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Full text of "Zeitschrift fur Naturwissenschaften"

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LIBRARY 


OF THE 


MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY 


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Zeitschrift 


für 


Naturwissenschaften. 


Im Auftrage des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen 
und Thüringen und unter Mitwirkung von 


Geh. Bergrath Dunker, Prof. Dr. Freih. von Fritsch, Prof. Dr. Garcke, 
Geh. Rath Prof. Dr. Knoblauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuckart, 
Prof. Dr. E, Schmidt und Prof. Dr. Zopf 


herausgegeben von 


‘Dr. O9. Luedecke, 


Professor an der Universität Halle. 


65. Band. 
(Fünfte Folge. Erster Band.) 


Mit fünf Tafeln. 


Halle - Saale. 
C. E.M. Pfeffer (Robert Stricker). 
18. 


Inhalt des 63. Bandes. 


Autorenregister. 


Abhandlungen. 


Dr. Leopold Böttger, Geschichtliche Darstellung unserer Kennt- 
niss und Meinungen von den Korallenbauten 

Geh. Bergrath E. Dunker in Halle, Ueber ein Vorkommen von 
Krystallen in der Formation des Keupers : 

Prof. Dr. A. Garcke, Wie viel Arten von Wissadula giebt es? 

Georg Koenig , Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide aus den 
Wurzeln“ "von Sanguinaria canadensis und Chelidonium 

majus . 
Prof. Dr. In Luedecke, "Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype 
Dr. Hugo Naue aus Oranienbaum, Ueber Bau und Entwicklung 
der Kiemen der Froschlarven mit Tafel I u. II . 
Privatdocent Dr. Schmidt in Halle, Die Sum UnS des Blitz- 
schlages auf verschiedene Baumarten . 

Dr. Erwin Schulze, Verzeichniss der Siugethiere von Sachsen, 
Anhalt, Braunschweig, Hannover und Thüringen . . 

Dr. Wohltmannin Göttingen, Ein Beitrag zu den Muschelbergen, 
Sambaquis, an der Ostküste Brasiliens. Mit Tafel IV u. V 

Dr. E. Zache, Ueber den Verlauf und die Herausbildung der 
diluvialen Moraene in den Ländern Teltow und Barnim- 
Lebus. Mit Tafel I. 5 SPLE ATEN 


II. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


Dr. F, Beyschlag, Die Erzlagerstätten von Kamsdorf { 

Dr. J, G. Bornemann, Ueber den Buntsandstein in Deutsch- 
land, seine Bedeutung für die Trias nebst Untersuchungen 
über Sand und Sandsteinbildungen im Allgemeinen . 

Dr. L. G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basal- 
tischer Gesteine zwischen Gerstungen und Eisenach 8 

Prof. Dr. H. Bücking, Mittheilungen über BEnpE sera leine der 
Section Schmalkalden . . 

Prof. Dr.. Bücking, Glaserit, Bloedit, "Kainit, “ Boraeit von 
Douglashall . 

Cesaro, Ueber das ditetragonale Prisma am Apophyliit von 
St. Andreasberg . & 

Prof. Dr. W. Dames, Anarosaurus pumilio nov. gen. nov. ‚spec. 

— Cervus euryceros von Rixdorf bei Berlin 2 k 


194 
192 


327 
327 
455 


IV Inhalt. 


P. Dietel, Die Uredineen bei Leipzig a 
Geh. Ober-Bergrath E. Dunker, Temperaturbeobachtungen im 
Bohrloch von Schladebach . £ 

P. Ehrmann, Zusammenstellung der Leipziger Schnecken 

W. Frantzen in Meiningen, Untersuchungen über die Gliede- 
rung des unteren Muschelkalks in Westfalen u. Hannover 

W. Frantzen u. A.v.Koenen, Ueber die Gliederung des Wel- 
lenkalks im mittleren und nordwestliehen Deutschland 

Prof. Dr. K. von Fritsch, Die Tertiärformation Mittel-Deutsch- 
lands. = AN 

©. G. Friederich, Naturgeschichte der deutschen Vögel 69 u. 

Dr. H. Keilhack in Berlin, Ueber einen Damhirsch aus dem 
märkischen Diluvium bei Belzig . . 

Dr. Koch in Berlin, Geologische Aufnahmen im N. 0. Theile 
des Blattes Zellerfeld . 

G. Lattermann in Berlin, Die Lautenthaler Soolquelle “und ihre 
Absätze . 

E. Liebe trau in Gotha, Beiträge zur "Kenntniss des” unteren 
Muscheikalks bei Jena i 

Dr. H. Loretz in Berlin, Der Zechstein in der Gegend von 
Blankenburg und Königsee am Thüriugerwalde i 

— Ueber einige Eruptivgesteine des Rothliegenden im 8.0. 
Thüringer Walde A 

— Ueber “das Vorkommen von Kersantit und Glimmerpor- 

phyrit in derselben Gangspalte bei Unterneubrunn . ; 

Prof. De K. A. Lossen, Geologische Aufnahmen im Brocken- 
Massiv und bei Harzburg 

Mügge und Müller, Ein neuer Orthoklaszwilling aus dem 
Fichtelgebirge Be KO 

Dr. Arth./Petry, Vies etations- Verhältnisse des Kyffhäuser- 
gebirges . ... VEN. Me ER ER 

Prof. Picard in Sondershausen, Ueber einige seltene Petre- 
facten aus dem Muschelkalk } : 

Prof. Dr. Reidemeister, Mineralogische Notizen 

Ders., Eine mineralogische Wanderung durch den östlichen Harz 

Dr. Rinne und Prof. Jannasch, Ueber Heulandit . 

Carl Russ, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres TLu. 

A. Sauer und N. V. Ussing, Ueber einfachen Mikroklin aus 
dem Pegmatit von Gasern unterhalb Meissen . 

Dr. R. Scheibe und Dr. Zimmermann in Berlin, Geognosie 
der Gegend des Ilmthales zwischen Schneidemüllerskopf 
und Ilmenau & NEE ANLE 

Leop. Scheidt, Vögel unserer Heimath s 

Hans Schillbach in Jena, Mikroskopische Untersuchung des 
Wellenkalks bei Jena . . 

Prof. Dr. Schreiber in Magdeburg, Glacialerscheinuingen in 
Magdeburg . 

— Die Bodenverhältnisse im Bereiche des  Ringstrassen- und 
Nordfront-Canals in Magdeburg ENG i 
Der Grundwasserstand in Magdeburg . { 

— Die Hafenanlage bei Neustadt-Magdeburg. . 

— Die Bodenverbältnisse von Magdeburg-Neustadt und deren 
un, auf die Bevölkerung. Mit einer geologischen 

arten 2% ale 

Dir. Dr. Schroeder, Unio Koesteri n. "sp. Y. Möckern 

H. Schucht, Geologie des Ockerthals . 

Dr. Erwin Schulze in Potsdam, Fauna piseium Germaniae . 

Dr. H, Simroth, Privatdocent in nl ua von 
Emys europaea . B er 


. . 


Inhalt. 


V 


Derselbe, Ueber Verbreitung des Sperlings . 
M, Vollert, Der Braunkohlenbergbau., Festschrift zum IV, 
Allgem. Bergmannstag in Halle a, S, . 
Dr, Zimmermann, 6eologisches vom nördlichen Thüringer 
Walde: Aufnahmen auf Blatt Crawinkel. . . 22... 


III. Allgemeine Literatur. 


Dr. C. Arnold, Repetitorium der Chemie . . 

Bessel, Untersuchungen über die Länge des Sekundenpendels 

Dr. Boas, Lehrbuch der Zoologie . SR 

W. Büchner, Zwei Materien mit 5 Fundamentalgesetzen 

Bütschli, Ueber den Bau der Bacterien und verwandter Orga- 
nismen 

Dr. E. )J. Doliarius, Janus, ein immerwährender Datumweiser 
für alle Jahrhunderte 2 

Dr. Bus. Dreher, Der Hypnotismus, seine Stellung zum Aber- 
glauben und zur Wissenschaft. 

Dr. Eb. Fraas, Geologie in kurzem Auszuge für Schulen und 
zur Selbstbelehrung . : 

Dr- A. B. Frank, Prof. an der Königl. "Landwirthschaftl. Hoch- 
schule, Lehrbuch der Pflanzenphysiologie mit besonderer 
Berücksichtigung der Culturpflanzen N 

H. G. Francke, Die Kreuzotter etc. . 

Pest, Dr. Anton Fritsch, Fauna der Gaskohle und Kalksteine 
der Permformation Böhmens : ae 3 

Gauss, Allgemeine Flächentheorie i 

Gay -Lussae, Untersuchungen über das Ian 

Detan. -Rath R. Göthe, Bericht der Königl. Lehr-Anstalt für 
Obst- und Weinbau zu Geisenheim 1888/89 . . . 

Prof. Dr. F. Götte, Entwickelung des Flussneunauges . 

Prof. "Dr! Er: Goppelsdorfer, Ueber Capillar- Analyse 

Prof. Dr. Siegmund Günther, Handbuch der mathematischen 
Geoszaphien.. n- ı.. 

Dr. F. Hantschel, Botanischer "Wegweiser im Gebiete des. 
nordböhmischen Exeursionseiubs . BT ANEENE 

Hatschel, Lehrbuch der Zoologie 3 

G. v. Hay ek, Handbuch der Zoologie . . 

Prof. Dr. Melmhol tz, Ueber Erhaltung der Kraft 

F. Hoeck, Die Nährpflanzen Mittel-Europas . 

J. C. Houzeau u. A. Lancaster, Bibliographie söncrale de 
Yastronomie . i BR RR, ö 

Igelström, Pyrrhoarsenit 

John, Bohrende Seeigel . 

Dr. Fr. Katzer, Geologie Böhmens, ii "Abtheilung . 

H. Kayser, Lehrbuch der Physik für Studirende F 

Prof. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landeskunde . 

Ludwig Klein, Vergleichende Untersuchungen über Morphologie 
und Biologie der Fortpflanzung beider Gattungen Volvox 

Dr. J. Klein, Elemente der forensisch-chemischen Analyse 

L. Kny, Ueber Laubfärbungen . . } b 

H. J. Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insekten . 78u. 

Dr. M. Krass und Prof. Dr. Landois, Lehrbuch der Botanik 
für den Unterricht in Gymnasien . 

Curd Lasswitz, Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis 
Newton. 2 Bände 

Dr. S. Levy, Anleitung zur Darstellung organischer Präparate 


Seite 
197 


184 
323 


380 
441 


vI Inhalt. 


a 

Liebenmann, Die Schimmelmycosen des menschlichen Ohres 

Prof. Dr. Loew, Anleitung zu blüthenbiologischen Beobachtungen 

Ferd. Maack, Zur Eirführung in das Studium des Hypnotismus 
und thierischen Magnetismus . . 

@, Marktanner-Turneretscher, Die Mikrophotesraphie als 
Hilfsmittel naturwissenschaftlicher Forschung . Ä 

— Die Hydroiden des k. k. naturhistorischen Hofmuseums 

A. B. Meyer, Der Knochenentfettungsapparat des königlichen 
zoologischen Museums zu Dresden , 

M. Mohler, Report of the Kansas State Board of Agriculture 

Albert K.v. Müller- Hauenfels, Richtigstellung der in bisheriger 
Fassung unrichtigen mechanischen Wärmetheorie und 
Grundzüge einerallgemeinen Theorie der Aetherbewegungen 

Prof. Julian Niedzwiedzki, Beitrag zur Salzformation von 
Wieliezka und Bochnia . 

Ober- Appellations- -Rath Dr, phil, C. Nöldecke in Celle, "Flora 
des Fürstenthums Lüneburg 

Heinrich Ohrt, Die grossherzoglichen Gärten und Parkanlagen 
in Oldenburg 2 . ; 

Prof. Ostwald, Classiker ‘der exacten Wissenschaften 203. 

Dr. B. Plüss, Leitfaden der Naturgeschichte 3 

Dr. H.D. Potonig, Die systematische Zugehörigkeit der Hölzer 
vom Typus Araucarioxyion 1, d. palaeolithischen Formationen 

Die Projectionskunst für Schulen, öffentl. Vorstellungen ete. 

Otto von Rath, Ueber Fortpflanzung der Chilopoden j 

Prof. Ira Rem 5 en, Grundzüge der theoretischen Chemie 

Roscoe und Sch or lemmer, Ausführliches Lehrbuch II. 

Th. Rümpler, Ilustrirtes Gartenbaulexikon 

Prof. v.Sandberger, Uebersicht der Versteinerungen der Trias- 
formation Unterfrankens : BR UNE 

Carl Schaedler, Untersuchungen der Fette, Oele etc. 

Dr. @. Schneidemühl, Thiermedieinische Vorträge 

Dr. ar Schumann, Die Ameisenpflanzen.. h 

A. Sprockhofft, Grundzüge der rn ä 

Prof. Dr. G. Steinmann und Dr. . Doederlein, Elemente 
der Palaeontologie 

J. J. Thomson, Anwendung der Dynamik auf Physik u. Chemie 

Dr. W. Ule, Die Tiefenverhältnisse der Masurischen Seeen . . 

Prof. Dr. H. W. Vogel, Handbuch der Photographie. ]. Theil 
Photochemie und Beschreibung der photographischen Che- 
mikalien . . 

J. G. Voigt, Die Geistesthätigkeit des Menschen und die me- 
chanischen Bedingungen der bewussten Empfindungs- 
äusserung auf Grund einer einheitlichen Weltanschauung 

— Das Empfindungsprincip und die Entstehung des Lebens 
auf Grund &ines einheitlichen Substanzbegriffs 

H. Weber, Electrodynamik . . 

Dr. M. Wilder mann, Jahrbuch der Naturwissenschaften 1889/90 

Dr. Robert Wittmann, Bacterien und die Art ihrer Untersuchung 

Dr. Otto Zacharias, 'Zur Kenntniss der niederen Thierwelt 
des Riesengebirges ; RAN Da 


Neu erschienene Werke Seite 81, 233, 361, 451. 


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polarisirtes, nicht cir reular polarisirtes Licht, u. Seite 345 Haumfels. 


statt Hannfeld. 


N En Auftrage des A eehataen Vereins für Sachsen 
; und en und unter N von 


herausgegeben von 


“Dr. o. Luedecke, 


Professor an der Universität Halle, 
v 


53. Band. 
«Fünfte Folge. Erster Band.) 
Erstes Heft. 


Ausgabe für Vereinsmitglieder. 


08 Mit einer Tafel. &e- 


Halle- Saale, 
g n M. Pfeffer (Robert Stricken). 


Inbhalc: 


I. Abhandlungen. 


Prof. Dr. O. Lwede: eke, Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype 
Dr..E. er a Ueber, den Verlauf und die Herausbildung der 
diluviälen Moraene in den Ländern Teltow und Barnim- 
Lebus. : Mit Hafel IE a NEST 5 


Mt Sächsisch -Thüringische Lean 


Dr. F. Beyschlag, Die Erzlagerstätten von Kamsdorf 

Dr. J. G. Bornemann, Ueber den Buntsandstein in Deutsch- 

land, seine Bedeutung für die Trias nebst Untersuchungen 

über Sand und Sandsteinbildungen im Allgememen 2 
Prof. Dr. Bücking, Glaserit, Bloedit, Kainit, Boracit von 
Douglashall . N 1 

Geh. Ober-Bergrath E. Dunker, "Temperaturbeobaehtungen 
‘ im Bohrloch von Schladebach . . . SER 

C. G. Friederich, Naturgeschichte der deutschen Vöeel 

De. -Arth. Petry; "Vegetations- Verhältnisse des 

gebirges . . Re 

Prof. Dr. Reidemeister, Mineraloeische Notizen i 
— Eine mineralogische Wanderung durch den östlichen Harz. 

Dr. Rinne und Prof. Jannasch, Ueber Heulandit . Ä 

Carl Russ, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres 

Prof Dr. Schreiber, Die Bodenverhältnisse im Bereiche des 

Ringstrassen- und Nordfront-Canals in Magdeburg . . . 

Derselbe, Der Grundwasserstand in Magdeburg NEE 

n Die Hafenanlage bei Neustadt- Magdeburg  . 

Die Bodenverhältnisse von Magdeburg- Neustadt 
und deren Einfluss auf die Bevölkerung. Mit 
einer geologischen Rarte . N 

Dir. Dr. Schroeder, Unio Koesteri n. sp. V. Möckern 


” 


II. Allgemeine Literatur. 


Dr. H. G. Franeke, Die Kreuzotter ete.. . . 

Prof. Dr. Fr, Goppelsdorfer, Ueber Capillar- ; 

„DE. Pr. Katzer, Geologie Böhmens. I. Abtheilung 

L. Kny, Ueber Laubfärbungen ; 

H. J. Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insecten . . 

Dr. M. Krass und Prof. Dr. Landois, Lehrbuch der Botanik 
für den Unterricht in Gymnasien. : 

Prof. Dr. Loew, Anleitung zu blüthenbiologischen Beobach- 
tungen . 

M. Mohler, Report "of the Kansas State "Board of Asrieulture 

Dr. H. D.Poto nie, Die systematische Zugehörigkeit der Hölzer 
vom Typus Araucarioxylon i. d. palaeolithischen Formationen 

Die Projeetionskunst für Schulen, öffentl. Vorstellungen etc. 

Dr. K. Schumann, Die Ameisenpflanzen a 

Prof. Dr. G. Steinmann und Dr. L. Doederlein, Elemente 
der Palaeontologie... . ; 

Dr. W. Ule, Die Tiefenverhältnisse der Masunschen Seeen. 

Dr. Rob. Wittmann, Bacterien und die Art ihrer Untersuchung 


Neu erschienene Werke. 


Seite 
43 


Sig: 


Druckfehler: $.51 vorletzte Zeile muss es heissen eig 


polarisirtes, nicht eircular polarisirtes Licht. 


Ankündigung. 
—HS— 


Seit dem Jahre 1853 erscheint in Halle die Zeitschrift 
für Naturwissenschaften”), deren Herausgabe vom jeweiligen 
Vorstande des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und 
Thüringen besorgt wird. In derselben ist seither eine grosse 
Reihe wichtiger, die Naturgeschichte Mitteldeutschlands be- 
treffender Abhandlungen veröffentlicht. 

Gleich im ersten Bande finden sich höchst bemerkens- 
werthe Abhandlungen: so die für die Meteorologie so wich- 
tigen über die Luftelektricität und die Windrichtung bei Halle 
und im mittleren Europa — auf dem Gebiete der Mineralogie 
und Geologie: Bischof, Abbildungen der bei Bernburg vor- 
kommenden Sigillaria Sternberg, Giebel, Entdeckung des 
Ammonites Dux im Muschelkalke von Schraplau und Mit- 
theilung über tertiüre Pflanzen von Bernburg, Ulrich, Voltait 
vom Rammelsberge bei Goslar und Deike, Roggenstein bei 
Bernburg — die Zoologie wird vertreten durch Gvedel, 
Münter wmd Schmidt, welche über Anatomie der Wirbel- 
thiere und Schnecken berichten — die Botanik durch Garcke 
füber Malvaceen). 


*) Zeitschrift für Naturwissenschaften. Im Auftrage 
des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen in 
Halle und unter Mitwirkung von Geh. Bergrath Dunker, Prof. Dr. 
Freih. v. Fritsch, Prof. Dr. Garcke, Geh. Rath Prof. Dr. Knob- 
lauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuckart, Prof. Dr. E. Schmidt und 
Prof. Dr. Zopf. Herausgegeben von Prof. Dr. O0. Luedecke. Verlag 
von C. E. M. Pfeffer (Robert Stricker) in Halle. 

Vom 63. Bande an beträgt der Abonnementspreis jedes Bandes 
von sechs Heften 12 Mark. 


Zeitschrift für Naturwissenschaften. 
N ver er 


Neben diesen für die Naturgeschichte unseres mittel- 
deutschen Vaterlandes bedeutsamen Original- Abhandlungen 
brachte der Band eine Menge ausführlicher Auszüge und Be- 
richte, die den Leser in der Naturgeschichte auf dem Laufen- 
den erhielten. 

Aehnlich ist der Inhalt der folgenden 61 Bände, welche 
unter der sorglichen Redaktion der Professoren an der Univer- 
sität Halle: Giebel, Heintz, Siewert, von Fritsch, 
Schmidt, Knoblauch, Zopf und Luedecke erschienen 
sind. 

Ein ungeheures Material, auf dessen zahlreichen und ge- 
diegenen Inhalt wir hier leider nicht näher eingehen können, 
ist in dieser grossen Anzahl Bände niedergelegt, so dass die 
Zeitschrift die 

werthvollste Quelle für die Naturgeschichte 
Mitteldeutschlands 


darstellt, welche jedem Forscher zur Hand sein muss, wenn er 
sich mit Erfolg auf dem Gebiete der Naturgeschichte bethä- 
tigen will. 

Vom 63. Bande ab besorgt Herr Prof. Dr. Luedecke die 
Herausgabe, welchem es gelungen ist, neben den bewährten 
Kräften, welche bisher die Redaktion unterstützten, eine Reihe 
jüngerer akademischer Herren zur Mitwirkung heranzuziehen. 

Enthielten die früheren Bände gleichzeitig die Sitzungs- 
berichte des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und 
Thüringen, welche für die Mitglieder dieses Vereins wichtig 
sind, so werden dieselben künftig nicht weiter in der Zeit- 
schrift erscheinen, vielmehr als selbstständiger Monatsbericht 
herausgegeben werden. So wird es möglich sein für die 
Referate über einheimische Naturgeschichte unter der Rubrik 

Sächsisch- Thüringische Litteratur 
einen grösseren Raum zu gewinnen und sämmtliche Er- 
scheinungen — eingeschlossen die in Blättern zerstreuten 
— welche Provinz Sachsen und Thüringen betreffen, aus- 
führlich zu besprechen. Es bleibt somit der Leser stets 


Verlag von (. E. HM. Pfeffer (Robert Stricker) in Halle - Saale. 


Zeitschrift für Naturwissenschaften. 
Ze TOO oT 


orientirt und es gestaltet sich so die Zeitschrift zu einem 
Organ, welches Vielen unentbehrlich werden wird. Bei 
der grossen Bedeutung, die gerade Thüringen auf dem Gebiete 
der Geschichte der Geologie und der Harz in der Entwicke- 
lung der Mineralogie erlangt haben, dürfte diese wichtige 
Quelle auch für weitere Kreise von höchstem Interesse sein. 

Die Originalaufsätze, denen zur Illustration eine 
Reihe von Tafeln beigegeben sind, erscheinen in der bisherigen 
Weise weiter, neben diesen soll der Leser durch zahlreiche 
Berichte auf dem Gebiete der allgemeinen Litteratur 
unterrichtet werden; eine ausführliche Bibliographie der 
neu erschienenen Bücher des In- und Auslandes wird den 
Schluss bilden. 


Die Zeitschrift für Naturwissenschaften erscheint jährlich 
in 6 Heften, welche einen Band bilden. Der Preis eines 
solchen Bandes beträgt 12 Mark. 

Jede gute Buchhandlung des In- und Auslandes nimmt 
Bestellungen entgegen; bei directer Einsendung des Betrages 
bewirkt auch die Verlagsbuchhandlung directe Zusendung: der 
erscheinenden Hefte. 

Halle- Saale. 

Redaktion und Verlag. 


Unterzeichneter subseribirt hierdurch auf die 


ı Zeitschrift für Naturwissenschaften. Band 63 und Folge. 
(Verlag von C. E.M. Pfeffer — Robert Stricker — 
in Halle-Saale.) 


Ort und Datum: Name: 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung 
der diluvialen Moräne in den Ländern Teltow und 
Barnim -Lebus. 

Mit einer Karte und einem Höhenprofil. 

Von 


Dr. E. Zache. 


In einem früheren Aufsatze dieser Zeitschrift (Bd. 61 
S. 39) habe ich den Südrand der neumärkischen Hochebene 
beschrieben; die folgenden Zeilen sollen eine geologische 
Darstellung der Plateaus bringen, welche den wesentlich- 
sten Theil der Kreise Teltow, Ober-, Nieder- Barnim und 
Lebus ausmachen. 

Es handelt sich daher hier um ein Gebiet, das begrenzt 
ist, im Norden von dem Thale des Finow-Canales, im 
ganzen Westen von dem Thale der Havel, im Süden sowohl 
von dem znsammenhängenden System von Niederungen, 
welehe durch die Nuthe zur Havel und durch die Notte 
zur Spree entwässern, als auch von dem unteren Theile 
der Dahme in Verbindung mit der mittleren Spree und im 
Nordosten endlich von dem breiten Thale der Oder; es 
umfasst die Mitte der Mark und liegt zwischen 3051’ 
1900520152 0. E und 5215 ana a2 an Br 

Die alte Bezeichnung „Land“ begreift nur die Hoch- 
flächen, während die heutige Kreiseintheilung über diesel- 
ben hinausreicht. Nach Berghaus!) beträgt die Grösse des 
Landes Teltow 15 Quadratmeilen und die des Barnim- 
Lebus 66 Quadratmeilen. 


1) Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg. Berlin 1854. 


Bd. I. S. 469 u. Bd. II. S. 161. 
Zeitschrift f, Naturwiss, Bd, LXIII 1890, 1 


2 E. Zache: 


Da die grossen Geschiebe das erste waren, wodurch 
die Aufmerksamkeit der alten Schriftsteller auf die Geo- 
logie dieses Gebietes hingelenkt wurde, so habe ich zu- 
nächst gesucht in der älteren Litteratur sichere Angaben 
über den Steinreichthum zu finden. Wo eine bestimmte 
Stelle angeführt ist, werde ich die Notiz in der Arbeit 
selbst bringen; im allgemeinen kommen in Betracht: Leh- 
mann): „Ich komme Berlin näher, ich finde auf den Fel- 
dern da herum schöne Versteinerungen, besonders zeigen 
die Leimgruben daselbst deren sehr viele, welche eine 
schöne Politur annehmen.“ Borgstede?): „Es giebt bei uns 
überall zerstreute Bruchstücke von Steinen von vielerlei 
Gebirgsarten, welche durch die Fluten unter den Sand zu- 
sammengeschwemmt sind. Wenn sie durch Regen und 
Stürme vom Sande entblösst werden, findet man sie oft so 
dicht und in solcher Menge beisammen, dass sie ganze 
Flächen und tiefe Steinbrüche ausmachen.“ Schultz°): 
„Wie in der Lüneburger Heide, so auch in den Marken 
finden sich mehr in einzelnen Distrikten vorwaltend, z. B. 
zwischen Leuenberg und Dannenberg auf der zweiten Hälite 
des Weges von Berlin nach Freienwalde, bei Bucke unweit 
Müncheberg, im Ganzen aber mehr gruppenweis als regel- 
los zerstreut, äusserst zahlreich z. Th. ansehnliche Geschiebe 
von Ur- und Uebergangsgebirgsarten am Tage.“ 

Wenn man mit diesen Angaben die heutigen Beobach- 
tungen vergleicht, so darf man wohl annehmen, dass die 
Geschiebe einst überali dort, wo sie gemäss der Inlandeis- 
Theorie hingehören, sich auch faktisch gefunden haben wer- 
den. Aus meiner Darstellung wird hervorgehen, dass 
einzelne Stellen nach den Berichten älterer Leute besonders 
reich an grossen Blöcken waren, während sie heute auch 
dort schon zurücktreten. Soviel ist indessen wohl sicher, 
dass man sus einem Fehlen der Steine, wenn nicht andere 


1) J. G. Lehmann, Versuch einer Geschichte der Flötzgebirge. 
Berlin 1756, 8, die Vorrede. 

2) Borgstede, Statistisch -topographische Beschreibung der Chur- 
mark Brandenburg, Berlin 1788 1. Theil S. 191. 

3) Schultz, Beiträge zur Geognosie und Bergbaukunde. Berlin 
1821.28. ME 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 3 


Thatsachen dazukommen, keine Schlüsse ziehen darf, denn 
überall hat in dieser Gegend durch die praktische Ver- 
wendung dieses Materiales die Steinbestreuung abgenammen 
resp. ist gänzlich verschwunden. Das ausgedehnte Chaussee- 
netz erfordert noch heute zu seiner Erhaltung eine grosse 
Menge von Geschieben, die am bequemsten durch Ablesen 
von den benachbarten Feldern erhalten werden. Dazu 
kommt, dass in der jüngsten Zeit durch den hoben Preis 
der Ziegelsteine die Feldsteine d. h. die grossen Blöcke 
ein begehrtes Baumaterial geworden sind. Man kann z.B. 
wohl behaupten, dass es im Lande Barnim kaum eine Kirche 
siebt, die nicht aus diesem Material hergestellt wäre, und 
dass wohl die Hälfte aller Gebäude dort aus Feldsteinen 
aufgeführt worden ist. 

Die Grundlage für einen Theil meiner en bilden 
natürlich die Aufnahmen der geologischen Landesanstalt 
nebst den dazu gehörigen Erläuterungen. Die Kartierung 
erstreckt sich bis 31° 30° ö. L. Ich führe diese Thatsache 
hier an, weil ich es vermieden habe, in der Arbeit jedes- 
mal auf die betreffende Section hinzuweisen, und weil ich 
keine Geognosie dieses Theiles der Mark schreiben wollte, 
so dass oft das Material mehrerer Sectionen zu einem be- 
stimmten Abschnitt verarbeitet worden ist. 


Das Land Teltow. 


Der Teltow ist ein Plateau, das inselartig aus den 
umgebenden Niederungen hervorragt. Keferstein!) sagt von 
ihm: „Der nordwestliche Theil zeigt sich als viel flacher, 
der Boden meist sandig, wenig fruchtbar, trägt viel Wald- 
ung.“ Berghaus?) giebt eine Beschreibung desselben. Die 
mittlere absolute Höhe ist 49 m, darüber hinaus ragen der 
Schäferberg auf dem So Ipasclien Werder mit 102 m, er ist 
der westlichste Punkt, während der eninnhlenber® mit 
66 m bei Königs-Wusterhausen die östliche Spitze bildet. 


1) Keferstein, Teutschland, geognost. u. geolog. dargestellt mit 
Karten etc., Berlin 1821--28. Bd. V.S.4u.5. 
2) Berghaus a. a. 0. Bd. I. S. 469. 
1* 


A E. Zacehe: 


„Ueberhaupt,* schliesst Berghaus, „liegen die höchsten 
Punkte fast ausschliesslich an den Rändern der Plateau- 
Insel, so dass diese im Innern gleichsam eine Mulde bildet.“ 
Berendt!) kommt auf diese Erscheinung bei der Darstell- 
ung der grossen Abschmelzrinnen zurück. 

Am nördlichen Rande überragt nur der Kreuzberg mit 
62 m die allgemeine Erhebung, am südlichen treten mehrere 
hervorragende Höhen auf: der Weinberg 76m zwischen 
Mittenwalde und Gr. Machnow, der Langeberg 63 m zwischen 
Gr. Machuow und Rangsdorf, der Thyrowerberg 61 m, der 
Wilmersdorferberg 76 m, letzterer ist allerdings durch eine 
schmale Schlucht, in welcher die Geleise der Anhalter 
Bahn gehen, vom Plateau getrennt. Den Westrand bilden 
die Erhebungen des Grunewaldes, es sind an der Havel 
der Murellenberg 65 m, der Havelberg 98 m, daneben sind 
noch andere Höhen mit 70 und 71m am Rande angegeben. 
Der Ostrand dagegen hat keine hervorragenden Punkte 
aufzuweisen, er flacht sich vielmehr überall ganz allmählich 
zum Spreethal ab. Ebenso unmerklich ist der Uebergang 
vom Plateau zur Niederung in dem südwestlichen Rande 
zwischen Kohlhasenbrück und Thyrow und ferner in dem 
buchtenförmigen Einschnitt?), der von Thyrow über Löwen- 
bruch, Gr. Beeren, Diedersdorf und Jühnsdorf den Südrand 
unterbricht. 

