplatten aus nicht chemisch
reinem Metall wurden mit Schmirgelpapier blank geputzt, in Seifenwasser
und Ammoniak gewaschen, dann in destilliertem Wasser gespült. Eine
Serie von Platten blieb blank, die andere wurde durch mehrfaches Glühen
in einer Gasflamme und Abkühlen bei Zimmertemperatur auf ihrer Ober¬
fläche leicht oxydiert. Die Versuchsanordnung wurde so getroffen, daß
in einem Parallelversuch zwischen je zwei gleichartige Kupferplatten in
einer Serie obige Heubazillen, in der anderen das an Fließpapier befind¬
liche Typhustestmaterial gelegt wurde, und zwar wurden die Streifen
1. 1. trocken zwischen zwei blanke und zwischen zwei oxydierte Platten,
2. trocken zwischen zwei Glasplatten gelegt.
IL 1. Die trocken zwischen zwei a) blanke, b) oxydierte Kupferplatten
gelegten Teststreifen wurden mit Bouillon angefeuchtet.
2. Die Anfeuchtung erfolgte mit steriler physiologischer Kochsalz¬
lösung.
III. Als Kontrolle wurden mit Kochsalzlösung und Bouillon ange¬
feuchtete Teststreifen zwischen Glasplatten gelegt.
Serie I blieb in einer Petrischale bei Zimmeratmosphäre, Serie II und
III in einer feuchten Kammer 24 Stunden stehen. Nach dieser Zeit wurden
die Streifen zwischen den Platten entfernt, und jeder auf eine Petrischale
in Nähragar verimpft. Die Schalen wurden sodann 24 Stunden bebrütet
und weitere 3 Tage lang beobachtet. Das Resultat war folgendes: Das
Typhus- und Heubazillentestmaterial, das mit Bouillon zwischen zwei
Kupferplatten lag, war steril, von sämtlichen anderen Streifen ging
üppiges Wachstum aus.
Protokoll.
I. Trockenes Testmaterial zwischen zwei trockenen Kupferplatten, bei
Zimmeratmosphäre:
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302
Th. Mksserschmidt:
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1. Kupferplatten blank.
2. Kupferplatten oxydiert.
II. Trockenes Testmaterial zwischen zwei trockene Platten gelegt, wird
angefeuchtet und in feuchter Kammer gehalten:
Angefeuchtet mit
1. Bouillon:
a) Kupferplatten blank,
b) Kupferplatten oxydiert;
2. physiologischer Kochsalzlösung:
a) Kupferplatten blank,
b) Kupferplatten oxydiert.
III. Kontrollen:
1. Trocken zwischen zwei Glasplatten;
2. feucht mit
a) Bouillon,
b) physiologischer Kochsalzlösung
zwischen je zwei Glasplatten.
Nach 24stündigem Verweilen zeigten die Kupferplatten folgende Ver¬
änderungen:
I. 1. dort, wo der Streifen lag, ist das blanke Kupfer leicht bräunlich
geworden;
2. keine Veränderung.
II. 1. Das a) blanke Kupfer zeigt ebenso wie das b) oxydierte Kupfer rund
um den Papierstreifen herum bläulichgrüne Borken. Die Streifen
selbst sind grünlich verfärbt.
2. Keine Veränderungen.
III. 1. und
2. a) und b) keine Veränderungen.
Sofortige Verimpfung auf Nähragar; Wachstum nach 3 Tagen:
Typhus
I. 1. Üppiges Wachstum,
2. desgleichen.
II. la) Kein Wachstum,
b) desgleichen.
2a) Wachstum,
b) desgleichen.
III. 1. Wachstum.
2a) desgleichen,
b) desgleichen.
Subtilis
Üppiges Wachstum,
desgleichen.
Kein Wachstum,
desgleichen.
Wachstum,
desgleichen.
Wachstum,
desgleichen,
desgleichen.
Im zuletzt beschriebenen Versuch, der bei mehrfacher Wiederholung
stets das gleiche Resultat gab, wurden infizierte Fließpapierstreifen ah
Testmaterial verwandt (vgl. Fig. 8, Taf. V). Es wäre denkbar, daß durch
dieses Fließpapier besondere Verhältnisse geschaffen wären, durch die die
Eindeutigkeit des Versuches hätte beeinträchtigt werden können.
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Das Desinfektionsvermögen »er Metalle rsw.
303
Wir nahmen, um mit reinem Bakterienmaterial zu arbeiten, deshalb
wie früher gewachsene Subtilishäutchen von Bouillonkulturen, wuschen
sie gründlich in physiologischer Kochsalzlösung und schließlich in sterilem,
destilliertem Wasser. Danach wurden die Häutchen getrocknet, und diese
zarten trockenen Borken, ebenso wie im ersten Versuche die Teststreifen
zwischen Kupferplatten gelegt.
In analoger Weise wurden blanke und oxydierte Platten verwendet,
und die Anfeuchtung mit Bouillon, physiologischer Kochsalzlösung, de¬
stilliertem Wasser vorgenommen. Das Resultat dieses Versuches, der in
ganz gleicher Weise wie oben durchgeführt wurde, zeigt Fig. 9, Taf. VI.
Die Verimpfung der Subtilisborken erfolgte auf Schrägagarröhrchen.
Im mittleren Röhrchen sind diejenigen Borken, die zwischen zwei Kupfer¬
platten mit Bouillon angefeuchtet lagen. Sie sind nicht ausgekeimt,
während die zwischen trockenem Kupfer gelegenen, sowie die mit Wasser
und physiologischer Kochsalzlösung angefeuchteten Borken in den vier
äußeren Röhrchen auskeimten.
Eine Bildung von grünblauen Niederschlägen fand sich nur zwischen
den mit Bouillon angefeuchteten Platten.
Durch diese Versuche wurde zunächst erwiesen, daß 1. das metallische
technische Kupfer als solches, trocken oder mit Wasser angefeuchtet, keine
wesentliche keimtötende Wirkung hat, 2. daß die Keimtötung eine Folge
der Wirkung der Bouillon auf das Kupfer ist.
Legt man eine durch gründliches Waschen in Ammoniak und destil¬
liertem Wasser von den oberflächlichen Oxyden gereinigte Kupferplatte in
ein schräg gestelltes Schälchen mit Bouillon und zwar derart, daß sich nur
ein Teil der Platte in der Bouillon befindet, so bilden sich an der Grenzzone
zwischen Luft und Bouillon grünliche Borken. Diese entstehen in gleicher
Weise an einer mit Oxyden bedeckten, nicht gereinigteh Kupferplatte eben¬
falls an der Luft-BouillongTenze. Die grünlichen Borken lösen sich größten¬
teils in der Bouillon auf und verleihen ihr eine leuchtend grüne Farbe.
Gleiche Kupferverbindungen — als solche sind die grünen Borken ja
ohne weiteres aufzufassen — bilden sich auch an den Kupferstücken im
Nähragar. Sie liegen krustenartig am Metall, reichen in den Nährboden
hinein und machen diesen in einer Zone von etwa 2 mm Breite undurch¬
sichtig. Diese Kupferverbindung ist in destilliertem Wasser unlöslich. Sie
bildet mit Ammoniak die bekannte leichtlösliche blaue Kupferverbindung.
Mit verdünnter Schwefelsäure bildet sich unter Gasentwicklung zartblaues
Kupfersulfat. In kochendem Wasser verändert sich die Verbindung nicht.
Es ist bekannt, daß sich das Kupfer in feuchter Atmosphäre mit
einer Schicht von grünem basischen Kupferkarbonat, dem sog. „Edel¬
grünspan“, überzieht, der die chemische Formel hat: CuC0 3 -j- Cu(OH) 2 .
Wie oben erwähnt, löst sich die am Kupfer und im Nährboden in nächster
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304
Th. Messerschmidt:
Nähe des Kupfers befindliche schöne leuchtend grüne Verbindung in
Säuren unter Gasentwicklung. Das entstandene Gas ließ sich bei weiteren
Versuchen als Kohlensäure identifizieren. Es dürfte sich also in den Ver¬
suchen, wo das metallische Kupfer aus dem Nährboden teilweise heraus¬
ragte, tatsächlich das basische Kupferkarbonat gebildet haben. Dieses
kann mit den im Nährboden vorhandenen organischen Säuren Salze, mit
seinen sonstigen Bestandteilen weitere Verbindungen eingehen.
Es ist weiter daran zu denken, daß Ammoniak bei Gegenwart von Sauer¬
stoff die Oxydation des Kupfers ermöglicht, und dadurch Kupfernitrit ent¬
steht. Ersteres ist ja, wir sich durch Nesslers Reagens leicht zeigen läßt,
in jedem Nährboden reichlich vorhanden; es würden dann also ähnliche Pro¬
zesse stattfinden, wie bei der Bildung des bekannten Schweizer sehen Re¬
agenz. Außer mit Ammonsalzen (dem Chlorid, Fluorid, Sulfat usw.) beob¬
achtete Spiro eine Lösung des Kupfers bei Gegenwart von Wasserstoff¬
superoxyd mit Asparagin, Glykokoll, Fettsäuren und Lipoiden.
Ob derartige Lösungen des Kupfers im Nährboden eine Rolle spielen,
konnte aus äußeren Gründen nicht nachgewiesen werden. Immerhin kann
man wohl annehmen, daß der Übergang des metallischen Kupfers in Ionen¬
form auf verschiedene Weisen stattfindet.
Spezielle Untersuchungen über die Löslichkeit von Kupfersalzen im
Nähragar wurden mit dem basischen Kupferkarbonat angestellt.
Bringt man ein Körnchen des am Kupfer entstandenen basischen
Kupferkarbonats oder auch reines basisches Kupferkarbonat in einen in¬
fizierten Nähragar kurz bevor er erstarrt, so löst es sich bei Bebrütung
restlos auf und bildet um die Delle, in der es lag, einen etwa 1 bis 2 cm
breiten, nahezu farblosen, nicht bewachsenen Ring. Nach einigen Tagen
wird diese Zone anfangs zart, später deutlicher grün. Es hat sich also
anscheinend zunächst aus der Kupri- -eine Kuproverbindung gebildet, die
bekanntlich farblos ist. Durch Aufnahme von Sauerstoff entstand aus
dieser Kupro- eine grün bis blau gefärbte Kupriverbindung.
Daß eine Verbreitung der Lösung von Salzen in dem im Gelzustand
befindlichen Agar nahezu ebenso schnell stattfindet, wie in Flüssigkeiten,
ist bekannt; vgl. die Untersuchungen von Voigtländer (20), Refor-
matzki (21). Mit löslichen Kupfer- und Metallsalzen läßt sich diese Tat¬
sache leicht zeigen. Ein Körnchen Kupfersulfat löst sich in einem Agar-
Agargel, zu dem keinerlei Zutaten gesetzt waren, in wenig Stunden rest¬
los auf und färbt das Gel zart blau.
Zur Erklärung späterer Untersuchungen sei darauf hingewiesen, daß
eine ganze Reihe von in Wasser unlöslichen Verbindungen, wie z. B.
Silberchlorid und sogar Schwermetallsulfide in dem Gelatinegel in kol¬
loidale Lösung gehen.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
305
Andererseits bilden sich Niederschläge in gesetzmäßigen Abständen
und weisen eigenartige Strukturen auf (vgl. Liesegang [24]). Hiernach
müssen wir denken zur Erklärung der beschriebenen Ringe auf denPyoeya-
neusplatten, vgl. Fig. 2 u. 3, Taf. II u. III. Bringt man in einen Nähragar¬
gel ein Körnchen Bleiazetat und 2 bis 3 cm davon entfernt ein Körnchen
chromsaures Kalium, so lösen sich beide Salze im Agar auf. Da, wo die
rotgelbe und die weiße Zone des K 2 Cr 2 0 7 bzw. (C 2 H 4 0 2 ) 2 Pb sich treffen,
entsteht ein Niederschlag von gelbem Bleichromat. Dieser tritt nun aber
nicht als einheitliche Trübung, wie in Wasser, .auf, sondern es bilden sich
parallel zueinander laufende, gelb trübe und klar durchsichtige ungefärbte
Ringe, die ähnlich aussehen, wie die durch Fig. 2 u. 3, Taf. II u. III, wieder¬
gegebenen. Die Ringbildung auf den Pyocyaneusplatten fassen wir als
Beweis dafür auf, daß durch den Bac. pyocyaneus Stoffwechselprodukte
gebildet werden — es dürfte sich um kaum etwas anderes handeln, als
um Ammoniak, wie spätere Versuche zeigen —, die mit den entstandenen
Kupferlösungen chemisch im kolloidalen Medium reagieren.
Auf die Tatsache, daß alle die beschriebenen Erscheinungen der Lösung
des Kupfers bzw. die Veränderungen in den Nährböden nicht ohne weiteres
mit den Erscheinungen in Wasser zu vergleichen sind, sondern daß hier
kolloidchemische Verhältnisse vorliegen, sei ausdrücklich hingewiesen.
Wir haben oben gezeigt, daß sich am technischen Kupfer basisches
Kupferkarbonat bildet, das sich im Nährboden leicht löst; in Wasser und
in reinem Agar-Agargel ist es praktisch unlöslich. Es bildet sich sowohl aus
dem metallischen Kupfer wie aus seinen Oxyden und geht, wie wir feststellen,
durch einen in der Bouillon vorhandenen Stoff in Lösung. Es war weiter
gezeigt, daß im Nähragar und in der Nährgelatine ein Bestandteil der
Bouillon derjenige Teil der festen Nährböden ist, der mit dem Kupfer des¬
infizierend wirkende Substanzen bildet.
Das Bestreben mußte also dahin gehen, diese in der Bouillon ent¬
standene, desinfizierend wirkende Kupferverbindung näher zu bestimmen.
In einen Kolben mit etwa 200 ccm Nährbouillon wurden etwa 5 g che¬
misch reines Kupferoxyd (Merk) gebracht. Nach 3 bis 4 Tagen ist die Bouillon
leuchtend grün, sie steht über einem Bodensatz von schwarzem Kupferoxyd.
Mit metallischem Kupfer läßt sich unter geeigneten Versuchsbedingungen
eine ganz gleiche Veränderung der Bouillon erzeugen.
Die grüngefärbte Bouillon erweckte nach einigen Vorproben den Ein¬
druck, daß sie in der Hauptsache komplexe Kupferverbindungen enthielt;
trotzdem aber hatte sie stark keimtötende Eigenschaften. Es wurde das
durch folgenden Versuch festgestellt:
Zu je 5 ccm 4prozentigem Agar-Agar ohne Zutaten wurde von der grün-
gefärbten Kupferbouillon zugesetzt: 0-Ö5, 0-1, 0*25, 0-5, 0*75 ccm.
ZeKschr. I. Hygiene. LXXXII
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20
Original fram
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306
Th. Messerschmidt:
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Die Röhrchen wurden sodann mit gewöhnlicher Nährbouillon auf 10 ccm
aufgefüllt, mit je 1 / 4 Öse Heubazillen infiziert und zur Platte ausgegossen.
Bereits ein Zusatz von 0*25 ccm hatte das Bakterienwachstum vollständig
zu verhüten vermocht. 01 ccm hatten das Wachstum geschädigt, während
in der Platte mit 0-05 ccm und in der Kontrollplatte üppiges Wachstum
statt fand.
Nach den Untersuchungen von Paul und Krönig (25) steht die
quantitative Desinfektionskraft eines Salzes im direkten Verhältnis zu
der Zahl der bei seiner Lösung entstehenden Jonen. Die Autoren
stellten diese Tatsache für Quecksilber-, Silber-, Kupfer- und Goldsalze
fest. Für sie alle gilt: Je größer die Dissoziation, um so intensiver die
Desinfektion.
Um diese scheinbare Unstimmigkeit mit unseren Befunden zu er¬
klären, gingen wir daran, zu prüfen, wie sich Kupfersalze gegen die Be¬
standteile der Bouillon: 1. Wittepepton und 2. Lösungen von Liebigs
Fleischextrakt verhalten; es zeigte sich, daß wenig Kupfersulfatlösung
mit Peptonlösungen eine zart bläulich violette Verbindung eingeht, die
auf Zusatz von Ammoniak zart rotviolett wird. Auf Zusatz größerer
Kupfersulfatmengen zu Peptonlösungen bildet sich ein dick voluminöser
Niederschlag. Mit Liebigs Fleischextraktlösung gibt Kupfersulfat eine
grünliche Verbindung, die mit Ammoniak blaues Kupferoxydammoniak
bildet. Es wurde daraufhin folgender Löslichkeits- und Desinfektions¬
versuch angesetzt: In vier Kolben zu je 100 ccm filtrierter, Lackmus
neutraler Lösungen von 2 Prozent Agar-Agar in Quellwasser wurden ein¬
gefüllt:
1. 0*6 Prozent Kochsalz,
2. 1 .. Pepton,
3. 1 Liebigs Fleischextrakt,
4. 1 ,, Pepton + 1 Prozent Liebigs Fleischextrakt.
Die Kolben mit diesen Zutaten wurden 1 Stunde im Dampftopf ge¬
kocht, dann auf 50° C abgekühlt und mit Heubazillen infiziert. In die
ausgegossenen Petrischalen wurde, solange der Nährboden noch flüssig
war, ein Stück Kupfer, ein Stück Kupferoxyd und ein Körnchen Kupfer¬
sulfat gelegt. Nach 24stündiger Bebrütung zeigte sich folgendes:
Platte 1 aus Kolben 1.
Keinerlei Wachstum. Kupfer, Kupferoxyd nicht verändert, Kupfer¬
sulfat mit zart bläulicher Farbe gelöst. Innerhalb der nächsten 4 Beob¬
achtungstage keine Veränderung. Am 5. Tage wird Ammoniak auf die
Platte gegossen, am Kupfer und Kupferoxyd entstehen keine Verände-
Gck igle
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
307
rungen; an der Stelle des gelösten Kupfersulfats entsteht eine blaue
Scheibe von 2 bis 2 1 /, cm Durchmesser.
Platte 2 aus Kolben 2.
Platte dicht bewachsen, keinerlei Wachstumshemmung bei Kupfer
und Kupferoxyd; um beides herum ist der Nährboden nicht erkennbar
gefärbt. Vom Kupfersulfat aus hat sich eine 2 cm im Durchmesser hal¬
tende Scheibe, die farblos stark weiß getrübt ist, gebildet. Auf dieser ist
das Wachstum sehr spärlich. Am 3. Tage haben sich am Kupfer und
Kupferoxyd zahlreiche in den Nährboden reichende grüne Schollen ge¬
bildet. Auf diesen wachsen die Bazillen. Die grünlich weiße Trübung des
Kupfersulfats ist in eine vollständig rein weiße Trübung übergegangen.
Von den grünen Teilpartien an Kupfer und Kupferoxyd werden mit
einem Platinspatel Teile herausgestochen und je 10 ccm in Bouillon ver-
impft. Nach 24 Stunden ist üppiges Wachstum aufgetreten (vgl. Platte 3).
Die grünen Schollen am Kupfer und Kupferoxyd sind in Ammoniak mit
dunkelblauer Farbe löslich. Die Trübung beim Kupfersulfat hellt sich
nach Zusatz von Ammoniak vollständig auf, der Agar nimmt violette
Farbe an.
Platte 3 aus Kolben 3.
Nach 24 Stunden hat sich auf der Platte üppiges Bakterienwachstum
gebildet, das neben Kupfer, Kupferoxyd und Kupfersulfat nahezu gleich
große, 2 cm im Durchmesser haltende wachstumsfreie Zone läßt. Die
Kupfersulfatzone hatte grünlich stark getrübte Färbung angenommen,
beide anderen waren farblos, wohl hatten sich am Kupfer und Kupfer¬
oxyd grüne Borken gebildet, die in den Nährboden reichen.
Nach 3 Tagen sind die farblosen Zonen etwa zu Dreiviertel grünlich
gefärbt, nach 8 Tagen reicht die Grünfärbuug in die bewachsenen Par¬
tien hinein; zugleich hat sich am Kupfer und Kupferoxyd eine 2 mm
breite, saftig grüne undurchsichtige Zone gebildet. Von der zart grünen
Randpartie wird bewachsener Agar mit einem Platinspatel ausgestochen
und in Bouillon verimpft. Trotz 8 tägiger Bebrütung fand keine Bak¬
terienentwicklung statt (vgl. Platte 2).
Durch Ammoniak wurde in der Nähe von Kupfer und Kupferoxyd
im Nährboden dunkelblaues Kupferoxydammoniak gebildet; die Rand¬
partien der wachstumsfreien Zone wurden nicht deutlich verfärbt.
Platte 4 aus Kolben 4
bot nichts Besonderes; sie entsprach den früher beschriebenen Nähr¬
agarplatten.
20 *
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308
Th. Messerschmidt:
Dieser Vierplattenversuch wurde mit Bac. typhi, Bact. coli und Bac.
anthracis wiederholt und gab stets das gleiche Resultat. Im Nähragar
entsteht also aus Kupfer und Pepton eine nicht desinfizierende Verbindung,
die sich mit Ammoniak rötlich färbt. Aus Kupfer und Liebigs Fleisch¬
extrakt entsteht dagegen eine stark desinfizierende Verbindung, die im
Nähragar besonders in der Nähe des Kupfers sich deutlich mit Ammoniak
blau färbt.
Zur Kontrolle dieser Befunde wurde auf die schon früher angewandte
Versuchsanordnnng mit den nicht chemisch reinen Kupferplatten zurück¬
gegriffen. Die Versuchstechnik war der damals geübten völlig analog.
Die gleichen mit Wurzelbazillen infizierten Fließpapierstreifen wurden
zwischen zwei Kupferplatten gelegt und dann
I. trocken,
II. feucht und zwar mit
a) Bouillon,
b) Peptonwasser,
c) Liebigs Fleischextraktlösung,
d) Kochsalzlösung
betupft und während 20 Stunden bei Zimmeratmosphäre bzw\ in der feuchten
Kammer gehalten. Nach dieser Zeit wurden die Streifen auf Agarplatten
verimpft und dreimal 24 Stunden lang bebrütet.
Steril blieben diejenigen Streifen, die mit Bouillon und Liebigs Fleisch¬
extrakt angefeuchtet waren, während alle anderen auskeimten (vgl. Fig. 8,
Taf. V).
Lösungsprodukte des Kupfers von grünlicher Farbe und borkiger Be¬
schaffenheit hatten sich gebildet bei Bouillon, Fleischextrakt und Pepton¬
wasser; eine Desinfektion hatte die Pepton-Kupferverbindung indessen
nicht zu erzielen vermocht. In analoger Weise wie mit Nährbouillon
wurde nun schwarzes Kupferoxyd getrennt mit ihren Bestandteilen: Pepton-
und Liebigs Fleischextraktlösungen zusammengebracht.
I. In einer lprozentigen Lösung von Wittepepton bewirkt Kupferoxyd
nach einigen Tagen eine schöne Blaufärbung; es bilden sich Verbindungen,
die als Kupferpeptonat bzw. Albuminat aufzufassen sein dürften, und in
alkalischer Lösung keine Cu-Ionen enthalten.
II. In einer lprozentigen Lösung von Liebigs Fleischextrakt bewirkt
Kupferoxyd nach einigen Tagen eine leuchtend blaue Färbung der Flüssig¬
keit. Bei der Alkoholfällung ließen sich zwei Kupferverbindungen nach-
weisen; die eine war komplexer Natur, die andere enthielt das Kupfer in
ionisierter Form.
Als das Anion der letzteren möchten wir auf Grund vergleichender Unter¬
suchungen über ihre Desinfektionskraft die im Fleischextrakt reichlich vor¬
handene Milchsäure ansprechen.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
309
Zusammen!assend stellen wir uns die Lösung des Kupfers im Nähr¬
boden folgendermaßen vor: Am Metall bilden sich zunächst basisches
Kupferkarbonat und gleichzeitig wahrscheinlich Kupfernitrit; aus diesem
entstehen, eventuell auch unabhängig von ihnen, aus dem Wittepepton
Kupfcrpeptonate und -albuminate; aus dem Liebigs Fleischextrakt werden
neben einer oder mehreren komplexen eine ionisierte Kupferverbindung
gebildet, das Kupferlaktat.
Dieses Salz ist die hauptsächlich desinfizierende Verbindung in unseren
bislang beschriebenen Versuchen, wie folgende Untersuchuug zeigt: In
etwa gleich stark gefärbte Lösungen des Kupferpeptonats und des Kupfer¬
salzes aus Fleischextrakt in physiologischer Kochsalzlösung wurden an
Fließpapierstreifen angetrocknete Heubazillensporen gelegt. Nach 3stün-
diger Einwirkung waren die Sporen aus letzterem abgetötet, während sie
nach 10 Stunden im Kupferpeptonat noch nicht beeinflußt waren.
Bringt man dagegen das feste Kupferpeptonat in infizierten Agar
oder auch in infizierte Bouillon, so findet eine Abtötung der Keime statt.
Diese Erscheinung beruht darauf, daß in den Nährböden sekundär eine
Spaltung des komplexen Ions stattfindet, und infolgedessen ein ionisiertes
Kupfersalz entsteht, das nun desinfiziert.
Die Frage, wie die desinfizierende Wirkung von Kupfer in Nährböden
zustande kommt, dürfte nach dem vorliegenden Material gelöst sein. Wie
sind aber die Beobachtungen von Hübner, v. Esmarch, Vincent,
Uffelmann, Bitter, v. Behring u. a. zu erklären, daß an Kupfer,
Silber, Messing usw. angetrocknete Bakterien sehr bald zugrunde gehen,
und daß die meisten von Hand zu Hand wandernden Münzen sehr keim¬
arm sind, daß nach künstlicher Infektion mit Bakterienmaterial dieses
sehr bald abstirbt?
Hübner verstrich flüssiges Fäzesmaterial auf den Münzen: in den Fäzes
sind aber reichlich organische Säuren, unter ihnen vor allem die im Dick¬
darm sich bildende Milchsäure vorhanden; v. Esmarch infizierte aus Messing
bestehende Türgriffe mit Tröpfchen von Bouillonkulturen, ebenso Uffelmann
verschiedene Kupfermünzen. Christian brachte Bouillonkulturen von Typhus
und Cholera in Wasser, in dem Kupferplatten lagen. Zur Erklärung ihrer
Befunde sind also in den Versuchen dieser Autoren die wirksamen Be¬
standteile der Bouillon, wie wir feststellen konnten, zu beachten. Wenn
daher v. Esmarch keine Erklärung dafür geben konnte, daß z. B. an
Messing angetrocknete Diphtheriebouillonkulturen in wenigen Minuten
abgetötet waren, während sie, von festen Kulturen abgeschabt, sich am
gleichen Metall einen ganzen Tag lebendig hielten, so möchten wir diesen
Befund mit dem oben beschriebenen Tatsachenmaterial erklären.
Wie steht es aber mit der Keimarmut der Münzen und der kupfer¬
haltigen Gebrauchsgegenstände ?
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310
Th. Messerschmidt:
Diese wandern von Hand zu Hand; es werden nicht nur Bakterien
auf sie aufgebracht, sondern auch Hautfett und Schweiß. Ersteres enthält
Glyzeride der Fettsäuren, die durch Spaltung in freie Fettsäuren zerfallen;
im letzteren ist Buttersäure vorhanden. Nach Analogie des von der Milch¬
säure gefundenen lag die Vermutung nahe, daß diese Säuren in ähnlicher
Weise wie jene Salze mit dem Kupfer bilden.
Wir verrieben in destilliertem Wasser gewaschene, nahezu trockene
Heubazillen auf zwei Einpfennigstücken; das eine war so, wie es aus der
Geldbörse kam, das andere wurde in Wasser mit Seife gründlieh gewaschen,
mit Wasser nachgespült und dann in der Wärme getrocknet. Auf letzterem
waren die Bazillen noch nach 5 Stunden kulturell nachweisbar, auf ersterem
waren sie bereits nach 30 Minuten abgetötet.
Die Wirkung des Schweißes wurde nun durch folgenden Versuch ge¬
prüft. Auf einem anstrengenden, zu diesem Zwecke unternommenen Ritt
sammelte ich von mir in einem Gläschen Schweiß. Im Laboratorium legte
ich auf vier Kupfer- und eine Glasplatte je einen trockenen Fließpapier¬
streifen, der mit in destilliertem "Wasser gewaschenen Heubazillen getränkt
war. Der erste Streifen blieb trocken, der zweite wurde mit Wasser, der
dritte mit Nährbouillon, der vierte mit Schweiß, und zwar in jedem Falle
mit zwei Tropfen befeuchtet. Auf den auf der Glasplatte liegenden Streifen
kamen ebenfalls zwei Tropfen Schweiß. Die vier Kupferplatten mit den
darauf liegenden Streifen wurden mit einer gleich großen Kupfer-, die
Glasplatte mit Glas bedeckt.
Die fünf Präparate wurden in der feuchten Kammer 30 Stunden
stehen gelassen; die Streifen wurden dann zwischen den Platten weg¬
genommen und auf je ein Agarröhrchen verimpft. '
Nach 3 tägiger Bebrütung war kein Bakterien Wachstum erfolgt bei
den Streifen, die mit Bouillon und mit Schweiß zwischen Kupferplatten
gelegen hatten. Die übrigen drei wären bereits nach 24stündiger Brut¬
zeit üppig ausgekeimt. Dieser Versuch wurde mehrfach mit dem gleichen
Resultat wiederholt. Zwischen den Kupferplatten hatten sich bei den mit
Bouillon und mit Schweiß angefeuchteten Fließpapierstreifen grüne Borken
gebildet, die das Papier grün färbten. Durch Wasser waren derartige ge¬
färbte Salze nicht entstanden.
Eine nähere chemische Isolierung der im Schweiß wirksamen Sub¬
stanz konnten wir zurzeit nicht durchführen; doch glauben wir mit ziem¬
licher Sicherheit annehmen zu können, daß es sich hierbei um niedere Fett¬
säuren und speziell um die Buttersäure handelt, die ja chemisch der Milch¬
säure sehr nahe steht und sich aus ihr durch Gärung leicht bildet.
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Das Desinfektions vermögen der Metalle usw.
311
Die Lösung der Buttersäure bzw. des buttersauren Kupfers erfolgt
auf der Münze oder auf den kupfernen Gebrauchsgegenständen durch das
in der Luft und im Schweiß selbst reichlich vorhandene Wasser. Daß im
übrigen auch andere Fettsäuren als Lösungsmittel des Kupfers in Frage
kommen, dürfte nicht unwahrscheinlich sein.
Durch vorstehende Tatsachen sollen die Feststellungen v. Nägelis,
Fickers u. a. über die oligodynamische Wirkung des Kupfers nicht be¬
stritten werden. Es dürfte aber gezeigt sein, daß eine chemische Lösung
des Kupfers in den Nährböden, an Münzen und an Gebrauchsgegenständeii
zur Salzform viel häufiger stattfindet, als man bisher annahm.
II. Teil.
Zur Kontrolle der Wirksamkeit des Kupfers in den oben beschriebenen
Versuchen verwendeten wir eine Reihe von verschiedenen anderen tech¬
nischen Metallen. Diese Kontrollen hatten um so mehr Interesse, als ja
von Gold-, Nickel- und Silbermünzen sowie sonstigen Metallen eine keim¬
tötende Wirkung in infizierten Nährböden beschrieben ist.
Zum ersten Versuch wählten wir Blei, und zwar deshalb, weil die
Geschosse der Gewehrmunition Modell 70/71 aus diesem Metall bestehen.
Bei einer völlig der früheren analogen Versuchsanordnung zeigte sich bei
Infektion des Nährbodens mit Heubazillen um das Bleigeschoß herum
eine zwar nur schmale, aber doch deutlich erkennbare wachstumsfreie
Zone. In dem durch Fig. 10, Taf. VI, wiedergegebenen Versuch war das
Bleigeschoß flach gehämmert, so daß es die Form einer Platte von etwa
2 bis 3 cm Kantenlänge und 2 mm Dicke annahm. Diese Veränderung
der Gestalt hatte auf die keimtötende Wirksamkeit keinerlei Einfluß.
Die Bleiplatte wurde in den mit Heubazillen gleichmäßig infizierten Nähr¬
agar zum Vergleich mit einem französischen Kupfergeschoß gelegt. Auf
der Photographie erkennt man im durchfallenden Lichte ohne weiteres
einen etwa l x / 2 cm breiten wachstumsfreien Hof um das französische Ge¬
schoß herum und eine etwa 2 bis 3 mm breite, nicht bewachsene Zone
bei der Bleiplatte. Dieser Versuch ergab mit Heu- und Kartoffelbazillen
oftmals wiederholt stets das gleiche Resultat. Bei einer Infektion des Agars
mit Typhus- oder Colibazillen wurde dagegen die Wachstumsbehinderung
wohl durch Kupfer, niemals durch Blei beobachtet.
Da wir bei den Versuchen mit Geschossen nur mit chemisch nicht
reinen Metallen gearbeitet hatten, gingen wir nun daran, angeregt durch
die Befunde mit dem Blei, zunächst alle uns hier im Felde leicht erreich¬
baren technischen Metalle auf ihre keimtötenden Eigenschaften im Nähr¬
agar zu prüfen.
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312
Th. Messerschmidt:
Ein Agarkölbchen von 100 ccm Inhalt wurde verflüssigt, auf 50° C
abgekühlt und mit zwei Ösen Heubazillen gleichmäßig infiziert.
Gleichzeitig wurden in zwei große, etwa 20 cm im Durchmesser fas¬
sende Petrischalen die verschiedenen gesammelten Metalle gelegt. Sie
waren durch Waschen in Seifenwasser gereinigt, durch Spülen in Alkohol
und nachfolgendes Abbrennen sterilisiert worden.
In Figg. 11 und 12, Taf. VII, sind die schwarzen Flächen Metallstücke,
die auf ihnen befindlichen Zahlen bedeuten folgendes:
1. ein Zehnmarkstück,
2. ein Zehnpfennigstück,
3. eine Messingmünze „Militaire“ aus dem französischen Militärbordell
in Sissonne,
4. eine eiserne Schraube,
5. ein Tröpfchen Quecksilber,
6. einen 18karätigen goldenen Haken,
7. einen Platindraht,
8. eine Zinkplatte aus einem elektrischen Element,
9. ein zur Platte flach gehämmertes Infanteriegeschoß 70/71 aus Blei,
10. ein Zweipfennigstück,
11. eine Silberplatte,
12. ein Stück Aluminium,
13. ein Stück Lötzinn.
Die Heubazillenkeime wurden im Wachstum in diesem Versuche nicht
behindert durch folgende technische Metalle: Zinn, Aluminium, Queck¬
silber, Platin und Eisen. Keimtötende Stoffe hatten gebildet, ihrer In¬
tensität nach geordnet, die technischen Metalle: Zink, Gold, Silber, Blei,
Kupfer und Messing.
Diese Befunde stimmen mit den Angaben einiger Untersucher überein,
anderen widersprechen sie. Am auffälligsten ist, daß Quecksilber unwirksam
war; von diesem Metall hatte ja v. Behring eine ganz bedeutende keim¬
tötende Kraft gesehen. Auffällig ist auch, daß Zink stark desinfizierte,
während Bitter von ihm keine Desinfektionskraft feststellen konnte.
Ebenso ergaben sich Widersprüche mit sonstigen Untersuchungen, als
die Prüfung jener technischen Metalle auf andere Bakterienarten aus¬
gedehnt wurde. Auf diese Versuche, in denen ja z. B. Lötzinn in Wirk¬
lichkeit nicht nur „Zinn“, Nickelgeld nicht nur „Nickel“ ist, näher ein¬
zugehen, hieße die Widersprüche in der Literatur vermehren. Es kommt
uns ja auch nicht darauf an, in der vorliegenden Arbeit die Wirkung von
metallenen Gebrauchsgegenständen auf Bakterien, bzw. deren Haltbar-
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
313
keit auf solchen zu untersuchen, Versuche, denen Bitter eine umfassende
und erschöpfende Darstellung widmete.
Während Bitter u. a. klar zum Ausdruck bringen, daß sie mit nicht
chemisch reinen Metallen ihre Untersuchungen anstellten, Thiele und
Wolf u. a., daß sie nur chemisch sicher reine Metalle prüften, lassen eine
Reihe von Untersuchern die Erörterungen dieser für die Beurteilung
der Befunde grundlegenden Tatsache ganz außer acht. Sie sprechen z. B.
von Silbermünzen als von Silber, von Goldgeld als von Gold usw. Durch
solche fehlerhafte Angaben und nicht exakte Literaturzitate ist ein großer
Teil der Widersprüche wohl zu erklären. In den Goldmünzen z. B. ist
ja nicht nur Gold, es sind auch andere Metalle, wie Kupfer, darin, denen
« sehr wohl eine direkte oder indirekte Wirkung zukommen kann. Das
gleiche gilt von allen Gebrauchsgegenständen aus Metall.
Wenn wir in Abschnitt 1 meist nur schlechthin von Kupfer sprachen,
so geschah das unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß es sich um
Kupfergeschosse oder um technisches, d. h. nicht chemisch reines Kupfer
handelte.
Will man von der Wirkung eines Metalls sprechen, so müssen Verun¬
reinigungen mit anderen Metallen unbedingt ausgeschlossen werden. In
den folgenden Versuchen haben wir daher zunächst die Desinfektions¬
wirkung chemisch reiner Metalle (von chemischer Fabrik Merck bezogen)
auf infizierte Nährböden geprüft. Weiter wurden vergleichende Versuche
zwischen der Wirkung von technischen Metallen, bzw. Gebrauchsgegen¬
ständen aus solchen, mit chemisch reinen Metallen angestellt.
Die Versuchsanordnung war ähnlich wie früher folgendermaßen ge¬
troffen: Metallstücke, die als Streifen und Platten Anwendung fanden,
wurden mit Schlemmkreide und Alkohol sauber blank geputzt, dann mit
den ihre Oxyde lösenden Chemikalien (Silber, Kupfer z. *B. mit Ammo¬
niak usw.) gewaschen und in viel destilliertem Wasser nachgespült. Eine
halbe Stunde vor dem Einlegen wurden die Metalle in 80prozentigen Al¬
kohol gebracht; unmittelbar vor dem Einlegen in die Petrischalen wurden
die'einzelnen Stücke mit einer Pinzette gefaßt und der an ihnen noch
haftende Alkohol in der Wärme verdunstet. Das Metallstück wurde sodann
vor dem Einlegen in die Petrischalen kurz durch die Flamme geführt.
Der verflüssigte und auf 50° C abgekühlte Nähragar wurde in der
früher beschriebenen Weise gleichmäßig infiziert. Um Fernwirkungen von
Metallen, eventuell auch entstehende elektrische Ströme, auszuschließen,
wurde in eine Petrischale bei der nun folgenden Prüfung chemisch reiner
Metalle zunächst nur ein Metallstück gelegt. Die Nachschau erfolgte nach
1, 2, 3 usw. Tagen Bebrütungszeit der Platten bei 37° C.
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314
Th. Messerschmidt:
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In den Protokollen bedeutet das Zeichen:
0: keinerlei Hemmung,
+: eine Hemmungszone von weniger als 1 mm.
Die Zahlen geben die wachstumsfreie Zone, in Millimetern gemessen, an.
Die Resultate sind das Mittel von sieben Versuchsreihen.
Wir lassen zunächst die Protokolle folgen und gehen nach diesen auf
eine Besprechung derselben näher ein.
Protokoll II, 1.
Infektion von 300 ccm Nähragar mit 3 Ösen Heubazillen von Schrägagar.
Metall Beobachtung Bemerkungen
am
3. Tage
Gold . . .
0
Farbe des Nähragars unverändert.
Silber . . .
+
Desgleichen.
Quecksilber
0
\
*»
Zinn . . .
0
. ,
Nickel . . .
0
Eisen . . .
0
Agar rostbraun 4—5.
Mangan . . .
0
Agar unverändert.
Antimon . .
17
Desgleichen.
Arsen . . .
10
>»
Kadmium .
4
•)
Zink....
7
Agar undurchsichtig weiß.
Aluminium
0
Agar unverändert.
Wismut . .
3
Desgleichen.
Palladium .
0
Platin . . .
0
M
Kupfer. . .
1
5. Tag eben grünlich.
Blei ....
3
3. Tag Rand der freien Zone bräunlich.
Magnesium
2
Am Metall Luftblasen, die es lockern.
Protokoll II, 2.
Infektion von 300
ccm
Nähragar mit 3 Ösen von Bac. paratyphus B.
Metall Beobachtung Bemerkungen
am
3. Tage
Gold. . . .
0
Veränderungen des Nährbodens wie Prot. II, 1
Silber . . .
0
Desgleichen.
Quecksilber .
0
,,
Zinn ....
0
Nickel . . .
0
Eisen . . .
0
• i
Mangan . .
<)
* i
Antimon . .
28
' ?
Arsen . . .
30
' ?
Kadmium .
1
Zink. . . .
4
Gck igle
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw. 315
Metall Beobachtung Bemerkungen
' am
3. Tage
Aluminium
0
Veränderungen des Nährbodens wie Prot. II, 1
Wismut . .
0
Desgleichen.
Palladium .
0
9 »
Platin . . .
0
9»
Kupfer. . .
3
’ J
Blei ....
+
? 9
Magnesium
2
99
Protokoll II, 3.
Infektion von 300 cem
agar.
Nähragar mit 3 Ösen Typhusbazillen von Schräg-
Metall Beobachtung Bemerkungen
am
8. Tage
Gold. . . .
0
Veränderungen des Nährbodens wie bei II, 1.
Silber . . .
0
Desgleichen.
Quecksilber
0
•9
Zinn....
0
' 5
Nickel . . .
0
i 9
Eisen . . .
0
9 '
Mangan . .
0
, 9
Antimon . .
9
n
Arsen . . .
11
9 ■ i
Kadmium .
0
. ,
Zink....
3
) 9
Aluminium
0
9 1
Wismut . .
0
, ,
Palladium .
0
9 9
Platin . . .
0
9 9
Kupfer. . .
+
’ 9
Blei ....
0
’ 9
Magnesium
3
Protokoll II, 4.
Infektion von 300
ccm
Nähragar mit 3 Ösen von Bacteriuin coli rmicos.
Metall Beobachtung Bemerkungen
am 3 Tage
Gold. . . .
0
Veränderungen des Nährbodens wie bei II, 1 .
Silber . . .
0
Desgleichen.
Quecksilber .
0
*9
Zinn....
0
* 9
Nickel . . .
2
9 9
Eisen . . .
0
Mangan . .
0
? 9
Antimon . .
11
Arsen . . .
15
9 •
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>
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UMIVERSITY 0F CALIFORNIA
316
Th. Messerschmidt:
Metall Beobachtung Bemerkungen
am 3. Tage
Kadmium .
0
Veränderungen des Nährbodens wie Prot. II, 1
Zink. . . .
5
Desgleichen.
Aluminium
0
V
Wismut . .
0
,,
Palladium .
0
•
Platin . . .
0
y ?
Kupfer. . .
2
Blei ....
0
y *
Magnesium
3
yy
Protokoll II, 5.
Infektion von 300
Bacillus pyocyaneus.
ccm
Nähragar mit 3 Ösen Schrägagarkulturen von
Metall Beobachtung Bemerkungen
am
3. Tage
Gold. . . .
0
Agar unverändert.
Silber . . .
0
Desgleichen.
Quecksilber
0
y ’
Zinn....
0
j*
Nickel . . .
0
J>
Eisen . . .
0
Agar bräunlichgrün.
Mangan . .
0
Agar unverändert.
Antimon . .
8
Wachstumsfreie Zone zart grün.
Arsen . . .
7
Desgleichen.
Kadmium .
0
Agar unverändert.
Zink....
3
Agar grünlichweiß, trübe.
Aluminium
0
Agar unverändert.
Wismut . .
0
Desgleichen.
Palladium .
0
Platin . . .
0
V
Kupfer. . .
0
Agar rotviolett auf gehellt, Wachst, wen. üpp.
Blei ....
2
Agar bräunlich.
Magnesium
1
Agar unverändert.
Unter „Agar unverändert“ ist zu verstehen, daß der Nährboden in ^er
Nähe des Metalls ebenso aussieht wie weiter davon entfernt.
Protokoll II, 6.
Infektion von 300 ccm Nähragar mit 3 Ösen Schrägagarkultur von Sar
cina flava.
Metall Beobachtung
am 3. Tage
Gold. ... 0
Silber ... 0
Quecksilber 0
Zinn.... 0
Bemerkungen
Veränderungen des Nährbodens wie bei H> 1
Desgleichen.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
317
Metall
Nickel . .
Eisen . .
Mangan .
Antimon .
Arsen . .
Kadmium
Zink. . .
Aluminium
Wismut .
Palladium
Platin . .
Kupfer. .
Blei . . .
Magnesium
Beobachtung Bemerkungen
am 8. Tage
8
0
0
2
2
0
10
0
0
0
0
0
0
3
Veränderungen des Nährbodens wie bei II, 1
Desgleichen.
Protokoll II, 7.
Infektion von 300 ccm Nähragar mit 3 Ösen Schrägkultur eines pep-
tonisierenden Wasserkeims.
Metall Beobachtung Bemerkungen
Gold ....
“ —-Ö ~
0
Veränderungen des Nährbodens w r ie bei II, 1.
Silber . . .
1
Desgleichen.
Quecksilber
0
M
Zinn ....
0
y y
Nickel . . .
2
y
Eisen . . .
0
t
Mangan . .
1
y ?
Antimon . .
11
,.
Arsen . . .
22
.
Kadmium .
2
yy
Zink ....
3
j •
Aluminium
0
,,
Wismut . .
0
■»
Palladium .
0
,,
Platin . . .
0
y y
Kupfer . . .
5
yy
Blei ....
0
Kolonien leicht gelblich.
Magnesium
1
Agar unverändert.
Die Metalle Kalzium, Barium, Kalium und Natrium wurden in vor¬
stehende Protokolle nicht aufgenommen; sie lösen sich im Nähragar unter
Gasentwicklung auf. Das Wachstum der Bakterien wird infolge der hier¬
bei entstehenden Hitze und der starken Laugen abgetötet.
Eine Übersicht über die in den vorstehenden Protokollen enthaltenen
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318
Th. Messerschmidt:
Befunde ergibt folgende Zusammenstellung. Die Metalle wurden hier
nach dem periodischen System geordnet; mit 4 ist bezeichnet, daß eine
Behinderung durch das Metall stattfand, mit 0, daß keinerlei Beeinflus¬
sung zu verzeichnen war.
Gruppe
des Systems
Chemisch
reines Metall
!
Heubazillen
§
•s.
2
oC
3-.
00
3
43
A
1
Coli muc.
c
08
o
o
1 Sarcin. flava
| Peptonisier.
Wasserkeime
ii.
Cu 1
+
+
, i
4 -
0
0
4 -
Ag
-f
0
0
0
0
0
+
Au
0
0
0
0
0
0
0
in.
Mg
+
+
4 -
+
+
4 -
4 -
Zn
-i-
+
4 -
4 *
4 -
4 *
4 -
Cd
4-
4 -
0
0
0
0
4 -
Hg !
0
0
0
0
0
0
0
IV.
Al
0
0
0
0
0
0
0
V.
Sn
0
0
0
0
0
0
0
Pb
4
4
0
0
! +
0
0
VI.
As
-»-
+
i +
4 -
4 -
4 -
4 -
1 Sb
4
4 *
1 +
+
i +
4
4 -
i Bi i
+
0
0 ,
0
0
0
0
VIII.
, Mn •
0
1 0
0
0
0 1
0
+
1 Fe !
0
0
0
0
0
0
0
Ni
4 -
0
0
4 -
0
0 1
4 -
Pd '
0
0
0
0
0
0 1
0
, Pt ;
0
0
0
0
0
0
0
Bei einer Durchsicht dieser Zusammenstellung fällt auf, daß zwar
gewisse Gruppen des periodischen Systems stärker desinfizieren als andere,
eine ausschließliche Wirksamkeit einer oder mehrerer Gruppen läßt sich
indessen nicht feststellen; dasselbe gilt von den Perioden und Reihen,
die wir der Übersicht halber in obiger Zusammenstellung nicht berück¬
sichtigt haben. Als weniger wirksam erscheinen die Gruppen IV und VIIL
Betrachten wir aber die übrigen zu diesen gehörigen häufigeren Elemente,
so wäre zu Gruppe IV noch das Bor hinzuzufügen, das als Desinfizienz
in der Borsäure bekannt ist. Ob deren Desinfektionskraft allerdings durch
das Bor allein bedingt ist, sei dahingestellt. In der Gruppe VIII kommen
zu den weniger wirksamen Metallen hinzu: Chlor, Brom und Jod, die
hervorragend keimtötende Elemente sind. Solche sind auch in der in
obiger Zusammenstellung fehlenden Gruppe VII vorhanden (Sauerstoff
und Schwefel).
Desinfizierend wirkende Elemente sind also praktisch über das ganze
periodische System ziemlich gleichmäßig verteilt.
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Das Desinfektionsvekmögen per Metalle usw.
319
Nach den vorstehenden Yersuchsprotokollen erwiesen sich außer
Kupfer die reinen Metalle: Antimon, Arsen, Magnesium und Zink als
besonders wirksam, während Nickel, Silber, Wismut und Kadmium und
auch Blei zwar keimtötende Eigenschaften, aber weniger breite wachs¬
tumsfreie Zonen auf wiesen. Dem technischen Kupfer galten die früheren
Versuche; wir werden später diesem Metall ebenso wie dem technischen
und reinen Silber noch einige Aufmerksamkeit schenken, nachdem wir
obige besonders wirksame Metalle näher geprüft haben. Mit ihnen wurden
zunächst vergleichende Versuche in der Weise angestellt, daß mit den
nachbezeichneten Bakterienstämmen jeweils 18 ccm Agar infiziert wurden.
Die in der üblichen Weise gereinigten und desinfizierten Metalle wurden
in diese infizierten Nährböden gebracht.
In eine Petrischale von 10 cm Durchmesser wurde je ein Metallstück
von 5 mm Kantenlänge so gelegt, daß die einzelnen Stücke etwa 2 bis
3 cm voneinander entfernt waren.
In dem folgenden Protokoll bezeichnet wie früher die Zahl die Breite
der wachstumsfreien Zonen in Millimetern gemessen.
Protokoll.
Chemisch reine Metalle
Bakterienstamm
Antimon
Arsen
Magnesium
Zink
Coli muc. . .
. 8
6
1
5
Coli immob. .
7
7
2
10
Typhus . . .
. 15
14
2
10
Staphyloc. . .
. 2
5
0
11
Milzbrand . .
. 18
18
3
5
Heubazillen
. 15
10
10
10
B. pyocyan. .
. 5
11
1
3
Der Rand an der wachstumsfreien Zone ist beim Antimon und Arsen
sehr scharf abgesetzt.
Die wachstumsfreie Zone beim Bac. pyocyaneus ist farblos, während
der übrige Teil der Platte blaugrün gefärbt ist; erst nach einigen Tagen
geht die blaue Farbe in die nichtbewachsene Zone über.
Am Magnesium haben sich reichlich Gasblasen gebildet.
Der Agar in der Nähe des Zinks ist weißtrübe und nimmt einen
metallischen Glanz an.
Die starke Wachstumsbehinderung in der Nähe des Antimons, des
Arsens und Zinks erhellt also auch aus diesem Versuch; eine etwaige
gegenseitige Beeinflussung der Metalle durch Fernwirkung oder durch
elektrische Ströme war nicht zu beobachten.
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320
Th. Messerschmidt:
Es blieb nun noch übrig, vergleichende Versuche über die Wirksamkeit
von chemisch reinen und technischen Metallen anzustellen. Als solche
interessieren vor allem das Kupfer, Zink, Silber und Gold, die wohl am
meisten zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet werden. Aufschluß über
diese Versuche geben die Protokolle A bis C. Die Versuche wurden ganz
analog den bislang beschriebenen angeordnet.
Protokoll A.
18 ccm Agar wurden infiziert mit je 1 / i Öse folgender Bakterien. In
jeder Petrischale lag ein Stück chemisch reines und ein Stück 18karätiges
Gold
Bakterienstamm
Chemisch reines Gold
16 karät. Gold
Heubazillen
Keine Hemmung des Wachstums
2
mm
Staphyloc.
Desgleichen.
3
•»
Milzbrand
5 »
2
? ?
Sarcina flava
0
Typhus
■»?
2
Coli mucos.
1
» J
Paratyphus B.
?>
2
>>
Pyocyaneus
??
Protokoll B.
0
Infektion des Nährbodens mit je x / 4 Öse folgender Bakterienstämme.
In je einer Petrischale liegt das reine und das technische Metall.
Metalle Bakterienstämme
Milzbrand Pyocyaneus Staphylococcus
Gold rein.0 Keinerlei Beeinflussung
18karät. Gold ... 3 0 2
Silber rein .... 0 3 Spur v. Hemmung.
Silber technisch . . 1 3 Desgleichen.
Mangan rein. ... 0 Keinerlei Beeinflussung.
Kupfer rein .... 2 0 3
Kupfer technisch .4 2 3
In der Nähe des chemisch reinen Kupfers fiel auf, daß der Nährboden
wesentlich später anfing, sich zu verfärben. Die Verfärbung als solche war
von erheblich geringerer Intensität. Verfärbungen oder sonstige Veränderungen
des Nährbodens durch die übrigen Metalle waren nicht deutlich erkennbar.
In der Nähe des Silbers hatte es den Anschein, daß der Nährboden am Licht
sich bräunlich färbte.
Protokoll C.
Je ein Nährkölbchen von 100 ccm Inhalt wurde verflüssigt, auf 50° C
abgekühlt und mit je 2 Ösen Bakterienrasen von folgenden Stämmen in¬
fiziert. In einer Schale von 20 cm Durchmesser lagen folgende Metallstücke.
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
321
Metalle Bakterienatämme
Milzbrand Typhus Staphyloc. B. coli
Kupfer techn. .
Kupfer rein . .
Silber techn. . .
Silber rein . . .
Zink techn. . .
Zink rein . . .
Nickel rein . .
Aluminium rein
Zinn rein . . .
3
3
3
Wachstumsfreie Zone dunkelblaugrün.
3
2
0
Wachstumsfreie Zone kaum verfärbt.
i
—
—
0
—
8
7
8
—
7
3
1
—
0
0
0
0
0
0
Protokoll C (Fortsetzung).
Metalle Bakterienatämme
Pepton. Pyocyan. Heubazillen Nicht pepton. B. coli muc.
Wa8aerkeime Wasserkeime
Kupfer techn. .
3
1
6
0
'
Wachstumsfreie Zone dunkelblaugrün.
Kupfer rein . .
0
0 ,
1
0
Wachstumsfreie
Zone kaum verfärbt.
Silber techn. . .
—
1
1
1
Silber rein . . .
■—-
1
0
1
Zink techn. . .
6
4
8
5
Zink rein . . .
6
4
8
5
Nickel rein . .
0
0
—
0
Aluminium rein.
0
0
0
0
Zinn rein. . . .
0
0
0
0
3
3
0
0
Wie in den früheren Protokollen bedeuten die Zahlen die in Milli¬
metern gemessenen wachstumsfreien Zonen.
Beim Bac. pyocvaneus war der durch technisches Kupfer hervor-
gerufene blaugrüne und später violette Ring ebenso, wie das früher be¬
schrieben ist. Durch chemisch reines Kupfer war der entstandene Ring
ganz erheblich kleiner und weniger intensiv gefärbt.
Die Protokolle zeigen, daß das von uns verwandte technische Kupfer
einen stärker desinfizierenden Einfluß auszuüben vermag als das chemisch
reine. Ersteres vermochte unter völlig gleichen Bedingungen auf einen
peptonisierenden Wasserkeim und auf Heubazillen sehr intensiv, chemisch
reines Kupfer ganz erheblich schwächer zu wirken. Bei Milzbrand, Sta¬
phylokokken, Pyocyaneus und Coli waren die Unterschiede geringer, aber
doch deutlich erkennbar.
Reines Gold hatte, wie auch früher, keinerlei wachstumshemmende
Zcltschr. f. Hygiene. LXXX1I
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21
Original fram
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322
Th. Messerschmidt:
\
Eigenschaften, während ein 18karätiger goldener Uhrhaken bei den meisten
Bakterienarten von erheblicher desinfizierender Wirkung war.
Unterschiede zwischen chemisch reinem und technischem Silber waren
ausgesprochen bei Typhus- und Heubazillen.
Zwischen der Wirkung von chemisch reinem und technischem Zink
fanden wir keinen Unterschied.
Die Metalle Zinn, Nickel und Aluminium wurden als Kontrollen und
zur Bestätigung des früher Festgestellten herangezogen.
Die Tatsache, daß die chemisch reinen, oxydfreien Metalle Kupfer,
Silber und Gold — und vermutlich auch eine Reihe anderer, wie Nickel.
Quecksilber u. a. — schwächer desinfizieren als die technischen Metalle,
dürfte für die Aufklärung der Widersprüche in der Literatur von be¬
sonderem Werte sein. Unter allen Umständen berechtigen sie zu der
Forderung, daß künftige Untersucher klar zum Ausdruck bringen, welche
„chemischen Elemente“ sie in ihren „Metallen“ prüften.
In den letzten Protokollen war bemerkt worden, daß der Nähragar
durch das nicht reine technische Metall schneller und wesentlich inten¬
siver grün gefärbt wurde, als durch das reine Kupfer. Gleichzeitig hatte
ersteres erheblich besser keimtötend gewirkt. Die Lösungsgeschwindigkeit
des metallischen Kupfers zu einem Salz und infolgedessen die Diffusions¬
geschwindigkeit der entstandenen Kupferverbindungen im Agar gingen
also parallel zur Intensität der Keimtötung: eine weitere Stütze zu der
schon früher bewiesenen Annahme, daß die Desinfektionskraft vom Kupfer
in den Nährböden als Folge der chemischen Lösung des Metalls aufzu¬
fassen ist.
Weshalb haben aber die chemisch reinen Metalle eine geringere keim¬
tötende Wirkung als die technischen? Der Grund hierfür kann ein zwei¬
facher sein.
Einmal kann das „verunreinigende Metall“ die keimtötenden Stoffe
bilden, während reines Metall als solches überhaupt nicht dazu fähig ist.
Es dürfte das vor allem vom „Golde“ gelten. Wie wir zeigen konnten,
hat chemisch reines Gold in infizierten Nährböden keinerlei Wirkung,
während ein goldener Haken eine breite, w r achstumsfreie Zone um sich
herum ließ. Im letzteren ist, wie auch in den Goldmünzen, Kupfer ab¬
sichtlich zugesetzt. Da dem Kupfer erhebliche keimtötende Eigenschaften
zukommen, möchten wir geneigt sein, das Gold als unwirksame Beigabe
zu dem desinfizierenden Kupfer anzusprechen; ähnliches halten wir von
Nickelmünzen.
In vielen technischen Metallen finden sich, wenn sie nicht eigens
chemisch gereinigt sind, Arsen, auch Antimon und sonstige Metalle und
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
323
Metalloide. Von Spuren des Arsens und Antimons konnten wir eine ganz
außerordentlich starke Desinfektionskraft zeigen. Es ist deshalb wohl die
Vermutung nicht unbegründet, daß in vielen Versuchen auch solche nicht
beabsichtigte Verunreinigungen der Metalle eine Desinfektion verursachen
können.
Welche Verunreinigung in unserem technischen Kupfer vorhanden war,
konnte ich nicht feststellen. Sicher ist aber, daß kein Arsen und Anti¬
mon vorhanden war, wie mittels der Marsh sehen Probe festgestellt
wurde. Es muß hier also eine andere Ursache vorliegen; und da möchten
wir die verunreinigenden Metalle nicht als direkt keimtötend ansprechen,
sie aber als Katalysatoren auf fassen.
Als Katalysator bezeichnet man bekanntlich einen Stoff, der, ohne sich
selbst zu verändern, eine chemische Reaktion beschleunigt oder verlangsamt.
Es bestehen danach zwei Möglichkeiten:
1. Durch die Bestandteile des Nährbodens entsteht aus dem chemisch
reinen Kupfer ein negativer Katalysator, der die Lösung des Kupfers ver¬
zögert; oder, was wahrscheinlicher ist,
2. im technischen Metall ist ein positiver Katalysator, der die Lösung
des Kupfermoleküls erleichtert, ohne selbst keimtötend zu wirken. Für
diese Hypothese sprechen eine große Reihe bekannter chemischer Reaktionen,
auf die wir indessen nicht näher eingehen können.
Möglicherweise spielt übrigens auch das Kupfer in dem technischen
Gold neben seiner eigenen Desinfektionskraft noch die Rolle des Kata¬
lysators für eine chemisch allerdings schwer vorstellbare Lösung des Gold¬
moleküls. Goldsalze wirken ja bekanntlich stark keimtötend.
Alles in allem darf man wohl sagen, daß die Lösung der Metalle in
den Nährböden auf die verschiedensten Weisen stattfinden wird.
Nach Analogie der früher eingehend beschriebenen Versuche über
das Zustandekommen der Wirksamkeit des Kupfers liegt die Annahme
nahe, daß bei allen Metallen, die ein Auskeimen der Bakterien im Nähr¬
boden verhindern, diese Wirkung durch Salzbildung, d. h. durch eine
chemische Lösung derselben zu erklären ist. Eine positive, experimentelle
Stütze für diese Behauptung konnten wir in dem fliegenden Laboratorium
des Feldes nicht durchführen. Wohl aber ließ sich eine reine Metallwirkung
für alle Metalle, die in den Nährböden desinfizierende Eigenschaften hatten,
leicht durch einen einfachen Versuch ausschließen. Zwischen je zwei sauber
gewaschene, trockene Zink-, Blei-, Silber- und Nickelplatten wurden trockene
Heubazillenhäutchen genau so, wie früher beim Kupfer, gelegt. Nach
48 ständiger inniger Berührung legten wir die Borken in je eine Agarplatte
zur Bebrütung. Es zeigte sich, daß bereits am nächsten Tage alle Häut¬
chen zu üppigem Wachstum ausgekeimt waren.
21 *
Digitized by Gougle
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324
Th. Messerschmidt:
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Daß Kupfer in den Nährböden in Lösung geht, sieht man auch ohne
die früher beschriebenen Versuche bei jeder Agarplatte, in der ein Stück
dieses Metalls liegt, an der Grünfärbung des Nährbodens. Bei mehr¬
wöchiger Beobachtung färben sich die Platten sogar vollkommen grün.
Die wachstumsfreie Zone um Silberstücke färbt sich am Lichte bräun¬
lich, worauf schon v. Behring aufmerksam machte. Farben Veränderungen
des Nährbodens beobachtet man in der Nähe der Metalle auch regel¬
mäßig beim Blei und Zink. Das sind Tatsachen, die die Lösung jener
Metalle in dem Nähragar sehr wahrscheinlich machen: Da durch die
zuletzt erwähnten Versuche eine direkte Metall Wirkung für die Keim¬
tötung auszuschließen ist, und da die Salze jener Metalle andererseits
keimtötende Eigenschaften haben, dürfte der Schluß nicht unberechtigt
sein, daß tatsächlich die Metalle im Nährboden in Lösung gehen. Antimon
und Arsen wirkten desinfizierend im Nähragar, ohne daß eine Veränderung
des Nährbodens zu beobachten war. Daß die Salze dieser Metalloide keim¬
tötende Eigenschaften haben, zeigte schon v. Behring an der Doppel¬
verbindung „Fluoratimon-Fluorkalium“, die dem Sublimat nur wenig an
Wirksamkeit nachsteht.
Zusammenfassung.
In vorliegender Arbeit wurde folgendes festgestellt:
1. Das französische Kupfergeschoß wirkt ebenso wie Gebrauchsgegen¬
stände aus Kupfer und sonstiges technisches Kupfer in Nährböden auf
alle Bakterien unter geeigneten Versuchsbedingungen keimtötend.
2. Die in Wasser unlöslichen reinen Kupferoxyde haben qualitativ
und quantitativ die gleiche Wirkung wie das Metall.
3. Die keimtötende Wirkung wird verursacht durch verschiedene
Kupferverbindungen, die sich über das basische Kupferkarbonat in den
Nährböden bilden. Es entstehen aus diesen anfangs KuproVerbindungen,
die durch Aufnahme von Sauerstoff in Kuprisalze übergehen. Als keim¬
tötend wird ein Kupfersalz, das im Nährboden ohne Bakterienwirkung
entsteht, und zwar mit Wahrscheinlichkeit das Kupferlaktat, angesprochen;
eine Kupferpeptonverbindung hatte keine desinfizierenden Eigenschaften.
4. Hyphomycetcn wurden durch die Kupferverbindungen in Nähr¬
böden am Wachstum nicht behindert.
5. Die Keimarmut der kupferhaltigen Münzen oder Gebrauchsgegen¬
stände beruht auf der Lösung des Kupfers zu Salzen. Das Anion dieser
Verbindungen stammt aus dem Schweiß; in der Hauptsache dürften es
Reste der Fettsäuren, besonders der Buttersäure, sein.
Gck igle
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Das Desinfektionsvermögen der Metalle usw.
325
6. Metallisches Kupfer als solches und ebenso alle nicht gelösten Me¬
talle desinfizieren nicht, wenn nicht Lösungsmittel auf ihnen vorhanden sind.
7. Die chemisch reinen Metalle Kupfer und Silber sind wesentlich
weniger wirksam in Nährböden als die nicht reinen technischen Metalle.
8. In Nährböden bilden stark desinfizierende Salze: Kupfer, Antimon,
Arsen, Zink, Magnesium und Blei; weniger wirksam sind: Silber, Kad¬
mium, Wismut, Mangan und Nickel; imwirksam sind: Gold, Quecksilber,
Aluminium, Zinn, Eisen, Palladium und Platin. Diese Angaben beziehen
sich auf chemisch reine Metalle.
Die Verhütung des Keimwachstums durch Metalle in Nährböden und
an Gebrauchsgegenständen beruht auf ihrer Löslichkeit zu desinfizierenden
Metallsalzen.
Digitized by
Go^ 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
326 Th.Messeksch.midt: Das Desinfektionsyermögex der Metalle usw.
Digitized by
Literaturverzeichnis.
1. Miller, zit. nach v. Behring.
2. v. Behring, Desinfektionslehre. 1913.
3. Uffelmann, Berl. kl in. Wochenschr. 1892.
4. Bolton, Transact. Americ. Ass. Physic. 1894.
5. Ficker, Zeitschr . /. Hyg. u. Infekt.-Krankh. Bd. XXIX.
6. Vincent, Revue d'Hygiene. T. XVII.
7. Christian, Desinfektion. Bd. IV.
8. Cred6 und Beyer, Silber und Silbersalze als Antiseptika. Leipzig 18%,
Vogel.
9. Thiele und Wolf, Archiv für Hygiene . 1899.
10. Schenk, österr.-ung. Vierteljahrsschrift f. Zahnheilkunde. 1901.
11. Ho ff mann, Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1902.
12. Bohtz, Vet.-med. Inaug.-Diss. Gießen 1904.
13. Kraemer, Americ. Joum. pharmacy. 1906.
14. Hübner, Med. Inaug.-Diss. Berlin 1909.
15. Natoneck und Keitmann, Diese Zeitschr. 1915. Bd. LXXIX.
16. Schill, Jahresber. d. Ges. f. Natur - u. Heilkunde. Dresden 1891/92.
17. Israel und Klingmann, Virchows Archiv. Bd. CXLVII.
18. v. Xägeli, Denksehr . d. allgem. Schweiz . Ges. f. d. ges. Naturw. Bd. XXXIII.
19. Bitter, Diese Zeitschr. 1911. Bd. LXIX.
20. Paul und Krönig, Ebenda. Bd. XXV.
21. Voigtländer, Zeitschr. f. physik. Chemie. Bd. III.
22. Reformatzki, Ebenda. Bd. VII.
23. Lottermoser, zit. nach Traube, Physik. Chemie. 1904.
24. Ahrens, desgl.
25. Liesegang, Chem. Renkt, in Gallerten. Düsseldorf 1898.
26. Spiro, Münch. Med. Wochenschr. 1915.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel n-vn.
Tafel II.
Fig. 1 . Vgl. Seite . 2S9
Fig. 2. „ .293
Tafel III.
Fig. 3. Vgl. Seite.296
Flg. 4. „ „ 297
Tafel IV.
Fig. 5. Vgl. Seite.297
Fig. 6. „ „ 298
Tafel V.
Flg.
7.
Vgl.
Seite ....
. 300
Fig.
s.
t»
„ •
. 302
Tafel VI.
. 303
Flg.
9.
Vgl.
Seite . . • •
Flg.
10.
'1
,, • • • • 1
. 311
Tafel VH.
. 312
Fig.
11.
Vgl.
Seite .
Fig.
12.
,, • • •
. 312
Gck igle
Original from
UNIVERSiTY OF CALIFORNIA
[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin.]
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. C. Flügge.)
Über Desinfektion mit trockener Heißluft.
Von
Dr. med. Heinrich Lange,
Assistenzarzt der Reserve beim Barackenlazarett auf dem Tempelhofer Felde,
kommandiert zur Dienstleistung am Institut.
Während in der älteren Desinfektionspraxis die trockene Hitze eine
sehr große Rolle spielte, wurde sie späterhin durch die Untersuchungen
R. Kochs 1 und seiner Schüler 2 gänzlich von dem strömendem Wasser¬
dampf verdrängt. Wurde doch durch Koch einwandfrei erwiesen, daß
der Wasserdampf mit ungleich größerer Sicherheit und Schnelligkeit selbst
die widerstandsfähigsten Bakterien abtötet und in dichte Objekte ein¬
dringt. So hat man jahrzehntelang die Nachteile, die auch der Wasser¬
dampfdesinfektion anhaften, insbesondere die Schädigung von Leder,
Gummi, Büchern usw., mit in Kauf genommen und das Verwendungs¬
gebiet der trockenen Heißluft fast nur auf das Laboratorium, besonders
zur Glassterilisierung, beschränkt, obwohl diese Desinfektionsmethode
gerade gegenüber jenen empfindlichen Objekten noch bei recht hohen
Temperaturen viel schonender ist.« Dieser letztere Vorzug macht es ver¬
ständlich, daß neuerdings mehrfach das Bestreben hervorgetreten ist, der
Heißluftdesinfektion eine Form zu geben, die ihr auch in der modernen
Desinfektionspraxis eine Stelle einräumt. Schumburg 3 versuchte 1902,
die Eindringungszeit durch künstlich erhöhte Feuchtigkeit und Luftbewegung
1 R. Koch und Wolffhügel, Untersuchungen über die Desinfektion mit
heißer Luft. Mitteilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt. Bd. I. S. 301. 1881.
2 Koch, Gaffky, Löffler, Versuche über die Verwertbarkeit heißer Wasser¬
dämpfe zu Desinfektionszwecken. Ebenda . S. 322.
3 Schum bürg, Über die Desinfektionskraft der heißen Luft. Diese Zeit¬
schrift. Bd. XLI. S. 167. 1902.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
328
Heinrich Lange:
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zu verkürzen, legte später aber auf die letztere keinen Wert mehr, sondern
schlug zur Desinfektion ruhende Luft von 100° und 55 bis 65 Prozent
relativer Feuchtigkeit vor. Ballner 1 wandte diese Methode angeblich
mit gutem Erfolge zur Bücherdesinfektion an. Wie Schumburg selbst
betont, ist jedoch die Konstanterhaltung jenes Feuchtigkeitsgrades für
die Sicherheit der Desinfektionswirkung und die unversehrte Erhaltung
der Objekte unerläßlich. Dieser Anforderung kann aber in der Praxis
kaum entsprochen werden.
Da die Verkürzung der Eindringungszeit bei hohen Temperaturen
nicht leicht erreichbar zu sein schien, so verzichteten Flügges Schüler
Mosebach 2 , Findel 3 und Konrich 4 * auf dieses Ziel und versuchten
mit niedrigeren Temperaturen, aber recht ausgedehnter Desinfektions¬
dauer auszukommen. Das endgültige Ergebnis dieser Untersuchungen
war, daß man ohne Feuchthalten der Luft Leder, Bücher, Uniformen usw.
ohne jede Schädigung durch ruhende Heißluft von etwa 80° bei 48 ständiger
Einwirkung sicher von pathogenen Bakterien aller Art befreien kann. Diese
lange Desinfektionsdauer stand aber naturgemäß der ausgedehnteren Ein¬
führung des Verfahrens in die Desinfektionspraxis im Wege.
Seit Kriegsbeginn hat trotzdem das Heißluftverfahren von neuem
die allergrößte Bedeutung gewonnen. Die Aufgabe, dampfempfindliche
Objekte in großen Massen schnell zu entlausen, fand durch diese Methode
ihre beste Lösung. Nach Hey mann 6 genügt zur Abtötung von Läusen
und Nissen selbst im Inneren schwer zugänglicher Kolli (zusammen¬
geschnürte militärische Ausrüstungsgegenstände aus Leder) eine 5- bis
6stündige Einwirkung von 80°. Zur Verkürzung dieser Zeit empfahl er
auf Grund einiger Vorversuche die Bewegung der heißen Luft mittels
Zirkulatoren.
In weiterer Verfolgung dieser Erfahrungen glaubte Rautmann®.
bewegte Heißluft über die Entlausung hinaus für die allgemeine Des-
1 Ballner, Über die Desinfektion von Büchern, Drucksachen u. dgl. mittels
feuchter Heißluft. Leipzig, Wien 1907.
2 Mosebach, Untersuchungen zur Praxis der Desinfektion. Diese Zeitschrift.
Kd. L.
3 Findel, Desinfektion von Büchern usw. mit heißer Luft. Diese Zeitschrift.
Kd. LVII.
4 Konrich, Zur Desinfektion von Lederwaren und Büchern mit heißer Luft.
Diese Zeitschrift. Bd. LXXI.
6 Hey in a n n, Bekämpfung der Kleiderläuse. Zeit sehr. f. ärztl. Fortbild u ngs wese n .
1915, und Diese Zeitschrift . Bd. LXXX.1915.
• Raut mann, Untersuchungen über den Desinfektionswert stark bewegter
heißer Luft. Zentralblatt für Bakteriologie vsu\ Bd. LXXV1I. Heft 1.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
329
infektionspraxis nutzbar machen zu können, und zwar an der Hand von
Versuchen, die er mit einem von Ingenieur Vondran-HaUe konstruierten
Apparat anstellte. In demselben wurden die Objekte trockener heißer Luft
von 130 bis 160° ausgesetzt, die durch einen Ventilator in ständiger Zir¬
kulation erhalten wurde. Angeblich drang hierbei die Hitze auch in sehr
dichte Objekte, z. B. in eine gerollte Cambrikbinde von 20 m Länge und
10 cm Breite, in 15 bis 30 Minuten ein. Rautmann kommt daher zu dem
Schluß, daß, „da durch die starke Luftströmung ein Eindringen der Hitze
in die schlechten Wärmeleiter ermöglicht und daher auch im Inneren der¬
selben nach relativ kurzer Zeit eine hohe Temperatur erreicht wird, sich
die stark bewegte Heißluft auch zur Bakteriendesinfektion verwenden läßt“.
Hiernach schien in der Tat die trockene bewegte Heißluft geeignet
zu sein, mit der Dampfdesinfektion in Wettbewerb zu treten. Auf An¬
regung von Herrn Geheimrat Flügge habe ich daher die theoretischen
Grundlagen eines solchen Verfahrens eingehender festzulegen und daraus >
die Grundsätze abzuleiten versucht, die für seine praktische Verwertung
in Frage kommen.
A. Laboratorlumsversuehe Aber die Verwendbarkeit der Heißluft
zu Desinfektionszwecken.