Das Plateau des Teltow darf deshalb auch nicht als 
eine Mulde angesehen werden, um so viel weniger, da in 
seinem Inneren ein Strich von Erhebungen auftritt, die mit 
66, 62 und 54m von Britz über Mariendorf nach Steglitz 
verlaufen und sich von bier nach allen Richtungen gleich- 
mässig abdachen. Dabei wird allerdings der Havelrand 
mit dem Grunewald durch seine Seeenkette isolirt, so dass 
er infolgedessen nicht zum Plateau des Teltow gehört und 
daher in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden wird. 
Die bervorragenden Randpunkte sind die stehengebliebenen 
Vorgebirge zwischen zwei benachbarten Abschmelzrinnen. 
Solehe deutlichen Abschmelzrinnen sind vor allen die Reihe 


1) Berendt, Geognostische Beschreibung der Umgegend von 
Berlin. Berlin 1885, S. 23. 
2) Berendt a. a. ©. S. 16. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 5 


der Grunewaldseeen, ferner das Telte-Fliess mit dem Tel- 
tow-See, das kurze Thal, welches sich von Glasow in den 
Rangsdorfer See senkt, jene oben erwähnte Bucht und dann 
noch mehrere kleinere Rinnen, welche zwischen Rangsdorf 
und Königs- Wusterhausen zur Niederung führen. Die 
grosse Ebenheit im Osten und Südwesten stammt daher, dass 
die Abschmelzwasser überall in breitem Strome über den 
Rand zum Thale fluteten. Bevor daher das grosse System 
künstlicher Abflussgräben angelegt war, hatten namentlich 
die Fluren von Marienfelde, Lichtenrade, Birkhoiz, Mahlow 
von den regelmässigen periodischen Ueberschwemmungen 
bei der Schneeschmelze und den Gewitterregen zu leiden.!) 


Die Moränenlandschaft. 


Schöaeberg, Wilmersdorf, Schmargendorf, Dahlem, 
Steglitz, Mariendorf, Marienfelde, Lichtenrade, Gr. Zietken, 
Wassmannsdorf, Schönefeld, Bohnsdorf, Rudow, Buckow, 
Britz, Rixdorf, Tempelhof. 

Dieser Abschnitt ist ungefähr 10 km lang und 5 km 
breit. So eben das Tempelhofer Feld, der Uebungsplatz 
der Berliner Garnison, ist, um so coupirter ist das Terrain 
südlich der Verbindungsbahn in der Gegend zwischen Britz, 
Tempelhof, Mariendorf und Steglitz. Es ist das Gebiet 
der eigentlichen Moränenlandschäaft. Zwar sind die Thäler 
und Hügel nicht so grossartig ausgebildet als es nordöst- 
lich der Oder bei Schmarfendorf oder in der Uckermark bei 
Golzow der Fall ist, dennoch documentiren der bunte 
Wechsel von Berg und Thal, die zahlreichen eingestreuten 
Pfühle, Seeen und Sölle deutlich die Bedeutung. Westlich 
dicht neben Britz, sind auf einem Raume von 1 qkm 16 
Pfühle auf der Sect. Tempelhof (1: 25000) eingezeichnet. 
In der Villen-Colonie Steglitz besitzt fast eine jede Villa 
in dem dazu gehörigen Garten einen kleinen Teich. Berendt?) 
hat zuerst auf diese Erscheinung aufmerksam gemacht und 
ihre allgemeine Bedeutung erkannt. Obgleich die meisten 


1) Berghaus a. a. 0. Ba. I. S. 469 ff. 
2) Berendt, Ueber Riesentüpfe und ihre allgemeine Verbreitung 
in Norddeutschland. Zeitschr. d. deut. g. Ges. Bd. XXXII S. 56. 


6 E. Zache: 


Höhen 50 m nicht überschreiten, so finden sich doch im 
westlichen Theile einige Punkte, welche bedeutendere 
Maasse aufzuweisen haben, so der Schetzel-Berg 56 m, die 
Rauhen Berge 61 m, die Steglitzer Fichten 62 m und end- 
lich der westliche Vorsprung von Steglitz gegen den Grune- 
wald 66 m. 

Am deutlichsten erscheint dem geübten Auge die Be- 
deutung der Landschaft bei einem Rundblick von den Steg- 
litzer Fichten. Hier erkennt man den Gegensatz zwischen 
diesem Abschnitt und der Umgebung, in jenem das durch- 
brochene Gelände und nördlich und südlich davor gelagert 
eine fast ebene Fläche. 

In engem Zusammenhange damit steht auch die geo- 
logische Bildung, es ist vornehmlich die Seet. Tempelhof 
und diese wird charakterisirt durch die deekenartige Aus- 
bildung des oberen Geschiebelehms. Dieser überlagert 
regelmässig den unteren Sand, der überali am Nordrande 
des Teltow als ein schmales Band zu Tage tritt, unter 
diesem folgt der untere Geschiebelehm. In den Sandgruben 
hinter Rixdorf befindet sich das klassische Profil: Zu oberst 
oberer Geschiebelehm 2 m mächtig, darunter unterer Sand 
8m mächtig und in der Sohle der Grube der untere Ge- 
schiebelehm!). Südlich von Britz in einer Schlucht, die 
von Buckow zum Thale führt, lagert der obere Geschiebe- 
lehm direct auf dem unteren, ohne dass beide durch eine 
Zwischenschicht von unterem Sande getrennt sind. Im 
Westen verliert sich in der Linie Schmargendorf, Dahlem, 
Zehlendorf der obere Geschiebelehm, so dass im Gebiete 
des Grunewald allein der untere Sand herrscht. Nur im 
nordöstlichen Theile desselben, dem Westendplateau, zeigt 
der untere Sand sich bedeckt mit Geröll und Steinbestreu- 
ung. In dem Spreethal tritt der untere Geschiebelelm inner- 
halb von Charlottenburg als drei Inseln zu Tage. Die Ab- 
schmelzwässer jener nordöstlichen Spitze des Grunewaldes 
flossen nicht durch die Hauptseeenkette ab, sondern durch 
eine selbständige Rinne, welche heute über den Teufels- 
See, den Pech-See und die Saubucht zur Havel führt. 


1) Penck, Die Geschiebeformation Norddeutschlands. Zeitschr. 
d. deut. geci. Ges. Bd. XXX]. Jahrg. 1879. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 7 


Die Geschiebe sind nicht sehr häufig, obwohl sie nir- 
sends fehlen, auch die grossartigen Aufschlüsse bei Rix- 
dorf liefern in ihrem oberen Geschiebelehm nur eine mässige 
Quantität von Geschieben; auf dem Wege Rixdorf-Marien- 
dorf und Mariendorf- Steglitz wurden bei dem Ausschachten 
der Chausseen von den Arbeitern ab und zu auch grössere 
Blöcke „ausgebuddelt“. Am Fusse der Rauhen Berge war 
die Moränenlandschaft gut ausgebildet, es findet sich hier 
auch eine reichlichere Steinbestreuung. Von der Oberfläche 
sind die Geschiebe fast gänzlich verschwunden, sobald man 
aber Gelegenheit hat, tiefere Aufschlüsse zu machen, als 
die Pflugschaar, so kann man oft auf eine förmliche Stein- 
paekung von kleinen Geschieben stossen, z. B. in dem Ab- 
schnitt zwischen Schönefeld und Woltersdorf, wo der Ver- 
‘ fasser dies bei dem Ausheben eines Schützengrabens beob- 
achten konnte. Dies Lager wird auch von Klöden!) 
erwähnt. 

Wenn auch das eben beschriebene kurze Stück zwischen 
Steglitz und Britz allein deutlich die Kriterien der Moränen- 
landschaft trägt, so habe ich diesen Abschnitt doch soweit 
zu erweitern gewagt, als die ununterbrocbene Bedeckung 
des oberen Geschiebelehmes sich erstreckt. Nach Süden 
und Westen verlieren sich die Kriterien der Moränenland- 
schaft ganz allmählich; das Gelände wird ebener, es stellen 
sich längere Schluchten ein, die Seeen treten mehr zurück, 
auch die Ausbildung des Geschiebelehmes zeigt eine Ver- 
änderung, aus dem sandigen Lehm wird allmählich ein 
lehmiger Sand. Die Grenze ist nicht bestimmt festzustellen, 
und je nach der Bodengestaltung schwankt die Ausbildung. 


Die Abschmelzzone. 

Sie umfasst den ganzen Rand des Teltow sowohl süd- 
lich als auch westlich jenes Striches. Besonders gut er- 
kennt man die Art und Weise der Wirkung der Abschmelz- 
wasser in der Gestaltung des Südrandes; derselbe endet 
in zwei grossen Zungen, von denen die eine die Thyrower 


1) Klöden, Beiträge zur mineral. und geogn. Kenntniss der Mark 
Brandenburg; in den Jahren 1827—1837. Stück I. S. 46 ff. 


8 E. Zache: 


Spitze bildet, während die andere in einem Hachen Bogen 
von Rangsdorf über Mittenwalde nach Königs-W usterhausen 
streicht; die erste, die schmalere, ist ein deutlich ausge- 
sprochenes Vorgebirge mit steilem Abfall an seiner Spitze, 
während die Ränder eingeebnet sind. Ganz ähnlich ist die 
Spitze über Königs-Wusterhausen gebildet, nur ist der 
Rand hier etwas zerrissener. Offenbar ist die Hauptmasse 
der Absenmelzwasser zu beiden Seiten dieser Zungen herab- 
gefiossen, so dass nur ein geringer Theil von ihnen für die 
Spitze übrig blieb. 

Es müssen die Randpunkte daher angesehen werden 
als die stebengebliebenen Reste des überall eingeebneten 
Plateaus, eine Erklärung, die auch durch die geologische 
Zusammensetzung bewiesen wird. 

Die Mächtigkeit des oberen Geschiebelehms nimmt nach 
dem Rande zu ganz allmählich ab, und seine Ausbildung 
wird dabei immer sandiger; die Karte kann hier nicht alle 
denkbaren Umwandlungsprodukte des oberen Geschiebe- 
lehmes vom deutlich ausgebildeten Lehm durch sandigen 
Lehm und lehmigen Sand zur Steinbestreuung und zum 
reinen Flugsand zur Ausbildung bringen, zwischen denen 
dann gegen den Rand zu der untere Sand hinzukommt. 
Am besten ist dieses Phänomen zwischen Sputendorf und 
Schenkendorf zu studieren. Im auffallenden Gegensatz 
dazu steht der wohlerhaltene Geschiebelehm im Thyrower 
Berge, wo er in der Südspitze 4 m Mächtigkeit erreicht, 
während weiter rückwärts nur noch seine Reste auf dem 
unteren Sande erhalten sind. 

Der untere Sand erscheint flächenhaft in der Stahns- 
dorfer und Parforce- Heide, wo die Auszeichnung für Stein- 
bestreuung oft fehlt, sonst tritt er derartig nur in 
kleinen Partien auf, z. B. in der Damsdorfer Heide. Sein 
charakteristisches Auftreten ist das bandartige unter dem 
oberen Geschiebelehm, so zwischen Gr. Beuthen und Thy- 
row; hier ist er wahrscheinlich in grosser Mächtigkeit vor- 
handen, denn der untere Geschiebelehm fehlt in dem Profil 
gänzlich, obwohl er in Thyrow erbohrt ist. 

Nur an dem Ostrande nördlich von Königs-Wuster- 
hausen tritt der untere Geschiebelebm in dem zerrissenen 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc, 9 


Rande auf einer etwas längeren Strecke zu Tage, während 
er sonst nur in kleinen Partien aber ziemlich häufig sich 
zeigt z. B. bei Neu-Diedersdorf, am Siethener See, am 
Teltower See, bei Heinersdorf, bei der Försterei Stein- 
stücken. 

Wichtig ist die Beobachtung, dass im unteren Sande 
der Abschmelzzone sich Bänke von Geröll, Kies, Mergel- 
sand, Thonmergel und unterem Geschiebelehm finden, oft 
mehrere übereinander. So ergab eine Bohrung bei Mahlow 
14 dem lehmigen Sand (Reste des oberen Geschiebelehmes), 
darunter 6 m unteren Sand, dann 3 dem Mergelsand, dann 
wieder 2m unteren Sand und darunter thonige Bildungen. 
In der Sect. Lichtenrade werden in fast allen Gruben 
2—5 dem starke Bänkchen von unterem Geschiebelehm an- 
getroffen. Der diluviale Thonmergel findet sich nur als 
dünne Bank in allen grossen Sand- und Kiesgruben z. B. 
5 dem stark bei Neu-Diedersdort, solche Bänke treten auch 
im unteren Geschiebelehm auf, wie bei Glasow, Selchow, 
Wassmannsdorf. Dieser Thonmergel gehört einem höheren 
Niveau an als der aus der Gegend von Glindow -Werder. 
Wahnschaffe!) sagt von diesen geschichteten Bildungen, 
dass es die secundären Schlemmprodukte der grossen 
Grundmoräne des Inlandeises seien, weshalb sich auch für 
dieselben kein bestimmtes Niveau auf grössere Erstreckungen 
festhalten lässt. 

Mit der oben angegebenen Grenze hat sich im Westen 
der obere Geschiebelehm ganz allmählich verloren und es 
tritt an seine Stelle der untere Sard, bedeckt mit Resten 
desselben, eine Ausbildung, welche bis in die Rinne der 
Grunewald-Seeen hinabreicht und westlich des Grunewald- 
Sees, auf dem anderen Ufer noch ein Stück in die Höhe 
steigt. Mithin erstrecken sich die Rückstände des oberen 
Geschiebelehmes bis in die Rinne hinab, so dass diese wahr- 
scheinlich schon vor der zweiten Eisbedeckung angedeutet 


1) Wahnschaffe, Ueber das Vorkommen des geschiebefreien 
Thones in den obersten Schichten des Unter-Diluviums der Umgegend 
von Berlin, Jahrbuch der Königl. preuss. geologischen Landesanstalt 
für 1831. S. 45. 


10 RB. Zache: 


war!). Die Rinne beginnt im Norden mit dem Halen-See, 
während zwischen diesem und dem Lietzen-See die Wasser- 


scheide zur höchsten Stelle des Grunewaldes nach Westen 
läuft. 


Das Land Barnim -Lebus. 


Das Land Barnim-Lebus bildet einen von NW nach 
SO verlaufenden 75 km langen Höhenrücken, der gegen 
Finow, Havel und Spree eine flache und weite, gegen die 
Oder dagegen eine kurze und steile Böschung besitzt. Am 
höchsten erhebt sich der Rücken an seiner NW-Ecke, wo 
auf der hohen Fläche über Freienwalde 153 m gefunden 
wurden, nach SO dacht er sich allmählich ab, bewahrt 
aber durchweg eine Höhe von S0—90 m. Genau senkrecht 
zu seiner Längserstreckung bildet die Spalte des Rothen 
Luches, des Schermützel-Sees und des Stobber von alters 
her die Grenze zwischen Barnim und Lebus. 


Das Land Barnim. 

Man hat die physikalische Erscheinung, dass die Ab- 
dachung zur Oder höher liest, als die zur Spree resp. 
Havel, schon im 15. Jahrhundert beobachtet, indem man 
damals das Land zuerst in einen hohen und niederen Bar- 
nim gliederte, aus dem hohen Barnim ist heute der obere 
geworden. Keferstein?) sagt vom Niederbarnimschen Kreise: 
„nur der südliche Theil erhebt sich, wie bei Rüdersdorf, 
der übrige ist flach, meist sandig, wenig fruchtbar und 
trägt viel Waldungen‘“ und vom Oberbarnimschen: ‚er ist 
in seinen südwestlichen Theilen wellig, erhöht, wo auch 
die Braunkohlen-Formation in bedeutender Verbreitung 
auftritt.“ 


Die Moränenlandschaft. 


Freienwalde, Wölsickendorf, Steinbeck, Biesow, Hasel- 
berg, Sternebeck, Harnekopf, Prötzel, Herzhorn, Mög- 


1) Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltung im Gebiete 
der baltischen Seeenplatte. Jahrb. d. kgl. pr. geo!. Landesanstalt für 
1887. S. 150. 

2) Keferstein, Teutschland ete. Bd. V. S. 416. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 11 


lin, Reiehnow, Batzlow, Reichenberg, Prädikow, Ihlow, 
Pritzhagen. 

Die Hochfläche hebt sich mit scharfem Anstieg bei Freien- 
walde aus dem Oderbruche heraus. Auf einer Linie von 
8 km ist ein Höhenunterschied von 150 m vorhanden. Auf 
der Strecke von Freienwalde bis Falkenberg bleibt der 
Rand steil, nur wenige, aber dafür tiefe und steile Schluch- 
ten führen von der Höhe zum Thale, zu den längsten ge- 
hört diejenige, welche in der Freienwalder Brunnenstrasse 
endet und diejenige, in welcher die Chaussee Freienwalde- 
Berlin zur Höhe führt. Weiter nach SO sowohl als auch 
nach NW ändert sich der Charakter des Randes bedeutend. 
Schon bei Falkenberg hört allmählich die scharfe Ausbil- 
dung auf, es treten regelmässige parallele Schluchten auf, 
welche zwischen sich schmale Vorsprünge des Plateaus 
stehen lassen. 

Gegen Wriezen und südlich dieses Ortes ist die Form 
des Randes eine besonders auffallende. Hinter Alt-Ranft 
beginnt ein System von Schluchten, die in mannigfacher 
Weise verzweigt sind, zum Theil sogar Stücke des Plateaus 
inselartig abtrennen; vor allem aber flacht sich der Rand 
immer mehr ab, so dass er hinter Wriezen vor dem eigent- 
lichen Plateau eine niedrige Bank bildet, welche in einem 
flachen Kreisbogen in dasselbe einschneidet. Auf dieser 
untersten Stufe in dem Niveau von 59—69 m liegen die 
Güter Landhof und Münchhof.!) 

Hierüber erhebt sich eine zweite Stufe mit den Dörfern 
Lüdersdorf, Schulzendorf und Frankenfelde. Die Höhe ist 
hier sehr wechselnd und beträgt durchschnittlich 70—80 m; 
die Grenze gegen Westen und Süden bildet die Biesdorfer 
Heide, in der sich 127 m finden. 

Die Plateauhöhe selber wird erst mit den oben ange- 
führten Dörfern erreicht, auf derselben herrschen folgende 
Zahlen: Haselberg 121 m, Harnekopf 110 m, Sternebeck 
116 m, Herzhorn 102, Prötzel 113; in der Gegend Reich- 
now, Ihlow, Reichenberg hat das Gelände sich bis auf 
86—83 m gesenkt und erst der Krugberg weist wieder 
130 m auf. 


1) Berghaus a. a. O0. Bd. I. S. 161 ff. 


12 E. Zache: 


Oberhalb dieses terrassenförmigen Einschnittes in das 
Plateau ist die Randbildung wieder die alte, sie beginnt 
südlich von Wriezen, dort, wo der Rand sich schärfer 
gegen Süden wendet und geht bis zur Mündung des Stobber. 
Es sind Schluchten, welche in mässiger Weite im Plateau 
entstehen und genau parallel mit einander zum Thale füh- 
ren, die Kante ist eingeebnet und zeigt nirgends eine steile 
Böschung. — 

Mit Haselberg, Harnekopf und Herzhoru ist die Höhe 
erreicht. Beim Vorwerk Räsow beginnt die oben erwähnte 
Schlucht, in welcher der. Gesundbrunnen von Freienwalde 
liegt. Dieser Abschnitt wird charakterisirt durch die zahl- 
losen, einzelgelegenen, gänzlich abflusslosen Wasserbehälter; 
es sind dies zum Theil grössere Seeen, wie der bei Harne- 
kopf und der Sternebecker See, in überwiegender Mehrzahl 
aber sog. Pfühle oder jene namenlosen aber doch so deut- 
lich gekennzeichneten Bildungen, die Sölle. 

Mit der Wasservertheilung in engem Zusammenhange 
steht die Ausbildung des Geländes. Ein bunter Wechsel 
von Berg und Thal, beide kurz und von jener eigenthüm- 
lichen Form, welche es nirgends zu einer deutlichen Thal- 
bildung kommen lassen kann. Die Erhöhungen sind flache 
Kegel, welche mehr oder weniger dicht um einen Soll liegen, 
Nicht immer ist der Soll vorhanden, oft ist er auch schon 
durch die Thätigkeit des Menschen beseitigt. 

Im Nordosten wird der Abschnitt begrenzt durch die 
längste Rinnenbildung, welche bei Gersdorf ihren Anfang 
nimmt und im Bötz-See bei Strausberg endigt. Westlich 
dieser Rinne liegt ein Gebiet, das wir später zu beschreiben 
haben werden, und das in vieler Hinsicht nicht minder 
interessant ist, als das der eigentlichen Moräne. — 

Die südliche Grenze ist sehr unregelmässig, besonders 
in dem südwestlichen Theile, weil hier noch mehrere Rin- 
nen aus demselben ihren Anfang nehmen. Erst zwischen 
Prötzel, Prädikow, Grunow und Bollersdorf wird sie ganz 
scharf durch das Bollersdorfer Fliess gebildet, welches von 
NW nach SO in den Schermützel See abfliesst. 

Der Abfall des Piateaus zum Thal des Stobber ist 
hoch und steil, dabei sehr schluchtenreich, und erst gegen 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 13 


den Ausgang zu wird er niedriger und etwas mehr ein- 
geebnet. 

Die herrschende geologische Bildung ist durchweg der 
obere Geschiebelehm; er bildet den Boden der Sonnen- 
burger Heide. Zahlreiche grosse Blöcke liegen in diesem 
Walde zerstreut oder sind durch die Tagewässer in den 
Abhängen und Schluchten freigespült worden. Der roman- 
tische Baa - See liegt tief eingesenkt in einem Kessel, dessen 
Wände aus oberem Geschiebelehm gebildet werden. Auf 
der anderen Seite der Berlin-Freienwalder Chaussee än- 
dern sich die Verhältnisse. In der Köthener Heide wird 
die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes sandartig, und 
es treten die Eigenschaften der Abschmelzzone auf. — Aber 
auch die Ränder des Hammer-Thales und des Mühlen- 
srundes zeigen nicht den oberen Geschiebelehm, sondern 
das Tertiär in ihrer Oberfläche. Zum Theil ist es der 
Septarienthon, der hier ganze Steilwände bildet, zum Theil 
der Glimmersand. Ueberall aber finden sich die Spuren 
der ehemaligen Bedeckung durch oberen Geschiebelehm, 
indem zerstreut grosse Blöcke und kleinere Geschiebe in 
den Schluchten und den Gehängen liegen. In der Nord- 
spitze des Akazienberges und auf dem Nordostrücken des 
Kaninchen - Berges liegt geschichteter gelber scharfer Kies 
auf dem Tertiär. Auffallend ist, dass der senkrechte Ab- 
fall des Marienberges gegen die Chaussee Freienwalde - 
Falkenberg in seiner ganzen Böschung (8—10 m) bis zur 
Thalsohle aus gelbem oberem Geschiebelehm besteht; es 
ist der einzige unter den zahlreichen Aufschlüssen, die 
hier gegen das Oderthal liegen, der das Diluvium zeigt, 
alle übrigen sind im Tertiär vorhanden. 

Die nordwestliche Aufhügeiung des Rückens zwischen 
Wollenberg, Wölsickendorf und Steinbeck stellt eine zu- 
sammenhängende ebene Fläche aus oberem Geschiebelehm 
dar, derselbe erstreckt sich bis an die Rinne bei Leuen- 
berg und bildet beide Ränder derselben; es ist ein Boden, 
der in regenloser Zeit hart wie Fels ist. Die Steinbestreu- 
ung ist zahlreich, grosse Blöcke fassen die Landstrasse ein. 
Fischbach!) sagt von Steinbeck: „Unter den auf dem Felde 


1) Fischbach, Statistisch-topographische Städtebeschreibung der 
Mark Brandenburg, Berlin 1786. S. 356. 


14 E. Zache: 


befindlichen Steinen werden häufig ganz artige Petrefacten 
gefunden“ und weiter „die Heide von Steinbeck besteht 
durchweg aus alten Schedlingen und Steinhaufen“; auch in 
allen umliegenden Heiden werden nach ihm derartige 
Schedlinge und Steinhaufen angetroffen. Er erwähnt auch 
den Blumenthal, von dem auch Beckmann!) und Klöden?) 
berichten, dass noch im Jahre 1689 die Geschiebe dort 
förmliche Mauern von Mannshöhe gebildet haben. Jetzt ist 
davon nichts mehr vorhanden. Der Blumenthal hat durch 
seinen schönen Buchenwald, durch einige abflusslose Seeen 
und durch die Durchbildung der Moränenlandschaft eine 
ähnliche Berühmtheit erlangt als Freienwalde. Der obere 
Geschiebelehm ist hier schon von geringerer Mächtigkeit, 
so dass an den Wegeeinschnitten gelegentlich der untere 
Sand zum Vorschein kommt. Nördlich von Biesow liegen 
in einer von NÖ nach SW erstreckten längeren Falte mit 
steilen Rändern aus oberem Geschiebelehm eine Reihe ab- 
flussloser Seeen. Zwei weitere, aber grössere, abflusslose 
Seeen sind der Blumenthal-See und der Faule See. Der 
erstere ist in seiner Nachbarschaft reich an grossen Ge- 
schieben, die zum Theil an seinem Rande einen dichten 
Kranz bilden, auch im Walde zerstreute Blöcke sind häufig. 
Von der Haselberger Feldmark schreibt Berghaus?): „sie 
besteht aus kleinen Wölbungen und kleinen Thalsenkungen“ 
und von der von Harnekopf, dass sie aus sanften Hügeln 
besteht und dass „der Mergei fast überall unter einer 
1—2 Fuss starken Lehmschicht ansteht und 2 bis 10 Fuss 
mächtig ist.‘ 

Das Gelände bewahrt auch in der Gegend von Prötzel 
durchaus diesen Charakter; gerade hier finden sich zu 
beiden Seiten «der Chaussee mehrere typische Sölle. Die 
Landschaft zeigt einen bunten Wechsel von Berg und Thal, 
die Berge haben die Form flacher abgestumpfter Kegel. 
Silberschlag?) beschreibt dieses Gebiet folgendermassen: 

1) Beckmann, Histor. Beschreibung der Chur- und Mark Bran- 
denburg, Berlin 1751, I. Theil, S. 446. 

2) Klöden a. a. OÖ. Stück II. S. 46. 

3) Berghaus a. a. O. Bd. II. S. 161 und Bd. 1. S. 100. 

4) Silberschlag, Geogenie oder Erklärung der mosaischen Iird- 
erschaffung ete. Berlin 1789. Bd. I. S. 10. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 15 


„Es sind wahre Krateres, nur nicht von Vulkanen, rings 
um denselben lagen zunächst Steinklumpen, mehr denn 
300 Ctr. schwer, diese waren wieder umringt mit Kiesel- 
steinen, und immer folgten kleinere Steine auf grössere, 
endlich verlor sich dieses Steintheater in gemeinen Sand; 
und aller Orten, wo ich damals hingekommen bin, fand 
ich diese Lagerung sowohl in den Feldern als in den 
Wäldern.“ 

Die Anhäufung der Blöcke und Geschiebe in der Nähe 
der Sölle ist kein Naturprozess, sondern stammt daher, dass 
die Menschen der besseren Beackerung wegen die Steine 
hierher zusammenschafften, weil sie durch den Soll ohne- 
dies Störung in der regelmässigen Beackerung erfuhren. 
Aber sie ist ein historisches Beispiel, wie sehr die Steine 
durch die menschliche Betriebsamkeit abgenommen haben, 
denn heute sind wohl die Sölle noch vorbanden, aber die 
Steine sind zum grössten Theil gänzlich verschwunden oder 
doch auf einige wenige grosse Blöcke zusammengeschrumpft, 
diese Reste sind aber alsdann grau vor Alter. An einigen 
Punkten liegen die Geschiebe auch auf den Kuppen. 


Das Vorwerk Herzhorn bezeichnet ungefähr die Höhe 
des Rückens, die Chaussee fällt von hier sowohl nach 
Wriezen zu als auch nach Prötzel. Es ist in der Nachbar- 
schaft dieses Vorwerks eine Braunkohlengrube im Betriebe, 
auf der ich Aufschlüsse über das Diluvium erhalten habe. 
Dasselbe besteht hier aus 3m oberen Geschiebelehm unter- 
lagert von 6,5 m unteren Sand, darunter folgt der Form- 
sand mit den Flötzen, von denen das erste fehlt. Auch 
bei dem Dorfe Sternebeck ') hat man durch Bohrungen die 
Braunkohle nachgewiesen, ebenso nordwestlich von Hasel- 
berg. An letzterem Orte?) wurde das Tertiär an einigen 
Punkten unter ca. 11 m sandigem Lehm, und an einem 
anderen wurde folgende Reihenfolge im Diluvium gefunden: 
zu oberst 6 m Sand und Lehm, darunter 0,5 m unterer 


1) Plettner, Die Braunkohle in der Mark Brandenburg. Berlin 
1852. S. 156. 

2) Nach gütigen Angaben des Herrn Berginspector Mielecke zu 
Freienwalde a. O. 


16 E. Zache: 


Sand und darunter 5 m Lehm mit einer Einlagerung von 
12 em Sand. 

Hier beginnt das eigenthümliche terrassenförmige Ab- 
fallen, welches durch den Verlauf der Chaussee besonders 
gut zur Anschauung kommt. Geologisch verhalten sich die 
Terrassen folgendermassen: Während die oberste Terrasse 
überall aus gutem lehmigen oberen Geschiebelehm besteht, 
zeigt die mittelste Stufe wohl noch überall den oberen Ge- 
schiebelehm aber vorwiegend schon in sandiger Ausbildung; 
an den Abhängen der grossen Schluchten, die hier ihren 
Anfang nehmen und in ihren Sohlen selbst, herrscht schon 
vollständig der Sand, solche Schluchten sind z. B. der 
Upstall südlich von Schulzendorf bis Vevay. Steinbestreu- 
ung ist überall vorhanden, eifrig wird aber an ihrer Be- 
seitigung gearbeitet, denn es finden sich überall auf den 
Feldern Pyramiden aus kleinen Geschieben, die dann ab- 
gefahren werden. Es fehlen die abflusslosen Seeen und 
die Sölle; die ausgesprochen höckerartige Form des Ge- 
ländes ist gänzlich verschwunden, dafür haben sich hier 
die langgezogenen Thäler und die deutlich ausgeprägten 
Schluchten, begleitet von flachen Wällen, herausbilden 
können. 

Die unterste Stufe, hinter Wriezen, ist ganz einge- 
ebnet, der Boden ist unterer Sand mit zahlreicher Stein- 
bestreuung. Der untere Sand zeigt eine scharfe Ausbildung 
und ist sehr mächtig. Einige Gruben bei Wriezen haben 
ihn 8—10 m tief aufgeschlossen. Dieselbe Mächtigkeit lehrt 
auch eine Muthung auf Braunkohle, welehe dicht hinter 
den letzten Häusern von Wriezen gegen Freienwalde zu 
gemacht worden ist. 

Die Aenderung in der Form des Randes südöstlich des 
Upstall habe ich schon oben angedeutet. Thaer!) charak- 
terisirt den Boden des Gutes Möglin, der sich bis in das 
OÖderbruch hinabsenkt, folgendermassen: ‚Was ich aber 
nicht bemerkte, waren die im guten Acker liegenden 
Schrindstellen, die sich bei feuchter Witterung nicht be- 


1) Thaer, Die Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin. Ber- 
lin 1815. S. 11. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 17 


merklich machen, aber bei trockner um so mehr hervor- 
treten. Es giebt in dieser Gegend sehr wenige Fluren, 
die davon frei sind, der Untergrund, wovon sie herrühren, 
wechselt zu mannigfaltig.“ Diese Erscheinung rührt weniger 
vom Untergrunde her als vielmehr von der Oberfläche, 
denn durch das mehr oder weniger tiefe Wegwaschen des 
oberen Geschiebelehms hier am Rande, werden die Wurzeln 
an verschiedenen Stellen verschieden schnell auf den un- 
teren Sand kommen. Auch über den Steinreichthum macht 
er eine Bemerkung!); er hatte zwei heichnower wüstge- 
wordene Bauernhöfe erworben, deren „Land voll war von 
stossen und kleinen Steinen, deren gänzliche Entfernung 
noch mehrere Jahre erfordern wird.‘ 


Weiter nach dem Inneren zu herrscht wieder der obere 
Geschiebelehm, und die Form des Geländes trägt ganz den 
Charakter der Moränenlandschaft. Zwischen Batzlow, Rei- 
chenberg und Ringenwalde sind auf einem Raume von 
2,5 akm auf der Karte (1:50000) 40 Depressionen einge- 
zeichnet. Es findet sich auch hier keine grössere Rinne, 
welche zum Thale führt, dafür ist der ganze Rand mehr 
oder minder sandig ausgebildet, ganz in der Weise, wie 
Thaer es für Möglin beschreibt. Im Pritzhagener Busch ist 
der Geschiebelehm ein festerer, das "Terrain ist hier sehr 
durch Schluchten und Einschnitte zerrissen, und doch reicht 
der obere Geschiebelehm bis in ihre Tiefen hinab. An dem 
Abfall zur Pritzhagener Mühle findet sich in einem Bruche 
dicht unter der Oberfläche der scharfe untere Sand, wäh- 
rend die Wegeeinschnitte bis zum Thale aus oberem Ge- 
schiebelehm bestehen. Das Hinabsteigen des Geschiebe- 
lehmes an den Gehängen bis ins Thal ist auch unter- 
halb der Mühle zu beobachten. Dieser, der nördliche 
Abhang des Stobber-Thales, ist steil, die Kante in der 
Regel scharf, während der gegenüberliegende, der bedeu- 
tend niedriger ist, vollständig eingeebnet ist. — Erst gegen 
den Ausgang zum Öderbruch werden beide Thalränder 
gleich hoch und flachen sich ab. 