L Versuche über die Wirksamkeit trockener ruhender und bewegter
Heißluft auf Bakterien.
Über die Wirkung trockener Heißluft auf Bakterien ist auffällig wenig
bekannt. „Exakte Versuche über das Absterben der an Objekten an¬
getrockneten Bakterien unter der Einwirkung höherer Temperaturen“,
schreibt Graßberger 1 , „sind nicht in dem Umfange vorgenommen worden,
wie dies bei den übrigen desinfizierenden Maßnahmen inzwischen erfolgt
ist“, und Croner* hat in seinem neuen Lehrbuch der Desinfektion nur
wenige diesbezügliche Versuche aus der gesamten Literatur zusammen¬
stellen können. Offenbar hatte man für Jahrzehnte unter dem Einfluß
der ablehnenden Stellungnahme Kochs jegliches Interesse für die Trocken¬
desinfektion verloren, ohne daran zu denken, daß seine Versuche noch
vor der Entdeckung der meisten uns praktisch interessierenden Bak¬
terien angestellt waren und lediglich die Abtötung von Milzbrandsporen
als Maßstab für die Brauchbarkeit eines Desinfektionsverfahrens im Auge
hatten. Daher schienen mir zunächst Versuche über die Temperaturen
1 Graßberger, Desinfektion, in Rubner, Gruber und Ficker, Handbuch
der Hygiene. Bd. III. Abt. 1.
1 Croner, Lehrbuch der Desinfektion . Leipzig 1913.
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330
Heinrich Lance:
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und deren Einwirkungsdauer angebracht, durch welche die am häufigsten
in Betracht kommenden Krankheitskeime durch trockene Heißluft ab¬
getötet werden.
Tabelle I.
Desinfektionsversuche mit ruhender Heißluft.
60°
80°
100°
110° 120°
140° | 150° 170«
1. Cholera
1 10'
_
_ _
— _
15' '
-
20' ,,
—
-
| _ ! _
30'
—
- -
- (
,1 Std.
-
-
_
2 Std.
2. Ruhr
10' i
+
i |
15' :
—
20' |
— -
!
30'
— (
1 Std.
J_
-4-
1
2 Std.
-r
-
1
3. Diphtherie
10'
— ~r
— _
, 15'
-4-
-4_
! 20'
-U —
— —
30'
—
—
— —
1 Std.
—
4-
-
■
2 Std.
-
: |
4. Typhus
10'
1 V
—
—
—
-
20'
—
_
_ _
30'
+
_L _
—
1 Std.
+ i
-h
1 — 1
i
2 Std.
+
_
!_^j_ !
i i
5. Coli
10'
1
_ i _
15'
-
, 20'
i
— i —
30'
l
-f
- i
1 Std.
l
+ 1
—
— —
i
\
2 Std.
-- 1
-r
1
-
1
6. Staphylokokk. 1
10' 1
I
— - ; -
15'
- ;
j
20'
_
1
30'
..
_
1 Std.
|
-4-
_ -
1
2 Std.
4- '
r_:
-
1 __i_.
7. Milzbrand
10'
(mit Sporen)
15'
i
-P |
2o'
i 1
1 -U 1 -
30'
i
i
f
!
1 Std.
2 Std.
—
i
-L =
i
nicht abgetötet, —
— abgetötet.
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
331
Gesamte rgebnis.
Es werden abgetötet bei:
!
i 60°
80°
100«
110®
120°
140«
150«
170®
1. Cholera
in 1 Std.
1 15 '
10'
i
2. Ruhr
2 Std.
30'
15'
10'
I
3. Diphtherie
2 Std.
30'
30'
20'
' 10'
1
4. Typhus
2 Std.
1 Std.
20'
10'
5. Coli
1
1
2 „
30'
30'
10'
!
1
6. Staphylokokken
1—2Std.
30'
15'
10'
7. Milzbrandsporen ||
2 Std.
1 Std.
30'
10'
Zu diesem Zweck wurden 24stündige Kulturen von Coli-, Typhus-,
Cholera-, Diphtherie- und Ruhrbazillen sowie von Staphylokokken und
sporenhaltigen Milzbrandbazillen in Bouillon abgeschwemmt, mit der Auf¬
schwemmung 1 qcm große, sterile Leinwandläppchen getränkt, 2 bis
3 Stunden lang getrocknet, in einfache, sterile Fließpapierbeutel gelegt
und in Trockenschränke von verschiedener Hitze gebracht. Daß hier die
Proben tatsächlich den protokollierten Temperaturen ausgesetzt waren,
wurde dadurch gewährleistet, daß sie dicht neben das Thermometer¬
gefäß gelegt wurden. Nach dem Versuch wurden die Proben (nebst Kon¬
trollen) in Bouillon gebracht und mindestens 3 Tage lang bei 37 0 gehalten.
Die Versuchsbedingungen und Ergebnisse im einzelnen sind in Tab. I
zusammengestellt. Danach werden bei der praktisch noch allenfalls brauch¬
baren Temperatur von 110° Choleravibrionen in kürzester Zeit abgetötet;
Ruhrbazillen nach 15 Minuten; Coli- und Diphtheriebazillen nach 30 Mi¬
nuten; Typhusbazillen erst nach 1 Stunde, Staphylokokken nach 1 bis
2 Stunden. Milzbrandsporen werden erst bei 120° in 2 Stunden abgetötet,
kommen aber für unsere Zwecke nicht in Frage. In der allgemeinen
Desinfektionspraxis müßte also trockene Heißluft von 110°
mindestens 1 bis l 1 ^ Stunden einwirken, um sämtliche in
Betracht kommenden Krankheitserreger abzutöten. Sollen auch
Staphylokokken sicher vernichtet werden, so wären sogar 2 Stunden in
Anschlag zu bringen.
Man könnte daran denken, die Wirkung der Heißluft entweder durch
Erhöhung der Temperatur oder durch Verlängerung der Zeit zu steigern.
Allein für die Zwecke der praktischen Desinfektion sind beide Wege nicht
sangbar. Die Temperaturhöhe ist durch die Notwendigkeit der Schonung
der Objekte begrenzt. Nach Konrich 1 kann man Ledersachen und Bücher
1 Konrich, a. a. O.
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332 Heinrich Lange:
einer häufigen, 24- bis 48stündigen Erhitzung auf 75 bis 95° aussetzen,
ohne sie zu schädigen. Der gleichen Temperatur unterwarf Hey mann 1
6 Stunden lang militärische Uniformen und Ausrüstungsgegenstände aller
Art behufs Entlausung und beobachtete an ihnen (mit einziger Ausnahme
der Filzhelme), auch bei mehrfacher Wiederholung, gleichfalls keinerlei
Schädigungen. Steigerte ich die Temperatur auf 105 bis 110°, so ver¬
trugen Zivilkleider und Uniformen, trockenes Lederzeug, Leinwand, Gaze,
Bindfäden, Papier u. a. m. eine einmalige 4ständige Behandlung ohne
Veränderungen, während bei einer mehrmaligen öfters Stoffasern, Leder
und Papier an Elastizität einbüßten und Verfärbungen eintraten. Be¬
sonders empfindlich erwies sich feuchtes Schuh werk. Dies sah ich ge¬
legentlich schon beim ersten Male hart und brüchig werden, konnte es
allerdings noch durch baldiges, nachträgliches Anfeuchten und heftiges
Kneten wieder biegsam machen. Bei 120° aber besteht die dringende
Gefahr einer nicht mehr zu bessernden Schädigung. Auf Grund dieser
Versuche müssen wir also im Gegensatz zu Rautmann, der noch Tem¬
peraturen von 130 bis 160° empfiehlt, unbedingt daran festhalten, daß
110° für die Praxis das äußerste, noch allenfalls zulässige
Maximum der Erhitzung darstellen.
Auch eine beliebige Verlängerung der Erhitzungsdauer erscheint aus
praktischen Gründen ausgeschlossen. So empfehlenswert für besonders
empfindliche und entbehrliche Objekte nach Konrichs Vorgang die viel-
stündige Anwendung relativ niedriger Hitzegrade ist, so wenig eignet sich
dieses Verfahren für die Großdesinfektion, die mit einem höchstens vier¬
stündigen Betriebsturnus rechnen muß.
Mit dem strömenden Wasserdampf kann sich demnach die trockene
Hitze durchaus nicht messen. Im Hinblick auf Kaufmanns 2 Beobachtungen
liegt aber der Gedanke nahe, ob nicht die Wirksamkeit der heißen Luft
durch Bewegung gesteigert werden könnte. Es wurden daher (ebenso
wie früher vorbereitete) Bakterienproben ohne Fließpapierbeutel in einem
weiter unten beschriebenen Apparat einem Heißluftstrom von 100° und
1-3 m pro Sekunde Geschwindigkeit, gleich lange wie vorher der ruhenden
Luft, ausgesetzt. Das Ergebnis war negativ. Selbst wenn aber, vielleicht
bei größerer Luftgeschwindigkeit, die Bakterien etwas schneller absterben
würden, so wäre dies praktisch ohne Bedeutung; denn selbstverständlich
würden nur die oberflächlich gelagerten Keime dieser stärkeren Ein¬
wirkung unterliegen, während alle tiefer gelegenen ihr entzogen wären.
1 Hey mann, a. a. O.
2 Rautmann, a. a. O.
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
333
Wenn wirklich die Luftbewegung den Desinfektionsprozeß in dem Maße
begünstigt, wie Rautmann es angibt, so kann dies also nicht auf einer
stärkeren Schädigung der Bakterien, sondern höchstens auf einer Be¬
schleunigung des Wärmeeintritts in die Objekte, auf Verkürzung der
,,Eindringungszeit“, beruhen. Welche Momente hierbei eine Rolle
spielen, habe ich in folgendem festzustellen versucht.
XI. Versuche über die Geschwindigkeit der Durchwärmung verschiedener
Objekte in ruhender und bewegter Heißluft.
Zur Feststellung der Eindringungsgeschwindigkeit der Hitze in ver¬
schiedenartige Objekte ließ ich mir einen besonderen Apparat (Fig. 1)
bauen, wobei mich die Herren Ingenieure Fröhlich und Haber (von der
hiesigen Firma Theodor Fröhlich) mit dankenswerten Ratschlägen unter¬
stützt haben.
Ein doppelwandiger, dicht schließender Trockenschrank von 28 x28
X 45 cm Innenraum wurde mit zwei Öffnungen (a und b ) versehen. Die
Öffnung a (4 cm unterhalb der Decke, von 4 x 16 cm Querschnitt) stand
durch ein 8 cm langes, mit Thermometer versehenes Rohr mit einem elektrisch
betriebenen Zentrifugalventilator in Verbindung und ließ die bewegte Luft
in den Kasten eintreten; die kreisrunde Ausströmungsöffnung ft von
12 cm lichter Weite befand sich am Kastenboden und ging in ein Blech-
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334
Heinrich Lange:
rohr von 10 cm Durchmesser über, das die Luft in den Ventilator zurück¬
führte. Für Versuche mit ruhender Luft konnten beide Öffnungen mit
Blechstutzen verschlossen werden.
Die Anheizung des Schrankes erfolgte durch einen automatisch
regulierten Gasringbrenner, welcher die Innentemperatur auf 100° hielt
und bei Versuchen mit bewegter Luft durch Bunsenbrenner unterstützt
wurde. Eine fortlaufende Beobachtung der Innentemperatur war durch
ein frei im Raume dicht neben den Versuchsobjekten hängendes Thermo¬
element ermöglicht. Zum Schutze vor Wärmeabstrahlung war die gesamte
Apparatur mit dichten Asbestlagen bekleidet; die eingebraehten Objekte
wurden vor der strahlenden Wärme durch eine Asbestplatte am Kasten¬
boden und durch einen Kartonpapierzylinder von 20 cm Durchmesser
und 28 cm Höhe geschützt.
Die bei a eintretende Luft wurde mittels eines durchlochten, 10 cm
unterhalb der Decke eingelegten Bleches gleichmäßig über den Kasten¬
querschnitt verteilt. Ihre Geschwindigkeit ließ sich durch Vorschaltwider¬
stände regulieren und betrug zwischen 1-3 bis 2-5 m pro Sekunde. Zur
ständigen Kontrolle der Gleichmäßigkeit des Luftstromes während eines
Versuches diente ein Krellsches Pneumometer im Abströmungsrohr.
• Sämtliche Versuche wurden ohne jede Befeuchtung der Luft angestellt.
1. Versuche über den Einfluß der Körperstruktur auf die
Eindringungszeit der Wärme.
Um stets unter möglichst gleichen Versuchsbedingungen arbeiten zu
können, ließ ich mir „Testkörper“ anfertigen. Es waren dies Drahtnetz¬
körbchen oder mit Draht gestützte Säckchen
aus dünner Leinwand (Fig. 2), von 10 cm Höhe
und 9 cm Durchmesser, die mittels eines Bügels
in dem Trockenkasten aufgehängt werden
konnten. Die Körbchen waren oben offen;
die gänzlich geschlossenen Leinwandsäckchen
hatten in der Decke zwei sich kreuzende, je
1 • 5 cm große Einschnitte, die zur Einführung
eines Maximalthermometers und eines Thermo¬
elements dienten und beim Versuch mit Watte
abgedichtet wurden. Um die Gewißheit zu
haben, daß sich Thermoelement und Hg-Kugel
des Maximalthermometers an gleicher Stelle
Fig. 2 . Fig. 3 . genau in der Mitte des Testkörpers befanden,
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
335
wurde am Maximalthermometer neben der Hg-Kugel ein Glassporn (s. Fig. 3)
angeschmolzen, in dem die ösenförmig gebogenen Drähte der Thermonadel
eingehängt wurden.
Um zu prüfen, inwieweit die mechanische Struktur der Körper die
Eindringungsgeschwindigkeit der Heißluft beeinflußt, füllte ich die Be¬
hälter mit Material von verschiedener Korngröße und setzte sie zu¬
nächst ruhender Heißluft aus. Der Temperaturgang im Inneren des Ob¬
jektes, ebenso wie die Kastentemperatur, wurde mindestens alle 10 Minuten
an einem Millivoltmeter abgelesen.
Die übersichtlichsten Versuchsbedingungen boten drei Testkörper dar,
von denen der eine mit „Grobsand“ von 1-5 bis 2 mm Korngröße, der
andere mit „Feinsand“ von einer Korngröße unter 0-5 mm, der dritte
mit einem Gemisch von Feinsand und Lehm gefüllt war. Die einzelnen
Komsorten waren sorgfältig gesiebt, so daß jede nur Elemente von an¬
nähernd gleicher Größe enthielt. In solchen gleichkömigen Materialien
ist bekanntlich die Summe aller lufthaltigen Zwischenräume, das „Poren¬
volum“, stets dasselbe (etwa 38 Prozent), gleichviel, welchen Durchmesser
die Körner haben — eine Tatsache, die sich auch bei unseren Testkörpern
in dem gleichen Volumgewicht der Grob- und Feinsandfüllung (1050 g
pro Testkörper) aussprach. Im Gegensatz zu dem Porenvolum ist die
Weite der Zwischenräume, die „Porengroße“, eine Funktion der Korn¬
größe: sie wird um so kleiner, je feiner die Elemente werden. Mischt
man Materialien'von verschieden großem Korn derart miteinander, daß
sich die feineren Elemente in die Poren zwischen die größeren einlagem,
so verringern sich Porenvolum und Porengröße, je nach dem Mischungs¬
verhältnis bis zu äußerst niedrigen Werten. Ein solches überaus dichtes
Versuchsobjekt haben wir dadurch hergestellt, daß wir Feinsand mit
33 Prozent Lehm innig mischten. Naturgemäß wuchs hierbei das Volum¬
gewicht der Füllung gegenüber dem reinen Feinsand; es betrug 1238 g.
Der Grobsand wurde in ein Drahtnetzkörbchen oben beschriebener
Form mit 1*4 mm Maschenweite, die feinkörnigen Materialien in die Säck¬
chen aus dünner Leinwand eingefüllt, und die Eindringungsgeschwindigkeit
der Wärme für jeden Testkörper in ruhender und bewegter Heißluft bestimmt.
Die Ergebnisse sind in Tab. II zusammengestellt.
An den Versuchen in ruhender Luft fällt zunächst die durchgehends
sehr lange Eindringungszeit auf; selbst im günstigsten Falle betrug sie noch
2 Stunden 10 Minuten. Beim Vergleich der einzelnen Testkörper zeigt sich
eine gewisse Verschiedenheit der Eindringungsgeschwindigkeit, die dafür
spricht, daß die Wärme — wie zu erwarten war — in dem grobkörnigen, also
großporigen Material schneller als in das Feinmaterial einzudringen vermag.
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336
Heinrich Lange:
Tabelle II.
Testkörper J
Eindringungszeit bei etwa 100° in Min.
Be-
merkungen
Füllmaterial
Korngröße |
o. Gewicht
U8W.
in ruhen¬
der Luft
in bewegter Luft von
l-3m pr.Sek.j l-8m pr.Sek.
Grobsand
1-5—2 mm;
1050 g;
Drahtnetz- j
körbchen j
ISO
100
r" 8 <r 7
Feinsand
unter
0-5 mm; i
1050 g; 1
Leinwand¬
säckchen
150
120
105
_
Feinsand
4* Lehm
(33 °/ 0 )
unter ,
0-5mm;
1288 g; '
Leinwand¬
säckchen
160
150
150
_
Bimskies
2—8*5 mm;
i"i g;
Leinwand-
1 säckchen
40
15
15
i _
i
t
> l—l-5mm;
; 131 g;
Leinwand¬
säckchen |
70
50
30
7»
1 10—300/1 ;
staub¬
förmiges
! Material
80
100*
I
100
100
* Nach Er¬
schütterung
i wie in be¬
wegter Luft
i
Seiden*
flocken
100 g
200 g
i !
90
nach 190'93° j
I
100
nach 110'93°;
170 1
,1
Große Unterschiede
wiesen die
Versuche mit bewegter Luft auf:
Hier betrug z. B. bei einer Luftgeschwindigkeit von 1*8 m pro Sekunde
die Eindringungszeit im Grobsand nur 80 Minuten, im Feinsand dagegen
1 Stunde 45 Minuten und im Feinsand-Lehmgemisch sogar 2 Stunden
30 Minuten. Mit unzweifelhafter Deutlichkeit zeigt sich also, daß in der
Tat die Porengröße der ausschlaggebende Faktor für den
schnelleren oder langsameren Eintritt der Wärme in die Ob¬
jekte ist, ein Ergebnis, das im Einklang mit Rubners 1 Beobachtungen
1 Rubner, Archiv für Hygiene. Bd. LV.
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
337
„Über das Eindringen der Wärme in feste Objekte und Organteile tierischer
Herkunft“ steht.
Diese Abhängigkeit der Eindringungszeit von der Porengröße muß
sich nun aber noch, in anderer, uns hier besonders interessierender Richtung
geltend machen. Wie ein Blick auf die Tab. II zeigt, verkürzt die Luft¬
bewegung die Eindringungsdauer z. T. in sehr erheblichem, mit wachsender
Geschwindigkeit ansteigendem Maße. So sank beim Grobsand die Ein-
dringungszeit von 130 Minuten in der Ruhe bei einer Luftbewegung von
1-3 m pro Sekunde auf 100, von 1-8 m pro Sekunde sogar auf nur 80 Mi¬
nuten herab. Auch bei Feinsand zeigen sich deutlich Ausschläge zugunsten
der bewegten Luft; doch erreichen diese längst nicht mehr die Höhe wie*
beim Grobsand. Beim Feinsand-Lehmgemisch dagegen kommt kaum
noch eine Beschleunigung zustande. Es ergibt sich also, daß die Luft¬
bewegung nur beim Vorhandensein größerer Poren und bei
relativ hohen, in der Praxis schwer herstellbaren Strömungs¬
geschwindigkeiten eine erheblichere Beschleunigung der Durch-
hitzung herbeifuhrt.
Gegen die Verallgemeinerung dieser Beobachtungen ließe sich viel¬
leicht einwenden, daß sie an Körpern mit solider Grundsubstanz an¬
gestellt sind, während es sich in der Praxis zumeist um in sich poröse
Objekte handelt. Wie sich ceteris paribus an solchen Körpern die Ein-
dringungszeiten verhalten, zeigen uns die folgenden Versuche. Zu diesen
verwendete ich „Bimskies“, einen in der vulkanischen Eifel und deren
Umgegend in großen Lagern vorkommenden Lavaschaum, der mit kapil¬
laren Poren reichlichst durchsetzt ist, ein sehr niedriges spezifisches Gewicht
besitzt und zur Herstellung der „Rheinischen Schwemmsteine“ benutzt
wird. Aus den kirschkern- bis walnußgroßen Stücken des Rohprodukts
stellte ich mir durch Mahlen und Sieben gleichfalls drei Materialien ver¬
schiedener Korngröße her, von 2 bis 3*5 mm, von 1 bis-1-5 mm und von
unter 0*5 mm. Leider gestattete der Bimskies infolge seiner Brüchigkeit
nicht die Herstellung eines so gleichmäßigen, von feineren Elementen
freien Korns wie der Sand. Das kleinste Korn enthielt sogar vorzugsweise
nur mehlartig feinste Partikel bis zu mikroskopischer Kleinheit.
Die Ergebnisse stimmen mit den früheren Beobachtungen durchaus
überein. Abgesehen davon, daß — als Folge des andersartigen Grund¬
materials — im ganzen die Eindringungszeiten nicht so ausgedehnt waren,
wie beim Sand, tritt wie früher auch hier der Einfluß der Porengröße auf
die Eindringungszeit klar hervor und zwar wiederum in bewegter Luft
deutlicher als in ruhender. Auch die höhere Wirkung der stärkeren Luft¬
bewegung gegenüber der schwächeren läßt sich wenigstens an der mittleren
Zeitaciir f. Hygiene. LXXXII
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22
Original fram
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338
Heinrich Lange:
Korngröße konstatieren, während für das gröbere Korn offenbar schon
bei der schwächeren Luftgeschwindigkeit von 1*3 m pro Sekunde eine
maximale Wirkung erzielt ist.
Recht auffällige Ergebnisse hatte ich mit dem feinsten Bimskieskorn.
Hier trat im Wind nicht nur keine Verkürzung, sondern sogar eine Ver¬
längerung der Eindringungszeit ein. Dieses paradoxe Phänomen war, wie
genauere Versuche erwiesen, durch die Erschütterung des gesamten Ap¬
parates bei der Ventilatorbewegung verursacht. Wurde nämlich der Motor
bei geschlossenem Ein- und Ausstrom in Bewegung gesetzt, und auf
diese Weise der Testkörper in ruhender Luft ebenso stark erschüttert
wie in bewegter, so stieg die Eindringungszeit auf die gleiche Dauer an,
hielt sich nunmehr auf dieser Höhe, wenn der Versuch ohne Erschütterung
wiederholt wurde, und sank erst wieder auf die frühere kürzere Frist,
wenn die Füllmasse durch Kneten zu ihrem ursprünglichen Volum auf¬
gelockert war. Diese Beobachtungen bilden eine willkommene Bestätigung
für die ausschlaggebende Bedeutung der Porengröße. Wie man nämlich
an dem Testkörper aus staubförmigem Material deutlich sah, war er nach
der Erschütterung erheblich in sich zusammengesunken, d. h. die feinsten
Partikel hatten sich offenbar noch in einen Teil der vorher bestehenden
Porenräume hineingelagert und damit die Dichtigkeit des Objektes wesent¬
lich erhöht.
Im Anschluß hieran machte ich noch einige Versuche mit organischem
Material. Zu diesem Behufe füllte ich die Testkörper mit Seidenflocken
(„Mungo“). Die Ergebnisse entsprachen unseren bisherigen Beobachtungen.
Wurde der Testkörper dicht, mit 200 g des Materials, gefüllt, so wurden
in seinem Inneren nach 190 Minuten erst 93 0 erreicht. Bei halb so starker
Füllung war er bereits nach 90 Minuten durchwärmt, freilich eine an sich
recht lange Eindringungszeit.
Fassen wir die Ergebnisse der bisherigen Versuche zusammen, so
kommen wir zu dem Schluß, daß die trockene Heißluft in Ruhe wie in
Bewegung in feinporige Objekte, wie sie zumeist in der Praxis vorliegen,
nur außerordentlich langsam eindringt, und daß eine Beschleunigung des
Eindringens durch kräftige Bewegung der Heißluft nur bei grob¬
porigen Objekten zustande kommt, bei feinporigen Objekten dagegen
ganz fortfällt.
Von einem Wettbewerb der trocknen, ruhenden oder bewegten Hei߬
luft mit dem strömenden Wasserdampf kann daher gar keine Rede sein,
da letzterer bekanntlich selbst in ein „Bettenkolli“ von s / 4 m Höhe und
V 2 m Durchmesser in längstens */ t bis 1 Stunde eindringt und ein so schwer
durchdringliches Objekt, wie den feinstporigen Testkörper, in einem Ver-
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
339
gleichsversuche sofort bewältigte. Diesen Vorzug verdankt, wie schon
Rubner 1 betont hat, der strömende Wasserdampf seiner Absorption und
Kondensation in feinporigen Objekten, Vorgängen, die — abgesehen von
Wärmeentwicklung — dadurch so günstig wirken, daß sie in den Kapil¬
laren luftverdünnte Räume hcrstellen und dadurch dem nachdrängenden
Dampf den Eintritt ermöglichen. In diesen physikalisch begründeten
Vorteilen kann die trockene Luft niemals den strömenden Wasserdampf
erreichen. Werden wir gleichwohl durch die Notwendigkeit, dampf-
empfbidliche Objekte zu schonen, zur Verwendung trockener Hitze ver¬
anlaßt, so werden wir uns nach wie vor mit erheblich längeren Ein-
dringungszeiten abfinden müssen.
2. Versuche über die Durchgangszeit der Heißluft durch
Kleiderstoffe.
Während die bisherigen Versuche mit voluminösen, kompakten Test¬
körpern angestellt waren, war nunmehr in Annäherung an die praktischen
Verhältnisse noch festzustellen, welchen Einfluß auf die Eindringungszeit
der Heißluft Schichten von Kleiderstoffen, insbesondere Uniformstoffen,
Tabelle III.
Einfluß der Testkörperumhüllungen auf die Eindringung heißer Luft.
1
Die Schranktemperatur (98—110°) wurde
im Inneren des Testkörpers erreicht in:
Im
Kochschen
Dampftopf
Testkörper Bimskies
ruhender
bewegter Luft
2—3*5 mm Korngröße
|
Luft
nach Min.
von 1 • 3 m
pr. Sek.
nach Min.
I • 8 m
pr. Sek.
nach Min.
wurden 100°
erreicht
nach Min.
Leinwandhülle
50
10
15
40
15
40
15
40
10
Leinwand +
80
70
50
zweifach Flanell
1
65
Leinwand +
70
70
70
einfach feldgrau
80
70
Tuch
70
Leinw r and +
70
90
70
zweifach feldgrau
80
90
70
Tuch
70
geschlossene
95
—
1)0
Blechbüchse
i
1 Rubner, Archiv für Hygiene . Bd. L.
22 *
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340
Heinrich Lange:
ausüben. Es wurden daher drei mit dem leicht durchgängigen Bimskies¬
material von 2-5 bis 3 mm Korngröße gefüllte Leinwandsäckchen mit
einer doppelten Flanellage, mit einer einfachen und einer doppelten Lage
von feldgrauem Tuch bekleidet und in der beschriebenen Weise ruhender
und bewegter Heißluft ausgesetzt. Wie Tab. III zeigt, erfuhr zunächst
in ruhender Heißluft die Eindringungszeit durch diese Umkleidungen
eine sehr erhebliche (auffälligerweise bei allen drei Körpern gleichmäßige)
Verzögerung. Besonders bemerkenswert aber ist, daß diese auch durch
stärkere Luftbewegung nicht oder nur ganz unwesentlich verkürzt wurde.
Wie schon nach den Untersuchungen Rubners 1 über die Permeabilität
von Bekleidungsstoffen vorausgesetzt werden konnte, genügte bereits eine
einfache Lage des feldgrauen Tuches, um die Wirksamkeit der hier
anwendbaren, relativ schwachen Luftströme fast gänzlich zu vereiteln.
Denn selbst in einer völlig geschlossenen Blechbüchse dauerte die Ein¬
dringung der Hitze nur 10 Minuten länger.
B. Praktische Versuche.
Als Vorversuche können einige Beobachtungen gelten, die Professor
Heymann gelegentlich früherer Untersuchungen über Entlausung gemacht
und bisher nur kurz mitgeteilt hat.* Die Versuche wurden in einer Kammer
von 2 m Höhe, 2*ö m Länge und 2 m Tiefe (= 10 cbm) ausgeführt, die
in einem Zimmer des Instituts aus Holzbohlen errichtet wurde. In ihrem
Inneren waren an jeder Längsseite zweimal acht Heizelemente mit je
2 qm Heizfläche (= insgesamt 64 qm Heizfläche) aufgestellt, die mit dem
unter 1 Atm. Druck stehenden Dampf der Zentralheizung gespeist wurden.
Zum Versuch wurden 50 eng zusammengeschnürte Kollis, bestehend aus
dem gesamten Lederzeug von 50 Infanteristen, oder ebensoviel Soldaten¬
mäntel, Röcke und Hosen z. T. übereinander oder zu Bündeln geschnürt,
aufgehangen, und die Heizkörper angestellt. Bei Chargierung mit Kollis
von 15 bis 20 °C Anfangstemperatur wiesen in den Seitenwänden ein¬
gefügte Thermometer bereits binnen einer Stunde 70° und mehr, nur in
den untersten Schichten zwischen 60 und 70° auf. Auch Messungen mit
Thermoelementen, die frei ins Innere ragten, ergaben nach dieser Zeit
bereits gegen 70°. In der nächsten Stunde erfolgte ein weiterer Anstieg
bis zum Beharrungszustand zwischen 80 und 90°. In die Objekte waren
besonders an schwer zugänglichen Stellen, z. B. Spitzen von Stiefeln mit
1 Rubnor, Über die Permeabilität der Kleidungsstoffe. Archiv für Hygiene.
Bd. XXIV.
* B. Heymann, a. a. O.
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft. 341
Tabelle IVa.
Praktische Versuche in einer Heißluftkammer
(behufs Entlausung).
Heißluftkammer. || Untenl j Mittlere Hdhe _ Obe«
60—90°, ohne Luftbewegung j Mitte i Mitte Seite Mitte! Ecke
1. 3 Stunden: Maximalthermometer
im Tornister.
! 58
59
54
Schaftstiefel.
i 58
56 1
54
Schnürstiefel.
57
60
60
Helm.
68
72
freihängend.
80
zwischen den Sachen.
63
67
2. 4 Stunden: Maximalthermometer
im Tornister.
62 65
66
Schaftstiefel.
60
64-5 58 i
Schnürstiefel.
61
57 67-5 |
Helm.
77
78 78 |
freihängend.
86
zwischen den Sachen.
66
75 |
3. 5 Stunden:
a) 1 klein. Bündel: Rock u. Hose
Hosentasche (ganz innen) . . .
61-5
Rockinnentasche.
78
Rockaußentasche.
82
f
Außenfläche.
82
b) 1 gr. BdL: Mnt., Rock, Hose.
Hosentasche (ganz innen) . . .
54*5
Rockaußentasche.
53*5
Manteltasche.
750
c) Freihängend: Mant., Rock, Hose
>
Manteltasche.
75
!
Rockinnentasche.
80
1
Hosentasche.
81
Maximalth. freihäng, in der Mitte .
87
•1
4. 6 Stunden: Maximalthermometer
i
47t Std
im Tornister.
62
69
67
Schaftstiefel.
61-4
60 65
68-5
Schnürstiefel .
62
68 69
70
Helm.
80 80
81
freihängend.
82
1
zwischen den Sachen.
62
64
5. Ebenso: Maximalthermometer
1
in Manteltasche 1.
1
81-5
r.
75 77-5
Rockaußentasche.
,
76-5 80
Rockinnentäschchen, davon
eins zugenäht ! .
80
56-5
Hosentasche .
81
80 82 r.
79 1.
im Ärmel.
!i 75
,
unter. Mantelsaum innen . .
i i
70-5 75
freihängend.
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342
Heinrich Lange:
umgeschlagenen Schäften, Rockinnentaschen usw., Maximalthermometer
und Thermoelemente eingebracht. Über die Einzelheiten sowie die Er¬
gebnisse gibt die Tabelle IVa Auskunft. Es zeigte sich, daß nach einer
Betriebsdauer von 6 Stunden, wie sie vom Kriegsministerium für die Ent¬
lausungsanstalten in Aussicht genommen war, an sämtlichen Stellen min¬
destens 60° erreicht waren, mit einziger Ausnahme eines zufällig zugenäht
gewesenen Rockinnentäschchens, in dem das durch einen engen Schlitz
eingeführte Maximalthermometer nur 56-5° zeigte. Daß aber diese Tempe-
raturgrade bereits lange genug bestanden, um die Abtötung von Läusen
und Nissen zu bewirken, bewiesen andere Versuche, in denen die Erhitzung
nur 3 bis 5 Stunden fortgeführt wurde. Schon nach 3 Stunden waren auch
an den ungünstigsten Stellen, in den Stiefelspitzen und Taschen, mindestens
54° erreicht. Auf Grund dieser Beobachtungen empfahl Heymann unter
der Maßgabe einer 5- bis ßstündigen Erhitzung auf 80 bis 90° das Hei߬
luftkammerverfahren, natürlich in Anlagen von weniger primitiver Kon¬
struktion als die eilig auf geführte Versuchskammer. Auch wies er, im
Hinblick auf einige vorläufige Versuche, darauf hin, daß Luftbewegung
die Einwirkung der Hitze begünstige, und daher unter Umständen die
Einstellung von Zirkulatoren in die Kammer in Frage kommen könne.
Zur genaueren Bestimmung der Eindringungsgeschwindigkeit in die
praktisch vorkommenden Gegenstände habe ich zunächst einige Versuche
in dem S. 333 beschriebenen kleinen Apparat angestellt und absichtlich
Objekte gewählt, die erfahrungsgemäß dem Eintritt warmer Luft besondere
Schwierigkeiten bereiten, nämlich Taschen (aus einfachem und doppeltem
feldgrauen Tuch) und Schuhe.
Die Ergebnisse sind in Tab. IV b zusammengestellt. Danach scheint
die Durchhitzung der Taschen und im Tornister in bewegter Luft etwas
begünstigt worden zu sein. Jedoch darf man dieser geringen Beschleuni¬
gung praktisch keine große Bedeutung beilegen; denn sie läßt sich
zwanglos auch durch Bildung eines „offenen Ganges“ erklären, der trotz
möglichst sorgfältiger Abdichtung an irgendeiner Stelle vorhanden ge¬
wesen sein kann. Ein einziger solcher Spalt vermag zweifellos bei den
praktisch vorliegenden Objekten einen feinporigen Körper in bezug
auf sein Verhalten zur Luftbewegung zu einem grobporigen zu machen.
Wahrscheinlich liegt hierin auch die Ursache für die ganz auffällig kurze
Eindringungszeit, die, wie schon eingangs erwähnt, Rautmann an einer
gerollten Cambrikbinde im Vondranapparat beobachtet hat. Bei möglichst
genauer Nachahmung seines Versuchs, allerdings mit sorgfältiger Abdichtung
der Eintrittsstelle für das zentrale Thermometer, konnte ich keine Ver¬
kürzung der Eindringungszeit in bewegter Luft beobachten: in Ruhe wie
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Tabelle IVb. Praktische Versuche in Heißluftapparaten.
Über Desinfektion mit trockener Heisslüft.
343
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344
Heinrich Lange:
in Bewegung waren bei einer Schranktemperatur von 100° nach 2 1 /* Stunden
erst 92 bis 93° erreicht.
Sehr ungünstig fielen die Versuche an Schuhen aus. Bei einem
Infanteriestiefel, dessen Schaft umgeschlagen war, wie es in der Praxis
leicht Vorkommen kann, zeigte ein in die Spitze eingebrachtes Thermometer
und Thermoelement erst nach 2 1 /* Stunden die Außentemperatur von 100®,
und zwar in ruhiger wie in bewegter Luft. Aber auch bei einem offen
aufgehängten Militärschnürschuh hatte die Luftbewegung kaum einen
Effekt: Nach 2 Stunden waren in der Spitze in ruhender Luft erst 87,
in bewegter Luft nur 5° mehr erreicht. Daß sich die Spitze des Schnür¬
schuhs ceteris paribus langsamer erwärmte als die des Schaftstiefels, erklärt
sich aus der starken, gut wärmeleitenden Benagelung des letzteren.
Um auch größere Objekte prüfen zu können, wurden ferner in einem
kubischen Apparat von 80 x 80 x 128 cm Innenraum Versuche vor¬
genommen. Seine Erwärmung erfolgte durch sechs elektrische Heiz¬
platten am Boden und konnte durch Ein- und Ausschalten einzelner Platten
leicht reguliert werden. Vor der strahlenden Wärme wurden die Objekte
durch auf die Heizkörper aufgelegte Asbestplatten, bzw. ein (unten be¬
schriebenes) Siebblech geshützt.
In der Decke sowohl wie am Boden des Kastens befand sich je eine
Öffnung von 16 cm Durchmesser. Aus der oberen konnte mittels eines
darüber befindlichen, elektrisch betriebenen Zentrifugalventilators die
Kastenluft angesogen und in einem außen laufenden Kohr durch die
untere Öffnung dem Kasten wieder zugeführt werden. Zur Verhütung
allzu starker Abkühlung der zirkulierenden Heißluft war das Verbindungs¬
rohr gut isoliert und durch einen, mittels kleinen Kessels heizbaren, Dampf¬
heizkörper hindurchgeführt.
Die am Einstrom maximal erreichbare Luftgeschwindigkeit betrug
10 m pro Sekunde. Verteilte man die einströmende Luft mittels eines
10 cm über dem Boden aufgelegten Siebbleches auf den ganzen Kasten¬
querschnitt, so berechnete sich die durchschnittliche Geschwindigkeit im
Innenraum auf 10 bis 20 cm. Nahm man das Verteilungsblech fort, so
ergab sich axial zwischen Ein- und Ausstrom eine Durchschnittsgeschwindig¬
keit von über 1 m pro Sekunde. In den Ecken war mit und ohne Ver¬
teilungsblech die Geschwindigkeit gleich Null.
In den Kasten wurde ein gefütterter Tuchrock eingehängt, darüber
ein dicker Mantel und ein Paar Tuchbeinkleider. In die innerste Rock-,
bzw. äußere Manteltasche wurde ein Maximalthermometer und ein Thermo¬
element eingelegt.
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
345
Die Kastentemperatur wurde zunächst, nach Kaufmanns Vorgang,
auf der erheblichen Höhe von 120 bis 130°, später auf 100° gehalten.
Die Ergebnisse sind in Tab. IVa zusammengestellt. Für ruhende
Luft weisen sie eine gewisse Regellosigkeit auf, die uns zeigt, daß die Ein¬
dringungsdauer vielfach von zufälligen Faktoren, insbesondere Falten¬
bildungen in den Objekten, abhängt. So erhielt ich im nicht zugeknöpften
Kock eine Eindringungszeit von 65 Minuten, in dem darüber, also doch
günstiger gelegenen Mantel 75 Minuten und in dem zugeknöpften Rock
ceteris paribus die unverhältnismäßig starke Verzögerung bis auf 2 1 /« Stunde.
Schwache Luftbewegung hatte, wie vorauszusehen, kailm einen Effekt.
Dagegen ergaben die Versuche mit dem stärkeren Strome Beschleunigungen
bis auf weniger als die halbe Zeit und schienen für den praktischen Wert
der Luftbewegung zu sprechen.
Allein diese günstige Beurteilung erfuhr eine erhebliche Abschwächung,
als ich versuchte, der ruhenden Heißluft durch geeignete Aufhängung der
Objekte den Eintritt in deren innere Partien zu erleichtern. Dies geschah
in der Weise,' daß ich in die Ärmel und Beinkleider je zwei kreisförmige
federnde Stahlschienen steckte; Röcke und Mäntel über Bügel hängte,
welche die Brust- und Rückenfläche voneinander abhielten; die Taschen
nach außen kehrte, die Kragen hochschlug u. ä. m. Alsdann stieg die
Temperatur in den inneren Kleiderteilen -genau so schnell an wie'die
Kästentemperatur: Die Eindringungszeit wurde gleich Null. Wir können
somit, selbst unter Berücksichtigung besonders ungünstiger Stellen, die
Eindringungszeit der ruhenden Heißluft in richtig chargierte Röcke,
Mäntel und Beinkleider auf 30 bis 60 Minuten bemessen. Mehr aber leistet
bei diesen Objekten auch die bewegte Luft nicht.
Daß die Art der Chargierung auch bei manchen anderen Gegenständen
eine Rolle spielen wird, ist selbstverständlich. So ergaben geschlossene
Tornister 45 bis 50 Minuten Eindringungszeit, offene 35, in Wind von
1 m Geschwindigkeit sogar nur 10 Minuten.
Nur bei den Stiefeln ist durch die Art der Aufhängung keine günstigere
Wirkung bis in die Spitzen hinein zu erzielen. Dies haben unsere früheren
Versuche in dem kleinen Apparat so sicher ergeben, daß wir ihre Wieder¬
holung in dem großen Kasten nicht für erforderlich hielten.
Noch viel ungünstigere Ergebnisse hatten endlich Versuche mit einem
zusammengeschnürten Federkissen, das ich, im Hinblick auf Rautmanns
Empfehlung der trockenen bewegten Heißluft für die allgemeine Des¬
infektionspraxis, schließlich noch geprüft habe: In seinem Inneren waren
in ruhender Luft von 120 bis 130° nach 3*/* Stunden erst 62° und auch
in bewegter nach 3 Stunden nur 55° erreicht.
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346
Heinrich Lange:
Im Anschluß an diese Beobachtungen habe ich ferner auch versucht,
die umständliche Luitzirkulation mittels des Zentrifugalventilators durch
einen einfachen, in den Innenraum des Apparats eingestellten Flügel¬
zirkulator zu ersetzen. Wie die Tabelle zeigt, hatte dieser Versuch ein
negatives Ergebnis.
Versuche mit dem Vondranschen Apparat.
Um ein endgültiges Urteil über das von Rautmann empfohlene
Verfahren zu gewinnen, habe ich schließlich noch Versuche in einem von
Herrn Ingenieur Vondran-Halle freundlich»! zur Verfügung gestellten
„Sanierungsapparat“ angestellt. Derselbe bestand aus dem 100 x 47
X 47 cm großen, eisernen Kasten A (Fig. 4), dem Mantelofen B, von dem
die warme Luft mittels des elektrisch betriebenen Ventilators C in den
Desinfektionsraum A getrieben wurde. Das Rohr D mit den Drosselklappen a
und b diente zur Temperaturregulierung durch Ein- und Ausschaltung des
Ofens. Die Versuche wurden bei 80 und 100° C angestellt. Die in den
Desinfektionsraum getriebene Heißluft wurde durch oben und unten ein¬
gesetzte Siebplatten annähernd gleichmäßig über den ganzen Querschnitt
verteilt, hatte maximal eine Geschwindigkeit von etwa 1-6 m pro Sekunde,
erlitt aber bei den verschiedenen Stellungen der Drosselklappen nicht
unwesentliche Verlangsamung. Um auch bei geringer Schrankfüllung
das Ausweichen der Luft neben den Objekten zu verhüten, hat Herr
Vondran neuerdings einen Leinwandsack konstruiert, der sich mittels
Rahmen oben und unten in den Kasten einfügen und durch Zugschnüre
dicht um die Desinfektionsobjekte herumlegen läßt.
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
347
In den Schrank wurden je zwei Militärröcke und -hosen, die über
Bügel gehängt waren, sowie ein Infanterie-Schaftstiefel und -Schnürschuh,
ein Tornister, Brotbeutel und Helm eingebracht, so daß der Innen¬
raum fast ganz ausgefüllt war. In sämtliche Objekte wurden, besonders
an schwer zugänglichen Stellen (Taschen), Maximalthermometer eingesteckt.
Ferner brachte ich in die Naht einer Bocktasche, in eine offene und eine
zugenähte Hosentasche und in eine Stiefelspitze je ein Thermoelement.
Die Ergebnisse (vgl. Tab. V) sind je nach den Objekten verschieden:
Tabelle V.
Versuche im Von dran sehen Apparat.
V ersuchsobjekte
I.
Schrank-
’temperatur 100',
ohne Leinwand¬
hülle
n.
Schrank-
temperatur 80*,
ohne Leinwand-
hülle
III.
Schrank¬
temperatur 80°,
mit Leinwand¬
halle
Rocktasche (Naht)
45 Min.
—
—
Hosentasche, zngenäht
10 „
0 Min.
—
„ , nicht sugen&ht
—
—
30 Min.
Stiefelspitze
2 Stdn. 10 Min.
8 Stdn. 10 Min.
2 Stdn.
FoBlappen (gerollt)
—
2 Stdn.
2 „
Tornister |
30 Min.
—
—
In Kleidungsstücken kann, offenbar je nach dem zufälligen
Vorhandensein gröberer Gänge durch Faltenbildung, zwar an einzelnen
Stellen eine Beschleunigung des Wärmeeintritts gegenüber ruhender Luft
erfolgen, an anderen aber ganz ausbleiben. So betrug z. B. in Versuch I
und II die Eindringungszeit in die zugenähte Hosentasche nur wenige
Minuten, dagegen in einer nicht zugenähten Hosentasche bei Versuch III,
in welchem die sonst ganz ebenso angeordneten Sachen sogar durch den
oben beschriebenen Sack noch zusammengehalten waren, 30 Minuten.
Schwer zugängliche Stellen aber sind es gerade, auf die bei der Ent¬
lausung alles ankommt Wie bekannt, suchen die Läuse zur Eiablage
mit Vorliebe die spaltförmig engen Bäume an und in Nähten, an den
Hosenträgern z. B. die Innenfläche der Lederröllchen, u. ä. m. auf. Für
die Durchhitzung solcher Stellen bietet die bewegte Luft gegenüber der
unbewegten keine größere Sicherheit. Um sicher zu gehen, würden auch
in ihr für hängende Kleidungsstücke (Böcke, Mäntel, Hosen) in der Praxis
mindestens */« bis 1 Stunde Eindringungszeit zu fordern sein. Diese Zeit
genügt aber für die genannten Objekte bei geeigneter Chargierung auch
in ruhender Luft.
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348
Heinrich Lange:
In (geschlossenen, leeren) Tornistern bot der Vondranapparat gleich¬
falls kaum einen Vorteil: Die Eindringungsdauer betrug in ihm 30, in
ruhender Luft 35 bis 40 Minuten.
Gar keine Verkürzung der Eindringungszeit aber erreichten wir auch
im Sanierungsapparat in den Stiefelspitzen. Wie bei allen früheren
Versuchen betrug die Eindringungszeit hier mindestens 2 Stunden,
und zwar bei jeder Art der Aufhängung. Erst durch komplizierte, darauf¬
hin von Herrn Von dran konstruierte Aufsteckrohre mit oberer Öffnung,
durch welche die Heißluft bis in die Spitzen hineingetrieben werden konnte,
ließ sich eine Beschleunigung bis zu wenigen Minuten erzielen. Ob sich
indes derartige Vorrichtungen für den Großbetrieb eignen, scheint sehr
zweifelhaft. Ohne sie muß aber in der Praxis die Eindringungszeit auf
mindestens 2 1 /* bis 3 Stunden angesetzt werden.
Ebenso große Schwierigkeiten wie das Schuh werk bot noch ein anderes
Objekt der militärischen Ausrüstung, das namentlich auch in Kriegsge¬
fangenenlagern eine große Bolle spielt: zu einem dichten Bündel zusammen¬
geschnürte Fußlappen. Hier dauerte die Eindringungszeit gleichfalls
stets mindestens 2 Stunden und ließ sich durch Verwendung der von
Vondran empfohlenen Leinwandhülle nicht herabsetzen. Vergleichs¬
versuche mit strömendem Wasserdampf ergaben eine momentane Durch¬
dringung auch dieses Objekts.
Auf Grund dieser Versuche müssen wir unser Urteil über den Vondran¬
apparat dahin zusammenfassen, daß in ihm nur an günstig gelegenen Stellen
eine Verkürzung der Eindringungszeit eintritt, an anderen ausbleibt Zur
sicheren Erzielung der gewünschten Temperatur an allen Stellen ist
daher bei seiner Verwendung die Eindringungszeit ebenso lang zu nor¬
mieren, wie bei den Verfahren mit ruhender Heißluft, d. h. 3 Stunden.
Die einzigen Vorteile des Vondranapparats kann man darin erblicken,
daß er 1. die Austrocknung feuchter Objekte beschleunigt und damit ihrer
Schädigung beim Anstieg der Hitze auf eine kritische Höhe vorbeugt,
und 2. die warme Luft gleichmäßiger nicht etwa in den Objekten, wohl
aber im Desinfektionsraum verteilt, so daß die Temperaturunterschiede
zwischen dem oberen und unteren Teil ausgeglichen werden. Beides können
wir aber auch in gewöhnlichen Heißluftkammern dadurch erzielen, daß
wir in ihnen Zirkulatoren aufstellen und, zunächst mit einem offenen
Abzugsrohr, andauernd laufen lassen. So ausgestattete Kammern stellen
aber ein ungleich einfacheres und billigeres Mittel zur Massenentlausung
dar. Kostet doch ein Vondranapparat für die Sachen von nur 50 Mann
11000 M., eine Heißluftkammer von gleicher Leistungsfähigkeit kaum den
4. bis 5. Teil. Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß diese teuren
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Über Desinfektion mit trockener Heissluft.
349
Apparate ausschließlich der Läusebekämpfung dienen können, somit
ihre Kolle mit Beendigung des Krieges so gut wie ausgespielt haben. Denn
ihre Verwendung für die allgemeine Desinfektion scheint uns, im Gegen¬
satz zu Bautmann, ausgeschlossen. Wollte man den Apparat auch zur
Abtötung von pathogenen Bakterien benutzen, so müßte man, wie unsere
Versuche ergeben haben, die Desinfektionsdaner noch um etwa 2 Stunden
verlängern. Damit aber kommen wir zu Betriebszeiten, wie sie in der
allgemeinen Desinfektionspraxis undurchführbar und höchstens für be¬
sondere Objekte im Interesse ihrer Schonung angängig sind. Es ist nicht
anzunehmen, daß in den größeren, im Gebrauch befindlichen Vondran-
apparaten mit vielleicht schnellerer Luftbewegung die Verhältnisse prinzi¬
piell anders und günstiger liegen werden als in meinem Versuchsmodell.
Überblicken wir noch einmal die Ergebnisse der vorstehenden Unter¬
suchungen, so lassen sie sich in folgende Schlußsätze zusammenfassen:
1. Ruhende trockene Heißluft von 110° tötet bei einer Einwirkungs¬
dauer von 1 Stunde alle in der Desinfektionspraxis in Betracht kommenden
Krankheitskeime ab. Zur Abtötung von Staphylokokken sind 2 Stunden
erforderlich, zur Abtötung von Milzbrandsporen die gleiche Zeit bei 120°.
Eine Steigerung der Temperatur über 110° behufs Abkürzung der Ab¬
tötungszeit ist wegen der Gefahr der Schädigung der Objekte praktisch
ausgeschlossen.
2. Bewegte trockene Heißluft führt bei freiliegenden Bakterien keine
Verkürzung der Abtötungsdauer herbei.
3. Ruhende Heißluft erhitzt die Objekte erheblich langsamer als
Dampf von gleicher Temperatur, grobporige Objekte etwas schneller als
feinporige.
4. Bewegte Heißluft von 1*3 bis 1*8 m pro Sekunde verkürzt die
Eindringungszeit nur bei grobporigen Objekten. Kommt dies ausnahms¬
weise auch bei feinporigen Objekten zur Beobachtung, so liegt stets der
Verdacht vor, daß die Beschleunigung durch gröbere Gänge bedingt ist.
Solche gelegentliche Ergebnisse sind daher kein Beweis für die Überlegen¬
heit der bewegten Heißluft über der ruhenden und können gegenteilige
Befunde nicht entkräften.
5. Kleiderstoffe werden in trockener Heißluft sehr langsam durch-
hitzt. Luftbewegung hat bei ihnen keinen beschleunigenden Einfluß.
6. In ruhender Heißluft beträgt die Eindringungszeit an leicht zugäng¬
lichen Bekleidungsstücken und Ausrüstungsgegenständen höchstens */ 4 ,
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350 Heinrich Lange: über Desinfektion mit trockener Heissluft.
in Stiefeln 2 1 / 2 Stunden. Als gesamte Betriebsdauer sind daher in praxi
etwa 4 Stunden anzusetzen.
7. Bewegte Heißluft bietet, für die Erhitzung schwer zugänglicher
Stellen keine größere Sicherheit wie ruhende; ihre Eindringungszeit muß
daher ebenso lang wie bei letzterer angesetzt werden. Für alle nicht dampf¬
empfindlichen Objekte ist an der Desinfektion mit strömendem Wasser¬
dampf unbedingt festzuhalten.
8. Der Vondranapparat beansprucht, selbst bei günstiger Chargierung,
zur vollen Sicherung seiner Wirkung dieselbe Eindringungszeit wie die
Apparate mit ruhender Heißluft und bietet kaum nennenswerte Vorteile.
Diesen stehen die überaus hohen Anschaffungskosten und seine ausschlie߬
liche Verwendbarkeit zur Entlausung, nicht aber zur Desinfektion, gegen¬
über. Zur Massenentlausung stellen geeignet gebaute und mit Zirkulatoren
ausgestattete Heißluftkammern ein ungleich billigeres und einfacheres
Verfahren dar.
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[Aus dem KönigL Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“.]
(Abteilungevorsteher: Geh. M«d.-Rat Prof. Dr. Neufeld.)
Experimentelle Untersuchungen
zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera.
Von
Dr. R. Weber,
Hilfurbaitcr an loiUtut.
Die nachstehenden Untersuchungen, die auf Veranlassung und unter
Leitung von Herrn Geheimrat Neufeld ausgeführt worden sind, bezwecken,
einige Fragen bezüglich des Impfschutzes gegen Typhus und Cholera, so¬
weit dieselben der experimentellen Prüfung zugänglich sind, zu klären.
In den einzelnen Abschnitten soll auf einschlägige Veröffentlichungen
anderer Autoren hingewiesen, eine eingehende Übersicht über die Litera¬
tur jedoch nicht gegeben werden, da mehrere zusammenfassende Arbeiten
über den Gegenstand in neuerer Zeit erschienen sind. Es sei vor allem
auf die reichhaltige und objektive Arbeit von Friedberger 1 verwiesen,
ferner auf die zusammenfassenden Artikel von Besredka* von Gay* und
von Fornet 4 sowie auf die kritische Übersicht, die Bes sau 8 kürzlich ge¬
geben hat. Mit Recht betont Bessau, daß gerade auf diesem Gebiet auf¬
fallend häufig weitgehende praktische Folgerungen aus einem Beobachtungs¬
material gezogen worden sind, das einer ernstlichen Prüfung gar nicht
Stand hält, und daß insbesondere bei den Urteilen über die neueren Immuni¬
sierungsverfahren in der Regel die quantitativen Verhältnisse nicht be¬
rücksichtigt worden sind.
1 Im Handbuch von Kraus-Levaditi. Bd. I. 1008.
* Bulletin Batteur. 1913, 665.
3 Weichardts Jahresbericht. 1913.
4 Kolle-Wassermanns Handbuch. II. Aufl. Bd. IV.
* Deutsche tned. Wochenschrift. 1916. Nr. 7.
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352
R. Weber:
Unsere Beobachtungen beziehen sich zum größten Teil au! die aktive
Immunisierung von Meerschweinchen; viele Fragen bezüglich der quan¬
titativen und zeitlichen Verhältnisse der Immunität lassen sich überhaupt
nur durch Versuche mit aktiver Immunisierung klären, da die Menge der
im Blut auftretenden Antistoffe und die zeitlichen Veränderungen des
Antikörpergehaltes nach vielfachen Erfahrungen (vgL auch die jüngst
von Ungermann gemachten Mitteilungen) dem Immunitätsgrad des be¬
treffenden Tieres nicht zu entsprechen brauchen: Andererseits bieten die
serologischen Untersuchungen natürlich den großen Vorteil, daß sie über
das Verhalten des Menschen bei der Schutzimpfung Aufschluß geben,
insbesondere gibt die Titrierung der Sera im Pfeifferschen Versuch den
zuverlässigsten Maßstab für die spezifischen Reaktionen des menschlichen
Körpers; diese Methode und die Beobachtung der aktiven Immunität
müssen sich gegenseitig ergänzen. Auch wir haben in einer Untersuchungs¬
reihe die' Sera von zahlreichen schutzgeimpften Menschen auf ihren Anti¬
körpergehalt untersucht; ferner wurden über die nach verschiedenen Impf¬
stoffen bei Menschen auftretenden Reaktionen einige Beobachtungen ge¬
macht, die von den geltenden Anschauungen abweichen.
1. Uber einige quantitative und zeitliche Verhältnisse bei der
aktiven Immunisierung.
Der erste Versuch, der — ausschließlich der interkurrent eingegangenen
und der Kontrollen — 148 Tiere umfaßt, betrifft zunächst die quantita¬
tiven Verhältnisse des Impfschutzes bei der Typhusimmunisierung, d. h.
die Frage, ob größere Dosen bei der Vorbehandlung einen entsprechend
sichereren Schutz geben als kleinere, und welche Grenzen etwa nach oben
und unten dabei erkennbar sind; sodann den zeitlichen Verlauf, d. h. die
Frage, von wann ab die Immunität nachweisbar ist, wann sie ihren Höhe¬
punkt erreicht und wann sie erlischt. Der Versuch gibt auf beide Fragen
insofern keine erschöpfende Antwort, als die Grenzen in beiden Fällen
nicht festgelegt wurden; er gibt aber doch bestimmte Anhaltspunkte für
die Frage der Dosierung des Impfstoffes und für die Beurteilung des zeit¬
lichen Verlaufes der Immunität und bildet gewissermaßen die Grund¬
lage für die experimentelle Bearbeitung der weiteren Fragen. Es ist ohne
weiteres klar, daß, wenn z. B. zwei verschiedene Typhusstämme bezüg¬
lich ihrer immunisierenden Fähigkeit miteinander verglichen werden
sollen, es zweckmäßig ist, vorher zu wissen, bis zu welcher Do.sis herab
etwa ein gut immunisierender Stamm zu schützen pflegt, und zu welchem
Zeitpunkt die Nachprüfung die besten Resultate ergibt.
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera.
353
Zur Vorbehandlung benutzten wir 7 verschiedene Dosen, von 1-5 Öse
abgetöteter Typhuskultur bis herab zu 0-0015, also der 1000fach kleineren
Menge; die Zeit zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung wurde eben¬
falls 7 mal abgestuft, von 1 bis 7 Wochen.
Wir gingen dabei nicht etwa so vor, daß wir alle unsere Tiere gleich¬
zeitig mit den verschiedenen Mengen der abgetöteten Kultur injizierten
und nun jede Woche einen Teil der Here mit lebender Kultur nachspritzten,
sondern es wurden 7 Wochen hindurch an einem bestimmten Wochentage
jedesmal 28 Meerschweinchen (4 mit jeder Dosis) vorbehandelt und in
der 8. Woche sämtlich gleichzeitig infiziert. Unserer Ansicht nach ist man
nur auf diese Weise sicher, daß die Tiere wirklich einer gleich schweren
Infektion ausgesetzt worden sind.
Die Immunisierung geschah, wie in allen folgenden Versuchen, durch
subkutane Injektion an der Brust; wir benutzten dazu im ersten Versuch
den Typhusstamm 4, der sich bereits früher als gut immunisierend erwiesen
hatte. Der Impfstoff war in jedem Fall frisch, meist 24 Stunden, bisweilen
wenige Tage vor der Einspritzung durch Erhitzen auf 54° im Wasserbad
hergestellt und nicht mit Karbol versetzt. Die Nachprüfung geschah
intraperitoneal mit einer Öse des Typhus 58, wie die Kontrollen zeigen,
etwa der 4 fachen tödlichen Dosis.
Leider sind in diesem wie in manchem der folgenden Versuche ziem¬
lich viele Tiere interkurrent eingegangen. Gegen einen Zusammenhang
der Todesfälle mit der Vorbehandlung spricht, daß sie im allgemeinen nach
kleinen und großen Dosen gleich häufig auftraten, ferner der Befund von
Stallseuchen (insbesondere der bekannten schleichenden Pneumokokken¬
infektion der serösen Höhlen) bei einer Anzahl näher untersuchter Tiere,
deren Auftreten wohl durch die zeitweise recht schlechten Futterverhält¬
nisse begünstigt wurde (s. Tabelle I).
Bezüglich des zeitlichen Verlaufs des Impfschutzes zeigt die Tabelle,
daß nach einer Woche der Schutz noch recht gering ist, und daß die Er¬
gebnisse zu dieser Zeit unsicher und unregelmäßig sind; offenbar spielen
hier individuelle Unterschiede eine besonders große Rolle. Ein so früher
Zeitpunkt ist also bei derartigen Versuchen durchaus ungeeignet zur Nach¬
prüfung. Der Schutz steigt alsdann schnell und erreicht etwa in der
5. Woche den Höhepunkt, auf dem er mindestens bis zur 7. Woche
bleibt. Weiter hinaus wurde der Versuch nicht fortgesetzt. Rechnen wir
alle Tiere zusammen, so sind von den 68 in der 5. bis 7. Woche nachge¬
prüften nur 12 = 17-8 Prozent eingegangen, von den 80 nach 1 bis 4 Wochen
geprüften dagegen 45 = 56 Prozent.
Zeitscbr. f. Hygiene LXXXII 23
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
354 R. Weber:
Tabelle L
Versuch 1 mit Typhusimpfstoff.
Der Impfstoff ist vom Stamm Ty. 4 durch Erhitzen auf 54° hergestellt
und wird frisch ohne Karbolzusatz verwendet.
Vorbehandelt vom 16. IX. bis 28. X. 1915.
Nachgeprüft am 4. XI. 1915 mit je 1 Öse Ty. 58.
£
O 1
Der Zeitraum zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung betrug:
•M
t OQ
7 Wochen II 6 Wochen 5 Wochen
4 Wochen || 3 Wochen
2 Wochen 1 Woche
ais des . Imp
in Ösen
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
. i
Sc— . —
60 a .2 *2.2 “
ä 1
g
g
g
g
S
gj
g
g
. II g i
g
1 g
g_
1 g | g
1-5
225
257
0 265
317
0 320
347
0
212
225
0 205
217
0
155
175
01) 180 18514
250
280
0 270
320
0 235
250
0
195
260
0
170
177
0 330 305 0
(260
345
0 235
275
0
220
230
0 280 270 + !
255
280
0
300 275 0
0-5
205
215
0 180
272
01 245
252
0
205
270
0 —
180
+1
240
275
0 130 125 +
285
279
01 295
385
Ol 265
325
o 1
195
200
4-
180
205
+ 180 1 172 +
160
230
Oil 215
245
0
240
245
0|| 150 152 +
235
277
0
1
170
202
4-1
0*15
240
240
0 200
255
0 290
330
0
167
232
0 200
225
+1
220
230
0 1 270 207 +
250
265
0 135
170
0! 240
285
4-
237
305
0 220
222
0
230
270
01 150 142 +
1245
275
0 210
250
0 1 220
255
0
220
250
0 1 60 160 +
240
270
01|
|| 235
280
0
| 230 j 217 0
0-05
220
232
0 270
297
0 j| 270
320
0
202
232
0 195
200
0
250
250
0 280 237 0
,290
310
0 195
232
+ 190
290
0
200
215
0
1 —
182
+ | 210 17510
195
237
4- 150
225
oll 245
305
0
1 205
205
0
175
225
0 210 1 197 +
215
232
+ 175
240
0 265
355
0
350 310 0
0-015
265
325
0 165
215
4- 265
332
0
285
270
+ 1 170
175
0
180
217
+ 180 270 +
,205
285
0 235
267
+ 210
225
0
182
252
+ 11165
180
4-
180
190
+ 230 217 r
185
252
4 - i| 245
290
0
195
202
4-
170
217
0 180 187i+
280
332
4 *,
240
242
+
220 185 +
0-005
230
280
0 210
312
4- 220
200
0
180
200
4-270
275
4-
240
250
+ 220 195 +
230
285
0 160
200
4- 300
295
0
210
272
0
200
222
+ 260 230 0
245
295
0 I 250
270
0 250
267
0
190
205
0 1 1
180
195
+ 330 270 0
255
295
' 0
, 170
195
+j,
180
1 217
i +
0*0015
230
295
l 0 265
( 285
0 225
210
0
200
215
|+ 245
262
4*
! 225
230
+ 320 285 0
225
' 305
,4- 300
340
0
232
, 250
+ 200
| 205
4-
265
262
+ 220 212 +
165
260
4- 265
302
; o
155
155
4"
250
300
+ 230 232 +
1
325
| 305
1 0
1 II 220
230
1 +
1 200 187 +
4
= tot (an Typhus) nach
24 Stunden
4
- 3 = tot (an Typhus)
nach
48 Stunden
C
= überlebt
| ^ Digitized by |
Gc
) £
5 le
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 355
Virulenz prüfung.
1 Öse
V* Öse
V 4 Öse
V* Öse
Vis Öse
227 g +
217 g +
235 g +
232 g 0
225 gO
Ergebnis: (tot nach 24 Stunden).
Ösen
7 Woch.
6 Woch.
5 Woch.
4 Woch.
3 Woch.
2 Woch.
1 Woche
1
| ZüB.
1-5
l
2—0
4—1
19—1
4-0
3-0
WEM
2—2
4—2
3—3
19—7
0-16
4—1
wem
2—1
4-3
22—5
0-05
4—2
4—1
■
■59
3—1
4—1
| 23—5
0*015
2—0
4—4
■
2—2
4—3
3—2
4—4
|j 22—15
0*005
3—0
8—2
4—0
4—2
1—1
4—4
3—1
! 22—10
0*0015
1—0
3—2
2—2
4—4
3—3
4—3
1 21—14
Zus.
18—2
24—9
26—1
| 14—6
17—11
23—12
| 26—16 |
1
63—12 = 17-8®/,, 80—45 = 56°/,
2—0 bedeutet: 2 Versuchstiere, davon keins gestorben.
Ebenso eindeutig ist der Versuch bezüglich der quantitativen Ver-
•hftltnisse: je größer die Dosis der Vorbehandlung (Grenze — l 1 /, Ösen),
um so sicherer die Schutzwirkung. Da die Immunität, wie wir soeben sahen,
recht langsam ansteigt, so ist sie nach Vorbehandlung mit größeren Dosen
früher nachweisbar als bei kleineren; bei den letzteren tritt der Schutz
anscheinend viel langsamer ein, d. h. er erreicht später den Schwellen¬
wert, oberhalb dessen er durch die gewählte Art der Prüfung erst nach¬
weisbar wird. So war bei unserem Versuch nach Vorbehandlung mit
l 1 /* Ösen schon in der 2. Woche ein vollständiger, bei den kleineren Dosen
dagegen meist erst von der 4. Woche an ein einigermaßen sicherer Schutz
erkennbar.
Ein ähnliches Verhalten ist bei Versuchen mit aktiver Immunisierung
auch sonst vielfach beobachtet worden, sobald auf den zeitlichen Verlauf
genauer geachtet wurde. Sehr lehrreiche Beispiele dafür hat schon Löffler
in seiner Arbeit über die Immunität bei Mäuseseptikämie(Rotlauf-)bazillen
gegeben. Er fand, daß gegen diese Bakterien immunisierte Kaninchen
bereits vom 7. Tage an gegen eine subkutane Impfung (am Ohr), dagegen
erst nach etwa 23 Tagen gegen Nachimpfung der Hornhaut geschützt
waren, die Immunität der Kornea scheint also später einzutreten. „Es
ist merkwürdig,“ sagt Löffler, „daß ein Organ früher immun wird als
«in anderes.“ In Wirklichkeit ist bei diesem Versuch wohl zweifellos nicht
der Ort, sondern die Schwere der Infektion ausschlaggebend; die Infektion
von der Hornhaut ist für das vorbehandelte Kaninchen schwerer zu über-
' 23*
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
356
R. Weber:
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winden, als die subkutane Einspritzung, und zwar wahrscheinlich des¬
halb, weil hier nur ein geringerer Bruchteil der im Blut vorhandenen Anti¬
körper rechtzeitig zur Wirkung kommt, als bei subkutaner Infektion»
Würde man in einem solchen Fall zur subkutanen Nachprüfung eine viel
größere Dosis oder eine viel virulentere Kultur verwenden, so würde man
gewiß auch bei dieser Applikation die Immunität erst zu einem späteren
Zeitpunkt feststellen. Hätte Löffler sich mit der ersten Nachprüfung
begnügt, oder würde man zu einem solchen Versuch Kaninchen nehmen,
die weniger hoch immunisiert sind, so ergibt sich leicht die falsche Schlu߬
folgerung: die subkutane Immunisierung schützt nicht gegen Infektion
von der Hornhaut aus, während es richtig heißen muß: die quantitativen
und (daher scheinbar die zeitlichen) Verhältnisse für die Antikörperwirkung
sind in der Hornhaut andere, und zwar weniger günstige als z. B. im
subkutanen Gewebe.
Es bedarf keiner näheren Ausführung, daß dieselben Gesichtspunkte
in Betracht gezogen werden müssen, bevor man, wie es heute so vielfach
geschieht, die Behauptung aufstellt, die natürliche Infektion des Menschen
mit Cholera und Typhus sei so völlig verschieden von der experimentellen
Infektion unserer Meerschweinchen, daß auch die Vorgänge der Immuni¬
tät in beiden Fällen grundsätzlich verschieden sein müßten. So wenig
man natürlich ausschließen kann, daß grundsätzliche Unterschiede solcher
Art vielleicht einmal aufgedeckt werden könnten, so müssen wir doch
Bessau vollkommen darin beistimmen, daß bisher irgendwelche Beweise
dafür nicht erbracht worden sind, und daß dem Schlagworte „Ge-
websimmunität“ (für das der erwähnte Löfflersche Versuch sehr
lehrreich ist) bisher eigentlich noch kaum konkrete Erfahrungen zu¬
grunde liegen.
Durchaus ähnlich, aber in vieler Hinsicht klarer liegen die Verhält¬
nisse bezüglich der passiven Immunität, wie Ungermann und Kandiba
ausgeführt haben. Auch hier — wo eine Gewebsimmunität nicht in Frage
kommt — hat man die Ursachen zahlreicher Mißerfolge viel zu oft in der
Qualität der Heilsera gesucht anstatt in den quantitativen und Verteilungs¬
verhältnissen. Ungermann und Kandiba brauchten, um ein Meer¬
schweinchen gegen die intraperitoneale Infektion mit 1 Öse Cholera zu
schützen, 200mal so viel Serum, wenn sie es intravenös, als wenn sie es
peritoneal gaben. Dabei liegen die Umstände hier insofern noch recht
günstig, als aus dem Blut verhältnismäßig leicht Antistoffe in die ent¬
zündete Bauchhöhle übergehen und dort reichlich Komplement vorfinden;
da die Verhältnisse in der Darm wand offenbar in jeder Hinsicht viel un¬
günstiger sind, so ist es wohl leicht zu erklären, daß ein im Pfeiffer-
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 357
sehen Versuch hochwertiges Choleraserum bei der menschlichen Cholera
versagt.
Es bedarf wohl auch keiner komplizierten Annahme, um zu verstehen,
daß man bei immunisierten Kaninchen ebenso wie nicht vorbehandelten
«ine chronische typhöse Affektion der Gallenblase erzeugen kann, ähnlich
wie sie bei typhusdurchseuchten Menschen, die gewiß einen hohen Grad
von Immunität besitzen, oft zurückbleibt. Wenn die Bazillen einmal in
die Gallenblase gelangt sind (im Tierversuch nach lokaler Einverleibung
oder nach intravenöser Einspritzung meist sehr großer Mengen), so sind
sie natürlich in der Galle selbst jeder Einwirkung der Antistoffe entzogen
und in der Schleimhaut der Gallenblase sind die Bedingungen für eine
Wirkung der Antistoffe offenbar auch recht ungünstig.
Man hat auch darauf hingewiesen, daß die Immunisierungsverfahren,
die bei Meerschweinchen so ausgezeichnet wirken, beim Menschen in vielen
Fällen vollkommen versagen, und hat darin ebenfalls einen grundsätzlichen
Unterschied sehen wollen. Unser Versuch zeigt, daß bei Meerschweinchen
ebenfalls sehr starke Unregelmäßigkeiten Vorkommen, und daß sehr
häufig aus individuellen Gründen von gleich vorbehandelten und in
gleicher Weise nachgeprüften Tieren etwa nur die Hälfte oder in anderen
Fällen 1 / a oder */s geschützt sind, während die übrigen sich nicht anders
verhalten, wie unbehandelte Tiere. Dieses Ergebnis, das unseres Er¬
achtens durchaus dem entspricht, was viele Statistiken über die Typhus¬
schutzimpfungen am Menschen zeigen, ist sogar bei den in unserer Tabelle I
zusammengestellten Versuchen die Regel, während ein vollständiger
Schutz, d. h. ein Überleben sämtlicher Tiere ein Ausnahmeresultat dar¬
stellt, das nur unter besonderen zeitlichen und quantitativen Bedingungen
erreicht wird.
Ehe wir auf einige weitere Folgerungen eingehen, seien zunächst
zwei Versuche mitgeteilt, die den ersten in zeitlicher und quantitativer
Hinsicht ergänzen.
Der Versuch II, bei dem zur Vorbehandlung und Nachprüfung der gleiche
Stamm, nämlich Typhus 58, diente, betrifft die Dauer des Impfschutzes.
Die Nachprüfung geschah nach beinahe 5 Monaten; von den 4 Tieren
starben 2 verspätet, 2 blieben am Leben. Die Deutung des Versuchs wird
aber dadurch erschwert, daß die Versuchstiere inzwischen sehr groß ge¬
worden waren (450 bis 630 g); zwei Kontrollen von etwa 600 g Gewicht
blieben mit 1 bzw. 1 / a Öse Infektion ebenfalls am Leben, während die
kleineren Kontrollen zwischen 200 und 300 g bis zu Vs» Öse herunter starben.
Auch sonst haben wir bei derart großen Tieren ähnliche Ergebnisse gehabt.
Es lassen sich daher Versuche dieser Art nicht gut über so lange Zeit hinaus
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
358
R. Weber:
Tabelle II.
Versuch 2 mit Typhusimpfstoff.
Der Impfstoff ist aus Stamm Ty. 58 hergestellt und wird frisch ohne
Karbolzusatz verwendet.
Vorbehandelt am 6. VIII. 1915.
Nachgeprüft am 31. XII. 1915.
Der Zeitraum zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung beträgt
fast 5 Monate.
Vor¬
behandelt
mit Ty 58 j
l
Nachgeprüft mit 1 Öse Ty. 58
' Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
0,05 Öse
121
450
+*
186
500
0
! 283
450 |
+*
i
183
680
1 0
Kontrollen (vgl. auch Versuch SA):
1 Öse | */* Öse
580g 0 | 600 g 0
fortsetzen. Immerhin spricht der Versuch wohl deutlich dafür, daß die
Immunität nach 5 Monaten bereits im Abklingen war.
Der folgende Versuch 3 gibt die Fortsetzung des Versuches 1 in quan¬
titativer sowie in zeitlicher Hinsicht. Auch hier ist die Grenze nicht erreicht;
die gewählten 3 Dosen, ViO> 4 und 8 Ösen, haben bei Nachprüfung nach
etwa 4 Wochen sämtlich annähernd sicheren Schutz gegen die gewählte In¬
fektion bewirkt. Auch nach 11 Wochen ist noch ein Schutz vorhanden,
doch standen hier nur 5 Versuchstiere zur Verfügung, von denen eins, das
mit der größten, und das einzige, das mit der kleinsten Dosis vorbehandelt
war, starben. Besonders wichtig erscheint uns, daß wir auch bei diesem
Versuch trotz der enormen Mengen keine Andeutung dafür erhalten haben,
daß zu große Dosen eine schlechtere Wirkung haben können als kleinere.
Zufolge Versuch 1 tritt aber auch bei Nachprüfung nach 8 Tagen — dem
kleinsten von uns gewählten Intervall — keine Andeutung einer negativen
Phase auf: die Ergebnisse sind auch hier bei den größeren Dosen
zum mindesten nicht schlechter als bei kleineren. Man hätte denken
können, daß so große Dosen, wenn auch nicht eine negative Phase
im eigentlichen Sinne, d. h. eine Verminderung der spezifischen Tmmnni-
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 359
Tabelle III.
Versuch 3 mit Typhusimpfstoff.
Der Impfstoff ist von Stamm Ty. 4 hergestellt und wird frisch ohne
Karbolzusatz verwendet.
Der Zeitraum zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung betrug
bei Versuch A 29 Tage, bei Versuch B 79 Tage.
Dosis
der Vor¬
behandlung
in Ösen
A. Vorbehandelt 2. XII. 15.
Nachgeprüft am 31. XII. 15 mit
1 Öse Ty. 58
B. Vorbehandelt 25. XI. 15.
Nachgeprüft am 12. II. 15 mit
1 Öse Ty. 58
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
8 Ösen
280
330
0
280
400
0
260
290
+
200
260
+
280
310
0
260
310
0
270
280
0
4 Ösen
230
260
0
270
350
0
280
270
0
|
240
800
0
230
310
0
i/ Aop
1 »0
300
350
+*
i
230
250
0
240
333
+
1
230
260
0
1
Virulenzprüfung zu A. 31. XII. 15. (Die Zahlen bedeuten die Gewichte.)
7, Öse
V* Öse
V» Öse
V16
Öse
Vst Öse
270 +
170 +
250 +
| 270
+ *
210 +*
Gleichzeitig wurde die Kultur an zwei großen Meerschweinchen geprüft:
1. Gewicht 580, 1 Öse, lebt.
2. „ 600, */t Öse, lebt.
Kontrolle zu B. 12.11. 15: 1 Öse +. Kleinere Dosen nicht geprüft.
tat, so doch vielleicht gesteigerte Empfindlichkeit auf Grund einer all¬
gemeinen Schwächung hervorrufen könnten; davon ist aber nichts zu
bemerken.
Wir haben absichtlich im Versuch 3 äußerst hohe Dosen, 8 Ösen,
Typhus gegeben. Die absolute Dosis für unsere Tiere war also etwa 48mal
so groß, wie wir beim Menschen bei der ersten Impfung zu geben pflegen.
Bekanntlich ist vielfach, insbesondere von Wright die Annahme ver¬
treten worden, daß große Dosen ungünstig wirken und geradezu gefährlich
□ igitized by Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
360
R. Weber:
seien; Wright hat vor großen Dosen gewarnt, er glaubt sogar, daß nach
sehr großen Impfstoffmengen eine dauernde „negative Phase“ eintreten,
d. h. ein Schutz völlig ausbleiben kann, nach mittleren Dosen soll die ne¬
gative Phase längstens etwa 3 Wochen dauern, bei kleinen soll sie ganz
wegfallen. Diese Anschauungen sind schon deswegen von vornherein
etwas unwahrscheinlich, weil die natürliche Typhusinfektion zweifellos
die schwerste und dabei nach allgemeiner Annahme die sicherste „Schutz¬
impfung“ gegen Typhus ist, die wir kennen; soweit wir wissen, gewährt
auch bei Infektionskrankheiten überhaupt eine einmalige Erkrankung
im allgemeinen einen um so sichereren Schutz vor erneuter Infektion, je
schwerer, nicht je leichter sie verläuft. Soweit Wrights Anschauung
bezüglich der negativen Phase experimentell geprüft worden ist, hat sie
sich nicht bestätigt (Pfeiffer und Friedberger).
Wir kehren nunmehr nochmals zu unserer Tabelle I zurück. Die
Resultate mit der größten Immunisierungsmenge, l 1 /* Öse, übertreffen
weitaus diejenige mit allen anderen Dosen, indem von allen 18 Tieren
nur 1, oder wenn man die Ergebnisse der immer unsicheren Nachprüfung
nach der ersten Woche wegläßt, von 15 Tieren keins der Infektion erlegen
ist. Wird die Dosis der Vorbehandlung nun aber verringert und zwar
jedesmal annähernd um 1 /„ so sehen wir bei den 3 folgenden Dosen:
0-5—0-15—0-05 Ösen, daß die Resultate sogleich schlechter werden
(18-8 Prozent Todesfälle), wir finden aber bei Vergleich dieser 3 Dosen
untereinander keinen irgend sicheren Unterschied in der Wirkung; die
kleinste hat sogar etwas besser gewirkt als die lOmal größere. Durchaus
das gleiche sehen wir bei den 3 kleinsten Dosen: 0*015—0-005—0*0015;
auch hier wieder im ganzen eine erhebliche Verschlechterung des Erfolges,
aber dabei hat die kleinste der 3 Dosen zufällig eher etwas besser gewirkt
als die größte.
Wir geben nachstehend eine kleine Übersicht über diese quantitativen
Verhältnisse. Dabei sind aus den schon erwähnten Gründen die nach
einer Woche nachgeprüften Tiere unberücksichtigt gelassen.
Impfstoffidosis
in Ösen
1*5
0*5
0*15
0*05
0*015
0 005
0*0015
Digitized by Gougle
Zahl Davon
der Tiere f
15
0
= 0 Prozent
16 l
4
18
• 53 2
-10 = 18*8 Prozent
19
4|
18
111
19
• 54 9
31 = 57 Prozent
17
n
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 361
Diese Zahlen scheinen uns für die Verwertung aller derartigen Ver¬
suche von Interesse zu sein. Wenn es sich bei immerhin ziemlich großen
Versuchsreihen zweimal ereignet, daß die 10 fach kleinere Dosis desselben
Impfstoffes eher etwas besser wirkt, als die größere, so geht daraus hervor,
wie schwer es ist, auf Grund derartiger Versuche zu entsoheiden, um wie¬
viel z. B. ein Impfstoff einem zweiten überlegen oder eine ältere Probe
gegenüber einer frischen abgeschwächt ist. Wir müssen uns darüber klar
sein, daß wir mit unseren Methoden dabei nur gröbere Unterschiede fest¬
stellen können, und daß es z. B. nicht ganz leicht wäre, auf diese Weise die
Frage beantworten zu wollen, ob ein Impfstoff in seiner Wirksamkeit um
50 bis 75 Prozent heruntergegangen ist. Man hat sich in dieser Hinsicht
wohl vielfach falsche Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit unserer
Methoden gebildet. Auch in den späteren Versuchen, in denen wir eben¬
falls vielfach abgestufte Impfstoffmenge verwendet haben, finden sich
ähnliche Beispiele; es ist durchaus nicht gesagt, daß, wenn man auch je
6 oder 8 Tiere zum Versuch verwendet, eine lOmal größere Impfstoff¬
dosis in jedem Falle bessere Zahlen ergeben muß, als die kleinere Menge.
Nur ganz große Zahlen, die aus mannigfach variierten Versuchen gewonnen
sind, können hier ein sicheres Bild geben. So beweisen die Zahlen unserer
Tabelle, wie auch der zuletzt gegebene Auszug daraus sehr deutlich zeigt,
— und wie sich in allen späteren größeren Versuchsreihen (z. B. Tab. XIII,
S. 380) immer wieder bestätigt —, daß bei Steigerung der Impfstoff¬
dosis die Wirkung gesetzmäßig steigt; im einzelnen zeigen sich aber
dabei große Unregelmäßigkeiten. Bezüglich anderer Methoden sei darauf
hingewiesen, daß die intravenöse Einspritzung von Impfstoff mit nach¬
folgender Titrierung des Serums im Pfeifferschen Versuch — abgesehen
von der Frage, wieweit man daraus einen Bückschluß auf die Bewertung
des betreffenden Impfstoffes für die aktive Immunisierung ziehen kann —
offenbar noch weniger gleichmäßige Ergebnisse liefert. Daß der Titer des
Serums dabei in sehr weitem Maße von der Menge des injizierten Anti¬
gens unabhängig und andererseits von der Individualität des Organismus
abhängig ist, zeigen die Versuche von Friedberger mit intravenöser In¬
jektion von Cholera bei Kaninchen und deren Ergänzung durch Mei-
nicke, Jaff6 und Flemming, sowie die Ergebnisse der von Friedberger
und Moreschi am Menschen ausgeführten intravenösen Einspritzungen
von abgetöteten Typhusbazillen. Dagegen erhielten Kutscher und Hetsch
große und konstante Unterschiede, als sie die Sera einer größeren Zahl
von Versuchspersonen im Pfeifferschen Versuch auswerteten, die einer
3 maligen Vorbehandlung einerseits mit großen, andererseits mit kleinen
Dosen von Typhusimpfstoff unterzogen worden waren (im ganzen auf
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362
R. Weber:
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je 3 Injektionen verteilt 6 Ösen bzw. 0*3 Ösen, also die 20fach kleinere
Menge. Unsere Versuche zeigen, daß dasselbe auch für die aktive Immuni¬
sierung gilt; sie bestätigen also durchaus die von Kolle in dieser Hinsicht
nachdrücklich vertretene Anschauung.
Es ist nun aber von Interesse, zu sehen, daß trotzdem auch recht kleine
Dosen nicht ganz ohne Wirkung sind. In Tabelle I ist die untere Grenze
der Impfstoffmenge, die überhaupt noch einen erkennbaren Einfluß hat,
offenbar noch nicht erreicht. Wenn wir sehen, wie allmählich die Wir¬
kung bei Verringerung der Dosis abklingt, so erinnert dieses Verhalten,
ebenso wie die langsame Ausbildung des spezifischen Zustandes, an die
Verhältnisse bei der Anaphylaxie. Daher wurde bei einigen Tieren eine
Vorbehandlung mit ganz kleinen Dosen versucht, die teils 1 malig, teils,
was bei Eiweiß-Anaphylaxie sich bisweilen als noch wirksamer erwiesen
hat, 3 malig wiederholt gegeben wurden, und zwar letzteres mit zwei
verschiedenen Intervallen, so daß also 3 Reihen entstehen, die in der
Tabelle mit A, B, C bezeichnet sind.
Tabelle IV.
Versuch 4 mit Typhusimpfstoff.
Der Impfstoff ist von Stamm Ty. 4 hergestellt und wird frisch, bzw.
einige Tage im Eisschrank aufbewahrt, ohne Karbolzusatz verimpft.
Zeitraum zwischen letzter Vorbehandlung und Nachprüfung:
bei 1: 36, 32, 25 Tage,
bei 2: 67, 63, 56 Tage.
Vorbehandelt:
i A
i
i
B
C
1 X
!
8 x alle 2 Tage
8 x alle 5 Tage
am 25. XI. 15
1. am 25. XI.
1. am 25. XI.
p
ii
ii
2. „ 27. XL
2. „ 30. XL
ä
8. „ 29. XI.
8. „ 6. XII.
1. Nachgeprüft am 31. XII. 15 mit 1 Öse Ty. 58 (Virulenzprüfung vgl. Versuch 3 A).
!
Dosis
des Impf- 1
stoffis |
in Ösen
i
1
A
!
B
li
C
l’s
3 8,
End¬
gewicht
Erfolg
&3
«8 5
fl
bß
f§ t
bD
Erfolg
1 W +5
§ 'S
jj)
End¬
gewicht
Erfolg
0-0015 |
284
330
+ *
172
180
+* 1
279
800
0
287
860
+ *
182
230
+
278
320
+*
1
285
350
+ *
340
400
+* ■
1
255
270
+
1
250
250
0 I
Gck igle
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 363
2. Nachgeprüft am 31.1.16 mit 0*6 Öse Ty. 58.
Dosis
des Impf¬
stoffs
in Ösen
A
■
B
c
ac>
«sä
48,
End¬
gewicht
Erfolg
End¬
gewicht
Erfolg
H
4 8,
End¬
gewicht
to
i
0*0005
260
480
0
157
225
+
281
350
4-
177
420
4-
150
225
4-
190
300
+*
180
250
4-
142
300
4-
210
275
+
187
820
4-
189
280
4-
0-00015
242
300
4-
242
280
+*
282
290
4- f
155
200
+*
170
260
4-
231
260
4-*
176
210
+
230
270
4-
249
300
4-
277
820
0
210
250
+
0*00005
185
820
0
295
870
0
313
860
4-
230
210 1
4-
220
210
+*
1
175
200
+*
i
1
Virulenzprüfung (die Zahlen bedeuten die Gewichte):
0*6 Öse
0*8 Öse
0*15 Öse
0*075 Öse
210 +
160 +
160 +
170 0
Es zeigt sich, daß auch die kleine Dosis 0,00005 Öse Typhus = etwa
0-000000lg Bakteriensubstanz noch so großen Einfluß hatte, daß bei
Nachprüfung mit der 4mal tödlichen Dosis am 1. Tage */s> 21111 2. Tage
immerhin noch 1 / z der Tiere überlebten. Vermutlich ist die Grenze noch
nicht erreicht. Die Werte entsprechen ungefähr denen der sensibilisierenden
Dosis bei artfremdem Eiweiß. Es sei daran erinnert, daß Friedberger
und Moreschi an Menschen nach intravenöser Einspritzung von
7«oo Öse nach Löfflers Verfahren abgetöteter Typhuskultur hohen
Antikörpergehalt fanden.
Hiernach haben also die quantitativen und zeitlichen Verhältnisse
des Impfschutzes in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit mit denen bei der
Eiweißanaphylaxie am Meerschweinchen. Was man zunächst bei Sen¬
sibilisierung gegen fremdes Eiweiß beobachtete und für eine Besonderheit
dieses neuen Phänomens hielt, nämlich die sensibilisierende Wirkung mini¬
maler Mengen des Antigens, den langsamen Eintritt und die lange Dauer
der spezifischen Umstimmung des Organismus, dasselbe sehen wir in
ähnlicher Weise auch bei der Immunisierung am Meerschweinchen gegen
gewisse Bakterien.
Da die immunisierende Wirkung bei Verringerung der Dosen so auf¬
fallend langsam absinkt, erscheint es nicht möglich, z. B. die Wirksam-
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364
R. Webek:
keit zweier nach verschiedenen Verfahren gewonnener Impfstoffe so zu
vergleichen, daß man die kleinste wirksame Dosis feststellt; man wird
zweckmäßig einige verschiedene Dosen zur Vorbehandlung nehmen und
einen Infektionsmodus, bei dem mindestens bei dem schlechteren Impf¬
stoff eine Anzahl Tiere zugrunde geht.
Das soeben über Immunisierung mit kleinsten Dosen Gesagte scheint
nun aber nur für Typhus, nicht für Cholera zu gelten. Hier verfügen wir
allerdings nur über einen Versuch, der in der unten mitgeteilten Tabelle X,
Sp. II und III enthalten ist. Von 8 mit 1 Öse immunisierten Tieren blieben
bei der Nachprüfung alle, von 7 mit Vio Öse immunisierten Tieren 4, von
8 mit 7 l00 Öse vorbehandelten keins am Leben. Hier tritt also ein ver¬
hältnismäßig schroffer Abfall und alsbald ein völliges Versagen des Impf¬
schutzes ein. Sollte sich dieses Verhalten weiterhin bestätigen, so
braucht man dennoch wohl nicht anzunehmen, daß hier grundsätzlich
andere Verhältnisse wie bei Typhus vorliegen. Der Verlauf der intra¬
peritonealen Cholerainfektion beim Meerschweinchen ist äußerst schnell,
so daß nur die spezifischen Antikörper, die ganz im Beginn des Prozesses
ins Peritoneum gelangen, zur Wirkung kommen können. Bei langsamer
verlaufenden Infektionen, die sich zudem nicht so ausschließlich in der
Bauchhöhle, sondern zum Teil auch sich in der Blutbahn und den anderen
Organen abspielen, wie es zweifellos beim Typhus der Fall ist, kann da¬
gegen der Organismus alle Reserven an vorhandenen Antistoffen heran¬
ziehen und auch seine natürlichen Widerstandskräfte mehr ausnutzen.
Es ist daher wohl wahrscheinlich, daß nicht eine grundsätzliche Verschie¬
denheit im Verlauf der Typhus- und Choleraimmunisierung vorliegt, sondern
daß bei Typhus geringe Grade von aktiver Immunität am Meerschweinchen
leichter nachzuweisen sind, als bei Cholera.
Tabelle V.
Versuch 5 mit Typhusimpfstoff.
Der Impfstoff ist am 22. IX. 1915 aus mehreren verschiedenen Typhus¬
stämmen hergestellt und wird mit Karbolzusatz verwendet.
Zeitraum zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung: 20 bzw. 30 Tage.
Vorbehandelt:
A
B
3 x in Teildosen in fünftägigem
in Einseldosis
Abstand
0*1 Öse = 0*8 Impfstoff am 1. XII. 15
1. am 1. XII. 15 0-02 Öse = 0-06 Impfst.
2. „ 6.XIL 15 0-04 „ = 0.12 „
^ ^ ^ IPfT 4 » i A 4 A 1
8. „ 11. XII. 15 0-04 „ -0*12
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 365
Nachgeprfift am 81. XII. 15 mit je 1 Öse Ty. 58 (Virulenspr&fting vgl. Versuch 8 A)..
A
B
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
!
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
220
250
+*
200
250
4-
820
820
0
180
170
+
215
230
+*
280
310
0
215
210
+* 1
i 215
; 230
+*
270
260
+* 1
215
270
0
1
270
350
0
i
j 250
290
+
Ergebnis: nach 24(48) Standen leben:
5 : 5 (1)
7:4 (3)
Tabelle V behandelt die Einzelfrage, ob die bei der Typhusschutz-
impfung am Menschen übliche Verteilung des Materials auf 3 Injektionen
(die freilich mit durch die Notwendigkeit bedingt ist, zu starke Reaktionen
zu vermeiden) bessere Immunität gibt, als die Injektion der ganzen Menge
auf einmal. Der Versuch ergibt keinen deutlichen Unterschied, zumal die
Versuchsreihe nur klein, und es auch fraglich ist, wie die nachträglichen
Todesfälle am 2. Tage zu bewerten sind. Rechnet man sie mit, so hat die
1 malige Injektion besseren Erfolg gehabt.
Fassen wir unsere Ergebnisse bezüglich der quantitativen und zeit¬
lichen Verhältnisse der Typhusschutzimpfung bei Meerschweinchen zu¬
sammen, so sei als das Wichtigste nochmals die Bekräftigung der von
Kolle vertretenen Anschauung betont, daß mit der Größe der immuni¬
sierenden Dosis der Erfolg zunimmt; in dieser Hinsicht gehen unsere Beob¬
achtungen, die sich ausschließlich auf aktive Immunisierung stützen,
durchaus denen von Kutscher und Hetsch parallel, die sich auf Aus¬
wertung der Sera schutzgeimpfter Menschen gründen. In Ergänzung der
Versuche von Pfeiffer und Friedberger zeigen unsere Beobachtungen
weiterhin, daß auch nach recht großen Dosen keine negative Phase,
sondern daß im Gegenteil die Immunität früher nachweisbar ist, als nach
kleinen Dosen. Wir möchten diese Ergebnisse, denen unseres Wissens
keine exakten Beobachtungen entgegenstehen, als allgemeingültig an-
sehen, ebenso die Beobachtung, daß die aktive Immunität nur langsam,
jedenfalls erst im Verlauf mehrerer Wochen ihren Höhepunkt erreicht;
sie tritt daher scheinbar um so später ein, je weniger wirksam die Vor¬
behandlung, und je schwerer andererseits die gewählte Infektion ist. In
Übereinstimmung mit Pfeiffer und Bessau sehen wir in genauer Beob-
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366
R. Weber:
- achtung der quantitativen und, wie wir hinzufügen möchten, der zeitlichen
Verhältnisse die wichtigste Grundlage aller einschlägigen Versuche; ins¬
besondere müßten diese Verhältnisse anders als bisher beobachtet werden,
wenn der Beweis dafür erbracht werden soll, daß ein Impfverfahren eine
andersartige Immunität erzeugt, als ein anderes, oder daß gegen eine
Art der Infektion, z. B. die stomachale, eine andersartige Immunität
notwendig sei, als gegen Infektionen auf anderem Wege.
2. Über Unterschiede in der immunisierenden Wirkung
verschiedener TyphusstSmme.
Die nachfolgenden Versuche betreffen die Fragen
1. ob verschiedene Typhuskulturen erhebliche Verschiedenheiten in
ihrer immunisierenden Wirkung aufweisen,
2. ob die Immunität gegenüber der Kultur, die zur Vorbehandlung
gedient hat, deutlich stärker ausgesprochen ist, als gegenüber einer fremden
Kultur. Je mehr dies der Fall wäre, um so mehr würde die Anwendung
polyvalenter Impfstoffe notwendig erscheinen, um bei der Immunisierung
recht viele verschiedene Typhusrezeptoren zur Wirkung zu bringen, damit
möglichst vielseitige Antikörper entstehen, und damit ein Schutz gegen
die Infektion mit Typhusstämmen von verschiedenstem Rezeptorentypus
wahrscheinlich wird.
i
Die folgende Tabelle gibt den ersten größeren Versuch in dieser Rich¬
tung wieder; die Vorbehandlung geschah dabei mit 4 verschiedenen
Kulturen, darunter einer avirulenten, die Nachprüfung mit 2 hochvirulenten
Stämmen. In allen Versuchen dieses Abschnittes wurden ebenso wie in
den bisher wiedergegebenen Tabellen stets frisch hergestellte Impfstoffe
benutzt, die nur wenige Tage alt und nicht mit Karbol versetzt waren.
Es geschah dies, um nicht einen weiteren unbekannten Faktor einzu-
führen, dessenEinfluß erst in besonderen Versuchen untersucht werden sollte.
Bei diesem Versuch wurden ausnahmsweise große Meerschweinchen
verwendet; die Kontrolliere, sowie vor allem auch die zahlreichen Todes¬
fälle unter den vorbehandelten Tieren zeigen aber, daß die Kulturen in
diesem Fall virulent genug waren, um auch Meerschweinchen von 500
bis 600 g zu töten. Nur eins der schweren Kontrolliere ist verzögert ein-
gegängen, die anderen binnen 24 Stunden. Für kleinere Tiere ging die
Virulenz beider Kulturen bis 1 / 8 Öse herab.
Es ist sogleich ersichtlich, daß die letzte der 4 Kulturen, Typhus S,
weit schlechteren Schutz bewirkte, als die 3 anderen Stämme. Es ist das
nicht nur ein reeht alter, sondern vor allem ein ganz avirulenter Stamm, der
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 367
Tabelle VL
Versuch 6 mit Typhusimpfstoff.
Der Impfstoff wurde aus den Stämmen Ty. 58, Ty. 68 und Ty. S
hergestellt und frisch ohne Karbolzusatz verwendet.
Der Zeitraum zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung betrug
6 Wochen.
Vor-
Nachgeprüft am 8. XII. 15 mit
behandelt
am
1 Öse Ty 58
__li
1 Öse Ty 68
20. X. 15
mit
End¬
gewicht
Erfolg
End¬
gewicht
Erfolg
V* Öse Ty 58
1 500 g
+
450 g
0
1 550
0
500
0
510
0
480
0
500
0
500
0
400
+
j 470
+*
420
+
7 t0 Öse Ty 68
580
0
450
0
540
+
520
+
500
+
450
+
400
+ 1
490
0
480
+ !
500
0
570
+ !
!
|
Vto Öse Ty 17
i
520
I
0
500
0
420
, 0
500
+
550
+
450
0
400
+
470
0
520
0
V, Öse Ty S
500
450
+
500
+
520
+
400
+
|
1 Öse Ty S
420
0
420
+
500
+
420
0
Über sichtstabe Ile.
Es fiberleben:
Vor¬
behandelt
mit 7*o Öse
j Nachgeprüft
Ty 58
Ty 58
Ty 68
6:3 !
5:5
68
6:1
5:3
Ty 17
4 : 2
5:4
Virnlenzprüfnng.
(Die Zahlen geben das Gewicht der Tiere an.)
Ty 58
iy es
;
! Gewicht
i
Erfolg
Gewicht
Erfolg
1 Öse
640 g
+
580 g
+
7 »
450
+
510
+*
807
+
400
4-
7* Öse
200
+
170
4-
*/ 4 Öse
170
+
180
4-
7s Öse
200
4-
| 220
4-
Vie Öse
190
1 o
j 180
0
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368
R. Weber:
bei Injektion von 1 bis 3 Ösen lebender Kultur niemals Meerschweinchen
tötete; wir hatten von dieser Kultur, deren relativ geringe Immuni¬
sierungskraft wir von früher schon kannten (von 6 teils mit Vs, teils mit
x / 20 Öse dieses Stammes vorbehandelten Meerschweinchen war bei Infek¬
tion mit 1 Öse Typhus 58 bzw. 68 nur eins am Leben geblieben) 4 bzw.
20 mal größere Mengen zur Vorbehandlung benutzt, als von den 3 anderen
Stämmen, von denen wir stets 1 / i0 Öse gaben. Trotzdem überlebt von den 5
mit x / 5 Öse S vorbehandelten Tieren keins, von den 4 mit einer ganzen Öse
vorbehandelten nur zwei. Die Zahlen der überlebenden Tiere bei den anderen
3 Impfstoffen waren 8 von 11 bei Kultur 58, 4 von 11 bei Kultur 68, 6 von 9
bei Kultur 17. Die Kultur 58 immunisierte hiernach am besten, 68 am
wenigsten gut. Da sich diese Reihenfolge bei weiteren Versuchen bestätigte,
so dürfte das Ergebnis auch in dieser Hinsicht nicht auf Zufall beruhen.
Ordnet man die Ergebnisse nach den beiden zur Infektion benutzten
Stämmen, unter Weglassung der ganz mangelhaft geschützten Tiere, die
mit dem avirulenten Stamm S vorbehandelt sind (vgl. die Übersichtstabelle),
so erscheint, trotzdem offenbar beide Stämme annähernd gleich virulent
waren, die Nachprüfung mit Stamm 58 erheblich schwerer zu sein; von
16 Tieren überlebten nur 6, bei Nachprüfung mit Stamm 68 dagegen von
15 Tieren 12. Auch dies Verhältnis hat sich bei späteren Versuchen in ähn¬
licher Weise wiederholt, so daß es ebenfalls nicht als zufällig anzusehen ist.
Dabei ist nicht zu erkennen, daß die mit einem Stamm vorbehandelten
Tiere etwa gerade gegen diesen Stamm am besten geschützt waren. So über¬
leben von 5 mit Typhus 68 vorbehandelten und mit der gleichen Kultur
nachgeprüften Tieren 3; der Stamm 58 aber, der überhaupt besser immuni¬
siert, schützt auch gegen die Kultur 68 besser; hier überleben alle 5 Tiere.
Dieselben 3 virulenten Stämme wie im letzten Versuch wurden auch
bei den folgenden beiden Versuchen sowohl zur Vorbehandlung, wie auch
zur Nachprüfung benutzt. Die Meerschweinchen waren in diesen Ver¬
suchen erheblich kleiner. In beiden Versuchen ist der größte Teil der
vorbehandelten Tiere nicht geschützt gewesen, die Infektion war also
eine recht schwere. Bei dem ersten Versuch wurden von der damals
wenig virulenten Kultur 17 2 Ösen zur Infektion gegeben; diese schwere
Nachprüfung überstand von 8 Tieren nur 1, und dieses war nicht mit dem
homologen Stamm vorbehandelt worden. Im übrigen sind beide Versuche
übereinstimmend ausgefallen, so daß wir das Gesamtergebnis in eine
Übersichtstabelle zusammengefaßt haben. Es ergibt sich daraus in Bestäti¬
gung des vorhergehenden Versuches, daß die Kultur 58 am besten, 68 am
wenigsten gut immunisiert, während 17 in der Mitte steht. Die Nach¬
prüfung mit 68 ist wiederum schwerer als mit 58, die mit 17 aber noch
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 369
erheblich schwerer und zwar auch dann, wenn man von dem ersten Ver¬
such absieht, wo, wie soeben erwähnt, die doppelte Infektionsdosis ver¬
wendet wurde. Im folgenden und anderen späteren Versuchen, wo die
Gewichtsangaben bei den einzelnen Tieren nicht nötig erschienen, geben
wir nur eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
Tabelle VII.
Versuch 7 mit Typhusimpfstoff.
Der Impfstoff wurde aus den Stämmen Ty 58, Ty 68 und Ty 17
hergestellt und frisch ohne Karbolzusatz verimpft.
A. Versuch vom 20. VIII. 1915.
Dosis der Vorbehandlung: 1 / t0 Öse.
Nachprüfung nach 34 Tagen am 22. IX. 1915.
Nachgeprüft
Vorbehandelt mit 7to Öse
i
Zusammen
mit
_ j
| T y 58
Ty 68
Ty 17
1 Öse Ty 58
1—0
3—1
8—0
!
7—1
1 Öse Ty 68
2—0
1—0
8—1
6—1
2 Ösen Ty 17
2-1
3—3
8—3
8—7
Zusammen
| 5-1 j
7—4
9—4
5—1 U8w. bedeutet: 5 Versuchstiere, davon 1 +.
7t Öse 0
Kontrollen
fTy-58
Ty 68
Ty 17
1 Öse +
V« Öse +
2 Ösen +
1 Öse 0 7t Öse +
B. Versuch vom 7. X. 1915.
Dosis der Vorbehandlung 1 / 80 Öse.
Nachprüfung nach 21 Tagen am 28. X. 1915.
Nachgeprüft
mit |
1
j Vorbehandelt mit */ Ä0 Öse
Zusammen
j Ty 58 |
Ty 68
Ty 17 |
1 Öse Ty 58
! 4-2
'
2—2
!
3—1
9—5
1 Öse Ty 68
: 3—2 1
3—2
3-3
9—8
1 Öse Ty 17
1 8 ~" 2
8—8
3—2 |
| 9—7
Zusammen
t-A
o
1
a>
8—8 j
| 9—6
f Ty 58 1 Öse + 7, Öse +
Kontrollenj Ty 68 1 Öse + 7, Öse +
lTyl7 löse + 7« Öse +
Zeltadjr. f. Hygiene, t.tttti
7* Öse +
7« Öse +
7t Öse +
7* ÖBe + 7 16 Öse +
24
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370
R. Weber:
Zusammenfassende Tabelle über beide Versuche:
Nachgeprüft
Vorbehandelt mit
Zusammen
! _
mit
Ty 58
j Ty 68
Ty 17
i
_i
Ty58
Ty 68
Ty 17 |
5—2
5—2
5—3
5— 3
| 4—3
6— 6
6— 1
6— 4
6— 5
!j 16—6
|i 15-9
i| 17-4
Zusammen
15—7
15—12
18—10
i
Auch aus den letzten beiden Versuchen ergibt sich wiederum kein
Anhaltspunkt dafür, daß jede Kultur gegen sich selbst besseren Schutz
gewährt, als gegen fremde Stämme; vielmehr sind gut immunisierte
Tiere gegen alle Stämme gut, schlecht immunisierte gegen
alle mangelhaft geschützt.
Dieses Ergebnis ist im Einklang mit einigen Beobachtungen, die be¬
züglich des Verhaltens verschiedener Typhusstämme im Pfeifferschen
Versuch und in vitro gegenüber bakteriziden Antistoffen gemacht worden
sind. Friedberger und Moreschi, Besserer und Jaff6, Schlemmer,
Neufeld und Lindemann, Braun und Feiler haben sogenannte serum¬
feste Typhusstämme, d. h. solche, die mehr oder weniger vollständig un¬
empfindlich gegen die verschiedenen Qualitäten der Inununsera waren,
nach den verschiedenen Richtungen hin untersucht und gefunden, daß
„feste“ Stämme im allgemeinen gegen alle Sera „fest“ waren (auch gegen
solche, die mit den eigenen „festen“ Stämmen gewonnen waren), während
empfindliche Stämme gegen alle Immunsera die gleiche Empfindlichkeit
zeigten. Jedoch ist die Frage, inwieweit sich eine Verschiedenheit des
Rezeptorenapparates der einzelnen Typhusstämme gegenüber den Serum-
antikörpem (insbesondere im Pfeifferschen Versuch) geltend macht,
noch nicht endgültig zu beantworten; Friedberger nimmt gewisse Ver¬
schiedenheiten an und unterscheidet Titerhöhe und Titerbreite, d. h. die
Wirkung auch gegen serumfeste Stämme. (Daß sich bei der Agglutina¬
tion erhebliche Unterschiede zeigen und daß hier „Partialantikörper“
eine Rolle spielen, geht u. a. aus Bernhardts Versuchen hervor.)
Unsere Ergebnisse sprechen also für die Notwendigkeit, zur Impfstoff-
bercitung gut immunisierende Stämme auszuwählen, aber nicht umnittel¬
bar dafür, daß es nötig sei, mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der
„Rezeptoren“ der Typliusstämmc mehrere oder möglichst viele ver¬
schiedene Kulturen dazu heranzuziehen, d. h. einen möglichst polyvalenten
Impfstoff anzuwenden. Jedoch ist auch hier wieder zu berücksichtigen,
daß feinere Unterschiede dieser Art nach unserer Technik nicht sicher
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 371
zu erkennen sein würden. Ferner haben wir diese Versuche nur mit
wenigen Stämmen ausgeführt; schließlich muß man auch mit der Möglich¬
keit rechnen, daß die Stämme sich vielleicht im Laufe der Zeit nach¬
teilig verändern können. Aus allen diesen Gründen wird man für die
Praxis immer besser daran tun, mehrere Stämme zur Typhusimpfstoff¬
bereitung zu mischen. Wir möchten das für die Praxis für durchaus
zweckmäßig halten und zwar nicht nur für Typhus, sondern, trotz des
einheitlicheren Rezeptorenapparates, auch für Cholera. Man erhält dadurch
immer eine größere Sicherheit, besonders für den Fall, daß einmal ein
Stamm im Laufe der Zeit an antigener Wirksamkeit verliert. Daß ge¬
rade bei älteren Stämmen Schwankungen im Immunisierungsvermögen
Vorkommen, halten wir nach den Ergebnissen mit Typhus S für sehr
wahrscheinlich.
Die Frage, nach welchem Gesichtspunkte Stämme zur aktiven Immuni¬
sierung am Menschen auszuwählen sind, ist bekanntlich früher schon
eingehend erörtert worden. Pfeiffer und Friedberger nahmen an,
daß die immunisierende Kraft mit der Virulenz, Wassermann, daß sie
mit dem Bindungsvermögen der betreffenden Kulturen in engem Zu¬
sammenhang stehe, während eingehende Versuche von Meinicke, Jaffö
und Flemming an Cholera ergaben, daß die immunisierende Fähigkeit
eines Stammes von keinem der beiden genannten Faktoren unmittelbar
abhängig ist. Jedoch hat eine Arbeit von Händel ergeben, daß insofern
ein gewißer Zusammenhang zwischen Virulenz und antigenem Vermögen
besteht, als zuweilen recht alte und ganz avirulente Cholerastämme (Cholera
„Ostpreußen“) in den im Tierversuch üblichen Dosen gar keine und auch
in sehr großen Dosen nur eine ganz minimale Antikörperbildung auslösen,
ein Befund, der angesichts der Leichtigkeit, mit der gerade bei Cholera
Antikörperbildung durch die Injektion oft schon von kleinsten Dosen
beim Kaninchen sich erzielen läßt, um so bemerkenswerter ist.
Auch bei Typhus scheinen nach den in Tabelle VI mit Typhus S er¬
haltenen Ergebnissen ältere avirulente Stämme mit ziemlich geringer
immunisierender Fähigkeit vorzukommen. Daß dieser Stamm aber nicht
etwa als gänzlich unwirksam anzusehen ist, zeigen die beiden nachstehenden
Versuche; zum Vergleich wurde dabei im ersten Versuch zur Vorbehandlung
ein anderer Stamm, dessen antigene Fähigkeit bekannt war, mitbenutzt,
im zweiten Versuch zwei andere Stämme (s. Tab. VIII).
In der Versuchsreihe A fällt es auf, daß das Kontrolltier mit 1 / i Öse
überlebt, nur das sehr kleine Tier mit 1 / 8 stirbt. Trotzdem also die Nach¬
prüfung an der Grenze der Wirksamkeit zu stehen scheint, verhalten
sich, wie an den mit Typhus 4 vorbehandelten Meerschweinchen ersichtlich
24*
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372
K. Weber:
Tabelle VIII.
Versuch 8 mit Typhusimpfstoff.
Die Impfstoffe sind frisch hergestellt und ohne Karbolzusatz verimpft.
A. Vorbehandelt am 17. II. 1916.
Nachgeprüft nach 16 Tagen am 3. III. 1916 mit */« Öse Ty. 58.
Dosis des [
Impfstoffs
in Ösen
Anfangs¬
gewicht
| End¬
gewicht
Erfolg
4 Ösen Ty S
210 g
240 g
0
320
330
0
| 850
810
0
i
230
250
0
1 Öse Ty S |
160
180 j
0
220
230
0
200
240 !
+
1
200
230
+
l /t0 Öse Ty S !
190
200
4-
j
210
240
0
j
i 190
200 ,
0
180
210
+
‘/,0 Öse Ty 4
220
260 !
0
200
190 I
+
|
190
210 !
0
200
210 ;
+
Kontrolle. (Die Zahlen
bedeuten die Gewichte.)
7 « Öse
220 g 0
7 » Öse
140 +
Ergebnis
(tot nach 24 Standen):
4 Ösen Ty S
4—0
1 Öse Ty S
4—2
Vt« Öse Ty S
4—2
V» Öse Ty 4
4—2
B. Vorbehandelt am 9. III. 1916.
Nachgeprüft nach 37 Tagen am 15. IV. 1916 mit je 1 / i Öse Ty. 58.
Dosis des
Impfstoffs
in Ösen
Anfangs¬
gewicht
End¬
gewicht
Erfolg
4 Ösen Ty S j
210 g
300 g
0
« 1
190
800
0
i
170
260
0
|
140
230
+
‘/to Öse Ty S
190
280
0
i
| 210
360
0
[
170
290
0
7*o Öse Ty 4 j
1 190
820
0
, 140
260
0
190
330
0
ll
> 180
260
0
Kontrolle:
*/* Öse | 180 +
*/ 8 Öse 160 +
Ergebnis
(tot nach 24 Stunden):
4 Ösen Ty S
‘/to Öse Ty S
V» Öse Ty 4
4—1
3— 0
4— 0
ist, die Immuntiere doch so wie gegenüber einer ziemlich schweren In¬
fektion. Die Wirksamkeit des avirulenten Stammes S scheint im Ver-
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 373
such B durchaus befriedigend, und auch in der Versuchsreihe A ist der
Erfolg mit V 20 Öse nicht schlechter, als mit der Kultur 58, die sich in den
oben mitgeteilten Versuchen als besonders gut wirksam erwiesen hatte.
Ein entsprechendes Ergebnis hatte der einige Monate früher angestellte
Versuch 9.
Tabelle IX.
Versuch 9 mit Typhusimpfstoff
vom September 1915.
„ , . . „ I Nachgeprüft nach 14 Tagen
Vorbehandelt J mit je 1 Öse Ty 58
mit
je Vfo Öse
i Zahl der Meer¬
schweinchen
ii
davon über¬
leben
1_
Ty 8
6
2
Ty 4
4
4
Tjr 58
5 1
2
Kontrolle: löse Ty 58 +.
Da nun andererseits der Immunisierungserfolg mit dem Stamm S
in früheren Versuchen, insbesondere im Versuch 5 so schlecht war, daß
es sich dabei nicht um einen Zufall handeln kann, der innerhalb der Fehler¬
grenzen liegt, so nehmen wir an, daß die immunis ierende Kraft dieses
Stammes außerordentlich schwankt, ähnlich, wie wir Schwankungen be¬
züglich der Virulenz, der Beweglichkeit oder der Agglutinabilität kennen.
Oft sind solche Schwankungen nur durch äußere Umstände, insbesondere
durch ungeeignete Nährböden bedingt und gleichen sich dann schnell und
vollständig wieder aus; in anderen Fällen aber beruhen sie mehr auf inneren
Zuständen und stellen eine Art Alterserscheinungen dar: dann sind sie
die Vorboten des dauernden Verlustes der betreffenden Eigenschaft. Er¬
fahrungen dieser Art machten wir öfters sowohl bezüglich der Agglutinabili¬
tät als auch bezüglich der agglutinogenen Eigenschaften unserer Labora-
toriums8tämme. Der jetzt labile Typhusstamm S wird vermutlich all¬
mählich in den stabilen Zustand übergehen, in dem sich der oben erwähnte
von Händel untersuchte Cholerastamm „Ostpreußen“ befand.
An sich ist unseres Erachtens gegen die Benutzung alter Typhus-
stämme zur Impfstoffherstellung nichts einzuwenden, zumal sie weit weniger
als Cholerastämme zur Degeneration unter den Bedingungen des Labo¬
ratoriums neigen. Dagegen würden wir von der Benutzung von St ämm en
abraten, die dauernd völlig avirulent oder unbeweglich sind oder die spon¬
tane Ausflockung zeigen. Diese Alterserscheinungen brauchen durchaus
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374
R. Weber:
nicht immer mit einer mangelhaften antigenen Wirkung Hand in Hand
zu gehen; unser alter Laboratoriumsstamm Typhus löl ist z. B. ganz
avirulent, dabei aber, wie schon vor mehreren Jahren M. Wassermann
beobachtete, und wie die unten (S. 392) folgenden Versuche bestätigen, recht
gut antigen; sie weisen aber doch auf einen Degenerationszustand hin,
der leicht früher oder später sich auch im Nachlaß der Immunisierungskraft
äußert. Es sei noch bemerkt, daß wir den Typhus S lange mit bestem
Erfolg zur Gewinnung unserer agglutinierenden Sera sowie zur Widal-
reaktion benutzten, bis er spontan auszuflocken begann.
Die obigen Punkte scheinen uns gerade deswegen beachtenswert,
weil nach unseren Beobachtungen auch mehrere gut ausgefallene Ver¬
suche mit aktiver Immunisierung noch nicht beweisen, daß der betreffende
Stamm dauernd gut antigen ist. Übrigens ist es wohl nicht auszuschließen,
daß auch virulente Stämme in ihrem antigenen Vermögen ebenso wie in
ihrer Virulenz (s. S. 398) spontanen Schwankungen unterliegen.
3. Vergleich der Immunisierenden Wirkung von Cholera- und
Typhusimpfstoffen verschiedenen Alters und von Cholera-Typhus-
Hischimpfstoffen. Bemerkungen Uber die Autolysc der Impfstoffe.
Wir haben die Frage, ob und wann eine Abschwächung der immuni¬
sierenden Wirkung der Impfstoffe eintritt, durch Versuche aktiver Immuni¬
sierung an Meerschweinchen mit Cholera- und Typhusimpfstoff näher
untersucht. Dabei haben wir mehrfach auch ganz frische Impfstoffe, wie
sie heute wenigstens bei Massenimpfungen in der Praxis keine Verwen¬
dung finden, zum Teil auch ohne Karbolzusatz, verwendet. Wo in den
Tabellen nichts anderes bemerkt ist, sind die Impfstoffe in allen Versuchen
dieses Abschnittes mit Karbol versetzt. Den Anlaß zu Versuchen mit ganz
frischen Impfstoffen gaben die in einem späteren Abschnitt mitgeteilten
Beobachtungen an Menschen, wonach frische, d. h. nur wenige Tage (bis
etwa 1 Woche) alte Impfstoffe im Durchschnitt sehr viel stärkere Reak¬
tionen hervorrufen, als etwas abgelagerte. Wir wollten nun durch die
Meerschweinchenversuche erfahren, ob dieser stärkeren Reizwirkung eine
höhere Immunisierungswirkung entspricht oder nicht; im ersten Falle
müßte man annehmen, daß die spezifischen Bakterienbestandteile sich
gerade innerhalb der ersten Tage merklich abschwächen, im letzteren,
daß die ganz frischen Impfstoffe daneben andere nicht spezifische Gift¬
stoffe enthalten, die beim Menschen öfters zu unangenehmen Erschei¬
nungen führen, und die man durch Ablagem des Impfstoffes in kurzer
Zeit ausschalten kann. Es sei sogleich bemerkt, daß unsere Versuche
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 375
nicht genügen, um diese Frage sicher zu entscheiden. Die Frage ist übrigens
nur von theoretischem Interesse; in der Praxis wäre die Benutzung ganz
frischer Impfstoffe in größerem Maßstabe keinesfalls durchführbar. Auch
bezüglich der Frage nach der Haltbarkeit der Impfstoffe erlauben unsere
Versuche, trotzdem ziemlich zahlreiche Tiere verwendet wurden, nur ein
ungefähres Urteil.
a) Versuche mit Cholcraimpfstoff.
Tabelle X.
Versuch 10 an Meerschweinchen mit Choleraimpfstoff.
Alle Impfstoffe sind im Institut mit denselben 3 Stämmen (aus der
Choleraepidemie Krakau) hergestellt.
Vorbehandelt am 16. XI. 1915.
Nachgeprüft am 16. XII. 1915 mit je 1 Öse Cholera 70 intraperitoneal.
«1
C
£ m
®o
«2 d
I.
Alter Choleraimpfstoff
vom 18. IX. 14.
14 Monate alt
n.
Mittlerer Choleraimpf¬
stoff vom 30. IV. 15.
5 1 /* Monate alt
III.
Frischer Choleraimpfst,
mit Carbol vom 9. XI. 15.
7 Tage alt
j Gew. d. J
Meerschw.
tß
Gew. d. Meerschw.
tc i
p—*
Gew. d. 1
Meerschw.
bp
bei der
Vorb.
bei der
| Nachpr.
i «2
W
bei der
Vorb.
bei der
Naelipr.
’v i
K 1
bei der
' Vorb.
i
bei der ;
Nachpr. \
w
\l
1100
160 g
I 150g 1
r r~
280 g
320 g
+
180g
180 g
+
160
220 |
+
250
240
+ !
! 170
180
+
170
200 |
+
230
240 |
1 +
180 1
200 '
: +
215
i
190 !
+
v„
160
150
+
250
250
i
0
180
200
; 0
160
220
+
220
240
+ i
! 240
240
+
220
190
+
190
200
0 1
170
190
! +
j
' i
| 220
230
0
1
170
200
+
270
j 260
i o
230
220
0
150
180
+
200
220
' 0
285
290
! o
150
180
i +
1 230
240
| 0
250
270
0
i 190
1 220
1 +
270
270
1 0 j
240
260
1 0
Kontrolle und Virulenzpriifung. Ergebnis (tot nach 24 Stunden):
1. Gew. des
' Meerschw.
Erfolg ^ 8e !
1
1 I
II
m n+m
i zus.
bei der Vorb.
1
r "
Chol. 70 1 Ose , 200 g
1 ., 180
V, II 2S0
V« ! 220
Vs „ ' 200
4 - Vioo 1
T l/i
1 + 1
+ Zus.
2—2
3— 3
4— 4
9—9
4—4
3— 1
4— 0
n—5
4—4 8—8
4-2 ' 7—3
4 - 8—0
12—6
Dichtigkeits Verhältnis:
1,1; II/1 - 5; III/4.
I zeigt Krümel an der Oberfläche. II und III zeigen keine Krümel.
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376
R. Weber:
Der Versuch zeigt zunächst, daß der Choleraimpfstoff unterhalb einer
bestimmten Dosis überhaupt keinen erkennbaren Erfolg hat, indem sämt¬
liche mit 7ioo Öse vorbehandelte Tiere starben. Dieses Ergebnis ist schon
oben im Zusammenhang mit den im gewissen Sinne entgegengesetzten
Resultaten beim Typhusimpfstoff besprochen worden. Bezüglich des
Einflusses, den das Alter des Impfstoffes auf seine immunisierende Kraft
hat, ist das Ergebnis durchaus eindeutig: der 14 Monate alte Impfstoff
hat überhaupt keinen erkennbaren Einfluß; der 1 Woche und der 5 1 /*Mo¬
nate alte wirken gleich gut, durch Vorbehandlung mit 1 Öse sind, bei der
Nachprüfung nach 1 Monat, alle Tiere, durch'die 10 fach kleinere Menge
ist nur ein Teil davon geschützt.
Wir haben nun bei dem Versuch mit Choleraimpfstoff die Dichtig¬
keit desselben auf Grund der Durchsichtigkeitsprobe bestimmt, indem
wir die beiden anderen Impfstoffe soweit verdünnten, bis die Aufschwem¬
mung ebenso dicht war, wie der erheblich aufgehellte älteste Impfstoff.
Mit diesem letzteren verglichen, erschien der 5 x / 2 Monate alte Impfstoff
17s mal, der frische 4 mal so stark.
Nun zeigte der älteste Impfstoff aber noch eine besondere Eigen¬
tümlichkeit, die ein Teil unserer Choleraimpfstoffe aus unbekannten Gründen,
offenbar begünstigt durch öfteres Schütteln, im Laufe längerer Zeit an¬
nahm (und die wir beim Typhusimpfstoff nie beobachtet haben); es schieden
sich nämlich an der Oberfläche kleinere feste Brockel ab, die sich besonders
an der Glaswand ansammelten und sich durch Schütteln nicht zerkleinern
ließen. Es ist das eine ganz andere Erscheinung als die bekannte Bildung
eines zähen, schleimigen Bodensatzes, der sich beim Choleraimpfstoff
immer, je nach dem benutzten Stamm und dem Nährboden, in verschie¬
denem Grade bildet, und der sich oft ebenfalls nicht völlig aufschütteln
läßt. Wir hatten den Verdacht, daß die nur selten und nur bei altem
Choleraimpfstoff auftretende Bildung der harten, spezifisch leichteren
Brockel auf eine Art Denaturierung der Bakterienstoffe zu beziehen sein
könnte, und haben die betreffende Probe gerade deshalb ausgewählt. Der
Ausfall des Versuchs hat den Verdacht bestätigt.
Im folgenden Versuch, von dem nur die Zusammenfassung gegeben
wird, wurde ein Impfstoff benutzt, der ebenfalls beinahe 1 Jahr alt war,
aber diese Brockel nicht zeigte; daneben ein 7 Monate alter, sowie wiederum
eine 7 tägige Probe. Die älteren Impfstoffe waren dieses Mal noch viel
stärker autolytisch verändert als beim vorigen Versuch: der 7 Monate
alte war 4 bis 5 mal, der 1 Jahr alte war etwa 15 mal durchsichtiger als der
frische 1 Trotzdem war seine Wirkung ausgezeichnet.
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 377
Tabelle XI.
Versuch 11 mit Choleraimpfstoff.
Die Choleraimpfstoffe sind mit denselben 3 Stämmen (Cholera Krakau)
hergestellt und mit Karbol versetzt.
Vorbehandelt am 8. IV. 1916.
Nachgeprüft am 17. V. 1916 mit 1 Öse Cholera.
Der Zeitraum zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung betrug
39 Tage.
Ergebnis: tot nach 24 Stnnden:
Vorbehandelt mit:
Impfstoffdosia
in Ösen
1 Jahr alter
Impfstoff (vom
16. III. 15)
7 Monate alter
Impfstoff (vom
4. X. 15)
7 Tage alter
Impfstoff (vom
1 . IV. 16)
Zusammen
0-1
3—1
4—3 1
3—3
10—7
1-0
4—1
4—1
3—2
11—4
Zusammen
7—2
8—1
6—5
3—1 bedeutet: 3 Versuchstiere, davon 1 eingegangen.
Kontrolle: 1 Öse Chol. 70 4*.
Dichtigkeitsverhältnis: 1:1; 1:4-5; 1:15.
Die Impfstoffe waren aus denselben 3 Stämmen (Cholera Krakau)
hergestellt, wie im vorigen Versuch; ebenso geschah die Nachprüfung,
die in diesem Falle nach 6 Wochen erfolgte, wieder mit Stamm Cholera 70.
Die Infektion ist aber offenbar eine erheblich stärkere gewesen, da auch
von den mit einer ganzen Öse vorbehandelten Tieren etwa 1 / 3 erlagen;
immerhin schützte die größere Menge auch in diesem Fall deutlich besser,
als die 10 fach kleinere. Höchst auffallend ist es nun aber, daß der älteste
Impfstoff in diesem Fall weitaus am besten, der frischeste am schlechtesten
wirkte, ohne daß äußere Umstände, insbesondere etwa verschiedene
Größen der Meerschweinchen, das Ergebnis in diesem Sinne beeinflußten.
Es wäre ja nun nicht ganz undenkbar, daß infolge der autolytischen Vor¬
gänge, die beim Choleraimpfstoff eine viel größere Rolle als bei Typhus
spielen und die, wie hervorgehoben wurde, in diesem Falle besonders stark
ausgesprochen waren, in der Tat ein Impfstoff mit dem Alter an Wirksam¬
keit zunehmen könnte. Näher liegt aber wohl, wenn man die Schwankung
des Ergebnisses nicht überhaupt als innerhalb der Fehlergrenzen unserer
Methodik liegend ansehen will, die Vermutung, daß die Cholerastämme
Krakau, aus denen die Impfstoffe gewonnen wurden, sich während des
Jahres, das zwischen der Herstellung der jüngsten und der ältesten Probe
hegt, in ihrer immunisierenden Fähigkeit geändert und zwar verschlechtert
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378
R. Weber:
haben, ebenso wie sich Cholerastämme bei so langer Fortzüchtung im Labo¬
ratorium bezüglich ihrer Morphologie und Virulenz zu ändern pflegen.
Wir sind dieser Frage bisher nicht näher nachgegangen. Wir möchten aber
schon auf Grund der Beobachtungen, wonach gerade die Choleravibrionen im
Vergleich z. B. mit Typhusbazillen bei längerer Fortzüchtung auf unseren
Nährböden in mehrfacher Hinsicht geradezu gesetzmäßig fortschreitenden
degenerativen Veränderungen unterliegen, betonen, daß wir es nicht für
richtig halten, ältere Cholerakulturen, falls sie nicht etwa dauernd auf
ihre antigenen Eigenschaften kontrolliert werden, zu Impf Stoff zwecken
zu verwenden, auch dann nicht, wenn solche Stämme, wie es zuweilen
der Fall ist, den äußeren Vorzug besitzen, daß sie sich relativ langsam
autolysieren und daher einige Zeit hindurch eine einigermaßen zuver¬
lässige Schätzung des Antigengehaltes des daraus hergestellten Impfstoffes
durch die Durchsichtigkeitsprobe gestatten. Haben doch unsere Ver¬
suche deutlich gezeigt, daß selbst eine sehr weitgehende Autolyse die Wir-
kung des Choleraimpfstoffes in keiner Weise beeinträchtigt; es ist also
unmöglich, den Antigengehalt eines Choleraimpfstoffes auf
Grund seiner Durchsichtigkeit auch nur annähernd zu be¬
stimmen. Andererseits ist es durchaus möglich, daß die auffallend geringe
Autolyse, die manche Stämme zeigen, eine Degenerationserscheinung ist.
Da die eigentümliche Erscheinung der Autolyse, bezüglich derer auch
auf die Arbeiten von Friedberger und Moreschi, sowie von Bürgers,
Schermann und Schreiber verwiesen sei, für die Herstellung und Be¬
urteilung des Impfstoffes von Bedeutung ist, so seien hier einige Beob¬
achtungen darüber kurz erwähnt. Unsere Cholerastämme zeigten erheb¬
liche Unterschiede in dieser Richtung. Vielfach trat bei den auf 58° er¬
hitzten Aufschwemmungen schon innerhalb weniger Tage so starke Auto-
lysc ein, daß die Durchsichtigkeitsprobe einen scheinbaren Verlust von
etwa 2 / 3 bis s / 4 ergab. Eine weit geringere Autolyse als alle übrigen unter¬
suchten Stämme zeigte Kultur Baku, die aus der russischen Epidemie
vom Jahre 1908 stammt.
Typhusimpfstoffe zeigen bekanntlich eine sehr viel geringere Aufhel¬
lung. Merkwürdig ist es aber, daß in den später zu besprechenden Misch¬
impfstoffen, die Typhus- und Cholera- gleichzeitig enthalten, auch die
Typhusbazillen offenbar unter dem Einfluß der von den Choleravibrionen
gelieferten Fermente sich stark auf lösen.
In praktischer Hinsicht ergibt sich aus den Versuchen mit verschiedenen
Choleraimpfstoffen, daß
1. eine merkliche Abschwächung innerhalb der Beobachtungszeit
nicht nachweisbar war, außer bei einer Probe, die bereits äußerlich als wesent-
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 379
lieh verändert erkennbar war. Derartig veränderte Impfstoffe sind daher
im Gegensatz zu Proben, die nur den bekannten zähen, schleimigen
Bodensatz aufweisen, von der Benutzung auszuschließen.
2. Auch eine sehr weitgehende autolytische Aufhellung beeinträch¬
tigt ihre Wirkung nicht.
Dieses letztere Ergebnis steht im Einklang mit den Immunisierungs¬
erfolgen, die Neisser und Shiga sowie Wassermann bei Verwendung
der sog. „freien Rezeptoren“ hatten.
b) Versuche mit Typhusimpfstoffen.
Alle verwendeten Impfstoffe waren im Institut hergestellt und zwar
immer aus den gleichen Kulturen. Der im 2. Versuch mitbenutzte Misch¬
impfstoff enthielt ebensoviel Typhusmaterial wie die anderen, und zwar
ebenfalls aus denselben Stämmen, daneben Cholera (Baku).
Die Größe der zu den nachfolgenden Versuchen benutzten Meer¬
schweinchen schwankte nicht sehr; weitaus die meisten wogen zwischen
200 biß 250 g. Etwa im Gewicht etwas stärker abweichende Tiere wurden
möglichst gleichmäßig auf die verschiedenen Reihen verteilt. Ich sehe
daher wieder von einer Aufzählung der Versuchstiere im einzelnen ab und
gebe die Resultate in Form zusammenfassender Tabellen.
Zunächst wurden 3 Typhusimpfstoffe von verschiedenem Alter in zwei
verschiedenen Mengen, x / 2 und 1 / 20 Öse, erprobt; der Zeitraum zwischen
Vor- und Nachbehandlung betrug dieses Mal nur 16 Tage.
Tabelle XII.
Versuch 12 mit polyvalentem Typhusimpfstoff.
Vorbehandelt am 15. XII. 1915.
Nachgeprüft nach 16 Tagen am 31. XII. 1915 mit 1 Öse Ty. 58.
Ergebnis: Nach 24 (48) Stunden leben:
Vorbehandelt mit:
Impfstoffdosis
in Ösen
4 1 /* Monate
1 alter Impfstoff
(vom 28. VII. 15)
14 tägiger Impf¬
stoff (vom
1. XII. 15)
24stiind. Impf- ||
stoff ohne i
Garbolzusatz I
0*05 ! 6:3(0) 6:5(0) 5:4(3)
0*5 1 4:3(2) | 6:4(0) 1:1(1)
Zusammen 10:6 (2*) | 12:9 (0) j 6:5 (4)
* Diese 2 Tiere starben nach 4 Tagen.
Kontrolle vgl. Versuch 3A.
Zusammen
17 :12 (3)
11 : 8 ( 3 )
Bei dem ersten Versuch (XII) erscheint der nur 24 Stunden alte und
nicht mit Karbol versetzte Impfstoff sehr viel wirksamer als die beiden
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380
R. Weber:
Anderen, insbesondere wenn man die später erfolgten Todesfälle mit in
Betracht zieht; zwischen dem 14 Tage und dem 4 1 /, Monate alten Impf¬
stoff ist dagegen kein deutlicher Unterschied zu bemerken.
Im nächsten Versuch ist wieder ein 1 tägiger, nicht konservierter
Impfstoff benutzt und in 3 verschiedenen Dosen mit 5 anderen Proben
verglichen. Die Infektion erfolgte etwa 1 Monat nach der Vorbehandlung.
Tabelle XIII.
Versuch 13 mit polyvalentem Typhus- und Mischimpfstoff
(Ty. -f- Chol.).
Vorbehandelt am 5.1. 1916.
Nachgeprüft mit 1 Öse Ty 58 am 10. II. 1916 nach 36 Tagen.
Ergebnis: Nach 24 (48) Stunden fiberleben:
Impfstoffdosis
in Ösen
5 l / f Monate
alter polyval.
Impfstoff
vom 28. VII. 15
2 Monate alter
Mischimpfstoff
vom 4. XI. 15
5 Wochen alter
polyval. Impf¬
stoff vom
30. XI. 15
11 tägiger
polyval. Impf¬
stoff mit Carbol
vom 4.1.16
11 tägiger
polyval. Impf¬
stoff ohne Carbol
vom 4.1.16
24 ständiger
polyval. Impf¬
stoff ohne
Carbol
Zusammen
0*5
7:2(2)
6 :2(1)
7:5 (3)
7:4(3)
8:5(4)
8:5(4) 48:28(17)
0*05
6 :2(1)
6 :0(0)
6 :0(0)
8 : 1 (1)
7:2(2)
6:2(2) 39: 7(6)
0*005
« = 1(1)
7:0(0)
7 :0 (0)
7:1 (1)
8 :0(0)
6:0(0) 41: 2(2)
Zusammen
19:5(4)
19:2(1)
20:5 (3)
22:6 (5)
23:7(6)
20:7(6) j
Kontrollen (die Zahlen bedeuten die Gewichte):
1 Öse ‘/« Öse ! */e Öse
360 + 330 + 370 0
In diesem Falle sind keine erheblichen Differenzen in der Wirkung
der Impfstoffe zu erkennen, die auf das Alter zu beziehen wären. Imm erhin
ist die Zahl der überlebenden Tiere bei dem frischen Impfstoffe etwas
größer, demnächst kommen die beiden 11 Tage alten Proben. Ganz auf¬
fallend schlecht ist das Ergebnis bei dem 2 Monate alten Mischimpfstoff.
Im übrigen bestätigt der Versuch die Ergebnisse der Tabelle I bezüg¬
lich der Dosierung des Impfstoffes. In dieser Hinsicht ist er sehr regelmäßig
verlaufen. Bei der größten Dose, 1 / s Öse, überleben von 43 Tieren (am
1. Tage) 23, bei V#> Öse sind die entsprechenden Zahlen 39:7, bei x /*oo Öse
41:2.
Difitized
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 381
Im nächsten Versuch wurde der MischimpfStoff, der eine so auffallend
schlechte Wirkung gehabt hatte, nochmals im Vergleich mit zwei im letzten
Versuch ebenfalls bereits verwendeten Impfstoffen geprüft und zwar
dieses Mal in zwei verschiedenen Dosen. Das Zeitintervall betrug 18 Tage.
Die Kultur, wieder Typhus 58, war bei der Nachprüfung besonders viru¬
lent: Vie Öse tötete in einem Tag; die Nachprüfung geschah diesmal mit
v 4 Öse.
Tabelle XIV.
Versuch 14 mit polyvalentem Typhus- und Mischimpfstoff
(Ty. + Chol.).
Vorbehandelt am 12. II. 1916.
Nachgeprüft nach 18 Tagen am 1. III. 1916 mit V« Öse Ty. 58.
Ergebnis: Nach 24 (48) Standen Oberleben:
Impfstoffdosiß
in Ösen
6 Monate alter
Impfstoff vom
28. VII. 15
5 Wochen alter
Impfstoff vom
4.1.16
Mischimpfstoff \
vom 4. XI. 15
Zusammen
0*5
6 :5 (2)
5:4 (4)
4:2 (1)
15:11 (7)
0-05
7 : 2 (2)
6 : 3 (2) !
4:4(8) |
17: 9 (7)
Zusammen 13:7 (4) j 11:7 (6) 8:6 (4)
Kontrollen (die Zahlen bedeuten die Gewichte):
*/« Öse
Vs Öse
7 « Öse
210 +
240 +
190 +
180 +
190 +
In diesem Versuch waren keine erheblichen Unterschiede zwischen
den 3 Proben zu erkennen; insbesondere hatte der Mischimpfstoff minde¬
stens dieselbe Wirkung, wie die anderen Proben.
Dasselbe bestätigt der folgende Versuch.
Tabelle XV.
Versuch 15 mit polyvalentem Typhus- und Mischimpfstoff.
Vorbehandelt am 21. III. 1916.
Nachgeprüft am 15. IV. (nach 25 Tagen) mit 1 / t Öse Ty. 58.
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382
R. Weber:
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Ergebnis: Nach 24 Standen überleben:
Vorbehandelt mit
Impfstoffdosis
in Ösen
0.5
0-05
Mischimpfstoff
vom 4. XI. 15
Polyval. Typhus¬
impfstoff vom
1 . III. 16
Zusammen
5: 5 6: 5 „ 11:10
5: 5 5: 5 10:10
Zusammen 10 :10 11 :10
Kontrolle:
*/ 4 Öse Vs Öse
180 + I 160 +
Auch hier zeigte der jetzt 4 Monate alte Mischimpfstoff, obgleich er
sehr stark autolytisch auf gehellt war, dieselbe Wirkung, wie ein 20 tägiger
Typhusimpfstoff.
In demselben Sinne spricht ein kleiner Versuch (Tab. XVI), bei dem der
polyvalente Typhusimpfstoff und der Choleraimpfstoff einerseits jeder für
sich, andererseits miteinander gemischt Meerschweinchen injiziert wurde.
Tabelle XVI.
Tierversuch: Aktive Immunisierung am Meerschweinchen.
Der Zeitraum zwischen Vorbehandlung und Nachprüfung betrug
14 Tage.
i. Die Nachprüfung erfolgte am 7. VIII. 15 mit 1 Öse Ty. 17 intraperitoneal.
J fcä
Si
| fl O
ll <3
End- .
gewicht j
Erfolg
S>3
: H
* £j fl)
End¬
gewicht
Erfolg
j!
Vorbehandelt mit 170 g
0 « 2 ccm polyval. 157
Typhusimpfstoff ij
am 24. VII. 15 lt)ö
150
209 g
172
193
147
+
+
0
0
Ü
Vorbehandelt mit 120 g
0*2 ccm Ty. + j 150
0*2 ccm Chol. = * J 4 Q
0*4 ccm Mischimpf- j
Stoff am 24. VII. 15 || 1^0
150 g
207
158
195
0
4-
4-
O
2 . Die Nachprüfung erfolgte am 7. VIII. 15 mit löse Cholera 70 intraperitoneal.
Vorbehandelt mit
180 g
195 gi
0
0-2 ccm Cholera¬
200
199 ;
0
impfstoff
160
157 j
4-
200
205 1
0
i
Kontrolle: 1 Öse Ty 17 +
1 Öse Chol. 70 +
am 24. VIII. 15
168 g
Vorbehandelt mit 1 *50 g
0»2 ccm Ty. 4* 150
170
0*2 ccm Chol. = 170
190
0*4 ccm Mischimpf- ’ onn
222
Stoff am 24. VII. 15 JUU
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 383
Ergebnis nach 24 Standen:
Nachgeprüft
mit
Vorbehandelt mit
Einzelimpfstoff
Mischimpfstoff
Typhus 4—2 | 4—2
Cholera 4—1 . 4—1
Auf Grund dieser Versuche ist das entgegengesetzte Ergebnis des
Versuchs 13 wahrscheinlich auf Zufälligkeit zurückzuführen, zumal sich
die Simultanimpfungen auch am Menschen stets als gut antigen erwiesen
(vgl. den folgenden Abschnitt über gleichzeitige Impfung mit Typhus und
Cholera).
4 . Beobachtangen an Menschen nnd an Meerschweinchen über
gleichzeitige Immunisierung gegen Typhns nnd Cholera.
Oben ist bereits eine Anzahl von Protokollen wiedergegeben worden,
aus denen hervorgeht, daß die gleichzeitige Einspritzung von Typhus- und
Choleraimpfstoff als Mischimpfstoff an Meerschweinchen nicht schlechtere
Immunisierungsergebnisse hat, als die Einspritzung des Einzelimpfstoffes.
Im folgenden soll nun eine größere Zahl von Beobachtungen an Menschen
mitgeteilt werden, die einer gleichzeitigen Impfung mit Typhus und
Cholera unterzogen wurden. Ein solcher Vorschlag ist, nachdem solch
kombinierte Impfungen im Auslande bereits mehrfach in größerem Ma߬
stabe praktisch durchgeführt worden sind, neuerdings von Schmitz ge¬
macht worden. Schmitz hat mit Impfstoff von gewöhnlicher Stärke
e Personen in der Weise geimpft, daß er ihnen bei der ersten Impfung 0-8 ccm
Typhus- und Choleraimpfstoff zu gleichen Teilen, bei der zweiten 1 - 6 ccm und
bei der dritten 2 • 0 ccm injizierte. Eine Temperatursteigerung hat er nur 2mal
bei 2 Frauen beobachtet, und zwar nur wenig über 38°. Im übrigen waren
keine sonstigen Krankheitserscheinungen zu beobachten, nicht zu rechnen
etwas Schmerzhaftigkeit an der Einstichstelle. Nun hat Schmitz bei
diesen Geimpften eine besonders hohe Agglutination festgestellt, im Durch¬
schnitt 10000 bei Cholera und 8400 bei Typhus, allerdings mittels des
Agglutinoskopcs. Bei den mit einfachem (allerdings mit anderer Kultur
hergestelltem) Impfstoff Geimpften blieb der Agglutinationstiter weit zu¬
rück, bei Cholera etwa 500, bei Typhus ebenfalls etwa 500, wie wir sie
im allgemeinen ähnlich von anderen Autoren angegeben finden. Auf
Grund dieses großen Unterschiedes kommt Schmitz zu dem Resultat,
daß die Simultanimpfung wahrscheinlich deshalb bessere Werte ergibt,
weil sich die Antikörperbildung gegenseitig unterstützt, während die Re¬
aktion bei der Impfung der bei der einseitigen völlig gleich ist.
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384
R. Weber:
Bereits früher hat Castellani durch Versuche am Kaninchen ge¬
zeigt, daß die Bildung von Agglutininen gegen Typhus-, Ruhr- und Coli-
bazillen nicht beeinträchtigt wird, wenn man den Tieren gleichzeitig eine
zweite Bakterienart oder auch 2 fremde Bakterienarten zugleich ein¬
spritzt. Derselbe Verfasser hat kürzlich 1 einen zusammenfassenden Bericht
über zahlreiche in Indien ausgeführte Impfungen gegeben, bei denen
ebenfalls Mischimpfstoffe benutzt wurden. Es handelte sich um Schutz¬
impfungen gegen Cholera, Pest, Typhus, Paratyphus A, Paratyphus B,
Ruhr und Maltafieber; dabei wurden teils 2, teils aber auch 3, 4 oder
5 verschiedene Impfstoffe miteinander gemischt. Auch diese Versuche
ergaben, daß die kombinierten Impfungen nicht wesentlich stärkere Re¬
aktionen hervorriefen, als die entsprechenden Einzelimpfungen, und daß
die Bildung von Agglutininen etwa in derselben Stärke, wie bei den Einzel¬
impfungen erfolgte.
Ich habe nun Beobachtungen an einer größeren Zahl von Kranken¬
pflegern angestellt, die sich auf Veranlassung des Roten Kreuzes gegen
beide Krankheiten impfen lassen mußten, bevor sie zu ihrem Dienst zuge¬
lassen wurden. Dabei sollte einmal die Stärke der Reaktionen, anderer¬
seits der Grad der Antikörperbildung festgestellt werden — beides im
Vergleich mit der üblichen Einzelimpfung.
Bei allen Impflingen kam der gleiche Typhus- und Choleraimpfstoff
zur Verwendung; ersterer war ein polyvalenter Impfstoff. Als Maßstab
der Antikörperbildung im Serum der Schutzgeimpften diente für Typhus
die Agglutination, für Cholera in erster Linie der Pfeiffersche Versuch.
Daneben wurde auch hier der Agglutinationstiter bestimmt; erfahrungs¬
gemäß ist die Agglutininbildung nach Choleraimpfungen meist ziemlich
gering, doch scheinen sich Impfstoffe aus verschiedenen Cholerastämmen
darin nicht gleich zu verhalten. Die Sera wurden stets 1 Woche nach der
Impfung entnommen; alle Sera der einen Gruppe wurden gleichzeitig
mit demselben Stamm austitriert.
Es ist üblich, bei der Typhusschutzimpfung 3 Einspritzungen von
0-5—1-0—1-0 ccm, zusammen 2-5 ccm, bei der Choleraschutzimpfung
2 Einspritzungen 0-5—1*0 ccm, zusammen 1-5 ccm zu machen. Will
man die kombinierte Impfung in die Praxis einführen, so ist es, da man
die Zahl der Typhusinjektionen nicht wird herabsetzen wollen, am ein¬
fachsten, die bisher übliche Menge des Choleraimpfstoffes auf 3 Injek¬
tionen zu verteilen; dementsprechend wurde auch bei den zur Kontrolle
dienenden Choleraeinzelimpfungen bei der ersten Einspritzung 0*3, bei
1 Centralblatt für Bakteriologie. Orig. Bd. LXXV1I. Heft 1.
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 385
der zweiten und dritten je 0-6 ccm gegeben, während bei den Typhus¬
einzelimpfungen die bisher üblichen Dosen von 0-5 ccm für die erste und
1-0 ccm für die zweite und dritte Einspritzung beibehalten wurden. Bei
der kombinierten Impfung wurden die angegebenen Mengen beider Impf¬
stoffe miteinander gemischt und gleichzeitig eingespritzt. Die Impfungen
geschahen immer in Zwischenräumen von je 8 Tagen.
Tabelle XVII.
Versuch 17. Typhusagglutination.
Einzelimpfung mit Typhus¬
impfstoff.
Kombinierte Impfung mit
MischimpfstofE
1. Titergrenze
1 :3200
1.
Titergrenze
1
3200
2-
1:3200
2.
99
1
1600
3« j)
1: 800
3.
19
1
1600
4. „
1:1600
4.
99
1
1600
5.
1: 800
5.
1»
1
1600
6. „
1: 800
6.
99
1
1600
7.
1: 800
7.
»9
1
800
8. „
1: 200
8.
99
1
800
8 * ff
1: 800
9.
9*
1
6400
Durchschnittswert = 1: 720
Der Durchschnittswert wird
durch Addition der einzelnen
Verhältniszahlen (Brüche) und
Division durch die Zahl der
Sera erhalten.
10 .
11 .
12 .
13.
Durchschnittswert = 1:1515
1600
1600
1600
1600
Choleraagglutination.
Einzelimpfung mit Cholera- Kombinierte Impfung mit
impfstoff.
Mischimpfstoff.
1 .
Titergrenze
1: 100
1 .
Titergrenze
1: 50
2.
v>
1:100
2.
1:100
3.
9?
1:100
3.
»9
1:100
4.
99
1:200
4.
99
1: 0(60?)
5.
99
1:200
5.
99
1: 50
6.
99
1:100
6.
99
1 :100
7.
99
1:100
7.
99
1:100
8.
»
1:400
8.
99
1:100
9.
9*
1: 0(50?)
9.