1) Thaer a. a. 0. S. 181. 
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIII 1890. 2 


18 E. Zache: 


Abschmelzzone. 


Wir haben schon kurz eines Abschnittes Erwähnung 
gethan, welcher nach W hin, über den Gamengrund weg, 
den Beginn der Abdachung des Rückens gegen Finow und 
Havel darstellt. Es ist die Gegend zwischen Heckelbers, 
Gersdorf, Sydow - Grünthal, Tempelfelde, Wilmersdorf, 
Schönfeld, Beiersdorf, Freudenberg und Brunow. Das 
Terrain ist 80—90 m hoch, es stellt eine vollkommen ebene 
Fläche mit leiser Neigung gegen Nord, West und Süd dar. 
Auch dieser Strich wird dadurch charakterisirt, dass er 
nicht durch eine Abschmelzrinne durchbrochen wird; in- 
dessen erlauben die Einebnung des Bodens, die geringe 
Mächtigkeit des oberen Geschiebelehmes, in dem schon 
einzelne grössere Gebiete unteren Sandes auftreten z. B. 
nördlich Tempelfelde, es nicht mehr, ihn zur eigentlichen 
Moräne hinzuzurechnen. Der obere Geschiebelehm zeigt 
durchweg schon eine sandige Ausbildung, nur wenn er in 
Erhebungen etwas mächtiger wird, z. B. in dem Wind- 
mühlen-Berge westlich von Sydow, dann ist seine Be- 
schaffenheit eine fettere. An der angeführten Stelle war 
ein Aufschluss, in dem der obere Geschiebelehm an einigen 
Stellen 3 m mächtig war, während er in geringer Entier- 
nung davon nur wenige Decimeter erreichte. Unter dem- 
selben lagerte Kies und Sand in mannigfachen Nestern und 
Strahlen. Auf dem Acker von Tempelfelde wurden eifrig 
Steine „gebuddelt“, und es herrscht der Feldstein als Bau- 
material vor. 

An der Grenze dieses Abschnittes entstehen die Rinnen, 
welche zu den drei Hauptthälern hinabführen; es sind: das 
Nonnenfliess bei Tuchen, das Finowfliess in der Gegend 
von Rüdnitz, die Parke nördlich von Bernau und das 
Stienitzfliess südlich von Schönfeld. 

Die Abdachung gegen das Thal der Finow ist die 
kürzeste, sie wird begrenzt im Osten von der Berlin-Freien- 
walder-Chaussee, im Süden von der Linie: Gersdorf, 
Klobbicke, Sydow, Biesenthal, Prenden. Bei Dannenberg 
ist der Boden noch oberer Geschiebelehm, wenn auch in 
sandiger Ausbildung. Er muss ehemals sehr reich an Ge- 
schieben gewesen sein, denn heute ist die Steinbestreuung 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 19 


noch gut, und am Wege sind zahlreiche grosse Blöcke 
niedergelegt oder die kleineren Geschiebe zu Haufen zu- 
sammengetragen. Öestlich von Dannenberg wurde beim 
Chauseebau das liegende Flötz der Braunkohle gefunden, 
es stand frei zu Tage, während es in der Nachbarschaft, 
im Formsand eingebettet, vom Diluvium bedeckt wird. 
Am Rande zwischen Falkenberg und Hohen-Finow durch- 
bricht an mehreren Stellen der tertiäre Sand das Diluvium. 
Vor Hohen-Finow liegt der untere Geschiebelehm direkt 
auf dem Flötz. Nördlich der Linie Gersdorf- Trampe ist 
der obere Geschiebelehm nur noch inselartig auf dem un- 
teren Sande vorhanden, denn dieser bildet, mit Dünenzügen 
bedeckt, den Boden der zusammenhängenden Forsten süd- 
lich der Finow. In dem Uebergangsstreifen, bis zur Höhe 
von Spechthausen, trifft man noch die Steinbestreuung und 
die übrigen Reste des oberen Geschiebelehmes; darüber hinaus 
herrscht direkt der untere Sand. Der Rand zur Finow bis 
Eberswalde ist überall von der typischen Form, je mehr 
er sich dem letzteren Orte nähert, desto weniger ausge- 
waschen zeigt er sich und desto niedriger wird er, er be- 
steht dann gänzlich aus oberem Geschiebelehm. Erst kurz 
vor Eberswalde gehen die Einschnitte der Eisenbahn durch 
unteren Sand, der alsdann bei Eberswalde das breite alte 
Bett der Finow ausmacht. Der Bahnhof von Eberswalde 
und der grösste Theil des neuen Stadttheiles sind im unteren 
Sande angelegt. 

Das Thal der Finow zwischen Eberswalde und Schöp- 
furth ist der Sitz einer grossartigen Ziegelfabrikation, es 
wird unterdiluvialer Thon verarbeitet, welcher unter dem 
unteren Sande, wenige Meter über dem Spiegel der Finow 
angetroffen wird. Dieses Vorkommen lehrt, dass hier zur 
Interglazialzeit eine abgeschlossene Mulde bestanden haben 
muss. 

Merkwürdig ist die Ausbildung der begleitenden Ränder 
dieser grossen Rinne; während der südliche Rand vollständig 
eingeebnet ist, bildet der nördliche hinter Lichtenberg einen 
scharfen von W nach OÖ sich erstreckenden Absturz, so 
dass zwischen dem Thal und dem südlichen Uckermärkischen 
Plateau eine Höhendifferenz von 24m entsteht. Das Ucker- 


20 E. Zache: 


märkische Plateau setzt sogleich am Rande mit oberem 
Geschiebelehm ein. 

Der untere Sand des Finowthales zeigt verschiedene 
Ausbildung, in der Regel ist es ein scharfer bis kiesiger 
Sand, in der Gegend von Steinfurth findet sich Steinbe- 
streuung, während er an anderer Stelle Anlass zur Dünen- 
bildung gegeben hat. 

Die heutigen Entwässerungsadern in der Randzone 
fliessen genau parallel zu einander und münden in einem 
Abstande von 11 km in den Finow-Canal. Es sind die 
Schwärze, die in ihrem oberen Lauf von W nach OÖ fliesst 
und die Finow, letztere entwässert den Liepnitz-See und 
eine Reihe kleinerer Seeen. Der Wasserspiegel des Liepnitz- 
Sees liest 51 m hoch und der des Samith-Sees 33 m. 
Eine dritte Rinne, ebenfalls rechtwinklig zur Hauptrinne, 
entsteht aus einer Reihe kleinerer Seeen, in deren Mitte der 
Mittel-Prenden mit 34m Höhe liest. Die ganze Fläche 
der Königlich Biesenthalschen Forst liegt nur circa 40 m 
über NN. 

Die Wasserscheide zwischen der Havel und der Finow 
geht zwischen dem Liepnitz-See und dem Wandlitz-See 
hindurch, so dass die drei heiligen Pfühle abflusslos auf 
der Wasserscheide zu liegen kommen. Gerade die Um- 
gebung der Wasserscheide zeichnet sich durch eine kompli- 
zirte und scharfe Rinnenbildung aus, so sind die Ufer des 
Liepnitz-Sees 10 m hoch und fallen steil ein, ohne dass 
Schluchten hinabführen. 

Auf der Abdachung gegen die Havel treten uns ganz 
ähnliche Erscheinungen entgegen, es sind hier ebenfalls 
zwei Rinnen vorhanden, die Briese und das Hermsdorfer 
Fliess, welche in einem Abstande von 11 km, die eine 
direkt in die Havel und die andere in den Tegeler See 
mündet. Das Quellgebiet beider liegt nahe der Woasser- 
scheide; das Hermsdorfer Fliess entspringt nördlich Basdorf 
und die Niederungen bei Basdorf sind durch einen Graben 
mit dem Wandlitz-See verbunden. 

Es ist in der Fortsetzung der Wasserscheide in dem 
Winkel zwischen Finow-Canal und Havel bis zur Bloss- 
legung des unteren Geschiebelehmes gekommen. Er bildet 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 21 


in dem Alluvium zwischen Finow und Havel zahlreiche 
breite Rücken z. B. in der Gegend von Zehlendorf und 
Klosterfeld und wurde bisher durch Bohrungen nirgends 
durchsunken, dazwischen stehen auch noch oberer Geschiebe- 
lehm, unterer Sand, der bei Zehlendorf jedoch ohne Stein- 
bestreuung ist, und Thalsand an. 

Südöstlieh der Linie Stolzenhagen - Wensickendorf be- 
ginnt der untere Sand, er erreicht allmählich eine Mächtig- 
keit von 1Y, bis 2!1/, m. Der obere Geschiebelehm ist 
hier überall noch durch die Steinbestreuung angedeutet, 
und zwar erstreckt sieh diese nach Westen noch bis zur 
Chaussee Wandlitz-Mühlenbeck, so dass in dem schmalen 
Rande bis zur Havel nur der untere Sand ausgebildet ist. 
Besonders grosse Blöcke finden sich vereinzelt in der 
Wensickendorfer Heide. Am Ufer des Wandlitz-Sees 
lagerte in früheren Zeiten ein auffallend grosser Block, der 
es durch diese Eigenschaft zu einer Berühmtheit gebracht 
hatte. ') 

Nach Osten erstreekt sich der untere Sand ungefähr 
bis an die Geleise der Berlin-Stettiner Eisenbahn; es ist 
hier dieselbe Erscheinung in Bezug auf die Auswaschung 
des oberen Diluviums wie am Rande des Teltow, die Karte 
giebt neun Formen derselben an. 


Merkwürdig in diesem Abschnitte ist, dass ungefähr 
auf der Hälfte zwischen der Einmündung der Briese und 
des Hermsdorfer Fliesses am Rande ein Vorsprung aus 
oberem Geschiebelehm und zwar in vorzüglicher Erhaltung 
stehen geblieben ist. Mit dem Aufhören der Biesel- Heide, 
die sich hier als ein schmaler Streifen Dünensand einge- 
schoben hat, beginnt nach Westen zu ganz allmählich der 
Boden lehmiger zu werden und das Terrain zu steigen. so 
dass am Rande 60 m Höhe erreicht werden. Bei Vorwerk 
Zerndorf fängt der thonige Gehalt an vorzuherrschen. Die 
Oberfläche nimmt allmählich den Charakter der Moränen- 
landschaft an, es finden sich einige gut ausgebildete Sölle, 
dazu kommen kurze Thäler und kuppige Hügel, kurz die 


1) v. Ledebour: Die heidnischen Alterthümer des Regierungs- 
bezirkes Potsdam, Berlin 1852. S. 33. 


22 E. Zache: 


Einebnung fehlt gänzlich. Bei Stolpe selber ist die Aus- 
bildung des oberen Geschiebelehmes am besten, er steht 
hier am Rande in zwei grossen Gruben an, in denen er 
ohne Zwischenschicht von Sand direkt auf dem unteren 
Geschiebelehm lagert. Der Geschiebereichthum, sowohl in 
den Brüchen als auf den Feldern, ist sehr gering. 
Während das Thal der Briese 10 m breit und flach 
aber dech scharf eingerissen ist, fliesst der Hermsdorfer 
Fliess im Grunde eines weitausgewaschenen — bei Lübars 
700 m breiten Thales, das von auffallenden Hüzeln be- 
gleitet wird. Es sind dies am südlichen Rande die Arken- 
berge 70m, die Mühlenberge 66 m, die Rollberge 63 m, 
welche die Wasserscheide gegen die Panke bilden. 
Öftenbar ist die Herausbildung der Briese zu einer 
Zeit erfolgt, als die Einebnung schon bis zu einem gewissen 
Grade beendet war, jedenfalls war das Hermsdorfer Fliess 
schon durch die grössere Wassermenge ausgewaschen. Die 
Briese ist nur ein einfacher Abflusskanal des Wandlitzer 
Sees, während das Hermsdorfer Fliess zeigt, in welcher 
Richtung hauptsächlich die Abschmelzung vor sich gegangen 
sein muss. Es wird daher hier die Richtung der Gletscher- 
bäche vornehmlich eine zweifache gewesen sein, einmal 
eine nordwestliche gegen das Kreuzbruch bin, und dann 
eine südwestliche gegen den Tegeler See auf Spandar. 
In der letzten Richtung war aber die Masse des Wassers 
derart, dass sie ein eigenes Bett schuf und zwar so tief, 
dass es für die spätere grosse Abflussrinne der Havel hier 
richtungsbestimmend wurde. Durch die strahlenförmige 
Vertheilung der Schmelzwässer erklärt sich allein das 
Stekenbleiben des Vorgebirges aus intaktem oberen Ge- 
schiebelehm bei Stolpe. 
Hieran schliesst sich, durchweg scharf nach Südwesten 
geneigt, der grösste Abschmelzrand, der gegen die Spree. 
Was zunächst den Abschnitt bis zur grossen Nordsüd- 
rinne anbelangt, so sind hier die wichtigsten Rinnen: die 
Panke, die Wuhle, der Zochen-Graben, das Neuenhagener 
Fliess und das Fredersdorfer Fliess. Die Vertheilung über 
den Rand ist aber keine gleichmässige; die Wuhle bildet 
ungefähr die Mitte, so dass die drei letzten sich fast genau 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 23 
in die östliche Hälfte theilen, während die westliche keine 
namhafte Rinne beherbergt, es entsteht hier ein Dreieck 
zwischen der Wuhle und der Panke, mit Weissensee als 
Mittelpunkt und dem Plateaurand in der Hochstadt von 
Berlin als Basis, das dadurch einige Aehnlichkeit mit dem 
Vorgebirge bei Stolpe erlangt hat. — 

Es ist hier nicht nöthig, Zahlen anzuführen, da das 
Profil durch diesen Strich läuft und daher am besten das 
ungemein gleichmässige Fallen beweist. 

Der schmale Streif zwischen Hermsdorfer Fliess und 
Panke besteht aus oberem Geschiebelehm, dieser beginnt 
im Norden bei Buchhorst und geht bis zum Rande bei 
Rosenthal. Im Osten schiebt sich noch westlich der Panke 
von Norden her eine Zunge unteren Sandes und Alluviums 
in der Buch’schen Heide ein, so dass nur die Umgebung 
von Blankenfelde und das Gebiet zwischen Woltersdorf und 
Schönwalde-Schönerlinde übrig bleibt. Dieser obere Ge- 
schiebelehm ist allerdings ebenfalls von den Abschmelz- 
wässern überfluthet worden, so dass er nur als ein sandiger 
Lehm an der Oberfläche erhalten ist und von kleinen Allu- 
vialrinnen durchzogen ist. 

Erst östlich der Eisenbahn tritt der obere Geschiebe- 
lehm als herrschendes Gebilde der Oberfläche auf, seine 
Farbe ist in der Gegend von Börnicke ein helles Gelbbraun 
und seine Ausbildungsform ein lehmiger Sand. Ich habe 
keine Aufsehlüsse gefunden, die ihn ganz durchteufen, 
dennoch kann er nicht sehr mächtig sein, wenn dieser 
Sehluss aus der Vegetation erlaubt ist. In dem Parke von 
Börnicke gedeihen in erster Linie Akazien und Schwarz- 
pappeln, während andere Laubhölzer gänzlich zurücktreten. 
Charakteristisch in ihm ist der Reichthum an Geschieben, 
die Wege Birkholz-Börnicke und Schwanebeck -Birkholz 
sind garnirt mit grossen Blöcken, und auf den Feldern 
fehlen die kleinen Steine ebenfalls nicht. Auch Klöden !) 
führt an: ‚dass sich zwischen Bernau und Werneuchen, 
bei dem Dorfe Börnicke ein reiches und bedeutendes Ge- 
schiebelager auf eine ansehnliche Strecke hin fortsetzt“. 


1) Klöden a. a. 0. Stück IL. S. 46. 


24 E. Zache: 


Auf den Feldern wechselt die Steinbestreuung mannigfach, 
da hier in der jüngsten Zeit sehr viele Chausseen gebaut 
worden sind. 

Vereinzelt wird hier nur noch der untere Sand ange- 
troffen. In der Regel sind es kleine Hügel, in denen er, 
allerdings seltener, zu Tage tritt, in der Regel liegt er 
unter einer dünnen Decke von oberem Geschiebelehm; in 
den Steuer- und Gehren-Bergen bildet er grössere Flächen. 
Südlich des Dorfes Birkholz tritt er in einigen Aufschlüssen 
in grandiger Ausbildung auf. 

Das Terrain nähert sich durch seine Ebenheit schon 
mehr dem nördlich vorgelagerten Sammelgebiet; nach Süden 
indessen nimmt es einen ausgesprochen welligen Charakter 
an. Die Gegend zwischen Lindenberg-Birkholz und Löhme 
einerseits und Malchow, Ahrensfelde, Mehrow andererseits 
wird gekennzeichnet durch einen Horizont, an dem ein 
beständiges Auf- und Absteigen von sanften Linien statthat, 
während nur ab und zu ein isolirter Kegel dasteht, welcher 
dann in der Regel das trigonometrische Signal trägt. 

Auch die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes ist 
eine andere geworden; er hat eine hellgraue Farbe mit 
einem Stich ins Weisse, ein Zeichen eines grösseren Sand- 
sehaltes, so dass in diesem Striche während einer kurzen 
Zeit jedenfalls ein Hin- und Herfluthen der Gletscherwässer 
ohne eine bestimmte Bahn stattgefunden hat. Die Steine 
fehlen nirgends auf dem Acker, wenn es auch nur ganz 
gelegentlich zu einer förmlichen Steinbestreuung kommt, 
wie neben dem Fliessgraben nordöstlich von Lindenberg. 
Die Ziegeleien sind sämmtlich im oberen Geschiebelehm 
angelegt und fördern in den Gruben ab und zu auch grössere 
Blöcke zu Tage. 

Dieser Streif der Abschmelzzone hält ungefähr die 
Mitte zwischen einer ausgeprägten Moränenlandschaft und 
dem voliständig eingeebneten Randgebiet; dies gilt sowohl 
in Bezug auf die äussere Configuration als auch in Bezug 
auf die Constitution des oberen Geschiebelehmes. 

Die Gegend von Werneuchen besteht fast nur aus oberem 
Geschiebelehm, selbst der obere Sand fehlt bier, sie gehört 
zu den fruchtbarsten des Barnim; ähnlich verhält es sich 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 25 


noch mit dem Boden des südlich gelegenen Alt-Landsberg, 
obgleich das Neuenhagener Fliess hier schon in den unteren 
Sand einschneidet, so wird es rechts und links noch von 
zwei grossen zusammenhängenden Flächen oberen Geschiebe- 
lehmes eingefasst. Nach Osten verliert sich der obere Ge- 
schiebelehm, es tritt der untere Sand mit Geschiebesand 
auf als ein breiter Strich parallel mit der grossen Nordsüd- 
rinne bis zum Rande des Hauptthales hinab. Auch dieses 
Randgebiet zeichnet sich dureh grosse Ebenheit aus. 

Ganz dasselbe gilt von der Abflachung gegen die Spree. 
Der ganze Rand südlich der grossen Chaussee Berlin - Küstrin 
bildet eine vollkommen nach Süden abfallende Ebene; diesen 
Charakter bewahrt das Gelände bis zum Bahnhof Strausberg. 

Die oben aufgeführten Rinnen und die kleinen, welche 
keinen Namen führen, sind sehr flache, ganz allmählich 
einfallende Vertiefungen, das Fredersdorfer Fliess zeigt 
sogar nicht die geringste Spur einer Rinne, es fliesst auf 
der Oberfläche in einem breiten Wiesenstreifen. Erst gegen 
Norden wird bei allen die Rinnenbildung eine ausge- 
sprochene. 

Am Rande zeigt der obere Geschiebelehm die gewöhn- 
liche sandige Ausbildung. Nur gleieh nördlich von Berlin 
in der Gegend des städtischen Centralviehhofes und des 
Humboldthaines scheint er eine fettere Consistenz zu haben. 
Er lagert hier in der Regel ohne eine Trennung von unterem 
Sand auf dem unteren Geschiebelehm, letzterer tritt in dem 
Thale der Panke in grösseren Flächen zu Tage, ferner 
geringer unter dem Kirchhofe von Alt-Landsberg und in 
dem Thale des Fredersdorfer Fliesses bei Petershagen, in 
den letzten drei Fällen in Begleitung des unteren Sandes. 

Ausser in den Rinnen findet sich der untere Sand 
noch in einigen kleinen isolirten Punkten, z. B. in dem 
Rücken südlich der Falkenberger Heide. 

Charakteristisch für dieses Dreieck nordöstlich von 
Berlin (Weissensee, Hohen-Schönhausen) ist neben der 
guten Ausbildung des oberen Geschiebelehmes auch der 
- grosse Reichthum an Söllen, Pfühlen und anderen Wasser- 
behältern. Auf der Karte von Berendt!) ist auch diese 


1) Berendt a. a. 0. Tafel VII. 


26 E, Zache: 


Gegend berücksichtigt. Durch beide Eigenschaften dürfte 
es als ein von den Gletscherwässern mehr verschontes Vor- 
gebirge aufgefasst werden; um so mehr, da diese Stelle 
am weitesten von dem Ursprungsgebiet der Rinnen ent- 
fernt ist. 

Den Abschluss des Barnim nach Osten bildet ein 
schmaler Strich, der besonders durch Spuren strömenden 
Wassers ausgezeichnet ist. Es ist das Stück zwischen der 
grossen Nordsüdrinne und dem Stobber-Löcknitzthal. 

Es laufen hier eine Anzahl Rinnen parallel zu einander 
nach Süden, von denen die westliche die längste ist, sie 
beginnt mit dem See bei Neu-Gersdorf und verläuft in der 
Nordsüdriehtung mit einer geringen Abweichung gegen 
West in dem langen Gamen-Grunde über den Langen-, 
Mittel- und Gamen-See zum Kessel-, Fänger- und Bötz- 
See. Am See bei Neu-Gersdorf sind die Ufer nicht sehr 
hoch und steil, südlieh von Leuenberg, im Langen See 
dagegen fallen sie fast senkrecht ein; der Gamen-See bei 
Köthen ist 31 m tief und der Lange See und Gamen-See 
bei Leuenberg 25m. Diese Rinne erwähnt auch Fischbach), 
indem er sagt, dass „diese Tiefe von Alters ein Kanal ge- 
wesen sei, wodurch die Oder mit der Spree verbunden 
war“, 

Weiter nach Süden nehmen die Seeen zwar an Öber- 
fläche zu, an Tiefe aber ab, obgleich die Rinnenform noch 
ausgesprochen bleibt: so ist der Fänger-See nur 6 m tief 
und 49 ha gross, der Bötz-See 14 m tief und 96 ha gross. ?) 
Am Bötz-See finden sich schon ganz flache Ufer. 

Parallel zu dieser Rinne in einem Abstande von 4 km 
läuft eine zweite, welche im südlichen Blumenthal beginnt 
und durch den Latt-See, Herren- und Bauern-See mit dem 
Straussee in Verbindung stelıt, der benachbarte Ihland-See 
ist nach Süden hin abflusslos, steht aber nach Norden hin 
mit dieser Kette in Verbindung. Die Form der Rinne ist 
durchaus die gleiche, nur dass der Straussee noch von 
verhältnissmässig hohen und steilen Ufern eingerasst wird, 


1) Fischbach a. a. 0. S. 356. 
2) V. d. Borne: Die Fischereiverhältnisse d. deutschen Reiches 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 27 


er ist ebenfalls nur 16 m tief und hat 140 ha Oberfläche. 
Er nimmt noch eine zweite bedeutend kleinere Rinne auf, 
weiche westlich von der Chaussee Wriezen- Strausberg mit 
dieser parallel läuft. Der Straussee ist heute abflusslos, 
es führt aber am Südende des Sees um den Marienberg 
herum eine Schlucht zum Bötz-See, die wahrscheinlich als 
Fortsetzung der Rinne angesehen werden darf. Ueberhaupt 
ist die Terrainbildung an dieser Stelle für ein eomplizirtes 
Zusammenströmen von Wasser sehr günstig. Ein Soll, 
welcher in der Gabel der Chausseen zum Bahnhof Straus- 
berg und nach Alt-Landsberg liegt, ist noch heute das 
Reservoir für die Tagewässer. Es muss daher die Ent- 
wässerung beider Rinnen von Bötz-See aus stattgefunden 
haben. Das heutige Fredersdorfer Fliess ist aber nicht 
als die Ableitungsrinne anzusehen, denn es ist kaum merk- 
lich in das Plateau eingeschnitten. Wie die ganze Terrain- 
bildung lehrt, wird wahrscheinlich von hier aus ein breites 
Ueberfiuthen zum Stienitzsee und zum Rande hin stattgefunden 
haben, als deren letzte Spur in der Eggersdorfer Forst noch 
eine Rinne zum Stienitz-See erhalten ist, welche über 
Egsersdorf auf das heutige Fliess führt. Es ist hier die 
merkwürdige Erscheinung zu verzeichnen, dass das Mühlen- 
Fliess zwischen der Neuen Mühle und der Busch-Müble 
von SO nach NW fliesst. 

Auf der Ostseite von Strausberg, dieht neben der 
Stadt entsteht in den Wiesen ein Wasser, welches in einem 
Wiesenthal mit hohen und steilen Rändern durch den 
Herren-See in den Stienitz-See fällt; in diesen mündet von 
Norden her noch ein zweites, mit dem ersten vollständig 
paralleles Thal, so dass zwischen beiden eine Landzunge 
stehen bleibt. Die Nordseite des Stienitz-Sees ist auch 
dadurch auffällig, dass durch den kleinen Stienitz-See und 
die Depression mit dem Dorfe Hennickendorf eine diluviale 
Insel im Alluvium hergestellt wird; kurz, der Nordrand des 
Stienitz-Sees verräth deutlich die Spuren von bedeutenden 
Mengen strömenden Wassers. 

Eine Reihe von Seeen aus der Gegend von Ruhlsdorf 
und Garzau werden durch das Mühlevfliess zum Elsen-See 
entwässert. 


28 E. Zache: 


Nach Osten findet das Rinnensystem durch die grosse 
1 km breite und 10 km lange Einsattlung des Rothen 
Luches seine Grenze. Dasselbe entsteht bei Wüste Sievers- 
dorf und streicht in südwestlicher Richtung bis in die 
Gegend von Kagel, wo es sich allmählich verliert. Es ist 
auch dadurch merkwürdig, dass es die in der Mark aller- 
dings nicht allzu seltene Erscheinung zeigt, dass auf seiner 
Scheitellläche die Quellen zweier Bäche dicht nebeneinander 
liegen, welche verschiedenen grossen Flusssystemen ange- 
hören. Die Rinne wird durch den Müller- und Werl-See 
fortgesetzt, während die Löcknitz nur ein sekundärer Ab- 
Huss ist. 

Dieses Stück der Abschmelzzone bildet eine merkwür- 
dige Ausnahme gegenüber den bisher betrachteten, während 
diese als Dreiecke anzusehen waren, deren Basis am Rande 
und deren Spitzen in der Hochfläche lagen, ist es hier um- 
gekehrt: als Basis muss ungefähr ein Stück der Chaussee 
Tiefensee -Prötzel- Müncheberg von 15 km Länge und als 
endliche Spitze der Dämeritz angesehen werden. Unter 
diesem Gesichtspunkt wird die einzige Art der Herausbil- 
dung vollständig verständlieb. Und nicht nur die äussere 
Form der Rinnen sondern auch die geologische Zusammen- 
setzung des Boders ist dadurch begründet. Doch nicht 
blos das hierdurch bedingte Zusammenströmen ist es ge- 
wesen, welches gerade hier die tiefen Rinnen ausgehöhlt 
hat; das Gefälle jeder Rinne kommt als zweiter Faktor 
dazu, wie die Höhe der Wasserspiegel lehrt. In der läng- 
sten Rinne hat der Kessel-See 66 m, der Bötz-See 61 m, 
der Straussee 64 m Höhe, während der Stienitzsee 36 m 
und der Kalksee 35 m hoch liegen. Es ist also auf der 
kurzen Strecke von 6 km zwischen Straussee und Stienitz- 
see eine Differenz in der Wasserhöhe von 23 m vorhanden. 

Indessen soll nun die geologische Betrachtung eben- 
falls zeigen, wie bedeutend dieser Abschnitt unter dem Ein- 
fluss strömenden Wassers gestanden hat. 

Dort, wo, wie im Rinnensystem oberhalb des Stienitz- 
Sees, die Wasserbewegung und die Wassermenge besonders 
grosse waren, ist der obere Geschiebelehm nicht vertreten. 
Die Oberfläche der Landzunge und die Einschnitte der 


u er ae 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 29 


Ostbahn in dieselbe zeigen nur den unteren Sand in gran- 
diger und kiesiger Ausbildung, in derselben Weise setzt 
sich die Bildung fort rings um Strausberg und in dem 
Strich zwischen den beiden parallelen Hauptrinnen, also 
auf der Feldmark von Eggersdorf und in der Strausberger 
Stadtforst. 

Nach Norden ändert sich die geologische Bildung 
etwas. In der Gegend von Wilkendorf (107 m) wechselt 
der untere Sand mit Inseln von oberem Geschiebelehm, 
oder, wo er nicht selbst mehr vorhanden ist, da findet sich 
doch eine zahlreiche Steinbestreuung. 

Merkwürdig ist, dass in dem Ihland-See der obere 
Geschiebelehm mit seinen Blöcken bis zum Seespiegel 
herabreicht, während in dem Langen See und seinen steilen 
Ufern scharfer unterer Sand zu Tage tritt. Südlich von 
Prötzel in der kgl. Kahnsdorfer Heide herrscht der untere 
Sand, nur in den höher gelegenen Gebieten bei Kloster- 
dorf (117 m) ist der obere Geschiebelehm erhalten. Hier 
sind in früherer Zeit dicht unter der Oberfläche Blöcke ge- 
sraben worden, die dann so dicht lagen, dass sie von 
weitem den Eindruck einer weidenden Herde von Schafen 
gemacht haben sollen. Von Klosterdorf bemerkt Klöden !), 
dass man bei einem Brunnenbau 30 Fuss Lehm durchsun- 
ken habe und dann auf einen schwarzen Kohlenletten mit 
Braunkohlenresten getroffen sei, darunter folgte bis 70 
Fuss Tiefe reiner grober Kiessand, den er zum Tertiär 
rechnet. 

Auch der Boden von Grunow und von Ernsthof 
(80—90 m) ist ein sandiger oberer Geschiebelehm mit zahl- 
reicher Steinbestreuung, die grossen Blöcke sind an den 
Weg geschafft oder markieren die Grenze. Die Gegend 
von Hohenstein unterscheidet sich keute wenig von ihrer 
Umgebung, höchstens zeichnet sie sich durch etwas grössere 
Coupirtheit aus, in früherer Zeit soll nach dem Bericht 
eines Einheimischen der Steinreichthum so gewaltig gewesen 
sein, dass die Leute häuserhohe Haufen von Steinen auf- 
gethürmt hatten, um dadurch einiges Ackerland zu ge- 


1) Klöden a. a. O., Stück II. S. 35. 


30 E. Zache: 


winnen. Jetzt sind die Steine zu Wagen fortgeschafft 
worden. Jedenfalls bietet der Name ebenfalls einen Hin- 
weis. Auf der Feldmark von Strausberg soll in der Tiefe 
oft eine förmliche Steinpackung vorhanden sein. 

An der nördlichen Grenze der Abschmelzzone setzt sich 
der obere Geschiebelehm fort bis an den Spiegel des Scher- 
mützel-Sees, gegen Bollersdorf hin in etwas fetterer Aus- 
bildung und mit guter Steinbestreuung. Er ist an dem 
Westabhange des Schermützel-Sees in dem Steilufer und 
in den Schluchten bis in den See hinab überall zu beob- 
achten; die Tagewässer haben grosse Blöcke freigespült, 
und an haldenförmigen Absätzen ist der Boden oft mit 
kleinen Geschieben gepflastert. Der obere Geschiebelehm 
bedeckt in den natürlichen Aufschlüssen überall den tertiä- 
ren Glimmersand!). Es ist dies ebenfalls ein Zeichen, 
dass die Spalte bei Buckow schon zur Tertiärzeit entstan- 
den war und bestätigt die Theorie Wahnschafes auch für 
diesen Theil des Balticums. ?) 