99
1: 100
Durchschnittswert =
1: 144
10.
99
1:400
11.
99
1:200
12.
99
1:400
13.
9«
1:400
Zeitcchr. f. Hygiene. LXXXII
Durchschnittswert« 1:115
25
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386
R. Weber:
Pfeifferscher Versuch, Cholera.
Der Serumtiter betrug
bei der Einzelimpfung
(9 Personen)
1 . 0*008 g
2. 0*01
8 . 0*008
4. 0*008
5. 0*0008
6. 0*01
7. 0*008
8 . 0*0003
9. 0*003
Durchschnitt: 0*0856:9 = 0*004
bei der Impfung mit MischimpfbtofF
(18 Penonen)
1 . 0*01 g
2 . 0*008
3. 0*003
4. 0*01
5. 0*0003
6. 0*001
7. 0*001
8 . 0*008
9. 0*003
10 . 0*0003
11. 0*001
12 . 0*0003
18. 0*0008
Durchschnitt: 0*0862:18 = 0*0028
Über den Erfolg unserer Schutzimpfungen gibt die Tabelle XVII Aus¬
kunft, wobei die Antikörperbildung als Maßstab diente. Der durch¬
schnittliche Agglutinationstiter für Typhus ist nach der kombinierten
Impfung (13 Geimpfte durchschnittlicher Titer 1:1515) sogar nicht un¬
beträchtlich höher, als nach der Einzelimpfung (9 Personen durchschnitt¬
licher Titer 1:720). Annähernd gleich sind die Agglutinationszahlen für
Cholera (durchschnittlich 1:115 nach der kombinierten und 1:144 nach
der Einzelimpfung). Bessere Auskunft über den Erfolg der Choleraimpfung
gibt der ‘Pfeiffersche Versuch. Bei 9 Einzelcholeraimpfungen ergab
sich ein Durchschnittstiter des Serums (d. h. Mittelwert der jeweils niedrig¬
sten schützenden Dosis) von 0-004g, bei 13 kombinierten Impfungen
ein solcher von 0-0028 g, d. h. es sind nach der kombinierten Impfung
im Durchschnitt über 1 / 3 mehr bakterizide Antistoffe gebildet worden,
als nach der Einzelimpfung.
Die vorstehenden Befunde, wonach sowohl Agglutinine wie Pfeiffer¬
sche Antikörper nach der kombinierten Impfung durchschnittlich in etwas
höherem Grade auftreten, als nach der Einzelimpfung, erscheinen zunächst
etwas auffällig. Bei den starken individuellen Schwankungen bezüglich
der Reaktion und der Antikörperbildung ist natürlich auch bei größeren
Beobachtungsreihen ein Zufall nicht ausgeschlossen. Man darf aber wohl
auch an folgende Erklärung denken. Es ist bei der Immunisierung an
Tieren mehrfach festgestellt worden, daß solche Tiere, die gleichzeitig
Alkohol, Atoxyl oder Salvarsan erhielten, häufig etwas mehr Antikörper
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 387
bildeten, als die nur mit den betreffenden Bakterien behandelten Kontroll-
tiere. In ähnlicher Weise wie die genannten chemischen Stoffe kann nun
anscheinend auch die gleichzeitige Einspritzung einer fremden Bakterien¬
art als ein nicht spezifischer Beiz wirken, der eine etwas stärkere Antikörper¬
bildung auslöst.
Im Einklang mit den Beobachtungen am Menschen steht auch das
oben mitgeteilte Ergebnis eines Versuches an 16 Meerschweinchen, von
denen die eine Hälfte mit dem Mischimpfstoff, die andere mit den beiden
Einzelimpfstoffen vorbehandelt wurde (siehe Tabelle XVI).
Tabelle XVIII. Beaktionen:
Kombinierte Impfung
mit Ty. + Chol.-Impfstoff
Einzelimpfung
mit Typhusimptstoff
Einseiimpfung
mit Choleraimpfstoff
I. Impfung:
8 schwach,
1 mittel,
— stark,
7 schwach,
1 mittel,
— stark.
10 schwach,
— mittel,
1 — stark.
II. Impfdng:
5 schwach,
2 mittel,
— stark.
7 schwach,
1 mittel,
— stark.
8 schwach,
— mittel,
— stark.
IIL Impfung:
6 schwach,
— mittel,
— stark.
6 schwach,
2 mittel,
— stark.
| 7 schwach,
1 mittel,
! — stark.
22 Impfungen,
davon
19 schwach »87%
8 mittel »13 „
— stark = 0 „
24 Impfungen,
davon
20 schwach = 88 °/ 0
4 mittel = 17 „
— stark = 0 „
26 Impflingen,
davon
26 schwach = 96 %
] 1 mittel » 4 „
1 — stark » 0 „
Temperaturmessung um 6 Uhr abends:
Kombinierte Impfung:
1. Impfang (Injektion von 0*5 ccm Ty. + 0*3 ccm Choler&impfstoö).
1
2
3
4
5
6
7
8
1.
Tag
36*8
87-2
37*0
360
36-2
35*5
37.3
36*7
2.
36*6
36-2
86-5
36*1
36*8
35*5
36«4
36*8
8.
»> !
86.7
36-1
36*2
36-0
37-0
35.6
36*8
36*4
4.
86.4
86*4
35-9
36*1
37-0
35.8
36-5
86*1
5.
6 .
” i
—
36-7
36.5
36*0
37*0
35-9
36*3
36*6
36*0
7.
n
—
—
—
—
—
—
—
36*4
25*
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388
R. Weber:
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2. Impfang (Injektion von 1*0 ccm Ty. + 0*6 ccm Choleraimpfetoffj.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1.
Tag
36*8
87*8
36*8
376
37.6
36*8
36.8
36-7
380
2.
11
86.5
37.0
36.8
37-9
37-6
36*5
86*5
36*9
37-5
8.
11
86-7
36-5
36*5
36-9
36*8
36*4
36.7
36*2
37-2
4.
11
—
—
36-2
86-6
36 *6
36.6
36*4
86-3
37-0
5.
11
—
—
36*3
86-5
36*6
86-9
37.0
36*2
36*8
6.
11
—
—
—
—
—
—
—
86-4
36-9
7.
11
—
—
—
—
—
—
—
86.4
36*8
3. Impfung (Injektion von 1*0 ccm Ty. + 0*6 ccm Choleraimpfstoff).
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1. Tag
36.8
37*6
37*8
87-3
36*5
35*8
86*9
37*0
36-8
2- „
37*1
86*8
36-8
37-7
36-3
86*2
86*8
37-8
36.5
3. „
36.5
86.5
86*2
36.9
36*2
86*0
36*7
36-8
86-5
4- „
—
36*4
36*2
36*9
36-4
36*4
86*7
36*5
36-4
5.
—
—
36*2
86*6
86-0
86*5
36-8
36*4
36.3
6. „
—
—
—
—
36*3
—
—
36-4
36-2
11
—
—
—
—
36*4
—
—
36*4
36.3
Typhusimpfung:
1. Impfung (Injektion von 0-5 ccm Typhusimpfstoff)*
1
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1. Tag
86.8
87-2
36*9
87-7
37*3
36*9
37.8
36.2
37-4
37-0
2. „
36*7
37.3
36*6
87*5
87*0
36-5
87-3
86*5
87.1
86-7
3. „
36*7
87.6
86*5
87-1
87*0
86*7
37-1
36*0
87*0
S6>6
4. „
86*5
36-7
36-7
37 •«
37*1
36-4
86*8
36*2
36*9
36-6
5. „
36.6
86*8
36-5
36-7
36-8
36-5 1
36*5
36*4
36>8
86-5
6. „
—
365
36*5
86-5
36*2
36-7
36-6
36.3
36-6
86-3
7. »
—
36-7
36*7 S
36-7
36*5
36*5
36-7
36*1
86*5
86-6
2. Impfung (Injektion von 1*0ccm Typhusimpfstoff).
1
2
8
4
5
1.
Tag
86*6
86*8
37*2
37.6
37.5
2.
11
36*8
87*2
36.8
87-2
37*0
3.
11
37*2
36-9
36*6
87*0
37-0
4.
v 1
—
86*8
—
—
—
3. Impfung (Injektion von 1*0 ccm Typhusimpfstoff).
‘ 1
2
3
4
5
1 . Tag
36*0
36*6
37-2
37-2
36-5
2. „
36-4 |
36-8
36-6
37*0
37*4
0* »• 1
, 36*2
36-8
36-6
36-5
37*1
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera.
389
Choleraimpfung:
1. Impfung (Injektion von 0*8 ccm Choleraimpfstoff).
,
1
2
3
4
5
1.
Tft g |
36-3
37-4
37*1
86*9
408
2.
36-2
37-2
36*9
86-7
382
3.
„
86-1
87-0
36*6
36 »6
87*0
4.
99
36*0
87-1
35.7
36*3
37.0
5.
99
86*3
87*0
—
36-7
86*8
6.
99
36*1
87-2
36-6
36-5
36*7
7,
99
36-6
37-1
36*7
86.7
2. Impfung (Injektion ron 0*6 ccm Choleraimpfstoff).
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1. Tag
! 36-7
38.&
36-6
36-6
38-8
36*9
35-8
37-1
37-2
37.6
2- „
36-7
38-6
36*9
36-5
37-0
36-8
35-8
36-9
86*8
87-0
8. „
36*8
38 5
36*6
36-6
86*5
36-8
36-9
36-7
36-8
86*4
4. ,,
36*8
37-5
36-3
—
36-5
36-7
—
36*7
36-6
86-2
5. „
36*4
87-2
—
—
—
—
—
36*8
36-9
36-5
6. „
36*4
37.0
—
—
—
—
—
36*7
36 «6
86*4
„
36*1
37-1
I —
j —
1 —
—
—
36-7
86-7
36*0
3. Impfung (Injektion von 0*6 ccm Choleraimpfstoff).
1
2
3
4
5
1.
Tag
36*4
37-2
35-9
36>6
36-8
2.
99
: 36.5
37.3
35.9
86-7
36-9
3.
99
36*2
37*0
36*0
36-0
36-6
4.
99
36-2
37-1
—
36-5
36*8
5.
99
> 86*3
—
—
36-6
36.7
6.
9t
! 36*1
—
—
36-6
36-8
7.
99
36*0
—
—
36-7
—
Tabellarisch zusammengefaßte Übersicht ergibt folgendes Resultat:
Kombinierte Impfung
Typhusimpfung |
Choleraimpfung
I. Impfung: j
8 his 37-5 0
8 bis 87-5°
4 bis 87-5°
— über 37-5—38°
2 über 37.6—38°
— über 37.5-88°
— über 38°
1 —über 38°
1 über 38°
II. Impfung:
6 bis 37*5°
4 bis 37-5»
7 bis 37-5°
3 über 37.5—38°
1 über 37.5—38°
1 über 37.5—88°
— über 38°
— über 88®
2 über 38«
UI. Impfung:
f
5 bis 37-5°
7 bis 37.5°
5 bis 37.5°
2 über 37-5—38°
— über 37-5—88°
i - über 37-5—38°
— über 38 0
, —über 88°
— über 38°
26 Impfungen, davon
20 Impfungen, davon
20 Impfungen, davon
21 bis 37-5° =81°/ 0
5über37-5—38° =19 „
! 17 bis 37.5° =85%
16 bis 37-5° =80%
8 über 37-5—38°= 15 „
1 über 87 *5—88°= 5 „
-über38° = 0 „
| —über38° = 0 „
3 über 88° =15 „
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390
R. Weber:
Was nun die Reaktionen bei den Schutzgeimpften betrifft, so waren
sie, wie die vorstehende Tabelle XVIII ergibt, bei der kombinierten Impfung
nicht stärker als bei den Einzelimpfungen. In der ersten Versuchsgruppe
wurden bei 72 Impfungen auf Grund der Angaben der Geimpften die Re¬
aktionen in derselben Weise, wie das bei den Impfungen für das Rote
Kreuz ohnehin immer geschieht als schwach, mittelstark und stark ein¬
getragen; da es sich um zuverlässige und mit Krankenbeobachtung ver¬
traute Personen handelt, so dürften diese subjektiven Angaben als brauch¬
bare Unterlagen zu beurteilen angesehen werden, um so mehr, als ja die
Bedenken gegen die früher in Deutschland nach anderem Verfahren aus¬
geführten Typhusimpfungen sich zum großen Teil gerade auf die starken
subjektiven Beschwerden nach der Impfung bezogen. Nun sind nach
der kombinierten Impfung starke Reaktionen überhaupt nicht und mittel¬
starke seltener als nach der Typhuseinzelimpfung beobachtet worden;
eine Verstärkung der subjektiven Beschwerden durch Zuführung des
Choleraimpfstoffes ist also jedenfalls nicht zu erkennen.
Ganz dasselbe ergaben aber auch die Temperaturmessungen, die bei
der zweiten Beobachtungsgruppe als objektiver Maßstab für die Beurtei¬
lung dienten. Nach 26 kombinierten Impfungen wurde eine Temperatur¬
steigerung über 38° niemals, eine solche zwischen 37*5 und 38° nur 5 mal
(= 19 Prozent) beobachtet, während bei 20 Choleraeinzelimpfungen 3 Fälle
(=15 Prozent) Temperaturen über 38° aufwiesen und ein weiterer Fall
(=5 Prozent) eine Temperatur zwischen 37-5 und 38°. Die Temperatur¬
steigerungen nach den Typhuseinzelimpfungen waren geringer: Tempe¬
raturen über 38° wurden überhaupt nicht beobachtet, solche über 37-5°
in 11 Prozent.
Auch diese Beobachtungsreihe ergibt also, daß durch die kombinierte
Impfung keine Verstärkung der Reaktionen eintrat.
Weiterhin wurden in der Krankenabteilung des Instituts von Herrn
Prof. Friedemann Versuche über Wiederimpfung mit Mischimpfstoff
gemacht, und zwar an Soldaten, die 3 bis 9 Monate vorher sowohl gegen
Typhus als gegen Cholera geimpft worden waren. Es ist üblich, bei der
Wiederimpfung eine einmalige Einspritzung von 1 ccm des Typhus- bzw.
des Choleraimpfstoffes zu machen; dementsprechend erhielten unsere Ver¬
suchspersonen gleichzeitig je 1 ccm beider Impfstoffe. Hiernach traten nun
ziemlich starke Reaktionen auf: von 20 geimpften Personen blieb nur
bei 9 die Temperatur unter 38°, 8 hatten Höchsttemperatur zwischen
38 bis 39°, 3 von 39° und darüber. Auch war die Impfstelle in den meisten
Fällen gerötet, geschwollen und schmerzhaft. Wie bei den oben be¬
schriebenen Erstimpfungen stammten der Choleraimpfstoff aus der Kaiser
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 391
Wilhelms-Akademie, der Typhusimpfstoff aus dem Institut „Robert
Koch“. Um festzustellen, ob die zuletzt verwendeten Impfstoffe an sich
besonders stark wirksam waren, wurden zum Vergleich mit denselben
beiden Proben — die allerdings inzwischen etwas abgelagert waren —
Einzelimpfungen vorgenommen, und zwar wurden je 13 schon früher
geimpfte Soldaten einer Wiederimpfung mit 1 ccm des Typhus- bzw.
des Choleraimpfstoffes unterzogen. Der Verlauf dieser Impfungen war
durchaus mild; nennenswerte subjektive Beschwerden fehlten, und
von den 13 Typhusgeimpften hatten nur 2, von den Cholerageimpften
keiner eine Temperatursteigerung über 38°. Hiernach scheint es, daß
die nach der kombinierten Wiederimpfung beobachteten starken Reaktionen
nicht einer besonderen Beschaffenheit der betreffenden Impfstoffe zu¬
zuschreiben sind, sondern es scheinen die bei der einmaligen Wieder¬
impfung benutzten Mengen der Impfstoffe zu groß zu sein, als daß sie
ohne Beschwerden gleichzeitig gegeben werden könnten. Wenn auch die
aufgetretenen Reaktionen in keinem Falle irgendwie bedenklich waren,
so kann doch im allgemeinen die gleichzeitige Wiederimpfung mit je 1 ccm
Typhus- und Choleraimpfstoff nicht empfohlen werden; vermutlich wird
bei den Wiederimpfungen auch weniger als bei den Erstimpfungen ein
Bedürfnis vorliegen, die Impfung zu vereinfachen und Zeit zu sparen.
Bei der Erstimpfung dürfte dagegen insbesondere bei Massenimp¬
fungen öfters ein solches Bedürfnis vorliegen, da die gleichzeitige Impfung
weniger Zeit und Mühe kostet; auch den zu impfenden Personen wird die
Vereinfachung des Verfahrens zweifellos willkommen sein. Immerhin
wird es sich, da die im Gebrauch befindlichen Impfstoffe erfahrungsge¬
mäß nicht ganz gleichmäßig wirken, empfehlen, über die Wirkung der
kombinierten Impfung, die Verwendung von Impfstoffen verschiedener
Herkunft und verschiedenen Alters noch weitere Erfahrungen zu sammeln;
dabei wird man jedenfalls keine zu frischen Impfstoffe benutzen
dürfen (s. u.).
Ein größerer Versuch mit kombinierter Erstimpfung ist nun auf
Veranlassung des Instituts vom Kreisarzt für Plonsk in Wyszogrod an¬
gestellt worden. Während bei den oben ausgeführten Impfungen die
beiden Impfstoffe nachträglich gemischt wurden, kam hier ein fertiger
Mischimpfstoff zur Verwendung, der in lccm Vs Öse Typhus und 1*2 Ösen
Cholera enthielt. Es ist das der gleiche Impfstoff, der zu den Meerschwein¬
versuchen benutzt wurde. Wie uns mitgeteilt wird, wurden bei 800 Imp¬
fungen eine nachteilige Wirkung nicht beobachtet, auch keine stärkeren
Reaktionen, als sonst bei Impfungen gegen Typhus und Cholera allein bis¬
her wahrgenommen worden sind. Hiernach dürfte in geeigneten Fällen
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392
R. Weber:
die Benutzung eines derartigen Mischimpfstoffes zweckmäßig sein; es
wird sich dabei aber immer empfehlen, denselben vorher zunächst an einer
kleinen Anzahl von Personen zu erproben.
5. Vergleichende Immunlsierungsversuche mit auf verschiedene
Weise abgetöteten Typhusbazillen.
Nach Versuchen von Dr. Ishiwara.
Die nachfolgenden Versuche beziehen sich auf die Frage, ob Impf¬
stoffe, die aus denselben Kulturen nach 4 verschiedenen Verfahren, näm¬
lich durch Abtötung bei 60°, bei 54°, durch Zusatz von 0-5 Prozent Kar¬
bol (zur lebenden Kultur) und von 10 Prozent Äther, gewonnen wurden,
in ihrer antigenen Wirkung Unterschiede zeigen. Die Versuche wurden
im Jahre 1913 von Dr. Ishiwara ausgeführt, jedoch aus äußeren Gründen
nicht zum Abschluß gebracht. Die Protokolle, die mir von Herrn Geheim¬
rat Neufeld übergeben worden sind, sollen, obgleich sie offenbar kein
endgültiges Urteil über die einzelnen Verfahren gestatten, hier als Bei¬
trag zu der schon an anderen Stellen mehrfach bearbeiteten Frage mit¬
geteilt werden.
Die Impfstoffe wurden stets von demselben Stamm Typhus 151 her¬
gestellt und wenige Tage nach der Herstellung injiziert; die durch Er¬
hitzen gewonnenen Impfstoffe erhielten keinen Karbolzusatz. Die Meer¬
schweinchen waren etwa 250 g schwer.
Tabelle XIX.
Versuch vom 9. VII. 1913.
Nachgeprüft nach 13 bis 16 Tagen mit 1 Öse.
Menge des Impfstoffs
Im ganzen tot
0.2
0*06
0-02
60°-Impf8toff. . .
2—0
2-0
2—2
6—2
54°-Impfstoff. . .
2—0
2—0
2—2
6—2
Karbolimpfstoff. .
2—0
2-0
2—2
6—2
Ätherimpfstoff . .
2—0
2—0
2—1
6—1
Im ganzen tot . .
8-0 .
8—0
8—7 |
2—0 bedeutet:
2 Versuchstiere, davon keins gestorben.
Im ersten Versuch schützten alle Impfstoffe in den Dosen von 0*2 und
0*06 Ösen vollkommen, während von den mit 0 02 Ösen vorbehandelten
Tieren nur 1 am Leben blieb (Ätherimpfstoff). Ein Unterschied der Wirkung
bei den 4 Impfstoffen kann aus diesem Versuche nicht gefolgert werden.
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 393
Tabelle XX.
Versuch vom 11. IX. 1913.
[, Vorbehandelt
mit 0*04 Öse.
Nachgeprüft
nach Tagen
14
21
28
60 ^Impfstoff
| +
+
0
54°-Impf8toff
1 0
+
0
K arbolim pfstoff
+
+
0
Ätherimpfstoff
l 0
+
0
Im ganzen tot j 12—6
Vorbehandelt mit
0*06 Öse.
Nachgeprüft nach
Tagen
I 12 22 28 85
| + + 0 0
I 0 0 0 0
I + + 0 +
I 0 + + 0
16—7
Vorbehandelt
mit 0-1 Öse.
Im
Nachgeprüft ganzen
nach Tagen tot
21
0
+
0
31
0
0
+
0
9—4
9—1
9—7
9—3
8—2
Beim zweiten Versuch wurde die Impfstoffmenge nur zwischen 0-04
und 0-1 Öse abgestuft; die Nachprüfung geschah, da die Kultur inzwischen
nach 9 maliger Tierpassage an Virulenz erheblich zugenommen hatte, mit
V s Öse. Dabei wurde auch die Zeit zwischen Vorbehandlung und Nach¬
prüfung abgestuft, und zwar in der in Tabelle XX näher angegebenen Weise,
indem alle 8 bis 10 Tage aus jeder der 4 Versuchsreihen je 1 Tier nachge¬
prüft wurde. Damit sollte zugleich ein Anhaltspunkt für die optimale
Zeit der Nachinfektion gewonnen werden, worüber wir damals noch keine
genauere Erfahrung hatten.
Daß die Kultur virulent war, wurde jedesmal durch Kontrollen fest¬
gestellt, und wenn Schwankungen in der Virulenz vorgekommen sipd, so
betrafen sie immer die Tiere aus den 4 Reihen gleichmäßig. Immerhin
gibt das Verfahren wohl nicht so einheitliche Resultate, wie das später
von mir angewendete, nämlich der gleichzeitigen Infektion möglichst
aller Tiere eines Versuches.
Die größten Verluste zeigten die mit dem Karbolimpfstoff, die kleinsten
die mit dem auf 54° erhitzten vorbehandelten Tiere. Das Ergebnis spricht
also im Sinne der Autoren, die die Abtötung bei niedrigen Temperaturen
für vorteilhaft halten. Bei der immerhin geringen Zahl der Versuchstiere
möchten wir aus dem Versuch keinen endgültigen Schluß in diesem Sinne
ziehen; zur Entscheidung der Frage würden größere Versuchsreihen nötig
sein. Für die Praxis wird man jedenfalls am besten tnn, bei dem
Lei sh manschen Verfahren zu bleiben, das immerhin eine schonendere
Abtötung gewährleistet. Bezüglich der Carbolabtötung sei erwähnt, daß
dieselbe bei Pest schlechte Resultate ergab (Deutsche Pestkommission).
Auch die von anderen Autoren mitgeteilten einschlägigen Versuche
lassen wohl noch kein endgültiges Urteil über die Frage zu, welche Art
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394
R. Weber:
der Abtötung für Typhusbazillen die beste ist. Einige dieser Versuche
seien hier kurz erwähnt. Vincent verglich lebende Kulturen, bei 53 bis
55° abgetötete und darauf sensibilisierte Bazillen sowie ein mit Äther
versetztes Autolysat im Meerschweinchenversuch, offenbar ohne sehr
deutliche Unterschiede zu erhalten; nähere Angaben werden nicht gemacht.
Derselbe Autor fand bei 100° abgetötete Typhuskulturen unwirksam,
was Chantemesse bestritt. Castellani fand lebende, bei 50° abge¬
schwächte Bazillen wirksamer als tote. Levy, Blumenthal und Marxer
prüften, ebenfalls mittels aktiver Immunisierung von Meerschweinchen,
durch verschiedene schonende Verfahren (Glyzerin, Harnstoff, Milchzucker)
abgetötete Typhusbazillen.
Die Methode der intravenösen Vorbehandlung von Kaninchen mit
nachfolgender Titrierung des Serums auf Antikörper (meist Agglutinine
und Komplementablenkung, daneben auch Bakterizidie im Plattenversuch
und Bakteriotropine) wurde mehrfach zum Vergleich der antigenen Wirkung
verschiedener Typhusimpfstoffe benutzt, so vonNegre und von Löwy,
die trotz Abweichungen im einzelnen darin übereinstimmen, daß durch
Hitze oder Äther abgetötete Bazillen mehr Agglutinin, lebende sensibili¬
sierte dagegen mehr Bakteriolysin und Bordetsche Antikörper erzeugen,
während Liebermann und Acel nach Injektion nicht sensibilisierter
lebender, nach Besredka sensibilisierter und mit Karbol abgetöteter
Bazillen Agglutinine und Lysine etwa gleich gut auftreten sahen. Reiter
und Silberstein immunisierten Tauben mit zahlreichen Impfstoffen
und untersuchten das Serum auf Agglutinine und phagozytäre Antistoffe,
sie fanden am schonendsten die Abtötung mit Chloroform und mit Ozon,
danach mit Äther und durch 60° Erhitzung, weniger günstig war Abtötung
mit Karbol. M. Wassermann fand die Agglutininbildung bei einigen
Kaninchen, die er teils mit bei 60° teils bei 53° (aber 24 Stunden lang)
erhitzten Typhusbazillen intravenös behandelte, etwa gleich stark; im
Plattenversuch waren Bakteriolysine überhaupt nicht nachweisbar (offen¬
bar war der benutzte Typhusstamm serumfest).
6. Vergleichende Beobachtangen am Menschen
über die Reaktionen nach 60°- und 54°-Typhusimpfstoff.
Als Vorzug der nach Leishmans Vorschlag bei möglichst niedriger
Temperatur abgetöteten Typhusbazillen für die Schutzimpfung wird viel¬
fach angegeben, daß solche Impfstoffe geringere Erscheinungen bei den
geimpften Personen hervorrufen sollen, als wenn die Abtötung bei höherer
Temperatur erfolgt. Fornet meint, bei den neueren Impfstoffen werde
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 395
„nicht mehr wie früher denaturiertes, sondern möglichst natives Eiweiß
in den Körper eingeführt. Der Impfstoff wirkt dann nicht mehr als Fremd¬
körper, sondern wie ein beinahe physiologischer Beiz.“ Offenbar sehen
viele Autoren den Grund, weshalb bei den von Kölle, Kutscher und
Hetsch ausgeführten Impfungen der südwestafrikanischen Truppen so
starke Reaktionen auf traten, darin, daß die betreffenden Impfstoffe bei
60* abgetötet waren, obwohl es doch am nächsten liegt, den Unterschied
zwischen den Folgeerscheinungen bei diesen und bei den später in Amerika,
England usw. ausgeführten Schutzimpfungen darin zu suchen, daß hier
sehr viel kleinere Mengen gegeben wurden.
Typhus-Erstimpfungen mit Impfstoffen vom 4. Juli.
'
Name
Tempera¬
tur in
Schmerzen
i
60°-Impfstoff
54°-Impfstoff
Grad C.
rechte Brust
linke Brust
21. VII.
j.
86-6
bdsts. gleich¬
mäßig
geringe Rötung
Geschwulst 8 x 5 cm
tief rosenrot
25. VIL
T.
86-8
bdsts. gleich
geringe Rötung
i
Geschwulst
gering
10x6 cm tiefrot
26. vn.
W.
36 »7
gering bdsts.
geringe Rötung
5 MarkstUck große
Schwellung
G.
86*4
—
1 -
R.
36-7
links
1 —
kaum gerötet
H.
86*5
links
—
5 Markstück große
Schwellung
J.
36-6
rechts
8 cm große
| Schwellung
6 cm Rötung
Sch.
36
—
—
—
C.
36-8
links
—
Schwellung 10 cm
i
starke Rötung
P.
35-8
—
5 cm
5 cm
28. vn.
Sch.
86-8
—
4 cm
—
K.
36*4
bdsts.
—
—
M.
36*8
—
—
_
D.
86
—
—
_
A.
36*6
bdsts.
—
_
L.
36-8
rechts
8 X 8 cm
8 x 8 cm
M.
i
Rötung und Schwellung
36*9
— |
5x5 cm bdsts. Rötung
Wir haben nun aus denselben Typhusstämmen, die auf dem gleichen
Nährboden gezüchtet waren, gleichzeitig zwei (polyvalente) Impfstoffe
hergestellt und den einen auf höchstens 54°, den anderen auf 60° erhitzt,
dann mit Karbol versetzt und nach 3 "Wochen einer Anzahl von Erst¬
impflingen je 7a ccm injiziert. Bei den Versuchen, die von Herrn Prof.
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396
R. Weber:
Friedemann in der Krankenabteilung des Instituts gemacht wurden,
rief der 60 “-Impfstoff keine stärkeren Allgemeinreaktionen hervor, als der
bei 54° gewonnene. Bezüglich der örtlichen Reaktionen wurden beide
Impfstoffe von Herrn Privatdozenten Dr. Lippmann in der Weise ver¬
glichen, daß jede Versuchsperson auf der einen Körperseite */« ccm des
54°-, auf der anderen die gleiche Menge des 60“-Impfstoffs erhielt; dabei
hat, wie das vorstehende Protokoll zeigt, meist gerade der 54“-Impfstoff
stärkere Lokalreaktionen ergeben, als der 60 “-Impfstoff. Der erstere übt
also zum mindesten in den ersten Wochen nach der Herstellung eine
stärkere Reizwirkung aus (vgl. Tabelle S. 395); bei einer 5 Wochen später
vorgenommenen Prüfung war kein deutlicher Unterschied vorhanden
7. Vergleichende Beobachtungen am Menschen Aber die
Reaktionen nach frischem und abgelagertem Typhusimpfstoff.
(Nach Versuchen von Dr. Lippmann.)
Nachdem mehrfach nach frischem Impfstoff starke Beschwerden auf¬
getreten waren, wurden unter völlig gleichen Bedingungen von derselben
Typhuskultur (monovalente) Impfstoffe hergestellt und einerseits möglichst
frisch, d. h. etwa 4 bis 7 Tage nach der Abtötung, andererseits nach etwa
4 Wochen injiziert. Die Versuche wurden im Winter 1914/15 von Herrn
Privatdozenten Dr. Lippmann gemacht, dem die starke Wirkung des
frischen Impfstoffes zuerst aufgefallen war; dabei wurde, um die indivi¬
duellen Unterschiede auszuschalten, im ersten Versuch (Versuch A des
Protokolls) die lokale Reizwirkung in der Weise geprüft, daß jede Ver¬
suchsperson auf der einen Körperseite die halbe Dosis des einen, auf der
anderen die halbe Dosis des zweiten Impfstoffes erhielt. Die Unterschiede
waren, wie das nachstehende Protokoll zeigt, sehr deutlich: bei 6 Personen
ergab der frische Impfstoff 4 mal, der ältere keinmal starke Lokalreaktionen.
Noch stärker war der Unterschied in Versuch B; hier, wo die ganze Dosis
von einem Impfstoff gegeben wurde, zeigten von 6 mit dem frischen Impf¬
stoff gespritzten Personen 5 sehr starke, 1 starke Lokalreaktion, die 6 mit
dem älteren Impfstoff reagierten gering oder gar nicht lokal.
Protokoll Typhusimpfungen an Menschen (Dr. Lippmann).
Zur Verwendung gelangen Impfstoff „Frisch“ und Impfstoff „Alt“
des Königlichen Instituts für Infektionskrankheiten.
A. Lokalreaktion.
Erstimpflinge; erste Impfung.
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 397
Links werden 1 / i ccm „Frisch“, rechts x / 4 ccm „Alt“ subkutan gleich¬
zeitig in die Brust gespritzt.
Durchmesser
der Quaddel
Druckempfind¬
lichkeit
Durchmesser
der Quaddel
Druckempfind¬
lichkeit
Maximal¬
tempe¬
ratur
links (Frisch) |
rechts (Alt)
1. 8 ccm
mäßig
0 ccm
i
ganz gering
86*8
2. ft
sehr stark
2
gering
38*2
8. 2 7.
gering
0
V
37*6
4. 6
sehr stark
3
mäßig
88*4
5. 3
stark
Hämatom
gering
37-3
6. 5
»•
0
0
87-2
B. Allgemeinreaktion.
6 Patienten (Erstimpflinge; erste Impfung) erhalten */» ccm Impf¬
stoff („Frisch“) in die linke Brust gespritzt.
Allgemeingefühl J
Durchmesser
der Quaddel
Druckempfind¬
lichkeit
Maximal¬
temperatur
1. Gliederschmerzen.
i
5 ccm
i sehr stark
88* ft
2. Glieder- und Kopfschmerzen.
6
l
37*9
8. Kreuzschmerzen.
5
9J »
88-2
4 . Allgemeines Unwohlsein . .
4
»> }J
87-4
5. 0
3
stark
37.4
6. Kopfschmerzen.
5
sehr stark
38*8
(6 Patienten, Erstimpflinge; erste Impfung) erhalten 1 J t ccm Impf¬
stoff („Alt“) in die linke Brust gespritzt.
Allgemeingefühl
Durchmesser
der Quaddel
Druckempfind¬
lichkeit
Maximal¬
temperatur
1. 0
2 ccm
gering
86-ft
2. 0
0
0
86*4
3. 0
0
0
36*3
4. Gliederschmerzen.
3
ganz gering
86*9
5. Schlechter Schlaf.
0
0
87-1
6. 0
0
0
36*2
Zur Beurteilung der Allgemeinreaktion sind nur die Personen der
Gruppe B zu verwerten. Bei dem frischen Impfstoff stieg die Körperwärme
stets über 37°, in der Hälfte der Fälle über 38°; bei dem älteren Impf¬
stoff dagegen war 37*1 die höchste Temperatur.
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398
R. Weber:
Die Protokolle, für deren Überlassung ich Herrn Dr. Lippmann
zu Dank verpflichtet bin, dürften auch von praktischem Interesse sein.
Bei den Massenimpfungen, wie sie heute im Heere vorgenommen werden,
kommen freilich aus äußeren Gründen kaum Impfstoffe früher als
mehrere Wochen nach der Herstellung zur Verwendung; bei Impfungen in
kleinerem Maßstabe ist das aber eher der Fall und vielleicht hat seiner¬
zeit bei den Impfungen der südwestafrikanischen Truppen auch dieser
Umstand an dem Zustandekommen der starken Reaktionen mitgewirkt.
Für die Praxis ist hiernach von der Benutzung frischer Impfstoffe
abzuraten, gleichviel ob die stärkeren Reaktionen durch das spezifische
Antigen oder durch unspezifische Bakteriengifte bedingt sein mögen (vgl.
S. 374).
Allgemeine Ergebnisse.
Im folgenden sollen die Schlußfolgerungen, die aus den oben mit¬
geteilten Versuchen zu ziehen sind, besprochen werden, insbesondere mit
Rücksicht darauf, inwieweit die Versuche uns Anhaltspunkte dazu bieten,
den praktischen Wert der Typhus- und Choleraschutzimpfung überhaupt
und die Vorzüge einzelner Modifikationen des Verfahrens zu beurteilen.
Dabei werden die Ergebnisse des ersten Abschnittes ausführlicher be¬
sprochen, die der übrigen, bei denen keine Fragen allgemeiner Art zu er¬
örtern sind, kurz in Schlußsätzen zusammengefaßt.
1. Zunächst sei nochmals auf zwei wesentliche Punkte hingewiesen,
die im Verlauf der Arbeit bereits mehrfach berührt wurden, und die von
einem großen Teil der früheren Untersucher auf diesem Gebiet nicht ge¬
nügend berücksichtigt worden sind: Es sind das einmal die quantitativen
und die damit eng zusammenhängenden zeitlichen Verhältnisse des Im-
munitätsverlaufes und zweitens die Ungleichmäßigkeiten im Ausfall der
Infektion, die zur Folge haben, daß im allgemeinen nur aus größeren
Versuchsreihen einigermaßen sichere Schlüsse zu ziehen sind.
Neben der Individualität der Versuchstiere beeinflußt die wechselnde
Virulenz der Kulturen den Ausgang in hohem Maße, und zwar selbst dann,
wenn man immer dieselben Stämme und einen sorgfältig und anscheinend
gleichmäßig hergestellten Nährboden benutzt. Es sei hier bemerkt, daß
wir an mehreren Typhuskulturen wiederholt das auffallende Ereignis einer
sehr erheblichen Virulenzsteigerung z. B. bei Ty 17 Steigerung der töd¬
lichen Dosis von 1 Öse auf l /i* Öse beobachtet haben, ohne daß inzwischen
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 399
eine einzige Tierpassage erfolgt war; auch in dieser Hinsicht ist offenbar
die Neigung der Typhusbazillen zu „spontanen“ Variationen größer, als
man bisher meist annahm. Andererseits sahen wir schnelle Virulenz¬
abnahme, so daß zeitweise 1 Öse nicht tötete, ohne Verminderung der
Beweglichkeit. Aber auch die Feststellung der jeweils kleinsten tödlichen
Dosis genügt offenbar nicht, um die Schwere der Infektion zu beurteilen;
dasselbe hat sich bekanntlich bei der Wertbestimmung der gegen Rotlauf,
Pneumokokken und Streptokokken gerichteten Immunsera ergeben. Auch
hier sind, ebenso wie wir es für die Versuche mit aktiver Typhusimmuni¬
sierung fordern zu sollen glauben, nur solche Ergebnisse streng miteinander
zu vergleichen, bei denen die Infektion gleichzeitig aus demselben Kultur¬
röhrchen geschieht. Ohne hier näher darauf einzugehen, möchten wir die
Vermutung aussprechen, daß es sich bei solchen Unterschieden in der
Schwere der Infektion, die nicht in einer Verschiedenheit der kleinsten
tödlichen Dosis zum Ausdruck kommen, hauptsächlich um Unterschiede
der Wachstumsenergie, der Vermehrungsgeschwindigkeit der Bakterien im
tierischen Organismus handeln dürfte. Bei unseren Versuchen zeigt sich
die Ungleichartigkeit der Infektion u. a. auch darin, daß z. B. in Versuch I
von 57 Meerschweinchen, die der Infektion trotz der Vorbehandlung er¬
lagen, nur ein einziges später als 24 Stunden nach der Einspritzung starb,
während in anderen Versuchen (Versuch XII, lila, IVa) bei Nachprüfung
mit demselben Typhusstamm die verspäteten Todesfälle bei den vor¬
behandelten Tieren sehr häufig waren.
Bezüglich der quantitativen Verhältnisse ergab sich in größeren
mannigfach variierten Versuchsreihen ein gesetzmäßiges Verhalten derart,
daß, je größer die Antigenmenge, um so höher die erzielte Immunität ist.
Gleichzeitig tritt die Immunität scheinbar auch um so früher ein, je
höher die Antigenmenge ist, d. h. die Immunität erreicht nach größeren
Impfstoffdosen früher den Grad, bei dem sie durch die jeweils gewählte
Infektion überhaupt erst nachweisbar ist. Der Höhepunkt der Immunität
wurde verhältnismäßig spät, etwa in der fünften Woche, erreicht. Uber
die Dauer der Immunität gestatten die Versuche kein abschließendes Urteil;
doch eigaben sich Anhaltspunkte dafür, daß die Immunität in unseren
Versuchen nach etwa fünf Monaten bereits im Abklingen war.
Zuweilen gelang mit großen Dosen von Typhusimpfstoff ein so weit¬
gehender Schutz, daß die individuellen Unterschiede der Versuchstiere
ausgeschaltet erschienen, so z. B. im Versuch I bei Vorbehandlung mit
l 1 /* Ösen. Kleinere Dosen wirkten erheblich schlechter und unsicherer,
jedoch war das Absinken der immunisatorischen Wirkung bei Verringerung
der Impfstoffmenge durchaus unregelmäßig, und individuelle Verschieden-
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heiten der Tiere traten hier sehr stark hervor. Selbst die Vorbehandlung
mit V 20 ooo Öse abgetöteter Typhuskultur hatte noch eine ganz deutlich
nachweisbare Immunität zur Folge.
Diese Versuchsergebnisse erscheinen uns nicht nur deswegen von
Interesse, weil sie uns lehren, Fehlschlüsse zu vermeiden, die sich ins¬
besondere bei der Beurteilung kleinerer Versuchsreihen leicht ergeben
können, sondern vor allem deshalb, weil sie unserer Überzeugung nach
weitgehende Ähnlichkeit mit dem Verhalten des schutzgeimpften Menschen
haben. Man hat es oft als einen Gegensatz hingestellt, daß die Vorbehand¬
lung mit abgetöteter Kultur bei unseren Versuchstieren einen sicheren,
beim Menschen dagegen einen sehr zweifelhaften Schutz ergeben soll, und
man hat das als einen weiteren Beweis für die Anschauung angesehen,
daß bei der natürlichen Infektion des Menschen vom Darm aus in jeder
Hinsicht ganz andere Verhältnisse vorliegen, als bei der künstlichen In¬
fektion der Meerschweinchen vom Peritoneum aus: im ersteren Fall sei
daher auch eine grundsätzlich andere Art der Immunisierung (nicht
etwa nur ein höherer Grad von Immunität) erforderlich. Manche Autoren
glauben, daß gegenüber der natürlichen Infektion nur die Verwendung
lebender Kulturen, andere wiederum, daß nur eine Immunisierung vom
Darm aus zum Ziel führen könne. Unsere Versuche zeigen uns nun ein ganz
ähnliches Bild wie die Statistiken der Typhusimpfungen am Menschen: nur
ausnahmsweise, und zwar nur mit sehr großen Dosen, wahrscheinlich auch
nur bei nicht zu schwerer Nachimpfung, gelang ein annähernd sicherer,
dabei anscheinend zeitlich ziemlich eng begrenzter Schutz, während in
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle das Ergebnis durchaus unregel¬
mäßig war, ohne daß wir erkennen können, weshalb das eine Tier der In¬
fektion erliegt, während das andere gesund bleibt.
Unseres Erachtens bieten derartige Ergebnisse eine weitgehende Ana¬
logie mit dem Erfolg der Typhusschutzimpfung beim Menschen: Auch
hier sehen wir aufs deutlichste den Einfluß individueller Verschiedenheit,
auch hier finden wir in der Regel nur einen Teil der Schutzgeimpften
immun, auch hier scheinen, ähnlich wie bei unseren Versuchstieren,
Impfungen mit kleinen Antigenmengen nicht wirkungslos zu sein.
Zweifellos ist es beim Menschen sehr schwer, einen annähernd vollkommenen
Schutz zu erreichen; eine Infektion mit besonders virulenten Erregern
oder eine häufig wiederholte Zufuhr von virulenten Keimen wird in der
Regel die Immunität brechen, so daß sich der Einfluß der Schutzimpfung
dann höchstens in einem leichteren Verlauf der Krankheit äußern kann.
Solche ungünstigen Verhältnisse haben vermutlich bei den im Jahre 1904/05
in Südwestafrika kämpfenden deutschen Truppen Vorgelegen, von denen
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Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. 401
wir als sicher annehmen möchten, daß sie entsprechend der Vorbehandlung
mit großen Impfstoffdosen einen besonders hohen Impfschutz besessen
haben.
In die Frage nach dem praktischen Erfolg der Schutzimpfung ist unseres
Erachtens dadurch eine gewisse Verwirrung hineingetragen worden, daß
wiederholt Modifikationen des Verfahrens angegeben worden sind, die
meist auf Grund von Statistiken, manchmal auch wohl nur auf Grund
theoretischer Erwägungen mit dem Ansprüche auftraten, einen besseren
Schutz als die früheren Verfahren oder sogar einen annähernd vollständigen
Schutz zu gewähren. So glaubte — um nur ein Beispiel zu nennen —
Vincent seinem Impfstoffe (mit Äther versetztes Autolysat von Typhus¬
bazillen oder mit Äther abgetötete Bazillen) eine besonders sichere Wirkung
zuschreiben zu sollen, insbesondere auf Grund der Erfahrungen bei einer
Epidemie in Avignon, sowie einer anderen in Paimpol, wo von den Schutz¬
geimpften kein einziger, von den Nichtgeimpften ein sehr hoher Prozentsatz
erkrankte. Auch Marx führt diese Ergebnisse neuerdings als beweisend an.
Es sei daher hervorgehoben, daß sich wenigstens in den uns zugänglichen
Arbeiten von Vincent gar keine genauen Angaben über die Einzelheiten,
insbesondere über den zeitlichen Verlauf der Infektionen, über die Daten,
an denen die Schutzimpfung ausgeführt wurde, usw. finden, so daß es gar
nicht möglich ist, daraus ein Urteil über die Wirksamkeit der Impfung sich
selbst zu bilden; insbesondere läßt sich nicht ersehen, ob der Autor den
Hauptfehler solcher Statistiken vermieden hat, ob er nämlich als Kon-
trollfälle nur solche Fälle gerechnet hat, die zu einer Zeit erkrankten, wo
bei den Schutzgeimpften der Impfschutz bereits eingetreten war.
Daß man durch eine bestimmte Modifikation der Typhusschutzimpfung
einen vollkommenen Schutz beim Menschen erzielen kann, ist wohl bis
heute leider nicht erwiesen. Wenn wir nun aber immer wieder trotz der
Impfungen nicht nur Infektionen, sondern auch schwere Infektionen und
Todesfälle auftreten sehen, so erregt das natürlich leicht Zweifel, ob die
Schutzimpfung überhaupt eine Wirkung hat, da es in der Praxis fast nie
möglich ist, eine größere Anzahl von Kontrollpersonen zu beobachten, die,
ohne geimpft zu sein, gleichzeitig unter den gleichen Bedingungen leben.
Solche Zweifel kommen bei unseren Meerschweinchenversuchen angesichts
der Kontrollen nicht in Betracht: die Tiere, die nicht der Infektion erliegen,
sind zweifellos durch die Vorbehandlung immun geworden, und dennoch
sehen wir in den meisten Fällen andere genau so vorbehandelte Tiere,
die gar keine erkennbare Immunität, und oft noch andere, die, wie ihr
verspäteter Tod zeigt, eine unvollkommene Immunität haben. Wir möchten
in diesem Verhalten eine Stütze für die Anschauung sehen, daß zwischen
Zeitsehr. f. Hygiene. LXXXII
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402
R. Weber:
der Immunität gegenüber der natürlichen Typhusinfektion des Menschen
und der Immunität, die wir bei unseren Meerschweinchen gegenüber der künst¬
lichen Infektion erzeugen, ein grundsätzlicher Unterschied nicht besteht.
2. Verschiedene Typhusstämme zeigten im abgetöteten Zustande
gewisse Unterschiede in ihrer immunisatorischen Wirksamkeit Ein alter,
für Meerschweinchen gänzlich avirulenter Typhusstamm, der zeitweise
spontane Ausflockung zeigte, war im Vergleich mit den übrigen Stämmen
durchschnittlich recht schlecht wirksam; er zeigte jedoch bei Prüfung zu
verschiedenen Zeiten starke Schwankungen in seiner Immunisierungs¬
fähigkeit. Offenbar handelt es sich um eine in allmählicher Degeneration
begriffene und in ihren Eigenschaften sehr labile Kultur.
Schon mit Rücksicht auf solche Vorkommnisse dürfte es sich emp¬
fehlen, zur Herstellung von Impfstoffen stets mehrere Stämme zu mischen;
dafür läßt sich weiterhin auch die Möglichkeit anführen, daß Unterschiede
im Rezeptorenapparat der Typhusstämme Vorkommen können. In unseren
Versuchen haben sich solche Unterschiede allerdings nicht gezeigt. Bei
drei in dieser Hinsicht näher untersuchten Stämmen war der Impfschutz
gegenüber der Infektion mit der gleichen Kultur nicht stärker ausgesprochen
als gegenüber einem fremden Stamme.
3. Bezüglich des Alters der Impfstoffe sahen wir bei einigen alten
Proben von Choleraimpfstoff eine Abscheidung von kleinen harten Bröckeln,
die an der Oberfläche der Flüssigkeit schwammen. Eine derartige Probe
erwies sich als immunisatorisch unwirksam.
Im übrigen konnten wir beim Vergleich von frischen und alten aus
den gleichen Stämmen hergestellten Impfstoffproben (bei Typhus bis
1 j t Jahr, bei Cholera etwa 1 Jahr nach der Herstellung), keine Ver¬
ringerung der Wirksamkeit nachweisen; weder die Bildung eines starken
schleimigen Bodensatzes noch die autolytische Aufhellung, die ins¬
besondere beim Choleraimpfstoff meist sehr stark ist, scheint die Wirk¬
samkeit zu beeinflussen.
Da fast alle Cholerastämme, insbesondere die frischen, u. E. zur
Crewinnung von Schutzimpfstoff besonders geeigneten Kulturen, schon
innerhalb weniger Tage sehr starke Autolyse zeigen, so kann eine Beurteilung
des Antigengehaltes von gebrauchsfertigen Impfstoffen auf Grund einer
Durchsichtigkeitsprobe nicht als zulässig anerkannt werden.
4. Bei gleichzeitiger Immunisierung mit Cholera- und Typhusimpfstoff
sahen wir bei zahlreichen Untersuchungen ah schutzgeimpften Menschen
Antikörper gegen Cholera (Pfeifferscher Versuch, daneben Agglutination)
und Typhus (Agglutinine) mindestens ebenso reichlich auftreten wie nach
der entsprechenden Einzelimpfung. Auch im Tierversuch war die Vor-
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. Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus unp Cholera. 403
behandlung mit Mischimpfstoff anscheinend ebenso wirksam wie mit Einzel¬
impfstoff.
Bei zahlreichen Erstimpfungen (dreimalige Einspritzung von Cholera-
Typhus-Mischimpfstoff) wurden keine stärkeren Reaktionen als sonst nach
Einzelimpfungen beohachtet, so daß solche Impfungen in geeigneten Fällen
empfohlen werden können. Dagegen traten bei einigen Wiederimpfungen
(gleichzeitig je 1 ccm Cholera- und Typhusimpfstoff) ziemlich starke Re¬
aktionen auf.
5. Bei einigen Versuchen an Meerschweinchen schienen bei 54° ab¬
getönte Typhusbazillen besser zu immunisieren als solche, die auf 60°
erhitzt waren; durch Karbolzusatz abgetötete Bazillen erschienen am
wenigsten wirksam. Die Versuche sind aber unseres Eraehtens ebenso¬
wenig wie die von anderer Seite mitgeteilten einschlägigen Versuche zahl¬
reich genug, um einen sicheren Schluß zuzulassen. Für die Praxis wird
man das immerhin schonendere Verfahren der Abtötung bei niederer
Temperatur nach Leishman gewiß als das zurzeit empfehlenswerteste
ansehen dürfen.
6. Am Menschen ergab im Gegensatz zu der Meinung mancher Autoren
ein etwa 3 Wochen alter bei 54° hergestellter Typhusimpfstoff stärkere
örtliche Reaktionen als ein gleichzeitig aus derselben Kultur bei 60° ge¬
wonnener Impfstoff. Nachdem beide Impfstoffe einige Wochen länger
abgelagert waren, ergab sich kein erheblicher Unterschied mehr.
7. Ein frischer in der ersten Woche nach der Herstellung benutzter
Typhusimpfstoff rief nach Beobachtungen von Dr. Lippmann sehr viel
stärkere örtliche- und allgemeine Reaktionen hervor, wie ein ebenso her¬
gestellter, aber mehrere Wochen abgelagerter Impfstoff. Für die Praxis
ist daher die Verwendung abgelagerter Impfstoffe zu empfehlen.
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404 R. Weber: Zur Frage der Schutzimpfung gegen Typhus usw.
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem Kgl. Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“.)
(Abtcilungsvorateher: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Nenfeld.)
Beiträge zur serologischen Rnhrdiagnose.
Von
Dr. 0. Schiemann,
Assistent am Institut.
'1. Neuere Erfahrungen Ober die Unsicherheit der Widalsehen
Reaktion bei Shiga-Kruse-Ruhr.
Für die serologische Diagnostik der Shiga-Kruse-Ruhr galt bisher
den meisten Untersuchen! die Anstellung einer Reaktion nach Art des
Typhus-Widal als genügend beweiskräftig, bei der die 3 in Europa häu¬
figen Ruhrtypen (Shiga, Flexner und y) in Betracht gezogen werden.
Die Methode wäre also nicht komplizierter als der Typhus-Widal, zu
dem ja auch 2 — neuerdings bei der Häufigkeit des Paratyphus A an manchen
Stellen wohl auch 3 — Stämme zur Typhusdiagnose verwendet werden
(Ty, Paraty A und B).
Eine positive Agglutination mit Shiga-Kruse-Bazillen galt, da nor¬
males Menschenserum nur ganz geringe Agglutininmengen enthalten sollte,
bereits von 1:50 ab als diagnostisch beweisend, und zwar auch dann, wenn
daneben y- oder Flexnerbazillen ebenso hoch oder noch höher agglutiniert
werden. Während die serologische Diagnose der letzteren beiden Typen
überhaupt erst von 1:100 ab gerechnet wird — da in niedrigeren Verdün¬
nungen auch normales Menschenserum wirksam sein soll — also der brauch¬
bare Schwellenwert recht hoch gegriffen ist, galt der Shiga-Widal als eine
recht empfindliche Reaktion. Wie Lentz hervorhebt, ist die Methode
daher in hohem Grade für die rückschauende Diagnose und für die Fest¬
stellung von Bazillenträgern geeignet. Friedemann und Steinbock
wiesen besonders auf den Wert dieser Methode in der Kriegszeit hin, wo
sie oft allein imstande sei, Auskunft über eine Epidemie zu geben, da
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der Nachweis der Erreger so häufig nicht gelingt, daß von verschiedenen
Autoren neuerdings andere Ursachen für die europäische Buhr und be¬
sonders die Kriegsruhr verantwortlich gemacht worden sind.
Nun ist aber auch die Spezifität der serologischen Beaktion gegenüber
Shiga-Kruse-Bazillen durch neue Mitteilungen stark erschüttert worden.
So hat Kutscher mitgeteilt, daß Nebenagglutinine für Shiga-Kruse-
B&zillen' häufig in den Sera gegen Typhus und Cholera immunisierter
Soldaten auftreten. Er. prüfte dann seinen Teststamm mit Typhus- und
Choleraimmunserum (aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt bezogen)
und fand, daß er bis 1:200 agglutiniert wurde.
Diese Mitteilung von Kutscher ist bisher nicht ganz bestätigt worden.
Doch zeigen die Arbeiten von Dünner, von Friedemann und Stein¬
bock und von Schmidt, daß unspezifische Shigareaktionen häufiger
Vorkommen, als man bisher annahm. Dünner fand unter 45 Sera an
anderen Krankheiten als hämorrhagischer Colitis leidender Patienten
(Tab. II u. III seiner Arbeit) 7mal Beaktionen bis 1:80 mit Shiga-Kruse-
Bazillen; hierunter waren allerdings 4 nicht hämorrhagische Enteritis¬
fälle. Von den 45 Untersuchten gaben 21 Nichtgeimpfte 3, 24 Typhus¬
kranke bzw. Typhusgeimpfte 4 positive Beaktionen, so daß also zum
mindesten kein sehr erheblicher Unterschied beider Gruppen bestand.
Dünner weist darauf hin, daß die Befunde Kutschers wohl durch die
von ihm angewandte Methode der Beurteilung: Betrachtung mit dem
Mikroskop, beeinflußt wären. Schon Lentz hat die Neigung der Buhr-
bäzillen zu unspezifischen Zusammenklumpungen hervorgehoben und
vor der mikroskopischen Beurteilung der Agglutination gewarnt. Lentz
verlangt Anstellung der Beaktion im Beagenzglas (nach Kolle) und kräf¬
tiges Schütteln der Gläschen vor der Betrachtung; unspezifische Zt*-
sammenklumpungen sollen dabei verschwinden, und die Beaktion sich
bequem mit bloßem Auge ablesen lassen, da der Übergang der positiven
zu den negativen Beaktionen ein sehr schroffer sei, meist fänden sich in
der nächsten Staffel nur ganz kümmerliche oder gar keine Flöckchen.;
die Erkennung mit bloßem Auge macht daher nach Lentz gar keine
Schwierigkeiten.
Friedemann und Steinbock untersuchten 43 Typhusgeimpfte,
nicht ruhrkranke Personen, die sie in 3 Gruppen teilen: vor längerer Zeit
Geimpfte, vor 14 Tagen Geimpfte und Typhusrekonvaleszenten. Sie fanden
in der ersten Gruppe (19 Fälle) gar keine Buhragglutinine, in der zweiten
Gruppe (9 Fälle) waren 2 Beaktionen bis 1:40 vorhanden * in der dritten
Gruppe (15 Fälle) befanden sich eine Beaktion bis 1:80 und eine bis. 1:40
mit Shiga-Kruse-Bazillen bei hohem Typhus-Widal (1:200 +). Die Bälle
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
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der ersten Gruppe litten an Enteritis, aber ohne Schleim und Blut im
Stuhl. Es war also eine gewisse, wenn auch nicht erhebliche Steigerung der
Ruhragglutinine in dem von Kutscher angenommenen Sinne nachweisbar.
Schmidt erhielt bei den Sera von 74 nicht geimpften Personen 4 posi- 1
tive Shiga-Kruse-Reaktionen bis 1:100 und 18 bis 1:50, bei den Sera
von 95 geimpften nicht ruhrkranken Soldaten 4 Reaktionen bis 1:100
und 37 bis 1:50 mit 3 verschiedenen Shiga-Kruse-Stämmen, die er ab¬
wechselnd benutzte. Es ergibt sich also eine Steigerung der positiven
Reaktionen der Anzfahl nach bei geimpften, jedoch eine überhaupt große
Anzahl von positiven Ausschlägen auch bei nichtgeimpften und nicht ruhr¬
kranken Personen. Dagegen fand er bei Prüfung mehrerer hochwertiger
Gholera- und Typhusimmunsera keine Spur von Mitagglutination. Schmidt
ist der Meinung, daß die positiven Reaktionen bei Geimpften nicht auf
gemeinschaftliche Rezeptoren der Ruhr- mit den Typhus- und Cholera¬
bazillen zurückzuführen seien, er nimmt vielmehr „eine erhöhte Flock-
barkeit und Adsorbierbarkeit der Globulinfraktion des Serums Geimpfter“
an. Ferner machte Schmidt die Erfahrung, daß Shiga-Kruse-Stämme
bei häufigerem Umstechen oft leichter agglutinabel wurden.
Schmidt arbeitete (wie auch Dünner und Friedemann und Stein¬
bock) nach der Kolleschen Methode, nur liest er die Resultate mit der
Lupe ab, und zwar 2 mal, nach 2 und 24 Stunden. Er fand zwischen seinen
3 Stämmen sehr starke Unterschiede. Ein Stamm „Förster“, der die
wenigsten Reaktionen bei nicht Ruhrkranken aufwies, gab mit allen
59 geprüften Sera nach 2 Stunden negative Resultate, während nach 24 Stun¬
den die Agglutination lOmal bis 1:50, lmal bis 1:100 (letzteres nur schwach)
positiv war. Bei den beiden anderen Stämmen traten jedoch in 40 Pro¬
zent der geprüften Fälle bereits in 2 Stunden positive Reaktionen ein.
Nach seinen Erfahrungen schlägt Schmidt vor, für die Agglutinations¬
probe bei Shiga-Kruse-Ruhr schärfere Kriterien anzuwenden und fordert
vor allem eine sorgfältige Auswahl des Teststammes nach Prüfung mit
zahlreichen Normalsera. Die untere Grenze will er auf 1:100 heraufsetzen,
die Reaktion 1:50 nach 24 Stunden Beobachtung soll als „unsicher“ gelten
•nach 2 Stunden als „wahrscheinlich +“. (Bekanntlich ist sonst eine
24stündige Beobachtung üblich.)
Dieses Verfahren hat, wie Schmidt selbst hervorhebt, den Nachteil,
daß es in einer größeren Zahl von Ruhrfällen überhaupt nicht zu höheren
Ausschlägen kommt, man verliert dabei also ziemlich viele positive Diagnosen.
Das Verfahren der Aufschüttelung der Sedimente vor dem Ablesen
schien nach Schmidt keine sichere Unterscheidung zwischen spezifischer
und unspezifischer Ballung zuzulassen.
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0. Schiemann:
Was die, Beurteilung der Spezifität der niedrigen Reaktionen, in der
Nähe des Schwellenwertes, nach der Schnelligkeit ihres Auftretens an¬
langt, so erinnert dieses Verfahren an eine Mitteilung von Lentz, der
selbst paradoxe Reaktionen, bei denen der Typhusbacillus als Erreger
z. B. niedriger von dem Patientenserum beeinflußt wurde als der zum Widal
benutzte Paratyphusstamm oder umgekehrt, richtig zu deuten vermochte,
indem er die Schnelligkeit der Beendigung der Reaktion in Betracht zog.
Lentz stellt folgenden Satz auf, für den er allerdings zunächst nur für
Paratyphusbazillen und Typhusbazillen Gültigkeit beansprucht. „Die
Agglutination der Paratyphusbazillen verläuft als Hauptagglutination
bei Zimmertemperatur in */a Stunde vollständig bis zur Titergrenze des
dazu verwandten Serums, tritt dagegen als Nebenagglutination erst nach
2 ständiger Einwirkung von Bruttemperatur in vollem Umfange in die
Erscheinung.“ Indessen verläuft die Ruhragglutination bekanntlich so
viel langsamer, daß es mir zweifelhaft erscheint, ob den schnell eintreten-
den Reaktionen bis 1:50 ein höherer Grad von Spezifität beizumessen
ist. Im Gegenteil erschien es mir der Prüfung wert, ob sich nicht schnell
eintretende Reaktionen, falls sie spezifisch sind, in der Regel noch in
24 Stunden erhöhen. (Siehe später.)
Nun hat Friedemann eine andere Methode vorgeschlagen, nach
welcher auf seine Anregung zuerst Dünner, dann Friedemanu selbst
in Gemeinschaft mit Steinbock gearbeitet haben. Die Methode beruht
darauf, daß die Agglutination mit Shiga-Kruse-Bazillen sich wesentlich
von der recht feinflockigen Agglutination mit Typhusbazillen unter¬
scheidet: die Ruhrbazillen bilden grobe, rasch zu Boden sinkende Klumpen.
Wie aus den Tabellen der genannten Autoren ersichtlich ist, tritt oft über
die Zone der Serumverdünnung hinaus, die diese groben Klumpen auf¬
weist, auch eine feinkörnige Agglutination auf, in einigen Fällen erscheint
auch in der Verdünnung 1:40 eine feinkörnige Agglutination, um dann
bei 1:80 und 1:160 grobklumpig zu werden. Nur das Auftreten von
solchen grobklumpigen Haufen am Boden des Reagenzglases
erscheint den Autoren als diagnostisch beweisend.
Die Erprobung dieser Modifikation führte bisher zu guten Resultaten.
Dünner fand bei Prüfung von 45 Sera nicht ruhrkranker Patienten 7mal
feinkörnige Agglutination bis 1:80 und höher, grobklumpige Agglutination
trat nirgends (auch nicht bei 1:40) auf. Friedemann und Steinbock
sahen unter 43 Sera geimpfter und nicht ruhrkranker Patienten auch in
der Verdünnung 1:40 keine einzige grobklumpige Reaktion (die feinkör¬
nige ging 3mal bis 1:40, lmal bis 1:80). Andererseits konnte Dünner
bei 12 hämorrhagischen Colitiden, die er selbst beobachtete, bei Berück-
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
409
sichtigung nur der grobklumpigen Agglutination bis 1:80, 8 mal Shiga-
Kruse-Agglutination Nachweisen, die feinkörnige Agglutination ergab
allerdings noch etwas öfter, nämlich lOmal, positiven Ausschlag bis min¬
destens 1:160. Ausgenommen wurden von dieser Berechnung Dünnere
3 Sera von hämorrhagischen Colitiden, die nur aus der Anamnese bekannt
wurden; von diesen agglutinierte nur eine grobklumpig, die beiden anderen
nur feinkörnig. Die Resultate von Friedemann und Steinbock waren
noch günstiger: sie stellten unter 44 Fällen von hämorrhagischen Colitiden
in 77*3 Prozent die grobklumpige Agglutination, die sie schon von 1:40
an spezifisch rechnen, fest, während die feinkörnige Agglutination von
1:80 an als spezifisch gerechnet etwas seltener war (68*2 Prozent).
Jüngst hat Jacobitz über Ergebnisse mit der Friedemannschen
Technik der Ruhragglutination berichtet, und zwar unter Verwendung
von 2 Shiga-Rruse-Stämmen, die aber dieselben Resultate ergaben. Unter
49 Serumproben von Typhus- und Choleraschutzgeimpften trat 3 mal eine
grobklumpige Agglutination in der Verdünnung 1:50 nach 20 Stunden
ein; keiner der Betreffenden hatte an Ruhr gelitten (1 Diphtherie, 1 Re-
kurrens, 1 Typhus). Von 109 nicht Geimpften reagierten 12 ebenfalls 1:50
nach 20 Stunden positiv mit groben Flocken. Auch hier lag niemals Ruhr¬
verdacht vor; 6 von den Sera zeigten aber gleichzeitig positiven Typhus-
Widal, 3 Patienten hatten einen nicht infektiösen Darmkatarrh, 3 waren
gesund. Über das Auftreten von feinkörniger Agglutination werden keine
Angaben gemacht. Jacobitz kommt jedoch zu dem Schluß, daß nur
die grobklumpige Agglutination beweisend sei, und auch diese nicht bei
1:50, sondern nur in höheren Verdünnungen. Dieses Resultat ist also
bezüglich der Spezifität der grobklumpigen Agglutination weniger günstig,
als die vorher mitgeteilten Untersuchungen. Es ist aber vielleicht möglich,
daß das auf eine Verschiedenheit der Technik zurückzuführen ist, die unseres
Erachtens, wie unten ausgeführt, von den Autoren nicht klar genug be¬
schrieben worden ist.
2. Untersuchungen Aber die Beeinflussung verschiedener Ruhr-
Stämme durch Sera von Ruhr-, Typhus- nnd Paratyphuskranken,
von Schutzgeimpften nnd normalen Menschen.
Was nun meine Erfahrungen über die Bedeutung des positiven Aus¬
falls des Shiga-Kruse-Widal, und zwar zunächst nach der gewöhnlichem
Technik der feinkörnigen Agglutination betrifft, so fand ich bei einem
eine Zeitlang zur Widalschen Reaktion benutzten Stamme „Shiga-
Original“, der seit langer Zeit im Institut fortgezüchtet war, unverhält-
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410
0. Schiemann:
nismäßig viel positive Ausschläge. Unter den Sera von 17 Patienten, bei
denen klinisch die Diagnose zwischen Ruhr, Typhus und Paratyphus
schwankte, agglutinierten lö mit diesem Stamm bis 1:50, in 6 Fällen fand
sich gleichzeitig positive Reaktion mit Typhus- oder Paraty-A-Bazillen.
Waren diese Befunde schon verdächtig, so zeigte die weitere Prüfung
dieses Stammes, ebenso wie es Kutscher angibt, daß auch Typhustest¬
serum (vom Pferd, Titer 1:8000) diesen Stamm bis 1:200 agglutinierte,
nicht so 4 andere gleichzeitig geprüfte Shiga-Kruse-Stämme, die auch bei
1:50 unbeeinflußt blieben. .Es ist möglich, daß Kutscher diesen Stamm
in' der Hand hatte, da wir ihn gelegentlich als Teststamm an die
Untersuchungsämter abgaben. Mit unserem Choleraserum (vom Pferde,
Titer 1:5000) agglutinierte er jedoch nicht. Ich habe darauf zur Ruhr-
agglutination stets noch einen zweiten, im Herbst 1914 isolierten Stamm
mitbenutzt, Shiga-„Feddersen“, der durch 3 Shigaimmunsera, die mit
3 verschiedenen Stämmen gewonnen waren, regelmäßig hoch agglutiniert
wurde (wenn auch zuweilen etwas weniger hoch als der Stamm Shiga-Ori¬
ginal), und der selbst ein gutes Immunserum bei Kaninchen lieferte.
Zunächst wurde nun eine Anzahl Ruhrpatientensera mit beiden Stäm¬
men geprüft.
Tabelle I.
Agglutination von Ruhrkrankensera mit 2 verschiedenen Shiga-Kruse-
Stämmen. Beobachtung nach 24 Stunden Zimmertemperatur.
Namen der Patienten i
(Soldaten mit blutigen
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Shiga-
Fed-
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200
—
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200
—
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50
0
50
—
Die Sera wurden nur in den Verdünnungen 1:50, 1:100 und l:i00
untersucht.
Nach den Ergebnissen der Tab. I konnte noch kein klares Urteil ge¬
wonnen werden. Der Stamm Feddersen zeigte zwar lmal — gegenüber
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
411
dem y-Patientenserum — eine größere Spezifität, andererseits mußte
die Befürchtung entstehen, daß er in dem Falle Kärger versagt habe,
angesichts der hohen Beeinflussung des anderen Stammes.
Die folgenden Protokolle ordnen die Ergebnisse in Fälle, die vom
Einsender ausdrücklich als ruhrverdächtig bezeichnet wurden (Tab. II),
und solche, bei denen der Verdacht zwischen Ruhr und Typhus, oder Ruhr,
Typhus und Paratyphus schwankte (Tab. IV). Tab. III ist ein Auszug
aus Tab. IV und enthält die bakteriologisch als Typhus gesicherten Fälle
dieser Gruppe. Alle diese Untersuchungen wurden in gleichmäßiger Weise
ausgeführt: mit der Reagenzglasmethede und 2maligem Prüfen mit der
Lupe nach 2 Stunden 37° und Stehenlassen bei Zimmertemperatur bis
20 Stunden.
Nach dem Ergebnis einiger Fälle aus Tab. II und des Falles Frank
in Tab. III entschloß ich mich bereits, für die praktische Abgabe der
Diagnose nur den Stamm Feddersen zu berücksichtigen, ebenso habe ich
letzteren allein seit September 1915 an die Untersuchungsämter abge¬
geben. Die eigentliche Probe auf das Exempel bestand aber in dem in
Tab. IV,' V und VI dargestellten Verhalten der beiden Stämme gegenüber
Sera mit fremden (Typhus und Paratyphus B-) Agglutininen.
Aus Tab. II ist schon zu entnehmen, daß der Stamm Original bei
Wiederholungen des Widals mit einer neuen vom selben Patienten nach
einiger Zeit entnommenen Serumprobe eine gewisse Launenhaftigkeit zeigt,
während der Stamm Feddersen gleichmäßig reagierte. Ein anderes Ruhr¬
patientenserum, das mit Stamm Feddersen bis 1:500 agglutinierte, wurde
gleichzeitig mit 2 verschiedenen Kulturen von Shiga-Original geprüft:
die eine von dem Sammlungsstamm abgeimpfte Kultur agglutinierte
ebenfalls 1:500, die andere, täglich weitergeimpfte, gab selbst 1:50 nur
Andeutung von Häufchenbildung und verhielt sich genau so refraktär
gegenüber einem Shiga-Kruse-Kaninchenserum (Titer 1:500), obgleich
sie sich im übrigen als rein und typisch erwies. Die häufige Über¬
impfung des Stammes hat also in diesem Falle anstatt zu
leichter Agglutinabilität im Gegenteil zur Serumfestigkeit
geführt. Daß so hochgradige Serumfestigkeit anscheinend spontan vor¬
kommt , d. h. ohne daß die betreffenden Bakterien Gelegenheit gehabt
haben, sich durch Berührung mit antikörperhaltigem Serum zu festigen*
ist schon von Bernhardt an einem Typhusstamm beobachtet worden.
Hiernach sollte man es sich m. E. zur Regel machen, die verwendeten
Shigastämme öfters mit einem spezifischen Serum zu kontrollieren.
Die Diagnosen in Tab. IV sind bis auf 3 Fälle, die in Tab. III nochmals
gesondert zusammengestellt sind, nur auf den serologischen Befund bei
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Tabelle II.
Klinisch als Ruhr diagnostizierte Fälle. Die erste Zahl bedeutet das Ergebnis der Agglutination nach 2, die zweite
das nach 24 Stunden. Es wurde nur bis zur Verdünnung 1:200 untersucht.
Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
413
vergleichender Agglutination gestützt. Letztere bezieht sich auf 2 Shiga-
Kruse-Stämme, 1 Paratyphus B, 1 Typhus- und 1 y-Ruhrstamm. Shiga-
Original-Reaktionen, die denen des anderen Stammes widersprachen,
wurden; auf Grund der oben mitgeteilten Erfahrungen, weder wenn sie
positiv noch wenn sie negativ waren, entscheidend in Betracht gezogen.
Agglutinierte ein Serum den Shigastamm Feddersen, aber weder Ty¬
phus noch Paratyphus, so wurde der Fall mit Wahrscheinlichkeit als
Shiga-Kruse-Ruhr gedeutet, gleichviel ob daneben eine Agglutination
für y-Bazillen vorhanden war oder nicht. y-Reaktionen wurden nur bei
Abwesenheit von Shigareaktionen diagnostisch in Betracht gezogen, ge¬
mäß dem Vorschlag von Hohn, wie es ja wohl allgemein üblich ist. Auf
Flexner-Ruhrbazillen und Paratyphus A habe ich die Untersuchung nicht
ausgedehnt, da diese Erreger unter unserem Material fast gar keine Rolle
spielen. Bei Konkurrenz zwischen Typhusbazillen-, Paratyphus B- und
Shigaruhragglutininen wurden folgende Regeln eingehalten. Um mög¬
lichst alle Mit Agglutinationen zu fassen, wurden stets nur gleich hohe oder
höhere Titer des Ruhrstammes Feddersen als positive Reaktionen, d. h.
als Beweis für Ruhrinfektion gerechnet, während in allen anderen Fällen
die Ruhragglutination — vielleicht öfters zu Unrecht — als wahrschein¬
lich nicht spezifisch, also als Mitagglutination aufgefaßt wurde.
In der Tabelle ist noch ein Unterschied zwischen schnellem und lang¬
samem Verlauf der Typhusagglutination gemacht. Bekanntlich haben
sich die wenig aviden Typhusagglutinine, d. h. die Antikörper, deren
agglutinierende Wirkung erst nach 24 Stunden, noch nicht nach 2 Stunden
bei 37°, nachweisbar ist, eine gewisse Bedeutung, besonders für den Nach¬
weis von Bazillenträgern erworben; bei diesen kommen sie auch nach
unseren eigenen Erfahrungen ziemlich häufig vor, zuweilen aber auch
bei Typhuskranken. 1 Jedoch nehmen sie eine Ausnahmestellung ein und
gestatten nicht die Sicherheit der Diagnose wie die nach 2 Stunden 37°
positiven Befunde.
In Tab. IV wurden zunächst die Geimpften (31 Personen) von den Un-
geimpften (33 Personen) unterschieden, da für erstere das Auftreten von
Mitagglutination behauptet ist. In jeder von beiden Gruppen wurden noch
Untergruppierungen vorgenommen nach dem Vorhandensein oder Nichtvor-
handensein von Typhus- und Paratyphusagglutininen sowie nach der Avidität
derselben. Gruppe A enthält Sera, die keine Typhus- und Paratyphus-
1 Höfer und Schiemann fanden unter 51 Typhnabazillenträgern 7 mal,
unter einer allerdings geringeren Zahl von Typhuskranken 1 mal solche träge Re¬
aktionen. Siehe auch Gäthgens, sowie Paltauf in Kolle-Wassermanns
Handbuch. II. Aufl. Bd. III. S. 498.
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zusammenstellung der bei vergleichender Agglutination mit 2 Shiga-Kruse-Stämmen, einem y-Ruhrstamm, einem
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
416
0. Schiemann:
agglutinine enthalten, Gruppe C solche, die typische, d. h. schon nach
2. Stunden 37° nachweisbare Agglutinine mit Typhus zeigen, während
Gruppe B eine Zwischengruppe bildet und die Sera enthält, die mit Typhus
erst nach 24 Stunden oder überhaupt nur mit Paratyphus agglutinieren.
Dabei kam es mir zunächst u.a. darauf an, festzustellen, wie sich die
(nicht spezifischen) Mitagglutinationen auf die Reaktionen von 1:100 und
1:50 verteilen, ob also die Heraufsetzung des Titers tatsächlich zu einer
Ausschaltung unspezifischer Agglutinationen führt, und wie groß anderer¬
seits die Verluste an spezifischen Ausschlägen durch Vernachlässigung der
Reaktionen 1:50 werden. Zugleich sollte der Versuch gemacht werden,
inwieweit sich durch die vergleichende Agglutination, d. h. durch die
gleichzeitige quantitative Untersuchung aller Sera auf Ruhr-, Typhus-
und Paratyphusagglutinine eine sicherere Serodiagnose der Ruhrfälle ge¬
winnen läßt.
Tabelle V.
Übersicht über die Häufigkeit hoher und niedriger Shiga-Kruse-Reaktionen
mit Stamm Feddersen, die nach den Ergebnissen von Tab. IV geordnet
sind. Die eingeklammerten Zahlen geben an, wie oft der Endtiter in 2 Stunden
bereits erreicht war, dabei sind die nach 2 Stunden bereits 1:200 positiven
Reaktionen nicht mitgezählt; sie werden am Schluß besonders aufgeführt.
1. Sera von Zivil¬
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Zahl der
unter¬
suchten
Fälle
Davon
positiv
Reaktionen von
1:100 oder mehr
Reaktionen von
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Summa
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1(0)
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Davon Reaktionen
1 :200 n. 2 Stdn. |
1
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
417
3. Zusammenlegung
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Zahl der
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suchten
Fälle
Davon
positiv
Reaktionen von 1
| 1:100 oder mehr !
Reaktionen von
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spez.
Aggluti¬
nationen
Mitagglu¬
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Übersicht über die Reaktionen mit Stamm Shiga-Original in der gleichen
Weise nach Tab. IV zusammengestellt.
1. Sera von Zivil¬
personen
1
Zahl der
unter¬
suchten
Fälle
Davon
positiv
Reaktionen von
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1
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33
27
14(1)
8(3)
2(1)
4(1)
Davon Reaktionen 1:200 n. 2 Stdn.
5
2
•
•
2. Sera von Militärpersonen
in der Gruppe A .
9
6 1
4(1)
1(0) ,
o
1(0)
1' !! „ B
8
6
4(0)
2(0)
0
0
» yy ft C
14
13 i
5(2)
6(0)
0
2(1)
Summa .
31 j
25
13(3)
9(0)
0
3(1)
Davon Reaktionen 1:200 n. 2 Stdn.
4 i
5
•
3* Zusammenlegung
von 1. u.
2.
in beiden Gruppen A
18
11
8(2)
2(0) j
1 1(1)
0
” » v B
20
16
9(0)
4 (1)
1 (0)
2(0)
” » c
26
25
10(2)
n {2) ,j
o ;
4(2)
in den Gruppen
46
41 ,
i
19(2)
15(3) 1
1(0) !
6(2)
in den Gruppen
64
52
27 (4)
17(3)
2(1)
6(2)
A+B+C
1
I
j.
Davon Reaktionen 1 :200 n. 2 Stdn. ;
9
7
•
Zeltachr. f. Hygiene.
LXXXII
27
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418
0. Schiemann:
Überblickt man die Zahlen der Tab. IV und die in Tab. V daraus ge¬
gebene Zusammenstellung, so ist die Beurteilung am einfachsten bei den
Fällen, wo Typhus- und Paratyphusagglutinine gänzlich fehlen (Gruppe A).
Von diesen 18 Fällen — Zivil- und Militärpersonen zusammengefaßt —
reagierten 8 positiv mit Shiga-Feddersen, und zwar 3 bis 1:100 und darüber,
5 nur bis 1:50. Nach dem Verhalten des Stammes gegenüber Normalsera
sind die ersteren wohl mit ziemlich großer, die letzteren mit etwas geringerer
Wahrscheinlichkeit als Ruhrfälle anzusehen. Bei Untersuchung mit 18 Nor¬
malsera gab der Stamm „Original“ 13mal nach 24 Stunden Agglutination
1:25+, dann lOmal auch 1:50+ und 7mal 1:100+, während Stamm
Feddersen 6 mal 1:25, aber niemals 1:50 eine deutliche Reaktion zeigte.
Vergleicht man hiermit die Ergebnisse bei den Sera, die ander¬
weitige Agglutinine enthielten, so darf man wohl zunächst schließen, daß
in der Tat auch bei unserem Shiga-Kruse-Stamm Feddersen eine gewisse
Mitagglutination auf Grund einer Typhus- oder Paratyphusinfektion
häufig ist. Von 46 Patienten, Zivil und Militär wiederum zusammenge¬
rechnet — da auch hier kein wesentlicher Unterschied beider Gruppen
festzustellen ist! —, deren Sera Typhus- oder Paratyphusagglutinine (oder
häufig beide zusammen) enthielten, also von den Gruppen B + C, zeigten
nicht weniger als 36, also beinahe */ t gleichzeitige Ruhragglutination (siehe
Tab. V). In 17 Fällen davon, die 1:100 und darüber, sowie in 5, die nur
bis 1:50 agglutinieren, im ganzen also in 22 Fällen, erreicht die Agglutination
mit Typhus oder Paratyphus denselben Wert, wie die mit Ruhr, hier können
wir also nach den oben angegebenen Kriterien mit größerer oder geringerer
Wahrscheinlichkeit die Diagnose auf Shiga-Kruse-Ruhr stellen, in 14 Fällen
dagegen haben wir nach dem oben Gesagten die Ruhragglutination mit Wahr¬
scheinlichkeit als eine bloße Mitagglutination anzusehen; darunter sind nur
2 Agglutinationen von 1:100, dagegen 12 von 1:50. Wenn diese Befunde
ausschließlich an Soldaten erhoben wären, so könnte man daran denken,
daß es sich in allen oder doch fast allen Fällen nicht um Mitagglutination,
sondern um Mischinfektion bzw. abgelaufene Ruhr handelt; unter den
Zivilpersonen ist aber ein so häufiges Vorkommen der Mischinfektion an
Ruhr mit Typhus und Paratyphus wohl nicht anzunehmen. Aus demselben
Grunde, nämlich weil die Zivilbevölkerung ähnliche Zahlen eigibt, wie
das Militär, ist anzunehmen, daß nicht die Typhusschutzimpfung an sich
eine stärkere Mitagglutination mit Ruhr im Gefolge hat, sondern daß
eine solche überwiegend nur da zu erwarten ist, wo aus irgendeiner Ur¬
sache Typhusagglutinine vorhanden sind. Nach den Zahlen der Gruppen B
spielen aber auch die Paratyphusagglutinine eine ähnliche Rolle. Inwieweit
umgekehrt auch Typhus- und Paratyphusagglutination als Mitagglutination
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
419
infolge einer Ruhrinfektion auftreten mag, wollen wir dahingestellt sein
lassen.
Wenn wir ähnlich wie Schmidt uns die Frage zu beantworten suchen,
wo die Grenze für die diagnostische Verwertung der Ruhragglutination
zu ziehen ist, so ist — bei unserem Shiga-Kruse-Stamm Feddersen —
die Agglutination 1:50 für sich allein nicht als beweisend anzusehen, unter
unserem Material ist sogar wahrscheinlich die Agglutination in dieser Höhe
nur lOmal als spezifische Reaktion, 12mal als Mitagglutination aufzufassen.
Umgekehrt würden wir allerdings, wenn wir die Reaktion 1:50 überhaupt
nicht in Rechnung ziehen, 10 Fälle verlieren, in denen die Diagnose Ruhr
wahrscheinlich ist, davon 5 Fälle auch bei Geimpften. Darauf, daß man durch
Wahl anderer Ruhrstämme erheblich bessere diagnostische Ergebnisse erhält,
scheint mir nach den mehrfachen Versuchen anderer Autoren wenig Aussicht
zu bestehen. Nun hat Schmidt vorgeschlagen, diejenigen Sera, bei denen
die Reaktion 1:50 erst nach 24 Stunden positiv wird, als negativ anzusehen.
Nach unserem Material würden hierbei — wie die in Klammern gesetzten
Zahlen der Tab. V, Nr. 3 zeigen — von 10 wahrscheinlich spezifischen Aus¬
schlägen 4 verloren gehen, dafür aber würden anstatt 12 nur 5 wahrscheinlich
nicht spezifische Mitagglutinationen übrig bleiben. Das Verfahren hat also,
wie schon Schmidt hervorhebt, seine Vor- und Nachteile, und wir möchten
auf Grund unserer Zahlen nicht entscheiden, ob im Durchschnitt der Vor¬
oder Nachteil überwiegen wird. Doch ist hier in besonderem Maße eine
sorgfältige Auswahl des Teststammes erforderlich, wenn diese frühen Aus¬
schläge die Sicherheit der positiven Deutung eines Shiga-Kruse-Widals
erhöhen sollen. Wie Tab. VI zeigt, ergeben derartige Reaktionen mit dem
Stamm Original in der Mehrzahl der Fälle ein falsches Urteil; besonders
lehrreich ist in dieser Beziehung der auch in Tab. III aufgeführte Widal
des Patienten Fritz Falk (100 + in 2 Stunden bei positivem Typhus¬
bazillenbefund im Stuhl). Auch die hohe Zahl der Sera (16), die mit dem
Stamm Original bereits nach 2 Stunden den Titer 1:200 erreichen, und
von denen beinahe die Hälfte unspezifisch ist, mahnt zur Vorsicht. Es
ist wohl möglich, daß eine andere Abstufung der Serumverdünnungen,
z. B. 1:40, 1:80 usw. auch bei dem Stamme Feddersen in der Regel noch
eine Erhöhung der frühen Reaktionen innerhalb 24 Stunden hätte zutage
treten lassen, so daß dann vielleicht die Zahlen unserer Tabelle weniger günstig
für die Schmidtsche Deutung dieser Reaktionen liegen würden. Hier ist
daran zu erinnern, daß nach Martini und Lentz die Agglutination der
Shiga-Kruse-Bazillen erst nach 20 Stunden die Titergrenze erreicht.
Größere Sicherheit gibt ohne Zweifel die vergleichende Agglutination
mit Ruhr, Typhus, Paratyphus, wie wir sie ausgeführt haben; hier kann
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420
0. Schiemann:
man u. E. bei Fehlen fremder Agglutinine auch die Shiga-Kruse-Reaktion
1:50 verwerten und bei Konkurrenz mehrerer Agglutinine mit einer ge¬
wissen Wahrscheinlichkeit die Bakterien, die am höchsten beeinflußt
werden, als Erreger ansehen. Es sei nochmals betönt, daß es sich dabei
natürlich nur um eine mehr oder minder große Wahrscheinlichkeit, nicht
um Sicherheit handelt. Noch bessere Anhaltspunkte würde man haben,
wenn man alle Agglutinationen, anstatt wie in unseren Tabellen bis 1:200,
bis zum Endtiter treiben würde; das würde sich aber, wenigstens in einem
größeren Untersuchungsamt kaum durchführen lassen. Auch so ist die
vergleichende Agglutination schon ein recht umständliches Verfahren,
und den Ergebnissen haftet trotz allem unverkennbar eine erhebliche
Unsicherheit an.
Unter diesen Umständen wäre es sehr willkommen, wenn sich die
neue Technik der grobklumpigen Agglutination als ein besseres und ein¬
facheres diagnostisches Mittel bewähren sollte; wir haben daher zunächst
einige Untersuchungen über die Grundlagen dieser Methode gemacht.
3. Vergleichende Untersuchungen Ober die gewöhnliche (fein¬
körnige) Agglutination, die grobklumpige Agglutination und die
Sedimentation bei Ruhrbazillen.
Unsere Untersuchungen sollten zunächst die Frage klären, ob die von
Friedemann und Dünner empfohlene grobklumpige Agglutination in der
Tat, wie es nach den vorliegenden Berichten scheint, bis zu einem gewissen
Grade eine selbständige Reaktion ist, die nicht immer mit der gewöhnlichen
Agglutination Hand in Hand geht, ferner die Frage, ob verschiedene, sonst
gut agglutinable Ruhrstämme hinsichtlich dieser neuen Reaktion Unter¬
schiede zeigen. Es sei sogleich bemerkt, daß nach allen bisherigen Unter¬
suchungen die Vorteile dieser Reaktion nur bei der Widalschen Probe mit
menschlichen Sera zutage treten; für die Identifizierung verdächtiger
Kulturen durch agglutinierende Tiersera liegt dagegen kein Anlaß vor,
von der üblichen Technik abzugehen, bei der auch die feinkörnigen Reak¬
tionen als spezifisch gerechnet werden. Die Urteile, die feinkörnige Agglu¬
tination bei Ruhr sei überhaupt nicht mehr als spezifisch anzusehen,
können höchstens mit dieser Einschränkung gelten; wie unsere Versuche
zeigen, geben manche echte und gut agglutinable Ruhrstämme überhaupt
gar keine grobklumpige Reaktion.
Was nun die Technik der grobklumpigen Agglutination anbetrifft,
so hat Schütz sich mit der Begründung, es sei schwer, sicher festzustellen,
wo die Grenze zwischen einer groben und feinen Agglutination zu ziehen
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
421
sei, abfällig über die Methode geäußert. In meinen ersten Versuchen kam
ich auch zu dieser Auffassung und wurde erst durch eine von Professor
Friedemann persönlich vorgenommene Bestimmung der angesetzten
Proben über den Kernpunkt des Verfahrens belehrt. Er beruht einfach
darauf, daß die Röhrchen vor der Beurteilung nicht geschüttelt
werden dürfen, wie es sonst im Institut geübt und auch, wie eingangs
erwähnt, von, Lentz ausdrücklich vorgeschrieben wird. Der Bodensatz
darf nur eben durch leichtes Neigen des Glases von der Glaswand abge¬
löst werden. Andernfalls werden die Klumpen zerschüttelt und die Reak¬
tion wird dann uncharakteristisch. Eine grobe Agglutination stellt sich
in ihrer typischen Form dem Auge etwa wie in Wasser auf geweichtes und
grob zerbröckeltes Papier dar. Die einzelnen Brockel sind von ungleicher
Größe und Gestalt (bälkchenförmig, grützeartig). War dieses Bild nicht
deutlich ausgesprochen, hatten die an sich ziemlich großen Bröckel alle
die gleiche Korngröße, oder traten nur einzelne grobe Bröckel neben fein¬
körnigen Haufen auf, so wurden solche Reaktionen bei unseren Bestim¬
mungen stets als feinkörnig gerechnet. Bei solchem Vorgehen bietet (bei
geeigneter Auswahl der Stämme, vgl. unten) unserer Erfahrung nach die
Beurteilung der grobklumpigen Agglutination nach Dünner zum min¬
desten keine erheblich größere Unsicherheit, als die Feststellung des Titers
bei der gewöhnlichen Agglutination.
Die feinkörnige (gewöhnliche) Agglutination wurde, nach kräftigem
Schütteln, mit der Lupe festgestellt.
Ich habe nun aber neben der groben und feinen Agglutination noch ein
drittes Verfahren geprüft, nämlich das der Sedimentation. Es ist das
ein Verfahren, das zunächst vonKoch unter Mitarbeit vonNeufeld(Koch,
Ges. W., II, 847) für die serologische Diagnose des Rotzes ausgearbeitet wurde
und das sich für diesen Zweck ausgezeichnet bewährt hat; es wird dabei all¬
gemein als Agglutination bezeichnet. Die Technik ist zuerst von Kleine
ausführlich mitgeteilt worden; es werden recht dünne, durch Papier filtrierte
Aufschwemmungen von abgetöteten Rotzbazillen verwendet, die durch
Phenolzusatz konserviert werden. Neufeld hat dann in derselben Weise
die Streptokokkenagglutination mit karbolversetzten Kulturen in Serum¬
bouillon beobachtet. Das Entscheidende ist immer die Prüfung des nach
24 Stunden gebildeten Bodensatzes: in den Kontrollen senken sich die
Bakterien der Schwere folgend als runde Kuppen zu Boden, in den Röhrchen
mit spezifischem Serum bilden sie statt dessen eine gerinnselartige Mem¬
bran, oft mit zackigen Rändern. Kuhn und Woithe haben später die
Reaktion bei Typhus, Paratyphus und Ruhr unter der Bezeichnung als
„Sedimentation“ näher untersucht, sie fanden, daß die Ausschläge dabei
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422
0. Schiemann:
nicht immer der gewöhnlichen Agglutination parallel gehen, und daß z. B.
bei Cholera ohne Zentrifugieren überhaupt keine Sedimentation eintritt.
Sie lassen daher in ihrer ersten Arbeit dahingestellt, ob die Sedimentation
eine reine Agglutinationswirkung, oder ob dabei noch eine eigene, bisher
unbekannte biologische Reaktion im Spiele ist; in der zweiten Arbeit
sprechen sie sich im Sinne der ersten Annahme aus.
Eine andere Form zur Beobachtung der Sedimentation und zugleich
zur Beschleunigung der Reaktion hat Gäthgens und später Messer¬
schmidt vorgeschlagen, nämlich das Zentrifugieren der Agglutinations¬
proben; die Beobachtungen beziehen sich auf Ty, Tbc, Meningokokken.
Mit diesem Verfahren erhielt Gäthgens bei 100 Widalschen Proben
Ergebnisse, die völlig mit denen der gewöhnlichen Agglutinationstechnik
übereinstimmen.
In unseren Versuchen haben vor die Sedimentation als positiv be¬
zeichnet, wenn in den ganz vorsichtig gehobenen Röhrchen bei Betrach¬
tung von unten eine deutliche Membran am Boden zu erkennen war, die
in den starken Serumkonzentrationen oft dicke, zackige Ränder aufwies,
während sie in den schwächeren Verdünnungen ganz zart und gleichmäßig
war; in der Kontrolle müssen die Bakterien dagegen einen knopfförmigen,
runden Bodensatz bilden. Nach Feststellung der Sedimentation wurden
dieselben Röhrchen zur Bestimmung der grobklumpigen Agglutination
leise geneigt und schließlich zur Untersuchung auf die gewöhnliche fein¬
körnige Agglutination in der üblichen Weise geschüttelt.
Zunächst untersuchten wir zwei stark agglutinierende Shiga-Kruse-
Patientensera, und zwar gleichzeitig mit einer Anzahl verschiedener Shiga-
Kruse-Stämme einer- und y- oder Flexnerstämmen andererseits; einige
Stämme wurden noch mit einem dritten Serum untersucht. Es zeigte
sich dabei, daß — wie ja auch schon aus den Mitteilungen von Friede¬
mann und Steinbock hervorgeht — die atoxischen Arten häufig auch
mit Shiga-Kruse-Serum die grobklumpige Agglutination geben, und zwar
läßt sich hier keine Spezifitätsgrenze ziehen, da die grobe Agglutination
überhaupt nur geringe Werte erreicht (vgl. Tab. IX).
Als Menge der Serumverdünnung und der Bakterien fanden wir ge¬
eignet: 0-5 ccm Serum Verdünnung und 2 Tropfen einer Abschwemmung
einer 24stündigen Agarkultur in 2-5 ccm NaCl-Lösung. Beobachtet wurde
nach 24stündigem Stehen im Zimmer. Einige Versuche mit größeren
Volumina (1*0 ccm und 2-0 ccm), mit verschieden starken Aufschwem¬
mungen und bei 37° ergaben keine Verbesserung.
Die Untersuchungen wurden an 23 Shiga-Kruse-Stämmen, 17 y- und
5 Flexnerstämmen durchgeführt. Die Ergebnisse sind in den Tabb. VII
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose. 423
bis IX für die toxischen und atoxischen Ruhrbazillen getrennt aufgeführt,
während die Bestimmung stets an beiden Arten gleichzeitig erfolgte.
Tabelle VII.
Verhalten verschiedener Shigastämme gegenüber je zwei Sera an
Shigaruhr leidender Patienten.
Mit Serum A Mit Serum B Mit Serum V
vor kurzem ent- vor kurzem ent- vor 8 Monaten ent¬
nommen (mit Karbol nommen (mit Karbol nommen (mit Karbol
Bezeichnung:
aufbewahrt)
aufbewahrt)
*
ufbewahrt)
o
des
Stammes
Agglu-
tination
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1000
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1000
200
100
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99
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1000 200
500
200
100
1000
99
Original
1000 0
>10000
•
•
1000
0
>10000
>9
Ono I
500 0
>10000
•
•
200
0
> 10000
99
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500 200
500
500
100
1000
99
Bavisionek
500 200
500
•
•
200
100
100
n
27
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500
200
100
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200
100
100
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500
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500
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200
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200
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200
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200
200
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1000
500
200
200
99
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200
•
•
•
200
100
100
99
1481
t 200 200
1000
•
•
•
200
100
200
99
41
1 200 100
200
500
100
500
*9
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200 100
200
200
100
200
99
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o
o
Ol
200
200
100
200
99
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200 100
100
200
100
200
99
32
200 50
500
200
200
500
Die zu den Versuchen benutzten Sera waren drei stark agglutinierende
Patientensera, von denen zwei im Beginn der Versuche am gleichen Tage
in größerer Menge entnommen waren und, mit 0-5 Proz. Karbol versetzt
aufbewahrt, mehrfach benutzt wurden. Ein drittes Serum war schon vor
3 Monaten entnommen und mit Karbol versetzt aufbewahrt worden, es
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424
0. Schiemann
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
425
wurde nur zu einer geringen Anzahl von Bestimmungen verwendet, da
das eine der beiden anderen Sera nicht für alle Stämme reichte. Alle
drei Sera agglutinierten etwa gleich stark.
Tabelle IX.
Verhalten von verschiedenen Flexner- und Y-Stämmen gegenüber je zwei
Sera an Shigaruhr leidender Patienten.
Mit Serum A
Mit Serum B j
Mit Serum V
Bezeichnung
Agglutination
Agglutination
Agglutination
des
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Sedi- |
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0
0
0
In Tab. VIII sind die
Titerhöhen
zusammengestellt,
die sich bei
23 Shiga-Kruse-Stämmen mit dem Serum A nach den drei verschiedenen
Methoden ergaben. Dabei zeigt sich zunächst, daß die drei Reaktionen
zwar in vielen Fällen annähernd parallel, in anderen jedoch
weit auseinander gehen. Sie sind also in gewissem Grade
unabhängig voneinander: sowohl zwischen grob- und feinkörniger
Agglutination als auch zwischen der Sedimentation und jeder der beiden
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426
0. Schiemann:
Agglutinationsformen finden wir zuweilen große Differenzen. Es liegt am
nächsten, die Ursache dafür in einer Verschiedenheit der physikalischen
Eigenschaften der einzelnen Kulturen zu suchen, die die Sedimentierung
und die Haufenbildung und weiterhin die Entstehung großer oder kleiner,
fester oder loser Haufen beeinflussen.
Es ist nun eine weitere Frage, ob auch die Antistoffe, die bei den
drei Reaktionen beteiligt sind, iu ihrer Wirkung in gewisser Hinsicht
voneinander verschieden sind; hierüber kann nur die Untersuchung einer
größeren Zahl von Sera mit denselben Stämmen Auskunft geben. Derartige
Untersuchungen liegen in den schon besprochenen Arbeiten von Dünner,
Friedemann und Steinbock vor; aus denselben ergibt sich in der Tat,
daß bei Untersuchung einer größeren Zahl menschlicher Immun- und
Normalsera die Titer für grobklumpige und feinkörnige Agglutination
durchaus nicht immer parallel gehen. Dieses Verhalten gibt uns ja erst
die Berechtigung, die „grobklumpige“ Agglutination als besondere Unter¬
suchungsmethode einzuführen. Gewisse Unterschiede in gleichem Sinne
ergeben sich auch aus unserem Material, obwohl unsere Untersuchungen
nicht speziell auf diesen Punkt gerichtet waren.
Von den drei Verfahren ergibt die Sedimentation weitaus die größten
Schwankungen, von 1:100 bis 1:50000, sie ist also bei einzelnen
Stämmen eine sehr empfindliche Reaktion. Dabei liegt der Durchschnitts¬
titer der untersuchten Stämme etwa bei 1:500. Die feinkörnige Aggluti¬
nation ergibt ebenfalls einen durchschnittlichen Titer von etwa 1:500,
die Schwankungen liegen aber nur zwischen 200 und 1000. Die grob¬
klumpige Agglutination zeigt die geringsten Schwankungen, sie geht nie¬
mals über 1:200 und zwar ergibt weitaus die Mehrzahl der Stämme
(nämlich 15 von 23) den Endtiter 1:200. Zu bemerken isjt dabei aller¬
dings, daß auch bei gleichem Titer die Klumpenbildung nicht ganz gleich
ist; einzelne Stämme bilden auffallend große Klumpen, so daß sie sich
also für derartige Untersuchungen besonders eignen, bei anderen sind die
groben Flocken nicht ganz so charakteristisch. Eine besondere Aufmerk¬
samkeit beanspruchen aber die beiden Stämme, bei denen gar keine grobe
Agglutination beobachtet wurde. Diese beiden Stämme, die bei dreimaliger
Wiederholung der Versuche immer dasselbe Resultat aufwiesen, zeigten
zugleich die Eigentümlichkeit, jedesmal eine exzessiv hohe Sedimentation
zu geben. Die beiden ersten Male wurde die Grenze der Reaktion nicht
erreicht, das dritte Mal ging sie bis 1:50000 +, 1:100000 —. Es besteht
demnach in diesen Fällen ein gewisser Antagonismus zwischen Sedimentation
und grober Agglutination. Ob die Herkunft der beiden Stämme aus Asien
— Stamm Shiga-Original wurde uns seinerzeit von Shiga zugesandt.
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Beiträge zur serologischen Buhrdiagnose.
427
Stamm Ono I stammte von einer mandschurischen Epidemie — oder,
was wohl wahrscheinlicher ist, die lange Fort Züchtung eine Bolle bei
dieser Eigentümlichkeit spielt, lassen wir dahingestellt. Zur Charakteri¬
sierung der benutzten Stämme überhaupt sei noch folgendes mitgeteilt:
Stamm Shiga-Original und Ono I sind durch viele Jahre fortgezüchtete
Laboratoriumsstämme. Die übrigen Stämme waren sämtlich während der
Kriegszeit gezüchtet. Stamm Feddersen, ein 1 Jahr alter, vom westlichen
Kriegsschauplatz herrührender Stamm, zeigt gute feinkörnige und deutliche
grobklumpige Agglutination (bis 1: 200, einmal bis 1: 500), die Klumpen
sind dabei von mittlerer Große. Stamm Barisionek und Teplachoroff v
1 Jahr alte, von russischen Kriegsgefangenen herrührende Stämme, zeigen
größere Klumpen als alle anderen untersuchten Stämme; derartige Kul¬
turen dürften für diagnostische Untersuchungen am zweckmäßigsten zu
benutzen sein. Zwei Stämme, Shiga 32 und Shiga 1432, zeigten mit je
einem Serum eine grobe Agglutination bis 1:200, während das andere
Serum denselben Stamm nur bis 1:50 agglutinierte. Die übrigen Stämme
agglutinierten grob bis 1:100 und 200 mit mittlerer Beaktion wie Stamm
Feddersen.
Tab. IX zeigt, daß keine der drei Methoden, wie das für die feine
Agglutination ja bereits von Martini und Lentz festgestellt ist, eine
Differenzierung der verschiedenen Buhrtypen mit Patientenserum gestattet;
vielmehr werden bei jedem Verfahren die y- und Flexnerstämme vielfach
mit beeinflußt. Besonders auffallend ist in dieser Beziehung der hohe
Titer für grobklumpige Agglutination, den der y-Stamm Ono V mit dem
Serum B erreicht. Es handelt sich hier ebenfalls um einen asiatischen
Stamm. Und zwar hatte Ono bei der erwähnten mandschurischen Epi¬
demie konstatiert, daß der y-Typ Ono V besonders schwere Buhr ver¬
ursachte, während der Shigatyp bei leichteren Erkrankungen gefunden
wurde. Je ein Vertreter der beiden Typen wurde damals unserem Institut
zugesandt. 1
Einer Erklärung bedürfen noch die vielen Fragezeichen in der Tab. IX.
Sie bedeuten, daß in diesen Fällen die Agglutination sich aus recht groben
Häufchen zusammensetzte, aber doch eine ziemlich gleiche Korngröße der
einzelnen Häufchen untereinander aufwies. Es kommen also tatsächlich
Fälle vor, bei denen man im Zweifel sein kann, ob man sie der groben
oder der feinen Agglutination zuweisen soll; wenn sie aber, wie in unseren
Versuchen nur bei der Mitagglutination der atoxischen Arten, nicht bei
der Beeinflussung der Shiga-Kruse-Bazillen durch Shiga-Patientenserum
1 Nach einer persönlichen Mitteilung von Hrn. Geheimrat Lentz.
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0, Schiemann:
gefunden werden, so bilden sie kein Hindernis für die Anwendung der
Reaktion. Was die Spezifität der grobklumpigen Agglutination betrifft,
so haben wir in dieser Hinsicht nur ein kleines Material zur Verfügung,
nämlich 18 menschliche Normalsera; in Bestätigung der Mitteilungen von
Dünner und Friedemann und Steinbock fanden wir mit beiden
Stämmen in den Verdünnungen 1:25, 1:50 und 1:100 niemals eine
ausgesprochene Reaktion, während dieselben Sera, wie oben erwähnt, mit
dem Stamm Feddersen mehrfach wenigstens in der Verdünnung 1:25,
mit Stamm Original dagegen häufig bis 1:100 feinkörnig aggluti-
nierten.
Zum Schluß seien noch kurz einige Versuche mit einem vom selben
Patienten wie das Serum A, nur aus einem späteren Stadium der Rekon¬
valeszenz stammenden Serum berichtet. In diesen (zwei) Versuchen wurden
13 Shigastämme miteinander verglichen, und zwar wurden die Verdünnungs¬
stufen von 1:10, 1: 20, 1: 50, 1:100 bis 1:100000 abgestuft. Es erwies
sich dabei, daß zwar die Verdünnungen 1:10 und 1:20 stets auch eine
grobklumpige Reaktion gaben, soweit dieselbe überhaupt erzielt wurde,
daß sie jedoch in ihrer Stärke der gewöhnlich bei 1:200 oder 1:100
liegenden Endreaktion glich, während die Verdünnung 1:50 eine ungleich
stärkere grobklumpige Reaktion hervorrief. Dieser Umstand erscheint mir
insofern wichtig, als dieser Zonencharakter der Reaktion sich, wie in der
Einleitung ausgeführt, auch in den Tabellen von Friedemann und
Steinbock wiederspiegelt und zwar bei einigen Fällen in der Weise, daß
die Reaktion 1:40 noch feinkörnig ist, während 1:80 oder auch 1:160
grobklumpig reagieren. Vielleicht darf man annehmen, daß hierbei Schutz¬
kolloide eine Rolle spielen.
4. Über den Einfluß des Erhitzens auf die Aggluünabilität von
Ruhrbazillen und über die Möglichkeit der HersteUung eines
haltbaren Ruhrdiagnostikums.
Die Untersuchungen, über die nachstehend berichtet wird, wurden
von Marine-Oberstabsarzt Dr. Gräf während seines Kommandos zum
Institut ausgeführt, jedoch nicht veröffentlicht, da der eigentliche Zweck,
die Herstellung eines vollkommen zuverlässigen, mindestens V* Jab* halt¬
baren Ruhrdiagnostikums, nicht ganz erreicht wurde. Die Protokolle
wurden mir von Herrn Geheimrat Neufeld für diese Mitteilung über¬
geben.
Zu den Versuchen wurde zunächst ein Shiga-Kruse-Stamm „Strat-
mann“ aus der Döberitzer Epidemie 1902 benutzt, und die Konservierung
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
429
der Bakterienaufschwemmungen nach folgendem Verfahren versucht: Ein-
stündiges Erhitzen auf 55°, desgleichen auf 60°, 1 / 4 stündiges Erhitzen im
Dampftopf, Zusatz von Formalin 1:1000 und 1:10000, Chloroform 3 Proz.,
Karbol 0-3 Proz., Thymol (als Kristall zugesetzt), Äther 10 Proz., Kochsalz
10 Proz. und 33 Proz., Milchzucker 33 Proz., Glyzerin 50 Proz., Chlor¬
kalk 1:1000, Eintrocknen der abgekratzten Kulturmasse * im Ex¬
sikkator.
Das konservierte Material wurde zum erstenmal nach 3 Wochen, zum
zweitenmal nach 3—4 Monaten geprüft. Dabei zeigten vor allem die mit
Milchzucker und mit Äther, sodann die mit Formalin und mit Kochsalz
aufgehobenen sowie die auf 55° und 60° erhitzten Proben spontane Aus¬
flockung, die anderen Proben agglutinierten zum Teil schlecht. Weitaus
die besten Ergebnisse lieferten die im Dampftopf gekochten Bakterien.
Sogleich nach dem Erhitzen agglutinierten die Bakterien nicht
nur bis zu viel weiteren Serumverdünnungen als vorher, sondern
auch, was für die praktische Ruhrdiagnose erwünscht erscheint, erheblich
schneller; sie behielten die Eigenschaften meistens in demselben Grade
bei, wenn sie bis zu 3 Monaten mit Thymol oder 1 j 2 Proz. Karbol versetzt
aufbewahrt wurden. Allerdings war die Ausflockbarkeit nicht nur dem
spezifischen Serum gegenüber erhöht, sondern die konservierten Proben
zeigten auch gegenüber manchen Normalsera von Menschen sowie y-Ruhr-,
Typhus- und Paratyphus-Kaninchenimmunsera eine Mitagglutination bis
etwa 1:100 gegenüber einer solchen von 1:10, selten 1:30 der lebenden
Bazillen, dafür geben sie aber auch mit homologen Sera 10 mal so hohe
Ausschläge als die lebenden Bazillen. Das Nähere ergibt Tab. X und XI.
Bei weiteren Versuchen zeigte sich aber, daß einzelne Proben des Dia-
gnostikums, die in derselben Weise hergestellt und aufbewahrt waren, aus un¬
bekannten Gründen schon nach 3 Monaten Versagten, indem sie ziemlich
stark spontan ausflockten; bei anderen, die nach 3 Monaten noch aus¬
gezeichnet reagierten, trat später dieselbe Erscheinung ein. Das Verfahren
konnte also für die Praxis nicht als zuverlässig empfohlen
werden.
Dieselbe Methode wurde damals auch an drei anderen Shiga-Kruse-
Stämmen sowie einigen Flexner- und y-Stämmen der Sammlung des
Instituts und an vier Meningokokkenstämmen versucht. Der Erfolg war
jedoch in allen Fällen schlecht: bei den Shiga-Kruse-Stämmen trat keine
Erhöhung des Titers ein, dagegen nach wenigen Wochen schon spontane
Ausflockung; auch bei sämtlichen Meningokokkenproben stellte sich in
kurzer Zeit Spontanagglutination ein, ähnliche Ergebnisse lieferten die
Flexner- und y-Stämme.
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430
0. Schiemann:
Tabelle X.
Vergleichende Prüfung mit Shiga-Kruse-Bazillen hergestellter Diagnostica.
Das Diagnostikum ist bei Zimmertemperatur im Dunkeln aufbewahrt.
Agglutination mit Kaninchen-Testserum 1.
Beobachtung nach:
V, Stunde
1 37 ’
2 Stunden
37®
24 Standen
Zimmertemperat.
1. Agarabschwemmung von lebenden
Bazillen (24 ständig)
1:300
1:300
1:3000
2. Material von derselben Platte,
15 Minuten im Dampftopf gekocht
1:1000
1:3000
1 i
i
1:30000
3. 15 Minuten gekochtes, ohne Anti¬
septikum 20 Tage aufbewahrtes
Material
1:300
1:1000
1
1:10000
4. Material wie 8. zubereitet, mit
0 • 5 Proz. Karbolzusatz auf bewahrt
1:300
1:1000
1:30000
i
5. Material wie 3. zubereitet, mitThy-
molzusatz (1 Kristall zu 10 ccm)
aufbewahrt
1:1000
1:3000
1:30000
Tabelle XI.
Agglutination mit Kaninchen-Testserum 2.
Beobachtung nach
'/, Stunde
37 #
1 2 Stunden
; 37®
24 Stunden
| Zimmertemperat.
1. Agarabschwemmung von lebenden
Bazillen (24 ständig)
1:100
1:2000
j 1:2000.
2. 15 Minuten gekochtes, ohne Anti¬
septikum 3 Monate aufbewahrtes
Material
1:2000
1:40000
1:40000
1
j
3. wie 2., jedoch mit Karbol auf¬
bewahrt
1:500
1:20000
1:20000
4. wie 2., jedoch mit Thymol auf¬
bewahrt
1:2000
1:2000
1
1:20000
Leider war der Stamm „Stratmann“ zu Kriegsbeginn eingegangen,
so daß die Versuche nicht wieder aufgenommen werden konnten. Ich
habe aber in letzter Zeit 13 Shiga-Kruse-Stämme in dieser Richtung unter¬
sucht, indem ich Proben derselben Agarabschwemmung, lebend und nach
20 Minuten langem Kochen im Dampftopf, mit stark agglutinierendem
Shiga-Kruse-Patientenserum (Serum A) prüfte. Die Reaktion im Reagenz¬
glas, nach 24 Stunden mit der Lupe abgelesen, blieb 4mal auf der gleichen
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
431
Höhe, 9mal sank sie um das 2—5fache, keinmal erhöhte sie sich. Ebenso
waren die Titer für die großklumpige Agglutination und die Sedimentation
in keinem Falle erhöht, bei mehreren Stämmen dagegen verringert. Die
Kochsalzkontrollen waren nicht beeinflußt.
Es ergibt sich also das merkwürdige Resultat, daß ein
bestimmter Shiga-Kruse-Stamm durch Erhitzen in seiner
Agglutinabilität ganz anders beeinflußt wurde, als alle anderen
untersuchten Shigastämme. Daß verschiedene Bakterienarten bei
einer bestimmten Art der Sterilisierung sich bezüglich der Agglutination
ganz verschieden verhalten, ist schon mehrfach beschrieben worden. So
berichtet Smidt, daß, während Typhusbazillen nach Abtötung bei 60°
noch agglutinieren, Paratyphusbazillen dabei ihre Agglutination völlig
einbüßen, während sie bei Abtötung durch Formol gut reagieren. Stüh-
linger fand im Chloroform ein Mittel, das die Agglutinabilität der Para¬
typhusbazillen unversehrt ließ, aber die der Typhusbazillen vernichtete.
Die Versuche desselben Autors zur Herstellung eines haltbaren Ruhr-
diagnostikums hatten keinen Erfolg.
Zusammenfassung der Ergebnisse.
Während früher eine positive Agglutination von Shiga-Kruse-Ruhr-
bazillen mit dem Serum verdächtiger Kr ankh eitsfälle bereits in der Ver¬
dünnung 1:50 als beweisend galt, haben neuere Erfahrungen während
des Krieges zu ungünstigeren Ergebnissen geführt. Nach Untersuchungen
von Kutscher, Dünner, Friedemann und Steinbock und von Schmidt
treten im Serum Typhusgeimpfter (nach Kutscher auch Cholerageimpfter)
häufig Mitagglutinine auch für Shiga-Kruse-Ruhrbazillen auf. Die letzteren
drei Autoren nehmen überhaupt eine Steigerung der Mitagglutinine — oder
Nebenagglutinine — auch durch gewisse andere Krankheiten an. Durch
diese Erfahrungen erscheint die Bedeutung der Agglutinationsprobe zur
Diagnose der Ruhr stark beeinträchtigt.
Nach Schmidt ist diesem Übelstand durch Auswahl eines gegenüber
Normalagglutininen möglichst wenig empfindlichen Stammes und gleich¬
zeitige Heraufsetzung des Titers auf 1:100 (bei Prüfung nach 24 Stunden)
zu begegnen. Jedoch gehen dabei eine Anzahl von positiven Diagnosen
verloren, da häufig der Agglutinationstiter bei Ruhrkranken unter 1:100
bleibt. Die Reaktion in der Verdünnung 1:50 soll nur, wenn sie bereits
nach 2 Stunden positiv ist, eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestatten.
Bei meinen Versuchen mit einer Anzahl Ruhrpatientensera agglutinierte
nur einer von zwei verglichenen Shiga-Kruse-Stämmen regelmäßig, während
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0. Schiemann:
der andere gelegentliche Mitagglutination mit anderweitigen Sera, z. B.
auch mit einem Typhuspferdeserum zeigte, andererseits aber auch zu¬
weilen inagglutinabel wurde. Es muß also zunächst ein spezifisch reagierender
Stamm in dieser Weise durch Prüfung an einer Anzahl Normal- und Immun¬
sera ausgewählt werden.
Bei Prüfung einer größeren Anzahl von Patientensera mittels ver¬
gleichender Agglutination auf Typhus-, Paratyphus-B, y- und Shiga-Kruse-
Agglutinine ergab sich, daß die Agglutination des gewählten Shiga-Kruse-
Stammes bei gleichzeitig vorhandenen Typhus- oder Paratyphusagglutininen
— gleichviel, ob diese sich bei Geimpften oder Nichtgeimpften finden —
höchstens in einer Verdünnung von 1:100 eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose
auf Shigaruhr zu stellen gestattete. Werte von 1:50 waren in der über¬
wiegenden Mehrzahl der Fälle mit großer Wahrscheinlichkeit als Mit¬
agglutination aufzufassen. Eine größere diagnostische Bedeutung gewinnt
eine positive Shiga-Kruse-Agglutination, wenn das betreffende Serum gleich¬
zeitig mit Typhus-, Paratyphus-B- (eventuell auch A-) Bazillen untersucht
wird und dabei negativ reagiert. Dieses vergleichende Verfahren ist jedoch
für die Anwendung im laufenden Betriebe eines Untersuchungsamtes etwas
umständlich.
Da die praktische Verwendung des Shiga-Kruse-Widal unter den
gegenwärtigen Umständen in bisheriger Form den neueren Erfahrungen nach
recht unsichere Ergebnisse liefert, so verdient eine neue zuerst von Friede-
mann beobachtete Form der Reaktion, nämlich die grobklumpige
Agglutination großes Interesse. Diese Reaktion ist nach Dünner und
Friedemann und Steinbock bei echten Shiga-Kruse-Ruhrinfektionen fast
stets zu finden und wurde bisher nicht als unspezifische (Mit- oder Neben¬
agglutination) beobachtet. Kürzlich hat allerdings Jacobitzin einer Anzahl
von Fällen auch die grobklumpige Agglutination bei nicht Ruhrkranken
bis 1:50 (nicht aber 1:100) positiv gefunden. Es müssen daher wohl
weitere Untersuchungen abgewartet werden, bevor die Grenze, in der die
grobklumpige Agglutination bei menschlichem Serum als sicher spezifisch
anzusehen ist, festgesetzt werden kann. Als beweisend würden dabei aber
unseres Erachtens nur Untersuchungen anzusehen sein, bei denen ein
bisher von den Autoren nicht hervorgehobener Punkt der Versuchstechnik
beachtet wird.
Die grobklumpige Agglutination ist nämlich unserer Erfahrung nach
mit Sicherheit von einer starken feinkörnigen nur zu unterscheiden, wenn
das Reagenzglas nicht, wie es in unserem und wohl in vielen anderen
Laboratorien bei der Agglutinationsprüfung üblich ist, geschüttelt wird;
es darf vielmehr nur so leise bewegt werden, als es zum Auf wirbeln des
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Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
433
Bodensatzes gerade genügt. Die Hauptkennzeichen der groben Aggluti¬
nation sind die außerordentliche Größe, die unregelmäßige Form und
verschiedenartige Korngröße der agglutinierten Partikel Bei stärkerem
Schütteln gehen diese Kennzeichen verloren; die Korngröße wird geringer
und einheitlich, und die Reaktion ist dann nicht mehr mit Sicherheit als
grobklumpig zu erkennen.
Von 23 mit drei stark agglutinierenden Patientensera geprüften Shiga-
Kruse-Stämmen ergaben 21 das Phänomen der grobklumpigen Agglutination,
allerdings in verschiedenem Grade; zwei sonst gut agglutinierende Stämme
gaben bei mehrmaliger Prüfung stets nur die feinkörnige, nie die grob¬
klumpige Agglutination. Für diese Reaktion ist daher die Auswahl be¬
sonderer Stämme notwendig. Die erwähnten beiden Stämme zeigten da¬
gegen bei einer dritten Modifikation, die zum Vergleich herangezogen
wurde, nämlich der „Sedimentation“ (nach Kuhn und Woithe) gegen¬
über den anderen Shiga-Kruse-Stämmen eine außerordentlich gesteigerte
Empfindlichkeit.
Da hiernach die Titer der drei Reaktionen, nämlich der gewöhnlichen
(feinkörnigen) Agglutination, der grobklumpigen Agglutination und der
Sedimentation, bei den 23 Shiga-Kruse-Stämmen stark differierten, sind
die Reaktionen als nebeneinander hergehende, bis zu einem gewissen Grade
voneinander unabhängige Vorgänge zu betrachten.
Die grobklumpige Agglutination zeigte mit einem stark agglutinierenden
Patientenserum bei allen 13 daraufhin geprüften Stämmen ein deutliches
Optimum, das meist bei der Verdünnung 1:50 lag, die Reaktionen 1:10
und 1:20 waren deutlich schwächer.
Ein Shiga-Kruse-Stamm (Stratmann) agglutinierte in Versuchen von
Dr. Gräf im Gegensatz zu 16 anderen Shigastämmen nach Erhitzen im
Dampftopf erheblich besser und schneller als lebend und behielt, mit
Karbol versetzt, in vielen Fällen seine gute Reaktionsfähigkeit mehrere
Monate bei, doch waren die Ergebnisse nicht regelmäßig genug, um die
Herstellung eines zuverlässigen, haltbaren Ruhrdiagnostikums zu gestatten.
Zeltschr. 1 . Hygiene, LXXX 1 I
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434 0. Schiemann: Beiträge zur serologischen Ruhrdiagnose.
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Literaturverzeichnis.
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Smidt, Zentralbl. f\ Bakteriologie. Orig. Bd. XXXVIII. S. 24.
Stühlinger, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt. Bd. LIV. S. 54.
Gch igle
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[Aas dem Hygienischen Institut der Technischen Hochschale Danzig.]
Zur Bakteriologie der broncho-pneumonischen Erkrankungen
bei Fleckfieber.
Von
Prof. Dr. J. Petrnsohky,
Vorstand des Hygienischen Instituts der Technischen Hochschule und fschirstllcher Beirut für Hygiene
beim stellvertretenden XVII. A.-K. Danzig.
(Hlersu Taf.VIII-X.)
Die große Mehrzahl derjenigen, welche sich mit Untersuchungen Uber
die Krankheitsursache des Fleckfiebers beschäftigt, haben, stand unter
dem Eindruck der französischen Arbeiten von Nicolle, Conseil und
Conor, die von der Voraussetzung ausgingen, daß das Fleckfieber eine
ausschließlich durch Läuse übertragene Blutkrankheit und ihr Erreger
ein reiner Blutparasit sei. Die Auffassung, daß die Läuse, namentlich
die Kleiderläuse, an der Übertragung des Fleckfiebers wesentlich beteiligt
sind, hat durch die Erfahrungen dieses Krieges eine immer festere Stütze
gewonnen, und die Läusebekämpfung hat praktisch der Fleckfieber¬
bekämpfung große Dienste geleistet.
Offen ist noch die theoretische Frage von der Natur des Fleckfieber¬
parasiten. Die Auffassung, daß es sich um einen Blutparasiten aus dem
Beiche der Protozoen handeln müsse, ist nicht unanfechtbar. Die bisherigen
Ergebnisse nach dieser Richtung sind noch nicht hinreichend einheitlich,
um der Auffassung eine hinreichend feste Grundlage zu geben. Auch
Pilze oder Bakterien könnten durch Läuse übertragen werden, nicht nur
durch Stich, sondern auch durch Verbreitung des Läuseschmutzes, voraus¬
gesetzt, daß die Erreger im .Körper der Läuse ein» Vermehrung erfahren.
Ich erinnere an die Verschleppung des Streptothrixpilzes durch das auf
verschimmelten Tapeten schmarotzende Lathridiuskäferchen. 1 Aber auch
nach dieser Richtung geben die bisherigen Untersuchungen bei Fleckfieber
1 VgL Ko Ile-Wassermann, Handbuch der Infektionskrankheiten. Abschnitt:
Trichomyceten-Trichobakterien.
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436
J. Petruschky:
noch keinerlei feste Anhaltspunkte. Die bisher bekannt gewordenen
Bakterienbefunde sind fast durchweg aus Blut Untersuchungen gewonnen,
zum Teil durch recht fragwürdige Anreicherung in flüssigen Nährböden,
während wieder andere Autoren behaupten, daß das Blut bei Fleckfieber
sich verhalte „wie eine sterile Flüssigkeit“.
Als ich im Winter 1914/15 zum erstenmal Gelegenheit hatte, eine
größere Fleckfieberepidemie unter den russischen Gefangenen des Lagere
Tuchei zu beobachten, erinnerte ich mich alsbald der Lehren meine»
verehrten Meisters R. Koch und suchte nach irgendwelchen Ausschei¬
dungen der Kranken, in denen etwaige Infektionserreger reichlich und
vielleicht zuweilen in reinem Zustande schon mikroskopisch zu finden seien.
Im Urin zeigte sich nichts Derartiges, er war meist steril. Auch das
Blut war vorwiegend frei von Bakterienkeimen. Im Gegensatz hierzu
ergab die Untersuchung des Auswurfs, der fast immer vorhanden war,
reichlich charakteristische Befunde eines kleinen Bacillus, den ich anfäng¬
lich für den Influenzabacillus hielt, der sich aber alsbald als ein Lebe¬
wesen sui generis herausstellte. Von den ersten 17 Auswurf proben, welche
ich untersuchte, enthielten 2 den Bacillus in Reinkultur (vgl. Fig.l, Taf.VIII).
Daraufhin entschloß ich mich zu einer vorläufigen Veröffentlichung 1 ,
um die Aufmerksamkeit anderer Beobachter auf den Auswurf der Fleek-
fieberkranken zu lenken und zu weiteren Beobachtungen anzuregen. Bald
nach meiner Veröffentlichung erhielt ich eine briefliche Mitteilung von
Herrn Dr. Arnheim aus Stade, welcher in dem von ihm geleitet»
Medizinal-Untersuchungsamt analoge Befunde bei Fleckfieber erhob»
hatte. Etwas später teilte er seine Beobachtungen in der Deutschen
medizinischen Wochenschrift unter Beifügung von zwei Abbildungen mit.*
Wenn man von der Verwechslung der Unterschriften und der etwas rauh»
Wiedergabe der Bilder absieht, spricht namentlich die Abbildung der Kolo¬
nien mit der charakteristischen Verdichtung im Zentrum („Hütch»“)
für die Identität der Arnheim sehen Bazillen mit den meinigen.
Ich hatte mir inzwischen die Spezialaufgabe gestellt, die entzünd¬
lichen Affektionen der Atmungswege bei Fleckfieberkranken genauer zu
studieren und namentlich festzustellen, welche Mikroorganismen am
häufigsten dabei zu finden sind, und ob noeh weitere unbekannte
Arten sich darunter finden. Ferner festzustellen, ob die gefundenen Arten
auch in der Leiche nachweisbar sind, namentlich ob sie ins Blut
übergehen und in anderen Organen als den Bronchien nachweisbar
sind. Bei diesen Untersuchungen hoffte ich am ehesten ein Urteil darüber
1 Zenlralblaä /. Bakt. I. Abt. Originale. 1916. Nr. 7.
1 Deutsche med. Wochenschrift . 1915. Nr. 36.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 487
zu gewinnen, ob es sich bei diesen oft sehr influenzaähnlichen Affektionen
der Atmungswege um Mischinfektioneu mit der eigentlichen Krankheit
oder um Teilerscheinungen des Fleckfiebers selbst handelt. Ich habe
meine Untersuchungen mehr als ein Jahr lang fortgesetzt, obwohl das
Material zuletzt Bpärlich floß, und bin zu einem abschließenden Urteil,
welches sich mit Bestimmtheit beweisen ließe, noch nicht gelangt, möchte
aber mit der Veröffentlichung meiner Beobachtungen nicht länger zurück'-
halten, da ein junger Kollege, Herr Hermann Reuter, weloher sich
auf Veranlassung des Herrn Geheimrat Flügge behufs Ausarbeitung
einer Dissertation an mich wandte, inzwischen die Aufgabe übernommen
und durchgeführt hat, die bisherigen bakteriellen Befunde bei Fleck*
fieber zusammenzustellen und zu vergleichen. Es scheint mir empfehlens¬
wert, beide Arbeiten möglichst gleichzeitig erscheinen zu lassen.
I. Die Auswurfuntersuchungen bei Fleckfleberkranken.
In den typischen Fallen bestand der Auswurf aus einem zähen,
glasigen Schleim von ebenso klebriger Beschaffenheit wie der Auswurf
der an Lanceolatuspneumonie Leidenden. Der Fleckfieberauswurf enthielt
aber fast nie „rostbraune“ Stellen, sondern mehrfach, wenn auch nicht
regelmäßig, kleinste, weniger als hirsekorngroße, rote Blutpunkte. Rein
eitrige Stellen, wie sie der Auswurf Influenzakranker fast immer enthält,
fehlten gewöhnlich. Wo sie vorhanden waren, ließ sich Mischinfektion
mit Eiterkokken nachweisen, die relativ selten war.
Bei einem Besuche im Institut für Infektionskrankheiten in Berlin
Ende März 1915 hatte ich zufällig Gelegenheit, einen SputumausBtrich
auf Ascitesagar meines verehrten Freundes Cornet, des leider kurz vorher
an Fleckfieber verstorbenen bekannten Tuberkuloseforschers, zu untersuchen.
Schon bei schwacher Vergrößerung zeigte die Platte sehr zahlreiche
charakteristische Kolonien, und das Klatschpräparat ließ deutlich die mit
dem Typus Fl übereinstimmenden Bazillen 1 erkennen. Herr Professor
Zettnow hatte die Güte, Photogramme von der Cometplatte sowie von
einer von mir mitgebrachten Reinkulturplatte des F1 sowie von einem
Auswurfpräparate aus Tuchei herzustellen 1 und mir für diese Veröffent¬
lichung zu überlassen, wofür ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten
Dank abstatte. Eine Weiterzüchtung der F-Bazillen von der Cometplatte
gelang leider nicht mehr, da die Platte schon einige Tage alt und von
Kokkenarten stark durchsetzt war.
1 Vgl. die Photogramme Nr. 3 und 4, Taf. VIII u. IX.
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J. Petruschky:
Was nun die Eigenschaften des Bacillus Fl in der Beinkultur an¬
langt, so erscheint er in der Agarkultur kräftiger, zuweilen auch länger
als im Sputumpräparat, wie dies die Fig. 6, Taf. IX erkennen läßt.
Außerdem nimmt er in Reinkultur die Färbung nach Gram tadellos an,
wenn zur Vorfärbung eine Karbol-Gentianaviolettlösung benutzt wird,
die etwa l 1 /* Proz. Karbol enthält Im Auswurf ist die Gramfärbung erst-
dann durchführbar, wenn das getrocknete Sputumpräparat in Alkohol-Äther¬
mischung vorbehandelt wird, weil sonst das ganze Präparat von Gentiana-
klexen durchsetzt erscheint und einzelne Bazillen kaum erkennen läßt.
Vom Influenzabacillus, an welchen Fl im Sputumpräparat bei
monochromer Färbung erinnert, ist also der Bacillus Fl schon durch
die Färbung nach Gram immer mit Sicherheit zu trennen. Bei der
Färbung nach Giemsa erscheint der Bacillus wesentlich kleiner und
bipolar gefärbt, während das Mittelstück blaß erscheint.
Zur Züchtung ist von festen Nährböden Nutroseagar, am besten mit
Zusatz von je 1 Proz. Glyzerin und Traubenzucker, geeignet. Zusatz von
Blut wie bei der Züchtung des Influenzabacillus, ist nicht nur nicht er¬
forderlich, sondern sogar unvorteilhaft. Auf Löfflerserum wächst Bacillus
Fl gut, im Kondenswasser des Löfflerserums sogar besonders üppig und
mit Neigung zur Kettenbildung (Fig. 2, Taf. VIII). Auf Gelatine ist ein
Wachstum nicht zu erzielen, da der Bacillus nur bei Bruttemperatur wächst.
Von flüssigen Nährböden ist gewöhnliche Fleischbrühe wenig, da¬
gegen solche mit je 1 Proz. Glyzerin- und Traubenzuckerzusatz gut ge¬
eignet.
Auf Lackmusmolke wächst der Bacillus ohne wesentliche Änderung
der Färbung, auf dem Gärungskölbchen ohne Gasbildung und ohne
Trübung der Flüssigkeit. Das Wachstum auf allen flüssigen Nährböden
ist ausgesprochen krümelig (Spontanagglutination); daher sind leider
Agglutinationsversuche mit Serum nicht durchführbar.
Der Unterschied vom Pseudodiphtheriebacillus, dem er im Klatsch¬
präparat etwas ähnelt, ist durch diese Wachstumseigentümlichkeiten ohne
weiteres ersichtlich.
Die Kolonien auf Nutroseagar bleiben anfangs klein und durchscheinend,
wenn auch nicht so durchsichtig wie z. B. Pneumokokkenkolonien. Sie
reflektieren auffallendes Licht stark, was zum Teil dadurch bedingt er¬
scheint, daß sie häufig einen zentralen Kegel (ein „Hütchen“) zeigen, der
über das Niveau des Randes der Kolonie hervorragt. Diese besonders¬
charakteristische Gestalt der Kolonie ist bei schwacher Vergrößerung
— etwa fünfzigfach — gut erkennbar und in den Figg. 3 bis 5, Taf. VIII,
IX, sowie Fig. 8, Taf. X wiedergegeben.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 439
Bei starker Vergrößerung — etwa 1*200 fach (Fig. 5, Taf. IX und Fig. 9,
Taf. X) — zeigen die Kolonien ein deutlich grobkörniges Aussehen, im Gegen¬
satz zu den glatten oder sehr feinkörnigen Kolonien der Streptokokken.
Das gefärbte Klatschpräparat zeigt dann die Zusammensetzung der
Kolonien aus einzelnen Bazillen (Fig. 6, Taf. IX), die im Verbände der
Agarkolonien meist größer erscheinen als z. B. in dem Kondenswasser
der Löfflerröhrchen (Fig. 2, Taf. VIII), in welchen die Neigung zur Ketten¬
bildung hervortritt.
. Außer diesem Typus Fl, welcher in den Fleckfiebersputis sowie in
den Fleckfieberleichen fast ausnahmslos nachweisbar war, wurden in einem
Teil der Sputa sowie in einigen Leichen noch Mikroorganismen gefunden,
die mir von Auswurfuntersuchungen einheimischer Kranken nicht bekannt
waren. In dem zehnten der untersuchten Sputa fanden sich neben dem
Typ Fl zahlreiche Kokken, die sich nicht als zu den bekannten Arten
gehörig erwiesen. Sie wurden als FlOa und FlOb bezeichnet. Die
Kolonien von FlOa auf Agar gleichen fast genau denen der Strepto¬
kokken. Das mikroskopische Bild zeigt aber nicht die bekannten Ketten¬
kokken, sondern kleine, grampositive Kokken, welche die Anordnung
von Staphylokokken zeigen. Nun ist es bekannt, daß auch Staphylo¬
kokken, frisch aus Krankheitsprodukten gezüchtet, oft in kleinen Kolonien
wachsen. Diese aber sind immer wenig lichtdurchlässig („opak“) und
zeigen bei weiterer Fortzüchtung den Übergang in größere Kolonien mit
weißer oder gelber Pigmentierung. Das ist bei FlOa niemals der Fall.
Die Kolonien bleiben immer klein, lichtdurchlässig und ziemlich gleich¬
mäßig in ihrer Größe. Sie wachsen auf gewöhnlichem Agar, gewöhnlicher
Bouillon und auch auf Endoagar, welchen die Fl-Bazillen nicht lieben,
und zwar unter Säurebildung. Dementsprechend röten sie Lackmus¬
molke und Lackmustraubenzuckeragar, was Fl niemals tut.
Der Typus FlOb ist ein größerer, nicht nur in Gruppen, sondern
vielfach auch allein liegender scheinbarer „Monococcus“, der ebenfalls in
kleinen, durchsichtigen Kolonien “wächst, den Streptokokken ähnlich. Er
unterscheidet sich, abgesehen von Größe und Anordnung, auch durch den
Mangel der Säurebildung von FlOa. Bei den folgenden Untersuchungen
wurde FlOa häufiger angetroffen als FlOb.
• Bei den. zahlreichen Kontrolluntersuchungen einheimischer Sputa
wurde FlOb mehrmals gefunden, dagegen FlOa nur einmal bei einer
Dame, die an einem Katarrh erkrankte, nachdem sie von ihrem auf dem
östlichen Kriegsschauplatz tätigen Manne besucht worden war. Die Er¬
krankung verlief relativ leicht ohne wesentliches Fieber und ohne Exanthem.
Von Fleckfieber konnte wohl keine Rede sein, zumal da auch der Ehe-
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440
J. Petrüschky:
mann nicht daran gelitten hatte, und weitere Fälle sich nicht anschlossen.
Typus FlOa möchte ich als „Mikrococcus staphyloides“, Typus
FlOb als „Monococcus sputi major“ bezeichnen.
Ferner ist ein zuerst im Sputum Nr. 24 gefundener Typus zu er¬
wähnen, der sich in Keinkultur von Fl durch die Kolonienform, durch
die besondere Kleinheit seiner Individuen und durch sehr kurze Lebens¬
dauer auf künstlichen Nährböden unterscheidet. Er ist an Ausdauer dem
Typus Fl noch unterlegen, so daß er aus den häufig verkommenden
Mischungen auf der Sputumplatte noch schwerer in Reinkultur zu gewinnen
ist als jener. Eine Mischkultur beider erinnert außerordentlich an den
Formenreichtum einer Pneumokokkenkultur, nur daß die Individuen der
Pneumokokken durchschnittlich viel größer sind. Ich habe eine Zeitlang
geglaubt, eine besondere Pneumokokkenart mit kleinen Gliedern vor mir
zu haben. Durch sorgfältige Auseinanderwirrung der Mischkulturen ließen
sich aber immer nur Fl und F24 gewinnen, die für sich allein keine
Pneumokokkenähnlichkeit mehr aufweisen und auch in der Mischung
nicht die Tierpathogenität des Pneumococcus lanceolatus
zeigen. Bei einer Fortzüchtung der Mischung von Kultur zu Kultur
mit Intervallen von mehr als 5 Tagen bleibt schließlich nur der Typus
F1 übrig. Diese Erfahrung wurde namentlich bei der aus der Leiche 222
gewonnenen Mischung gemacht, aus der Fl anfänglich sehr schwer rein
zu erhalten war. Später habe ich mich von der Variation der Typen F1
und F24 („major“ und „minor“) überzeugt.
Zur Technik der Reinzüchtung möchte ich noch einige Bemerkungen
machen, die bei Nachprüfungen willkommen sein dürften. Es ist ratsam,
die Aussaat von Sputum erst nach mikroskopischer Untersuchung vor¬
zunehmen, um über den Bakterienreichtum vorher einen Anhalt zu ge¬
winnen und dementsprechend eine größere oder kleinere Menge des
Sputums zur Aussaat zu bringen. Die an Plattenepithelien und Saprophyten
reichen Teile des Sputums (Rachensputum), die sich makroskopisch meist
schon durch Schaumblasen kennzeichnen, sind möglichst auszuschalten,
und die rein glasigen, zähen Teile zu verwenden. Das gewählte Schleim-
stückchen wird mit der Platinöse auf die Platte übertragen und mittels
eines Drigalskispatels gut verteilt.
Die Plattenaussaaten sind nach 24stündiger Bebrütung bei 37° mit
der Lupe und mit der schwachen Vergrößerung des Mikroskops zu
durchsuchen, um die charakteristischen Kolonienformen genau zu erkennen.
Die verdächtigen Kolonien werden dann einzeln auf neue Platten über¬
tragen und zwar am besten mittels kleiner sterilisierter Glasgriffel von
der Form eines kurzen, angespitzten Bleistifts, da es mit einer Platin-
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 441
nadel oft schwer ist, die Kolonien vom Nährboden, auf dem sie ziemlich
fest haften, zu entfernen. Nach weiteren 24 Stunden werden die sekundären
Aussaaten mittels der schwachen Vergrößerung des Mikroskops auf Rein¬
heit der einzelnen Kolonienformen geprüft, und eventuell nochmals Tren¬
nung vorgenommen.
Die weitere Fortpflanzung geschieht auf schräg erstarrten Agarröhrchen
oder auch im Agarstich. Die Überimpfung muß wenigstens zweimal in
einer Woche erfolgen, wenn ein Eingehen der Kulturen vermieden werden
soll Ausnahmsweise erhalten sich allerdings Kulturen bis zu 14 Tagen
am Leben, namentlich wenn sie kühl aufbewahrt werden.
11. Leichenuntersuehungen.
Die Untersuchung der Leichenorgane wurde in der Weise vorgenommen,
daß größere Organstücke mit gut erhaltener glatter Serosa der Leiche
entnommen, und die Serosa derselben mittels eines in Alkoholäther ge¬
tränkten, dann ausgedrückten Wattebausches vollständig gesäubert wurde.
Nach kurzer Zeit ist die Oberfläche trocken und steril, was durch Kontroll-
ausstrich festgestellt werden kann. Es wird dann ohne Glühen und
Brennen mit einem sterilen, scharfen Messer ein Schnitt ins Innere ge¬
macht und der hervorquellende Gewebssaft mit dem gleichen Messer ab¬
gestrichen und direkt auf eine Ecke einer Agarplatte gebracht. Von da
aus wird das Material mittels eines Drigalskispatels auf der Fläche des
Nährbodens unter möglichster Ausnützung desselben verteilt, wobei natür¬
lich sorgfältig darauf zu achten ist, daß keine Kolonien mitgenommen
werden, die sich etwa auf mehrtägigen Agarplatten schon als Ver¬
unreinigungen vorfinden. Nach 24 ständigem Wachstum werden die Platten
mit der Lupe und mit der schwachen Vergrößerung des Mikroskops
durchsucht, die verschiedenen Charaktere der kleinsten Kolonien und da¬
mit die Zahl der vorhandenen Arten festgestellt, und nun mehrere Vertreter
jeder Art mittels der erwähnten Glasgriffel auf neue Platten übertragen.
Die Leichenbefunde.
Von April 1915 ab wurden die im Schiffslager „Troyl“ bei Danzig
vorkommenden Fälle von Fleckfieber und Fleckfieberverdacht in dem
Seuchenlazarett „Hochstrieß“ bei Langfuhr untergebracht. Die Leitung
dieses Seuchenlazaretts wurde Herrn Prof. Dr. Bruno Wolff, Privat¬
dozent für pathologische Anatomie in Rostock, übertragen. Es war mir
von besonderem Interesse, den Sektionen, welche in diesem Lazarett von
Herrn Kollegen Wolff vorgenommen wurden, beizuwohnen und persön¬
lich Material zur bakteriologischen Untersuchung zu entnehmen. Die hier
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J. Petruschky:
wiedergegebenen Notizen über die klinischen Diagnosen und das kurz*
gefaßte Ergebnis der Obduktion in makroskopisch-pathologischer Hinsicht
verdanke ich Herrn Prof. Dr. Wolff. Die Bearbeitung der mikroskopisch¬
pathologischen Befunde ist Herrn Kollegen Wolff reserviert worden, ich
gebe daher hierüber keinerlei Notizen. Es handelte sich bei den sezierten
Leichen übrigens nicht durchweg um Todesfälle infolge Fleckfiebers. In
zwei Fällen fanden sich ausgedehnte tuberkulöse Veränderungen, während
für Fleckfieber weder klinisch noch pathologisch Anhaltspunkte sich
zeigten. Diese Fälle schalte ich von der Wiedergabe aus. 1 Ferner schalte'
ich einen Fall aus, welcher vom „Troyl“ als Leiche eingeliefert wurde,
bei welchem eine vorherige klinische Beobachtung nicht erfolgt war. Eis
verbleiben neun Sektionen, deren Ergebnis im folgenden wiedergegeben ist.
L Leiche des Russen Chw., gestorben 18. IV. 1915
(F134 meines Protokolls).
Klinische Diagnose: „Zweifelhaft“.
Pathologischer Befund: Ödeme der Haut. Ascites. Broncho¬
pneumonie. Ecchymosen auf dem Epikard und der Darmserosa. Geringe
Milzschwellung.
Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung: .
1. Subkutanes ödem. Mäßig zahlreiche Kolonien vom Typus F 1,
welche zum Teil überwuchert sind von großen schleimigen Kolonien (Kapsel¬
bazillen).
2. Milz: Steril.
3. Niere: Wenige Kolonien vom Typ F 1, zum Teil verdeckt durch
grobe Kokkenkolonien.
4. Perikardialflüssigkeit: Steril.
ö. Ascitesflüssigkeit: Steril.
6. Bronchialschleim und
7. Lungengewebe: große schleimige Kolonien eines Kapselbacillus, der
gramnegativ ist.* Keine Kolonien vom Typus Fl.
IL Leiche des Russen Ab., gestorben am 25. IV. 1915 (F143).
Klinische Diagnose: Fleckfieber.
Pathologischer Befund: Magere Leiche, keine Ödeme, kein Ascites,
im Herzbeutel etwa 70 ccm seröser Flüssigkeit. Ausgedehnte Pneumonie im
1 Die bakteriologische Untersuchung dieser Fälle war vorgenommen worden
und hatte bezüglich F 1 ein negatives Resultat gehabt. Sie können daher als
.Kontrollfälle“ betrachtet werden. Immerhin war es bemerkenswert, daß die für
„Sekundärinfektionen“ so empfänglichen Tuberkulösen die bei ihren Genossen
vorhandenen F 1-Formen nicht aufgenommen hatten, obwohl sie im Gefangenen¬
lager sowohl als im Lazarett anfänglich als „fleckfieberverdächtig“ mit jenen zu¬
sammen gewesen waren.
* Ein genauerer Vergleich mit den bekannten Kapselbazillen, den Herr Reuter
in seiner Dissertation gibt, reiht diese Bazillen dem TypuB der Rhinoaklerombazillen an.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 443
Unterlappen der linken Lunge. Stauungsnieren, Stauungsleber. Kleine Milz¬
infarkte, kein Müztumor. Die mittleren und feineren Bronchien gefüllt mit
einem zähen, klaren Schleim ohne eitrige Bestandteile.
Bakteriologischer Befund:
1. Blut: Negativ.
2. Perikardialflüssigkeit: Eine Gruppe kleinster Kolonien, welche den
Bacillus F 1 enthalten.
3. Unterhautgewebe: Negativ.
4. Bronchialschleim: Mikroskopisch und kulturell massenhaft kleine
Stäbchen vom Typus Fl.
5. Lunge:
a) Pneumonisches Infiltrat und
b) Rand des Infiltrats: Mikroskopisch und kulturell Stäbchen vom
Typ Fl, im Zentrum des pneumonischen .Infiltrats morphologisch verändert
und langsam wachsend, am Rand typisch und rascher wachsend, keine
einzige Kolonie von Pneumokokken oder Streptokokken; vereinzelte große
Kolonien gramnegativer großer Kokken (Verunreinigung).
6. Bronchialdrüse: Kolonien vom Typ Fl.
7. Milz: 4 Kolonien F 1 neben gelben Kolonien.
8. Leber: 12 Kolonien F 1 neben wenigen großen Kolonien.
9. Niere: 20 Kolonien Fl, fast rein.
10. Unterhautgewebe: Negativ.
m. Leiche des Russen K„ gestorben am 2. V., seziert 3. V. 1915 (F165).
Klinische Diagnose: „Zweifelhaft“, keine frische Erkrankung mehr.
Pathologischer Befund: Hautödem, Ascites, Pleuritis exsudativa
mit großem serösen Erguß beiderseits. Vollständige Atelektase und ödem
der rechten Lunge. Ausgedehnte Pneumonie mit grauer Hepatisation in
beiden Lappen der linken Lunge. Nephritis hämorrhagica. Stauungsleber,
Milztumor.
Bakteriologischer Befund:
1. Blut: Negativ.
2. Perikardialflüssigkeit: Negativ.
3. Ascites: Negativ.
4. Pleuraexsudat: Negativ.
5. Bronchialschleim (glasig, zähe): Mikroskopisch und kulturell sehr
zahlreiche Stäbchen vom Typ F1. Aus einer Öse Schleim etwa
200 bis 300 Kolonien.
6. Lunge:
a) Hepatisation: Negativ.
b) Randpartie: Kolonien von Fl mäßig zahlreich.
7. Niere: F 1 und Pyocyaneus.
8. Milz: Vereinzelte kleine Kolonien vom Typ F 10.
9. Leber: Vereinzelte kleine Kolonien vom Typ F 10 (Traubenkokken,
in kleinen Kolonien wachsend).
10. Unterhautgewebe: Vereinzelte Kolonien vom Typ F 10.
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J. Petruschky:
IV. Leiche des Bossen B M gestorben 6. V. 1915, seziert 10. V. 1915 (F 175).
Klinische Diagnose: Wahrscheinlich Fleckfieber (Exanthem nicht za
bemerken gewesen).
Pathologischer Befund: Allgemeines Hautödem, Ascites, Pleura¬
exsudate, Nephritis parenchymatosa. Stauungsleber.
Bakteriologischer Befund:
1. Unterhautgewebe:
2 Blut*
3. ' Ascitesflüssigkeit: [überwuchert von beweglichen Bazillen (Fäulnis).
4. Niere:
5. Milz: Spärliche, mittelgroße Kolonien. Nichts Charakteristisches.
6. Lunge: Vorwiegend sehr kleine Kolonien, enthaltend sehr kleine
Bazillen vom Typ F 24 (Typus minor). Daneben vereinzelte Kolonien vom
Typ F 1 (Typus major).
V. Leiche des Baasen Chr., gestorben 93. V. 1915, seziert 24. V. 1915 (F188).
Klinische Diagnose: Fleckfieber.
Pathologischer Befund: Anämie der Schleimhäute, ödem der Bauch¬
decken. Hydroperikard. Pleuraexsudate. Ecchymosen auf Perikard und
Pleura, Darmserosa. Kompressionsatelaktase der Lungen. Stanungslungen.
Lungenödem. Diffuse Bronchitis. Ascites. Stauungsleber.