Auf diesem scharfen Vorsprung mit einer Höhe von 
90 m ist bei Bollersdorf das Diluvium zum Zweck der 
Braunkohlengewinnung durchteuft. In der Grube Willen- 
bücher sind folgende Schichten durchteuft: 3,5 m oberer 
Geschiebelehm, 1m unterer Sand und m unterer Ge- 
schiebelehm, dann folgte der Formsand und 600 m nord- 
westlich hiervon: 3,5 m oberer Geschiebelebm, 7 m unterer 
Geschiebelehm und 26m unterer Sand, darunter folgte 
direct das erste Flötz.?) 

Am Südrande des Schermützel- Sees baut eine Ziegelei 
Septarienthon ab, über welchem auch der obere Geschiebe- 
lehm lagert. 

Durch die Einschnitte der Ostbahn am Westrande des 
Rothen Luches wurde ein Profil erhalten, das von Könen !) 
folgendermassen angiebt: rothbrauner zersetzter unterer Ge- 


1) Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltung etc. 

2) Girard a. a. 0. S. 1%. 

3) Nach freundlichen Angaben des Herrn Obersteiger Schülke. 

4) v. Könen: Ueber einige Aufschlüsse im Diluvium südlich und 
östlich von Berlin. Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. Bd. XVII. 
1866. S. 58. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 31 


schiebelehm 4 Fuss, graubrauner fester unterer Geschiebe- 
lehm 8 Fuss, magerer desgl. 5 Fuss, feiner Sand 5 Fuss, 
gelber Schluff 1—2 Fuss, schwach kiesiger Sand 12 bis 15 
Fuss stand in der Sohle an. Weiter in das Plateau hinein 
führen die Eisenbahneinschnitte durch den unteren Sand. 
Interessant ist, dass Fischbach!) einige Notizen über die 
Oertlichkeiten hier bringt; in der Regel sagt er von dem 
Boden der Dörfer nur: „Boden mittelmässig, oder Boden 
sandig, Roggen Hauptprodukt“; von Prädikow, Hohenstein 
und Ruhlsdorf dagegen führt er ausdrücklich an, dass die 
'Feldmarken steinreich sind. 

Erst gegen Herzfelde und Rüdersdorf wird der Boden 
ein sandiger oberer Geschiebelehm mit Steinbestreuung. 
Ueber den Ziegeleigruben von Herzfelde ist er im Durch- 
schnitt 2—3 m mächtig, gegen den Stienitz-See verliert er 
sich, und es lagert hier über dem Diluvial-Thon der untere 
Sand bedeckt mit wechselnden Mengen von Grand; wo in 
Herzfelde unter dem oberen Geschiebelehm der untere 
Sand auftritt, ist er immer sehr feinkörnig ausgebildet. 
Der Kraniehberg, der stehengebliebene Vorsprung des 
Plateaus mit 77 m, ist in seinen Gehängen aus unterem 
Sande aufgebaut, so dass erst, wie schon angedeutet, bei 
Col. Hortwinkel der obere Geschiebelehm auftritt. Der 
Plateaurand zwischen Schönebeck und Woltersdosf ist un- 
terer Sand, bedeckt mit den mannigfachen Derivaten des 
oberen Geschiebelehmes. 


Das Land Lebus. 


Das Plateau des Lebus ist eine Hochfläche, welche in 
ihren allgemeinen Erhebungen S0—90 m erreicht; es bildet 
dadurch einen merkwürdigen Gegensatz zum Barnim, dass 
es nicht eine zusammenhängende Fläche bildet, sondern, 
dass es durch zwei tief eingeschnittene Thäler in drei Ab- 
schnitte getheilt wird, Abschnitte, welche ihrer geologischen 
Ausbildung nach zu schliessen, schon vor der Ablagerung 
des oberen Geschiebelehmes durch jene Rinnen angedeutet 


1) Fischbach a. a. O. S. 466. 


32 E. Zache.: 


waren. Keferstein!) charakterisirt den Kreis Lebus als 
„ein erhöhtes Geestland, das zum preussischen Höhenzuge 
gehört, wellig, meist sandig, nicht unbedeutende Waldungen, 
die Braunkohlenformation kommt an mehreren Punkten 
zwischen Müncheberg und Frankfurt zu Tage, wie bei 
Petershagen und Bossen.“ 

Der umfangreichste unter jenen drei Abschnitten ist 
die hohe Fläche um Müncheberg; sie wird im Osten be- 
grenzt durch die Nord-Südrinne, welche von Georgenthal 
über Falkenhagen, Comt. Lietzen, Diedersdorf, Ober- und 
Nieder-Görlsdorf in die Bucht des Oderbruches südlich von 
Neu-Hardenberg mündet, ihre südliche Fortsetzung bildet 
der Madlitzer Mühlenteich und der Petershagener See. Die 
höchste Erhebung liest südlich von Müncheberg mit 95 m, 
es wird diese Höhe bis Gölsdorf beibehalten, und von hier 
beginnt nach Süden eine allmähliche Abdachung, doch nur 
soweit, dass der Rand neben dem Trebuser See noch 74 m 
über NN aufweist. Nach Westen geht der Hang zum 
Rothen Luch und fiacht sich bis auf 64,54 und 40 m ab. 
Nördlich der Ostbahn beginnt die Abdachung gegen den 
Stobber, sie ist sehr unregelmässig und durch zahlreiche 
zum Theil tiefe und steilrandige Seeen durchbrochen, so 
dass die Höhen zwischen 60 und 70 m liegen. Nach Osten 
werden bis zur Rinne Höhe von SO m beibehalten und nach 
Siiden mit Heinersdorf und Tempelfelde flacht sich das 
Terrain zu einem Halbkreise ab, der im Westen von Buch- 
holz, im Osten von Arensdorf begrenzt wird und in seinem 
Inneren 60 m hoch liegt, während nach Süden gegen den 
Abhang zur Spree 57 m erreicht werden. 

Die besten Aufschlüsse über das Diluvium erhält man 
auch hier, dort wo es zum Zwecke der Braunkohlengewinn- 
ung bis auf das Tertiär durchsunken ist. Das ist ungefähr 
in dem Centrum dieses Abschnittes in den Gruben Waldeck, 
es wird dort aus folgenden Schichten aufgebaut ?): 

4,00 m oberer Geschiebelehm, 
2,15 „ scharfer Sand (unterer Sand), 


1) Keferstein a. a. O. Bd. V. S. 341. 
2) Gemäss den freundlichen Angaben des Herrn Obersteiger Hake. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 33 


3,50 m weicher Sand 
20,00 „ scharfer „ 
Ein zweiter Aufschluss in kurzer Entfernung von dem ersten 
zeigte folgende Zusammensetzung: 
5,75 m oberer Geschiebelehm (Lehm mit Steinen), 
40,58 „ scharfer Sand (unterer Sand), 
0,54 „ schwarzer Letten, 
24,52 „ unterer Geschiebelehm (grauer sandiger Thon mit 
Steinen). 
39,88 „ scharfer Sand. 

Der obere Geschiebelehm ist die herrschende Bodenart 
der Höhe, seiner Ausbildung verdankt die Gegend ihre 
charakteristischen Eigenschaften. 

Das Gelände stellt sich dar als eine weite Ebene, 
welche von flachen und wellenförmigen Hügeln durchzogen 
wird. Die Unterschiede in den Erhebungen schwanken nur 
um wenige Meter zwischen 80 und 90. Einen guten Ueber- 
blick über das Terrain erhält man von der Chaussee Münche- 
berg - Heinersdorf, dieselbe führt über die Erhöhungen 
S4—88 m hin. Von hier aus blickt man in südwestlieher 
Richtung in eine flache Depression mit zahllosen Pfühlen, 
von denen keiner die für einen Soll charakteristische Form 
besitzt. Der Strich zwischen Behlendorf, Marxdorf und 
Diedersdorf zeigt ein etwas koupiertes Terrain. Der obere 
Geschiebelehm trägt durchweg Steinbestreuung, er wechselt 
hier etwas in seiner mehr oder weniger fetten Ausbildung, 
indem er gelegentlich eine sandige Constitution an der 
Oberfläche zeigt. Im Süden hört er in der Gegend von 
Tempelfelde und Heinersdorf auf, um einer ausgesprochenen 
Sandbildung Platz zu machen. Durchweg gut ausgebildet 
ist er zwischen Jahnsfelde und Marxdorf, er bildet hier 
einen hellbraunen Lelmboden mit Steinbestreuung und er- 
streckt sich bis in die Rinne hinab, so dass nirgends der 
untere Sand dieselbe begleitet und nur dort ansteht, wo 
die Tagewässer Schluchten ausgehöhlt haben. Dadurch ist 
natürlich nicht ausgeschlossen, dass der Geschiebelehm der - 
Gehänge nicht gelegentlich eine sandige Beschaffenheit er- 
hält. Zwischen Arensdorf und Falkenhagen gewinnt eine 


Ziegelei einen Thon, der unter zwei Spaten Amann direkt 
Zeitschrift f. Naturwiss, Ba LXIII 1830. 


(unterer Sand). 


34 E. Zache: 


ansteht, es ist ein blaugrauer fetter Thon, er lagert in einer 
flachen Mulde, deren Ränder einen guten Geschiebelehm 
zeigen, in dem die Steine nicht fehlen. 

Der Steinreichthum des oberen Geschiebelehmes verräth 
sich schon in dem Baumaterial; die Ortschaften Marxdorf, 
Behlendorf und Heinersdorf haben für ihre Gebäude (Kir- 
chen und Scheunen) vor allem die Geschiebe verwandt. 
In dem Laubwalde zwischen dem Heinersdorfer See und 
dem Krummen See lagern grosse Blöcke, und die Ein- 
schnitte des Weges führen durch oberen Geschiebelehm. 
Der Steinberg östlich von Heinersdorf zeigt gute Steinbe- 
streuung. Auf den Kleeschlägen westlich neben Behlendorf 
sind die kleinen Geschiebe zu einzelnen Pyramiden aufge- 
häuft. Dort, wo die Steine zurücktreten, sind sie durch 
Ablesen entfernt. Von der Strecke Müncheberg- Fürsten- 
walde erwähnt Klöden!) unter den Geschieben einen rothen 
Sandstein, von dem ich aber keine Reste mehr gefun- 
den habe. 

Der Abschmelzrand nach Westen beginnt mit dem Wege 
Müncheberg-Fürstenwalde; der Abhang ist vollständig eben. 
Der obere Geschiebelehm nimmt ganz allmählich eine 
immer sandigere Form an, so dass von ihm in der 
Hangelsberger Heide nur die Grand- und Geröllbestreuung 
auf dem unteren Sande übrig bleibt. 

Aehnlich ist die Abdachuxg nach Osten über Buchholz, 
während auf dem Wege Gölsdorf-Buchholz noch guter 
oberer Geschiebelehm ansteht, wird er weiter südlich und 
östlich immer sandiger. Steine sind noch vorhanden. Auch 
diese Zunge ist ein Vorgebirge, das mit seinem südlichen 
Rande scharf neben dem Trebuser See endigt, in seinen 
östlichen und westlichen Abhängen aber eingeebnet ist. 

Der Kreisausschnitt südlich Tempelfelde - Heinersdorf 
ist das Sammelgebiet für die Abschmelzwasser des ganzen 
nördlich davon gelagerten Höhenzuges geworden, er ist 
dadurch vollständig eingeebnet und versandet worden. Die 
Grenzen zwischen oberem Sand und unterem Sand sind hier 
sehr schwer festzustellen. Nirgends ist die Steinbestreuung, 


1) Klöden a. a. O. Stück V. 8. 35. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 35 


wenn sie überhaupt vorhanden ist, sehr deutlich. In dem 
Tempelberger Walde liegen einige Blöcke, westlich dieses 
Waldes hat der sandige Boden stellenweise eine schwarz- 
braune Farbe, als ob hier eine sumpfige Wiese in Acker- 
land umgewandelt worden wäre. In einer grossen Sand- 
grube westlich von Hasenfelde wird scharfer gelber unterer 
Sand gewonner, ebenso in einer solchen westlich von 
Arensdorf, in beiden begann der Sand direkt unter der 
Oberfläche. 

Oestlich von Arensdorf mit der Höhe 77m und dem 
ausgesprochenen oberen Geschiebelehm ist der Rand der 
Hochebene wieder erreicht. — Ueber Arensdorf bringt 
Beckmann !) eine Notiz, welche gleich hier eingefügt werden 
mag: „Anno 1713 lagen auf dem Felde vier Kreise von 
Steinen, davon zwei wegen der eingesunkenen und ver- 
worfenen Steine schon ziemlich unkennbar, zwei aber noch 
ganz kennbar. Zwischen und um diesen Kreisen hat eine 
grosse Menge Steine gelegen, als ob ein Gebäude daselbst 
gestanden.“ 

Am ausgesprochensten ist indessen der Charakter der 
Abschmelzzone in dem Theile nördlich der Ostbahn bis in 
das Thal des Stobber ausgebildet. Die Landschaft erhält 
durch die zahlreichen eingestrenten Seeen einen sehr durch- 
brochenen Charakter, dazwischen liegen die unregel- 
mässigen, aber immer abgeflachten und deutliche Spuren 
der Einebnung zeigende Kuppen. Namentlich ausgezeich- 
net durch grosse Coupiertheit ist der Strich zwischen der 
Ostbahn und dem Schermützel-See. Es ist hier die grösste 
Anzahl kleiner Seeen angehäuft, und der Boden besteht 
aus unterem Sande mit grossartiger Steinbestreuung.?) 

Neben der Chaussee Dahmsdorf-Prötzel 2 km nördlich 
des Bahnhofes zeigt ein Aufschluss von der Oberfläche an 
den scharfen unteren Sand, an einigen Stellen festgebacken 
wie Sandstein, dazwischen wieder Sandstrahlen von weichem 
Sand und Nester von Geröll. Es herrschen die Feuerstein- 
geschiebe vor. Ein ganz ähnliches Vorkommen beschreibt 


1) Beckmannn a. a. O. I. Th. S. 365. 
2) v. Könen a. a. 0. 


36 E. Zache: 


Klöden!) in einer Kiesgrube auf dem Kahlenberge bei 
Müncheberg. 

In der Landenge zwischen dem Rothen Luch und dem 
Schermützel-See bildet ein feiner unterer Sand ohne Stein- 
bestreuung den Boden. Kurz vor Buckow steht oberer 
Geschiebelehm in den Wegeeinschnitten zu Tage; das Rothe 
Luch selber trägt auf seiner Oberfläche eine 3—4 m starke 
Torfschicht, welehe auf feinem unteren Sande ruht. Die 
Gegend um Münchehofe ist sandig, es wechselt hier oberer 
und unterer Sand; auch bei Obersdorf herrscht schon eine 
sandige Ausbildung des oberen Geschiebelehmes. 

Wie schon angedeutet, zeigen die Uferränder des 
Stobber-Thales unterhalb der Pritzhagener Mühle einen 
merkwürdigen Gegensatz; sowohl in ihrer Oberflächengestal- 
tung als auch in ihrer geologischen Durchbildung. Wäh- 
rend das nordwestliche Ufer durchweg steil einfällt, einen 
scharf ausgeprägten Rand besitzt und bis zu seiner Basis 
aus oberem Geschiebelehm besteht, zeigt das gegenüber- 
liegende deutlich die Wirkung der Abschmelzwasser: sein 
Rand ist rund, in zahlreiche flache Kuppen und Schluchten 
ausgewaschen, welche sich in mannigfachen Verzweigungen 
weit in den Hang hineinziehen; der allgemeine Absturz 
zum Tbal ist daher ein ganz allmählicher, so dass er 
zwischen der Pritzhagener Mühle und der Eichendorfer 
Mühle überall die Beackerung zulässt. 

Er besteht allein aus unterem Sande, der manchmal 
Steinbestreuung zeigt; in einer Grube zwischen Hermsdorf 
und Eichendorfer Mühle findet man ihn bis an die Ober- 
fläche in scharfer Ausbildung, während dicht daneben der 
Weg durch den oberen Geschiebelehm gelegt worden ist. 
Erst südlich Hermsdorf hört dieser Wechsel in der Aus- 
bildung auf, und der obere Geschiebelehm bildet allein die 
Oberfläche, allein immer noch wechselnd in bald mehr 
lebmiger, bald mehr sandiger Ausbildung, je nach der 
Form der Oberfläche, und erst zwischen Trebnitz- Jahns- 
felde-Müncheberg nimmt er eine gleichförmige Beschaffen- 
heit an mit reicblicher Steinbestreuung. Lehrreich sind die 


1) Klöden a. a. O. Stück V. S. 34. 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 37 


Profile, welche v. Könen!) aus den Bahneinschnitten der 
kgl. Ostbahn beschrieben hat. Danach setzt sich die Sand- 
facies bis Alt-Rosentlal am Rande fort, der untere Sand 
der Abschmelzzone wird überall von unterem Geschiebe- 
lehm unterlagert. Am Ostrande des Rothen Luches be- 
schreibt er folgende Lagerung: kiesiger Sand 15 Fuss, 
darunter graublauer unterer Geschiebethon 12 Fuss, darun- 
ter feiner weisser Sand. Die Einebnung nach dem Bruche 
ist eine fast vollständige; zwischen der Seeenkette des 
Dolgen-, Kessel- und Lettin-Sees einerseits und dem 
Stobber andererseits ist ein schmaler niedriger Rücken von 
feinem unteren Sande stehen geblieben, so dass der Kloster- 
See und der Kietzer See, zwischen denen das Dorf Alt- 
Friedland sich angesiedelt hat, die Fortsetzung dieser 
beiden angedeuteten Abflussrinnen sind, obgleich beide 
schon im Bruche liegen. 

Ueber die Böschung des Plateaus gegen die Oder und 
Spree haben wir durch das Projekt eines Oder-Spree - 
Canales interessante Daten erhalten.) Die Scheitelfläche 
des Rothen Luches liegt 49 m über NN des Amsterdamer 
Pegels, die Wegeüberführung bei Wüste-Sieversdorf 47 m, 
der Weg über den Birkenbach (zwischen Eichendorfer Mühle 
und Hermsdorf) 456 m, der Rand südlich der Dammmiühle 
11 m und das Terrain am Südende des Kloster-Sees 6,5 m. 
Auf der südlichen Abdachung liegt das Amtsbruch an dem 
Wege Zinndorf-Kienbaum 43 m, der niedrigste Wasser- 
stand des Werl- und Peetz-Sees beträgt 32 m und die 
Terrainhöhe bei Erkner 35 m. Die Steigungen sollten über- 
wunden werden: gegen die Spree durch eine 10 m hohe 
hydraulische Hebung bei Kagel und gegen die Oder durch 
eine geneigte Ebene von 1,22 km Basis und 33 m Hebung 
bei der Dammmühle. Es darf uns daher nicht Wunder 
nehmen, wenn wir bei einem solchen Gefälle vor diesen 
Spalten zwei grosse Seeen antreffen. Der Anfang mit 
diesen Seeen wurde aber wahrscheinlich schon gemacht, 


1) v. Könen a.a 0. 

2) Der Oder-Spree-Kanal mit seinen Abzweigungen nach 
Schwedt, Darlegung und Motivirung u. 3. w. Im Auftrage des Mini- 
sters der Öffentlichen Arbeiten. Berlin 1880. 4°. 


38 E. Zache: 


als sich der Plateaurand noch bis bierher erstreckte, denn 
verfolgt man die Linie des Plateaurandes Freienwalde- 
Wriezen nach SO weiter, so trifft sie genau auf die Nord- 
spitze des Vorgebirges von Seelow und geht nördlich jener 
beiden Seeen vorbei. Hierfür würde auch die Ausbildung 
des Bodens sprechen, denn ausserhalb jener Linie treffen 
wir erst den thonigen fetten Bruchboden, während inner- 
halb derselben ein scharfer Sand den Boden bildet. 

Es gilt nun, den östlichen Streifen des Lebus, von der 
Spalte bis zum Rande des Oderbruches zu betrachten. 
Auch dieser wird noch durch ein kurzes Querthal in zwei 
ungleiche Theile zerschnitten; dasselbe beginnt im Gr. 
Treplin-See 3 km südöstlich der Wasserscheide der ersten 
grossen Spalte und verläuft in nordöstlicher Richtung durch 
den See von Hohen-Jesar auf den Zeschdorfer See. Hier- 
mit erreicht der Spalt sein Ende, und es fliesst aus dem 
See unter rechtem Winkel ein Bach über Schönfliess und 
Wüst-Kunersdorf zum Oderthal. Der Einschnitt dieses 
Baches ist zuerst gering, er vertieft und erweitert sich aber 
bis Wüst-Kunersdorf zu einer tiefen und breiten Kluft. 

Dieser Rinne nach Norden vorgelagert ist das schmale 
Randgebiet zwischen Seelow und Lebus, in welches hinein 
bei Malnow ein tiefer Busen ausgehöhlt ist, so dass das 
Vorgebirge von Reitwein einen 1O km langen Vorsprung 
nach NO bildet. Der Hang zum Oderbruch ist schroff, ob- 
gleich der Rand zwischen Seelow und Reitwein eingeebnet 
ist, geben die Schluchten doch selten weit in die Hochfläche 
hinein, die eine durchschnittliche Höhe von 70 m behält. 
Deutlichere und schärfer ausgeprägte Schluchten werden in 
dem Winkel bei Malnow getroffen, bis endlich über Reit- 
wein das Vorgebirge scharf und fast senkrecht in das Oder- 
bruch fällt. 

Die Fortsetzung nach Süden läuft über Wuhden, Cles- 
sin, Lebus und Frankfurt in einem flachen, gegen Osten 
offenen Bogen bis Brieskow. Die Böschung ist steil, die 
Schluchten gehen selten bis zur Thalsohle hinab, da sie 
auf den längsten Strecken durch einen steilen Absturz 
unterbrochen werden. Die Form und Ausbildung des Rand- 
absturzes ist ähnlich der an der unteren Oder zwischen 


Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 39 


Raduhn , Nieder-Saathen und Nieder - Kränich, sie deuten 
darauf, dass auch hier die unterspülten Wände eingestürzt 
sind. Sehr gut ist der Rand bei Lebus zu studiren. Der 
Ort ist förmlich in die Hochfläche hineingegraben. Von 
dem Amtsgarten aus ist der Absturz gegen die Oder fast 
senkrecht, ebenso an einigen Stellen unterhalb Lebus. Es 
führen hier zwei tief eingeschnittene steile und sehr kurze 
Schluchten von der Hochfläche zur Niederung hinab. 


In dem ganzen Randgebiet ist das Gelände eine Ebene, 
auf welche einzelne Hügel in nicht allzu grosser Zahl auf- 
gesetzt sind. Es fehlen die Sölle und der bunte Wechsel 
von kurzen Kuppen und runden Thälern. Die Ausbildung 
der Moränenlandschaft ist hier eine einförmigere. 


Der Boden ist dagegen guter, fruchtbarer oberer Ge- 
schiebelehm; die grossen Dörfer Dolgelin, Libbenichen liegen 
dicht am Rande, es fehlt eine Abschmelzzone gänzlich und 
nur ab und zu ist der Sand in den Randschluchten aus- 
gebildet. Die Wand oberhalb und unterhalb von Lebus, 
die hier vollständig unbewachsen ist, zeigt den hellgelben 
oberen Geschiebelebm und zwar ohne Geschiebe. Obgleich 
die Aufschlüsse bis an den Oderspiegel hinabgehen, kann 
ich doch nicht mit Sicherheit sagen, dass ich an der Basis 
derselben den unteren Geschiebelehm wahrgenommen hätte. 
Allerdings hatte der Lehm an einzelnen Stellen in den tie- 
feren Theilen des Profils wohl eine dunklere Farbe, doch liess 
sich die Erscheinung nicht weit genug verfolgen und sicher 
abgrenzen. Das Zurücktreten der Steine auf der Hochfläche 
muss konstatirt werden, die kleinen fehlen wohl nirgends 
gänzlich, doch habe ich die grossen Blöcke namentlich 
auch an den Wegen vollständig vermisst. 


Die Seeen östlich neben Falkenhagen sind tief einge- 
schnitten, der obere Geschiebelehm steht neben dem Dorfe 
Falkenhagen in dem Abstieg zum See 2m hoch an. In 
der Nachbarschaft ist der Boden sandiger, zahlreiche 
Schluchten führen zum See hinab. In der Falkenhagener 
Heide lagern einige Blöcke, die flachen Wegeeinschnitte 
führen durch oberen Geschiebelehm, ich fand hier unter 
demselben an einer Stelle zu Tage tretend den tertiären 


E. Zache: 


Glimmersand. Girard!) führt an, dass in dem Thale von 
Treplin nach Hohen-Jesar an den Gehängen die Kohle mit 
dem Formsande unter einer Bedeckung von gelbem Sand 
mit Geschieben an vielen Stellen zu Tage steht; offenbar 
ist der gelbe Sand verwitterter oberer Geschiebelebm. In 
der Gegend des Neuen Vorwerks und von Petershagen ist 
die Steinbestreuung reichlicher. An beiden Ufern des 
grossen Treplin- Sees steht der obere Geschiebelehm bis an 
den Seespiegel hinab zu Tage, unter ihm wird Septarien- 
thon für zwei Ziegeleien gewonnen. 

In den Karlsgruben bei Petershagen östlich des Treplin- 
Sees ist man schon nach 14 m gelben scharfen Diluvial- 
Sand auf tertiären Quarzsand gestossen, dieser steht auch 
unweit der Grube neben der Chaussee Petershagen -Treplin 
im Walde zu Tage. 

Das Abflussthal des Zeschdorfer Sees ist überall bis 
in die Sohle aus oberem Geschiebelehm gebildet, sowohl, 
wo es flach ist, wie bei Schönfliess, als auch gegen den 
Ausgang zu, wo die Chaussee Lebus- Frankfurt mit einem 
hohen Damm durch dasselbe hindurchführt. Etwas sandiger 
ist die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes westlich 
der Linie Treplin-Schönfliess gegen die grossen Seeen hin. 
Ueberhaupt ist der Geschiebelehm zu beiden Seiten der 
grossen Chaussee, also mehr gegen den Rand hin am besten 
erhalten. 

Der südöstliebe Zipfel von Lebus erhält sich auf der 
Höhe von SO—95 m, ja er erreicht in der Gegend von 
Lichtenberg 111 m. Das ungefähre Centrum dieser Fläche 
ist ebenfalls wieder eine Braunkohlengrube, nämlich die 
von Cliestow. Girard?) beschreibt die Oberfläche folgender- 
massen, sie sei aus grauem geschiebereichen Lehm und 
Sand gebildet, die im Durchschnitt 25 Fuss Mächtigkeit 
haben mögen. In der That schwankt die Decke des Tertiärs, 
die nur aus oberem Geschiebelehm gebildet wird, über den 
Gruben bei Cliestow zwischen 2 und 8 m. Berghaus?) sagt: 
„die Gegend von Cliestow ist höckrig, in kurzen Absätzen 


1, @irard ara. 02 82220 
2) Girard a. a. 0, 8.22% 
3) Berghaus a. a..0. Bd. II. S. 151 &. 


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Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 41 


steigend und fallend unter etwas steiler Böschung, mit 
vielen und zwar grossen Geschieben bedeckt, welche der 
Mehrzahl nach dem Basalte anzugehören scheinen.“ Damit 
ist der Charakter der Moränenlandschaft angedeutet, der 
hier noch einmal zienilich gut ausgeprägt ist, obgleich auch 
hier die Sölle fehlen. Das Fehlen der Sölle und anderer 
abflusslosen Wasserbehälter in dem östlichen Theile von 
Lebus hat seinen Grund wahrscheinlich darin, dass dem 
Gletscherwasser durch die vorhandenen Rinnen schon der 
Weg vorgezeichnet war, so führen z. B. von Rosengarten 
mehrere Schluchten zur Niederung hinab. Der Rand süd- 
lich Lebus zeigt, gerade in der Mitte des Bogens eine 
weniger steile Böschung, er ist mehr eingeebnet und nähert 
sich mehr dem herrschenden Typus, während er südlich 
von Frankfurt wieder eine steile Wand bildet. 

Die Einebnung des Vorsprunges ist nach den übrigen 
freien Seiten, also gegen die Spree hin, eine vollständige. 

Die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes ist durch- 
weg eine mehr sandige, nur in den höchsten Stellen zwischen 
Lichtenberg und Markendorf ist er fetter. Geschiebe sind 
vorhanden, das Vorwerk zwischen Lichtenberg und Rosen- 
garten und die Ruine eines alten Thurmes vor Lichtenberg 
sprechen dafür. Beckmann!) führt aus der Gegend von 
Boosen und Lichtenberg mehrere sogenannte Näpfehensteine 
an. Gegen den Rand geht der obere Sand unmerklich in 
den Thalsand der Niederung über, so dass nur noch ab 
und zu Zungen von oberem Geschiebelehm erhalten sind. 

Die Eisenbahn Cottbus-Frankfurt schneidet in der 
Gegend von Tzschetzschnow tiefer in den unteren Sand ein, 
und gerade der Abstieg gegen Frankfurt ist wegen seiner 
zahlreichen Schluchten arg versandet, so dass es südöstlich 
von Tzschetzschnow zu Dünenbildungen kommt. 


1) Beckmann a. a. 0. Theil I. S. 370. 


Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 
Von 
Prof. Dr. Otto Luedecke 
in 
Halle (Saale). 


Als isopleomorphe Gruppe der Mesotype bezeichne ich 
die Gesammtheit der Mineralien Natrolith, Skolezit und 
Mesolith; schon Haüy vereinigte unter diesem Namen die ge- 
nannten Minerale und den Apophyllit (Mesotype epointee 
Fig. 175 Tafel 58 seines Atlas vom Traite de mineralogie 
I. Auflage, Paris 1801). Der berühmte Chemiker Fuchs, ein 
Schüler Haüy’s, trennte von dem Mesotype den Apophyllit 
als besondere Mineral-Gattung ab; auch den Rest der übrig 
bleibenden Gattung Mesotype löste er in 3 Mineralgattungen 
auf; er wies zuerst nach, dass der Natrolith vor dem Löth- 
rohr ruhig zu einem farblosen Glase schmelze und nicht wie 
der Skolezit sich krümme: durch sorgfältige Analysen zeigte 
er Sodann, dass im Skolezit Kalk neben geringen Spuren von 
Alkali vorhanden sei, während der Natrolith (Werner) eben 
nur letzteres (Na) enthalte. In einer folgenden Publication 
weist er sodann den Versuch Haüy’s, seine Untersuchung 
als unbegründet darzustellen, im Verein mit Gehler zurück 
und trennt von. der Haüyschen Mesotypgattung noch den 
Mesolith, weleher sowohl Natrium als Calcium enthält, ab. 
Auch letztere Gattung ist wohlbegründet, wie spätere 
chemische Untersuchungen von Sartorius von Waltershausen, 
Breidenstein, Berzelius, Heddle, How, Thomson, Riegel, 
Marsh, E. Schmid und Luedecke bewiesen haben. 


Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 43 


Da der Mesolith sowohl Natrium als Caleium enthält, 
so meinte Fuchs, dass er „mitten inne“ zwischen Natrolith 
(Werner) und Skolezit (Fuchs) stehe; er weist ferner darauf 
bin, „dass diese Mischung, wie aus den von ihm angege- 
benen quantitativen Verhältnissen der Bestandtheile zu er- 
sehen ist, sehr gut mit den Gesetzen der bestimmten Mengen- 
verhältnisse übereinstimme“, und „dass der Wassergehalt sich 
nach dem Natron und Kalk richte, während das Thonerde- 
silieat eonstant bleibt.“ Von chemischen Gesichtspunkten 
ausgehend, hatte also Fuchs bereits die drei Species als 
solehe vollkommen richtig erkannt. Die Form hielt er bei 
allen dreien für übereinstimmend. 