Bakteriologischer Befund:
1. Perikardialflüssigkeit: Aus einer Öse 12 Kolonien des Typ F 1.
2. Blut: 3 Kolonien F 1, 5 Kolonien Staphylococcus albus.
3. Milz: 15 Kolonien F 1 aus einer Öse, rein.
4. Leber und
5. Niere: Nur Staphylococcus albus.
6. Unterhautgewebe: Kleine Kolonien, überwuchert von Staphylokokken.
7. Pleuraexsudat: Kleine Kolonien vom T y p F1, daneben Staphylokokken.
8. Lungengewebe: F 1 und Staphylococcus albus.
VL Leiche des Bussen G., gestorben 21. V. 1915, seziert 28. V. 1915 (F 189).
Klinische Diagnose: „Zweifelhaft“; Fleckfieber nicht beobachtet.
Pathologischer Befund: Starke Hautödeme, Hydroperikard, Hydro-
thorax, Anämie und Myodegeneratio cordis. Ecchymosen auf dem Perikard.
Atelektase des Unterlappens beider Lungen. Diffuse Bronchitis. Ascites.
Milztumor. Nephritis.
Bakteriologischer Befund:
1. Lungengewebe und
2. Milz: Wenige Kolonien verschiedener Arten (Verunreinigung).
3. Haut,
4. Leber und
5. Niere: Kein Bakterienwachstum.
VH. Leiche des Bassen Tsch., gestorben 1. VL 1916 (F 202).
Klinische Diagnose: Fleckfieber.
Pathologischer Befund: Ecchymosen auf dem Epikard. Alte Endo¬
karditis. Hypostatische Pneumonie. Bronchitis. Lungenödem. Hochgradige
Laryngitis und Tracheitis. Milztumor.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 445
Bakteriologischer Befand:
1. Blut: Neben groben Verunreinigungen (Fäulnis) eine Gruppe kleiner
Kolonien vom Typus F 1.
2. Perikardialflüssigkeit: Fl, spärliche Kolonien.
3. Kehlkopfschleimhaut: Vorwiegend große, auf Drigalskiagar säure¬
bildende Kolonien, daneben vereinzelte kleine Kolonien vom Typus F 1.
4. TracheaUchleim: Fl neben groben Verunreinigungen (Fäulnis).
5. Lungengewebe: F 1 und grobe Kolonien.
6. Milz: Fl relativ zahlreich, neben groben Kolonien (Fäulnis).
7. Leber und
8. Niere: Große und kleine Kolonien (Fäulnis), Fl nicht nachweisbar.
Vm. Leiche des Russen Ag., gestorben 8. VI., seziert 10. VL 1915 (F 217).
Klinische Diagnose: „Zweifelhaft“.
Pathologischer Befund: Hydroperikard. Myodegeneratio cordis.
Bronchopneumonie. Ausgedehnte Lungengangrän. Laryngitis. Tracheitis.
Bronchitis. Hautödem. Arteriosklerose.
Bakteriologischer Befund:
1. Perikardialflüssigkeit mit Herzblut vermischt: Etwa 40 bis 50 kleine
Kolonien vom Typps F 24.
2. Lunge I (Gangrän): Fäulnisgemisch.
3. Lunge II: Kleine Kolonien sehr zahlreich („Sternhimmel“) Typus
F 1, daneben Staphylococcus albus.
4. Milz: 12 Kolonien F 1, daneben Staphylococcus albus.
5. Pleuraflüssigkeit, abgekapseltes Exsudat: Nur Staphylococcus albus.
6. Leber: Platte überwuchert von beweglichen Bazillen.
7. Niere: Platte überwuchert von Staph. albus.
8. Ascitesflüssigkeit: Platte überwuchert von Bakt. coli.
IX. Leiche des Russen In., gestorben 19. VL 1915 (F222).
Pathologischer Befund: Pleuritis haemorrhagica et exsudativa. Aus¬
gedehnte Pneumonie beider Lungen. Zahlreiche Ecchymosen auf dem Epi-
kard. Ecchymosen auf der Schleimhaut des Kehlkopfs, auf der Milzkapsel,
in der Schleimhaut des Magens, auf der Darmserosa. Milztumor. Geringes
Hautödem.
Bakteriologischer Befund:
1. Perikardialflüssigkeit: Zahlreiche kleine Kolonien vom Typus F 24,
daneben größere, flache Kolonien eines schlanken, unbeweglichen Bacillus
(Verunreinigung).
2. Blut: Kleine Kolonien vom Typ F 24, anscheinend rein (Typus minor).
3. Infiltrat der Lunge: Kleine Kolonien vom Typus F 24 sehr reichlich,
anscheinend rein (mikroskopisch vorwiegend Typus minor, daneben aber
einige Gruppen des Typus major = F 1). Bei weiterer Züchtung
gewinnt F 1 in der Mischkultur die Oberhand. (Vgl. später die Be¬
sprechung der Variationsfrage.)
4. Bronchialsekret: Kleine Kolonien vom Typus Fl und 24 gemischt.
5 bis 7. Milz, Leber, Niere: Von Verunreinigungen überwuchert.
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J. Petruschky:
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111. KomplementbindimgsTersache.
Da Agglutinationsversuche wegen des krümeligen Wachstums des
Bacillus F1 auf allen flüssigen Nährböden und der Unmöglichkeit, von
festen Nährböden homogene Aufschwemmungen zu bekommen, keine über¬
zeugenden Ergebnisse versprechen konnten, so versuchte ich wenigstens,
ob auf dem Wege der Komplementbindungsversuche serologische
Beziehungen zwischen dem Blute von Fleckfieberrekonvaleszenten und
dem Bacillus Fl festzustellen seien. Die Versuche stießen auf nicht ge¬
ringe Schwierigkeiten. Da die Rekonvaleszenten meist stark anämisch
waren, scheuten sich die behandelnden Kollegen, ihnen noch Blut zu
entnehmen. Von den eingesandten Blutproben, die ich in der Mehrzahl
dem Gefangenenlazarett Bütow verdanke, waren einige stark spontan
hämolysiert, die gewonnenen Serumproben daher von vornherein dunkel
gerötet. Andere Serumproben enthielten lipoide Schwimmstoffe, die sich
an der Oberfläche ansammelten. Diese Proben wirkten ohne jeden Zusatz
komplementbindend. Es blieben daher nach Ausschaltung dieser nur
wenige Serumproben übrig, mit denen einwandfreie Versuche angestellt
werden konnten.
Ähnliche Schwierigkeiten boten die Kulturen. Die frisch gewonnenen
Bouillonkulturen von Fl ließen keine deutliche Komplementbindung er¬
kennen. Ich hatte daher diese ganzen Versuche bereits auf gegeben und
nahm sie erst später mit älteren Bouillonkulturen wieder auf, nachdem
eine Mischung von drei Kulturen, die ich zum Zwecke perkutaner
Immunisierungsversuche bereitet hatte 1 , eine ausgesprochene Komplement¬
bindung gezeigt hatte. Natürlich wurden die erforderlichen Kontrollen
in ausgiebiger Weise angestellt, auch Komplementbindungsversuche mit
serösen Flüssigkeiten und Organextrakten von Leichenteilen, die von den
Obduktionen gewonnen waren, wurden vorgenommen, wobei sich zeigte,
daß ein und dasselbe Serum gegenüber den Flüssigkeiten verschiedener
Leichen sich verschieden verhielt. Wollte man diese Versuche als allem
ausschlaggebend ansehen, so müßte man zu der Ansicht Naunyns ge¬
langen, daß das Fleckfieber nicht eine einheitliche Krankheit ist, sondern
daß es „verschiedene Fleckfieber“ gibt.
Versuche mit Serum Nr. 239 (aus Bütow).
a) Kontrollversuche mit dem hämolytischen System.
1. Hammelblutkörper allein =* klar, Bodensatz.
2. Hammelblutkörper + Komplement = klar, Bodensatz.
3. Sensibil. Hammelblutkörper allein = klar, Bodensatz.
1 Vgl. später S. 461.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 447
4. Sensibil. Hanunelblutkörper + Komplement (2 Proben) «= komplette
Hämolyse.
b) Kontrollversucbe mit Serum 239.
1. Serum 239 + gewaschene Hammelblutkörper (ohne Komplement)
= partielle Hämolyse (Kuppe).
2. Serum 239 + System = komplette Hämolyse.
Es handelte sich also um ein an sich sohon etwas hämolysierendes
Serum. Um so interessanter waren die folgenden Ergebnisse:
c) Versuche mit Leichenstoffen + Serum 239
(alle Proben enthalten das hämolytische System + Serum 239).
1. + Perikardialserum Leiche 217 = klar, Bodensatz, leichte rote Kuppe
= Hemmung.
2. + Organertrakt Leiche 217 = klar, Bodensatz, leichte Kuppe =
Hemmung.
3. + Perikardialserum Leiche 165 = komplette Hämolyse = negativ.
4. + Perikardialserum Leiche 237 = komplette Hämolyse = negativ.
d) Versuche mit dem Kulturgemisch Fl + F 10 -f F 22 + Serum239.
1. + Klare Flüssigkeit = klar, Bodensatz, keine Kuppe.
2. + Flüssigkeit mit Bodensatz (mäßig trübe) «= klar, Bodensatz, keine
Kuppe.
3. + Flüssigkeit mit Bodensatz (sehr stark getrübt) = klar, Bodensatz,
keine Kuppe.
Also bei allen drei Proben starke Komplementbindung; die
spontan etwas hämolysierende Wirkung des Serums war vollkommen
aufgehoben. •
Der Versuch zeigt das verschiedene Verhalten des Serums 239 gegen¬
über den Leichen 217, 165 und 237. Während die von 217 gewonnenen
Stoffe mit dem Serum deutliche, wenn auch nicht vollkommene Komple¬
mentbindung gaben, war dies mit den Stoffen von 165 und 237 nicht der
Fall. Ferner zeigt der Versuch eine vollkommene Komplementbindung
mit dem Kulturgemisch Fl und F10 + F24, sowohl mit der klaren
Flüssigkeit, wie mit dem bakteriellen Bodensatz, wie mit Mischung von
beiden. Es ist dabei auffällig, daß hierbei auch die spontan hämolysierende
Eigenschaft des Serums 239 nicht mehr zum Ausdruck gelangt, sondern
vollkommen gehemmt erscheint. Ich habe den Versuch deshalb noch ein¬
mal wiederholt und das gleiche Ergebnis erhalten; genau ebenso mit
Serum 240.
Im folgenden lasse ich die jedesmal vorgenommenen Kontrollversuche
mit dem hämolytischen System in der Darstellung der Ergebnisse fort.
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448
J. Petruschky:
Versuche mit Serum 240 (leicht gerötet).
1. + gewaschene Hammelblutkörper = partielle Hämolyse.
2. Hämolytisches System = komplette Hämolyse.
3. -f Kulturgemisch I -f hämolytisches System = klar, farblos, Boden¬
satz (Komplementbindung).
4. + Kulturgemisch II — klar, farblos, Bodensatz (Komplement¬
bindung).
6. + Kultur F 1 (60 Tage alt) = klar, Bodensatz, leichte rote Kuppe
(part. Bindung).
Auch hier war die volle Hemmung der hämolysierenden Eigenschaft
des Serums durch das Kulturgemisch sehr deutlich, durch die alte Kultur
Fl nicht gut; eine Komplementablenkung war immerhin auch hier zu
bemerken.
Versuche mit Serum 214.
1. + Perikardialserum Leiche 237 = negativ (komplette Hämolyse).
2. -f alte Kultur F 134 = teilweise Ablenkung (Kuppe).
3. + alte Kultur F 105 = teilweise Ablenkung (Kuppe).
4. + alte Kultur F 10 = vollständige Bindung (klar, Bodensatz).
5. + Kulturgemisch I = teilweise Ablenkung (Kuppe).
Das Serum 214 (ein unter Phenolzusatz aufbewahrtes, etwas älteres
Serum) zeigt also ein wesentlich abweichendes Verhalten. Auf Leiche 237
reagiert es ebenfalls negativ, auf die alten Kulturen 134 und 105, welche
dem Typ F1 entsprechen, schwach positiv, auf F10, den kleinen Coccus,
welcher als Mischinfektion in verschiedenen Sputen, sowie in Leiche 165
gefunden worden war, stark positiv. Leider war die kleine Probe des
Serums mit diesem Versuch und den Kontrollen vollständig verbraucht,
so daß ein Bindungsversuch mit Leiche 165 nicht mehr vorgenommen
werden konnte.
Versuche mit Serum 248.
a) Mit Leichenstoffen (mit Phenol konserviert).
1. -|- Leiche 143 Organextrakt in Phenol 0*5 Proz. = Hemmung positiv.
2. + Leiche 175 Pleuraexsudat = positiv.
3. + Leiche 188 Perikardialserum = positiv.
4. + Leiche 188 Hautödem = negativ (vollständig).
5. + Leiche 189 Perikardialserum *= positiv.
6. + Leiche 153 Perikardialserum (T B-Leiche) = negativ.
7. + Leiche 222 Pleuraexsudat = positiv.
8. + Phenol 0*5 Proz. (Kontrolle) = negativ (rot).
9. + System (Kontrolle) = negativ (rot).
b) Mit alten Kulturen.
1. Kulturgemisch I = positiv (Bindung).
2. Kulturgemisch II = positiv.
3. Kultur F 1 = Hemmung (Kuppe).
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 449
4. Kultur F 134 (= F 1) positiv.
5. Kultur F 143 (= F 1) positiv.
6. Kultur F 188 (= F 1) positiv.
7. Kultur F 105 (= Fl) Hemmung (Kuppe).
8. Kultur F 10 (Coocus) Hemmung (Kuppe).
Serum 243 zeigte also eine deutlich verschiedene Bindung mit Stoffen
von verschiedenen Leichen. Bemerkenswert ist das Fehlen jeder Bindung
mit der Ödemflüssigkeit aus Haut 188, während mit der Perikardial¬
flüssigkeit der gleichen Leiche, einer typischen Fl-Leiche, volle Bindung
erfolgte. Das Hautödem scheint also eine Sache für sich zu
sein, die mit der gesamten Säftemasse auch in dieser Hin¬
sicht nichts zu tun hat. Gegenüber den alten Kulturen zeigte sich
durchweg Bindung, die aber den einzelnen Kulturen gegenüber verschieden
stark hervortrat. Die üppiger gewachsenen zeigten auch deutlichere
Bindung, abgesehen von F10, welche recht üppig wächst, aber mit
diesem Serum nur mäßige Bindung zeigte, im Gegensatz zu der voll¬
ständigen Bindung mit Serum 214. Eine spontan hämolytische Wirkung
auf gewaschene Hammelblutkörper zeigte Serum 243 nicht.
Versuche mit Serum 244.
a) Mit Leichenstoffen.
1. Leiche 188 = Hemmung (kleine Kuppe).
2. Leiche 222 = positiv (Bindung).
3. Leiche 237 = positiv.
b) Mit Kulturen.
1. Kulturgemisch I = positiv.
2. Kulturgemisch II = positiv.
3. Kultur F 1 = positiv.
4. Kultur F 105 (= Fl) = positiv.
5. Kultur F 10 (Kokken) = geringe Hemmung (große Kuppe).
Versuche mit Serum 245.
a) Mit Leichenstoffen.
1. Leiche 188 = mäßige Hemmung (Kuppe).
2. Leiche 222 = positiv.
3. Leiche 237 = positiv.
4. Leiche 105 = positiv.
b) Mit Kulturen.
1. Kultur F 1 == starke Hemmung (kleine Kuppe).
2. Kultur F 10 (Kokken) = geringe Hemmung (große Kuppe).
3. Kultur F 105 (= Fl) = starke Hemmung (kleine Kuppe).
Zettachr. f. Hygiene. LXXXII 29
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450
J. Petruschky:
Fassen wir diese Ergebnisse zusammen, so sehen wir eine Reihe sehr
ausgesprochener Komplementbindungen der geprüften Sera sowohl mit
verschiedenen von Fleckfieberleichen gewonnenen Stoffen (Seren und
Extrakten) als auch ausgesprochene Bindung mit alten Kulturen aus
Sputen und aus Leichen, namentlich mit den beiden aus verschiedenen
Kulturen der gleichen Arten (Fl, F10, F24) hergestellten Kultur¬
gemischen I und II. Diese Kulturgemische zeigten mit sämtlichen Serum¬
proben, mit denen sie geprüft wurden, starke Bindung. Für sich allein
zeigten diese Kulturgemische schon eine leichte Hemmung der Hämolyse;
eine Hämolyse gewaschener Hammelblutkörper brachten sie für sich allein
nicht zustande (diese Kontrollen sind in den Tabellen nicht enthalten).
Sehr eigenartig sind die Verschiedenheiten in dem Verhalten der Sera
gegenüber den Leichenstoffen. Leiche 237 ergab nur mit den Sera 244
und 245 deutliche Bindung, mit den übrigen nicht. Es war eine Leiche,
in welcher F1 nirgends gefunden wurde. Und doch ergaben die gleichen
Sera 244 und 245 auch stark positive Bindungen mit Kultur Fl und
Kulturen gleicher Art. Man sollte daraus die Vermutung entnehmen, daß
der Körper F 237 doch auch mit einer F 1-Infektion zu tun gehabt hatte,
die aber bei der Sektion nicht mehr nachweisbar war. Auf die bemerkens¬
werte Bindung mehrerer Sera mit Kultur F10, dem in feinen Kolonien
wachsenden „Micrococcus staphyloides“, der in einer Anzahl Sputa und
in einigen Leichen neben F1 gefunden wurde, habe ich bereits hinge-
wiesen. Diese Beobachtung scheint die Auffassung zu stützen, daß beim
Fleckfieber auch die selteneren Mischinfektionen nicht ohne Bedeutung
sind und daher auch in einer Beeinflussung des Serums ihren Ausdruck
finden.
IV. Immunisierungsversuche.
Von allergrößter Wichtigkeit wären mir natürlich Infektions- und
Immunisierungsversuche an Affen gewesen, es waren solche jedoch in
keiner Weise zu erlangen. Versuche mit Kaninchen und Meerschweinchen
mußten wertlos erscheinen, da ein auch nur annäherndes Analogon des
menschlichen Fleckfiebers bei jenen nicht zu erzielen war.
Es war daher mein Bestreben, einen ungefährlichen Immunisierungs¬
versuch auf dem Wege der perkutanen Einreibung bei solchen Menschen
anzustellen, welche der natürlichen Infektion ausgesetzt waren. Hierzu
bot sich Gelegenheit in dem Russenlager Troyl, in welchem vom April
1915 ab das Fleckfieber ziemlich ausgebreitet war. Nach Vereinbarung
mit dem Lagerarzt Herrn Stabsarzt Medizinalrat Dr. Birnbach er und
einem russischen Militärarzt wurde von den drei (untereinander getrennten)
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 451
Lagergruppen diejenige ausgesucht, in welcher relativ am meisten Fleck¬
fieberfälle vorkamen; die Gruppe bestand aus etwa 10 Schiffen, von denen
jedes annähernd 300 kriegsgefangene Russen beherbergte. Von diesen
Schiffen wurde Nr. 13 ausgewählt, auf welchem bereits Fleckfieberfälle
mit Todesfällen vorgekommen waren. Der russische Arzt erhielt das
Kulturgemisch I, welches aus Kulturen von Fl, F10 und F24
Typus Ia hergestellt war. Von der Kulturflüssigkeit gut gewachsener
Kulturen in Bouillon mit je 1 Proz. Glyzerin und Traubenzucker waren
*/io abgegossen worden, so daß die Kulturmasse mit 1 / 10 der Flüssigkeit
übrig blieb. Dieses Zehntel wurde dann mit dem gleichen Volumen
Glyzerin gemischt und schließlich die drei Kulturen zusammengegossen.
Diese Mischung habe ich mir zunächst selbst, um ihre Unschädlichkeit
festzustellen, tropfenweise in die Haut eingerieben. Fieber trat nicht auf,
auch die Haut zeigte keine Besonderheiten. Es wurde darauf dem
russischen Arzte eine Menge zur Verfügung gestellt, welche genügte, um
den 286 Insassen des Schiffes Nr. 13 je 2—4—6 Tropfen mit 1 bis 2 Tagen
Zwischenraum in die gesäuberte Haut der Arme einzureiben. Im Laufe
der folgenden Wochen kamen auf diesem Schiffe noch drei Erkrankungen
an klinisch typischem Fleckfieber vor. Ich habe die Kranken im Seuchen¬
lazarett Hochstrieß gesehen und ausfragen lassen. Zwei derselben hatten
nach ihrer Angabe die Einreibungen richtig erhalten, der dritte war
nicht eingerieben worden, da er in der Zeit des Versuchs in der Küche
beschäftigt worden war. Dieser Fall mußte also als „Kontrollfall“ gelten.
Er war der einzige nicht eingeriebene und hatte Fleckfieber bekommen.
Er bewies also schlagend das Vorhandensein der Infektionsgelegenheit
auf dem Schiffe, auf dem er nur geschlafen hatte. Bei den beiden anderen
hatte die Einreibung offenbar nicht einen hinreichenden Schutz verliehen.
Außerdem wurde mir gesagt, daß auf dem Schiff noch fünf weitere Er¬
krankungen mit Fieber vorgekommen seien, die aber keinen Ausschlag
gezeigt und relativ rasch in Besserung übergegangen waren. Nimmt man
an, daß es sich um abortive Formen von Fleckfieber gehandelt hat, so
ist die Erkrankungsziffer auf sieben Fälle bei den Eingeriebenen zu be¬
messen, von denen fünf als günstig beeinflußt gelten konnten. Auf die
Gesamtzahl der Insassen ( 286 ) berechnet, machen die zwei typischen
Fälle, die übrigens beide in Heilung ausgingen, etwa 0-7 Proz. Erkrankungs¬
ziffer aus; bis zum Abschluß der Epidemie kamen auf dem betreffenden
Schiff keine weiteren Fleckficberfälle vor, während sich für die betreffende
Lagergruppe nach Abschluß der Epidemie eine prozentuale Erkrankungs¬
ziffer von 5 Proz. der Insassen ergab, also etwa die siebenfache Zahl
von Erkrankungen bei den nicht Eingeriebenen gegenüber den Ein-
29 *
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452
J. Petrusch ky:
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geriebenen. Da der Versuch an einer immerhin nicht ganz kleinen Gruppe
vorgenommen ist, so kann man wohl von einem zu weiteren Versuchen
ermunternden Ausfall sprechen.
Soviel ich bis jetzt erfahren konnte, ist auch die Erkrankungsziffer
der gegen Typhus nach der Subkutanmethode Geimpften nicht geringer
als 0*7 Proz.
Nun handelt es sich hier zunächst um einen ersten Griff in ein un¬
bekanntes, bisher ganz neues Problem; es ist nicht unwahrscheinlich, daß
weitere Erfahrungen zu einer noch besseren Dosierung, vielleicht auch
zur Hineinziehung weiterer Erreger von Mischinfektionen, kurz zu weiteren
Verbesserungen führen werden, welche eine Ausarbeitung des Verfahrens
zu einem für unsere Ärzte und Pfleger in Fleckfieberlazaretten brauch¬
baren Schutzverfahren ermöglichen. Dann läßt sich vielleicht erhoffen,
daß die bedauerlichen Opfer an Ärzten und Pflegern, wie sie durch die
ersten großen Epidemien unter den Gefangenen leider bedingt worden
sind, darunter Verluste von Männern wie Cornet, Prowazek, Joch-
mann, Roemer, später vielleicht vermieden werden können.
Erwähnen muß ich noch, daß auch ich mich in keiner anderen Weise
geschützt habe, als durch die bei den Gefangenen verwendeten perkutanen
Einreibungen, und vom Fleckfieber nicht ergriffen worden bin, obwohl
ich mich viel in Fleckfieberiagem bewegt und viele Monate lang mit
Kranken, Leichen, Blut und Auswurfstoffen von Fleckfieberkranken zu
tun gehabt habe. Allerdings bin ich in der ersten Zeit nicht ganz krank¬
heitsfrei geblieben, was nicht unerwähnt bleiben soll. Es handelte sich
um eine heftige Pharyngo-Laryngo-Bronchitis mit mehrtägigem Fieber
und einem Gefühl der Abgeschlagenheit, wie ich es kaum je empfunden
habe. Mittels eines Handspiegels konnte ich am harten und weichen
Gaumen sowie namentlich seitwärts an den Gaumensegeln deutlich kleine
Hämorrhagien von etwa Hirsekomgröße sehen, aber ein Hautausschlag
ist nicht zum Ausbruch gekommen. Der Auswurf war zäh und schleimig,
mit kleinen Blutpünktchen vermischt. Die in meinem Laboratorium vor¬
genommene Untersuchung ergab außer Staphylococcus albus kleine
Kolonien von Stäbchen, deren Präparate aufbewahrt wurden, während
die Fortzüchtung der Kulturen leider nicht gelungen ist. Es hat sich
daher nicht mit Sicherheit feststellen lassen, ob die Kolonien dem Typus
F1 entsprachen. Das mikroskopische Bild weicht kaum von dem der
F1-Stäbchen ab.
Von Krankheitserscheinungen war mir die Anämie und Kälte der
Zehen und Finger nach Ablauf des Fiebers bemerkenswert. Ein Bewußt¬
seinsverlust trat auch während der Fieberperiode nicht ein, so daß ich
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 453
die Behandlungsmaßnahmen, die im wesentlichen in starker Schwei߬
erzeugung durch heiße Getränke und nicht ganz geringen Alkoholdosen
bestanden, selbst leiten konnte. Das Wärmebedürfnis war ein ganz
außerordentliches. Ich hatte das Gefühl, daß der günstige Verlauf
von dieser intensiven Wärmezufuhr direkt abhängig war und ohne sie
nicht hätte erzielt werden können. In der Rekonvaleszenz stellte sich
dann fast täglich, später jeden zweiten Tag heftiges Nasenbluten ein, so
daß ich mich entschließen mußte, Herrn Kollegen Behrendt um einen
operativen Eingriff zu bitten. Er stellte Blutung eines kleinen arteriellen
Gefäßes an der Nasenscheidewand rechts fest und beseitigte durch
Kauterisation den Schaden.
Mit Blutproben von mir habe ich nach Ablauf der Erkrankung
Komplementbindungsversuche angestellt. Es stellte sich heraus, daß das
Serum schon für sich allein komplementbindend wirkte.
Das Suchen nach Läusen war vollständig ergebnislos gewesen.
V. Histologische Untersuchungen.
Was nun die histologische Untersuchung von Leichenorganen an¬
langt, so hat mir diese eine Enttäuschung bereitet. Wiewohl man bei
der Gramfärbbarkeit der beiden F-Typen einen leichten Nachweis der¬
selben im Gewebe hätte erwarten sollen, so war doch das Suchen in
den weitaus meisten Organschnitten trotz tadelloser Gramfärbung ver¬
geblich. Es fanden sich nur einzeln und in Gruppen liegende rundliche
Degenerationsformen, aus denen der Zusammenhang dieser mit den
frischen Formen der Reinkulturen keineswegs sehr plausibel erschien.
Nur an einigen wenigen Stellen des peribronchialen Gewebes waren noch
keilförmige Bazillen zu erkennen, deren Zusammenhang mit den Kultur¬
formen des Typus Fl gut erkennbar war. Bei dem Aufschneiden der
kleineren arteriellen Gefäße von Organstücken, namentlich Lungenstücken,
fanden sich verschiedentlich runde, etwa 1 bis 2 mm im Durchmesser große
Schüppchen auf der Intima, welche bei den in Alkohol oder Formaldehyd¬
lösung konservierten Organen durch Abkratzen entfernt werden konnten.
Die mikroskopische Untersuchung ergab teils deutliche kleine Bazillen,
teils gramfärbbare Körper, die als Degenerationsformen bakterieller Gebilde
gelten konnten. Da ich diese Beobachtung erst am konservierten Material
machte, sind Züchtungen nicht vorgenommen worden. Ich möchte aber
künftige Beobachter auf diese Befunde aufmerksam machen. Sie scheinen
mit den bereits von E. Fränkel und nach ihm verschiedentlich von anderen
Beobachtern beschriebenen Erkrankungen der kleinen Kapillarschlingen in
das gleiche Gebiet pathologischer Veränderungen (Endarteritis) zu gehören.
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J. Petrl'schky:
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VI. Vergleichung der eigenen Befunde.
Wenn ich nun meine Befunde bei den Untersuchungen von Auswurf
und Leichenmaterial Fleckfieberkranker und -verdächtiger aus vier ver¬
schiedenen Gefangenenlagern vergleiche, so konstatiere ich zunächst das
relativ seltene Vorkommen der gewöhnlichen Mischinfektionen der
Atmungswege mit Streptokokken und Pneumokokken. Staphylococcus
albus, der an der Grenze zwischen Krankheitserregern und Saprophyten
steht, wurde mehrfach gefunden. Von Vertretern bekannter pathogener
Bakterienarten seien folgende, mehrfach beobachtete genannt:
1. Kapselbazillen, gramnegativ, welche auf festen Nährböden
große schleimige Kolonien bilden und Traubenzucker unter Gasbildung
zersetzen, wurden mehrfach in einer Anzahl gefunden, welche ihre Be¬
teiligung an den vorliegenden Krankheitsprozessen wahrscheinlich er¬
scheinen läßt. Das Prototyp derselben ist der in der ersten Ära der
Bakteriologie von Kreibohm unter Flügge gefundene und in den ersten
Auflagen von Flügges „Mikroorganismen“ beschriebene „Bacillus crassus
sputigenus“, dessen Originalkultur ich noch unter Wolffhügel in der
Bakteriensammlung des Göttinger Hygiene-Instituts fortpflanzte. Es
handelt sich um eine Gruppe ziemlich stark tierpathogener Bakterien¬
stämme, welche in Kolle-Wassermanns Handbuch unter dem Namen
der „Kapselbazillen“ zusammengefaßt sind. Bakterien dieser Gruppe
haben anscheinend bei den verschiedensten Krankheitszuständen während
dieses Krieges eine Rolle gespielt. Denn ich fand sie schon im Sommer
und Herbst 1914 relativ häufig in den Stuhlgängen Ruhrkranker und
Ruhrverdächtiger als Begleiter der Ruhrbazillen und auch ohne diese.
Das sonst im Darm vorherrschende Bact. coli war dabei in den Hinter¬
grund gedrängt. Alsdann waren die Sputa Fleckfieberkranker mehrfach
der Fundort von Bazillen dieser Gruppe, und schließlich fand ich Glieder
dieser Gruppe mehrfach im Urin von Kriegsnephritikem, allerdings nicht
häufig, zuletzt auch noch in der entzündeten Niere eines unter Fleck¬
fieberverdacht Verstorbenen, dessen Organe zur Untersuchung eingesandt
worden waren.
Von den oben beschriebenen neun Leichen, deren Sektion ich persön¬
lich mitgemacht und deren bakteriologische Verarbeitung ich selbst durch¬
geführt habe, enthielt nur Nr. 1 einen Kapselbacillus, und zwar im
Bronchialschleim sowohl wie im ödematösen Unterhautgewebe.
Es kann wohl außer Frage stehen, daß die Bazillen dieser Gruppe
nur als sekundäre Begleiter der eigentlichen Fleckfieberinfektion anxu-
sehen sind, aber vielleicht zur Verschlimmerung der Erkrankung nicht
unwesentlich beitragen.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 455
2. Streptotricheen sind im Auswurfe der Fleckfieberkranken zwei¬
mal nachweisbar gewesen, aber auch in Auswurfproben anderer Herkunft
mehrmals beobachtet worden.
Herr H. Reuter hat in seiner Dissertation die Eigenschaften der
Kulturen genauer beschrieben, so daß ich mich hier mit diesem Hinweis
begnügen kann.
Etwas eingehender muß ich nun aber diejenigen neuen Bakterien¬
stämme besprechen, welche sowohl im Auswurf der Fleckfieberkranken,
als in den untersuchten Blutproben und namentlich auch in Sekreten und
Organen der untersuchten Leichen, zum Teil in sehr reichlicher Menge sich
fanden. Hier konnte ich mich von vornherein <jem Eindruck nicht entziehen,
in dem als* F1 bezeichneten Typus etwas Neues, für Fleckfieber besonders
Charakteristisches gefunden zu haben, das mir bei anderen Auswurf- und
Leichenuntersuchungen bisher nicht begegnet war. Ich fühlte mich daher
verpflichtet, diesen Beobachtungen größere Aufmerksamkeit zu schenken
und sie in dem mir zur Verfügung stehenden Material so weit als mög¬
lich zu verfolgen. Außerdem sind die Kokkentypen F10“ und F10 b zu
erwähnen, welche ich kurz vorweg nehmen möchte. Diese habe ich bei
den seit 1915 in großer Zahl vorgenommenen Kontrolluntersuehungen
von Auswurfproben anderer Art (katarrhalische und tuberkuloseverdächtige
Affektionen der Atmungswege) zuweilen auch wiedergefunden, wenn auch
nicht sehr häufig. Auch bei den Auswurfproben Fleekfieberverdächtiger
waren sie kein besonders häufiger, kein besonders charakteristischer Befund.
Bemerkenswert ist nur noch, daß eines der im Komplementbindungs¬
versuch untersuchten Sera, Nr. 214, Bindungen mit Kulturen des Coccus
FlOa sehr deutlich ergab. Da es sich um das eingesandte Serum eines
Rekonvaleszenten in Bütow handelte, der keinen Auswurf mehr hatte,
so vermochte ich nicht festzustellen, ob während der Erkrankung eine
Mischinfektion mit Coccus F 10a Vorgelegen hatte, glaube es aber an¬
nehmen zu müssen.
Sehr viel häufiger als diese Kokkenbefunde waren die Bazillenbefunde
F1 und F 24 mit ihren charakteristischen Kolonienformen. Sic sind bis¬
her nur bei Untersuchungsmaterial von fleckfieberkranken oder fleck-
ficberverdächtigen Personen gefunden worden 1 , und zwar bisher F1
(Typus major):
in 54 Auswurfproben (zum Teil in Mischung mit F24),
in 6 eingesandten Blutproben,
1 Bei einem der Fülle', der zu einer Gruppe nach Hammerstein eingelieferter
1 leckfieberfälle gehörte, wurde von Bacrthlcin außerdem eine Infektion mit
Typhus festgestellt.
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in 1 Hamprobe,
in 8 von 9 genauer untersuchten Leichen,
und zwar
7 mal im infiltrierten, teilweise auch hepatisierten Lungengewebe,
3mal im Bronchialschleim, davon 2mal massenhaft und fast rein,
3 mal in Blut und Perikardialserum (Transsudat),
lmal im Perikardialserum, nicht im Blut (Nr. 2),
3mal in der Niere, davon lmal reichlich, fast in Reinkultur,
4mal in der Milz, davon lmal in Reinkultur (15 Kolonien aus einer
Öse Gewebssaft),
lmal in der Leber, fast rein (12 Kolonien aus einer Öse Gewebssaft),
lmal im Unterhautgewebe einer Leiche (Nr. 1), welche ihn in der
Lunge nicht enthielt, wohl aber in der Niere. Hier ist wohl ein rein
kutaner Infektionsweg in die Blutbahn anzunehmen.
Von den ersten 17 eingesandten Auswurfproben Fleckfieberkranker,
welche ich aus Tuchei zur Untersuchung erhielt, enthielten Nr. 1 und Nr. 17
den Typus F1 fast in Reinkultur und sehr reichlich. Der Typus F 24
war neben F1 häufig vorhanden. Das Sputum F 24 enthielt ihn sehr
reichlich und nahezu in Reinkultur.
Von den Leichen enthielten ihn namentlich Nr. 4 und Nr. 9 sehr
reichlich im Lungengewebe, Nr. 9 auch im Blut und in der Perikardial¬
flüssigkeit.
Ein eingehendes Studium wurde dem Vergleich der beiden Typen
F1 und F 24 gewidmet, wovon bereits auf S. 440 die Rede ist. Nach¬
dem ich lange Zeit hindurch diese beiden Typen für selbständige Bakterien¬
arten gehalten hatte, die ich auf jede Weise zu trennen und rein zu
kultivieren versuchte, mußte ich mich schließlich doch überzeugen, daß
eine Variation von Typ 24 nach Typus 1 hin in künstlichen Kulturen
stets auftritt, auch dann, wenn immer von neuem durch Weiterimpfung
einzelner Kolonien eine Reinkultur versucht wird. Schon die Aussaat
einer einzelnen Kolonie des Typ 24 ergab zuweilen deutliche Mischungen
beider Kolonientypen, von denen die eine sogleich Hütchenbildungen, die
andere zunächst stark glänzende, halbkugelförmige, kleinste Kolonien
lieferte. In den älteren Hütchenkolonien sind dann zuweilen die Keime
der Halbkugeln als Anlage wieder sichtbar. Ich habe diese Vorgänge in
den Figg. 7 bis 9, Taf. X festzuhalten versucht. Besonders bemerkenswert
war es mir, daß bei Leiche Nr. 8 die Kultur der mit Blut vermischten
Perikardialflüssigkeit den Typ 24 in reichlicher Menge ergab, während
aus linker Lunge und Milz Typus 1 wuchs.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei Fleckfieber. 457
Wenn ich nun meine Befunde, namentlich die am häufigsten erhobenen
Bazillenbefunde, mit denen anderer Beobachter vergleiche, so fällt es zu¬
nächst auf, daß eine große Anzahl früherer Untersucher ebenfalls über
Befunde kleiner Bazillen bei kulturellen Blutuntersuchungen Fleckfieber¬
kranker berichtet. Studiert man die Angaben aber genauer, wie dies
Herr Reuter auf meine Veranlassung in seiner Dissertation getan hat,
so ergeben sich doch so wesentliche Unterschiede, daß man von „über¬
einstimmenden“ Bazillenbefunden nicht sprechen kann. Das rührt viel¬
leicht daher, daß ein wesentlicher methodischer Unterschied die früheren
Untersuchungen von den meinigen trennt. Jene waren durchweg auf das
Blut als Sitz des Infektionserregers gerichtet. Da nun das Blut — wie
auch bei meinen Untersuchungen — nur selten eine direkte kulturelle
Ausbeute hergab, so wurden fast durchweg von den früheren Autoren
„Anreicherungsversuche“ — zum Teil sehr komplizierter und schwer
kontrollierbarer Art — angestellt, durch welche Verunreinigungen Tor
und Tür geöffnet wurde. Besonders typisch für solches Vorgehen und die
sich daraus ergebenden Folgen scheinen mir die von Predtjetschenski 1
berichteten Untersuchungen zu sein.
Demgegenüber hielt ich mich an das Ausgangsmaterial, in welchem,
wenigstens in einem Teil der Fälle, Mikroorganismen reichlich und an¬
nähernd in Reinkultur gefunden wurden, welche durch ihren Charakter,
ihr ausschließliches Wachstum bei Bruttemperatur — am ehesten als
Krankheitserreger angesprochen werden konnten. Nun mag es sein, daß
die von mir gefundenen Parasiten, die von den Atmungswegen aus bis
ins Blut und die Organe der Leichen verfolgt werden konnten, nur
Begleiter der eigentlichen Fleckfiebererkrankung, also Erreger von
Sekundärinfektionen waren, die nicht bei jeder Fleckfieberepidemie die
gleichen zu sein brauchen. Auffällig ist es allerdings, daß nicht nur in
Westpreußen, sondern auch bei Cornet, der sich in Brandenburg in¬
fizierte, sowie bei den von Arnheim* in Stade beobachteten Fällen die
gleichen Bazillen gefunden wurden, nachdem die Aufmerksamkeit einmal
auf sie gerichtet worden war. Die Erkrankungen der Atmungswege bei
Fleckfieber sind aber in den früheren Untersuchungen niemals zum
Gegenstand eingehender ätiologischer Untersuchungen gemacht worden.
Nun mag es ja sein, daß die von früheren Autoren gefundenen Bakterien
zum Teil auch Erreger von Begleitinfektionen des Fleckfiebers waren, die
aber mit den von mir gefundenen nicht übereinstimmen.
1 Predtjetschenski, Zur Frage über den Flecktyphuserreger. Zentralblatt
/. Bakt. I. Orig. 1910. Bd. LV. Heft 3.
a Arnheim, 1. c. (Deutsche med. Wochenschrift . 1915. Nr. 36).
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Bei Fürth 1 * 3 findet sich in der Beschreibung seiner Stäbchen manches,
was an meine Befunde erinnert. Namentlich die mehrfache Erwähnung
„gebuckelter Kolonien“ kann auf ähnliche Befunde hindeuten. Die von
Fürth gegebene Abbildung der Kolonien zeigt aber keine gebuckelten,
sondern flache Kolonien mit erhabenem Rande. Vom Berliner Institut
Robert Koch wurde mir eine dort fortgepflanzte Kultur des Bacillus
Fürth gütigst zur Verfügung gestellt. Es war eine Reinkultur eines sehr
zarten Bacillus, der dünner und etwas länger war als mein F1 und nur
flache Kolonien mit erhabenem Rande lieferte. Aus den Beschreibungen,
welche Fürth von seinen Beobachtungen gibt, muß ich es demnach für
wahrscheinlich halten, daß er Kolonien mit zentralem Buckel, die meinem
Bacillus F1 entsprechen, mehrfach gesehen hat. Isoliert hat er aber
leider nur einen anderen Bacillus, welcher deutlich davon abweicht und
bei meinen Untersuchungen nicht vorgefunden wurde.
Mit dem von M. Rabinowitsch* als Fleckfiebererreger beschriebenen
Bacillus ist mein Typus F1 auch bestimmt nicht identisch. Der Bacillus
Rabinowitsch wird als „plumpes Stäbchen“ mit starker Pathogenität
für die gewöhnlichen Versuchstiere geschildert. Dies trifft für meinen
Typus F1 nicht zu, welcher bei Meerschweinchen und Kaninchen keine
merklichen Krankheitserscheinungen hervorruft.
Von denjenigen Autoren, welche nur auf Protozoen fahndeten und
Kulturversuche gar nicht anstellten, gibt namentlich v. Prowazek*
zwei Tafeln mit guten Abbildungen jder von ihm gesehenen Gebilde.
Wenn ich auf Taf. V die Figg. 1 bis 15 durchsehe, so glaube ich, in fast
allen Gebilde bakterieller Art erkennen zu müssen, die mit dem Formen-
kreise meines Bacillus F1 in Gestalt und Größe gut übereinstimmen,
soweit sie in ihrer Form erhalten sind. Aber auch soweit das offenbar
nicht der Fall ist, stimmt die Neigung zu kugeligen Degenerationsformen
mit der gleichen Eigenschaft meines Typ F1 überein.
1 Fürth, Die Flcckfiebercrkrankung im Frühjahr 1911 in Tsingtau. Zcilsehr.
f. II t/g. n. Inj. B<1. LXX. 1912. Neuere Untersuchungen über Fleckfieber. Arch.
j. Schiffs- u. Troj» nhj/ijii ne. Bd. XVI. 1912.
* M. Ra bi iiowitsch, Über die Fleckfieberepidemie in Kiew. ZenfralbM
f. Bald. I. Orig. 1902. Heft 2. Ferner: Zur Ätiologie des Fleckfiebers. Arch. /.
////'/. 1009. Ferner: Über den Flecktyphuserreger. Berliner klin . Wochenschrift.
1914. Nr. 31. Bd. LXXI.
3 v. Prowazek, Ätiologische Untersuchungen über den Flecktyphus in
Serbien 1913 und Hamburg 1914. Beiträge zur Klinik d . Infektionskrankheiten und
z ur Immunitätsforschung.
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Zur Bakteriologie der rr. Erkrankungen bei Fleckfieber. 459
Schluß.
Ich verkenne nicht, daß meine Untersuchungen eine bestimmte Antwort
auf die Frage nach dem Erreger des Fleckfiebers noch nicht geben können.
Sie geben aber meines Erachtens einen nicht imwesentlichen Beitrag zur
Lösung der speziellen Aufgabe: Erforschung der Erkrankungen der Atmungs¬
wege bei Fleckfieber. Vom praktischen Standpunkt erscheint es mir
richtig, die gefundenen Mikroorganismen vorläufig als Erreger broncho-
pneumonischer Mischinfektionen bei Fleckfieber anzusehen, deren
Bekämpfung zu den nicht außer acht zu lassenden Aufgaben der Fleck¬
fieberprophylaxis gehört. Wo es gelingt, diese Mischinfektionen möglichst
auszuschalten, scheint nach meinen Beobachtungen im Gefangenenlager
Troyl ein milderer und weniger gefährlicher Verlauf des Fleckfiebers er¬
reicht werden zu können. Man kann hoffen, auf diesem Wege
wenigstens bei den Ärzten und dem berufsmäßigen Pflege¬
personal die so bedauerlich häufigen Todesfälle an Fleckfieber ein¬
zuschränken.
Nachschrift.
Auf diejenigen Arbeiten, welche sich mit dem Aufsuchen von Fleck¬
fieberprotozoen im Körper der Kleiderläuse beschäftigten 1 , habe ich bis¬
her nicht Bezug genommen, weil es sich um ein Arbeitsgebiet handelte,
welches anscheinend mit meiner Spezialaufgabe keine Berührungspunkte
aufwies. Das ändert sich mit der neuesten Mitteilung von W. Nöller*,
nach welcher das gesuchte Protozoon, welches bereits mit den Namen
dreier Väter geschmückt ist, sich neuerdings als zu den Bakterien gehörig
entpuppt hat. Nöller sagt im Eingang seiner Arbeit: „Die ätiologische
Bedeutung der Rickettsia Prowazekii Rocha-Lima, die Verfasser — ebenso
wie Ser gen t und seine Mitarbeiter — für Bakterien hält, ist wohl nicht
mehr anzuzweifeln.“
Die wichtige Frage „nach Nam’ und Art“ dieser „Bakterien“ ist
allerdings in ihrem zweiten Teile noch nicht gelöst, da eine Züchtung
bisher nicht gelungen zu sein scheint. Nöller schreibt in seiner Anmerkung:
„Das mit Gentianaviolett färbbare, nach Giemsa schwer darstellbare
Mittelstück der Rickettsia veranlaßt mich, sie als polares Kurzstäbchen
zu betrachten.“ Diese Beschreibung erinnert so lebhaft an das Aus¬
sehen meiner Typen Fl und F24, daß möglicherweise doch Beziehungen
1 Literatur bei Nöller.
2 Nöller, Beitrag zur Flecktyphusübertragung durch Läuse. Berliner klin.
Wochenschrift . 1916. Nr. 28.
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zwischen diesen Mikroorganismen bestehen, die allerdings nicht eher ge¬
klärt werden dürften, ehe nicht Kulturen verglichen werden können.
Soweit ich nach den in Warschau 1 gezeigten Lichtbildern nach Rocha-
Limas Befunden urteilen kann, handelt es sich um kleine Kurzstäbchen,
deren Gestalt denen der meinen sehr ähnlich ist, deren Größe aber noch
geringer erscheint. Dies ist indessen kein ausschlaggebender Unterschied,
da bekanntlich auch bei anderen Bakterien die Größen Verhältnisse je nach
Wirt oder Nährboden in erheblichen Grenzen schwanken können.
Die Mitteilungen Nöllers geben der lange gehegten Auffassung, daß
der Erreger des Fleckfiebers kein Bacterium sein könne, einen berechtigten
Stoß. Die Angaben Nicolles und seiner Mitarbeiter, welche lange Zeit
als unverrückbar feststehend galten, scheinen einer vorurteilslosen Nach¬
prüfung bedürftig.
Die Möglichkeit rückt damit näher, daß die von mir so regelmäßig
in den Atmungswegen und in den inneren Organen Fleckfifeberkranker
gefundenen Bazillen doch die wirklichen Erreger des Fleckfiebers — mit
oder ohne Exanthem — sein können, und daß die Rolle der Läuse im
wesentlichen darin besteht, die Bazillen in ihrem Darmkanal zur Ver¬
mehrung zu bringen und durch ihre direkte Einimpfung in die Blutbahn
(zugleich mit eigenen Absonderungen) eine besonders schwere Form
der Infektion hervorzurufen. Die bekannten „klassischen Forderungen“
R. Kochs an einen Infektionserreger erfüllt mein Bacillus bis auf den
Tierversuch.
1 Außerordentliche Tagung des Kongresses für innere Medizin. April 1916.
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Zur Bakteriologie der br. Erkrankungen bei FleckfikBer.
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Erklärung der Abbildungen.
(Tat Tffl-I)
Tafel VUL
Fig. 1. Ausstrichpräparat einer typischen Auswurfprobe eines Fleckfieberkranken
aus Tuchei. Fuchsinfärbung. Eine reichliche Menge gleichartiger Bazillen von der
ungefähren Form und Größe des Influenzabacillus Pfeiffer. Der große Kern des
Leukozyten zeigt Stellen hyaliner Degeneration. Vergrößerung 1: 1000. Phot.
Zettnow,
Flg* 2. Ausstrichpräparat einer Reinkultur vom F1 auf Loefflereerum-
Kondenswasser. Färbung nach Gram mit Karbolgentiana. Vergrößerung 1: 1000.
Phot. Zettnow.
Fi*. 3. Reinkultur F 1 auf Agarplatte, ungefärbt. Kolonien mit zentralem
Kegel und scharfem Rand. Vergrößerung 1:50. Phot. Zettnow.
Tafel IX.
Flg. 4. Originalplatte vom Sputum Cornet (Ascitesagar); ungefärbt. Kolo¬
nien mit zentralem Kegel und scharfem Rand sehr reichlich. Daneben Strepto¬
kokkenkolonien ohne Kegel und mit unscharfem Rand. Die kleinsten, ohne Ver¬
größerung nicht sichtbaren Kolonien gehören zum Typus F I (vgl. Fig. 3). Vergröße¬
rung 1: 50. Phot. Zettnow.
Flg. 5. Reinkultur F 1 auf Nutroseagar, ungefärbt. Vergrößerung 1: 100.
Phot. Zettnow.
Fi*. 6. Reinkultur F 1 auf Nutroseagar. Klatschpräparat. Kräftige Gram¬
färbung. Vergrößerung 1: 1000. Phot. Zettnow. 1
1 Vgl. 8. 437 der Abhandlung.
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462 J.Petruschky: Zur Bakter. d. br. Erkrankungen b. Fleckfieber.
Tafel X.
PI». 7. Kolonien von F 24 (Typus minor), aus einer Kolonie hervorgegangen.
Übergang zu Formen der Kolonien des F 1 (Typus major) mit zentralem Kegel
(bei dieser Einstellung hell glänzend). Vergrößerung 1: 50. Phot. Petruschky.
Fi*. 8. Kolonienformen des Typus F 1 von verschiedener Größe und Kegel-
biidung, aus Reinkulturen von F 24 hervorgegangen. Vergrößerung 1: 100. Phot.
Petruschky.
Flg. 9« Ältere Kolonien des Typus F 1, in denen Kolonien des Typus F 24
als „Knöpfe“ erscheinen (aus einer einzelnen Kolonie F 24 hervorgegangen). Ver¬
größerung 1: 200. Phot. Petruschky. 1
1 Die Abbildungen Nr. 7 bis 9 sind in dem photographischen Institut der
Technischen Hochschule mit gütiger Unterstützung des Hrn. Dr. Federlin her-
gestellt, dem ich auch hier herzlichen Dank sage.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
Von
Hermann Reuter,
zurzeit Leiter der Könlgl. Medizloml-Untersuchangsstelle Bromberg i. Posen.
über 30 Jahre ist es her, seitdem die erste Beschreibung über den
mutmaßlichen Erreger des Fleckfiebers erschien. Seit dieser Zeit sind
die verschiedensten Mikroorganismen als ätiologisches Moment ange¬
sprochen worden: Protozoen, Spirillen, Kokken und Stäbchen.
So hat z. B. (um auch die Protozoenbefunde kurz zu erwähnen)
Gottschlich (f) ein dem Pirosoma bigeminum nahestehendes intra-
korpuskuläres Gebilde beschrieben, das er in Ägypten in 6 Fällen im
Blute Fleckfieberkranker gesehen hatte. Später erklärte er allerdings
im Handbuch der Hygiene von Gruber usw.), daß die beschriebenen
Protozoen als Degenerationsprodukte der Blutzellen angesprochen werden
müßten.
Auch Galesesco und Slatineano haben über Protozoenbefunde
im Blute berichtet.
1892 fanden Thoinot und Calmette (in 7 Fällen 6mal) im Blute
intensiv bewegliche bis 30 /i lange Fäden mit Anschwellungen an einem
Ende, die nach etwa 2 Stunden zerfallen waren, außerdem noch etwa
2 n große Körnchen, von denen feine Fäden ausliefen, und glaubten
Protozoen vor sich zu haben. Sie gaben aber zu, daß diese Gebilde mit
denen von anderen Autoren, sogar bei ganz Gesunden gefundenen, iden¬
tisch sein könnten. Später beschrieb dann Calmette hefeartige Pilz¬
formen, die außer den vorigen Gebilden in dem länger auf bewahrten
Blute von Fleckfieberkranken vorhanden waren, und glaubte deshalb,
daß der Fleckfiebercrreger zu den Ascomycetes- oder Retilagineapilzen
gehöre.
Ferner haben Krompecher, Goldzieher und Augyan (19) an¬
läßlich einer Epidemie in Budapest 1908 Protozoen im Blute beschrieben,
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Herrmann Kelter:
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die teils Piroplasmen, teils Malariaplasmodien ähnlich waren, ohne ihnen
vollständig zu gleichen.
Während einer größeren Fleckfieberepidemie in einem serbischen
Militärlazarett fanden Hegler und Prowazek (1) in den neutrophilen
Leukozyten Gebilde, die sich nach Giemsa intensiv karminrot färbten
und distinkte, runde oder längliche Körperchen und Doppelkörperchen
darstellen; sie sind der Ansicht, daß die Körperchen wahrscheinlich die
Erreger seien, da sie regelmäßig und ausschließlich beim Fleckfieber
(auch beim infizierten Affen) Vorkommen.
Hlava (g) hat im folgenden Jahre die von Prowazek beschriebenen
Befunde bestätigt und außerdem Diplokokken, Streptokokken und
Streptobazillen im Blute gesehen.
Spirillen sind zum erstenmal von Mott im Jahre 1883 im Blute
Fleckfieberkranker beschrieben worden. Außerdem von Lewaschew
und von Calmette.
Kokken.
Kokken, und zwar Mikrokokken, wurden zuerst von Ha liier, der
wohl überhaupt die ersten Mikroorganismen bei Fleckfieber beschrieben
hat, im Blute gesehen und geschildert.
Bei seinen Untersuchungen in den Jahren 1892 bis 1899 (an 168 Fällen)
hat Lewaschew die verschiedenartigsten Gebilde im Blute, das zu¬
nächst aus der Fingerkuppe und der Milz, später aus der Vene entnommen
wurde, gefunden und beschrieben. So schildert er zunächst verschieden
große, runde, stark bewegliche Körperchen, von denen feine Fäden aus¬
gingen (2000- bis 3000 fache Vergrößerung), und bewegliche Fäden mit
und ohne Anschwellung. Bei einem Kulturversuch wuchs längs des
ganzen Impfstiches eine Reinkultur ganz kleiner Kokken.
In einer späteren Mitteilung (1894) konnte er die spirillenartigen
Ausläufer an den Kokken nicht mehr nachweisen. Bezüglich der von
anderen Autoren veröffentlichten Stäbchenbefunde bei Fleckfieber schreibt
er, daß auch er Stäbchen artige Gebilde gefunden habe, die sich indessen
bei den stärksten Vergrößerungen stets als Kokken erwiesen hätten.
Die von ihm gezüchteten Reinkulturen bestanden aus Mikrokokken
(Micrococcus exanthematicus), von denen verschiedene lange Schwänze
aufwiesen. Sie wuchsen nur in Ascitesagar und nur im Impfstich, nicht
dagegen in Fleischbrühe, Menschenserum oder Hühnereiweiß. Nach
Gram färbten sie sich, waren aber nicht immer gramfest. Auch in der
Konjunktivalflüssigkeit konnte er ähnliche Mikrokokken, meist paar-
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
465
weise oder in kurzen Ketten gelagert, nachweisen. Mit den Kulturen
geimpfte Kaninchen gingen in spätestens 14 Tagen unter Fieber ein.
Die Mikrokokken konnte er in den Organen dieser Tiere nachweisen.
Außerdem beschreibt er in seiner letzten Mitteilung noch Gebilde,
die er als Protozoen anspricht. Er fand sie neben den Mikrokokken
in mehrtägigen Kulturen, die aus dem Blute angelegt waren. Diese
Gebilde waren ziemlich groß und wiesen in der Mitte einen dunklen
Punkt (Kern) auf (in gefärbten Präparaten). Die Frage, ob diesen gleich
den Mikrokokken eine ätiologische Bedeutung zukomme, oder, ob es
sich dabei um harmlose Beimengungen zum Blute handle, läßt er un¬
entschieden.
Weinschal prüfte 1892 Lewaschews Angaben an 10 Fällen
nach. Er fand überhaupt keine Mikroorganismen im Blute der Fleck-
fieberkranken.
Lubimow konnte nach besonderen Färbungsmethoden (24 ständige
Färbung mit Methylenblau bei Bruttemperatur oder mit bis zur Dampf¬
bildung erwärmtem Karbolfuchsin und nachfolgender Alkoholentfär¬
bung) in Blutausstrichen runde, vereinzelt liegende Körperchen wahr¬
nehmen, die er für Mikroorganismen hielt.
Matschinsky konnte in demselben Jahre im Blute überhaupt
keine Mikroorganismen nachweisen. Dagegen fand er bei seinen 36 unter¬
suchten Fällen im Sputum, außerdem bei Otitis, Parotitis und Haut¬
abszessen seiner Fleckfieberkranken im Eiter und in Schnitten durch
Milz und Lunge Verstorbener in Haufen oder kurzen Ketten zusammen¬
liegende Kokken, die durch einen Spalt in zwei Halbkugeln geteilt waren.
In einigen Kulturen, die er anlegte, konnte er die Kokken auch züchten.
Klodnitzky (13) fand dieselben Gebilde wie Lewaschew bei
Malaria und bei einem syphilitischen Neugeborenen und führte sie auf
Zerstörung von Blutkörperchen bei Infektionskrankheiten zurück.
Dubieff und Brühl (a) untersuchten 1894 bei 9 Fleckfieberkranken
Blut aus Milz, Hautexanthemen, Auswurf und Saft aus pneumonischen
Lungen und konnten darin einen zarten „Diplococcus exanthematicus“
nachweisen. Kulturen aus dem Blute gingen nicht an, wohl aber aus
dem Sputum und dem pneumonischen Safte. In Schnitten durch Haut¬
exantheme, Milz, Niere und Lunge wurden die Diplokokken ebenfalls
nachgewiesen, einmal fast in Reinkultur. Die Kokken waren für Kanin¬
chen pathogen. Nach der Impfung gingen die Tiere unter hohem Fieber
innerhalb 3 Tagen ein.
Von Balfour und Porter (b) und anderen Autoren wurden bald
darauf die gleichen, oder doch sehr ähnliche Kokken außer bei Fleck-
Zeitschr. f. Hygiene, I,XXXII
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Herrmann Reuter:
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fieber auch bei 40 unter 46 Fällen von Typhus abdominalis nachge¬
wiesen.
Curtis und Combemal, die 12 Fleckfieberkrankenleichen unter¬
sucht hatten, züchteten in 3 Fällen, kurz post exitum, aus Milz und Ge¬
hirnsubstanz in Fleischbrühe, ebenso auf Agar und Serum ebenfalls
einen kleinen Diplococcus.
1909 veröffentlichte Benjasch (d) seine Befunde an 118 Fleck¬
fieberkranken. Er entnahm Blut aus der Fingerkuppe und konnte darin,
allerdings mit weit geringerer Vergrößerung (950fach) fast dieselben
Gebilde sehen, die Lewaschew beschrieben hat, nämlich paarweise
oder in kurzen Ketten liegende, sehr bewegliche Kokken, die sich teilten
und dann längere Zeit als Diplokokken zusammen liegen blieben,
ferner im Anfang der Krankheit auch geschwänzte Kokken. Im ge¬
färbten Präparate erschienen die meisten dieser Kokken auseinander¬
gezogen, mit einem schwächer gefärbten Spalt in der Mitte. Er glaubte
deshalb, daß die Kokken in einer Kapsel liegen, bei der Teilung werde
diese Kapsel lang ausgezogen und bilde dann, nach der Trennung der
Tochterkokken, den Schwanz. Deshalb müsse man diesen Schwanz
als Geißel bezeichnen. Versuche, die Kokken aus Blut, das der gründ¬
lich desinfizierten Fingerkuppe entnommen war, zu züchten, mißlangen.
Er versuchte deshalb, die Fingerkuppe nur mit kochendem Wasser zu
reinigen und dann Blut zu entnehmen. Aus dem so gewonnenen Blute
gelang es ihm, die Kokken zu züchten, wenn auch nur selten. Im ge¬
färbten Präparate konnte er auch hier immer den schwächer gefärbten
Spalt zwischen den dunkleren Endstücken der auseinandergezogenen
Kokken nachweisen. Im Tierversuch erwiesen sich die Kokken als nicht
pathogen.
Stäbchen.
1888 haben Moreau und Cochez ein unter gewissen Bedingungen
bewegliches Stäbchen mit abgerundeten Ecken als den Fleckfieber¬
erreger beschrieben, das sie aus Blut und Harn isoliert hatten.
Cheesman züchtete in Reinkultur aus dem Blute ganz kurze,
paarweise oder in kurzen Ketten liegende Stäbchen mit abgerundeten
Enden auf Serum.
Ähnliche Befunde beschreibt 1889 Hlava (25). Im Blute von 8 Fleck¬
fieberkranken fand er 2 mal und in 39 untersuchten Leichen 22mal
kurze ovoidc oder spindelförmige Stäbchen, meist zu zweien oder in
kurzen Ketten angeordnet. Er hält sie für den spezifischen Erreger und
bezeichnet sie als Stxeptobazillen. Mit der Reinkultur dieser Stäbchen
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
467
konnte er bei Ferkeln Fieber, Abmagerung und einmal ein Exanthem
erzeugen.
1890 züchtete Babes aus 2 Leichen, die wahrscheinlich (l) .an Fleck¬
fieber verstorben waren (er ist selbst nicht ganz sicher darüber) auf
Agar Doppelstäbchen, bestehend aus einem runden Körnchen und
langem* Faden.
Afanasjew gelang es mittels einer eigenartigen Methode (durch
Einführen von in Sodalösung vorher sterilisiertem Mull unter die Haut
zur Gewinnung von Reizserum, und nachfolgenden Züchtungsversuchen
aus den Mullstückchen) in 12 von 14 untersuchten Fällen ein Stäbchen
in Bouillon zu erhalten. Die Stäbchen waren verschieden lang und ge¬
rade. Die kürzeren lagen meist paarweise und ähnelten sehr den Diplo¬
kokken. Sie wuchsen teils gut, teils spärlicher in Fleischbrühe. Milch
wurde nicht zur Gerinnung gebracht, und im Zuckeragarstich keine
Gasblasen gebildet. Außer den Stäbchen fand er noch in einigen Fällen
Mikrokokken, über die er keine näheren Angaben macht. Da er eine
Verunreinigung für ausgeschlossen hält, glaubt er, daß die Stäbchen
sowohl als die Kokken aus dem Körper des Kranken selbst stammen
müssen. Zusammenfassend sagt dann Afanasjew über sein Stäbchen,
daß es dem Eberthschen Erreger des Typhus abdominalis gleichel
Lewaschew, der die Untersuchungen Afanasjews an 17 Fällen
nachprüfte, konnte sie nicht bestätigen und meint, daß es sich dabei wohl
um Veninreinigungen gehandelt habe, an denen die Methode schuld sei.
Horiuchi veröffentlichte 1908 seine Befunde aus der Mandschurei.
Er hatte da aus den Fäzes Fleckfieberkranker einen Bacillus isoliert,
der teils dem Paratyphus B und teils dem Colibacillus in seinen kulturellen
Eigenschaften ähnelte. Er nannte ihn Bao. febris exanthematici man-
dschurici. Durch das Serum der Kranken wurden diese Bazillen noch
in einer Verdünnung 1:500 agglutiniert.
Predtjetschensky (14) gelang es während der Flecktyphus¬
epidemie in Moskau 1909 (Frühjahr und Winter) in etwa 50 Fällen aus
dem Blute der Kranken, das in Mengen von 2 bis 5 ccm zwischen dem
6. und 9. Krankheitstage entnommen war, fast immer ein Stäbchen
in Reinkultur zu züchten (zunächst mit Hilfe von größeren Mengen
Fleischbrühe und von da aus auch auf Agar), das folgende Eigenschaften
hatte. Das Stäbchen ist ziemlich dick, aber sehr kurz, mit abgerundeten
Enden. Dem Bestände des Nährbodens und der Züchtungsdauer ent¬
sprechend nimmt es verschiedene Formen an. Auf Schrägagar gezüchtet,
erscheint es meist kurz und dünn, hier hat es beinahe die Form eines
Diplococcus. In Fleischbrühe erhält man dickere und längere Stäbchen.
30 *
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Herrmann Keuter:
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Sehr leicht und schnell bilden sich Involütionsformen, wie z. B. eine
Ovoidform mit zuges pitztem Ende, die einer Kugel, manchmal eines
längeren Zapfens. In manchen Fällen zeigt die Fleischbrühekultur eine
Menge von längeren Ketten, die aus dicken und kurzen Diplobazillen
bestehen. Alle diese Formen weisen die charakteristische sogenannte
Polfärbung auf. Nach Gram färbt sich das Stäbchen nicht. Es weist
ferner weder aktive Bewegungen noch Zilien oder Flagellen auf. Es zeigt
gutes Wachstum auf allen Nährböden. Die Fleischbrühe wird energisch
getrübt, wobei sich am Boden des Glases ein umfangreicher grauer
Niederschlag bildet, der anfangs locker erscheint, sich aber später in
eine dickflüssige Masse verwandelt, die 6ich nicht leicht aufrühren läßt. In
einigen Kulturen bildet sich über der Fleischbrühe eine lockere dünne
Schicht, die beim Schütteln der Flasche leicht zu Boden fällt. Die Milch
gerinnt langsam, erst am dritten oder vierten Tage. Auf Schrägagar
erhält man üppiges Wachstum in Form einer glänzenden grauweißen
Schicht. Agarkondensationswasser verwandelt sich in eine vollkommen
trübe, kleberige Masse. Auf Agargelatine wächst das Stäbchen kümmer¬
lich, der Einstichlinie entlang. Auf Kartoffelschnitten erhält man eine
ziemlich dicke, mattgraue Schicht. Später nimmt die Schicht eine bräun¬
lichgraue Farbe an. Auf traubenzuckerhaltiger Fleischbrühe wird kein
Gas gebildet, die alkalische Reaktion wird jedoch in eine deutlich sauere
verwandelt. Die Fleischbrühekultur gibt keine Indolreaktion. Nähr¬
agar nach Conradi und Drigalski gibt üppige Kolonien von blauer
Farbe, die erst nach 3 Tagen am Rande eine Hellrosafärbung aufweisen.
Desgleichen gibt der Padlewskynährboden mit Malachitgrün gold¬
gelbe Kolonien, die erst nach 3 bis 4 Tagen eine deutlich sichtbare grüne
Farbe annehmen. Auf Omeljanskinährböden gibt die Kultur des
Stäbchens eine allmählich zutage tretende rote Färbung ohne Gasent¬
wicklung. Prcdtjetschensky erzielte mit Rekonvaleszentenserum
und diesen Stäbchen in einer Verdünnung 1:40 innerhalb 4 Stunden
positive Agglutination. Von Seren anderer Kranker wurde es auch in
einer Verdünnung 1:10 in 24 Stunden nicht agglutiniert. Die Kulturen
waren für Mäuse, Kaninchen und Meerschweinchen virulent. Im
Patientenblut, das am 10. bis 14. Krankheitstage entnommen war, ließen
sich nach fraktioniertem Zentrifugieren im Ausstriche die Stäbchen
noch mit Sicherheit nachweisen. Dagegen gelang die Kultur dann nicht
mehr. In Milz, Leber und Lunge an Fleckfieber Verstorbener fand sich
das Stäbchen nur sehr spärlich. Zwei Züchtungsversuche aus Herzblut
ergaben negative Resultate. In einigen Sputis von Fleckfieberkranken
fand sich das Stäbchen fast in Reinkultur.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
469
Ein Jahr später untersuchte J. Lewin, Moskau (15), die im vorher¬
gehenden geschilderten, von Predtjetschensky gefundenen Mikro¬
organismen und kommt dabei zu dem Schluß, daß es sich erstens nicht
um ein bipolar sich färbendes Stäbchen, sondern um einen gramnegativen
Coccus handle, der häufig in Diploform auftrete, und daß die längeren
Formen nur Degenerationsformen älterer Kulturen seien. Zweitens,
daß es sich dabei wahrscheinlich um eine Verunreinigung gehandelt
habe, wenn es auch nicht zu entscheiden sei, woher die immer wieder¬
kehrende Verunreinigung stamme. Er glaubt das deshalb, weil es ihm
bei ganz gleicher Versuchsordnung in 25 Fällen niemals gelang die Stäb¬
chen zu züchten (alle Flaschen mit Fleischbrühe blieben steril, mit Aus¬
nahme von dreien, die infolge Verunreinigung mit Staphylococcus albus
und Sarcine Wachstum aufwiesen), und weil auch Nicolle 1 an experi¬
mentell infizierten Affen niemals im Blute Mikroorganismen finden
konnte und auf Grund von Versuchen das Fleckfiebervirus als filtrierbar
betrachtet.
1911 veröffentlichte Predtjetschensky (21) das Ergebnis seiner
weiteren Untersuchungen (ohne auf Lewins Ausführung einzugehen)
und teilt mit, daß die neueren Untersuchungen seine ersten Mitteilungen
vollständig bestätigt hätten. D. h. er fand im Blutausstrich eines jeden
Fleckfieberkranken während der höchsten Fieberperiode sein schon be¬
schriebenes Stäbchen. Je schwerer der Fall war, desto mehr Stäbchen
fanden sich und desto leichter ließen sie sich kultivieren. Bei leichten
Fällen, besonders Frauen und Kindern, ist die Kultur häufig negativ,
trotzdem die Stäbchen im Ausstrich zu finden waren. Predtjetschensky
vermutet, daß in diesen Fällen die Bazillen im Blute schon derartig ge¬
schädigt seien, daß sie sich auf künstlichen Nährböden nicht mehr fort¬
pflanzen können. Er stellte weiterhin Agglutinationsprüfungen nach
der von Besanijon und Griffon modifizierten Methode an, d. h. er
säte in Kranken- und Rekonvaleszentenserum geringe Mengen seines
Stäbchens ein und brachte das Glas in einen Thermostaten von 37 Grad.
Am folgenden Tage stellte er sich davon ein Ausstrichpräparat her, das
er mit Karbolfuchsin färbte. Im Fleckfieberkrankenserum fanden sich
niemals einzelne Stäbchen, sondern alle waren zu Haufen geballt, während
in den Kontrollversuchen, die mit Seren Gesunder oder an anderen
Infektionskrankheiten Leidender (Pneumonie, Typhus abdominalis) an¬
gesetzt waren, regelmäßig einzelne Stäbchen in großen Mengen vorhanden
waren. Beim längeren Fortzüchten in Fleischbrühe wird der Nieder-
1 Annales de rInstitut Pasteur.
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Herrmann Reuter:
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schlag allmählich schleimig und kleberig, und die Stäbchen gewinnen
zum Teil die Fähigkeit, die Gramfärbung festzuhalten. Auch im Sputum
und im Urin der Fleckfieberkranken fand Predtjetschensky ziem¬
lich regelmäßig diese Stäbchen, niemals aber bei Gesunden und anders¬
artig Erkrankten. Die Annahme, daß es sich um einen Saprophyten
handle, lehnt er infolgedessen ab. Tierversuche an Affen hat er wegen
des für diese Tiere ungünstigen Klimas Moskaus nicht angestellt.
Rabinowitsch (22, 23 u. 27) konnte im Anfang seiner Unter¬
suchungen in Schnitten durch die Organe an Fleckfieber Verstorbener
ganz verschiedenartige Bakterien nachweisen. Das lag nach seiner An¬
sicht daran, daß in diesen Fällen Komplikationen (Dekubitus, Paro¬
titis, Phlegmone) Vorlagen, oder die Sektionen erst zu lange post mortem
ausgeführt wurden. Bei Vermeidung dieser Fehlerquellen fand er, am
zahlreichsten in Schnitten durch Milz und Niere, außerdem durch Blut¬
gefäße, Leber, Pankreas, Knochenmark, Herzfleisch und Hautpetechien
meist paarweise liegende, kurze plumpe Stäbchen mit abgerundeten
Ecken. Die vereinzelt liegenden sind noch deutliche Stäbchen, die paar¬
weise liegenden ähneln sehr den Gonokokken. Zur Färbung der Schnitte
verwandte Rabinowitsch zuerst die Silberimprägnation und später
die Gramfärbung.
Bei der mikroskopischen Blutuntersuchung am Lebenden konnte
er im Blutstropfen (in dünner Schicht, Zeiß 1 Zwölftel Ölimmersion,
Okular 2) zahlreiche stark lichtbrechende Körnchen in intensiver Mole¬
kularbewegung sehen, außerdem traten nach einiger Zeit Fäden von
verschiedener Länge auf, die er als Fibrinfäden anspricht. Die kleinen
Körperchen erwiesen sich im gefärbten Präparate als Blutplättchen.
Bakterien konnte er im nativen Blutpräparat nie mit Sicherheit
nachweisen, dagegen zeigten sie sich deutlich in den nach Giemsa ge¬
färbten Blutausstrichen. Im Blut erschienen die Bakterien etwas zarter
und länger als in den Gewebeschnitten. Die Enden waren intensiv blau
gefärbt, in der Mitte ein nur schwach oder ganz ungefärbter Spalt, bis¬
weilen erinnert das Bild an die Kapselbakterien, bisweilen an die Sarcine.
Sie lagen meist paarweise oder zu mehreren nebeneinander. In 58 unter¬
suchten Fällen konnte er ohne Ausnahme die Stäbchen im Blute nach¬
weisen.
In den ersten 10 Kulturversuchen aus unverdünntem Blut, die Rabi¬
nowitsch anstellte, blieben die Nährböden steril. Er nahm infolgedessen
an, daß im unverdünnten Blute wachstumshemmende Stoffe vorhanden
seien, denn im Kondenswasser der Schrägröhrchen, die er beimpft hatte,
konnte er die beschriebenen Bazillen nachweisen.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
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In weiteren 12 Fällen brachte er das Blut nicht direkt auf die Nähr¬
bödenoberfläche, sondern zunächst ins Kondenswasser und ließ dieses
dann nach 15 Minuten über die Glyzerin- bzw. Ascitesagaroberfläche
hinweg fließen; in 4 Fällen erhielt er dabei eine Reinkultur, die am 3. Tage
in Form winziger Kolonien sichtbar (mit der Lupe) wurden. Zunächst
wuchsen die Kolonien am besten auf Ascitesagar. Später auf allen Nähr¬
böden mit Ausnahme von Gelatine und Fleischbrühe und zuletzt auch
auf diesen.
Im hängenden Tropfen zeigten sich kurze, dicke, unbewegliche Stäb¬
chen mit abgerundeten Ecken, deren Enden stärker lichtbrechend waren
als die Mitte. Sie lagen meist paarweise mit dem längeren Durchmesser
aneinander oder in kleinen Haufen vereinigt, kurze Ketten konnte er in
frischen Präparaten nicht beobachten. Die Stäbchen färbten sich mit
den verschiedenen Anilinfarben und nach Gram. Gefärbt ähneln ganz
junge Kulturen am meisten den Pestbazillen, nach einigen Tagen werden
sie länger und geben ein Bild wie die Pseudodiphtheriebazillen, nach
ö Tagen mit Löfflermethylenblau gefärbt, erscheinen sie wie eine Rein¬
kultur von Mikrokokken.
Prof. Morgenroth, Berlin, der die Kulturen prüfte, führte noch
an, daß die Kulturen bei Zimmertemperatur auf Agar und Fleischbrühe
in 4 Tagen kein Wachstum gaben.
Auf Agar und Ascitesagar zeigten sich nichtschleimige, runde, tau¬
tropfenähnliche, teilweise konfluierende Kolonien, zunächst Strepto¬
kokken ähnlich, später von leichtgelber Farbe. Auf Ascitesagar fand
sehr gutes Wachstum, auf schwach alkalischem Agar gutes und auf Löffler-
serum weniger gutes Wachstum statt.
In Ascitesfleischbrühe zeigte sich zunächst gleichmäßige Trübung,
dann krümeliger Bodensatz.
In schwach alkalischer Fleischbrühe keine gleichmäßige Trübung
und feine krümelige Niederschläge.
Auch Morgenroth beschreibt die Stäbchen als grampositiv, un¬
beweglich, mittelgroß, plump mit heller Mittelzohe, und hebt die Ähn¬
lichkeit der 4tägigen Kulturen mit Pseudodiphtheriebazillen hervor,
ln älteren Agarkulturen fand er die Größe der Stäbchen sehr wechselnd.
Sie sind im allgemeinen größer, und einzelne Fäden treten auf. Rabino-
witsch fügt noch hinzu, daß die Stäbchen auf Zuckeragar meist in ein¬
zelnen Kolonien wachsen, ferner auf Gelatine sowohl im Stich als im
Strich bei Zimmertemperatur, und daß er auf Glyzerinkartoffeln kein
Wachstum wahmehmen konnte. An einer anderen Stelle fügt er dann
noch hinzu, daß in einem späteren Falle die Kolonien auf Löfflerserum
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rund, ziemlich groß und von gelblicher Färbung gewachsen seien. Im
mikroskopischen Bild zeigten diese in jungen Kulturen plumpe, unbeweg¬
liche, homogen sich färbende Stäbchen von ovoider Form, während
in älteren Kulturen auch hier die schon erwähnte hellere Mittelpartie
auftrat.
Außer den erst erwähnten 10 Fällen hat er noch in weiteren 18 Fleck¬
fieberfällen Züchtungsversuche angestellt und hierbei 7 mal eine Rein¬
kultur erhalten.
Einwandfreie Agglutinationsversuche hat er nicht erhalten; zu¬
nächst fand er positive Agglutination noch in Verdünnung 1:2560 nach
3 Stunden. Später jedoch nur noch in Verdünnung 1:160 bis 1:320 und
schreibt dabei wörtlich „aber selbst das ist mir nicht regelmäßig mit jedem
Serum gelungen“. Außerdem zeigte sich nach 4 Stunden auch in der
Kontrolle ein gleich großer Niederschlag.
Zu den Tierversuchen benutzte er vorwiegend junge Tiere und zwar
junge Mäuse, Ratten, Meerschweinchen und 3 Kaninchen. Die Kulturen
erwiesen sich als pathogen. Einige der Versuchstiere starben, die anderen
fieberten verschieden lange Zeit. Die Sektionsergebnisse waren nicht
vollständig übereinstimmend. Bei einigen der Tiere konnten im Blute,
Milz und Rückenmark die Bazillen nach dem Tode nachgewiesen werden.
Bei allen geimpften Tieren erschienen die Stäbchen am 3. bis 4. Tage im
Blute und blieben 2 Tage nachweisbar. Nach ihrem Verschwinden trat
beim Meerschweinchen und Kaninchen eine typische Krisis ein.
Mc Campbell (n) fand im Blute Fleckfieberkranker während des
Ausbruches des Exanthems einen kleinen Mikroorganismus, den er seines
Aussehens wegen zur Gruppe der Septikämieerreger rechnet. (Genau
genommen handelt es sich dabei um die Tabardillo genannte Krank¬
heit, die allerdings Verfasser für identisch mit dem europäischen Fleck¬
fieber hielt.)
Klodnitzky (13) beschreibt 1913 aus dem Blute eines Fleckfieber¬
kranken stammende kurze, schmale, rasch bewegliche Bazillen mit
dunklen Enden, die beim ersten Blick für Diplokokken gehalten werden
können. Sie finden sich zunächst spärlich im Blute, ihre Zahl steigt
nach dem Ausschlage an und wird bisweilen im Stadium der Genesung
besonders reichlich. Er fand sie in Blutausstrichen regelmäßig. Die Züch¬
tung aus dem Blute gelang nur einmal. Die so gewonnenen Bazillen
w urden teils in einer Verdünnung 1:2000 mit Krankenserum agglutiniert.
teils trat Agglutination nicht ein. Klodnitzky untersuchte dann
Wanzen aus der Fleckfieberabteilung des Krankenhauses, in der Erwägung,
daß z. B. Pestbazillen im Wanzenmagen sich reichlich vermehren. Es
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
473
gelang ihm mehrmals, aus den Wanzen morphologisch, kulturell und
experimentell dieselben Stäbchen zu züchten. Die Bakterien wuchsen
zunächst schlecht, später unter allgemeiner Trübung gut in Fleischbrühe,
es bildet sich ein schleimiger Bodensatz, aber kein Oberflächenhäut¬
chen. Auf koaguliertem Eiweiß bildet sich eine matte solide Schicht
und starke Trübung des Kondenswassers. Auf Agar wuchsen sehr kleine,
homogene, ganz durchsichtige Kolonien. Auf Conradi-Drigalski-Nähr-
boden zeigten sich sehr zarte bläuliche und auf Endo feine farblose
Kolonien. Gelatine wurde nicht verflüssigt. Es zeigte sich ein feines
Wachstum, das an das der Streptokokken erinnerte. Dextrose, Lävulose,
Laktose, Mannit vergären nicht. Es bildet sich kein Indol, und Milch
wird nicht koaguliert. Auf Kartoffeln erfolgte kein Wachstum. Die Ba¬
zillen sind sehr empfindlich gegen Säure. Erwärmen auf öö Grad tötet
sie in 30 Minuten ab. Die Bazillen sind ganz außerordentlich virulent.
Mäuse starben z. B. innerhalb 30 Stunden nach der intraperitonealen
Impfung der Dose 0-000000001 und sogar 0-0000000001 ccm. Klod-
nitzky gibt ihnen deshalb den Namen Bacillus virulentus, und mit Rück¬
sicht darauf, daß es ihm nur einmal gelungen ist, ihn aus dem Blute
Fleckfieberkranker zu züchten, wagt er nicht, ihn als den Erreger des
Fleckfiebers zu bezeichnen.
Anläßlich einer Fleckfiebercpidemie in Tsingtau und Umgebung
im Frühjahr 1911 hat Fuerth (16) (ohne Kenntnisse der Moskauer und
Kiewer Befunde 1909 und 1910) versucht, aus Blutmengen von 2 bis
4 ccm in Pepton oder Traubenzuckerfleischbrühe oder später Ascites¬
glyzerinagar Bakterien zu züchten und bei Untersuchungen im dicken
Blutstropfen, nach Färbung mit Gieinsalösung, auch mikroskopisch
nachzuweisen. Die besten Resultate gab die Blutentnahme 3 bis 4 Tage
vor dem kritischen Temperaturabfall. Zunächst gelang ihm die Kultur
nur in Fleischbrühe, nicht auf festen Nährböden. Er züchtete unbeweg¬
liche, grampositive, kurze Einzel- und Doppelstäbchen, die auch in kurzen
Ketten (4 bis 6 Stück) aneinander gereiht waren und oft so kurz erschienen,
daß sie den Eindruck von Kokken machten. Meist waren sie etwa doppelt
so lang als breit. Bei Färbung mit verdünntem Karbolfuchsin war öfters
die Mitte schwächer gefärbt, so daß Polstäbchen oder Diplokokken
ähnliche Formen erschienen. Die Gram sehe Färbung wird nicht von
allen Stäbchen ganz gleichmäßig festgehalten. Auf Agar bilden sich sehr
feine, eben sichtbare, durchscheinende, grauweiße Kolonien, gleich¬
mäßig leicht erhaben. Bei GOfacher Vergrößerung erscheinen die Kolo¬
nien gleichmäßig fein gekörnt, mit scharfem, unregelmäßig gebuchtetem
Band, ohne Saum, bei älteren Kolonien manchmal wallartig erhobener
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474
Heremann Reuter:
schmaler Rand. Das Wachstum auf Agar erfolgte sehr langsam und zart,
ebenso auf Gelatine ohne Verflüssigung. In Peptonfleischbrühe zeigte
sich geringe Trübung und grauweißer, flockiger Niederschlag, in Ascites¬
glyzerinfleischbrühe deutliche Trübung und etwas schleimiger Boden¬
satz. Auf Drigalski-Conradi-Agar erfolgte zartes Wachstum (naeh
6 Tagen stecknadelkopfgroße, blaue, glänzende Kolonien, Rand etwas
erhaben, Mitte leicht spitz gebuckelt). Zusammengeschabte Kolonien
zeigten hellblauen Farbstoff. Milch wurde nicht verändert. In Lackmus¬
molke zeigte sich geringe Säurebildung (Stich ins Rote) und Trübung.
Die geringe Rötung trat erst nach längerer Fortzüchtung auf künstlichen
Nährböden vereinzelt auf. Meist fehlte sie. In Zuckerlösung erfolgte
keine Gasbildung. Auf Kartoffeln erfolgte kaum sichtbares grauweißes
Wachstum. Auf Löfflerserum war das Wachstum zunächst schlecht,
später üppiger, vereinzelt schleimig, mit geringer Gelbfärbung des Bak¬
terienrasens. Auf schwach alkalischem Menschenblutglyzerinagar zeigte
sich nicht konstante leichte Hämolyse. Auf Glyzerin- und Blutagar
zeigten sich vorwiegend Stäbchenformen, auf Löfflerserum Kokken
und Diplokokkenformen, besonders in den ersten Kulturen, die nur
eine dürftige Entwicklung zeigten. In Ascitesglyzerinfleischbrühe wuchsen
kurze Ketten deutlicher Stäbchen. In älteren, trockenen Kulturen
bildeten sich Involutionsformen, ähnlich wie beim Pestbacillus, dicke
gebogene Stäbchen mit spitz verlaufendem, abgerundetem oder ein¬
seitig zu einer Kugel verdicktem Ende und runde Scheiben. Von 42
kulturell untersuchten Fleckfieberfällen erfolgte. 16mal Wachstum dieses
Bacteriums in Fleischbrühkulturen. Weiterzüchtung auf festen Nähr¬
böden gelang 7mal. Aus Leber und Milz dreier Verstorbener wurden
2 mal Stäbchen gezüchtet. Die vielen Mißerfolge bei den Züchtungs¬
versuchen erklärt Fuerth erstens mit dem leichten Absterben der Kul¬
turen, zweitens mit den großen Ansprüchen derselben betreffs Zusammen¬
setzung der künstlichen Nährböden und drittens damit, daß nur die am
4., 3. und 2. Tage vor der Entfieberung bzw. Exitus vorgenommenen
Blutentnahmen günstige Bedingungen für eine Züchtung der Bakterien
auf künstlichen Nährböden geben. Er glaubt, daß entweder zu Beginn
der Erkrankung noch relativ wenig Bakterien im Blute kreisen oder durch
die zu dieser Zeit noch wenig geschwächten Schutzstoffe des Organismus
so stark geschädigt werden, daß eine Wachstumsfähigkeit auf künst¬
lichen Nährböden nicht mehr vorhanden ist. Eindeutige Agglutinations¬
versuche konnte er nicht anstellen, da die Kulturen die Eigenschaft
der Krümelung in Normalseren und in Kochsalzlösung hatten. Nach
längerer Fortzüchtung verlor sich diese Eigenschaft. Außerdem glaubt
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
475
Fuerth auf Grund von Tierversuchen (vorausgesetzt, daß diese Ba¬
zillen in ätiologischem Zusammenhang mit dem Fleckfieber stehen),
daß bei dieser Erkrankung, ähnlich wie bei Pest, Pneumonie usw., eine
nennenswerte Agglutininbildung nicht vorhanden sei. Diese eben be¬
schriebenen Mikroorganismen zeigten in Reinkulturen, 2 bis 14 Tage
nachdem sie aus dem Körper gezüchtet waren, geringe Pathogenität
für Affen (Macacus rhesus und Macacus cynomolgus), Kaninchen und
Ratten. 2 Affen reagierten mit Fieber, von 4 geimpften Kaninchen
starben 3, 4 Meerschweinchen reagierten auf 1 ccm Fleischbrühekultur
gar nicht. Von 5 Ratten zeigten 4 vom 3. und 4. Tage an ein krankes
Aussehen, sie blieben am Leben. Nach längerer Züchtung auf künstlichen
Nährböden traten weder bei Affen, noch Kaninchen, noch Ratten Fieber
oder sonstige Krankheitszeichen auf. Nach Verimpfung von Blut Fleck-
fieberkranker auf oben genannte Macacen trat nach einer Inkubations¬
zeit von 10 bis 14 Tagen ein Fieber von 5 bis 7 tägiger Dauer ein. 2 Affen
starben am 12. bzw. 13. Tage nach der Impfung. Es gelang, aus ihren
Körperorganen die beschriebenen Diplobazillen in Reinkultur zu züchten.
Fuerth läßt am Schlüsse seiner Veröffentlichung die Frage offen, ob
das beschriebene Stäbchen in ätiologische Beziehung zum Fleckfieber
zu bringen ist, wenngleich der häufige Befund in gewissen Stadien des
Fleckfiebers, die Züchtung aus den mit dem Blute von Kranken geimpften
Affen nach 12 Tagen und die an anderen Orten und von anderen Autoren
beschriebenen, fast gleichen Bakterienbefunde in diesem Sinne sprechen
würden.
Paul Th. Müller (18) beschreibt eine Fleckfieberepidemie bosni¬
scher Rückwanderer im Jahre 1913 aus dem Seelazarett St. Bartolomäo
bei Triest. In allen untersuchten Fällen fand er in Blutausstrichen nach
Giemsafärbung zeitweise spärliche Doppelkokken, Diplobazillen, iso¬
lierte Kokken und ovoide Stäbchen, die meist von einer schmalen Kapsel
umgeben waren. 4mal fand er sie auch bei bereits entfieberten Patienten.
Von 11 Fällen gelang die Kultur 5 mal, es erfolgte Wachstum von Diplo¬
bazillen. Weiterzüchtung auf Ascitesagar gelang 3 mal. Die Kulturen
glichen denen Fuerths. Es waren unbewegliche Stäbchen, bisweilen
reine Kokkenformen (je nachdem, welcher Nährboden benutzt wurde).
Mit Vorliebe lagen sie zu zweien oder waren in kurzen Ketten angeordnet.
In Fleischbrühe traten häufig Keulen- und Hantelformen, Scheiben
und ungleich dicke Fäden auf, die zunächst grampositiv waren, später
die Gramfärbung meist nicht mehr festhielten. Nach wiederholtem
Überimpfen zeigten die Stäbchen auch auf festen Nährböden gutes Wachs¬
tum. In Fleischbrühe trat ganz schwache Trübung und schleimiger Boden-
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476
Herrmann Reuter:
satz auf. Auf Gelatine erfolgte zunächst gar kein, später nur geringes
Wachstum. Zuckerarten wurden nicht vergoren. Lackmusmolke und
Barsikowsche Nährböden blieben unverändert oder wurden ganz
schwach gerötet. Die Tierpathogenität war sehr gering. Mäuse gingen
nur nach sehr großen Quantitäten nach 24 Stunden ein. Ein geimpftes
Kaninchen starb nach 7 Tagen, ein Affe zeigte keine Erscheinungen,
ebensowenig allerdings 2 andere mit Krankenblut geimpfte Affen. Müller
hält seine Stäbchen für identisch mit den von Fuerth, Rabinowitsch
und Predtjetschensky gefundenen.
Sergent, Foley und Vialatte (h), die 1914 Läuse, die an Fleck¬
fieberkranken gesogen hatten, bakteriologisch untersuchten, fanden
kleine Kokkobazillen, die besonders reichlich im Darminhalte der Läuse
angetroffen wurden. Die Kokkobazillen färbten sich nach Giemsa an
beiden Enden stark, in der Mitte dagegen gar nicht. Derartige Gebilde
fanden sich nicht in Läusen, die von gesunden oder andersartig erkrank¬
ten Menschen stammten. Nach Ansicht der Verfasser ähneln die von
ihnen gefundenen Gebilde den von anderen Autoren im Blute von Fleck¬
fieberkranken und von Ricketts und Wilder gleichfalls bei Läusen
beobachteten Mikroorganismen.
Vom Februar 1915 ab untersuchte Petruschky, Danzig, eine
größere Zahl von Auswurfproben, die von Fleckfieberkranken aus dem
Kriegsgefangenenlager Tuchei stammten. In einer vorläufigen Mittei¬
lung im Centralblatt für Bakteriologie (12) gibt er an, daß er in den über¬
aus leukozytenarmen Sputis ein Stäbchen gefunden habe, das die un¬
gefähre Form und Größe der Influenzbazillen besitze. Die Stäbchen
wuchsen auf gewöhnlichem Agar, besser noch auf Nutrose-Milchzucker¬
agar in allerkleinsten, zunächst nur mit der Lupe sichtbaren Kolonien.
Außer diesen allerkleinsten Kolonien fanden sich noch etwas größere
von Kokkenarten. Von den Influenzabazillen unterscheiden sich die
Stäbchen schon dadurch, daß sie auf Nährböden ohne Blutbeimischung
wachsen. In Kontrolluntersuchungen zahlreicher anderer Sputa gelang
es niemals, dieses Stäbchen zu finden. Betreffs der Deutung dieser Be¬
funde äußert sich Petruschky dahin, daß es sich dabei entweder um
eine bei den Tuchler Fleckfieberfällen konstant vorkommende Begleit¬
infektion handle, oder, falls die Stäbchen auch in anderen Fleckfieber¬
epidemien gefunden würden, daß man neben der Übertragung durch
Läuse, auch an die Möglichkeit der Fleckfieberübertragung durch Aus¬
wurf und ausgehustete Tröpfchen denken müsse, etwa analog den ver¬
schiedenen Übertragungsarten der Pest.
Im Frühjahr 1915 hatte Arnheim (9) Gelegenheit, 7 Fälle von Fleck-
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
477
fieber bakteriologisch zu untersuchen, darunter 6 Blutproben. Er konnte
dabei 3 mal aus dem Blute, 4 mal aus dem Sputum und einmal aus dem
Urin Stäbchen kultivieren. Es waren dies grampositive Stäbchen, etwa
von der Größe der Influenzbazillen, sie waren unbeweglich und hatten
abgerundete Ecken. In späteren Generationen nahmen sie die Gram¬
färbung weniger leicht an (namentlich die Fleischbrühekulturen). Sie
wuchsen anfangs sehr spärlich in invisiblen Kolonien nur auf Ascites¬
agar, später auch äußerst fein auf Nutroseagar. Ihre Lagerung in den
Kulturen ist sehr charakteristisch (meist zu zweien oder in Reihen zu
vier nebeneinander). Sie erinnern dadurch lebhaft an die Pseudodiph¬
theriebazillen, von denen sie sich nur durch ihre geringe Größe unter¬
scheiden. Vergleichen der einzelnen gewonnenen Stämme untereinander
ergab verschiedene Differenzpunkte in bezug auf Größe und Aussehen
der Kolonien, Verhalten in Milch und Wachstumsenergie. Die Frage,
ob es sich trotzdem um gleichartige Stämme handle, und ob die Ver¬
schiedenheit sich innerhalb der Grenzen des biologisch Zulässigen be¬
wege, läßt Arnheim offen. Er betont aber die allen gemeinsame mor¬
phologische Ähnlichkeit, das fast imsichtbare Wachstum, ihre Grani-
positivität. das spärliche Wachstum in Fleischbrühe und die Eigen¬
schaft der Krümelung beim Verreiben in Flüssigkeiten. Auf Grund
der spontanen Krümelung, auch in Kochsalzlösung, ließen sich Agglu¬
tinationsversuche nicht ausführen, über Komplementbindungsversuche
schreibt er: „Dagegen war die Komplementbindungsreaktion stark
positiv in folgender Anordnung: Alkoholischer Milzextrakt eines an
Fleckfieber Verstorbenen (inaktiv) und Bazillen des von mir kultivierten
Falles in Kochsalzlösung, während Kontrollen mit anderen Sera und
anderen Bazillen die Reaktion nicht ergaben.“ Tierversuche hat Arn¬
heim nicht angestellt. Arnheim ist der Ansicht, daß die von ihm ge¬
fundenen Bazillen mit denen anderer Autoren (Rabinowitsch, Fuerth,
P. Th. Müller) übereinstimmen.
Dies dürften die wesentlichsten bisher veröffentlichten Befunde
von Erregern des Fleckfiebers sein.
Wie bereits erwähnt, wurden von Februar 1915 ab in dem Hygieni¬
schen Institut der technischen Hochschule in Danzig, Vorstand Prof.
Dr. Petruschky, zunächst fortlaufend die Sputa Fleckfieberkranker
untersucht, und daraus ein konstant vorkommendes Stäbchen isoliert.
Später dehnte Petruschky seine Untersuchungen auch auf die
Organe an Fleckfieber Verstorbener aus, und dabei gelang es ihm eben¬
falls, in mehreren Fällen aus den verschiedensten Organen der Leichen
dem ersten Stäbchen sehr ähnliche zu züchten. Herr Prof. Dr. Petruschky
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478
Herrmann Reuter:
hatte die Liebenswürdigkeit mir die folgenden Stämme zum -Vergleich
zur Verfügung zu stellen:
Stamm F 1
ein
Stäbchen, wurde
aus
Sputum isoliert.
„ F 10a
ein
kleiner Coccus, wurde
aus
Sputum
isoliert
.. F 10b
n
großer „
11
91
99
19
„ F 134
??
Stäbchen,
,,
. ,
Haut
19
., F 143
% *
19
9 1
99
Leber
, ,
„ F 188
9 i
99
91
99
Perikard
91
„ F 202
i )
Coccus,
9 1
19
Milz
19
„ F 217
* *
9 9
9 1
99
Herzserum
9 9
„ F 218
n
9 1
99
Sputum
91
„ F 222
i •
Stäbchen,
, ,
99
Bronchialsekret
91
„ F 237
n
11
. ,
, ,
Herzblut
9 1
F 240
. ,
,,
, ,
99
Blut
11
F 250
9?
99
9 9
91
Sputum
11
Im Verlauf der Untersuchungen dieser Stämme auf den verschie¬
denen Nährböden fand sich als Verunreinigung ein Stäbchen ein, das,
ebenfalls in kleinen Kolonien wachsend, auch mikroskopisch eine ähn¬
liche Gestalt wie F 1 darbot. Es ist etwas größer als F 1 und zeigte auch
auf verschiedenen Nährböden abweichendes Verhalten. Im folgenden
ist es als Pseudo-F-Bacillus bezeichnet und mit aufgeführt. Die von
Petruschky aus Fleckfieberkranken bzw. Leichen gezüchteten Stämme
lassen sich in 4 Gruppen einteilen:
A. Bazillen von kleinem Typus.
B. Kokken.
C. Bazillen von gröberem Typus und
D. Streptotricheen.
Auf den einzelnen Nährböden und im mikroskopischen Bilde zeigten
sie folgendes Verhalten.
A. Bazillen von kleinem Typus.
F 1.
Im Agarschrägröhrchen und auf Agarplatten zeigen sich nach
24 Stunden ganz kleine Kolonien, die zunächst wie feinste Kondens-
wassertröpfchen aussehen. Sie sind, mit der Lupe betrachtet, fast durch¬
sichtig. Nach 48 Stunden haben sie sich etwa um das Doppelte vergrößert.
Die Durchsichtigkeit verschwindet, und die einzelne Kolonie bekommt
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
479
eine hellgraue Farbe, ist gut durchscheinend und sieht flach und trocken
aus. Unter dem Mikroskop bei schwacher Vergrößerung betrachtet,
zeigt die scharf abgegrenzte runde Kolonie eine feine Körnelung, die
im Zentrum am stärksten ist und nach dem Rande iw allmählich ab¬
nimmt. Dementsprechend ist das Zentrum am wenigsten, die Peripherie
am meisten durchscheinend. Betrachtet man die Kolonien auf einer
Agarplatte mit einer guten Lupe unter seitlicher Beleuchtung, so sieht
man, daß die im Profil vom Rande nach der Mitte zu allmählich an¬
steigende Kolonie im Zentrum plötzlich eine steile spitze Erhebung
zeigt.
Auf Löfflerserum sehr gutes Wachstum, die einzelnen Kolonien
werden etwas größer als auf gewöhnlichem Agar. Die graugelbliche
Farbe hebt sich kaum von dem Nährboden ab. Das Serum wird nicht
verflüssigt.
Auf Mannitlackmusagar Wachstum wie auf gewöhnlichem Agar.
Der Nährboden wird nicht verändert.
Lackmusmolke wird ganz leicht bläulich gefärbt. Sie bleibt klar,
am Boden sammelt sich ein feines Sediment an, das bei starkem Schütteln
sich gleichmäßig verteilt und dann die Molke gleichmäßig trübt. Es
bildet sich kein Oberflächenhäutchen.
Fleischbrühe verhält sich wie Lackmusmolke. Sie bleibt klar, es
bildet sich kein Oberflächenhäutchen, und es sammelt sich ein fein¬
flockiges Sediment am Boden an. Das Wachstum in Fleischbrühe ist
spärlich.
Milch wird nicht verändert.
In Agarstichkultur Wachstum längs des ganzen Impfstiches.
In Traubenzuckeragarstichkultur ebenfalls Wachstum längs des
ganzen Impfstiches ohne Gasbildung.
In Gelatinestichkultur kein Wachstum.
Auf Gelatineplatten bei Zimmertemperatur kein Wachstum.
Auf Endonährböden kein Wachstum.
Auf Lackmusmilchzuckeragar gutes Wachstum ohne Veränderung
des Nährbodens.
Auf Dicudonnd-Blutalkaliagar kein Wachstum.
Barsikow-Traubenzucker und Barsikow-Milchzuckernährböden werden
nicht verändert.
Unter dem Mikroskop zeigt das grampositive Stäbchen in Gestalt
und Lagerung eine große Ähnlichkeit mit Diphtheriebazillen. Die Stäb¬
chen sind nur kleiner, sie liegen teils zu zweien, dreien oder vieren neben¬
einander und überkreuzen sieh, zum Teil als Doppelstäbchcn hinter-
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480
Herrmann Reuter:
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einander. Die Ecken sind abgerundet. Die Form ist leicht gebogen und
häufig auch keulenförmig. Die Keulen- und Hantelformen treten am
deutlichsten in etwa 3 Tage alten Kulturen hervor. Sie stellen die größten
Individuen dar und sind etwa 4 bis 6 mal so lang als breit. Der größte
Teil der Stäbchen ist kürzer, etwa 2 bis 3 mal so lang als breit. Außer¬
dem gibt es noch kürzere: fast Kokken ähnliche, ovale Formen. Durch
die Ginssche und die Giemsafärbung lassen sich in den Stäbchen kleine,
intensiver gefärbte, Polkörperchen ähnliche Gebilde nachweisen, die
in den Enden der Stäbchen liegen, dazwischen befindet sich eine unge¬
färbte oder nur schwach gefärbte Lücke. Im hängenden Tropfen, der
aus Kondenswasser vom Schrägröhrchen entnommen ist, zeigt sich,
daß die Stäbchen reichlich gewachsen sind. Sie sind unbeweglich urd
fast alle zu kleinen Klümpchen zusammengeballt, etwa so, wie wir es
bei der Agglutination zu sehen gewöhnt sind.
F 134
wächst auf Agar in feinen, kleinen, runden, scharf begrenzten Kolonien,
die unter dem Mikroskop eine feine Granulierung zeigen, die vom Zentrum
nach dem Rande zu abnimmt. Bei seitlicher Beleuchtung mit der Lupe
betrachtet, zeigen auch diese Kolonien in der Mitte eine spitze Erhebung.
Auf Löfflerserum erfolgte gutes Wachstum, zunächst farblos, nach
etwa 8 Tagen einen leicht gelblichen Farbenton annehmend. Verflüssi¬
gung tritt nicht ein.
Auf Mannitlackmusagar erfolgt Wachstum ohne Farbenumschlag.
Milch wird nicht verändert.
Fleischbrühe bleibt klar. Es bildet sich ein spärlicher feiner Nieder¬
schlag, kein Oberflächenhäutchen.
Lackmusmolke ist nach 24 Stunden unverändert, später wird sie
ganz leicht gerötet.
In Agar- ebenso wie in Traubenzuckeragarstichkultur zeigt sich feines
Wachstum längs des ganzen Impfstiches, nach unten zu vielleicht etwas
abnehmend. Gasbildung tritt nicht ein.
Auf Gelatineplatten und im Gelatinestich erfolgt bei Zimmertempe¬
ratur kein Wachstum.
Ebensowenig erfolgt Wachstum auf Endonährböden.
Auf Lackmusmilchzuckeragar zeigt sich feines Wachstum zunächst
ohne Farbenumschlag. Nach mehreren Tagen tritt eine Spur Rötung auf.
Barsikow - Traubenzucker- und Barsikow - Milchzuckernährböden
werden zunächst nicht verändert. Nach 8 Tagen zeigt sich auch hier eine
Spur Rötung in beiden.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
481
Das mikroskopische Bild von F 134 zeigt kleine grampositive Stäb¬
chen, die sich namentlich an den Enden intensiv nach Gram färben und
in der Mitte eine Lücke aufweisen, die die Kontrastfarbe annimmt
(Okular 4). Bei oberflächlicher Betrachtung täuschen sie leicht Diplo¬
kokkenformen vor. Sie sind etwa 3 mal so lang als breit. Es gibt je-
doeh auch einzelne kürzere sowie längere Formen. Diese größeren Indi¬
viduen haben bisweilen eine leichte Keulenform, namentlich in den
älteren Kulturen. Nur kleine Abschnitte dieser Keulen sind gramposi¬
tiv. Der größere Teil nimmt die Kontrastfarbe an. Die Stäbchen liegen
häufig zu dreien oder vieren nebeneinander oder sind fingerförmig gestellt,
zom Teil bilden sie auch kurze Ketten von 3 Gliedern. Nach Giemsa¬
färbung treten auch hier die stark dunkel gefärbten, Polkörperchen
ähnlichen, Endstücke deutlich hervor, dazwischen befindet sich ein
ungefärbter oder nur schwach rosa gefärbter Spalt. Die Stäbchen sind
unbeweglich und zeigen nur mäßige Molekularbewegung.
F 143
zeigt auf Agarschrägröhrchen gleiches Wachstum wie F 1. Die Farbe
ist ebenfalls ein leichtes Grau. Die einzelne runde Kolonie sieht unter
dem Mikroskop, bei schwacher Vergrößerung betrachtet, granuliert aus,
die dunkelste Partie ist in der Mitte, nach dem Rande zu wird sie durch¬
scheinender und ist scharf umgrenzt.
Auf Löfflerserum sehr gutes Wachstum. Die Farbe der Kolonien
differiert nicht von der des Nährbodens. Das Serum wird nicht ver¬
flüssigt.
Auf Mannitlackmusagar gutes Wachstum ohne Veränderung des
Nährbodens.
Lackmusmolke wird nicht verändert. Kein Oberflächenhäutchen,
keine Trübung, kein Farbenumschlag, Wachstum nur als Sediment
am Boden des Röhrchens.
Fleischbrühe wird nicht getrübt, es sammelt sich ein feines Sedi¬
ment am Boden an.
Milch wird nicht verändert.
In Agarstichkultur Wachstum längs des ganzen Impfstiches.
Im Gelatinestich und auf Gelatineplatten kein Wachstum bei
Zimmertemperatur.
Im Traubenzuckeragarstich ebenfalls Wachstum längs des ganzen
Impfstiches ohne Gasbildung.
Auf Endonährböden kein Wachstum.
Auf Lackmusmilchzuckeragar gutes Wachstum ohne Farbenumschlag.
Zeitechr. f. Hygiene. LXXXII
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482
Herrmann Reuter:
Auf Dieudonnä-Blutalkaliagar kein Wachstum.
Barsikow-Traubenzucker- und Barsikow-Milchzuckerlösung werden
zunächst nicht verändert. Später wird die Traubenzuckerlösung leicht
gerötet.
Das grampositive Stäbchen ist sehr klein, plump, etwa 2 mal so lang
wie breit und zeigt abgerundete Ecken. Die Stäbchen liegen auch hier
häufig zu zweien oder vieren nebeneinander. Längere Stäbchenformen
kommen vereinzelt vor. In der Mehrzahl sind aber die kürzeren Formen
vertreten, die zum Teil fast ovale Gebilde darstellen. Keulenformen
sind selten. Mit Hilfe der Giemsafärbung lassen sich auch hier wieder
die intensiv gefärbten Endstücke deutlich von der ungefärbten Mitte
unterscheiden (Okular 4, Zeiß). Der Größe nach steht das Stäbchen
etwa zwischen F1 und F 134.
F 188
wächst auf Agar gut in kleinen runden, scharf abgegrenzten, durchscheinen¬
den Kolonien, die, bei schwacher Vergrößerung betrachtet, granuliert
erscheinen. Auch diese Kolonien zeigen bei seitlicher Beleuchtung unter
der Lupe eine spitze Erhebung im Zentrum.
Auf Löfflerserum erfolgt gutes Wachstum. Die Kolonien haben
zunächst Nährbodenfarbe. Nach etwa 8 Tagen bekommen sie einen
leicht gelblichen Ton. Es tritt keine Verflüssigung ein.
Auf Mannitlackmusagar erfolgt gutes Wachstum ohne Farbenum¬
schlag.
Lackmusmolke ist nach 24 Stunden unverändert, später wird sie
ganz leicht gerötet. Sie bleibt klar ohne Oberflächenhäutchen. Am
Boden sammelt sich ein leicht schleimiger, feiner Niederschlag an.
Fleischbrühe bleibt klar, ohne Oberflächenhäutchen. Es bildet sich
ein feinflockiges Sediment.
Milch wird nicht verändert.
In Agarstichkultur und Traubenzuckeragarstichkultur erfolgt Wachs¬
tum ohne Gasbildung.
In Gelatinestichkultur ist kein Wachstum vorhanden, ebensowenig
auf Gelatineplatten.
Auf Endo zeigt sich kein Wachstum.
Auf Lackmusmilchzuckeragar erfolgt nach 24 Stunden Wachstum
ohne Veränderung des Nährbodens, später tritt leichte Rötung ein (fast
farblos).
Barsikow-Traubenzucker- und Barsikow-Milchzuckerlösung ist nach
24 Stunden unverändert, später tritt leichte Rötung ein.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
483
Das mikroskopische Bild von F 188 ist ganz genau dasselbe wie
das von F 134.
F 217
bildet auf Agar ebenfalls kleine runde, durchscheinende, sehr fein granu¬
lierte Kulturen, die scharf begrenzt sind. Die Kolonie wird vom Zen¬
trum nach dem Bande zu immer durchscheinender. Auch sie zeigt im
Zentrum eine spitze Erhebung (Lupe und seitlicher Beleuchtung).
Auf Löfflerserum erfolgt gutes Wachstum in Nährbodenfarbe. Ver¬
flüssigung des Nährbodens tritt nicht ein.
Auf Mannitlackmusagar ebenfalls gutes Wachstum ohne Farben¬
umschlag.
Lackmusmolke ist nach 24 Stunden unverändert, später wird sie
leicht blau gefärbt. Sie bleibt klar. Kein Oberflächenhäutchen, dagegen
flockiger Bodensatz.
Fleischbrühe bleibt klar, ohne Oberflächenhäutchen, mit einem
flockigen Niederschlag.
Milch wird nicht verändert.
In Agarstichkultur und in Traubenzuckeragarstichkultur erfolgt
Wachstum längs des ganzen Impfstiches ohne Gasbildung.
In Gelatinestichkultur bei Zimmertemperatur kein Wachstum,
ebensowenig auf Gelatineplatten.
Auf Endonährböden erfolgt ebenfalls kein Wachstum.
Auf Lackmusmilchzuckeragar mittelmäßiges Wachstum ohne Farben-
uraschlag.
Barsikow-Traubenzucker- und Barsikow-Milchzuckerlösung werden
nicht verändert.
F 217 ist ein kleines unbewegliches grampositives Stäbchen, 3 bis
4 mal so lang als breit. Es hat abgerundete Ecken. Die Endstücke
färben sich intensiv nach Gram. In der Mitte befindet sich eine ungefärbte
schmale Lücke. Die Doppelstäbchen liegen meist zu dreien oder vieren
parallel. Vereinzelt zeigt das eine Ende eine leichte keulenförmige Auf¬
treibung. Die Kulturen lassen sich nur äußerst schwer in Flüssigkeiten
verreiben, so daß z. B. im hängenden Tropfen nur vereinzelte freie Orga¬
nismen vorhanden sind, während der größte Teil einen festen zusammen¬
hängenden Rasen bildet. Auch im mikroskopischen Aussehen ist die
Ähnlichkeit mit F 1 groß. Nur die Keulenformen sind nicht so stark
ausgeprägt.
31 *
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484
Herrmann Reuter:
F 222
bildet auf Agar einen feinen, leicht graublau durchscheinenden Belag.
Die einzelnen Kolonien sind ebenfalls sehr klein. Unter dem Mikroskop
bei schwacher Vergrößerung erscheinen sie rund und bisweilen am Rande
leicht gezähnelt (letzteres namentlich auf dünner Nährbodenschicht).
Bei durchfallendem Lichte erscheint die ganze Kolonie sehr fein granu¬
liert, die Mitte als dunkler Punkt. Bei anderer Mikroskopeinstellung
erscheint eine umschriebene, punktförmige Partie des Zentrums hell,
die Peripherie dagegen dunkel. Es ist also auch hier die spitze Erhebung
des Zentrums vorhanden.
Auf Löfflerserum erfolgt sehr gutes Wachstum, das nach einigen
Tagen eine leicht gelbliche Färbung (etwas intensiver als die des Nähr¬
bodens) annimmt. Verflüssigung tritt nicht ein.
Auf Mannitlackmusagar gutes Wachstum ohne Veränderung des
Nährbodens.
Lackmusmolke wird nicht verändert. Sie bleibt klar. Kein Ober¬
flächenhäutchen. Feiner Bodensatz.
Fleischbrühe bleibt klar. Kein Oberflächenhäutchen. Feines Sedi¬
ment.
Milch wird nicht verändert.
Auf Gelatine erfolgt bei Zimmertemperatur kein Wachstum.
Auf Endo erfolgt kein Wachstum.
Auf Lackmusmilchzuckeragar gutes Wachstum. Die Kolonien
bleiben blau.
Barsikow-Milchzucker- und Barsikow-Traubenzuckernährböden werden
nicht verändert.
Das mikroskopische Bild von F 222 gleicht dem von F 134 und
F 188.
F 240
zeigt gutes Wachstum auf Agar. Die sehr kleinen runden, durchschei¬
nenden Kolonien zeigen eine feine Granulierung, die vom Rande nach
der Mitte zu zunimmt. Im Zentrum zeigt sich bei seitlicher Beleuchtung
unter der Lupe ebenfalls die schon mehrfach erwähnte spitze Erhebung.
Auf Löfflerserum erfolgt gutes Wachstum. Die Kolonien haben
dieselbe Farbe wie der Nährboden. Verflüssigung tritt nicht ein.
Auf Mannitlackmusagar Wachstum ohne Farbenumschlag.
Milch wird nicht verändert.
Fleischbrühe bleibt klar, ohne Oberflächenhäutchen. Am Boden
sammelt sich ein feinflockiges Sediment.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
485
Lackmusmolke ist nach 24 Stunden unverändert, nach 8 Tagen
tritt eine Spur Rötung auf.
In Agarstiohkultur und Traubenzuokeragarstichkultur erfolgt Waohs-
tum ohne Gasbildung.
Auf Gelatineplatten und im Gelatinestich erfolgt kein Wachstum.
Auf Endo zeigt sich ebenfalls kein Wachstum.
Auf Mannitlackmusagar erfolgt nach 24 Stunden feines Wachstum
ohne Farbenumschlag. Nach 48 Stunden zeigen die Kolonien eine ganz
geringe Spur Rötung.
Barsikow-Milchzucker und Barsikow-Traubenzuckerlösung sind nach
24 Stunden unverändert. Nach mehreren Tagen tritt auch hier eine Spur
Rötung auf.
F 240 ist mikroskopisch ein ebenfalls unbewegliches kleines Stäb¬
chen, da6 sich nach Gram färbt. Die Mehrzahl dieser Stäbchen ist etwa
3 mal so lang als breit, es gibt erheblich kürzere, fast ovale, Kokken ähn¬
liche Formen und größere keulenartige Vertreter. Auch hier läßt sich
im einzelnen Stäbchen fast immer in der Mitte eine Lüoke nachweisen,
die die Gramsche Färbung nicht festhält, während die abgerundeten
Endstücke intensiv sich färben. Die Stäbchen liegen häufig Diphtherie¬
bazillen ähnlich zu vier bis fünf parallel, zum Teil überkreuzt, auch
fingerförmig gestellt, zum Teil zu zweien hintereinander.
F 250.
Im Frühjahr 1916 übersandte mir Herr Prof. Petruschky noch
einen weiteren Stamm, der aus Sputum eines fleckfieberkranken russi¬
schen Kriegsgefangenen in Hammerstein stammte. Dieser Stamm zeigte
ira Aussehen der Kolonie ein etwas abweichendes Verhalten. Die Kolo¬
nien auf Agar usw. sind sehr klein und erscheinen bei schwacher mikro¬
skopischer Vergrößerung durchscheinend und gleichmäßig fein granu¬
liert. Die spitze Erhebung im Zentrum, die die bisher beschriebenen
Stämme aufweisen, kann man nicht erkennen.
Fleischbrühe wird zunächst getrübt, nach einigen Tagen wird sie
aber unter Bildung eines feinflockigen Niederschlages wieder klar.
Auf den übrigen Nährböden erfolgte ein den bisher beschriebenen
Stämmen ganz analoges Wachstum, d. h. die verschiedenen Zucker¬
arten werden nicht vergoren, und keine Säure gebildet. Auf Endo- und
Gelatineplatten erfolgt kein Wachstum.
Mikroskopisch ähnelt der Stamm sehr den im vorhergehenden be¬
schriebenen. Es sind sehr kurze Stäbchen mit abgerundeten Ecken,
die sich an den Enden intensiver als in der Mitte färben und also auch
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486
Herrmann Reuter:
die Lücke aufweisen. Das Stäbchen ist ebenfalls grampositiv und un¬
beweglich. Eine nennenswerte Keulenbildung konnte ich bis jetzt bei
diesem Stamm nicht finden. Beim Verreiben in Flüssigkeit zeigt auch
dieser Stamm eine sofortige deutliche Krümelung.
Der als Verunreinigung unbekannter Herkunft im Stamm 143 auf¬
getretene als Pseudo-F bezeichnete Stamm zeigt auf Agar etwas größere
Kolonien als F 1, die aber immerhin noch sehr klein sind.. Die Farbe
erscheint etwas gelblich. Die einzelne Kolonie sieht unter dem Mikro¬
skop, bei schwacher Vergrößerung betrachtet, ebenfalls rund und granu¬
liert aus, die dunkelste Partie ist in der Mitte, nach dem Rande zu wird
die Kolonie durchscheinender und ist scharf begrenzt.
Auf Löfflerserum erfolgt sehr gutes Wachstum von ausgesprochen
zitronengelber Farbe, die deutlich von der des Nährbodens differiert (im
Gegensatz zu F 1). Das Serum wird nicht verflüssigt.
Auf Mannitlackmusagar gutes Wachstum ohne Veränderung des
Nährbodens.
Lackmusmolke wird nicht verändert. Kein Oberflächenhäutchen,
keine Trübung, kein Farbenumschlag, Wachstum nur als Sediment
am Boden des Röhrchens.
Milch wird nicht verändert.
In Agarstichkultur Wachstum längs des ganzen Impfstiches.
Im Gelatinestich und auf Gelatineplatten spärliches Wachstum
bei Zimmertemperatur.
Im Traubenzuckeragarstich ebenfalls Wachstum längs des ganzen
Impf Stiches ohne Gasbildung.
Auf Endonährböden gutes Wachstum ohne Rötung des Substrates.
Auf Lackmusmilchzuckeragar gutes Wachstum ohne Farben Umschlag.
Auf Dieudonnö-Blutalkaliagar kein Wachstum.
Barsikow-Traubenzucker- und Barsikow-Milchzuckernährboden werden
nicht verändert.
Das vielleicht aus dem Agar stammende ebenfalls grampoaitive
Stäbchen zeigte mikroskopisch große Ähnlichkeit mit F 1. Die Keulen¬
formen sind sehr stark ausgeprägt. Häufig endständige Anschwellungen
an beiden Enden mit einer weniger intensiv gefärbten und schmaleren
Partie in der Mitte. Die Lagerung ist der der Diphtheriebazillen noch
ähnlicher. Beweglichkeit ist nicht vorhanden. Durch die Neisser- und die
Ginssche Färbung lassen sich in den Stäbchen Polkörperchen ähnliche
Gebilde nach weisen, teils endständige, teils 4 oder 5 durch das Stäbchen
verteilt. Die Färbung der Körperchen ist nicht ganz so intensiv wie
beim Diphtheriebacillus, und die Körnchen selbst sind etwas größer.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
487
B. Kokkenarten.
F 10a.
Dieser Stamm bildet sehr kleine Kolonien auf Agar. Sie sind nach
24 Stunden überaus fein und durchscheinend und überziehen wie ein
leichter Schleier die Agaroberfläche da, wo sie dicht beisammen stehen
und ineinander überfließen. Die einzelne Kolonie ist nach etwa 48 Stunden
mit bloßem Auge deutlich zu erkennen, etwa ein viertel Stecknadel¬
kopf groß. Sie ist sehr durchscheinend, rund, zeigt bei schwacher Mikro¬
skopvergrößerung eine ganz feine Granulierung und ist scharf begrenzt.
Auf Löfflerserum ist das Wachstum gut, jedoch nur bei äußerst
genauem Hinschauen zu bemerken, da sich die feinen durchscheinenden
Kolonien zunächst fast nicht vom Nährboden abheben. Im Kondens-
wasser des Serumschrägröhrchens erfolgt sehr üppiges Wachstum in
Form von weißen Flöckchen, die sich am Boden absetzen. Verflüssigung
des Nährbodens tritt nicht ein.
Das Wachstum auf Mannitlackmusagar gleicht dem auf gewöhnlichem
Agar, es ist vielleicht eine Spur geringer, der Nährboden wird nicht ver¬
ändert.
Lackmusmolke wird deutlich gerötet. Es bildet sich kein Oberflächen¬
häutchen, dagegen ein reiner Niederschlag.
Fleischbrühe wird zunächst getrübt, später wird sie wieder klar.
Es ist kein Oberflächenhäutchen vorhanden, dagegen ein Niederschlag.
Milch wird zur Gerinnung gebracht.
In Agarstichkultur und Traubenzuckeragarstichkultur erfolgt Wachs¬
tum längs des ganzen Impfstiches. Gasbildung in letzterem tritt nicht ein.
Auf Gelatineplatten und im Gelatinestich erfolgt bei Zimmertempe¬
ratur kein Wachstum.
Auf Endoplatten zeigt sich gutes Wachstum mit Rotfärbung der
Kolonien und des Nährbodens in der Umgebung derselben.
Auf Lackmusmilchzuckeragar erfolgt gutes Wachstum und deut¬
liche Rotfärbung.
Barsikow-Milchzucker-undBarsikow-Traubenzuckernährböden werden
gerötet.
Mikroskopisch erweist sich F 10 a trotz seines Streptokokken ähn¬
lichen Wachstums als sehr kleiner, in traubenförmigen Gruppen liegender,
grampositiver Coccus.
F 10b.
Dieser Stamm wächst auf Agar in etwas gröberen Kolonien als
F 10a.
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488
Herrmann Reuter:
Auf Löfflerserum wachsen die Kolonien ebenfalls in der Nährboden-
farbe.
Auf Mannitlackmusagar zeigt sich feines Wachstum ohne Ver¬
änderung des Nährbodens.
In Lackmusmolke zeigt sich nach 24 Stunden nur eine Spur Rötung.
Fleischbrühe wird getrübt, es bildet sich ein reichlicher Niederschlag,
dagegen kein Oberflächenhäutchen.
Milch wird nicht verändert.
Auf Gelatine erfolgt Wachstum bei Zimmertemperatur. Ver¬
flüssigung tritt nicht ein.
Auf Endo ebenso wie auf Lackmusmilchzucker wächst der Stamm
in kleinen, fast farblosen Kolonien, die erst vom 3. Tage an eine Spur
Rötung zeigten.
Barsikow-Milchzucker-und Barsikow-Traubenzuckernährböden werden
nicht verändert.
Im mikroskopischen Bild erweist sich dieser Stamm als ein mittel¬
großer Diplococcus, der eine gewisse Ähnlichkeit in der Föhn mit dem
Gonococcus hat, den er nur durch Größe etwas übertrifft. Bisweilen,
namentlich in jungen Kulturen, liegen die beiden Hälften des Diplococcus
so nahe beisammen, daß ein einzelner runder Coccus vorgetäuscht wird.
F 202
bildet auf Agar ebenfalls sehr kleine, feine, durchscheinende, runde
Kolonien, die nach 24 Stunden nur mit Mühe mit dem bloßen Auge
zu erkennen sind. Bei durchfallendem Lichte zeigen die jungen Kolo¬
nien da, wo sie eng beisammen stehen, einen leicht bläulichen Schein.
Bei schwacher mikroskopischer Vergrößerung zeigt sich die einzelne
Kolonie scharf umrandet und ganz fein granuliert.
Auf Löfflerserum wächst 202 gut, die Kolonien haben dieselbe
Farbe wie der Nährboden. Verflüssigung tritt nicht ein.
Wachstum auf Mannitlackmusagar wie auf gewöhnlichem Agar,
vielleicht etwas weniger gut. Ein Farbenumschlag tritt nicht ein.
Lackmusmolke ist nach 24 Stunden leicht gerötet, es bildet sich
ein sehr feines Sediment, aber kein Oberflächenhäutchen. Trübung
tritt nicht ein.
Fleischbrühe bleibt klar, ohne Oberflächenhäutchen, mit feinem
Bodensatz.
Milch wird nicht verändert.
In Agarstichkultur und Traubenzuckeragarstichkultur erfolgt Wachs¬
tum längs des ganzen Impfstiches ohne Gasbildung.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
489
In Gelatinestichkultur und auf Gelatineplatten erfolgt bei Zimmer¬
temperatur Wachstum.
Auf Endonährböden zeigt sich ebenfalls Wachstum unter langsamer
Rötung der Kolonien.
Auf Lackmusmilchzuckeragar erfolgt mittelmäßiges Wachstum,
zunächst ohne Veränderung des Nährbodens, nach etwa 48 Stunden
beginnt eine leichte Rötung der Kolonien und ihrer Umgebung sich aus¬
zubilden, die sich langsam verstärkt.
Barsikow-Traubenzuckerlösung wird nicht verändert.
Barsikow-Milchzuckerlösung ist nach 24 Stunden ebenfalls unver¬
ändert. Später zeigt sich etwas Rötung.
Im mikroskopischen Bild sieht man einen mittelgroßen gramposi¬
tiven Diplococcus.
F 218
zeigt auf Agar gutes Wachstum. Die Kolonien sind klein, rund, scharf
begrenzt und durchscheinend. Bei schwacher mikroskopischer Vergröße¬
rung zeigen sie eine feine Granulierung.
Auf Löfflerserum erfolgt gutes Wachstum. Die Kolonien zeigen
genau die Nährbodenfarbe. Verflüssigung tritt nicht ein.
Auf Mannitlackmusagar Wachstum ohne Farbenumschlag.
Lackmusmolke ist nach 24 Stunden unverändert. Sie bleibt klar,
ohne Oberflächenhäutchen, mit feinem Sediment am Boden.
Fleischbrühe wird etwas getrübt. Es bildet sich ein feiner Boden¬
satz, dagegen kein Oberflächenhäutchen.
Milch wird nicht verändert.
In Agarstichkultur und Traubenzuckeragarstichkultur erfolgt Wachs¬
tum ohne Gasbildung.
In Gelatinestichkultur Wachstum längs des ganzen Impfstiches.
Auf Gelatineplatten ebenfalls Wachstum. Verflüssigung tritt
nicht ein.
Auf Endo erfolgt Wachstum unter leichter Rotfärbung.
Auf Lackmusmilchzuckeragar erfolgt ebenfalls Wachstum, jedoch
ohne deutlichen Farbenumschlag.
Barsikow-Trauben zucker- und Barsikow-Milchzuckernährböden
werden zunächst nicht verändert. Nach 8 Tagen zeigt sich eine Spur
Rötung.
Mikroskopisch erweist sich dieser Stamm als mittelgroßer gram¬
positiver Diplococcus.
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490
Herrmann Reuter:
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C. Bazillen Ton gröberem Typus.
F 237
bildet auf Agar sehr feine durchsichtige, runde Kolonien, die nur sehr
schwer zu sehen sind. Die Kolonien sind rund und sehen aus wie äußerst
feine Kondenswassertröpfdien. Nach 3 Tagen kann man bei genauerem
Hinsehen die winzigen durchsichtigen Kolonien eben sehen.
Auf Löfflerserum gutes Wachstupi in feinen durchsichtigen Kolo-
n en. die man auf dem Substrat nur mit Mühe wahrnehmen kann. Keine
Verflüssigung.
Auf Mannitlackmusagar ebenfalls feines Wachstum ohne Farben¬
umschlag.
Milch wird nicht verändert.
In Fleischbrühe wird kein Wachstum sichtbar.
Lackmusmolke ist nach 24 Stunden unverändert, später wird sie
etwas gerötet. Wachstum ist nicht sichtbar, weder als Oberflächen¬
häutchen noch als Bodensatz.
In Agarstichkultur sehr feines Wachstum längs des ganzen Impf¬
stiches.
In Traubenzuckeragarstich ebenfalls Wachstum ohne Gasbildung.
Auf Gelatineplatten erfolgt Wachstum.
Auf Endo zeigt sich Wachstum mit ganz leichter Rötung (fast
farblos).
Auf Lackmusmilchzuckeragar erfolgte feines Wachstum ohne Farben¬
umschlag.
Barsikow-Milehzucker- und Barsikow-Traubenzuckernährböden werden
nicht verändert.
Das grampositive, unbewegliche Stäbchen w'eicht seinem mikro¬
skopischen Bilde nach erheblich von den anderen bisher beschriebenen
Stäbchen ab. Es ist größer als die anderen (fast so groß wie ein Milz¬
brandstäbchen), plump, zum Teil leicht gekrümmt und zeigt abgerundete
Ecken. In mehrtägigen Kulturen treten fadenartige Gebilde auf.
Die beiden folgenden ebenfalls von Petruschky gezüchteten
Stämme unterscheiden sich schon makroskopisch im Aussehen der
Kolonien ganz erheblich von den bisher beschriebenen. Aus Haut¬
stückchen der Leiche F 134 wurden außer den bereits beschriebenen
feinen Stäbchenkolonien überaus reichlich dicke, schleimig weißliche,
spermaähnliche Kolonien gezüchtet, die sich bei der weiteren Differen¬
zierung als identisch herausstcllten mit den, aus Bronchialschleim der¬
selben Leichen und aus einigen Sputumproben gewonnenen Kulturen.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
491
Es handelt sich um einen Kapselbacillus, der auf den verschiedenen
Nährböden folgendes Verhalten zeigte.
Im Agarschrägröhrchen zeigte er nach einigen Stunden sehr üppiges
Wachstum. Die einzelnen sehr schleimigen, fadenziehenden, weißlichen,
durchscheinenden Kolonien fließen zusammen. Nach 12 Stunden ist
der obere Teil des schleimigen Belages nach unten abgeflossen und sammelt
sich in der Reagenzglaskuppe an, während immer neue schleimige Massen
auf dem Agar nachwachsen. Versucht man abzuimpfen, so kann man mit
der Öse deutlich bis zu 2 cm lange Fäden ziehen.
Auf Löfflerserum erfolgt sehr üppiges Wachstum wie oben. Das
erstarrte Serum wird nicht verflüssigt.
Auf Mannitlackmusagarschrägröhrchen etwas geringeres Wachs¬
tum, es sammeln sich keine Schleimmassen in der Reagenzglaskuppe
an. Nach 24 Stunden zeigt sich keine Rötung.
Auf Gelatine erfolgt Wachstum ohne Verflüssigung.
Lackmusmolke wird ganz leicht gerötet, es bildet sich ein schlei¬
miges Oberflächenhäutchen und ein schleimiger Bodensatz.
Fleischbrühe wird nicht getrübt. Es bildet sich ebenfalls ein schlei¬
miges Oberflächenhäutchen und ein schleimiger Bodensatz.
Milch wird nicht zur Gerinnung gebracht.
In Agar- und Gelatinestichkultur zeigt er die typische Nagelform,
der Nagelkopf ist infolge der stark flüssigen Konsistenz der Schleim¬
massen leicht abgeflacht.
Stichkultur in Milchzuckerneutralrotagar ergibt ebenfalls Nagel¬
form mit flach gewölbten Köpfchen. Gas wird fast nicht gebildet. Hier
und da tritt einmal ein Gasbläschen in den Neutralrotkulturen auf. Der
Farbstoff bleibt unverändert.
Auf Endonährböden zeigt er gutes Wachstum. Die stark schlei¬
migen Kolonien sind nach 12 Stunden leicht gerötet, nach 24 Stunden
etwas mehr, jedoch nicht vollständig rot.
Auf Lackmusmilchzuckeragar ebenfalls gutes Wachstum, ohne Rö¬
tung des Substrates.
Auf stark alkalischem Agar (Choleranährböden) fast kein Wachstum
mehr.
Auf Dieudonne-Blutalkaliagar trotz mehrmaligen überimpfens über¬
haupt kein Wachstum.
Indolbildung in Peptonröhrchen ist nicht vorhanden.
Auf Kartoffeln erfolgt hellgraues, durchsichtiges Wachstum.
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492
Herrmann Reuter:
Die einzelnen Kolonien zeigen bei schwacher Vergrößerung eine
feine, graubräunliche Körnelung, die im Zentrum am stärksten ist, nach
dem Rande zu abnimmt. Die Oberfläche ist glatt.
Mikroskopisch sieht man im gefärbten Präparat kleine Diplobazillen
von wechselnder Größe. Die meisten sind etwa 2 bis 3 mal so lang als
breit, es finden sich aber dabei sehr häufig Formen, die Doppelkokken
sehr ähnlich sehen, bei denen also der Längsdurchmesser gleich dem
Querdurchmesser ist. Mit den gewöhnlichen Anilinfärbmethoden ließen
sich ab und zu einmal die Schleimkapseln um die Bakterien herum dar¬
stellen. Nach längerem Züchten auf künstlichen Nährböden ist dies
nicht mehr der Fall. Im Tuschepräparat lassen sich die einzelnen Bak¬
terien samt den Hüllen gut darstellen. Die schleimigen Hüllen sind
jederseits etwa 3mal so breit, wie der eigentliche leicht färbbare Teil
der Bakterien. Die Bakterien sind gramnegativ. Im hängenden Tropfen
zeigen sie sich als unbeweglich, mit schwacher Molekularbewegung.
Geißeln ließen sich nicht nachweisen. Die Bazillen werden beim Färben
vom Objektträger leicht abgespült, da die schleimigen Massen schein¬
bar nur schlecht am Glase antrocknen. Durch ganz langsames Antrocknen¬
lassen (eventuell von einem Tag zum anderen liegen lassen) haften sie
schließlich fest am Objektträger.
Mangels scharfer Unterschiede zwischen den einzelnen Vertretern
der Schleimkapselbazillen ist es nicht ganz leicht, ihn einzureihen, doch
sprechen die im vorhergehenden geschilderten Eigenschaften: weißlich
durchsichtiges, fadenziehendes Wachstum, Nagelform mit leicht ab¬
geflachtem Kopf in Stichkulturen, Abfließen in die Reagenzglaskup'pe,
hellgraues, durchsichtiges Wachstum auf Kartoffeln, Nichtkoagulieren
der Milch, keine oder nur sehr spärliche Gasbildung in Zuckeragar, keine
oder nur geringe Säurebildung aus Milchzucker und schließlich die Wachs¬
tumsbehinderung durch einen stärkeren Alkalizusatz (Choleranährböden)
dafür, daß es sich um einen Bacillus handelt, der in die von Wilde 1 als .
Typus II der Schleimkapselbazillen bezeichnete Gruppe der Sklerom-
bazillen gehört und mit dem von Kruse in Flügges Mikroorganismen
beschriebenen Ozaenabazillen (B. capsulatus mucosus Fasching, Bac.
mucosus ozaena Abel) identisch sein dürfte. Den Kulturen haftet auch
ein unangenehm fauliger Geruch an, wenn er auch nicht sehr ausge¬
sprochen ist.
D. Streptothrixbefunde.
In einigen Fällen zeigte sich die mit Lungensputum Fleckfieber¬
kranker beschickte Agarplatte reichlich mit einzelnen Kolonien besetzt,
1 Dissertation, Centralblatt 96. Abt. 1. Bd. XX. S. 681.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
493
mit einem intensiven Geruch, der etwa an Schimmel oder an verpilzte
Wohnungen erinnerte. Diese Kolonien erwiesen sich bei näherer Unter¬
suchung als eine Streptothrixart (Trichomycet). Eine aus Sputum F 4
gewonnene Reinkultur zeigte folgende Wachstumseigenschaften.
Auf Agar zeigten sich nach 24 bis 36 Stunden kleine, zunächst rund¬
liche Knötchen, die sehr fest am Nährboden haften und sich nur mit
Mühe abreißen lassen, die Adhärenz wächst mit dem Alter der Kolonie.
Nach einigen Tagen zeigen sie ein Knopf oder Sandkörnchen ähnliches
hervorstehendes Zentrum, während sich die Peripherie nur wenig über
den Nährboden erhebt. Bei auffallendem Lichte erscheint die ganze
Kolonie zunächst weißlich, später bräunlich, etwas dunkler als der Agar¬
nährboden. Bei durchscheinendem Lichte kann man bei älteren Kolo¬
nien das braune Zentrum deutlich von der helleren Peripherie, die mehr
graugelb erscheint, unterscheiden. Der Übergang ist nicht allmählich,
sondern scharf begrenzt. Liegen die Kolonien dagegen einzeln, so wird
das hervorgewölbte Zentrum größer (3 bis 4 mm) und zeigt dann nicht
selten in der Mitte eine nabelförmige Einziehung oder Delle, die ihr
unter Umständen eine gewisse Ähnlichkeit mit feiner Knospe gibt. Auf
älteren Agarkolonien, etwa von der 3. Woche ab, bildet sich langsam
ein kreidiger Belag aus, zunächst auf dem Zentrum, dann etwa 1 bis
2 mm von der Zentralpartie, in Ringform das Zentrum umgebend, etwa
1 mm breit. Die Zwischenpartie bleibt frei, dann wieder ein freier Ring,
dann eventuell, wenn die Kolonie groß genug ist, noch ein zweiter krei¬
diger Ring. Der kreidige Belag ist bröcklig und läßt sich abheben.
Im großen und ganzen ist er auf dem Agar nicht so reichlich ausgebildet
wie auf einigen anderen Nährböden.
Auf Mannitlackmusagar sehr gutes Wachstum, die zentralen her¬
vortretenden Partien sind viel breiter, sie wachsen rascher zusammen
und geben ein Bild, das einem Mittelgebirgsrelief nicht unähnlich sieht.
Schon nach einigen Tagen bildet sich der oben beschriebene weiße krei¬
dige Belag sehr reichlich. Hebt man ihn mit einer Öse ab, so zeigt die
ebenfalls zäh am Nährboden haftende Kolonie ein grünes kappenartiges
Aussehen bei auffallendem, ein schwarzes bei durchfallendem Lichte.
Der Nährboden wird zunächst nicht verändert. Nur bei alten Kulturen
weicht die ursprünglich blaue Farbe einer graugrünlichen.
Auf Löfflerserum sehr gutes Wachstum, genau wie vorher, nur von
graubräunlicher Farbe und fast ohne kreidigen Belag. Die einzelnen
Kolonien sinken nach 2 bis 3 Tagen unter das Nährbodenniveau ein
and sind von einer bräunlichen Flüssigkeit umgeben. Schließlich wird
der ganze Nährboden verflüssigt. Im Löfflerserumschrägröhrchen gleitet
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494
Herrmann Reuter:
der runzlige, gelbbräunliche, zähe Pilzbelag schließlich in die Reagenz¬
glaskuppe herab, und das flüssig und braun gewordene Serum sammelt
sich ebenfalls unten an.
Auf Gelatine ganz ähnliches Wachstum wie auf Serum, nur etwas
kleinere Kolonien. Die Gelatine wird ebenfalls verflüssigt und nimmt
eine etwas dunklere bräunlichere Färbung an.
Lackmusmolke wird zunächst kaum merklich gerötet, nach einigen
Tagen schlägt die Farbe wieder um und wird nun deutlich blau. Es tritt
keinerlei diffuse Trübung ein, sondern die Kolonien wachsen in der
Flüssigkeit als kleine, vollständig kugelförmige, einzelne Gebilde von
2 bis 3 mm Durchmesser. Auf der Oberfläche der Lackmusmolke, nament¬
lich am Glasrande, entwickeln sich ebenfalls einzelne Kolonien, deren
Aussehen genau dem auf festen Nährböden gleicht. D. h., es läßt sich
eine deutlich erhabene zentrale Partie und eine mehr flache peripherere
unterscheiden. Diese auf der Oberfläche schwimmenden Kolonien zeigen
auch bald den weißen, kreidigen Belag.
ln Fleischbrühe zeigt sich unter leichter Bräunung ganz analoges
Wachstum wie in Lackmusmolke: Schwimmende Oberflächenkolonien
mit kreidigem Belag, die sich dadurch, daß immer neue entstehen, schlie߬
lich zu einem zusammenhängenden festen Oberflächenhäutchen ent¬
wickeln, und kugelförmige, sehr durchscheinende Kolonien am Boden
des Gefäßes. Die schwimmenden Oberflächenkolonien bilden sich im
allgemeinen etwas später aus als die kugelförmigen untergetauchten.
Eine diffuse Trübung der Fleischbrühe tritt nicht ein.
Milch wird nicht zur Gerinnung gebracht, dagegen tritt in der Milch
nach etwa 2 bis 5 Tagen eine deutliche Gelbfärbung ein, die unter lang¬
samem Durchsichtigwerden der Milch (Peptonisierung) schließlich ins
Bräunliche übergeht. Nach etwa 14 Tagen sieht die Milchkultur etwa
so aus, wie eine 14tägige Fleischbrühekultur. Man kann dann, da die
Milch nun durchsichtig geworden ist, ein ganz analoges Wachstum der
einzelnen Kolonien erkennen, wie in Fleischbrühe, also oberflächlich
schwimmende, flachere, plankonvexe, mit kreidigem Belag und am Boden
sich sammelnde, kugelrunde Kolonien.
In Agarstichkultur flach gefaltetes und gerunzeltes Oberflächen¬
wachstum mit weißem Belag. Kein Wachstum in der Tiefe, keine Ver¬
flüssigung.
In Gelatinestichkultur flaches, gefaltetes Wachstum über die ganze
Oberfläche. Gleichmäßig nach unten fortschreitende Verflüssigung.
Die verflüssigte Gelatine zeigt dabei eine etwas bräunlichere Färbung
als die unverflüssigte.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
495
In Neutralrotagarstichkultur flaches, gefaltetes Wachstum nur an
der Oberfläche ohne Veränderung des Nährbodens.
Auf Endonährböden zeigt sich etwas geringeres, aber doch noch
gutes Wachstum. Die Kolonien zeigen zunächst eine leicht rosarote
Farbe. Später blaßt die Verfärbung wieder ab, und der Nährboden zeigt
sein gewöhnliches Aussehen. Die einzelne Kolonie besteht wieder aus
einer rundlichen, zentralen Partie mit weißem, kreidigem Belag nach etwa
einer Woche, und aus einer peripheren, grauen, flacheren, 1 bis 2 mm
breiten Umgrenzung.
Auf Lackmusmilchzuckeragar sehr gutes Wachstum, ähnlich wie
auf Mannitlackmusagar, ohne Farbenänderung, abgesehen von einem
leicht graugrünlichen Ton der einzelnen Kolonien.
Das Wachstum auf stark alkalischem Agar (Choleranährböden)
entspricht ungefähr dem auf gewöhnlichem Agar, es ist vielleicht etwas
geringer.
Auf Dieudonn äschern Blutalkaliagar erfolgte trotz mehrmaligen
Uberimpfens kein Wachstum.
Auf Kartoffeln zeigte sich sehr gutes Wachstum, auch hier läßt
sich sehr deutlich der Unterschied zwischen den erhabenen zentralen
Partien und dem flacheren peripheren Band unterscheiden. Der kreidige
Belag stellt sich hier schon früh ein, etwa am 2. bis 3. Tage. Die Kar¬
toffel färbt sich in der Umgebung der Kolonie braun.
In Galle erfolgt ebenfalls Wachstum in ganz analoger Weise, wie
in den übrigen Flüssigkeiten. Also flache Oberflächenkolonien mit krei¬
digem Belage und untergetauchte durchsichtige kleine Kugeln.
Das Wachstum auf allen diesen Nährböden erfolgte auch bei
Zimmertemperatur (etwa 20 Grad), wenn auch etwas langsamer.
Versuche, den Pilz anaerob zu züchten, mißlangen.
Die im folgenden geschilderten Pilzfäden und Sporen färben sich
leicht nach Gram, dagegen erweisen sie sich nach der Zieh Ischen Karbol¬
fuchsinfärbung (Tuberkelbazillenfärbung) nicht als säurefest.
Der grampositive Pilz zeigt im mikroskopischen Bild den für die
Streptothrixarten charakteristischen Befund. Man sieht die einzelnen
welligen, nicht doppelt konturierten, haarfeinen Pilzfäden von wechseln¬
der Länge mit echter Verzweigung. Diese verzweigten Fäden bilden
ein echtes Mycelium und stellen denjenigen Teil der Kolonie dar, der auf
festem Nährboden so stark haftet und sich nur mit Mühe, und dann
nur unter Mitnahme eines Teiles des' Substrates vom Nährboden ent¬
fernen läßt. Die einzelnen Verzweigungen schließen einen Winkel von
70 bis 90 Grad ein. Es sind demnach also echte Verzweigungen, aber
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496
Herrmann Reuter:
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unechte Dichotomien. Eine keulenförmige Auftreibung der Faden¬
glieder, wie sie sich z. B. bei den degenerativen Vorgängen an den End¬
gliedern des Aktinomyces zeigt, wurde nirgends nachgewiesen. Scheide¬
wände, wie z. B. bei den Schimmelpilzen, sind nirgends zu sehen. Im
hängenden Tropfen erweisen sich die Fäden als unbeweglich. Außer
den längeren Pilzfäden zeigen sich, namentlich wenn die Kultur etwas
älter ist, in reichlicher Menge die durch Fragmentation und Segmen¬
tation entstandenen Bakterien und Kokken ähnlichen Gebilde, streift
man mit der Öse z. B. leicht über den kreidigen Belag einer Kultur auf
festen Nährböden, so erhält man nur die runden, durch regelmäßige Seg¬
mentation aus den Lufthyphen entstandenen Gebilde, die von den
einzelnen Autoren verschieden als Sporen, Keimzellen und Konidien
bezeichnet werden. Entsprechend ihrer Entstehungsart bilden sie längere
oder kürzere Ketten und sehen so den Streptokokken bisweilen sehr
ähnlich. Da aus diesen Gebilden wieder neue Kolonien mit echtem Pilz-
mycel entstehen, rechnet Sandoval-Lachner die Streptothrixarten
zu den Hyphomyceten, von denen sie sich dann durch eine Art primi¬
tiverer Fruktifikation und durch die haarfeinen Fadenformen unter¬
scheiden. Petruschky (in Kolle-Wassermann, Trichomyceten)
gibt den Pilzen, die er der haarfeinen Struktur wegen als Trichomyceten
bezeichnet, folgende Stellung im System:
Hyphomyceten.
Höhere Schimmelpilze, Trichomyceten.
^"1
Aktinomyces. Streptothrix.
Schizomyceten.
Trichobakterien.
/
Cladothrix.
\
Leptothrix.
Charakteristisch für den im vorhergehenden beschriebenen Stamm
als Streptothrixart ist das Fehlen von keulenförmigen Fadenendgliedern
(zum Unterschied von Aktinomyces) und die echte Verzweigung und
welliges Wachstum (zum Unterschied von Leptothrix und Cladothrix).
Unter den zum Teil wenig genau beschriebenen Streptothrixarten
unterscheidet sich die geschilderte, um nur einige Merkmale anzugeben,
z. B.
Von der Streptothrix Eppinger durch Verflüssigung der Gelatine.
„ ,, ,, aurantiaca durch Verflüssigung der Gelatine.
,, ,, .. capreae Silberschmidt durch Verflüssigung der
Gelatine.
,, .. .. Hoffman durch Wachstum auf Gelatine.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
497
Von der Streptothrix violacea durch Mangel an Farbstoffbildung.
„ „ „ carnea durch Mangel an Farbstoffbildung und Ver¬
flüssigung der Gelatine.
,, ,, rubra durch Mangel an Farbstoffbildung.
„ „ chromogena durch Mangel an Öltröpfchen auf
dem kreidigen und geringere Bräunung des Sub¬
strates.
,, „ „ albidoflava durch reichliche Luftfädenbildung.
,, ,, ,, invulnerabilis durch mangelndes anaerobes Wachs¬
tum.
„ „ ,, alba durch Peptonisieren der Milch.
„ „ ,, liquefaciens durch leichte Kulturmöglichkeit.
„ „ „ Madurae durch Wachstum auf Kartoffeln und
Verflüssigung der Gelatine.
„ „ „ Sabrazes-Riviere, Bordeaux, durch Peptonisieren
der Milch.
„ „ „ Krause, Hamburg, durch Wachstum auf Kartoffel
und Gelatine.
„ „ „ Gedanensis I Scheele-Petruschky durch Peptoni¬
sieren der Milch.
„ „ „ Gedanensis II Petruschky durch Peptonisieren
der Milch.
„ „ ,, Lathridii Petruschky durch Peptonisieren der
Milch.
„ „ ,, japonica Aoyama Miyamoto durch Wachstum
auf Gelatine und Peptonisierung der Milch.
„ „ ,, Pottien durch Peptonisierung der Milch und Fest¬
halten der Gramfärbung.
„ „ „ Neschczadimenko, Kiew, durch aerobes Wachstum.
„ „ „ Caminiti, Neapel, durch mangelnde Farbstoffbil¬
dung und durch mangelnde Farbstoff Variation.
,, „ „ coelicolor, Müller, Kiel, durch Bildung eines krei¬
digen Belages auf fast allen Nährböden und Fehlen
der Farbstoffbildung auf Kartoffeln.