Erst Haidinger maass die Gestalten des Natroliths aus 
der Auvergne und publieirte sein Ergebniss in der eng- 
lischen Ausgabe der Mineralogie von Mohs; hatte derselbe 
gefunden, dass der Natrolith dem rhombischen Krystall- 
system zuzuzählen sei, so wies bald der berühmte G. 
Rose an den Krystallen des Skolezits von Island nach, 
dass derselbe dem monosymmetrischen Systeme zuge- 
rechnet werden müsse. Aus Rose’s Messungen berechnet 
sich das Axenverhältniss a:b :e = 0,9729 : 1: 0,3390, 
& = 89° 5,4‘; an dem gleichen Materiale, welches Rose zu 
seinen Messungen benutzte, fand der Autora:b:c= 0,9769: 1: 
0,3439, # = 89° 30,3‘ und die Flächen: g 110 &P, b 010 
«Po, —o 111 —P, o 111 P, p 131 —3P3, p 331 —3P; 
die Krystalle sind grösstentheils Zwillinge nach «Po 100; 
auf dem Klinopinakoid stossen an dieser Zwillingsgrenze 
feine Streifen unter 24—26° zusammen. 


Die Auslöschungen in 010 machen mit einander einen 
Winkel von ca. 34°; in den beiden Zwillingshälften sind 
von verschiedenen Autoren die Neigungen dieser Auslösch- 
ungen gegen die Verticalaxe verschieden gefunden worden. 


Neuerlich haben Wyrouboff und Flink gezeigt, dass bei 
gut ausgebildeten Krystallen und wohl orientirten Schliffen 
sowie gut eingestellten Instrumenten, die Auslöschung sym- 
metrisch zur Zwillingsnaht 17,4° beträgt. Anormale Aus- 
bildung der Kıystalle oder schlecht orientirte Präparate 
mögen jene von der Symmetrielage abweichenden Resultate 


44 ©. Luedecke: 


früherer Forscher, Luedecke, Zepharovich und Schmidt 
hervorgerufen haben. 


Nachdem der Autor behauptet hatte, dass sein auf 
Grund der an den Rose’schen Krystallen angestellten Mess- 
ungen angenommenes Axenverhältniss das genauere sei, 
weil die Uebereinstimmung der aus letzteren berechneten 
Winkel und der gemessenen eine grössere sei als bei Rose, 
welcher nur wenige Winkel gemessen hat, unterwarf 
V. v. Zepharovich die Krystalle von Island einer genauen 
Messune und tand a: b: ec - 095321... 0>345929, _ 
89° 0‘ 26“; dies ist also eine nähere Uebereinstimmung mit 
dem Axensystem Luedecke’s als mit dem von G. Rose. 
Neuestens hat nun Gust, Flink in Stockholm diese Verhält- 
nisse einer abermaligen Revision unterzogen und aus den 
Fundamental-Winkeln 

11021107 2832737705; 

114 0111, 235246 

100 : 101 = 70 das Axenverhältniss 

2:b.c — 0,9764: 1: 0.3434, 9 89 47%. 

gefunden; der Unterschied gegen die früheren liegt hier 
im Winkel $; Flink’s Werth liegt bezeichnender Weise in 
der Mitte zwischen den von Luedecke und v. Zepharovich 
gefundenen Zahlen. Fiink beobachtete als die häufigsten 
Flächen an seinem prächtigen Materiale 110 «Pund 111 —P; 
die Prismenflächen sind immer eben und glänzend, nur selten 
durch Streifung parallel 111, welche durch 40.40.1 nach 
v. Zepharovich hervorgerufen wird, entstellt; (alle Krystalle 
stammten vom Theigarhorn bei Berufjord auf Island, wie 
Herr Flink durch eigene Begehungen auf dieser Insel fest- 
stellte.) Neben der Streifung finden sich auf 111 noch Aetz- 
hügel. Die Fläche 111 ist immer glänzend, manchmal uneben 
und in zwei um 51‘ von einander abstehende Flächen ge- 
tbeilt; die Symmetrieebene 010 findet sich auch an zahlreichen 
Krystallen; über dieselbe verläuft die Zwillingsgrenze; die 
auf den beiden Theilen von 010 sich findende federartige 
Streifung verläuft nicht symmetrisch zu 100, sondern un- 
symmetrisch; seltener als diese Flächen ist d 101 und noch 
seltener 011. 


Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 45 


Es sind am isländischen Skolezit folgende Flächen 
sicher durch Flink bestimmt worden. a = «Po 100, 
b fo 010, m «P.110, 1 ©P2.210, n «P5 510%), 
krabat Art, d--Poor10l, 0 Bee 
x —4P 441*, z — 3, P 332%, y —'2/,P 12.12.5*%, v 
—3P 331, p—3$3 131, q — "/,P’J, 474*, eP Ill, r 5P 551*; 
ferner als Prärosionsflächen, also nicht primäre Krystall- 
Hächen: & — 3P°|, 15.12.5, & —- 'h RI, 672, y — "ERBE; 
Io ler 920, ehr, ol: 


Winkel. 
IL 

Gemessen F. Ber. Fl. 
10 3 0, = 20 a 880 37,5° 
2002 nA 45 41,2 
: 100 = 44 18,8 44 18,8 

(tt : 111 = 35 46 35 46 

: 00 = @ On 2 

10 = le Bi id 88 

101 : 010 = 9 003 90 00 

: 100 = 69 59,8 70 00 
110163. 92,6 8 28 
u 36, 015 36 01,4 
ul mul = 35 Zu 36 47,6 

IL 

al: ee 204 70 18,8 
ie = 33 501 33599 
: 010 = 54 55 54 50,6 
lonstarn 233 5 An 5 45,5 
biat22:331, A 95 A012 
15. 18.5: — 4 59 5. 0 
12% 15.4: — 6 08 5 
AI]: = 9 «28 6 475 
121279.. = 60 6 05,6 
3a eile (8 13 08,8 


* Die besternten Ziffern sind neu am Skolezit. 


46 O0. Luedecke: 


Il. 
Gemessen F. Ber. Fl. 
131.:70107 4520256, 45° 56,0‘ 
al, 22062099. 26 10,8 
101 2A2703 44 04 
40.47 1017 29 DIOR 


An einfachen Krystallen: 


5D1 : 551 = 80 55 80 56,3 
: 010 = 49 33,5 49 31,8 
Soll 210595 22 Ol 
:10=2 1 2105 

120 : 010 = 27 09,5 > 004 
: 110 = 18 32 18 341 

20:10 = 18 11 8.78 

510 : 110 = 33 37 33 40 

40:10 = 15 16 15 20,8 


Die Krystalle unter I. sind Combinationen von 010. 110 
111 und 111; die unter II. haben neben den obenerwähn- 
ten Flächen noch 101, 331, &« 15.12.5, 8672, y 15.18.5, 
012.15.4, x 441, y 12.12.5, z 332; die zuletzt genann- 
ten Flächen sind schmal und umgeben 331 kranzförmig; an- 
dere Krystalle zeigen ähnliche Combinationen aber ohne 
dass 351 von den eben angezogenen Flächen umgeben 
wird; unter III. stehen Messungen, welche sich auf die Com- 
bination 110, 010, 101, 131, 331, 111, 474 beziehen. Die 
Combination an den einfachen Krystallen umschloss die 
Flächen 110, 010, 111, 551, 111, 331, 131 und 101, 120, 
210, 510, 470. 


Flink machte Dünnschliffe nach dem Ortbopinakoide 
100 und fand, dass die Symmetrieaxe die Axe der kleinsten 
Elastieität ist; da sie den stumpfen optischen Axenwinkel hal- 
birt, ist das Mineral optisch negativ. Ferner machte er einen 
auf der Axe c senkrecht stehenden Schliff aus einem ein- 
fachen Krystalle und zeigte, dass die Maxima der Aus- 
löschungen vollkommen mit der monoklinen Symmetrie 
übereinstimmen. 


Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 47 


Schon früher hatte Des Cloizeaux festgestellt, dass der 
Mesolith im triklinen Krystallsystem krystallisire und zwar 
sind die scheinbar einfachen Krystalle der Combination 110, 
110, 111, 111,111, 111 Zwillinge nach 010 mit den Flächen 
110, 110, 111, 111. Man kannte also nun die Thatsache: 
es giebt rhombisch krystallisirende Natrolithe (Werner), 
monokline Skolezite (Fuchs) und trikline Mesolithe 
(Fuchs — Des Cloizeaux). 

Im Jahre 1360 hatte Heinrich Credner unter den Mine- 
ralien der Pflasterkaute bei Eisenach auch Skolezit aufge- 
führt; durch Ankauf seiner Sammlung gelangte sein Ori- 
ginal-Material in das Museum der Universität Halle-S.; 
der Autor untersuchte dieses näher und fand, dass das 
Mineral neben Caleium auch Natrium enthielt: 


Procente Elemente Quotient Atome 


Si0, = 43,83 20,45 0,73 5 
ALO, = 2904 15,85 0,56 a 
Ca = 7,8 5,60 0,14 1 
Na,0 = 7,80 5,80 0,25 2 
H0 = 15 18 1,3 10 


woraus also die Formel Na,CaAl,Si,0;;, + 5H,0 folgt; es 
lag also ein typischer Mesolith vor. 

Die optische Untersuchung ergab, dass vollkommen 
einfache Krystalle vorlagen, welche auf den Säulenflächen 
eine Auslöschung von 4° zeigen; dieselbe liegt in beiden 
110 und 110 symmetrisch und entgegengesetzt, eine Lage, 
welche auch von v. Lasaulx an andern einfachen Meso- 
lithen nach einer mündlichen Mittheilung beobachtet wurde. 

Die Krystalle sind sehr dünn und stellen Combinationen 
von »P 110 mit “Pl, 15.14.0 mit 111 —P und IilP 
dar. Aus den Messungen 111:1il = 34° 22,7, 111: 111 
— 38%62° und 111: 111 = 52047: folet das Axenver- 
haltnıss ar We, — VODARSE203315,,8.— 85. 57,8. 

Berechnet Gemessen 
212,0 a ee en 89° 20° Ldk. 


Schon früher hatte E. Schmid in Jena Mesolithkrystalle 
kennen gelehrt, welche nach der Formel 


48 O0. Luedecke: 


[ Na?A12Si°010 + 2H,O 
|2CaAl2Si°0!! + 3H,0 
zusammengesetzt waren. 

Die Original-Krystalle E. Schmids zeigten sich eben- 
falls als vollkommen einfache Individuen, bei welchen das 
Maximum der Auslöschung in 010 um 8—9° nach oben 
hinten im spitzen Winkel & liegt; Schliffe parallel 100 
zeigen die dem monosymmetrischen Charakter ent- 
sprechende gerade Auslöschung. 

Die Krystalle zeigten nach den Untersuchungen des 
Autors die Combination 

—o 111 —P, o Ill P, g 110 »P, b 010 Po. 

G, 15.14.0 »P!#l,,; aus den Winkeln: 

111°: 111. 340 10221191 9112 03002218 ungg Lie 

111 = 51° 14,8 folgt das Axenverhältniss 
abe. c — 0,9023:21270.3226. 8. — 30.253504 


Berechnet Gem. 

172.010 — 78 1 a 

111°: 010 Eh) „ 73 14,3 
13.214.013. 9 0 882408 88 50 
ER yE 38 35 
13 ,..1422.0,:2010 — .452.393,6 45 34 


Um dieses Axenverhältniss des Mesolith dem des Sko- 
lezit von Flink a :b :c = 0,9764 :1: 0,3454, & = 89° 18, 
ähnlicher zu machen, macht Groth »P!!/,; zu oP und so 
erhält man dann a: b : ce = 0,9777 : 1: 0,3226, 6 — 87° 53,6.1) 
Die Pyramiden + P verwandeln sich dann in Brachy- 
pyramiden. 

Durch diese Untersuchung ist also nachgewiesen, dass 
es monokline Mesolithe giebt, eine Thatsache, welche bis 
zur Veröffentlichung der Arbeit des Autors über Mesolith 
und Skolezit?) in der Wissenschaft unbekannt war. 


1) S. 145 bei Groth: Tabellarische Uebersicht der Mineralien 
III. Auflage, oben soll es heissen: dass die Symmetrieebene bei den 
monosymmetrischen Natrolithen den spitzen, bei dem Skolezit den 
stumpfen Säulen-, nicht Axenwinkel halbirt. 

2) Neues Jahrbuch f. Mineralogie, Geol. u. Pal. 1881. II. S. 1. 


Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 49 


Nahm man hierzu noch das, was schon längst bekannt 
war, dass es nämlich typische rhombische Natrolithe giebt, 
wie solche besonders durch die Messungen von Haidinger, 
Maskelyne und von Lang, vom Rath, Zepharovich, Brögger 
und Palla, sowie durch die optischen Untersuchungen von 
Brögger, Palla und dem Autor nachgewiesen worden sind; 
dabei hatte der Autor und v. Lasaulx bereits darauf hin- 
gewiesen, dass gewisse Natrolithe von Salesel, Aetna 
und Aussig auf 110 schiefe Auslöschung zeigen, also wahr- 
scheinlich dem monoklinen Systeme angehören. 

Neuerdings hat Brögger neben sehr reichflächigen 
rhombischen Krystallen mit dem Axenverhältniss a:b:c 
— 0,9819:1:0,3535 und den Flächen »P» 010, «Px 
100, OP 001, &P 110, «P2 120, «P%/;, 590, »P”|, 740, 
&P6 610, Po 011, 3Po 031, 3Po 301, P 111, 2P 221, 
3P 331, 5P 551, 3P3 131, 9P3 391, 36P's/, 34.36.1, 
323 ll nl, 1, aloe al 
auch monosymmetrische Krystalle auf den südnorwegischen 
Syenitpegmatitgängen aufgefunden. Das Axenverhältniss 
derselbenrist ab: e& — 1,0165: 170,5599, 9.837354 52%; 
es sollen an denselben ähnliche Flächen wie an den rbom- 
bischen vorkommen. Da die Angaben von diesem Autor 
sich immer bewahrheitet haben, so müssen wir wohl an- 
nehmen, dass auch seine optischen Untersuchungen, welche die 
monosymmetrische Symmetrie ergeben haben, sich bestätigen 
werden, und wir dürfen daher wohl mit Fug und Recht an- 
nehmen, dass es wirklich monosymmetrische Natrolithe, 
auf welche der Autor schon vor 9 Jahren hingewiesen hatte, 
giebt. 

Neben den monoklinen Skoleziten von Island und Kan- 
dallah fand der Autor damals Skolezit vom schattigen 
Wichel, bei weichem die Elastieitätsaxen nicht mehr in der 
Symmetrieebene lagen, welche also dem triklinen System 
zugerechnet werden mussten; in gleicher Weise hatte Des- 
Cloizeaux schon früher trikline Mesolithe aufgefunden, 
welche in jeder Beziehung den triklinen Skoleziten ent- 
sprachen. 

An den Krystallen vom schattigen Wichel wurden zu- 
erst die Kanten gemessen, dieselben durch farbige Zeichen 

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXTIT. 1890. = 


50 O0. Luedecke: 


so bezeichnet, dass man sie jederzeit wieder herausfinden 
konnte und dann an den gemessenen Krystallen in den 
Richtungen der Pinakoide Schliffe gemacht, welche zeigten, 
dass die Auslöschungen nicht mit der eventuellen mono- 
symmetrischen Symmetrie in Uebereinstimmung gebracht 
werden konnten, und dass daher die Annahme des asym- 
metrischen Systems angezeigt war. Im vorderen rechten 
oberen Octanten waren die Axenwinkel « = 38° 30,1‘, 
ß = 9° 41,3‘, y = 39° 49,2‘ und die Axenlängen a:b: 
ce = 0,9712 : 1: 0,3576. 

Herr C. Schmidt hat die Untersuchungen an diesem 
Vorkommen wiederholt und gefunden, dass in Schliffen 
parallel 100 die Auslöschung vollständig parallel der 
Verticalaxe ist, also vollständig der monosymmetrischen 
Symmetrie entspricht ; in Schliffen senkrecht zur Auslöschung 
in 010 und zu dieser Fläche fand er geringe Auslöschungs- 
schiefen in dem in 3 Felder getheilten Schliffe; er schliesst 
daraus, dass die Skolezite vom schattigen Wichel dem 
monosymmetrischen Systeme angehören. 

Von den Skoleziten vom Etzlithale und dem Viescher 
Gletscher!) zeigt er dasselbe. Nun behauptet er, dass auch 
meine Krystalle bei richtiger Behandlung das gleiche zeigen 
würden; dem gegenüber kann ich nur meine Beobachtungen 
aufrecht erhalten; wenn unser beiderseitiges Material ver- 
schiedenes erkennen liess — was sich besonders darin zeigt, 
dass nicht 100 wie bei den monoklinen Skoleziten, sondern 
010 Zwillingsebene ist, und dass die Ebenen der optischen 
Axen nicht bloss nach oben divergiren, sondern dass sie 
gleichzeitig in der Richtung der Ebene 100 auseinander 
klaffen; es ist also die Lage der optischen Constanten eine 
ganz andere als bei den von S. untersuchten Skoleziten — 
so hängt dies eben damit zusammen — nicht wie der Herr 


1) Auch von den Färoer habe ich Abweichungen von der mono- 
klinen Symmetrie beschrieben; Herr Schmidt wirft mir vor „diese 
Fundortsangabe scheint nicht correct zu sein“; es sollen insbeson- 
dere das Material nicht aus der Sammlung Bergmann, sondern aus 
der Coll. Klapproth stammen. Herr Websky hat eigenhändig das 
mir übergebene Material etiquettirt und stehen diese Etiquetten jedem 
zur Einsicht offen. 


Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 51 


Schmidt schliesst, dass ich mich geirrt, — sondern dass es 
eben an demselben Fundorte Skolezite von verschiedener 
optischer Structur giebt; übrigens zeigten ja auch $’s. 
Präparate!) in den zur verticalen Rlastieitätsaxe senkrechten 
Schliffen Abweichungen von der normalen monosymmetrischen 
Symmetrie. Flink hat darauf hingewiesen, dass S.’s Auffassung 
derPenetrationszwillinge am Skolezit von Island etc. durchaus 
irrig ist, dass die Zwillingsbildung und Feldertheil- 
ung in Schliffen senkrecht zur Verticalaxe vielfach zwei 
ganz verschiedene Erscheinungen sind, von denen die 
letztere wohl erst secundären Einflüssen zu verdanken ist.?) 

Nachdem Flink dies ziemlich sicher nachgewiesen hat, 
bleibt es allerdings fraglich, wie weit die Abweichungen 
von der monoklinen Symmetrie überhaupt noch als maass- 
gsebend betrachtet werden dürfen. Experimentelle Unter- 
suchungen der Schliffe in heissen Wasserdämpfen, bei er- 
höhter Temperatur etc. liegen überhaupt noch nicht vor. 

Schon früher hatte Des Cloizeaux Krystalle von trikli- 
nem Mesolith erkannt, welche ganz ähnliche optische Erschein- 
ungen wie die vom Autor beobachteten triklinen nach 010 
verzwillingten Skolezite zeigten. Auch die für trikline 
Zwillinge so charakteristische geometrische Erscheinung, 
dass wenn man die beiden Pyramidenflächen 111 und 111 
auf dem Goniometer einstellt, die zugehörigen 110 und 110 
nicht in derselben Zone erscheinen, hat Des Cloizeaux 
bereits treffend hervorgehoben; auch bei den Skoleziten ist 
dies der Fall; im monosymmetrischen System kommen der- 
artige grössere Abweichungen wie hier kaum, kleinere 
nur selten vor; auch diese geometrische Erscheinung 
würde sehr für das trikline System sprechen. 

Jedenfalls weist auch diese Analogie zwischen den 
triklinen Skoleziten und Mesolithen oder — falls man die 


1) An einfachen Krystallen von Island kommt dieses nicht vor. 


2) Wyrouboff hat bereits die mehr merkwürdige als richtige An- 
sicht S.’s zurückgewiesen, dass wenn man zwei Lämellen von einem 
Mineral aufeinander legt, ohne dass die Elastieitätsaxen coindieiren, 
eine intermediaere Auslöschung entstehe. W. weist darauf hin, 
‚dass vielmehr dann, wie schon längst bekannt, circular polarisirtes 
Licht entstehe. 


A* 


52 0. Luedecke: 


optischen Abweichungen von der monoklinen Symmetrie 


nur als solche auffassen will — die anormalen Skolezite 
und Mesolithe ebenfalls auf die Isopleomorphie dieser Kör- 
per hin. 


Was die chemische Abweichung der Formel der 
Skolezite von der der Natrolithe anbelangt, so nimmt Groth 
gegenwärtig an, dass auch beim Skolezit wie beim Natro- 
lith nur zwei Krystallwasser vorhanden sind, während er 
das dritte Molekül als Constitutionswasser betrachtet. 


Natrolith (SiO,)?Al(AlO)Na? + 2H,0 
Skolezit (SiO,)3alAl(OH)2Ca + 2H,0O 
N SiO;)?Al(AI(AIO)Na? + 2H,0O 
Mel ne + 24,0.) 
Rhombische Mesotype. 
Natrolithe Skolezite Mesolithe 
Aro, Salesel, — Galactit von 
Auvergne. Bishoptown 
ar: be: Ce, — 
0,9786 : 1: 0,3536 = 
südnorwegische 


0,9819: 1:0,3935. 
Monokline Mesotype. 


von den südnorweg- Island, Pflasterkaute, 
ischen Syenit-Peg- Kandallab Island 
matitgängen etc. 
ae D.C — 2020 = abc — 
1,0165 :1 : 0,3599 0,9764:1:0,3434& 0,9777 :1:0,3226 
£ 89° 54,9 0. SO TT“ ß 86° 54. 
Trikline Mesotype. 
= vom schattigen Vorkommen nach 
Wichel ete. Des-Cloizeaux. 


Man kennt also jetzt eine hinreichende Anzahl Glieder 
dieser Körper, welche uns zu dem Schlusse veranlasst, dass 
die Natrolithe, Skolezite und Mesolithe eine wohlbegründete 
isopleomorphe Gruppe bilden wie die Augite und Horn- 
blenden ete., eine Ansicht, welche der Autor bereits 1881 
ausgesprochen und begründet hatte. 


1) Vergl. auch Doelter, N. Jahrb. 1890, I. 131. S. 134. 


Literatur. 


Bechi: Zeitschrift f. Krystallogi. 4. 407. 

Berzelius: Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie. II. 
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1838. p. 189. 

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und Orthoklas: Kenngott 1858. 71. min. Forschung. 

Breidenstein: Rammelsberg’s Handbuch der Mineralchemie. 11. 
Aufl. II. Bd. 634. Mesolith von Island. 

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Derselbe: @xlb. Ann. 1821. Bd. 69. p. 7. 

Derselbe: Journal d. Physik und Chemie. 1825. Bd. 43. p. 9 
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Derselbe: Zeit. f. XII.3. 1879. Arorhomb. Nat. 478. Auvergne. 
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Brooke: Philosophical Magazine. X. 110. 1831. Aug.: On Poo- 
nalite, a new species of Mineral. 

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New-Jersey: Analyse. = Kenng. Uebs. d. n. F. 1860. S. 52. 

Bryce: Uebersicht einfacher Mineralien in den Grafschaften Down, 
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Collier; Dana, a system of min. V. Aufl. p. 429. Skolezit von 
Ghauts. 

Credner: Neues Jahrbuch für Min., Geol. u. Pal. 1860. p. 60: 
Ueber den Dolerit der Pflasterkaute und die in demselben vorkom- 
menden Mineralien. 

Damour: Annales des mines t. XIII. 1858. p. 20. Sources ther- 
males de Plombieres u. Ann. d. chim. et d. physique 53. 8. 445. 
Wassergehalt und -Aufnahme von Natr. u. Skol. 

Des-Cloizeaux: Annales des mines. V. Ser. XVI. Bd. p. 389: 
Memoire sur l’emploi des proprietes optiques birefringentes pour la 
determination des especes cristallisees. 

Derselbe: Manuel de Min. 1862. p. 386 Skolezit, p. 388 Mesolith 
Nachtrag. 

Nouvelles recherches 3. 1. prop. opt. d. eristaux, Savants etrangers 
XVII. p. 679. Abnahme d. Winkels d. opt. Axen mit d. Temperatur. 


54 O0. Luedecke: 


Domeyko: Annales des mines.. Ser. IV. t. IX. pg. 9: Sur la 
geologie de Chili ete. (Skolezit von Cachapual.) 

Dufrenoy: Traite de min. III. 429. 

C. Eckenbrecher: 2. f. Kıyst. 7. 91. 

Flink: Bihang t. k. Svenska Vet. Akad. Handlingar Bd. 13. Afd. 
14. N.8 — 708 Kıyst: X0V2193: 

Frankenheim: Neues Jahrbuch für Min., Geol. und Pal. 1842. 
637. Mesotyp. 

Friedel und Grammont: Bull. soc. franc. d. Min. VIII. 75. 

Frossard: Bull. soc. france. d. Min. VI. 86. 

Gehlen und Fuchs: Schweigger’s Journal für Pkysik und Chemie. 
Bd. VIII. 1813. 355: Ueber Werner’s Zeolithe; Hauy’s Mesotyp und 
Stilbit (auch im Journ. de Phys. t. 78. p. 444—45]). 

Fuchs: Schweigger’s Journ. f. Phys. u. Chem, Bd. XVII. 1816. 
p. 1. Ueber Zeolith. 

Daselbst Bd. VIII. 353. 

Gibbs: Pogg. Ann. LXXI. 565: Skolezit aus Island. 

Gmelin: Pogg. Ann. XLIX. 538. Chem. Unters. des Poonalith 
und Thulit. 

Goldschmidt: Zeit. f. Kryst. 9. 572. 

Gonnard: Bull. soc. france. d. Min. X. 29. 

Groth: Tabell. Uebers. d. Min. 1889. III. Aufl. 144. 

Gülich: Pogg. Annal. LIX. 373; im Aufsatz von KRiess und Rose 
über die Pyroelectricität der Mineralien: Analyse des Skolezits von 
Island. _ 

Guillemin: Annal. d. mines. I. Serie. XIU. Bd. p. 390. 

Haidinger: Englische Uebersetzung der Mohs’schen Mineralogie. 
II. 236. 

Hankel: Abhandlg. d. kgl. sächs. Ak. der Wissenschaften. XII, 
Bd. No. I. p. 33. Electrische Untersuchungen; XIII. Abhandlung: 
Natrolith und Skolezit. 

Haughton: Philosophical Magazine. IV. Ser. Bd. 52. p. 225: 
„Notes on Mineralogy“: Harringtonit von Bombay. 

Hauy: Leonhard, Taschenb. f. Min. IX. 612; Ueber Mesotyp. 

Derselbe; Trait& d. min. III. 1 1. TA. 58. 174, 175. 

Haw: Journal f. p. Chemie. LXXV. 460: Mesolith von Port 
George. 

Derselbe: Kenngott, Mineralog. Forschung. 1858. S. 73. 

Heddle: Phil. Mag. IV. Ser. 13. Bd. 1857. p. 50: On Mesolite and 
Faeröelite. IV. Ser. XI. Bd. p. 273: Harringtonite v. Glenfarg; 
XII. Bd. 148: On the Antrimolite of Thomson. 

Derselbe: Kenngott, Uebers. d. Min. Forsch. 1858. S. 73. 

Hermann: Journ. f. p. Chem. LXXI. p. 26: Skolezit des Basalts 
von Stolpen. 

Hillebrand: Geol. Survey of U. S. Bull. N. 20. 

Hisinger: Kongl. Vetensk. Handlingar. 1838. p. 189: Mesole von 
Anaklef. 

Derselbe: Berzelius Jahrb. V. 217. XX. 227, 


Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 55 


Hlasiwetz: Kenngott, Uebers, d. min. Forschungen. 1858. p. 72: 
Galaktit v. Fassa. 

How: Amer. Journ. of Science a. art. II. Ser. t. 26: Mesolith 
von Anapolis, p. 32: Chemical analysis of Faeröelite a. some other 
Zeolites oveeurring in Noya Scotia. pg. 30. 

Igelström; Neues Jahrbuch f. Min., Geol. und Pal. 1871. p. 361: 
Skolezit von Lundörrsfjäll. 8 

Issel: Bollet. geologie. d’Italia. 1879, p. 541: Skolezit v. Casarza. 

Kenngott; Neues Jahrbuch für Min., Geol. und Pal. 1870. p. 998 
(Auszug aus der Züricher Vierteljahrsschrift. 1870. p. 287): Ueber 
Skolezit. 1873. p. 725: Ueber das Vorkommen des Skolezits am 
schattigen Wichel, Fellinen-Alp.) 

Derselbe: Galaktit v. Fassa, Analyse Hlasiwetz Ueber d. Min. 
Forsch. 1858. S. 71. 1856/57. 91. 

Derselbe: Wiener Sitzber. 1852. IX. 

Derselbe: Uebersicht der mineralogischen Forschungen. 1854, 
p. 87: Ueber Poonalith. 

Derselbe: Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissen- 
schaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe. V.240: Ueber 
Harringtonit. 

Derselbe: ibid. 234: Antrimolith. 

Lacrorir: Buil. soc. france. d. Min. VIII 123 u. 311. 

v. Lang: Brevicit Phil. Mg. XXV. 43. = Kgt. Min. Forschg. 
1865. S. 141. 

Lasaulx: Zeits. f. Kryst. 5. 334 u. 1880. Geolog. intern. Congress 
Privat-Mittheilung. 

Lemberg: Zeits. d. deutsch geol. Gesellschaft. 28. B. 550. 

Lorenzen: Undersogelse of mineralier fra Groenland 1884 
Kjöbenhavn. 

Luedecke: Sitzungsbericht d. hallischen naturforschenden Gesell- 
schaft, 8. Febr. 1879. = 2. f. Kıyst. 3. 487. = Z. f. Nat. 1879. S. 145. 

Derselbe: N. Jahrbuch f. Min. Geol. 1880, II. 200. u. 1881. II. 1. 

Mallard: Bull. de la societe mineralogique de France. I. 109: 
Pseudosymmetrie der Zeolithe. 

Marsh: Dana, a syst. of. min. V. Aufl. 430: Mesolith von Blo- 
midon. 

Maskelyne und v. Lang: Natrolith, Philos. Mag. Jan. 1863. 

Mohs: Mineralogie. I. Aufl. II. p. 271. 

Naumann: Elem. d. Min. X, Aufl. 628. XII, 721. 

Palla: Zeit. f. Kryst. IX. 386. Salesel, rhomb. 

Petersen: Poonalith. Neues Jahrb. 1873. p. 853. 

Preis und Vrba Zeits. f. Kryst. 4. 628. 

Rammelsberg. Handbuch der Mineralchemie. 1860. 799. Mineral- 
chemie. 11. Aufl. II. Bd. 632. Ergänzungsheft 1886. 161. 

Derselbe: Zeitschr. der deutsch. geol. Gesellsch. 1869. 121. 

Riegel: Skolezit von Niederkirehen. Journ. f. p. Chem. XL. 317. 


56 O.Luedecke: Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 


v. Richthofen: Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. zu 
Wien. Math.-naturwissenschaftl. Classe. 27. Bd. 353. 1857. Bildung 
und Umbildung der Mineralien in Süd-Tirol. 

Riess und Rose: Pogg. Ann. 59. 368. (Berlin. Akad. 1843. 75): 
Ueber Pyroelectrieität der Mineralien. 

Rose: Pogg. Ann. 28. 424: Skolezit v. Island. 

Sartorius v. Waltershausen: Vulkanische Gesteine. p. 257. 

Schmid: Pogg. Annal. 142. 118: Ueber Mesolith. 

Derselbe: Jenaische Zeitschrift für Med. u. Naturwiss. 1880, 
Juli: Ueber Skolezit v. Etzlithale. 

Scheerer: Natrolith, Brevig Analyse = Kenngott, Ueb. d. min, 
Forsch. 1858. S. 58. 

Schmidt: Z. f. Kryst. XI. 587. 

Scott: Edinburgh new phil. Journ. 1852. LIII. 272. (= Kenngott: 
Min. Forschg. 1852. 55): Skolezit v. Mull. 

Seligmann: Natrolith v. Salesel. Z. f. Kryst. 1. S. 388. 

Stephan: Ranmelsberg’s Mineralchemie. 1875. II. Aufl. II. Bd. 
632: Skolezit von Faero&. 

Siveking: Pogg. Ann. 108. 433. Natrol. v. Brevig. 

Taylor: Americ. Journ. of Science a. art. Il. Ser. Bd. XVII. 
p. 410. Contribution to mineralogy by Genth. Skolezit of the East- 
Indies. 

Thomson: Lond. Edinb, Phil. Mag. 17. Bd. p. 409. 1840: Skolezit 
from Giants Causeway. 

Derselbe: Outlines. I. p. 329. 339. 

Tobler: Annal. d. Chim. et d. Pharm. 91. 229. 