Von den von Schürmann, Düsseldorf, beschriebenen, aus Kiel
stammenden 5 Streptothrixstämmen unterscheidet sie sich ebenfalls,
und zwar:
Von der Streptothrix weiß durch Nichtgerinnen der Milch und Blau¬
färbung der Lackmusmolke.
Zeltsehr. f. Hygiene. LXXXII 32
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498
Herbhann Reuter:
Von der Streptothrix 78 durch kreidiges Wachstum auf Kartoffeln und
Verflüssigung von Löfflerserum.
„ ,, „ 1106 durch mangelnde Milchgerinnung.
„ „ „ 1168 durch blasse Kolonien auf Endonährböden
und Verflüssigung von Löfflerserum.
„ „ „ 294 durch sehr gutes Wachstum auf Kartoffeln
und Verflüssigung von Löfflerserum.
„ „ „ pyogenes Chiarolanza durch ausschließlich aerobes
Wachstum und Fehlen von Pigmentbildung auf
Kartoffeln, identisch mit Str. Caminiti.
Die rein anaerob wachsenden Streptothrixarten werden gar nicht
erst auf gezählt, da sich der geschilderte Stamm durch rein aerobes Wachs¬
tum auszeichnet.
Wie nun aus allem bisher Gesagten hervorgeht, ist es mir nicht
gelungen, in der mir vorliegenden Literatur einen dem beschriebenen
gleichen Stamm zu finden, und ich vermute daher, daß es sich hierbei
um eine seltenere oder doch wenigstens bei uns nicht häufige Infektion
der Lungen handelt, die mit der Bezeichnung Streptothrix captivi Tuchei
den bisher bekannten Stämmen angereiht werden möge.
Zusammenfassend läßt sich über die mir von Herrn Prof. Dr. Pe-
truschky überlassenen Kulturen, soweit sie mit den von anderen Autoren
beschriebenen eine gewisse Ähnlichkeit zeigen, folgendes sagen.
Allen unter A. aufgeführten Bazillenstämmen des kleinen Typus
ist das äußerst feine Wachstum in winzigen Kolonien auf allen Nährböden
gemeinsam. Jetzt, nach etwa einem Jahre, kann man die frisch über¬
impften Kolonien bei genauem Hinsehen schon nach 24 Stunden erkennen,
da sich die Kulturen an die künstlichen Nährböden gewöhnt haben und
nun besser wachsen. (Etwa analog den Meningokokken.) Die frisch
gezüchteten Stämme dagegen waren erst etwa am 3. Tage deutlich er¬
kennbar. Petruschky verglich damals in seiner vorläufigen Mittei¬
lung die Platten, auf denen die Sputa usw. ausgestrichen waren, mit
dem Sternenhimmel, indem er die hier beschriebenen „allerkleinsten
massenhaft vorhandenen Kolonien den Sternen der Milchstraße“ ver¬
glich, „zwischen denen hier und da ein Sternchen erheblicherer Größe
zu beobachten ist“. (Kolonien anderer Mikroorganismen.)
Diese unter A auf geführten Bazillenstämme haben nun alle noch
eine besondere Eigentümlichkeit, auf die im vorhergehenden schon
hingewiesen ist. Betrachtet man eine etwa 3 Tage alte Kultur mit feiner
Lupe unter seitlicher Beleuchtung, so sieht man, daß die einzelne, an und
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
499
für sich flache Kolonie vom Bande nach der Mitte zu ganz allmählich
ansteigt, um dann plötzlich im Zentrum selbst eine ziemlich steile Spitze
zu bilden. (Außer F 250.) Allen diesen Stämmen F 1, 134, 143, 188,
217, 222 und 240 ist ferner das äußerst schlechte, kümmerliche Wachstum
in Fleischbrühe gemeinsam. Nach 8 Tagen ist noch kein nennenswerter
Niederschlag vorhanden.
Ferner bilden sie alle keine Säure, oder doch nur sehr wenig auf den
verschiedenen Zuckernährböden. Mit Ausnahme des Pseudo F wachsen
alle diese Stäbchen nicht auf Gelatine bei Zimmertemperatur und nicht
auf Endonährböden. Alle diese Stämme sind unbeweglich. Beim Ver¬
reiben in Flüssigkeiten krümeln sie, so daß sich eine gleichmäßige Ba¬
zillenemulsion nicht herstellen läßt. Nach vorsichtiger Gr am scher Fär¬
bung (sie sind alle grampositiv) oder besser noch nach Färbung mit
Giemsalösung färben sich die Endstücke aller dieser Bazillen inten¬
siv dunkelblau, während das Mittelstück weniger oder fast gar nicht
gefärbt ist. Schließlich ist noch die Lagerung aller dieselbe. In dieser
Beziehung gleichen sie (abgesehen von ihrer geringen Größe) den Diph¬
theriebazillen. Sie sind entweder paralell gelagert oder V-förmig ge¬
stellt, überkreuzen sich, bilden mehr oder minder stark ausgeprägte
Keulenformen und sind in bezug auf die Größe verschieden. Ich glaube
nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, daß die Stämme 1, 134, 143,
188, 222 und 240 und vielleicht auch 250 untereinander verwandt sind.
Als kulturell und mikroskopisch völlig gleich sind jedenfalls F 1
und F 217, ferner F 143 und F 240 Typus I, außerdem 188 und 222 und
134 Typus II zu erachten. Untereinander unterscheiden sich die Gruppen
lediglich durch ihre etwas verschiedene Größe, und zwar so, daß der
Pseudo F-Stamm die größten Individuen zeigt, dann kommt F 1 und
F 217, dann 143 und 240, während die Gruppe 134, 188, 222 die klein¬
sten und kürzesten Individuen darstellen.
Eine Eigentümlichkeit aller dieser Stäbchen habe ich bisher nicht
erwähnt. Die 24 ständige Agarkultur zeigt im mikroskopischen Bild
so kurze Formen, daß zunächst (namentlich bei Gramfärbung) Diplo¬
kokken vorgetäuscht werden können. Die Stäbchenform tritt deutlich
erst am 2. Tage und dann namentlich bei Giemsafärbung hervor. Am
3. und 4. Tage treten dann die Keulen und Hanteln ähnlichen Degenerations¬
formen auf.
Tierversuche wurden zwar angestellt, jedoch konnten sie aus gewissen
Gründen erst etwa 6 Monate nach Züchtung der Bakterien aus den
Fleckfieberkranken vorgenommen werden. Das erzielte negative Re¬
sultat ist infolgedessen nicht ohne weiteres als charakteristisches für di«
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500
Herrmann Reuter:
beschriebenen Stämme zu verwerten. Es wurden junge Meerschwein¬
chen von 270 bis 400 g mit je 1 ccm 48ständiger Fleischbrühekultur
intraperitoneal geimpft. Das mit dem Stamm 240 geimpfte Tier starb
nach 38 Tagen. Das mit dem Stamm 237 geimpfte Tier starb nach 37 Tagen,
ohne daß die Sektion einen besonderen Befund ergab. Mikroskopisch
und kulturell ließen sich Bazillen weder im Blute noch in den Organen
nachweisen.
Vergleicht man nun diese Stäbchen mit denen, die von anderen
vorher erwähnten Autoren bei Fleckfieber beschrieben wurden, so er¬
gibt sich eine große Ähnlichkeit mit verschiedenen. Allerdings ist zu
berücksichtigen, daß die von jenen Autoren gefundenen und beschrie¬
benen Stäbchen in der Hauptsache aus dem Blute der Patienten ge¬
züchtet wurden, und zwar meistens mittels komplizierter Anreicherungs¬
methoden (größere Mengen Fleischbrühe usw.), während die Stäbchen
Petruschkys sich nur selten im Blute und in einzelnen Organen der
Leichen fanden, dagegen intra vitam fast regelmäßig im Auswurf der
Fleckfieberkranken, manchmal in Reinkultur, stets in reichlicher Menge
und ebenso im Bronchialschleim der Leichen nachzuweisen waren. Daß
die von Arnheim in Stade gefundenen Stäbchen mit denen Petrusch¬
kys identisch sind, geht aus Arnheims Veröffentlichung in der Deutschen
med. Wochenschrift hervor, in der dieser mitteilt, daß Petruschky die
von beiden gefundenen Stäbchen für identisch hält (9).
Den Beschreibungen und den Photographien nach, soweit solche den
einzelnen Abhandlungen beigefügt waren, läßt sich eine große Ähnlich¬
keit zwischen diesen Stäbchen und den von Müller und Fuerth gefundenen
feststellen. Die Angaben Müllers und Fuerths über das mikroskopische
Bild, Aussehen und kulturelle Verhalten der von ihnen gefundenen Bazillen
lassen sich in vieler Beziehung fast wörtlich auf die Stäbchen Petruschkys
übertragen. Fuerth erwähnt z. B. unter anderem auch die spitze Er¬
hebung im Zentrum der einzelnen Kolonien, dagegen schreibt er an anderer
Stelle, daß die einzelne Kolonie am Rande einen schmalen, schwach er¬
habenen Rand besitze. 1 Darin unterscheiden sich die Kolonien von den¬
jenigen Petruschkys. An einem Stamme Fuerths 2 , der mir in liebens¬
würdiger Weise übersandt wurde, trat diese erhabene Randpartie deutlich
hervor. Außerdem zeigt sich als weiterer Unterschied von den west¬
preußischen Stämmen ein ziemlich üppiges, schleimiges, gelbes Wachstum
auf Löfflerserum. Auch die Gestalt der Stäbchen selbst zeigt Abweichungen.
1 Dies zeigen auch seine der Arbeit beigefügten Photogramme.
3 Aus dem Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ in Berlin.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
501
Die von Predtjetschensky beschriebenen Stäbchen waren viel
gröber (er nennt sie selbst ziemlich dick) und der ersten Mitteilung nach
gramnegativ. Außerdem wuchsen sie unter intensiver Trübung und Bil¬
dung eines umfangreichen Niederschlags gut in Fleischbrühe, während
die Stäbchen Petruschkys in Fleischbrühe nur sehr kümmerlich ge¬
diehen. Abweichend war auch das Verhalten in Milch, die durch die
Stäbchen Predtjetschenskys zur Gerinnung gebracht wurde. Auch
das üppige Wachstum auf Conradi-Drigalskiagar stimmt nicht mit den
Stäbchen Petruschkys überein. Es scheint sich also bei Predt¬
jetschensky um ein anderes Stäbchen gehandelt zu haben. Ob wirk¬
lich eine immer wiederkehrende Verunreinigung vorlag, wie Lewin an¬
nimmt, die vielleicht bei den Züchtungsversuchen in größeren Mengen
Fleischbrühe sich eingestellt haben könnte, mag dahingestellt bleiben,
immerhin würde dagegen sprechen, daß Predtjetschensky mehrmals
darauf hinweist, daß er die Stäbchen regelmäßig auch im Blutausstrich
in wechselnder Menge nachweisen konnte.
Auch Rabinowitsch spricht ausdrücklich von „plumpen“ Stäbchen,
die für Meerschweinchen pathogen waren, ebenso Morgenroth, der die
Kulturen nachprüfte. Diese Stäbchen wachsen auch auf Gelatine, während *
Petruschkys Stäbchen dies nicht tun. Es scheint sich also auch bei
ihm um andere Stäbchen als die hier geprüften gehandelt zu haben, wenn¬
gleich eine große Ähnlichkeit vorhanden ist.
Außer diesen Stäbchenbefunden sind nun von verschiedenen anderen
Autoren auch ganz andere Stäbchen und Kokken als mutmaßliche Erreger
des Fleckfiebers beschrieben worden. Es ist nun schwer, diese in ge¬
bührender Weise zu deuten. Über die verschiedenen Kokkenarten, die
beschrieben wurden, finden sich nur sehr mangelhafte Angaben betreffs
ihres kulturellen Verhaltens, so daß ein Vergleich dieser mit den von
Petruschky isolierten nicht möglich ist.
Über die früheren verschiedenartigen Befunde hat Rabinowitsch seiner¬
zeit sein Urteil in folgenden Worten zusammengefaßt und damit meines Er¬
achtens das Richtige getroffen, so daß nicht viel hinzuzufügen bleibt.
„Hallier, Lewaschcw, Lubimow und Matschinsky haben einen
Mikrococcus als den Flecktyphuserreger bezeichnet. Babes, Thoinot
und Calmette, Lewaschew und Benjasch schreiben einem ge¬
schwänzten Coccus die ätiologische Bedeutung für den Flecktyphus zu,
dabei sind aber die Ansichten der Autoren über den Charakter dieses
Gebildes sehr verschieden. Babes, Lewaschew und Benjasch halten
es für ein Bacterium, dagegen betrachten es Thoinot und Calmette
als ein Protozoon.
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602
Herrmann Reuter:
Und wenn Lewaschew der Meinung ist, daß die Schwänze Proto¬
plasmafortsätze der Kokken sind, so behauptet Benjasch, daß dieselben
bei der Teilung der Kokken aus den Kapseln der letzteren entstehen.
Mott und nachher Lewaschew und Calmette haben auch Spirillen
in den Flecktyphuskranken gefunden und diese als spezifisch betrachtet,
dabei läßt Calmette diese Spirillen im Blüte aus Hefepilzen entstehen.
Dubieff und Bruhl, Curtis und Combemal und Balfour und
Porter haben Diplokokken bei den Fleckfieberkranken regelmäßig finden
können, die letzteren Autoren wollen aber in 40 unter 46 Fällen von
Abdominaltyphus dieselben Diplokokken nachgewiesen haben.
Moreau und Cochez, Cheesmann, Hlava und Afanassjew haben
dagegen Stäbchen als die Erreger des Flecktyphus bezeichnet, aber die
von den verschiedenen Autoren beschriebenen Stäbchen unterscheiden
sich wesentlich voneinander.
Moreau und Cochez haben ein Stäbchen mit abgerundeten Enden
beschrieben, welches länger und dicker als der Tuberkelbacillus sein soll,
Cheesemann ein ähnliches Stäbchen mit abgerundeten Enden, aber ein
kurzes, Hlava dagegen einen Streptobacillus, und endlich beschrieb Afa¬
nassjew ein Stäbchen, welches seinen morphologischen und biologischen
Eigenschaften nach mit dem Eb erth sehen Bacillus identisch sein soll.
Diese Buntheit in den Ergebnissen der Untersuchungen der ver¬
schiedenen Autoren wird aber nicht befremden können, wenn man die
Untersuchungsart miteinander vergleichen wird.
Die größte Zahl der Autoren faßte ihre weitgehenden Schlüsse auf
Untersuchungen, die auf vereinzelte Fälle sich bezogen haben, und wenn
die einen Autoren ausschließlich die nativen Blutpräparate beobachtet
haben, so begnügten sich die anderen mit der Untersuchung derselben im
gefärbten Zustande, dabei haben aber die einen das Blut intra vitam, die
anderen post mortem zur Untersuchung entnommen, und nicht immer
waren die Autoren selbst davon fest überzeugt, daß in den betreffenden
Fällen es sich um Flecktyphus gehandelt hat.“
Berücksichtigt man nun noch, daß der größte Teil dieser unterein¬
ander verschiedenen Befunde in die ersten Jahrzehnte der bakteriologischen
Zeit fällt, oder daß die Kulturen dabei zum Teil auf nicht ganz einwand¬
freie (jede zufällige Verunreinigung ausschließende) Art gewonnen wurden,
ferner, daß zum Teil Mischinfektionen (Dekubitus, Otitis usw.) Vorgelegen
haben mögen, so kann das verschiedenartige Ergebnis jener Unter¬
suchungen nicht überraschen. Alle diese Befunde nun weichen voneinander
und von den westpreußischen Befunden 1915 so wesentlich ab, daß auf
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
503 -
sie nicht näher einzugehen ist, ebensowenig auf die Protozoenbefunde, da
die vorliegende Arbeit nur die bakteriellen Befunde vergleichen will.
Im Gegensatz zu diesen verschiedenartigen Ergebnissen haben nun
die neueren Untersuchungen bei den verschiedenen Nationen und Epidemien,
soweit die mikroskopischen Befunde und die Beschreibungen der kulturellen
Eigenschaften verglichen werden können, ein ähnliches Ergebnis gezeitigt.
Das heißt, die neueren Autoren haben im Blute, in den Organen und zum
Teil im Sputum und Ham Fleckfieberkranker unbewegliche, grampositive
kleine Stäbchen gefunden, die zwar in vielen Fällen der Übertragung auf
künstlichen Nährböden Schwierigkeiten bereiteten, des öfteren aber doch
zu züchten waren und dann ähnliche morphologische und zum Teil auch
ähnliche kulturelle Eigenschaften aufwiesen, ohne indessen einander völlig
zu gleichen.
Die Frage nun, ob es sich bei diesen Stäbchen um den Erreger des
Fleckfiebers handelt, lassen die meisten der hier in Frage kommenden
Autoren offen, wenngleich sie fast alle zu der Annahme neigen.
Ob diese Annahme richtig sein kann, oder ob es sich bei diesen Be¬
funden lediglich um Begleitbakterien handelt, das soll an dieser Stelle
nicht entschieden werden, da die vorliegende Arbeit nur die bisherigen
bakteriellen Befunde sichten und vergleichen soll.
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504
Herrmann Reuter:
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Literaturverzeichnis.
1. Flügge, Mikroorganismen.
2. Petrußchky, Streptothrix. Handbuch der pathogenen Mokroorganis-
men Kolle u. Wassermann.
3. Neschczadimenko, Kiew, Über eine besondere Streptothrixart. Cen -
tralblatt für Bakteriologie. Origin. Bd. XLVI. S. ö73.
4. Caminiti, Neapel, Ebenda. Bd. XLIV. S. 193.
5. Wilde, Dissertation. Ebenda. Bd. XX. S. 681.
6. Reiner Müller, Kiel, Eine Diphtheridee und eine Streptothrix. Ebenda.
Origin. Bd. XLVI. S. 195.
7. Schürmann, Düsseldorf, Untersuchungen über 5 Streptothrixstämme.
Ebenda . Origin. Bd. XLIX. S. 179.
8. Chiarolanza, Neapel, Experimenteller Beitrag zur Biologie einer Strepto¬
thrix- und Aktinomycesart. Ebenda. Orig. Bd. LIII. S. 1.
9. Arnheim, Über den mutmaßlichen Erreger des Fleckfiebers. Deutsche
med. Wochenschrift. 1916. XLI. Nr. 36.
10. Rabinowitsch, Charkow, Über den Flecktyphuserreger. Berliner Hin.
Wochenschrift. 1914. S. 1458. Nr. 31.
11. Arzt und Kerl, Über den Typhus exanthematicus. Archiv für Dermato¬
logie und Syphilis. 1914. Bd. CXVIII. S. 386.
12. J. Petruschky, Bakterielle Befunde bei Fleckfieber. Centralblatt für
Bakteriologie. 1915. Abt. 1. Orig. Bd. LXXV. S. 497.
13. Klodnitzky, Beobachtungen über Flecktyphus in Astrachan N. Ebenda.
1913. Abt. 1.
14. Predtjetschensky, Ebenda. 1910. Orig. Bd. LV. H. 3.
15. Lewin, Ebenda. Origin. 1911. Bd. LX. H. 6.
16. Fuerth, Diese Zeitschrift. 1912. Bd. LXX. S. 333.
17. Gottschlich, Deutsche med. Wochenschrift. 1903. Nr. 19.
18. P. Th. Müller, Münchener med. Wochenschrift. 1913. Nr. 25.
19. Krompecher, Goldzieher und Auggan, Protozoenbefunde bei Fleck*
lieber. Centralblatt für Bakteriologie. 1909. Abt. 1. Orig. Bd. L.
20. M. Kireeff, Bakteriologische Untersuchung des Blutes bei Flecktyphus.
Ebenda. Abt. 1. Orig. Bd. XXXVIII. H. 5. S. 519.
21. W. Predtjetschensky, Weitere Untersuchungen und der Flecktyphus¬
erreger. Ebenda. Abt. 1. Orig. Bd. LVIII. 1911.
22. Rabinowitsch, Über die Flecktyphusepidemie in Kiew. Ebenda. 1909.
Abt. 1. Bd. XXXII. H. 2.
23. Derselbe, Zur Ätiologie des Flecktyphus. Archiv für Hygiene. 1909.
Bd. LXXI.
24. Hlava, Centralblatt für Bakteriologie. 1902. Orig. Bd. XXXII. S. 263.
Leukonostoc hominis.
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Bakterielle Befunde bei Fleckfieber.
505
25. Derselbe, Ebenda. Ref. Bd. VII. S. 66.
26. Kreyenborg, Archiv für Schiffs - und Tropenhygiene. 1912. Nr. 14.
27. Rabinowitsch, Münchener med. Wochenschrift. 1913. Nr. 44.
Ferner wurden benutzt z. T. nur als Referate darüber:
a. Dubieff und Bruhl, Arch. de med. experim. et d'anatom. pathol. 1894.
b. Balfour und Porter, Edinburgh med. joum. 1899. N. S. 6. p. 522.
c. Lewaschew, Wratsch. 1894. Nr. 2 u. 3.
d. Benjasch, Ebenda. 1899. p. 1287.
e. Thoinot et Calmette, Annales Pasteur. 1892. Nr. 1.
f. Gottschlich, Deutsche med. Wochenschrift. 1903. Nr. 19.
Derselbe, Handbuch der Hygiene von Gruber, Teubner und Ficker.
g. J. Hlava, Übertragbarkeit des Typhus exanthematicus usw. Casopis
cesky. lekaruv. 1914. p. 1187.
h. Sergent, Foley et Violatte, Sur des formes microbiennes etc. C. r.
Soc. de Biol. 1914. T. LXXVII. p. 101.
i. Ricketts und Wilder, Joum. of the Amer. med. Assoc. 1910. VoLLIVu.LV.
k. RizzutietScordo, Recherches bact^r. et serodiagnost. Bull. soc. path.
l. C. Hegler und Prowazek, Berliner klin. Wochenschrift. 1913. Nr. 44.
m. Nicolle, Conseil, Conor, Annnales de Vlnstit. Pasteur. 1912. Nr. 4 u. 5.
n. Mc Campbell, Joum. of med. res. Vol. XXIII. p. 71—83.
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[Ans der Bakteriologischen Station des Festnngslazaretts I zu Mainz,
Chefarzt Generaloberarzt Dr. Föhlisch, und dem Physiol. Institut zu
Marburg.]
Untersuchungen von bei Meningitis cerebrospinalis epidemica
gewonnener Lumbalflüssigkeit auf toxische Substanzen.
Von
San.-Unteroffizier Dr. Emst Berlin und Prof. Dr. Fr. Kutscher.
Der stürmische Verlauf und die heftigen Krankheitserscheinungen
der Meningitis epidemica, die sehr häufig in keinem Verhältnis zu der
Menge der Infektionserreger stehen, legen den Gedanken nahe, daß von
den Meningokokken stark wirkende toxische Körper abgegeben werden
müssen.
Obgleich lösliche Toxine von den Meningokokken nicht gebildet
werden sollen 1 , schien uns eine genaue chemische Untersuchung der
Zerebrospinalflüssigkeit von Meningitiskranken, die also den natürlichen
Nährboden für Meningokokken abgegeben hatte, erwünscht, da unseres
Wissens bisher die chemische Aufteilung einer derartig krankhaft ver¬
änderten Zerebrospinalflüssigkeit nicht versucht worden ist.
Im Laufe des Winters 1914/15 konnten wir von bakteriologisch fest¬
gestellten Meningitiden 360ccm klar zentrifugiertes Lumbalpunktat sammeln.
Dasselbe wurde bis zum Winter 1916 durch Chloroform konserviert, da uns
erst zu dieser Zeit die nötigen Mittel und Instrumente zur Verfügung
standen, es genauer erforschen zu können. Der Gang der Untersuchung
gestaltete sich dann wie folgt:
1 Kölle und Hetsch schreiben in ihrem Lehrbuch: Daß die Leibessubstanz
des Meningococcus Endotoxine enthält, geht aus seinen Wirkungen im Tierversuch
und auch im kranken Menschen mit Sicherheit hervor. Lösliche Toxine werden
aber in nennenswerten Mengen anscheinend nicht gebildet.
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Ernst Berlin und Fr. Kutscher: Untersuchungen usw. 507
Das Chloroform, unter dessen Einfluß sich das klar zentrifugierte
Lumbalpunktat wieder stark getrübt hatte, wurde verdunstet, und die
Flüssigkeit zum Sieden erhitzt. In die siedende Flüssigkeit gaben wir
tropfenweise Essigsäure, bis der dadurch erzeugte Niederschlag nicht mehr
vermehrt wurde. Der reichliche Niederschlag von geronnenem Eiweiß
wurde abfiltriert
Das wasserklare Filtrat gab mit Essigsäure und Ferrozyankalium
keine Trübung, auch die Biuretreaktion fiel völlig negativ aus. Es war
also frei von Eiweiß, Albumosen und Peptonen.
Es wurde nun bei mäßiger Temperatur auf dem "Wasserbade zu 60 ccm
eingeengt, dann wurden folgende Farbenreaktionen angestellt und dazu
5 ccm verwandt:
1. Biuretreaktion. Dieselbe war negativ.
2. Millonsche Reaktion. Dieselbe war negativ.
3. Reaktion von Adamkiewicz. Dieselbe war negativ.
4. Diazoreaktion nach Pauly. Dieselbe war stark positiv.
Auf die Bedeutung dieser Reaktionen werden wir später eingehen.
Von den kochbeständigen, toxischen Substanzen, die unter dem Ein¬
fluß der Bakterien sich bilden können, sind uns namentlich durch die
Arbeiten von Brieger 1 und Ackermann 2 3 zwei Gruppen bekannt ge¬
worden, welche sich schließlich auf abgebaute Lezithide oder die ver¬
änderten Bausteine der Eiweißkörper, die Aminosäuren, zurückführen
lassen.
Wir wissen, daß unter dem Einfluß tryptischer Enzyme der Bakterien
aus den Lezithiden das giftige Cholin abgespalten wird, das weiterhin in
das sehr heftig wirkende Neurin und Muskarin übergeführt werden kann
oder in Trimethylamin® und andere Produkte zerfällt.
Um festzustellen, ob sich Basen der Cholingruppe in der Zerebrospinal¬
flüssigkeit befänden, wurden 10 ccm der eingeengten Flüssigkeit mit Baryt
bis zur Trockne destilliert. Bei dieser Behandlung hätte das Cholin oder
das ihm verwandte Neurin und Muskarin Trimethylamin abspalten müssen,
das sich durch den Geruch noch in einer Verdünnung 1:2000000 nach-
1 weisen läßt. Aber eine Probe des Destillats roch nicht nach Trimethyl¬
amin. Die Hauptmasse des alkalisch reagierenden Destillats wurde in
Salzsäure aufgefangen, bis auf wenige Tropfen eingeengt und mit 30 Pro¬
zent Goldchlorid versetzt. Sie blieb vollkommen klar, es ließ sich nicht
1 Brieger, Die Ptomaine. Berlin.
2 Ackermann, Zeitschrift für 'physiologische Chemie . LIV. 1; LVI. 305; LVII.
28; LX. 482; LXV. 504; LXIX. 273.
3 Ackermann, Diese Zeitschrift. LXXIII. H. 2.
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508
Ernst Berlin und Fr. Kutscher:
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das schwer lösliche, charakteristische Aurat des Trimethylamins gewinnen.
Damit war erwiesen, daß die untersuchte Zerebrospinalflüssigkeit frei von
Cholin, Neurin und Muskarin war oder die genannten toxischen Ptomaine
nur in Spuren enthalten konnte.
Die zweite Gruppe der toxischen Ptomaine, die wir zurzeit in ihren
chemischen und physiologischen Eigenschaften gut. kennen, entsteht be¬
kanntlich nach Ackermann 1 und Ellinger 2 aus Eiweiß in der Weise,
daß dieses durch die tryptischen Enzyme der Bakterien zunächst in Amino¬
säuren zerlegt wird, die weiterhin durch die Bakterien nach dem Schema:
R R + C0 2
1=1
CH-NH, CH. NH.
I
COOH
vergoren werden.
Von den so erzeugten Aminen kommen als physiologisch wirksam
namentlich das Imidazolyläthylamin, das Agmatin, das Indoläthylamin
und das Oxyphenyläthylamin in Betracht, deren Bildung die nachstehenden
Formeln erkennen lassen.
CH
NH N
CH
CH = C • CH 2 • CH(N H 2 ) • COOH
Histidin
NH N
I
CH = C-CH,CH 2 NH 2
Imidazolyläthylamin
NH, • C(NH) • NH • CH S • CH S • CH 2 • CH(NH 2 ) • COOH -►
Arginin
-*NH 2 C(NH)NHCH,CH 2 CH 2 CH 2 NH 2
Agmatin
CH
CH
CH C--CCH 2 CH(NH 2 )-C00H
I II II
CH C CH
CH NH
Tryptophan
COH
CH CH
I II
CH CH
CH C—CCHj-CHj-NH,
I II II
CH C CH
CH NH
Indoläthylamin
COH
CH
I
CH
CH
II
CH
C-CH 2 -CH(NH 2 )-C00H
Tyrosin
CCH 2 CH 2 NH 2
Oxyphenyläthylamin
1 Ackermann, a. a. 0.
s Ellinger, Zeitschrift für physiologische Chemie. XXIX. 334.
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Untersuchungen v. Lumbalflüssigkeit auf toxische Substanzen. 509
Nicht in Betracht kam für die weitere Untersuchung das Indoläthyl-
amin und das Oxyphenyläthylamin, da das eingeengte Lumbalpunktat
die Millonsche Reaktion und die Reaktion von Adamkiewicz ver¬
missen ließ (s. oben). Möglich dagegen war die Anwesenheit von Imid-
azolyläthylamin, weil das Lumbalpunktat die Diazoreaktion nach Pauly,
die auch dem Imidazolyläthylamin zukommt, sehr kräftig gab (s. oben).
Auch das Agmatin konnte darin enthalten sein, denn das Agmatin besitzt
keine charakteristische Farbenreaktion.
Um Aufschluß darüber zu erhalten, ob auch diese Substanzen fehlten,
wurden die verbliebenen 45 ccm mit 5 ccm einer lOprozentigen Schwefel¬
säure angesäuert und mit Phosphorwolframsäure ausgefällt.
Die geringe Fällung wurde nach 24 Stunden abgesaugt und mit Baryt¬
wasser zersetzt. Das Filtrat vom Baryumwolframat wurde mit Schwefel¬
säure neutralisiert, starji eingeengt, die Reste der Schwefelsäure mit Baryum-
karbonat entfernt. Die so gewonnene Basenlösung gab lebhafte Diazo¬
reaktion. Wir engten sie stark ein, säuerten sie mit Salpetersäure an und
fällten mit Silbernitratlösung. In .diese Fällung hätten die Purinbasen
hineingehen können, doch ließen sich aus ihr durch Aufnahme mit wenig
siedender Salpetersäure nicht die charakteristischen, schwer löslichen, gut
kristallisierenden Silbernitratverbindungen der Purinbasen hersteilen. Die
Fällung bestand also wohl der Hauptsache nach aus Huminsubstanzen.
Das Filtrat dieser Fällung wurde weiter mit etwas überschüssiger
Silberlösung versetzt. Durch vorsichtige Zugabe von Barytwasser ließ
sich eine zweite, gelblich gefärbte, flockige Fällung erzeugen, die nach
den Erfahrungen von Ackermann, A. Kossel und Fr. Kutscher das
Imidazolyläthylamin und Agmatin aufgenommen haben mußte. Sie wurde
abgesaugt, ausgewaschen und vorsichtig mit Salzsäure zersetzt. Die so
gewonnenen Chloride enthielten die gesamte, die Diazoreaktion liefernde
Substanz. Zur weiteren Identifizierung der Chloride zogen wir den physio¬
logischen Versuch heran.
Wir wissen, daß sowohl das Imidazolyläthylamin wie das Agmatin 1
noch in Spuren den Tonus der glatten Muskeln stark zu steigern vermögen.
Als Versuchsobjekt benutzten wir ein Stück überlebenden, in Ringerlö6ung
pendelnden Katzendarm. Die normalen Pendelbewegungen wurden durch
einen Schreibhebel auf langsam rotierender Trommel registriert. Die Ringer¬
lösung, in der der Katzendarm pendelte, betrug 100 ccm.
Bevor die Chloride, die aus der Zerebrospinalflüssigkeit nach oben
geschildertem Verfahren gewonnen waren, der Ringerlösung zugesetzt
1 Kutscher und Engeland, Zentralblatt für Physiologie . XXIV. 479.
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610 Ernst Berlin und Fr. Kutscher: Untersuchungen usw.
wurden, machten wir sie mit Natriumkarbonat schwach alkalisch. Sie
zeigten sich wirkungslos (Fig. 1). Die Flüssigkeit enthielt also kein
Imidazolyläthylamin und Agmatin.
Fig. 1.
a Kurve des pendelnden Katzendarms.
b 10 Sekunden Zeitmarkierung.
c Linie mit Marke, die den Zeitpunkt der Zugabe der aus Lumbalpunktat
gewonnenen Basen angibt.
Zur Kontrolle gaben wir in einem zweiten Versuch der Ringerlösung
zunächst 0-002 g und dann 0-006 g Agmatinsulfat zu. Fig. 2 zeigt, daß
der Darm schnell mit deutlicher, langanhaltender Tonussteigerung ant¬
wortete.
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c
Fig. 2.
o Kurve des pendelnden Katzendarms.
b 10 Sekunden Zeitmarkierung.
c Linie mit Marken, die den Zeitpunkt der Zugabe von 0*002 nnd 0*006g
Agmatinsulfat angeben.
Unsere Untersuchungen lehren demnach, daß das Lumbalpunktat
bei Meningitis epidemica frei ist von Albumosen, Peptonen und den bisher
näher bekannt gewordenen toxischen Ptomainen.
Wir haben darin nur eine organische Base naehweisen können, die
ihren chemischen Reaktionen nach allerdings mit dem Imidazolyläthyl¬
amin verwandt ist, aber keine oder andere physiologische Wirkungen wie
dieses besitzt.
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[Ans dem Biologischen Laboratorium (Dr. E. Teichmann) des Städtischen
Hygienischen Instituts der Kgl. Universität Frankfurt
(Direktor: Profi Dr. M. Neisser)]
Mischmfektionsversuche mit Trypanosomen.
Von
Dr. Ernst Teichmann
Privatdoxent an der Universität.
I. Wie sich künstlich erzeugte Mischinfektionen mit Trypanosomen
bei Mäusen verhalten, ist zuerst von A. Laveran und D. Roudsky (1912)
untersucht worden. Sie stellten sich blepheroplastlose Stämme von Try¬
panosoma Brucei, Trypanosoma Evansi und Trypanosoma sudanense her,
indem sie Oxazin auf die Parasiten einwirken ließen. Solche Trypano¬
somen, mit normalen Individuen desselben Stammes gemischt, verdrängen
diese in 2 bis 10 Mäusepassagen vollständig. Danach hat R. Oehler
(1914) experimentell geprüft, wie sich künstlich erzeugte Mischinfektionen
mit Trypanosomen bei Mäusen verhalten. Oehler stellte sich durch Ein¬
zellenübertragung aus dem in unserem Institut gehaltenen, mit Stamm 4
bezeichnten Naganastamm (über seine Herkunft vgl. H. Braun und
E. Teichmann [1912] S. 7 und [1914] S. 13) einen Einzellenstamm her.
Ein Zweig dieses Stammes wurde gegen Salvarsan, ein anderer gegen Tar¬
tarus stibiatus festgemacht, während ein dritter unbehandelt und also
arzneiempfindlich blieb. Jeder der arzneifesten Zweige wurde sodann
mit dem arzneiempfindlichen gemischt, auf Mäuse Uberimpft und in diesen
Tieren weitergezüchtet. Im Laufe der Passagen entmischten sich die Try¬
panosomen, und zwar immer so, daß die arzneifeste Komponente der Misch¬
infektion allmählich verschwand. Für die Entmischung macht Oehler
die Differenz in der Vermehrungszahl verantwortlich und er gibt der
Meinung Ausdruck, daß wohl alle akuten Stämme, „die durch viele Pas¬
sagen fortgepflanzt wurden, als einheitlich anzusehen seien, so einheitlich,
wie wenn sie von einem einzigen Trypanosoma abstammten“.
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512
Ernst Teichmann:
Eine einfache Überlegung zeigt, daß in der Tat ein Unterschied in
der Vermehrungsgeschwindigkeit im Laufe der Passagen mit Notwendigkeit
zur Unterdrückung der minder schnell sich teilenden Trypanosomen führen
kann, vorausgesetzt, daß mit der größeren Vermehrungsgeschwindigkeit
auch die stärkere Virulenz verbunden ist. Das Zahlenverhältnis wird sich
in solchen Fällen unter Mithilfe der künstlichen Übertragungen schnell
so sehr zuungunsten der langsamer sich vermehrenden Trypanosomen ver¬
schieben, daß sehr bald der Zeitpunkt eintreten kann, wo die eine Mischungs¬
komponente überhaupt nicht mehr mitübertragen wird. Es fragt sich
aber, was geschehen wird, wenn eine Infektion aus zwei oder mehreren
Stämmen zustande kommt, die sich nicht durch Vermehrungsgeschwindigkeit
und Giftigkeit voneinander unterscheiden lassen.
Die folgenden Versuche wurden unternommen, um der Beantwortung
dieser Frage näher zu kommen. Unter den zur Verfügung stehenden Nagana-
stämmen wurden zwei ausgewählt, die sich nach Vermehrungsgeschwindigkeit
und Virulenz gegen Mäuse anscheinend gleich verhielten; diese beiden in
unserem Institut gehaltenen Stämme wurden dort als Stamm 4 und Stamm
90 Fl. bezeichnet. Die Herkunft des letztgenannten Stammes ist bei Braun
und Teichmann (1914) auf S. 25f. beschrieben. Hier interessiert vor
allem, daß er sich ebenso wie Stamm 4 in Mäusen sehr schnell vermehrt
und den Tod der Tiere in 4 bis 6 Tagen herbeiführt. Auch aus der Anzahl
der von beiden Stämmen in einer bestimmten Zeit durchlaufenen Mäuse¬
passagen läßt sich erkennen, daß sie sich in dieser Hinsicht annähernd
gleich verhalten. Stamm 4 durchlief vom 8. IV. bis zum 16. VIII. 1915,
also in 131 Tagen, 47, Stamm 90 Fl. vom 8. TV. bis zum 14. VIII. 1915,
also in 129 Tagen, 43 Mäusepassagen. Das ergibt für die Passage durch¬
schnittlich etwa 2*8 Tage im einen und 3 Tage im anderen Falle. Eine
genauere Bestimmung der Virulenz läßt sich mit der zwischen den Über¬
impfungen verstrichenen Zeit nicht errechnen, da ja der Spielraum, inner¬
halb dessen die Übertragung geschehen kann, einige Tage beträgt. Aus
dem kleinen Unterschied in der Dauer der Passagen darf daher nicht auf
einen, wenn auch geringen Unterschied in der Vermehrungsgeschwindigkeit
geschlossen werden. Morphologisch sind die beiden Stämme nicht zu unter¬
scheiden; sie sind beide monomorph.
Dagegen sind biologische Unterscheidungsmerkmale vorhanden. Der
Stamm 4 ist seit dem Jahre 1911, in dem er von unserem Institut er¬
worben wurde, stets in Ratten oder Mäusen fortgezüchtet worden; die
Passagen sind in dieser Zeit niemals mit Arzneimitteln in Berührung ge¬
kommen. Trotzdem war dieser Stamm, alß er im Jahre 1914 von mir gegen
Chemikalien geprüft wurde, gegen Arsen hochgradig unempfindlich. Genauere
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Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.
513
Angaben hierüber erfolgen an anderer Stelle. Der Stamm 90 Fl. dagegen
erwies sich als arsenempfindlich. Hiermit stand ein Mittel zur Verfügung,
mit dem die beiden Stämme voneinander unterschieden werden konnten.
Eine zweite Möglichkeit, sie gegeneinander abzugrenzen, war durch ihr
antigenes Verhalten an die Hand gegeben. Wie in der Arbeit von Braun
und Teichmann (1914) auf S. llff. bewiesen ist, sind die von den beiden
Autoren untersuchten ostafrikanischen Naganastämme immunisatorisch von
Stamm 4 verschieden. Dies gilt auch, wie zahlreiche inzwischen angestellte
Versuche bestätigten, für den Stamm 90 Fl. Kein Immunserum, das durch
Infektion oder Vakzination mit Stamm 90 Fl. von Kaninchen gewonnen
wurde, hatte schützende Eigenschaften gegen Stamm 4, und umgekehrt,
kein mit Trypanosomen des Stammes 4 erzeugtes Immunserum schützt
gegen eine Infektion mit Stamm 90 Fl. Durch zweckentsprechende Ver¬
wendung der beiden Sera ist es mithin möglich, festzustellen, welcher der
beiden Trypanosomenstämme in dem infizierten Versuchstier vorhanden ist.
Die Frage, zu deren Beantwortung der folgende Versuch unternommen
wurde, lautet: Findet bei Mischinfektion mit gleichvirulenten
Naganastämmen eine Entmischung statt und, wenn dies der
Fall ist, in welchem Sinne verläuft sie?
Um diese Frage zu beantworten, wurden möglichst gleich dichte Auf¬
schwemmungen von Trypanosomen der Stämme 4 und 90 Fl. in Koch¬
salzlösung hergestellt, gleiche Mengen davon miteinander gemischt, und
von dieser Mischung 5 Mäusen je 1 ccm subkutan injiziert. Von jeder
dieser Mäuse wurden Passagen angelegt, und die fünf so erhaltenen Stämme
mit den Ziffern I bis V bezeichnet. Dabei wurde Bedacht darauf ge¬
nommen, daß stets reichlich Trypanosomen auf jede neue Passage über¬
tragen wurden. Nachdem die 6. Passage erreicht war, wurde einer der
fünf Stämme mit Serum geprüft.
ö Mäuse erhielten je V* ccm Immunserum von Stamm 90 Fl. intraperitoneal,
5 Mäuse erhielten je V* ccm Immunserum von Stamm 4 intraperitoneal,
5 Mäuse erhielten je 1 / 2 ccm Immunserum von Stamm 90 Fl. und je l j t ccm
Immuns erum von Stamm 4 intraperitoneal.
Diese 15 Mäuse wurden am folgenden Tage aus der 6. Passage des
Stammes Maus V subkutan infiziert. Dazu wurden für jedes Serum 10 Kon-
trollmäuse angesetzt, von denen immer ö mit dem homologen und 5 mit
dem heterologen Stamm infiziert wurden (Serumkontrollen). Schließlich
wurden mit den zur Infektion benutzten 3 Stämmen, nämlich Stamm 4,
Stamm 90 Fl. und Stamm Maus V je 5 Mäuse zur Kontrolle infiziert.
Diese Infektionskontrollen zeigten sämtlich am 3. oder 4. Tage nach der
Infektion Trypanosomen im Blut und starben am 5. bis 7. Tage. Die
Zeitaclir f. Hygiene. LXXXII
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514
Ernst Teichmann:
Serumkontrollen ergaben, daß jedes der beiden verwendeten Sera gegen
den homologen Stamm schützt, nicht aber gegen den heterologen. Von
den 15 Mäusen, die aus der 6. Passage des Stammes Maus V infiziert
worden waren, blieben nur die 5 mit dem kombinierten Serum von Stamm 4
und Stamm 90 FL vorbehandelten Tiere frei von Trypanosomen; bei den
beiden anderen Gruppen zeigten sich in derselben Zeit wie bei den Kontroll-
mäusen Parasiten im Blut, und der Tod trat gleichzeitig mit dem der
Kontrolltiere ein.
Dieser Befund beweist, daß in der 6. Passage des Misch3tammes V
beide Mischungskomponenten vorhanden waren, und zwar, wie nach der
fast völligen Gleichzeitigkeit des Auftretens der Trypanosomen und des
dadurch bedingten Eintritts des Todes der Versuchstiere in den beiden mit
nur einem Serum vorbehandelten Gruppen angenommen werden darf, in
annähernd gleicher Stärke.
Da bei den von Oehler (1914) angestellten Versuchen jedesmal die
giftfeste Komponente im Laufe der Passagen aus der Mischinfektion ent¬
fernt wurde, konnte mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß der arsen-
feste Stamm 4 auch in diesen Versuchen aus der Mischung verschwinden
werde. Wenn dieser Fall eintrat, so mußte eine Arseninjektion die Try¬
panosomen aus dem Blut beseitigen. Es wurde daher Passagemäusen,
nachdem von ihnen überimpft war, 0 01 g Arsazetin injiziert, eine Gabe,
durch die die Trypanosomen des arsenempfindlichen Stammes 90 FL zum
Verschwinden gebracht werden. Alle 5 Mischstämme enthielten in der
5. Passage arsenfeste Trypanosomen (Stamm 4); denn die Injektion des
Arsazetins übte auf den Verlauf der Infektion keinen merklichen Einfluß
aus. Dies änderte sich jedoch bei der nächsten Arsazetinprobe, die die
Passage 10 der Stämme IV und V und die Passage 11 der Stämme I und
III — der Stamm II war abgerissen — betraf. Während nämlich die Try¬
panosomen der Stämme I, III und IV auf 0*01 g Arsazetin nicht reagierten,
waren sie bei Stamm V am Tage nach der Injektion verschwunden und
traten auch in den folgenden Tagen nicht wieder auf. Nach diesem Befund
hatte sich also der Stamm V in dem Sinne entmischt, daß die Stamm 4-
Komponente ausgeschieden und der Stamm 90 FL allein übrig geblieben war.
Ein Versuch mit Serum, der zugleich mit der Arsazetinprobe angesetzt
wurden war, ergab, daß sich der Stamm Maus V in der Tat bereits in der
10. Passage von der Stamm 4-Komponente völlig befreit hatte. Der Versuch
wurde in der schon beschriebenen Weise ausgeführt. In den 3 mit Serum
vorbehandelten Gruppen erkrankten nur die mit Stamm 4-Serum behandelten
Mäuse, die anderen blieben trypanosomenfrei; sie enthielten mithin aus¬
schließlich Trypanosomen des Stammes 90 FL (vgl. Protokoll Nr. 1). Da
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Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.
515
in der 6. Passage des Stammes noch beide Komponenten hatten nach¬
gewiesen werden können, muß die Entmischung in dem kurzen Zeitraum
der 3 Passagen 7 bis 9 vor sich gegangen sein.
Nach dem, was sich aus den Versuchen mit Stamm V ergeben hatte,
schien es wahrscheinlich zu sein, daß sich auch die drei anderen Mischstämme
von der arsenfesten Stamm 4-Komponente befreien würden. In cter 10. oder
11. Passage dieser Stämme waren giftfeste Trypanosomen noch vorhanden
gewesen. Auch in der 15. Passage, die wieder mit Arsazetin geprüft wurde,
war die Resistenz gegen das Gift nicht aufgegeben. Danach wurde die
20. oder 21. Passage aller vier Stämme einer Prüfung mit Serum unter¬
worfen. Es ergab sich, daß sich die Stämme I, III und IV ebenfalls ent¬
mischt hatten. Aber während Stamm V die Trypanosomen des Stammes
90 Fl. festgehalten hatte, waren gerade diese bei den drei anderen Stämmen
verschwunden; sie enthielten nur noch Parasiten des arsenfesten Stammes 4.
Ob die Reinigung hier früher oder später als bei Stamm V vollzogen wurde,
darüber sagen die Versuche nichts aus. Dagegen zeigen sie, daß Empfind¬
lichkeit oder Festigkeit gegen Arsen keinen Ausschlag dafür geben kann,
welcher von zwei konkurrierenden Stämmen das Feld behauptet. Ich
füge das Protokoll des Versuchs mit dem Stamm Maus III bei; der Ver¬
lauf bei den Stämmen I und IV war wesentlich der gleiche (vgl. Proto¬
koll Nr. 2).
Bei Mischinfektion mit zwei möglichst gleich virulenten, akuten Nagana-
stämmen führt mithin die Methode der Fortzüchtung der Trypanosomen
durch Mäuse- oder Rattenpassagen, wie sie allgemein geübt wird, zur Ent¬
mischung der Stämme. Die Entmischung kann durch Unterdrückung des
einen oder des anderen Stammes erfolgen. Empfindlichkeit oder Festigkeit
gegen Arsen üben auf die Richtung der Entmischung keinen bestimmenden
Einfluß aus.
II. Aus dem Verlauf der mitgeteilten Versuche ist nichts darüber zu
entnehmen, durch welche Umstände die Entmischung zweier gleichviru¬
lenter Trypanosomenstämmc herbeigeführt werden könnte. Es war denkbar,
daß Besonderheiten dabei eine Rolle spielten, die in der Methode der Über¬
tragung der Parasiten von Maus zu Maus ihren Grund hatten. Vielleicht
war in der zur Impfung verwandten Blutmenge zufällig nur der eine der
beiden Stämme vertreten, während an anderen Stellen des Blutgefä߬
systems Trypanosomen auch des anderen Stammes kreisten. Da im Herzen
Blut aus allen Körpergegenden zusammenströmt, so darf angenommen
werden, daß sich dort Trypanosomen aller im Kreisläufe etwa vorhandenen
Stämme mischen. Jedenfalls war, wenn das Herzblut verimpft wurde,
möglichst Gewähr dafür geboten, daß die angedeuteten Zufälligkeiten aus-
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Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.
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Ergebnis: Serum von Stamm 4 + Serum von Stamm 90 Fl. schützt gegen die Infektion mit der 10. Passage des
Mischstammes MausV. Serum von Stamm 90 Fl. schützt gegen dieselbe Infektion.
Protokoll Nr. 2.
Serum von dem mit Stamm 4 infizierten Rind Nr. 4 vom 18. IV. 1912. Serum von dem mit Stamm 90 Fl. infizierten
Kaninchen Nr. 26 vom 30. IX. 1913. Zur Infektion wurde die 20. Passage des Mischstammes Maus III benutzt.
Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.
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Ergebnis: Serum von Stamm 4 + Serum von Stamm 90 Fl. schützt gegen die Infektion mit der 20. Passage des
Mischstammes Maus III. Serum von Stamm 4 schützt gegen dieselbe Infektion.
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Ernst Teichmann:
geschlossen wurden. Es fragte sich also, wie sich die beiden gemischten
Stämme verhalten würden, wenn die Übertragung von Maus zu Maus
mit dem im Herzen angesammelten Blute vorgenommen wurde.
Um auf diese Frage eine Antwort zu erhalten, wurden abermals fünf
Mischstämme aus Stamm 4 und Stamm 90 Fl. hergestellt. Dabei wurde
jeder der beiden Stämme für sich überimpft. Die so erhaltenen Stämme
VI bis X wurden in Passagen fortgezüchtet, indem den mit Äther be¬
täubten Mäusen das Herz entnommen, und dessen Inhalt, in Kochsalz¬
lösung aufgeschwemmt, intraperitoneal auf die nächste Passage übertragen
wurde. Da die Stämme immer in je zwei Mäusen gehalten wurden,
so wurde stets das von beiden Passagemäusen gewonnene Blut vermischt
zur Überimpfung verwandt. Jeder Maus wurde auf diese Weise eine Blut¬
menge ein verleibt, die dem Inhalt des Herzens einer Maus entsprach. Fast
immer wurde die Weiterimpfung nach 24 Stunden, einige Male nach
48 Stunden vorgenommen. Nach Verlauf dieser Zeit waren nämlich die
Trypanosomen bereits so zahlreich, daß es nicht anging, mit der Über¬
tragung bis zum nächsten Tage zu warten.
Von den auf diese Weise fortgezüchteten Stämmen wurden zwei,
nämlich Stamm VII und Stamm X, nachdem sie 21 Passagen durchlaufen
hatten, mit Serum geprüft. Der Versuch wurde in der bereits beschriebenen
Weise ausgeführt und ergab, daß in der 22. Passage dieser Stämme noch
beide Komponenten vorhanden waren: Sowohl mit Stamm 4-Serum als
auch mit Stamm 90 Fl.-Serum vorbehandelte Mäuse zeigten nach der In¬
fektion gleichzeitig mit den Kontrollen Trypanosomen im Blut. Mit dem
bei den Stämmen I, III, IV und V erzielten Ergebnis verglichen, macht
sich hier ein Unterschied bemerkbar, insofern bei diesen die Entmischung
schon in der 20. oder 21. Passage vollendet war; ja aus dem Verhalten von
Stamm V, der bereits in der 10. Passage die eine Komponente verloren
hatte, darf vielleicht geschlossen werden, daß die Entmischung auch bei
den anderen Stämmen erheblich vor der 20. oder 21. Passage stattgefunden
hatte.
Der Mischcharakter der Stämme VII und X erhielt sich noch länger.
Bei Stamm VII enthielt auch die 30. Passage, bei Stamm X sogar noch
die 36. Passage beide Trypanosomenarten. Dagegen hatte sich bei Stamm VII
die 34. und bei Stamm X die 40. Passage von der Stamm 90 Fl.-Komponente
befreit.
Aus diesen Versuchen geht mithin hervor, daß die Entmischung zweier
möglichst gleichvirulenter akuter Stämme auch dann eintritt, wenn die
Überimpfungen mit dem Herzblut ausgeführt werden. Durch die Art,
wie dies geschah, wurden große Mengen Blutes und dementsprechend sehr
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MlSCHINFEKTlONSVERSrCHE MIT TRYPANOSOMEN. öl9
zahlreiche Parasiten von Maus zu Maus übertragen. Trotzdem eins: die
eine Mischkomponente verloren: dies ereignete sich, nachdem etwa doppelt
soviele Passagen durchlaufen worden waren, wie deren bei der gewöhnlichen
Übertragungsweise zur Reinigung des Mischstammes nötig gewesen waren.
Bei der Überimpfung mit Herzblut folgen sich aber die Passagen doppelt-
so schnell, wie bei der gewöhnlichen Überimpfungsart; in jenem Falle
wurden 20 Passagen in 26 Tagen, in diesem die gleiche Anzahl in 53 Tagen
angelegt. Hinsichtlich der Zeit, innerhalb deren die Reinigung erfolgte,
besteht danach kein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden
Methoden.
III. Nach den bisher initireteilten Versuchen darf angenommen werden,
daß sich Xaganamisehstämme. die eine akut verlaufende Krankheit bei
Mäusen hervorrufen, auch dann, wenn die Komponenten gleiehvirulent sind,
nach kurzer Zeit reinigen. Um nun zu untersuchen, wie sieh diese
Verhältnisse gestalten, wenn Trypanosomenstämme verwandt werden, die
bei Mäusen einen chronischen Verlauf der Infektion herbeiführen, ist die
Methode der Prüfung mit Immunsera der gemischten Stämme nicht ver¬
wertbar. Denn da die Trypanosomen chronischer Stämme ihre antigenen
Eigenschaften fortwährend ändern, gelingt es nicht, ein wirksames Iminun¬
serum gegen sie zu erzeugen. Doch bietet sich ein Weg, der eine sichere
Unterscheidung der Komponenten einer Mischinfektion gestattet, indem
morphologisch verschiedene Trypanosomenarten verwendet werden. Bei
den folgenden Versuchen wurden Trypanosoma Brucei und das kleino
ostafrikanische Trypanosoma, das dem Trypanosoma congolensc gleicht,
miteinander gemischt. Bei der Auswahl der Stämme wurde Bedacht
darauf genommen, daß die Krankheit, die jeder von ihnen hervorruft,
in möglichst ähnlicher Weise verläuft. Es gelang, in dem Naganastamm 63
und dem Congolensestamm b zwei geeignete Komponenten zu finden.
Der Stamm 63 wurde aus einem indischen Rinde in der Nähe von Dar¬
essalam gewonnen. Mit ihm infizierte Mäuse können mehr als 30 Tage
lang Parasiten im Blute beherbergen. Dabei wechselt der Trypanosomen¬
befund. Fast immer erfolgt eine deutlich hervortretende Remission bald
nach dem ersten Anstieg. Nimmt dann die Parasitenzahl wieder zu, so
erreicht sie schnell eine Höhe, auf der sie sich während vieler 'Page bis
zum Tode des Tieres hält. Die Tabelle 3 gibt den Verlauf einer mit
Stamm 63 erfolgten Infektion bei der Maus wieder.
Die Trypanosomen des Stammes b gehören zu der kleinen Form,
der Braun und Teichmann (1914) in Deutsch-Ostafrika häufig be¬
gegneten, und die morphologisch mit Trypanosoma congolensc überein¬
stimmt. Stamm b ist aus einer Ratte gewonnen, an der drei Glossinen
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520
Ernst Teichmann:
Tabelle Nr. 3.
Verlauf der Infektion bei Trypanosoma Brucei Stamm 63.
Tage naeh der
Infektion
1
2
3
4
^ 5
6
m
9
10 1
bis ' 30
29 I
Trypanosomen¬
befund
i _
i
o
+ ! ++
+++! + i o | +
| Remission
1 ++
' + + + ! t
Tabelle Nr. 4.
Verlauf der Infektion bei Trypanosoma congolense Stamm b.
Tage nach der
Infektion
t-
00
• H
Xi
8
9 10
i i
i
11
i
12
13
|
14
15
16
17
18
19
20
21
22
bis
29
SO
Trypanosomen¬
befund J
i ' '
jo ( + )
! + ' + ++ '
l
* + + +
i
+ +
+ + ! o
| 0 | 0
Remi
(+>k+)
ssion
<+)
+ +
+ +
+ 4-4-
i
t
gesaugt hatten (Braun und Teichmann [1914] S. 31ff., S. 36). Bei
Mäusen verursacht dieser Stamm eine Erkrankung, die sich über 4 Wochen
hinziehen kann; dabei ist die Neigung zu Remissionen sehr ausgesprochen.
Der Trypanosomenbefund wechselt daher stark. Tabelle 4 zeigt den Verlauf
einer Infektion bei der Maus. Die Remission erfolgt um die Mitte der
Krankheitsdauer, während sie bei Stamm 63 im ersten Viertel liegt.
Es wurden nun 5 Mäuse (Nr. 1 bis 5) mit je Vs ccm einer möglichst
gleichdichten Aufschwemmung jedes der beiden Trypanosomenstämme
subkutan infiziert, und der Verlauf der Infektion täglich beobachtet. So¬
bald die Parasiten einigermaßen zahlreich im Blute erschienen, wurden
Ausstrichpräparate angefertigt, die an der Flamme fixiert und mit Fuchsin
gefärbt wurden. Es gelingt dann leicht, mikroskopisch die Trypanosomenarten
festzustellen, die im Blute vorhanden sind. Bei allen 5 Mäusen traten beide
Formen auf. Die Mäuse lebten verschieden lange: Nr. 3 starb am 7., Nr. 4
am 8., Nr. 1 am 9., Nr. 5 am 18. und Nr. 2 am 24. Tage nach der Infektion.
Von Maus Nr. 2 wurde am 21. Tage nach der Infektion, zu einer Zeit,
wo beide Trypanosomenarten etwa in gleicher Zahl im Blute kreisten, auf
die Mäuse Nr. 16 bis 20 überimpft. Bei den Mäusen Nr. 17 und 19 er¬
schienen beide Arten, bei den Mäusen Nr. 16 und 18 nur Trypanosoma
Brucei und bei Maus Nr. 20 nur Trypanosoma congolense. Bei Maus
Nr. 18 trat am 12. Tage eine ausgesprochene Remission ein; am 26. Tage
nach der Infektion starb das Tier. Maus Nr. 16 starb am 28., Maus Nr. 17
am 5., Maus Nr. 19 am 6. und Maus Nr. 20 am 12. Tage nach der Infektion.
Von keinem dieser Tiere wurde weitergeimpft.
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Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.
521
Dagegen wurden von Maus Nr. 5 am 9. Tage nach der Infektion die
Mäuse Nr. 11 bis 15 infiziert; am Tage der Impfung waren beide Arten
im Blute der Maus Nr. 5 in etwa gleicher Anzahl nachzuweisen. Die Tabelle 5
zeigt den Verlauf der Mischinfektion bei Maus Nr. 11. Zur Erklärung der
verwandten Zeichen diene folgendes: Die Anzahl der Parasiten ist in der
üblichen Weise durch Kreuze bezeichnet; b bedeutet Trypanosoma Brucei,
c Trypanosoma congolense; einfache Klammer () besagt, daß die ein-
geklammerte Trypanosomenart in der Minderzahl ist, doppelte Klammer
(()) deutet an, daß nur vereinzelte Exemplare der eingeklammerten Art
gefunden wurden.
Tabelle Nr. 5.
Verlauf der Mischinfektion aus Stamm 63 und Stamm b
in der Maus Nr. 11.
Tage nach der
Infektion
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Zahl der
1 ++
+ + + ++ +
+++
+++,
+++
+++
l +++
+ + +
+ + +
+++
Trypanosomen
i 1
1
!
Art der
b
Remission i
(b)
b
b
i b
b
b
b
Trypanosomen
und
i 1
und
und
i
1
und
und
c
c
c
i c !
c
c
Remission
«0»
((0))
Tage nach der
Infektion
18 |
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10 !
i
i
20 j
21 1
22
23
.i
24
25
26
■ 27
27
Zahl der
+ + +
+++
+ + +
' + + +
+++
+ + +
+ + +
+++!+++
+ + +
t
Trypanosomen
1
Art der
b
b
b
b
(b)
b
b
b
b
b
Trypanosomen
und
und
und
und
und
und
und
und
und
und
—
(c)
c
c
c
c
c
(c)
c
c
c
Die Mischinfektion stellt, wie ein Vergleich mit Tabelle 3 und 4 ergibt,
eine sehr genaue Addition des Infektionsverlaufes ihrer beiden Komponenten
dar. Es ist deutlich zu sehen, wie zunächst Trypanosoma Brucei (b)
remittiert, dann nach einigen Tagen Trypanosoma congolense (c) folgt.
Dann steigt die Zahl der Parasiten beider Arten zu gleicher Höhe an und
hält sich auf ihr mit geringen Schwankungen, bis der Tod des Tieres ein-
tritt. Auch bei den vier übrigen Mäusen dieser Passage waren beide Try¬
panosomenarten nachzuweisen; auch bei ihnen schwankte deren Zahlen¬
verhältnis, wenn das auch infolge des früher eintretenden Todes dieser Tiere
nicht in so ausgeprägter Weise wie bei Maus Nr. 11 zur Erscheinung kam.
Am 17. Tage nach der Infektion wurde von Maus Nr. 11 auf die Mäuse
der 3. Passage (Nr. 21 bis 25) überimpft. Der Trypanosomenbestand war
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522
Ernst Teichmann:
an diesem Tage b und ((c)); Congolense war also nur in vereinzelten Exem¬
plaren in den Blutausstrichen nachzuweisen gewesen. Trotzdem erschienen
beide Arten von Trypanosomen in allen Mäusen der 3. Passage. Bei den
Mäusen Nr. 21, 22, 23 und 25 trat zunächst nur Brucei auf, bei Nr. 24
war es wenigstens in der Mehrzahl. Aber nach wenigen Tagen stellte sich
auch bei den anderen Tieren Congolense ein und vermehrte sich so, daß
beide Trypanosomenarten binnen kurzem gleich stark vertreten waren;
in einzelnen Fällen kam es zu ausgesprochener Remission von b.
Am 12. Tage nach der Infektion wurde abermals eine Passage an¬
gelegt. Der Trypanosomenbestand der Maus Nr. 21 war an diesem Tage
b und c. Mit dem Blute dieses Tieres wurden die Mäuse Nr. 26 bis 30
(4. Passage) infiziert. Wiederum kamen in sämtlichen Tieren beide Try¬
panosomenarten zur Beobachtung. Am 9. Tage nach der Infektion wurde
von Maus Nr. 30 bei dem Parasitenbefund (b) und c auf die Mäuse Nr. 31
bis 35 (5. Passage) abgeimpft. Es ergab sich das gleiche Bild wie vorher:
wiederum traten beide Arten bei sämtlichen Tieren in unter sich wechselnder
Zahl auf. Nun wurde von zweien dieser Mäuse je eine Passage angelegt.
Von Maus Nr. 31 wurden am 11. Tage nach der Infektion, während sich
infolge der Remission von b nur c in den Blutausstrichen vorfand, die
Mäuse Nr. 36 bis 40 (Passage 6 a) und am selben Tage von Maus Nr. 33
bei einem Parasitenbefund von (b) und c die Mäuse Nr. 41 bis 45 (Pas¬
sage 6 b) infiziert. Maus Nr. 43 ging bereits am 6. Tage nach der Infektion
ein, am Tage vorher hatte sich nur Trypanosoma congolense nachweisen
lassen. Bei den neun übrigen Tieren dieser Passage (6 a und 6 b) waren beide
Trypanosomenarten im Blute zu finden, indem je nach der obwaltenden
Remissionsperiode bald b, bald c in der Überhand war.
Schließlich wurde eine 7. Passage von einer dieser Mäuse (Nr. 37)
angelegt (Maus Nr. 46 bis 50), und zwar geschah das zu einer Zeit, wo b
remittierte und seit 2 Tagen ausschließlich c im Blute gefunden wurde.
In der neuen Passage erschien c zwar überall zuerst, aber b folgte in wenigen
Tagen nach, und beide Trypanosomenarten bestanden von da ab neben¬
einander.
Der ganze Versuch zog sich fast über ein Vierteljahr hin. — Sehen
wir zunächst von dem Stamm Maus 2 ab, so zeigt der Verlauf, den der
Versuch bei den sieben Passagen des Stammes MausV nahm, daß die
beiden Trypanosomenarten, mit denen die Stammaus infiziert wurde,
lange Zeit von Passage zu Passage weiter gegeben werden können, ohne
daß eine von ihnen unterdrückt oder überwuchert würde. Vielleicht darf
der Schluß, der aus dem vorliegenden Ergebnisse zu ziehen ist, noch er¬
weitert werden. Die Überimpfung wurde nämlich mehrere Male gerade
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Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen. 523
in dem Augenblick vorgenommen, wo die eine der beiden Trypanosomen¬
arten sich sehr erheblich in der Überzahl befand, so daß die Bedingungen
für das Aufkommen der anderen ungünstig waren. Der Umstand aber,
daß die bei der Überimpfung benachteiligte Form trotzdem ausnahms¬
los in kurzer Zeit den Vorsprung wieder einholte, den die begünstigte
Art gewonnen hatte, spricht dafür, daß hier eine Entmischung
auch bei noch so langer Fortsetzung der Passagen durch Über¬
wucherung überhaupt nicht zustande kommen kann. Durch die
Remissionsperioden, denen chronische Trypanosomenstämme unterliegen,
wird offenbar eine schrankenlose Vermehrung der einen oder der anderen
Mischungskomponente unmöglich gemacht. Hierbei ist noch zu bedenken,
daß periodische Schwankungen auch dann vorhanden sein werden, wenn
die grobe Methode, nach der die Stärke der Infektion geschätzt wird, dies
nicht mehr nachzuweisen vermag; so zeigt sich in dem Beispiel, das die
Tabelle 5 wiedergibt, daß am 22. und am 24. Tage kleinere Schwankungen
stattgefunden haben; solche können schon leicht übersehen werden, wenn
sie um ein Geringes weniger ausgeprägt hervortreten, als es hier der Fall
ist. Auf diese Weise werden die beiden Mischungskomponenten miteinander
im Gleichgewicht gehalten: sinkt b, so steigt c, bis dieses remittieren muß
und dadurch b wieder hochkommt.
Tabelle Nr. 6.
Verlauf der Mischinfektion mit Stamm 63 und Stamm b in 7 Passagen.
Maus Nr. 5 (Passage 1) wurde mit Stamm 63 und Stamm b infiziert
Maus Nr.
LI — 15
i'_ _
21—25
26—30
31—35
36—40
41 — 45
45—50
Infiziert aus Maus Nr. . . .
I' 5
11
21
30
31
33
37
Trypanosomenbestand der infi-
li
zierenden Maus.
|! b + c
b + ((c))
b + c
(b) + c
c
i< b) + c
c
Trypanosomenbefund bei der
i 1
!
infizierten Maus ....
| b + c
b + c
b + c
b 4* c i b + c
| b + b
b 4- c
Passage.
|i 2
i 3
1
■ 4
i
5
6a
6b
7
Trotzdem nun Mischinfektionen mit solchen Trypanosomenstämmen
wie sie in Stamm 63 und Stamm b vorliegen, wohl durch beliebig viel Pas¬
sagen fortbestehen können, ohne daß jemals eine Entmischung stattfindet,
kann es doch unter Umständen zur Ausschaltung der einen Komponente
kommen. Die Passage 2 des Stammes Maus 2 beweist das (vgl. S. 520f.).
Daß bei Maus Nr. 20 nur Trypanosoma congolense festgestellt wurde,
beruht vielleicht auf dem Zufall, daß das Tier schon am 4. Tage nach dem
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524
Ernst Teichmann:
Auftreten der Parasiten einging. Bei Maus Nr. 16 und 18 liegen aber die
Verhältnisse anders; denn bei ihnen nahm die Infektion, was ihre Dauer
anlangt, einen durchaus normalen Verlauf. Hier muß damit gerechnet
werden, daß in der Tat die c-Komponente ausgemerzt worden ist. Es
hätte, vielleicht durch Übertragung auf eine weitere Passage die Sicher¬
heit dieses Urteils noch verstärkt werden sollen; aber das, was die Pas¬
sagen des Stammes Maus 5 lehrten, ließ sich zu Anfang der Versuche
noch nicht überblicken, so daß kein Grund zu der Annahme zwang, es
liege hier ein von der Regel abweichendes Geschehen vor. Wie dem auch
sei, es fragt sich, ob für das ausnahmsweise Verhalten der Trypanosomen
in den Mäusen Nr. 16 und 18 eine Erklärung zu finden ist. Eine solche
läßt sich aus dem Umstande ableiten, daß der Stamm b in Mäusen, be¬
sonders bei schwacher Infektion, in manchen Fällen schwer oder selbst
gar nicht angeht. So ist es mehrere Male vorgekommen, daß in Passage¬
mäusen erst 8 Tage nach der Infektion Trypanosomen nachzuweisen waren,
und zweimal blieb die Infektion überhaupt aus. Hier spielen wohl indivi¬
duelle Faktoren des Mäuseorganismus eine Rolle, indem bei einzelnen
Tieren die Abwehrkräfte stark genug sind, um die eingedrungenen Para¬
siten zu vernichten. Der Mechanismus der Unterdrückung der einen
Mischungskomponente wäre hier so zu verstehen, daß beide Komponenten
zwar übertragen werden, die eine aber in der Maus vernichtet wird. So
interessant daher der hier mitgeteilte Befund ist, so darf er doch wohl nur
als Ausnahme gewertet werden. Die Regel muß aus dem Verlauf abgeleitet
werden, den die Mischinfektion in den von Maus Nr. 5 abstammenden Pas¬
sagen nahm. Nach ihr wird eine Mischinfektion mit chronisch krank
machenden und annähernd gleich virulenten Trypanosomenstämmen durch
die Fortzüchtung in Passagen nicht beseitigt, sondern kann beliebig lange
bestehen bleiben.
Es fragt sich nun, ob dieser Befund, der zu dem bei Mischinfektionen
mit akuten Naganastämmen erhobenen in bemerkenswertem Gegensatz
steht, praktisch von Bedeutung sein könnte. Daß Mischinfektionen aus
verschiedenen Trypanosomenarten in der Natur Vorkommen, ist nicht
von der Hand zu weisen. Yorke und Blacklock (1911) berichten von
einem Pferde, das mit Trypanosoma vivax und Trypanosoma dimorphon
natürlich infiziert war. Braun und Teichmann (1914 S. 21f.) haben
eine Mischinfektion mit Trypanosoma Brucei und Trypanosoma congo-
lense erhalten, als sie Glossinen aus der Umgebung von Amani, die in
der Regel nur Trypanosoma congolense übertragen, an mit Nagana in¬
fizierten Ratten fütterten und diese Fliegen dann zu Ubertragungsversuchen
verwendeten. Selbst wenn solche Fälle nur ausnahmsweise einträten, so
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Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.
525
ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Mischinfektionen mit chronischen
Stämmen derselben Art nicht selten sind. Solche werden sich aber wohl
in derselben Weise verhalten, wie es der hier beschriebene Versuch gezeigt
hat. Handele es sich nun um Mischinfektionen mit verschiedenen Arten
von Trypanosomen oder um solche mit verschiedenen Stämmen derselben
Art, so ist damit ein Umstand gegeben, der für die Therapie der Trypano¬
somenkrankheiten nicht ohne Bedeutung ist. Wie bekannt, zeigen die
Trypanosomen verschiedener Spezies gegen dasselbe Arzneimittel ein sehr
verschiedenes Verhalten (Laveran und Mesnil S. 199f.), und daß das
auch in gewissem Umfange für verschiedene Stämme derselben Trypano¬
somenart zutrifft, haben Versuche erwiesen, deren Ergebnisse an anderer
Stelle veröffentlicht werden sollen.
Die beschriebenen Versuche ergeben kurz zusammengefaßt folgendes:
1. Bei Mischinfektionen mit zwei gleich virulenten akuten Nagana-
stämmen entmischen sich im Laufe weniger Passagen durch Mäuse die
beiden Komponenten.
2. Die Entmischung kann durch Unterdrückung der einen oder der
anderen Komponente erfolgen.
3. Empfindlichkeitsunterschiede der Komponenten gegen Arsazetin
üben auf die Richtung, in der die Entmischung vor sich geht, keinen be¬
stimmenden Einfluß.
4. Die Entmischung zweier gleich virulenter akuter Naganastämme wird
auch dann nicht hintangehalten, wenn das Herzblut der mischinfizierten
Mäuse zur Überimpfung verwendet wird.
5. Bei Mischinfektion mit bei Mäusen chronischen Krankheitsverlauf
erzeugenden Trypanosomenstämmen (Trypanosoma Brucei und Trypano¬
soma congolense) tritt infolge der dabei stattfindenden Remissionen eine
Entmischung der Komponenten nicht ein.
6. Ausnahmsweise kann eine Entmischung stattfinden, wenn die eine
der beiden Komponenten bei der Überimpfung zwar weiter übertragen
wird, aber nicht angeht.
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526 Ernst Teichmann: Mischinfektionsversuche mit Trypanosomen.
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Literaturverzeichnis.
Blacklock, B., The trypanosomes found in a horse naturally infected
in the Gambia. A double infection. Ann . Trop. Med. Parasit. 1912. Vol. VI. p.
107—110.
Braun, Hugo und Ernst Teichmann, Versuche zur Immunisierung gegen
Trypanosomen . Jena 1912, Gustav Fischer.
Braun, H. und E. Teichmann, Erfahrungen über die tierischen Trypano¬
somenkrankheiten Deutsch Ostafrikas. Beihefte zum Archiv für Schiffs - und Tropen¬
hygiene. 1914. Bd. XVTII. Beiheft 1.
Laveran, A. und F. Mesnil, Trypanosomes et Trypanosomiases . II. Auf].
Paris 1912. Masson et Cie.
Laveran, A. und D. Roudsky, Resultats obtenus en m^langeant un virus
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Oehler, R., Untersuchungen über den Dimorphismus von Trypanosoma
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Yorke, W. und B. Blacklock, The trypanosomes found in two horses
naturally infected in the Gambia. Ann. Trop . Med. Parasit . 1911. Vol. V. p. 413.
Die Mittel, aus denen die Kosten dieser Untersuchungen bestritten
wurden, sind teils von dem Kaiserlichen Kolonialamt, teils von Herrn
Dr. F. Roeßler in Frankfurt a. M. zur Verfügung gestellt worden. Beiden
Gebern sei an dieser Stelle gedankt.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXXXII.
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Zeitschrift für Hygiene. B<1. LXXXII.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXXXII.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LXXXII.
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