Uig Phil. Mag. IV. Ser. 13. Bd. p. 53. 

Vauquelin: Journal des mines. No. 14. p. 87. Analyse des 
Sartorius v. Waltershausen: Vulcan. Gestein. 267. 

Wiser: Neues Jahrb. 1860. p. 786: Skolezit v. Viescher Gletscher. 

Wyrouboff: Kritik Schmidt’s Bull. d. soc. fr. de Min. IX. 266. 

v. Zepharovich: Z. f. Kıryst. VIII. 577. Sk. v. Island, 9. 308. 

v. Zillerthal. 

Zippe: Mineralogie von Mohs. Il. Ausgabe. S. 60. 


Mineralogisches Institut zu Halle-S. 


J. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


Bücking, Glaserit, Bloedit, Kainit, Boracit von Douglas- 
hall bei Westeregeln. Zeitschrift für Krystallographie. 
1889. XV. 561. 


Glaserit hat sich im Bloeditgestein zwischen dem 
Kainit und Steinsalz zu Douglashall gefunden; das spec. 
Gewicht war gleich 2,650—2,656 (in Methylenjodid bestimmt), 
die Härte 21/,—3; Spaltbarkeit noch 1010; die Krystalle 
sind rhombo£&drisch-hexagonal theils einfache, theils Zwil- 
linge, wie sie früher von v. Rath in Pogg. Ann. 1373. 
Ergzbd. 6. 359 beschrieben sind. Das Axenverhältniss a: e 
ist gleich 1:1,2879 (vergl. Mitscherlich, Pogg. Ann. 1343. 
88. S. 468). Es treten in Combination e x (1012) !/, R, 
e 0001 OR, m 1010 «R, & z (0112) — '!; R, r x 10I1L R, 
«r’ x O11I1.—R,n x 1120 oP2, g%x 0114 —1/,R. Manche 
Krystalle zeigen von mee‘c begrenzt scheinbar rhom- 
bisebe Formen; dem rhombischen System nähern sich die 
Krystalle auch noch durch die aragonitähnliche Zwillings- 
bildung nach ©P; es sind diektafelige (nach 0001) Combi- 
nationen von 0001 . 1010, x 0112, # 1012. Sie zeigen deut- 
lich das Interferenz - Kreuz optisch einaxiger Krystalle. 
(Vergl. hierüber Mallard, Bull. soc. france. d. Min. 5. 226, 
Wyrouboff ebd. 2. 100). Die Doppelbreehung ist negativ 
(vergl. Schrauf, Sitzber. d. Wien. Ak. 40. 598 u. Journ. f. 
prakt. Chem. 1861. 83. S. 11); ® = 1,4907, & 1,4995 für 
Natriumlicht. Die chemische Zusammensetzung entsprach 
z. Th. der Formel 5K,SO,, 2Na,SO, z. Th.3K,SO,, Na,SO, ; 
die ersteren entsprechen den von Penny (Journ. f. prakt, 


58 I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


Chem. 67. 216) und Mitscherlich untersuchten piatten Kry- 
stallen aus der Kelplauge. 

Bloedit mit vorigen zusammen vorkommend: 121, 
021, 117, 110° 210, 120. 11 211..301, 10 7eizene: 
(z. Th. 50 ><40><20 mm Grösse). 

Kainit. In der Kieseritregion von Douglashall findet 
sich ein Lager von derbem Kainit, in welchem sich auch 
viele 3—4 mm grosse Krystalle finden: 001, 010, 100, 
111, 111, 201, 110, 980; die Analyse zeigt, dass 
auch diese Krystalle der Formel MgSO,, KCl, 3H,0 ent- 
sprechen. 

Boracit findet sich regelmässig zu Douglashall im 
Carnallit; 1885 fand man kleine gelbliche, 1887 prachtvolle 
wasserhelle bis lichtgrüne Krystalle. Würfel 100, Rhom- 
bendodecaäder 110 und Tetraäder « 111 begrenzen die 
letzteren; daneben seltener: die Pyramidenwürfel 013, 014, 
0.1.11,0.1. 12; auch das Pyramidentetraäder x 211, und 
die Dectoiddodecaäder x 144, 2188, 1.16.16 kommen vor. 

Die grüne Farbe dieser merkwürdigen Krystalle ist 
durch einen Gehalt von 7,9°/, Eisenoxydul bedingt. 


Halle a. S. Luedecke. 


Rinne und Jannasch, Ueber Heulandit, besonders den 
von St. Andreasberg, Neues Jahrbuch f. Min. 1837. I. 25. 
Die Krystallform dieses Minerals (H, Ca Al,Si,0,,+5H,0 
Jannasch) wurde theils als monoklin, theils als triklin von 
verschiedenen Autoren aufgefasst; die optischen Unter- 
suchungen von Des Cloizeaux (Man. d. Min. I. 1862. 425.), 
Mallard (nouv. recherche s. 1. proprietes optiques des cri- 
staux 1867. 136) und W. Klein (Zeitschr. f. Krystallographie 
IX. S. 38) stimmen im wesentlichen mit der monoklinen Sym- 
metrie überein. Später hatten allerdings C. Klein und Tenne 
Feldertheilung an Blättehen parallel 010 wahrgenommen; 
Verfasser hat nun diese Erscheinung näher studirt. Dünne 
Blättchen parallel der genannten Fläche zeigten einheitliche 
Auslöschung und zwar lag dieselbe nicht ungefähr parallel 
001, sondern bildete damit im stumpfen Winkel # ca. 34°, bei 
anderen (Viesch) 6°, bei denen von Bernfjord 8° und von Fassa 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 3%, 


® 


32°. Anders verhält sich schon das zweite von demselben 
Krystall abgespaltene Blättchen; der innere Theil zeigt 
noch dieselbe Erscheinung wie das zuerst besprochene Blätt- 
chen, aber die Randpartie ist in Felder derart getheilt, 
dass an jede äussere Fläche sich ein Feld mit verschieden 
gerichteter Auslöschung anschliesst, eine Erscheinung, welche 
also ohne Weiteres darauf hinweist, dass diese optische That- 
sache in Verbindung mit der äusseren Form zu bringen ist. 
Machte in dem an 001 sich anschliessenden Felde die Aus- 
löschung mit 001 25° mit der Axe a, so machte sie in dem 
an100sich anschliessenden 50° mit derselben Linie. Aehnliche 
Erscheinungen zeigen Andreasberger Heulandite. Nimmt 
man Spaltblättchen, welche noch weiter der Mitte zu ent- 
nommen sind, so verschwindet das mittlere Feld allmählich, 
und die gesondert auslöschenden Randfelder breiten sich 
bis zur Mitte aus; nimmt man die Spaltblättchen, welche 
010 allmählich näher rücken, so nimmt man in symmetrisch 
zur Symmetrieebene gelegenen Platten dasselbe wahr wie 
an den schon beobachteten Platten nach O1O zu. 

AnAndreasbergerKrystallen beobachtet man, dass 
die Grenzlinien der Blättchen parallel zu den Kanten 010:100 
und 010 : hol verlaufen; man glaubt dann Durchkreuzungs- 
zwillinge nach 100 vor sich zu sehen. 

Auch Platten nach 100, 001 und 101, welche wegen 
der vollkommenen Spaltbarkeit nach 010 schwieriger her- 
zustellen waren, wurden von Krystallen vom Berufjord, 
Andreasberg und Viesch angefertigt und wunderbarer Weise 
zeigten dieselben alle die von der monoklinen Symmetrie 
erforderte Auslöschung ganz normal parallel der Orthodia- 
gonale b. „Es ist mithin an dem monoklinen Charakter 
der Krystalle nicht zu zweifeln.“ 

Im convergenten Lichte zeigt sich, trotzdem die optische 
Mittellinie senkrecht zu 010 in allen Theilen ist, eine 
Verschiedenheit des optischen Axenwinkels in verschiedenen 
Theilen der Platte; derselbe verändert sich auch mit der 
Temperatur; bei 100 ist er OPund bei noch höherer Temperatur 
gehen die optischen Axen in einer Ebene senkrecht zur ersten 
Richtung auseinander. Kittetman die so erhitzten Plattensoein, 
dass wasserhaltige Luft nicht dazu kann, so bleibt der Zustand 


60 Sächsisch - Thüringische Literatur. 


der Platte auch nach der Abkühlung erhalten, ein Beweis, 
dass die Wärme die Aenderung allein nicht hervorbringt- 
Bringt man die Blättchen in kochendes Wasser, so bleiben 
die optischen Verhältnisse der Platte unverändert; es ist 
also nur das entweichende Krystallwasser, mit welchem die 
optische Aenderung in Beziehung steht. Erwärmt man die 
Platten in Oel, so beobachtet man dasselbe wie in der 
Luft. Schon Des Cloizeaux hatte am H. eine leichte Deut- 
ung der optischen Axenebene wahrgenommen. Rinne fin- 
det, dass in allen Theilen desselben eine Drehung so statt- 
findet, dass bei 150° die verschiedene Richtung der optischen 
Axenebene in den sonst verschieden orientirten Platten- 
theilen von 010 dieselbe wird. Erhitzt man die Platte 
weiter, so findet kein weiteres Wandern der Auslöschungen 
statt, sondern sie sind constant geworden; und die 
Differenzirung aller Felder hat aufgehört, die Platte löscht 


einheitlich aus. 
Diese Auslöschung liegt bei Krystallen von Island und 


Viesch parallel zur Kante (010 : 221), bei Krystallen von 
Andreasberg dagegen parallel (001:010), wenn man das Axen- 
verhältniss a:b: ce = 0,4035:1: 0,47788, 8 = 63 '40'zu Grunde 
legt und also die gewöhnliche Combination als M 010, N 100, 
T 001, P 101, z 221 auffasst. Die beiden Kanten (010: 221) 
und (001 :010) stehen beinahe senkrecht zu einander. 
Diese merkwürdige Verschiedenheit zwischen dem Andreas- 
berger H. und den übrigen liess eine chemische Verschie- 
denheit vermuthen, welche Jannasch durch eine genaue 
Analyse auch bestätigt: es fand sich hier nicht wie sonst 
0,5%, SrO neben 7%, CaO, sondern 3,62 SrO neben 
4,25 CaO. (Vergl. S. 61.) 

Auch die Temperatur von 150° entspricht nach Jan- 
nasch genau dem Verlust von 2 Molekülen Wasser. Bei 
150° hat also der einheitliche auslöschende [parallel der Kante 
(001 :001)] H. nur noch 3 Krystallwasser und ist aus dem 
monoklinen in das rhombische System übergegangen. So 
interessant auch diese Thatsache ist, so können wir hier 
mit der Erklärung des Autors nicht vollkommen überein- 
stimmen. Er hat gezeigt, dass die andern H. von Island 
und Viesch bei 150° parallel der Kante (010: 221) einheit- 


Sächsisch- Thüringische Literatur. 61 


lich auslöschen ; beide Richtungen der Auslöschungen in 
den beiden Varietäteh liegen also nicht gleich, sondern 
haben eine verschiedene Lage in den geometrisch gleichen 
Krystallen, woraus also im allgemeinen nicht geschlossen 
werden darf, dass beide Varietäten rhombisch seien. Ob 
letzterer Schluss auch noch richtig wäre, selbst wenn bei 
allen Varietäten die Auslösehung parallel der Vertikalaxe 
wäre, will uns ebenfalls noch einigermassen zweifelhaft er- 
scheinen. Selbst wenn nachgewiesen ist, dass die Aus- 
löschung eines Minerals symmetrisch zur monoklinen Sym- 
metrieebene und in dieser parallel der Vertikalaxe sei, 
ist dasselbe noch nicht dem rhombischen System zuzu- 
rechnen, ehe nicht nachgewiesen ist, dass die Vertheilung 
der übrigen Constanten in geometrischer und optischer Be- 
ziehung der rhombischen Symmetrie entspricht. Wenn nur 
nachgewiesen ist, dass die Auslöschung parallel der Verti- 
kalaxe ist, so genügt dies durchaus nicht, um die rhom- 
bische Symmetrie zu erweisen; denn die Vertikalaxe ist 
nicht eine durch die monokline Symmetrie bedingte Linie, 
sondern nur eine Richtung innerhalb der Symmetrieebene, 
welche vom Autor angenommen wird, welche also nicht 
wie im hexagonalen, tetragonalen etc. Systeme durch die 
Gesammtsymmetrie des Krystalls ohne Weiteres gegeben 
ist. Ehe also nicht nachgewiesen ist, dass diese Richtung 
Symmetrieaxe in optischer und geometrischer Beziehung 
ist, hält Referent den Beweis dafür, dass bei 150° der H. 
rhombisch sei, für noch nicht sicher erbracht. Mit sorg- 
fältig ausgelesenem Material von Andreasberg, welches 
durch Eintauchen in Cadmiumborwolframiat und durch 
optische Untersuchung rein erhalten wurde, hat Prof. Jan- 
nasch Analysen ausgeführt, welche ergaben: 


Andreasberg Fassathai Teigarhorn 
Si0, = 5611 56,10 60,07 58,43 
No Son a en 16,44 
F,0;, = Spuren Spuren 0,62 — 
e20 7, —2,,4.25 4,27 4,89 7,00 
SEO 17.23.62 3,65 1,60 0,35 


MsO = Spuren Spuren — — 


62 I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


Andreasberg Fassathal Teigarhorn 


K,öO = 0,36 0,18 0,44 0,21 
N23,0 = 3,49 3,14 2,36 1,40 
S;0O = Spuren Spuren Spuren Spuren 
H,0°° = 16,19 16,37 15,89 16,45 
101,09 100,95 100,€2 100,28 
Halle a. S. Luedecke. 


Beyschlag, F., Die Erzlagerstätten der Umgebung von 
Kamsdorf in Thüringen. Jahrbuch d. geolog. Landes- 
Anstalt 1888. S. 329. 

An derHand älterer Publikationen und Manuscripte sowie 
eigener Beobachtungen giebt der Autor eine Zusammenstellung 
der Lagerungsverhältnisse und Erzvorkommen von Kamsdorf 
in Thüringen , wofür ihm die geologischen Interessenten dank- 
bar sein müssen. Nach einer Literatur-Uebersicht folgt die Be- 
schreibung der Schichtenfolge, Gesteinsbeschaffenheit und 
des Baues der Lagerstätte. 

Das älteste in Betracht kommende Gebirgsglied ist der 
Culm, „das rothe Gebirge‘ der Bergleute; er stellt einen 
Wechsel von gröberen und feineren Grauwacken mit san- 
digen und z. Th. glimmerreichen Schiefern dar; schwache 
Röthelschichten wurden früher bei Tauschnitz ausgebeutet; 
nach oben zu ist der Culm ausgebleicht- ‚weisses Gebirge“. 
Auf den unteren klippigen Culmschichten liegt die Zech- 
steinformation söhlig auf. Unten als Conglomerate, welche 
stellenweise als Sanderze kupferführend sind. Da wo 
Rückenspalten dieses sog. Weissliegende durchsetzen, fin- 
den sich reichere Anhäufungen von Kupferkies, Fahlerz, 
Kupferlasur, Malachit, Kobaltblüthe, Pharmacolit, Speiss- 
kobalt und schwarzem Erdkobalt. 

Darauffolgt das Zechsteineonglomerat mit dem Mutterflötz 
0,7—1 m aus aschgrauem Kalke mit abgerollten Grauwacken- 
und Thonschieferbrocken bestehend, gewöhnlich in 2 Flötze 
getheilt und Erzknoten führend. Nun kommt das Kupfer- 
schieferflötz mit 10—15°/, Bitumen und geringem Erzgehbalt; 
nur da, wo Lagerungsstörungen auftreten, ist es reicher an _ 
Kupferkies, Silber-haltigem Fahlerz, Kupferglanz, Bleiglanz, 
Kupferlasur, Malachit, Erdkobalt ete.; darüber folgt 5—8 m 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 63 


mächtiger parallelopipedisch zerklüfteter Kalk, ‚das Horn- 
flötz“, sodann das obere Schieferflötz 0,15—0,30 m und end- 
lich 3—3,5 m Kalk mit Mergellagern. 


Die mittlere Abtheilung des Zechsteins besteht aus 
einer 30 m mächtigen Dolomitbildung; in der Nachbarschaft 
der Rücken ist sie in Eisenerze umgewandelt; die obere 
Abtheilung der Zechsteinformation sind der Plattendolomit 
und die Letten mit Gyps, welche dann vom Buntsandstein 
bedeckt werden. 


Die Erzablagerung geschah nun auf Gängen (Verwer- 
fer) und Lagern in unmittelbarer Nähe der Gänge. 


Die Kamsdorfer Gänge stellen ein System von Spalten 
dar, welche im allgemeinen von W—O streichen und unter 
50—80° NO fallen; es sind kleine Stufen, durch deren 
Vermittelung das Niedersinken des triadischen Vorlandes 
gegen die älteren eulmischen und devonischen Horste sich 
allmählich vollzieht. Wenn man von S nach N im Kams- 
dorfer Erzdistrikt über die Schichten hingeht, so nimmt in 
dieser Richtung die Zahl der Gänge ab, aber ihre Be- 
deutungals Verwerfer und Erzführer nimmt zu. Die 
Sprunghöhe der Verwerfung wechselt sowohl zwischen den 
einzelnen Gängen als an demselben Gange zwischen 0,2 
und 50m; die hangenden Schichten pflegen sich an der Sprung- 
höhe hinabzuziehen; die Spalten durchqueren alle Glieder des 
Zechsteins und gehen erzleer im Culm weiter. Den Verlauf 
der Gänge kann man an der Terrassen - und Grabenbildung 
der Oberfläche z. Th. erkennen. Der Verfasser schildert 
nun die Art der Verwerfungen näher: man findet einfache 
Sprünge, Flexuren ete. Auf die Eintheilung der einzelnen 
Ganggruppen können wir nicht näher eingehen und muss 
auf das Original im Jahrbuch d. königl. preuss. Landes-An- 
stalt 1833 verwiesen werden. 


Die Ausfüllung der Spalten ist eine sehr wechselnde: 
silberhaltige Fahlerze, silberleerer Kupferkies, Ziegelerz, 
Malachit und Kupferlasur: die Erzführung bleibt im Ganzen 
auf denjenigen Theil der Gangspalte, welcher zwischen 
den durch die Verwerfung verschobenen und von ein- 
ander entfernten Theilen des Weissliegenden und Eisen- 


64 1. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


kalks (mittl. Zechst.) liegt, beschränkt; sie ist nicht 
aushaltend, sondern vielfach durch leere Spalten unter- 
brochen, am Erz reichsten sind die Gänge zwischen den 
beiden gegen einander verschobenen Theilen des Kupfer- 
schieferflötzes; bei den Flexuren tritt der Erzreichthum be- 
sonders am Mittelschenkel hervor. Neben den Kupfererzen 
haben sich am rothen Berge auch Kobalt- und Nickelerze 
gefunden; mit der Hauptgangart von Schwerspath treten 
Kalkspath und Bitterspath auf. 

Die Mineralien der Gänge sind die folgenden: Antimon- 
und Arsenfahlerz (1528 auf dem Himmelfahrt-Bergmännischen 
Hoffnungs-Gange 15 cm mächtig doch nur auf 40 qm), Kupfer- 
kies aus dem Johannisgang bei Gosswitz (15 m>< 
40><14 m), Bleiglanz, Eisenkies, Schwerspath, Siderit, 
Rothnickelkies, Arsennickel, Speisskobalt, Nickelantimon- 
glanz, Haarkies, Kupferglanz, Antimonglanz, Malachit, 
Rothkupfererz, Kupfermanganerz und andere Zersetzungs- 
produkte des Kupferkieses, Kobaltblüthe, Symplesit, Erd- 
kobalt (schwarzer), Brauneisen, Pyrolusit, Wad, Kupfer, 
Silber, Arsen, Wismuth, Kalkspatı, Perlspatk, Aragonit, 
Barytocaleit, Asphalt und Gyps. Die Erze sind in drei Ni- 
veaus vertheilt. Im Culm, Weissliegenden und Mutterflötz, 
kommen mit Schwerspatı, Braunspath und Kalkspath 
hauptsächlich Fahlerz, Kupferkies, Rothnickelkiesund Speiss- 
kobalt vor; im mittleren Erzniveau d. h. im verschobenen 
Theile des Kupferschiefers und dem untersten Zechsteinkalk 
lagern: silberreiche Fahlerze, Kupfererze und gelber Erd- 
kobalt, Kobalt und Nickelblüthe, Pharmacolith und Symplesit; 
im obersten Erzniveau d. h. im Zechsteinkalk und Dolomit, 
des mittleren Zechsteins: Erdkobalt, Kupferlasur, Malachit, 
Kupfergrün und Brauneisen. 

Dem Alter nach folgen sich vom Aeltesten zum Jüng- 
sten: 1. Siderit, Fahlerz, Kupferkies, Bleiganz, 2. Schwer- 
spath und Siderit, Kobalt und nickelhaltige Kiese, 
Bitterspath, Caleit, Aragonit und die Zersetzungsproducte 
der Kupfer-, Kobalt- und Nickelerze, 3. Metalle und Gyps. 
Längs der Spalten sind im unteren und mittleren Zechstein 
die Kalke und Dolomite in Eisenstein (z. Th. in Spath- 
eisenstein) umgewandelt. 


1. Sächsisch- Thüringische Literatur. 65 


Besonders hervortretend sind das untere und obere 
Eisensteinflütz; das untere hat immer den oberen bitumi- 
nösen Mergelschiefer zum Hangenden, das obere liegt im 
Dolomit der mittleren Formations- Abtheilung. Die 
beiden Flötze verhalten sich ganz verschieden. Der Spath- 
eisenstein ist in der Nähe der Spalten am grobkörnigsten 
und wird weiter davon entfernt immer feinkörniger; viel- 
fach ist derselbe in Brauneisen verwandelt; hier und 
da hat man auch Kupfererzmittel im Eisenstein gefunden. 

Die Entstehung der Gänge steht mit der grossen im 
N. und S. des Thüringerwaldes verlaufenden Hauptver- 
werfung von tertiärem Alter in Beziehung; ebenso wie bei 
Schweina und Richelsdorf sich die grosse Verwerfung in 
viele kleine wenig mächtigere zersplittert, um sich sehliess- 
lich ganz zu verlieren und einer schliesslichen eoneordanten 
Auflagerung der Trias auf dem Zechstein Platz macht, so 
ist es auch hier. 

Die Gangfüllung ist durch Auslaugung des Nebengesteins 
entstanden. Zum Schluss verbreitet sich der Verfasser über 
Gewinnung und Statistik des Gebietes. Besonders möchten 
wir unsere Leser auf die kartographischen Beilagen auf- 
merksam machen; die eine Karte stellt den Verlauf der 
Gänge und die Lager auf einer geognostisch colorirten Karte 
1:25000, deren Aufnahme man der preusisschen Landes- 
Aufnahme verdankt, dar; während die andere Profile (1:600) 
(1:800) ete. durch die Lager und Spalten bringt. 


Halle a. S. Luedecke. 


Schreiber, Prof. Dr. A., Die Bodenverhältnisse im Bereiche 
des Ringstrassen- und Nordfront-Kanals in Magdeburg. 
Jahresberichtund Abhandlungen desnaturwissenschaftlichen 
Vereins in M. 1588, S. 73. 

Verfasser, schildert die Verbreitung des Culms, des Roth- 
liegenden des Grünsands und des Diluviums in dem oben 
angegebenen Raume. 

Derselbe, der Grundwasserstand in Magdeburg und 
seiner Umgebung ebd. S. 83. 

Verfasser schildert an der Hand genauer Aufnahmen 


den Stand des Grundwassers in Magdeburg und kommt zu 
Zeitschritt f, Naturwiss. Bd, LXIII, 1890. 5 


66 I. Thüringisch- Sächsische Literatur. 


dem Ergebniss, dass aus allen von ihm gesammelten That- 
sachen folgt, dass für den Stand des Grundwassers einer 
Gegend nicht allein deren Höhenlage, sondern zugleich 
die im Untergrunde anstehenden Erdschichten und Thal- 
einschnitte bestimmend sind. 

Derselbe, die Hafenanlage bei Neustadt-Magdeburg, 
ebd. S. 91. 

Im Gebiete der Culmgrauwacke hat man in M. drei 
Höhenrücken zu unterscheiden, welche wahrscheinlich unter- 
irdisch zusammenhängen. Der erste im Norden der Altstadt 
setzt sich in den Steinbrüchen der Steinkuhlenstrasse, Olven- 
stedts und an den felsigen Ufern der Olve Beverbei Gr. Ottmers- 
leben und Doenstedt fort; der zweite Höhenzug, welcher in 
den Steinbrüchken bei Magdeburg - Neustadt beginnt, 
setzt sich in Ebendorf, Dahlenwarsleben, Hundisburg und 
Nenhaldensleben fort; am dritten liegt der neue Hafen, 
derselbe geht nach Barleben und Vahldorf weiter. 

Halle a. S. Luedecke. 


Schreiber, Prof. Dr., in Magdeburg, die Bodenverhält- 
nisse von Magdeburg-Neustadt und deren Einfluss auf die 
Bevölkerung mit einer geologischen Karte. Jahrbücher 
und Abhandl. des naturwissenschaftl. Ver. in Magde- 
burs, 1837, 8. 1. 

Magdeburg-Neustadt steht auf einer Mulde von Culm- 
grauwacke, deren Inneres ausgefüllt wird durch tertiären 
thonigen Grünsand; auf diesen folgt eine diluviale Cong- 
lomeratschicht, deren Bindemittel Eisenoxydhydrat ist, darauf 
kommt eine 7—13 m starke diluviale Thonschicht, welche 
wieder von Lehm, Sand und Kies überdeckt wird. Die 
Thonschichten von M.-N. waren so undurchlässig und auch 
der Abfluss der Abwässer ein so geringer, dass dadurch 
das gesammte Grundwasser verdorben wurde, und die 
Sterblichkeit hier die höchste überhaupt bekannte Ziffer 
erreichte. Seit man nun eine Wasserleitung anlegte, welche 
das Wasser anderwärts herbezog und die Stadt canalisirte, 
fiel sofort die Sterblichkeitsziffer bedeutend. Auf der Karte 
ist die Verbreitung der Formationen dargestellt. 


Halle a. S. Luedecke. 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 67 

Reidemeister, Prof. Dr. O., Mineralogische Notizen, 
Jahresber. und Abhandlungen des naturwissenschaftlichen 
Vereins in Magdeburg. 1887. 8. 71. 

Verfasser weist nach, dass die sogenannten Pseudomor- 
phosen von Kalkspath nach Gaylusit nicht Pseudomor- 
phosen nach diesem Minerale sein können, wie dies auch 
E. S. Dana in seiner Schrift über den Thinolit dargethan hat; 
das Mineral, nach welchem der kohlensaure Kalk hier 
pseudomorph ist, ist demnach noch unbekannt; die Fund- 
stücke der Pseudomorphosen liess sich an Ort und Stelle 
nicht mehr feststellen. Sodann bespricht er die Kupfer- 
schiefergruben bei Obersdorf, die Gypsschlotten und endlich 


erwähnt er ein neues Vorkommen von Wavellit — wohl 
selten am Harze — vom Auersberg bei Stolberg. 
Halle a. S. Luedecke. 


Reidemeister, eine mineralogische Wanderung durch den 
östlichen Harz. Jahresber. und Abhandlung des natur- 
wissenschaftl. Vereins in Magdeburg. 1837. 8. 57. 

Der Verfasser hat die Minerallagerstätten des öst- 
lichen Harzes aufgesucht und die gemachten Funde auf- 
gezählt; so hat er den Zinnober und das Amalgam im Silber- 
bach bei Wieda, die Mangangruben bei Ilfeld, die Gruben 
bei Stolberg, am Auersberg, an dessen güldenem Altar 
„ein mir bekannter Steiger“ Goldkörnchen ausgewaschen 
hat, besichtigt; auch Wolfsberg, Neudorf, Strassberg, Harz- 
serode und Tilkerode, wo er auf den alten Halden wirk- 
lich noch Selenverbindungen aufgefunden hat, besuchte er. 

Derselbe, Mineralogische Notizen (aus Magdeburg) ebd. 

Eine ganz interessante Aufzählung von Mineralien, welche 
in denSammlungen der Herren Joh. Brunner, Gustav Schmidt, 
O. Reidemeister und derG@uericke-Realschule aufgestellt wird; 
allen Interessenten sei dieselbe bestens empfohlen; der Referent 
kann aus eigenes Erfahrung mittheilen, dass selbst der Fach- 
mann nicht unbefriedigt die mit grosser Liberalität ge- 
zeigten Sammlungen verlassen wird. 

Halle a. S. Luedecke. 


J. G. Bornemann, Ueber den Buntsandstein in 
Deutschland, seine Bedeutung für die Trias nebst Unter- 
Hr 


68 1. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


suchungen über Sand und Sandsteinbildungen im Allge- 
meinen mit 3 Tafeln und 3 Abbildungen im Text. Jena, 
Fischer. 

Unser Verein hat als thüringisch - sächsischer die 
Pflicht, Veröffentlichungen, welche das Vereinsgebiet be- 
treffen, zu besprechen. Darum gehen wir an dieser 
Stelle auf J. G. Bornemann’s Aufsatz im Jahrbuche der 
geologischen Landesanstalt über den Muschelkalk und auf 
die obige Schrift ein. 

Der Verfasser theilt zwar in der letztgenannten Schrift 
sehr beachtenswerthe Beobachtungen mit. Seine Wahr- 
nehmungen über Sandsteinbildungen der Gegenwart bei 
‚Piseinas auf Sardinien, seine Erfahrungen über die Zerstör- 
ungskraft der brandenden Wellen, seine Untersuchungen 
der Fährtenplatten von Harras bei Hildburghausen und 
ihre Einzelheiten sind sehr lehrreich. Indess verknüpft er 
diese Darstellungen mit Zusammenstellungen eigener und 
fremder Angabe von sehr ungleichem Werthe, hat manche 
der aufgenommenen Literaturangaben nicht richtig verstan- 
den und gelangt so zu Trugschlüssen, die das Ergebniss 
vieler mühsamer und gewissenhafter Beobachtungen über 
die Lagerungsfolge unserer Flötzgebirgsglieder umstossen 
sollen. 

Halle a. S. v. Fritsch. 


E. Dunker, Temperaturbeobachtungen im Bohrloch zu 
Schladebach bei Merseburg. 

Das tiefste Bohrloch der Erde, welches durch die 
preussischen Bohringenieure bei Merseburg niedergebracht 
worden ist, durchteuft das Diluvium, den Buntsand- 
stein, den Zechstein, das Rothliegende, die Steinkohlenfor- 
mation (jedoch ohne Kohle) und erreicht das Oberdevon. 

Es hatte das Bohrloch auf 584 m Länge eine 

Weite von 120 mm, auf 104m „ h 
De Nodar. ; 
nn ln » 

5 „ 50 „ ,‚von1376 m an hatte es nur noch 
die Weite von 48 mm. 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 69 


Aus den sehr sorfältigen Beobachtungen des Autors 
folgt, dass für eine Zunahme der Tiefe von 35,7 m die 
Wärmezunahme 1°C beträgt — also ein ganz ähnliches 
Resultat wie es derselbe Autor bei dem bekannten Bohr- 
loche von Sperenberg (hier stieg bei einer Tiefenzunahme 
von 33,7 m die Wärme ebenfalls um 1°C) gefunden hat. 
(N. Jahrbuch £. Mineralogie 1889 I S. 29. 

Halle a. S. Luedecke. 


C. G. Friderich, Naturgeschichte der deutschen 
Vögel, einschliesslich der sämmtlichen Vogel- 
arten Mitteleuropas. 4. Auflage. Stuttgart, Verlag 
von Julius Hoffmann. 

Hier liegt ein Buch vor, das wir unseren Mitgliedern, gerade 

im Interesse der Kenntniss und Beobachtung des heimischen 

Thierlebens — dringend empfehlen müssen. Die Firma ist ja 

bekannt durch die Gediegenheit, mit der sie Bücher bringt, 

welche strenge Wissenschaftlichkeit mit bester Popularisirung 
zu gediegenemNutzen des Praktikers, Sammilers und Naturlieb- 
habers verbinden; es sei nur an Berge’s Schmetterlinge, an 

Calwer’sKäfererinnert. Wirhaben ebennichts Aehnliches und 

alle Anleitungenfür die Jugend, für die Naturfreundeete. stelien 

entweder Auszüge aus jenen dar oder lehnen sich doch in 
irgend einer Weise daran an. Vollständigkeit für das 

Studium der Heimath, so weit es nicht den speciellen 

Zoologen vom Fach obliegt, wird doch nur in diesen in 

ihrer Weise klassischen Werken geboten, die in unserem 

Volke die allerweiteste Verbeitung verdienen. Friderich’s 

Buch, das uns in den ersten vier Lieferungen vorliegt, ist 

in dieser Neubearbeitung ausgezeichnet im Stande, die 

vielen Bestrebungen zum Schutze der Vogelwelt, die sich 
in dem gerade bei uns blühenden Vereine, in massenhaften 

Artikeln der Tagespresse, in der Beschäftigung der Par- 

lamente mit gesetzlicher Regelung etc. etc. kundgeben, zu 

unterstützen oder, wenn wir so wollen, überhaupt zu fun- 
diren. Jeder kundige weiss, wie rathlos er sehr vielen 

Vögeln in der verschiedenen Tracht (nach Alter, Geschlecht 

und Jahreszeit) als Anfänger gegenüberstand. Naturgemäss 

hat er sich dabei zunächst an die lebhaftere Färbung der 

Männchen zu halten und von ihnen aus dann, nach dem 


70 I, Sächsisch- Thüringische Literatur. 


Zusammenleben, Betragen etc. die unscheinbaren Jungen 
und Weibchen kennen zu lernen. Aber das ist und bleibt 
immer sehr schwierig, ohne einen genügenden Anhalt in 
Abbildungen. Dieser wird zunächst hier auf das Treff- 
lichste geboten. Jeder Lieferung (es sollen 24 erscheinen) 
sind zwei Tafeln beigegeben mit etwa 7—10 farbigen 
Vogelbildern, so dass im Ganzen über vier hundert zu er- 
warten sind. Bei so starken Unterschieden in der Tracht 
der Geschlechter, wie sie die Enten zeigen, sind auch 
Pärchen abgebildet. Dass die Farben hier und da (z. B. 
bei der Bartmeise) ein wenig grell ausfallen, ist einmal 
ohne Aufwendung ausserordentlicher Mittel kaum zu um- 
gehen, sodann aber durchaus kein Fehler. Einmal müssten 
bei stärkerer Auflage manche Abzüge sonst zu matt aus- 
fallen; und zweitens ist es gerade für den ersten Blick viel 
besser, die Merkmale des Colorits fallen zu sehr in die 
Augen als zu wenig. Von diesem Gesichtspunkte aus sind 
die reizenden Tafeln nur lobenswerth. Naturgemäss ist die 
Grösse reducirt, aber auf jeder Tafel gleichmässig, so dass 
die Thiere, die sich auf einmal dem Auge darbieten, in 
riehtigen gegenseitigen Verhältnissen sich zeigen. Selbst- 
verständlich sind die grösseren, (von denen eine Tafel mit 
Falken und eine mit Enten beigefügt sind) stärker verklei- 
nert als die Sänger; eine einheitliche Reduction wäre 
Unsinn. 

Der Text verdient dieselbe Anerkennung. Bei der un- 
heimlichen Synonymik, die leider das System der Vogel- 
welt beherrscht, folgt bei jeder Art auf die Aufzählung der 
anderen Namen die ganze Liste der wissenschaftlichen Be- 
zeichnungen, was schliesslich ein unfangreiches Register 
erfordern wird, um den vollen Nutzen zu bringen. Eben- 
so wie diese speciell wissenschaftliche Finesse ist die aus- 
führliche Beschreibung in kleinem Druck gegeben, das 
Hauptgewicht der ganzen Schilderung aber auf die Biologie 
gelegt. Geographische Verbreitung, Lebensweise, Betragen 
während der Brutzeit, Liebesspiele, Brutgeschäft, Nestbau, 
Nahrung, geistige Eigenthümlichkeiten, das sind die Punkte; 
die mit Recht den meisten Raum einnehmen. Benehmen in 
der Gefangenschaft, Ernährung, Fangmethode, Krankheiten, 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 71 


alle diese Fragen werden ausführlich in Betracht gezogen, 
die Heilung der Krankheiten soll einen besondern Abschnitt 
erhalten. Der Gesang wird billigerweise möglichst ver deut- 
licht, da sich die vorliegenden Lieferungen nur mit Sängern 
abgeben. Die Schilderungen mögen sich etwa an Brehm’s Mus- 
ter anlehnen, nur systematischerund auf die einheimischen be- 
schränkt. Um von der Umfänglichkeit einen Begriff zu geben, 
sei erwähnt, dass auf die Nachtigall, die den Anfang macht, 
ein Bogen kommt, auf das Rothkehlehen weiterhin ein Viertel. 
Format Gross-Oktav, etwa wie Brehm. Wie sehr auch die 
seltneren Gäste berücksichtigt sind, zeigen nicht weniger 
als acht fremde Drosselm, Turdus mollissimus, dauma, 
obseurus, pallidus, ruficollis, fuseatus, Naumanni und sibiri- 
cus, die sämmtlich beschrieben und von denen drei sogar 
ıit abgebildet sind. Der Preis von 1 Mk. pro Lieferung 
von 2 oder 3 Bogen und 2 bunten Tafeln muss angesichts 
der Ausstattung als sehr niedrig bezeichnet werden. Möge 
das Werk sich möglichst viel Eingang verschaffen zu Nutz 
und Frommen der Vogelwelt und noch mehr der Naturliebe 
und Naturkunde! 

Gohlis - Leipzig. | Simroth. 
Carl Russ, Das heimische Naturleben im 

Kreislauf des Jahres. Ein Jahrbuch der Natur. 

Berlin. R. Oppenheim. Lieferung 1; 0,80 Mk. 

Ein eigenthümliches, vielseitigesUnternehmen, das fürjeder- 
mann, derim Freien zu thunhat, ein Rathgeber werden will, für 
Landwirthe, Gärtner, Landpastoren und -lehrer, Jäger und 
Förster, Jagdliebhaber und Fischereiberechtigte, alle Na- 
turfreunde schlechthin. Wasalles darin zu finden ist, zeigt 
am besten eine Inhaltsübersicht dieser Lieferung, die auf 
45 $. den Januar behandelt (die letzten 3 gehören dem 
Februar). Thierleben, schlafend und wachend, Pflanzenleben, 
Jagd, Forstwirthschaft, Fischfang, Fischzucht, Austern- und 
Meermuschelfang, Landwirthschaft, Blumengärtnerei, Ge- 
müsegarten, Obstgarten, Hausthiere, Stubenvögel, Bienen- 
stand, Vogelschutz, Futterplätze, Gesundheitspflege, Haus- 
wirthschaft, — germanisch-mythologische Beziehungen, 
Tagesnamen, nach den Geburtstagen hervorragender For- 
scher und Erfinder (1—14); soweit eine allgemeine Schil- 


7) I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


derung. Dann ein zweiter Abschnitt ähnlicher Inhalts, 
aber als Aufzählung der einschlägigen Species, nach ihrem 
Verhalten geordnet; für die Praxis sind die Regeln zu- 
Sammengestellt, die man sonst in einzelnen Handbüchern 
zerstreut suchen muss (15—37). Der Schluss ist de? Him- 
melskunde und Meteorologie gewidmet. Wir haben es also 
mit einer Sammlung von Angaben zu thun, die bestimmt 
erscheint, an Stelie vieler speciellen Rathgeber eine ge- 
schlossene Uebersicht zu bieten und so, wie des Verfassers 
viele bekannte Bücher, sich sicherlich eines guten Absatzes 
erfreuen wird. Denn wer vieles bringt, wird allen etwas 
bringen. Den Monaten entsprechend sind 12 Lieferungen be- 
absichtigt. 
Gohlis- Leipzig. Simroth. 


R. Schröder, Unio Koesteri spec. nov. von Möckern 
bei Magdeburg. Schriften des naturw. Vereins d. Harzes 
Les IV. >> 

Neue Muschel zu Ehren des Sanitätsrath Köster in 
Naumburg benannt. 

Petry, Arthur, Dr.. phil. Die Vegetationsverhält- 
nisse des Kyffhäuser-Gebirges. Inaugural-Dissertation der 
philosophischen Fakultät der vereinigten Friedrichs-Uni- 
versität Halle - Wittenberg vorgelegt. Halle a. 5. 1889. 
Verlag von Tausch & Grosse. 

In einem einleitenden Abschnitte werden die Grenzen 
des behandelten Gebietes besprochen. Das Kyffhäuser-Ge- 
birge, zwischen 51° 22! und 51° 26! Br. sowie 10° 56! und 
11° 13! L. gelegen, gehört fast ganz dem unterherrschaft- 
lichen Theile des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt an 
und bildet einen der nördlichsten von jenen Höhenzügen, 
welche zwischen Harz und Thüringer Wald meist in west- 
nordwestlicher Richtung verlaufen. Seine Grenzen sind auf 
drei Seiten durchaus scharfe und wenn man die einen ge- 
nau zu verfolgenden Grenzlinien zu Grunde legt, so ergiebt 
sich ein Areal von 75,3 qkm. Nachdem der Aufbau des 
Gebirges in geoznostischer Beziehung ete. erörtert ist, wird 
in einem folgenden Abschnitte die floristische Literatur des 
Kyffhäusergebirges erwähnt. 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 713 


Die Zusammensetzung der Vegetation. Die im Gebiete 
vorkommenden Arten werden aufgeführt und es ergeben 
sich daraus 918 Arten Gefässpflanzen, wovon jedoch dem 
Kytfhäuser-Gebirge selbst nur 359 zukommen. 

Der Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der 
Pflanzen wird eingehend und umfassend erörtert, sowohl 
in Bezug auf die verschiedenen Formationen, wie auch in 
chemischer und physikalischer Hinsicht. Es wird die be- 
reits viel erörterte Frage geprüft, ob das chemische oder 
das physikalische Verhalten des Bodens entscheidend für 
das Vorkommen bestimmter Pflanzenarten sei. Die Salzflora 
ist in dem in Rede stehenden Gebiet eine reiche, denn von 
sämmtlichen in Mitteldeutschland vorkommenden Arten 
fehlen blos sieben. Für Kalkpflanzen ist ein Verzeichniss 
von 150 soleher Arten aufgestellt, die im Kyffhäuser-Ge- 
birge nur auf Boden mit ansehnlichem Kalkgehalt vorkom- 
men. In einem andern Verzeichnisse von 45 Arten werden 
solche aufgeführt, die nur auf kalkarmem, kieselreichen 
Boden auftreten. 

Die pflanzengeographische Stellung der Kyffhäuser- 
Flora, die verschiedenen Faktoren, wie Klima, Boden 
u. 8. w., welche die Zusammensetzung der Flora bedingen, 
werden dem Gebiete entsprechend erörtert und führen den 
Verfasser unter anderem zu dem Ergebnisse, dass das Kyff- 
häuser-Gebirge ausgezeichnet ist durch eine grosse Zahl 
seltener Pflanzen überhaupt, dass ferner aber auch der 
Grad der floristischen Verwandtschaft mit den einzelnen 
Gebieten ausserordentlich verschieden ist, indem sehr viele 
Arten dem Westen und namentlich Nordwesten Deutsch- 
lands fehlen, während umgekehrt keines der verglichenen 
Länder eine solche Uebereinstimmung zeigt wie das süd- 
östlich gelegene Böhmen. — Den botanisirenden Besuchern 
des Kyffhäuser-Gebirges bietet das Werk manche werth- 
volle Anhaltspunkte, um so mehr, da jetzt unter den bota- 
nischen Disciplinen diese Richtung etwas vernachlässigt wird. 

Halle a. S. leer 


Il. Allgemeine Literatur. 


Ule, W., Die Tiefenverhältnisse der Masurischen Seen. 
Berlin, A. W. Schade’s Buchdruckerei. 


Die vorliegende Habilitationsschrift schliesst sich ihrer 
Absicht nach der Arbeit des Verfahrens über die Mans- 
felder Seen an; er versucht, auf Grund orographischer 
und geologischer Forschungen ein Bild zu geben über 
den jetzigen Bestand und die Bildung dieser auch land- 
schaftlich schönen Seen. Er schliesst: 


„Die grossen orographischen Züge des Landes sind 
wahrscheinlich durch die jüngstzeitlichen tektonischen Vor- 
gänge in der Erdkruste hervorgebracht worden; unabhängig 
davon haben dann die von N. vordrängenden Gletscher 
durch Aufschüttung und Ausräumung die grossen Boden- 
senken des Landes geschaffen, allmählig erweitert und ver- 
tieit; vorwiegend aber hat die erodirende Kraft der Schmelz- 
wässer, welche in verhältnissmässig geringen Massen, doch 
während langer Zeit in häufig wechselnden Strombetten zur 
Wirkung kamen, dem Boden die jetzige Gestalt gegeben, 
wobei die liegengebliebenen Eisschollen und das wahr- 
scheinlich noch in dem Gletscher eingegrabene Gesteins- 
material zur Vervielfältigung der Oberflächenformen bei- 
trug, und ausserdem auch einige durch grössere Neigung 
des Bodens entstehende Wasserfälle in die sonst ebene 
Thalung tiefere Löcher eingruben.“ 


Halle a. S. Luedecke. 


II. Allgemeine Literatur, 75 


Die Projeetionskunst für Schulen, Familien und 
öffentliche Vorstellungen, nebst einer Anleitung zum 
Malen auf Glas und Beschreibung optischer, magnetischer, 
chemischer und electrischer Versuche. IX. vermehrte 
Aufiage mit 119 Abbildungen, Düsseldorf, Ed. Liesegang’s 
Verlag 1889. 


Allen, welche sich für das Projieiren von Bildern, Ex- 
perimenten ete. interessiren, können wir vorliegendes Bü- 
chelchen empfehlen; dass dasselbe im Publikum Anklang 
gefunden hat, ergiebt sich von selbst, da es bereits die 
neunte Auflage erlebt. Der Verfasser bespricht in sach- 
semässer Weise das practische Verfahren in verschiedenen 
Fällen, ohne sich auf irgend welche theoretische Deduetionen 
einzulassen. Er ordnet den Stoff in folgende Kapitel: 1. 
die verschiedenen Lichtquellen, 2. das optische System des 
Apparates, 3. Laternen mit Oelbeleuchtung, 4. Sciopticon, 
5. Kalklieht, 6. Wasserstoffbereitung dazu, 7. das Kalk- 
licht im Seiopticon, 8. die Projectionsbilder, 9. Malen von 
Glasbildern mit Wasserfarben, 10. dasselbe mit Diaphan- 
farben, 11. Experimente physikalischer und chemischer 
Natur im Apparat gezeigt, 12. Ueber den dabei gehaltenen 
Vortrag. Einer besonderen Empfehlung bedarf das zweck- 
mässig ausgestattete Buch nicht. 

Halle a. S. Euledecke. 


Katzer, Geologie Böhmens. 2. Abtheilung (Bogen 
21—41). Prag. Verlag von Isidor Taussig. 

Auf die erste Abtheilung dieser verdienstvollen Zu- 
sammenstellung der Geologie Böhmens haben wir bereits 
hingewiesen (diese Zeitschrift Bd. 62 S. 366). In dieser 
zweiten Abtheilung wird noch das krystallinische Gebirge 
behandelt und zwar zuerst das eigentliche Erzgebirge; er 
theilt dieses archaeische Schiefergebirge in folgende Ab- 
theilungen ein: 1. Granulit, 2. Hauptgneiss, 3. Glimmer- 
schiefergneiss und dichten Gneiss, 4. Muscovitgneiss, 5- 
Glimmerschisfer, 6. Plattener, Taubenfelser, Goldenhöbler 
Hornblendeschiefer und Phyllit, 7. Lauterbacher Serieit- 
schiefer, 3. Dachschiefer von Kirchberg. Nach Laube ge- 


76 II. Allgemeine Literatur. 


hören 1 und 2 der bojischen Gneissformation Gümbels, 3 
und 4 der hercynischen Gneissformation an, 5. gehört der 
Glimmerschieferformation und die übrigen der Phyllitfor- 
mation an. Daran schliesst er die Betrachtung ähnlicher 
Formationen im Lausitzer und Ieschkengebirge, im Iser- 
gebirge, Riesengebirge, Adlergebirge, Eisengebirge, Saarer 
Gebirge und im mittelböhmischen Urschiefergebirge. 

Ueberall folst in den einzelnen Kapiteln, auf eine 
Schilderung der allgemeinen orographischen Verhältnisse, 
eine genaue Beschreibung der einzelnen Formationsglieder, 
deren Bestandmassen und der Erzführung; daran schliessen 
sich Schilderung von z. Th. Originalprofilen (mittelböh- 
mischen Urschiefergebirge) und Lagerungsverhältnissen, zu 
deren Illustration eine grosse Anzahl von Karten und Pro- 
filen reprodueirt werden. 

Die Schilderung des mittelböhmischen Urschiefergebirges 
stützt sich zum grossen Theil auf Forschungen, welche 
der Autor hier selbstständig durchgeführt hat und welche 
z. Th. hier zum ersten Male gegeben werden. 

Das anfangs auf 40 Bogen veranschlagte Werk dehnt 
sich weiter aus und wird die letzte Abtheilung im Som- 
mer dieses Jahres erscheinen. Möchte das gutausge- 
stattete Werk recht bald vollständig vor uns liegen. 

Halle a. S. Luedecke. 


G. Steinmann und L. Doederlein, Elemente der 
Paleeontologie. Mit 1030 Figuren im Text. 843 pp. Leip- 
zis 1390. Engelmann. 

Das vorliegende Werk sollte eine „kurze Zusammen- 
fassung des Wissenswerthen aus dem Gesammtgebiete der 
Versteinerungskunde“ geben, etwa wie Credner’s vortreff- 
liche Elemente der Geologie. Im Laufe des Fortschreitens 
haben die Verfasser jedoch den Plan geändert: sie haben 
die Phytopalaeontologie ganz bei Seite gelassen, weil un- 
terdessen zwei Werke erschienen sind, welche dieses Ge- 
biet behandeln (Solms - Laubach, Einleitung in die Palaeo- 
phylologie, vergl. diese Zeitschrift Bd. 60 S. 491, und 
Schenk, Phytopalaeontologie). Trotzdem umfasst das Werk 
53 Bogen, obgleich aus der ungeheuren Masse von Stoff 


II. Allgemeine Literatur. 77T 


nur das absolut Nothwendigste ausgewählt worden ist. 
Nach einer Einleitung, in welcher die Begrenzung und 
die Ziele der Palaeontologie dargelegt werden, die Un- 
vollständigkeit der überlieferten Reste auseinandergesetzt, 
der Erhaltungs-Zustand der thierischen und pflanzlichen 
Fossilien besprochen, das Alter und Vorkommen geschildert 
wird, und endlich syncehronistische Tabellen gegeben wer- 
den, geht der Verfasser zur Eintheilung des Stoffes über. 
Er theilt den Stoff in 10 Kreise: I. Protozoa, II. Spongia, 
III. Coelenterata, IV. Vermes, V. Echinodermata, VI. Mollus- 
coidea, VII. Mollusca, VIII. Arthropoda, IX. Tunrieata, 
X. Vertebrata. 

Bei jedem einzelnen Kreise wird zuerst eine allge- 
meine Beschreibung mit guten Abbildungen gegeben, die 
für Beschreibung der einzelnen Dinge nothwendigen Fach- 
ausdrücke erklärt und eine Eintheilung in den betreffenden 
Unterordnungen gegeben. Bei letzteren finden wir eine 
Aufzählung der vorhandenen Literatur. 

Bei den Wirbellssen ist im Allgemeinen von stammes- 
geschichtlichen Beziehungen abgesehen, nur bei den Ce- 
phalopoden ist eine solche gegeben; dagegen ist dieselbe 
bei den Wirbelthieren in den Vordergrund geschoben; be- 
sonders in Betracht gezogen sind deswegen auch die reich- 
haltigen amerikanischen Forschungen über diesen Gegenstand, 

Die Beschreibungen sind durch eine grosse Reihe vor- 
züglicher von K. Scharfenberger in Strassburg ausgeführter 
Holzschnitte (z. Th. Originale) erläutert. 

Umfasst das Buch auch nicht die gesammte Palaeonto- 
logie, so dürfte es wohl gegenwärtig dasjenige von den 
vorhandenen Lehrbüchern sein, welches sich am besten zum 
Zwecke des Selbststudiums eignet, indem es die rechte 
Mitte hält zwischen dem voluminösen Zittel und dem allzu 
kurzen Haas; allen Studirenden und sonstigen Freunden der 
fossilen Thierwelt sei das vorzüglich ausgestattete Buch 
bestens empfohlen. 

Halle a. S. Luedecke. 


Potonie, H. D. Die systematische Zugehörigkeit der ver- 
steinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxylon) in den pa- 


78 II. Allgemeine Literatur. 


läolithischen Formationen. Mit 1 Tafel. Separat-Abdruck 
aus der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“. Allge- 
meinverständliche naturwissenschaftliche Abhandlungen. 
Heft 7. Berlin 1889. Verlag von HermannRiemann. 

Früher glaubte man, erörtert Verfasser, dass die häufig 
als Steinkerne vorkommenden, jetzt als Markkörper von 
Cordaiten-Stämmen erkannten Artisien ganzen Stamm- 
stüicken entsprächen und hielt demgemäss ihre die Ober- 
fläche charakterisirenden und in Wirklichkeit also den 
Markdiaphragmen entsprechenden Querfurchen für die An- 
heftungsstellen von Blättern. Auch die Tylodendron-Petre- 
fakten sind nun — wie Verfasser an verkieselten, also 
mikroskopisch untersuchten Stücken nachgewiesen hat — 
keineswegs, wie bisher angenommen wurde, ganze, resp, 
entrindete Stammstücke, sondern ebenfalls nur Markkörper, 
die jedoch nach allem, wodurch sie sich auszeichnen, auf 
ihre systematische Zugehörigkeit zu den Araukarien also 
auf echte Koniferen weisen. 

Verfasser glaubt nachgewiesen zu haben, dass uns die 
bisherigen Kenntnisse bis auf weiteres zu der Annahme 
nöthigen, dass die Wälder der Schichten, in denen Tyloden- 
dron bis jetzt gefunden worden ist: also der oberen Stein- 
kohlenformation und des Perm, in der That von Arau- 
karien-ähnlichen, quirlig verzweigten Koniferen geschmückt 
wurden. — Nach den Ausführungen des Verfassers hätten 
wir die beiden Gymnospermen- Gattungen: 

1. Cordaites. 

Holz=Araucaroxylon v. TypusA. Brandlingii (-Cordaioxylon). 
Mark=Artisia. 
Belaubung=Blätter von Monoeotylen-Typus, für welche der 
Name Cordaites ursprünglich allein geschaffen war. 
2. Araucarites. 
Holz=Araucarioxylon vom Typus A. Rhodeanus. 
Mark= (soweit dasselbe besonders gross ist und sich erhal- 
ten zeigt) Tylodendron. 
Belaubung=Walchia? 
Halle a. S. Heyer. 


H.J. Kolbe, Einführungin d. Kenntniss d. Insekten. 
Berlin. Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung. 


II. Allgemeine Literatur. 79 
DasBuchsollnacheinander berücksichtigen :die Anlehnung 
an die übrige Thierwelt, die Uebersicht über die äussere und 
innere Beschaffenheit des Körpers, die Lebensverhältnisse, 
den Einfluss der umgebenden Natur, die Entwickelung, die 
geographische Verbreitung, die Lebensbedingungen (wie sind 
diese von den Lebensverhältnissen und dem Einfluss der 
umgebenden Natur zu trennen?), Geistesleben, Krankheiten, 
Nutzen und Schaden; Uebersicht über die Literatur, prak- 
tische Winke für die Bestimmung, Aufbewahrung der Kerfe, 
für die Herstellung von anatomischen Präparaten; berech- 
net ist es auf 6—8 Lieferungen & 1Mk. Die beiden ersten 
Lieferungen setzen mit der Zelllehre ein; es folgt Einthei- 
lung der Thiere, Eintheilung der Arthropoden. Die Beschrei- 
bung des Körperbaues beginnt mit der Haut und beschäf- 
tigt sich namentlich mit den Schuppenbildungen und Secre- 
ten; dann wird ausführlich die Färbung besprochen, Farb- 
stoffe, Einfluss der atmosphärischen Feuchtigkeit, der Tem- 
peratur, des Lichtes, der Nahrung; Melanismus, Albinismus, 
die farbigen Zeichnungen etc. Der Verfasser schwankt 
wohl etwas hin und her betrefis des Grades von Populari- 
sirung, mit der er seine Stoffe behandeln soll. Das ist ja 
eine schwierige Frage. Aber man braucht doch deshalb 
noch nicht Zellflüssigkeit für Protoplasma mit seiner Gerüst- 
struktur zu setzen, wenn man nachher z.B. bei den Farb- 
stoffen alle die chemischen Ausdrücke anwendet, die 
Krukenberg eingeführt hat. Man sollte nicht zu ängstlich 
sein darin. Indess wer auch mit der Art der Darstellung 
nicht immer ganz einverstanden sein sollte, wird doch die 
grosse Solidität, mit der alles Neue und und Interessante 
auf dem so wichtigen Gebiete der Färbung zusammenge- 
bracht ist, in hohem Masse anerkennen müssen. Er findet 
hier eine Summe der wichtigsten Einzelbeobachtungen, die er 
sich selber nicht leicht aus der weit zerstreuten Literatur 
zusammenholen könnte. Und zum genaueren Studium ist 
die Literatur gewissenhaft verzeichnet. Die Schätze des 
Berliner Museums sind herangezogen. Namentlich der 
ersten Lieferung sind eine Menge von Holzschnitten mit- 
gegeben, manche im Lapidarstyl gehalten. 
Gohlis-Leipzig. Simroth. 


110) II. Allgemeine Literatur. 


—_ 


Dr. Robert Wittmann, Die Bakterien und die Art 
ihrer Untersuchung. Allgemein-verständl. naturw. Ab- 
handlungen. Heft 6. 1 Mark. 


Dieser Abdruck aus der naturw. Wochenschrift (mit 8 
Holzschnitten) ist jedenfalls ein sehr guter Griff. Das erste 
Kapitel giebt eine Uebersicht über die Formen und Lebens- 
bedingungen der Bakterien, Abiogenesis und einschlägige 
Fragen, das zweite längere behandelt die Untersuchungs- 
methoden, die Züchtung auf verschiedenen Nährböden, die 
Prüfung von Luft, Wasser und Boden. Die einfachen 
klaren Abbildungen erleichtern das Verständniss ungemein 
Es könnte kaum ein zeitgemässeres Thema gewählt und 
klarer behandelt werden. 


Gohlis-Leipzig. Simroth. 

Dr 32 6 Mrancke, Die Kreuwzotter  Natuuer 
schichteund Fangderselben. MitbesondererBe- 
rücksichtigungder Bisswunden-Behandlung, ge- 
mein-verständlichdargestellt. Dresden. Hofverlag 
R. von Grumbkow. 

Trotz der früheren Lenz’schen Bemühungen hat 
die Kreuzotter höchstens in Thüringen abgenommen, 
Unglücksfälle sind noch häufig genug. Die Behörden 
haben sich neuerlich verschiedentlich veranlasst ge- 
sehen, Fangprämien zu zahlen, um die Vertilgung des 
fürchterlichsten Thieres, das wir in Deutschland haben, 
möglichst zu befördern. Diese Bestrebungen will das vor- 
liegende Werkchen unterstützen. Es ist dazu vortrefflich 
geeignet. Die Darstellung ist klar und deutlich und wird 
durch die guten Abbildungen, namentlich zwei der farbigen 
von Lenz, wesentlich gefördert. Neben der Ringelnatter 
hätte wohl auch die Haselnatter einen Holzschnitt verdient, 
doch sind die Beschreibungen auch hinreichend. Möchten 
die Kreise, an die sich das Büchlein wendet, Gemeindebe- 
hörden, Lehrer u. s. w., es nicht unbeachtet lassen. Wer 
irgendwie der Frage praktisch näher treten will, findet 
gute und reiche Belehrung. 


Gohlis-Leipzig. Simroth. 


II. Allgemeine Literatur. 81 


Sehumann, K. Dr., Kustos am Königl. botanischen 
Museum in Berlin. Die Ameisenpflanzen. Mit einer Tafel. 
Heft 83 der Sammlung gemeinverständlicher wissenschaft- 
licher Vorträge, begründet von Rud. Virchow und Fr. 
von Holtzendorf, herausgegeben von Rud. Virchow, 
Hamburg. Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. 
F. Richter) 1889. 


Es ist schon länger bekannt, dass Ameisen für Bäume 
insofern nützlich sein können, dass sie diese vor Raupen 
schützen, während die Bäume von den Ameisen fleissig 
besucht oder auch bewohnt werden. Es besteht hier also 
ein Zusammenleben, welches für die Existenz beider Theile 
vortheilhaft ist. Man hat aber Pflanzen entdeckt, bei wel- 
chen dieses Zusammenleben eine hohe Ausbildung erlangt 
hat, so. dass man bei diesen zu der Ansicht gelangt ist, 
sie hätten sich den sie bewohnenden Ameisen angepasst. 


In Mittelamerika werden die hohlen Stammglieder der 
Ceeropien von drei verschiedenen Ameisenarten bewohnt, 
im Süden von Brasilien wird in den Bäumen nur eine ein- 
zige Art, die Azteca instabilis Sm., gefunden. Kommt man 
dem Baume mit Vorsicht nahe, so sieht man die Thierchen 
auf dem Stamme und auf den Blättern emsig umherlaufen, 
eine besonders grosse Zahl macht sich aber nicht gerade 
auffällig bemerkbar. Ganz anders aber wird das Bild, 
wenn der Stamm unsanft berührt, oder gar umgeschlagen 
wird. Dann stürzen aus allen Oeffnungen ungemessene 
Sehaaren in grösster Wuth heraus und werfen sich auf den 
Friedensstörer, den sie höchst empfindlich durch äusserst 
schmerzhafte Bisse zu belästigen wissen. 


Zur Besiedelung junger Pflanzen dringt ein trächtiges 
Weibchen bis zu einer bestimmten Stelle vor, durchbeisst 
diese und dringt dann in das Innere des hohlen Stamm- 
stückes ein, wo es seine Eier ablegt. Die durchbissene 
Stelle verwächst wieder, d. h. es bilden sich Wucherungen 
und besonders reichlich nach innen, die hier blumenkohl- 
ähnliche Gestalt annehmen und die der eingesperrten Ge- 
fangenen hinreichend Nahrung bieten. Nachdem die 
Ameisen ausgeschlüpft und herangewachsen sind, durch- 

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIIT. 1890. 6 


82 II. Allgemeine Literatur, 


brechen sie diese Stelle, um in’s Freie zu gelangen. In 
einem andern Falle hat man beohachtet, dass Ameisen die 
von ihnen bewohnten Bäume vor Insekten schützen, 
welche die Blätter zerstören und in noch einem andern 
nimmt man an, dass die bewohnte Pflanze sogar Gebilde 
hervorbringt, welche den Ameisen als Nahrung dienen, so 
dass diese auf der bewohnten Pflanze sesshaft gemacht 
werden. — Das Werkchen behandelt den Gegenstand in 
gemeinverständlicher Weise. 
Halle a. S. Heyer. 


Kny, L., Ueber Laubfärbungen. Mit 7 Holzschnitten. 
Sonderabdruck aus der „Naturwissenschaftlichen Wochen- 
schrift“. Berlin 1889. Verlag von Ferd. Dümnler. 

In dem 23 Seiten starken Werkchen werden die 
verschiedenen Faktoren besprochen, welche die verschiedene 
Färbung des Laubes veranlassen. Das Grün des in den 
Blättern vorhandenen Chlorophylis kann eine Abschwächung 
durch die Beschaffenheit der Epidermis erleiden, was 
z.B. bei älteren Blättern vorkommt. Es kann auch ganz ver- 
 deekt werden, wenn sich unter der Epidermis Hohlräume 
befinden, welche das Licht spiegeln, so dass diese Stellen 
weiss oder anders gefärbt erscheinen. Andere Färbungen 
werden hervorgebracht durch das Zurücktreten oder das 
Fehlen des Chlorophylis, duch Ueberdeckung desselben von 
einem andern Farbstoffe, durch Umwandlung des Chloro- 
phylis wie bei der herbstlichen Färbung der Blätter, durch 
eigenthümliche Beschaffenheit der Blattoberfläche oder der Epi- 
dermis, welche verschiedene Lichtwirkungen hervorbringt, 
durch Behaarung ete. — Das Werkchen behandelt den Gegen- 
stand nach den verschiedenen Richtungen hin sehr eingehend. 

Halle a. S. Heyer. 


M. Mohler, Secretary, Topeka Kansas. Report of the 
Kansas State Board of Agriculture, for the quarter 
meeting November 31. 1859. Containing population and 
area of field crops, population by counties.and eities, 
crops and live-stock statistics. Together with report of the 
state sugar inspector, papers on miscellaneous subjects, 
meteorologieal information, etc. Topeka 18%. 


1I. Allgemeine Literatur. 83 


Ausser den verschiedenen statistischen Mittheilungen 
über die Zunahme der Bevölkerung etc. wird über die Zu- 
nahme und Weiterentwickelung des Ackerbaues in Kansas 
berichtet. In diesem Staate giebt es noch ausgedehnte 
Ebenen, welche aber theilweise der regenarmen Zone an- 
sehören, wo der Ackerbau schwierig ist. Man ist aber 
trotzdem bestrebt, mit der Kultur immer weiter nach 
Westen vorzudringen. Der Bericht enthält ferner einige 
wissenschaftliche auf Ackerbau Bezug habende Abhand- 
lungen. So über Brandpilze auf Gerste und Hafer. Ueber 
die Zucker-Industrie. Neben der Zuckermoorhirse hat man 
es auch mit der Zuckerrübe versucht. Zu diesem Zwecke 
hat man sich einen Zuckerrübentechniker aus Deutschland 
kommen lassen, der auch Samen mitgebracht hat und den 
Anbau der Rüben leitet. Eine andere Abhandlung berichtet 
über Mästungsversuche, die an der landwirthschaftlichen 
Akademie in Manhattan mit Schweinen und mit verschie- 
denen Futtermitteln angestellt wurden. Die dazu verwen- 
deten Thiere wurden später geschlachtet und genau nach 
ihrem Fett- und Fleischansatze etc. untersucht. Auch die 
verschiedene Festigkeit der Knochen wurde ermittelt. Die 
Versuche wurden übrigens ganz zu Ende geführt, denn das 
Fleisch der verschiedenen Versuchsthiere wurde auch in 
verschiedener Weise zubereitet probeweise gegessen. 

Halle a. 8. Dr. Heyer. 


Goppelsdorfer, Friedrich, Prof. Dr., Ueber Capil- 
lar-Analyse und ihre verschiedenen Anwendungen sowie 
über das Emporsteigen der Farbstoffe in den Pflanzen. 
Separat -Abdruck aus den Mittheilungen der Section für 
chemische Gewerbe des K. K. technischen Gewerbe-Muse- 
ums. Hierzu von demselben Verfasser: 

Beilagen zu der vorstehend genannten Arbeit: Ueber 
Capillar-Analyse etc. Gewidmet dem Naturwissenschaft- 
lichen Vereine zu Mühlhausen i. E. Mühlhausen i. E. 
Verlag von Wenz und Peters. 1889. 

Der Verfasser hat sich schon seit dem Jahre 1861 mit 
Capillaritäts-Erscheinungen beschäftigt und hat in dieser 
Richtung ausgedehnte Untersuchungen mit Farbstoffen an- 

6* 


84 II. Allgsmeine Literatur 


gestellt. Angeregt wurde er durch Schönbein’s Versuche, 
welche gezeigt hatten, dass mit wenigen Ausnahmen das 
Wasser den in ihm gelösten Substanzen auf capillarem 
Wege mehr oder weniger schnell vorauseilt. Ausserdem 
hatten sie bewiesen, dass die verschiedenen in Wasser ge- 
lösten Körper ein ungleich grosses Wanderungsvermögen 
in porösen Medien, wie z. B. in ungeleimtem Papier, 
besitzen. 

Verfasser fing nun damit an, Streifen von weissem 
schwedischem Filtrirpapier in die wässrigen, alkoholischen, 
ätherischen oder sonstigen Lösungen der Farbstoffe und 
ihrer Gemische, bei gewöhnlicher Temperatur, einige Milli- 
meter weit hinein zu hängen. Gleich Anfaugs fiel die 
grosse Wanderungsfäbigkeit der Pikrinsäure auf, welche 
überall an der die andern Farbstoffe überragenden gelben 
Zone zu erkennen war. Taucht man einen Filtrirpapier- 
streifen in eine mit einem CUnreumafarbstoffe vermischte 
Pikrinsäurelösung, so steigt jeder Farbstoff für sich in die 
Höhe. Es entstehen drei Zonen, eine obere, nur Wasser 
enthaltende, eine mittlere, welche die Pikrinsäure enthält 
und eine dritte untere von curcumagelbem Aussehen. Die 
beiden Farbstoffe sind durch diese Capillarität wirklich ge- 
trennt, denn wenn man den Streifen in verdünnte Kali- 
lösung taucht, so verschwindet die Pikrinsäureschicht, 
während die Cureumaschicht gebräunt wird. Ganz genau 
sind die Farbstoffe hierbei allerdings nicht getrennt, denn 
wenn man die unterste curcumagelbe Schicht abschneidet, 
in Alkohol aufiöst und dann ein neues Papier wie vorher 
eintaucht, so entstehen wieder drei Zonen, oben ist Alkohol, 
unten Cureumafarbstoff und in der Mitte schwach Pikrin- 
säure Aehnlich verhält es sich mit anderen Mischungen. 
Beim Wiederauflösen der einzelnen Zonen und beim Wie- 
derholen des Capillarversuches kann man schliesslich die 
einzelnen Farbstoffe scharf von einander trennen und dann 
auf jeden einzeinen die bekannten physikalischen und che- 
mischen Reactionen anstellen. Aus diesem Grunde hat. 
Verfasser diesem Verfahren die Bezeichnung „Capillarana- 
lyse“ beigelegt. 


II. Allgemeine Literatur. 35 


Die Vorrichtung zum Eintauchen der Papierstreifen 
besteht aus einem verstellbaren Stativ, an welchem ein 
Glasstab horizontal angebracht ist. An diesen werden die 
Papierstreifen oben mit Klammern, wie sie zum Aufhängen 
der Wäsche gebraucht werden, befestigt, während ihr 
unteres Ende in die zu analysirende Flüssigkeit taucht. 

Da freie Säuren und Basen in wässrigen Lösungen 
ein verschiedenes Capillarverhalten zeigen, so können die 
Capillarpapierstreifen auch bei der anorganischen Analyse 
verwendet werden. Ausser den längst bekannten Erkenn- 
uugsmitteln für Säuren und Basen können auch die in 
neuerer Zeit aufgefundenen Reagentien benutzt werden, 
indem man z. B. präparirte Papierstreifen verwendet. 

In der organischen und besonders in der Farbenchemie 
kann die Capillaranalyse ebenfalls Anwendung finden. So 
geben die Lösungen der Alkaloide und ihrer Salze ziemlieh 
hoch gelegene Zonen. Die des Strychnins giebt mit con- 
centrirter Schwefelsäure und etwas Kalium bichromat eine 
prachtvoll violettblaue, die des Brucins beim Betupfen eine 
schöne rothe Färbung ete. Ganz besonders eignet sich 
aber die Capillaranalyse für die Untersuchung der Farb- 
stoffe, für die Prüfung derselben auf ihre Reinheit und für 
die Untersuchung selbst complieirter Farbstoffgemische. 
Wie gross die Empfindlichkeit der Capillaranalyse ist, geht 
aus verschiedenen Versuchen hervor. In einem Falle wurde 
eine Lösung hergestellt, welche in einem Liter nur 
0,000,04687 g Diamantfuchsin enthielt. Es wurden davon 
in 5 Trinkgläser je 40 em? gefüllt und in diese Streifen 
von Filtrirpapier, Baumwollenzeug, Leinenzeug, Woilzeug 
und Seidenzeug einige Millimeter tief eingetaucht. Das 
Aufsteigen des Farbstoffes in diesen Stoffen ergab Zonen 
in der Höhe von 4,5 cm beim Papier, im Seidenstreifen 
von 5,7; im Leinenstreifen von 3,8; im Wollstreifen von 
3,5 em hohe, während im Baumwollenzeuge nur ein schwach 
rosenrotber, ungefähr ebenso hoher Schein zu bemerken 
war. Andere Versuche mit noch verdünnteren Lösungen 
gaben ähnliche Resultate. 


Die Capillaranalyse konnte auch in der. hygienischen, 
der sanitätspolizeilichen und der gerichtiichen Chemie an- 


86 li. Allgemeine Literatur. 


gewendet werden. So wurden z. B. bei Bier und Wein 
Fälschungen nachgewiesen. In der pathologischen Chemie 
wurde die Capillaranalyse ebenfalls angewendet. So bei 
der Untersuchung der Galle und des llarnes. 
Schliesslich wird dem Vorkommen von Farbstoffen in 
Pflanzen eine grosse Aufmerksamkeit zugewendet. Durch 
die Capillaranalyse ist es möglich, die in den Pflanzen vor- 
kommenden einzelnen Farbstoffe zu isoliren. Aus den be- 
treffenden zerkleinerten Pflanzentheilen werden die Farb- 
stoffe mit passenden Lösungen ausgezogen und dann mit 
Papierstreifen analysirtt. In einem weiteren Abschnitte 
werden Ergebnisse aus den Untersuchungen über das Em- 
porsteigen von Farbstoffen in den Pflanzen mitgetheilt 
Dieseiben haben ergeben, dass die geprüften Farbstoffe 
sich hinsichtlich ihres Emporsteigens in den Pflanzen sehr, 
verschieden verhalten. 
In den „Beilagen“ sind die Ergebnisse aus den Ca- 
pillaranalysen von 67 Pflanzenarten mitgetheilt. Die Un- 
tersuchung nach dem Vorkommen von Farbstoffen erstreckte 
sich auf Wurzel, Stengel, Blätter, Knospen und Blütben 
Dann folgen Mittheilungen über das Vorkommen von Farb- 
stoffen in den Wurzeln von 24 verschiedenen Pflanzenarten. 
Schliesslich folgt die Aufzählung der Farbenveränderungen, 
welche die alkoholischen Auszüge der verschiedenartigsten 
Organe von 220 Pflanzeuarten durch Zusatz von Ammoniak, 
Aetzkalilösung, Salzsäure und Schwefelsäure erlitten. Den 
Schluss bilden Untersuchungsergebnisse über die Steighöhe 
von Farbstoffen in Baumwolle, Seide, ete. — Auf die zahl- 
reichen Untersuchungen näher einzugehen, würde hier zu 
weit führen; es muss deshalh auf das Original ver- 
wiesen werden. 
Halle a. S. 

Loew, E. Prof. Dr., Anleitung zu blüthenbiologischen 
Beobacktungen. Separat-Abdruck aus der „Naturwissen- 
schaftlichen Wochenschrift”. Allgemein verständliche natur- 
wissenschaftliehe Abhandlungen. Heft 4. Berlin 1889. 
Verlag von Hermann Riemann. 

Ueber die mannigfaltigen Beziehungen der Insekten zu 
den Blumen sind von verschiedenen Forschern, wie H, 


Heyer. 


II. Allgemeine Literatur. 87 


Müller, Darwin, Sprengel, Hildebrand u. a. einge- 
hende Untersuchungen angestellt worden. Es muss dabei 
vielerlei Beachtung finden. Manche Insektenarten vermitteln 
die Befruchtung der Pflanzen, indem sie den Blüthenstaub 
von einer auf die andere übertragen; bei andern Insekten- 
arten ist dies nicht der Fall. Wenn man derartige Be- 
ziehungen für eine Pflanzenart ermitteln will, so müssen 
deren Blüthen zunächst studirt werden; ihre Form und die 
ihrer einzelnen Theile etc. Dann werden die verschiedenen 
Insektenarten beobachtet, welche die Blumen besuchen. 
Wesentlich sind ferner die Form und die Grösse der Or- 
gane der Besucher u. s. w. Das vorliegende Heft erläu- 
tert in dieser Beziehung alle wesentlichen Momente, so dass 
es bei der Anstellung von blüthenbiologischen Beobach- 
tungen als Leitfaden dienen kann. 
Halle a. S. Dr. Heyer. 
Lehrbuch für den Unterricht in der Botanik für Gym- 
nasien, Realgymnasien und andere höhere Lehranstalten 
bearbeitet von Dr. M. Krass, Kgl. Seminardireetor und 
Dr. Landois, Prof. d. Zoologie. Zweite verbesserte Auf- 
lage. Freiburg im Breisgau 1890. Herdersche Verlags- 
buchhandlung. 

Vorliegendes Werk stimmt in seiner Anlage überein 
mit einem Werke derselben Verfasser: Das Pflanzenreich 
in Wort und Bild für den Schulunterricht. Da ich letzteres 
in Band XI unserer Zeitschrift pag. 470 näher besprochen 
habe, genügtes, die wichtigsten Punkte zu erwähnen. Die 
Systematik steht im Vordergrunde und nimmt mit einer 
sehr ausführlichen und instructiven Beschreibung und mit 
zahlreichen analytischen Zeichnungen der wichtigsten 
Pflanzen aus den einzelnen Familien den grössten Theil des 
Buches ein. Technische und biologische Bemerkungen 
tragen zur Lebendigkeit der Darstellung bei. Die anato- 
mischen und physiologischen Thatsachen sind allerdings et- 
was willkürlich in die Beschreibung bestimmter Pflanzen 
eingefügt. Dem systematischen Theil folgen eine Anzahl 
kleinerer Kapitel, von denen eine kurze Pflanzengeographie, 
eine Geschichte der Botanik und Bestimmungstabellen nach 
dem Linne’schen System besonders hervorgehoben sein mögen. 

Schober. 


Neu erschienene Werke. 


AH FETT 


Allgemeines, 
Mathematik, Meteorologie, Physik ete. 


Ball, Rbt. S. Theoretische Mechanik starrer Systeme. 
Herausgegeben von H. Gravelius. Mit 2 Tafeln. Berlin 
1889. G. Reimer. 

Bischof, Ign. Ueber das Geöid. Mit 1 Fig.-Taf. 
München 1839. Kaiser. 

Buchheister. Ueber das Bergsteigen. Ebd. 

Bühler. 2 Materien mit 3 Fundamental - Gesetzen, 
Stuttgart, Kohlhammer. 

Cayley, A. Collected matbematical Papers. Vol, 
I and IH. 4° London 1889 u. 18%. 

Dirichlets, G. Lej., Werke. Herausgegeben auf Ver- 
anlassung der königl. preussischen Akademie der Wissen- 
schaften von L. Kronecker (2 Bde.). I. Bd. Mit Bildn. in 
Photogr. Berlin 1889 G. Reimer. 

Dreyer-Berlin, R. v. Mayer über die Erhaltung der 
Energie 1389. Berlin, Gebr. Paetel. 

Ferrei, W. A. Popular Treatise on the Winds. Lon- 
don 1889. 

Fritz, Hm. Die wichtigsten periodischen Er- 
scheinungen der Meteorologie und Kosmologie. (Aus: 
„Internationale wissenschaftliche Bibliothek.“) Mit 10 Ab- 
bildungen u. 1 Tafel. 8%. Leipzig 1889, Brockhaus. 

Gore, J. EE The Scenery of the Heavens. 8°. 
312 pp. London 1890. 

Grützmacher. Vorsteher der Wetterwarte der Magde- 
burgischen Zeitung. Ueber die mittlere Jahres-Temperatur 
von M. und die Unveränderlichkeit der mittleren Temperatur 
der Erdoberfläche im Allgemeinen, während der letzten 


Neu erschienene Werke. 89 


2 Jahrtausende, Jahresbericht und Abhandlungen des 
naturw. Vereins in Magdeburg. 1887. 

Guillemin, A. Le Magnetisme et l’electrieite. 
I. Phenomenes magnetiques et eleetriques. VIII, 272 pp. 
18%. Paris 1839. 

*=y, Helmholtz. Handbuch der physiolog. Optik. L. Vos, 
Leipzig. 

*Helmholtz, R. v. Licht und Wärme-Strahlung ver- 
brennender Gase. Gekrönte Preisschrift. Berlin. Leopold 
Simion 1890. 

Hertzer. Die Bewölkung des Brockens als Grundlage 
einer Witterungskunde 1853—1832 von Prof. Hertzer in 
Wernigerode, Schriften des naturw. Vereins des Harzes in 
WSV. 18895538. 

Hochheim, Prof. Dr. Realgymnasiallehrer in Branden- 
burg. Die geometrische Reihe zweiterOrdnung. II Th. Ebd. 

Hopkins, &. M. Experimental Science, elementary, 
practical and experimental Physics. Illustrated. 8°. 
London 1889. 

Julius, Dr. N. Licht- und Wärmestrahlung verbrannter 
Gase. Gekrönte Preisschrift. Berlin 1890. Leopold Simion. 

Klimpert, Reh. Lehrbuch .der allgemeinen Physik 
(die Grundbegriffe und Grundsätze der Physik). 8°. Stutt- 
gart 1889. Maier. 

Königsberger, L. Lehrbuch der Theorie der Diffe- 
rentialgleichungen mit 1 unabhängigen Variabeln. 8". 
Leipzig 1889. Teubner. 

* Lasswitz, K. Geschichte der Atomistik vom Mittel- 
alter bis Newton. I. Bd. und II. Die Erneuernng der Korpus- 
kulartheorie. 8%. Hamburg 1890. Voss. 

Longridge, J. A. Internal Ballisties. London 18839. 8° 

®y, Miller Hauenfels. Richtigstellung der mechanischen 
Wärmetheorie.. Wien, Manz’sche Hof- und Universitäts- 
Verlagsbuchhandlung. 

*Ostwald, W. Klassiker der exacten Wissenschaften. 
No. 2—6. Leipzig, W. Engelmann. 


*) Die besternten Werke wurden der Redaktion eingeliefert. 


90 Neu erschienene Werke. 


*Pahde, A. Ed. Vogel, der Afrikaforscher. Hamburg, 
Verlagsanstalt (vormals Richter.) 

Picatoste, F. Elementos de historia natural. 4°. 
301 pp. Madrid 1889. 

Pritchard, ©. Occasional Toughts of an Astronomer 
in Nature and Revelation. 8%. 266 pp. London 1889. 

*Die Projectionskunst. Düsseldorf, Liesgang’s Verlag- 

Publicationen des astrophysikalischen Observa- 
toriums zu Potsdam. Nr. 24. VI. Bds. 4. Stück. Pots- 
dam, 1889. 4%. 140 pp. Leipzig, Engelmann. 


* Rosenberger, Geschichte der Physik Ill. Braunschweig, 
Vieweg und Sohn 189%. 

*Sasse. Erhaltung der Empfindungslunge. Berlin. 
E. Grosser. ; 

*Schlegel. Ueber die 4. dimensionalen Raum. Berlin, 
Riemann. 


Schram, Rbt. Reductionstafeln für den Oppolzer- 
schen Finsterniss-Canon zum Uebergang auf die Ginzel- 
schen emipirischen Correctionen. (Aus: „Denkschriften 
der königl. Akademie der Wissenschaften.) 4°. 72 pp. 
Wien 1889. Tempsky. 

Shuler, N. S. Aspects of the Earth. 8°. With Illustr. 
New-York 1839. 

* Schubert. Das Rechnen an den Fingern und Maschinen. 
Berlin, Riemann. 

* Thomson. Anwendung der Dynamik auf Physik und 
Chemie. Leipzig, Verlag von G. Engel. 

*Yogt. Die Geistesthätigkeit des Menschen. Leipzig, 
Schmidt. 

*Vogt. Entstehen und Vergehen der Welt ebenda. 

*Weber, H. Electrodynamik. Braunschweig, Vieweg 
und Sohn 189. 

Weiler, A Neue Behandlung der Parallelprojeetionen 
und der Axonometrie. VI, 210 pp. Mit 109 Fig. 8°. 
Leipzig 1889, Teubner. 

Weyrauch, Jac. J. Der Entdecker des Prineips von der 
Erhaltung der Energie. 8%. 75 pp. Stuttgart 1890. Witt- 
wer's Verl. 


Neu erschienene Werke 91 


Yalk, Fr. Lectures on the Errors of Refraction 
and their Correction with Glasses. With Ilustr. 8%. 
London 1889. 


Chemie. 

"Arnold. Repetitorium der Chemie. Hamburg, Leo- 
pold Voss. 

Beckmann, W. Experimentelle Untersuchungen über 
den Finfluss des kohlensauren und eitronensauren Natron 
auf die Ausscheidung der Alkalien. Dorpat 1889, Karow. 

*Klein, J. Elemente der forensisch-chemischen Analyse. 
Hamburg, L. Voss Verlag. 

* Kobert. Historische pharmakalogische Studien. Halle-S., 
Tausch u. Grosse. 

*Köller, Th, Präparatenkunde. Handbuch zur Dar- 
stellung der chemischen Körper. Wien, Hartleben’s Verlag. 

*Montada. Katechismus der Desinfection. Berlin, 
Heuser’s Verlag. 

*Roscoe u. Schorlemmer. Ausführliches Lehrbuch der 
Chemie. II. Bd., 2. verm. Aufl. 2. Abthlg. d. 2. Bds. 
Braunschweig, Vieweg u. Sohn. 

*Schorlemmer, C. Lehrbuch der Kohlenstoffverbindungen, 
3. Aufl., II. Hälfte II. Abth. Ebd. 

* Steffen, W. Lehrbuch der reinen und technischen 
Chemie. Anorganische Experimental-Chemie. I. Bd.: Die 
Metalloide 8°. XVI, 816 pp. Mit vielen in den Text 
gedr. Fig. Stuttgart, 1839. Maier. 


Mineralogie ete. 


*Comes, H. Die Laven des Vesuv. Hamburg, Verlags- 
Anstalt (ehem. Richter). 

Holzapfel, EE Die Mollusken der Aachener Kreide. 
II. Abth.: Lamellibranchiata. (Aus: „Palaeontographica.“) 
4°. 130 pp. Mit 22 Taf. u. 22 Bl. Erklärungen. Stuttgart, 
1889. Schweizerbart. 

Austaut, Jul. L. Les Parnassiens de la faune palearc- 
tique. Mit 32 farb. Taf. Leipzig, 1889. Heyne. 


02 Neu erschienene Werke. 


Rossmässier, E. A. Iconographie der Land- und 
Süsswasser-Mollusken mit vorzüglicher Berücksichtigung der 
europäischen, noch nicht abgebildeten Arten. Fortgesetzt 
von W. Kobelt. Neue Folge. IV. Bd. 3. u. 4. Life. 
Schwarze Ausgabe. Mit 10 Steintafeln. 8%. p. 41—8. 
Wiesbaden, 1889. Kreidel. 


Rodler, Alfr. Ueber Urmiatherium Polaki, einen 
neuen Sivatheriiden aus dem Knochenfelde von Maragha. 
(Aus: „Denkschriften der königl. Akademie der Wissen- 
schaften“) 4%. 8 pp. Mit 4 Tafeln. Wien, 1889. 
Tempsky. 

de Saporta. Dernieres adjoncetions a la flore fossile 
d’Aix en Provence. 8%. LX, 182 pp. Paris, 1889. 

de Stefani, C. Le pieghe delle Alpi Apuane. 38. 
114 pp. Con 3 tav. Firenze, 1890. 

*Stapf. Das glaciale Dwykaconglomerat. Berlin, 
Riemann. 

*Steinmann und Doederlein. Elemente d. Palaeontologie. 
Leipzig, W. Engelmann. 


Velenovsky, Jos. Die Farne der böhmischen Kreide- 
formation. (Aus: „Abhandlungen der königl. böhmischen 
Gesellschaft der Wissenschaften.‘) 32 pp. Mit 1 Textfig. 
u. 6 Taf. 4% Prag, 1889. Calve. 


de Zigno, A. Cheloni scoperti nei terreni cenozoici 
delle prealpi venete. 4°. 12 pp. Con 2tav. Venezia, 1839. 


Zoologie. 


Bibliotheca zoologica I. Verzeichniss der Schriften 
über Zoologie, welche in den periodischen Werken ent- 
halten und vom Jahre 1861—1880 selbständig erschienen 
sind. Bearbeitet von O. Taschenberg. 7. Lfg. Leipzig, 
1588. Engelmann. 


Beard, J. B. Morphological studies. Vol. I (Aus 
Quaterly Journal of mikroscopical Science und „Zoologische 
Jahrbücher.“ Mit 13 Taf. Jena, 1889. Fischer. 


- Neu erschienene Werke. 093 


Berlese, A. Acari, myriapoda et scorpiones hujusque 
in Italia reperta. Fac. 54—56. Padowa 1890. 

Bramson K. L. Die Tagfalter (Rhopalocera) Europa’s 
und des Kaukasus. (Kiew, 1889.) Mit 1 Taf. Berlin, 
Friedländer und Sohn. 

Brauer, F. und J. Edler v. Bergenstam. Die Zweiflügler 
des kaiserl. Museums in Wien. 

Browe, M. The vertebrate Animals of Leicestershire 
and Rutland. With 4 Plates and 1 Map. Leicester, 1890. 

Boettger, Osk. Die Entwickelung der Pupa-Arten des 
Mittelrheingebietes in Zeit und Raum. (Aus „Jahrbücher 
des nassauischen Vereins für Naturkunde.“) Mit 2 Taf. 
Wiesbaden, 1889. Bergmann. 

Day, F. Fishes. Vol. I and II. With 164 and 177 
Woodeuts. 8%. London, 1890. 

Graber, V. Vergleichende Studien über die Embryologie 
der Insekten und insbesondere der Museiden. (Aus: „Denk- 
schriften der königl. Akademie der Wissenschaften.‘“) 4°. 
58 pp. Mit 10 color. Tafeln und 12 Textfig. Wien, 1889. 
Tempsky. 

d’Hamonville.. La Vie des oiseaux. Avec 13 planches. 
18°. 399 pp. Paris, 1890. 

*Hayek, G. v. Handbuch d. Zoologie. IV. Bd. 1 Abth. 
Wien, Gerold & Sohn. 

*Maack, Z. Einführung in das Studium des Hypnotis- 
mus u. thier. Magnetismus. Berlin, Heuser’s Verlag. 

Nehrling, H. Die nord-amerikanische Vogelwelt. 
Unter künstlerischer Mitwirkung von Rbt. Ridgway, A. 
Goering und Gst. Mütze. 1.—3. Heft. Leipzig, 1889. 
4°. 144 pp. Mit 9 farb. Taf. Brockhaus. 

Oates, E.W. Birds. Vol. L. 8°. London 1390. 

Saunders, H. An illustrated Manual of British Birds. 
8°. 786 pp. With Illustr. London 1889. 

Trimen, R. and I. H. Bowker. South African Butter- 
flies. 3 vols. 8%. London, 1889. 

*Vogt.. Das Empfindungsprineip (und die Entstehung 
des Lebens. I u. II. Leipzig, O. Gottwald. 


94 Neu erschienene Werke. 


Botanik. 


Beck v. Mannagetta, G. Flora von Südbosnien und der 
angrenzenden Hercegovina. II.—IV. Theil. (Aus „Annalen 
des k. k. naturhistorischen Hofmuseums.‘) Wien, 189%. 
Hölder. 

Forcke, H. Nachträge zu Sporleders Verzeichniss der 
in der Grafschaft Wernigerode und nächster Umgebung 
wildwachsenden Phanerogamen und Gefäss-Kryptogamen, 
Schriften des naturwissenschaftlichen Vereins des Harzes. 
1889. IV. 46. 

Frank, Be und A. Tschirch. Wandtafeln für den 
Unterricht in der Pflanzenphysiologie an landwirthschaft- 
lichen und verwandten Lehranstalten. I. Abth. 5°. 11 pp. 
10 Farbendr.-Taf. in Fol. mit Text. Berlin, 1889. Parey. 

Hinz, Rch. Ueber den mechanischen Bau des 
Blattrandes mit Berücksichtigung einiger Anpassungs- 
erscheinungen zur Verminderung der localen Verdunstung. 
(Aus: „Nova Acta der kaiserl. Leop.-Carol. deutschen 
Akademie der Naturforscher.‘‘) Halle, 1389. 4°. 124 pp. 
Mit 3 Taf. Leipzig, Engelmann. 

*Mayr. Die Waldungen von Nord-America, ihre Holz- 
arten etc. Rieger’sche Universitäts-Buchhandlung, München. 

Schübeler, F. C. Viridarium Norvegieum. Norges 
Vextrige. Ill. Bd. Christiania, 1839. 4°. 679 pp. S. 1888. 

*Schumann. Die Ameisenpflanzen mit 1 Tafel. Ham- 
burg, Verlagsanstalt, vorm. Richter. 

Wagner, Hm. Flora des unteren Lahnthals, mit 
besonderer Berücksichtigung der näheren Umgebung von 
Ems. Zugleich mit einer Anleitung zum Bestimmen der 
darin beschriebenen Gattungen und Arten. 2 Tle. 8. 
VIII, 42 u. VIII, 191 pp. Mit 11 Taf. Ems, 1339, Sommer- 


Verlag von C. E. M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle- Saale. 


Aretaeus, Des Kappadocier, auf uns gekommene Schriften. Aus dem 


Griechischen übersetzt von Prof. Dr. Mann. M L.— 
Bischof, F., Bergrath, Die Steinsalzwerke bei Stassfurt. 2. umge- 
arbeitete Auflage. Mit Abbildungen und 1 Karte. AM 3.60 
Dreher, Dr. Eugen, Der Darwinismus und seine Consequenzen in 
wissenschaftlicher und sozialer Beziehung. A 2.28 


.— Beiträge zu unserer modernen Atom- und Molekular- Theorie 
auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der 
Chemie. 2. Die Spektralanalyse. 3. Die Ursache der Phosphor- 
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei 
Spektren im Lichte. (Das eigentliche Lichtspektrum, das 


Wärmespektrum und das chemische Spektrum). AM 2.25 


— Beiträge zu einer exakten Psycho -Physiologie. 1. Ueber das 
Wesen der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension 
des Raumes. 5. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit. 
4, Studien am „Lebensrad“ behufs eines richtigen Verständ- 
nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der 


Farbenwahrnehmung. M 2.— 

— Ueber den Zusammenhang der Naturkräfte. MA 1.20 
Drossbach, M., Ueber Kraft und Bewegung im Hinblick auf die Licht- 
wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. M 2.40 


— Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Ge- 
schehens in der Welt. A 1.80 


Durdik, J., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der 
Welt auf Grundlage der positiven Ergebnisse der Philosophie 
und der Naturforschung. A 1.— 


Giebelhausen, San.-R. Dr., Der Berggeist. Ernste und heitere Mittheil- 
ungen aus Manfelds Vor- und Neuzeit in Volksmundart. 120 S. 


A 1,50 

— Die Trichinen-Gefahr. Ein frisches, ehrliches Wort in altmansf. 
Weise 8. MH —,10 

— Eine mansfeldsche Stimme. AM —,10 


Girard, Prof. Dr., Geologische Wanderungen. I. Wallis, Vivarais, 
Velay. 2. Auflage. Nebst Karten, Profilen und Ansichten. 
M 3.— 


Grouven, Dr., Meteorologische Beobachtungen nebst Beobachtungen 
über die freiwillige Wasserverdunstung und über die Wärme 
des Bodens in verschiedenen Tiefen, angestellt im Jahre 1863 
zu Salzmünde auf der Versuchs-Station des landwirthschaftl. 
Central- Vereins der Provinz Sachsen. Mit 4 Tafeln. .2 1.— 


Köhler, Prof. Dr., Die lokale Anaesthesirung durch Saponin. Experi- 
mental.-pharmakolog. Studien. Mit 2 Tafeln (in qu. u. gr. fol.) 
M 3.25 


— Chemische Untersuchung über die fälschlich Hirnfette genannten 
Substanzen und ihre Zersetzungsproducte. Mit Abbildungen. 

MN 2.40 

— Ueber Werth und Bedeutung des sauerstoffhaltigen Terpentin- 

öls für die Therapie der acuten Phosphorvergiftung. Nach 

klin. Beobacht. und physiolog.-chem. Experimenten. “U 1.60 


Verlag von €. E. M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle-Saale. 


Liederbuch für Berg- und Hüttenleute. Herausgegeben vom Berg- und 
Hüttenmännischen Verein zu Berlin. 5. Auflage. cart. .Z 1.20 


Luftblasen. Von Veratrinus Leuchtkäfer, der Arzneigelahrtheit Doctor. 
(Geh. Rath Dr. Flemming.) 1. Naturwissenschaft vor dem 
Riechterstuhle der Ethik. 2. Ideen zur Diagnostik der Charla- 
tanerie und Kryptiatrik. 3. Homöopathische Studien. ./ 1.50 


Ochsenius, Bergingenieur C., Die Bildung der Steinsalzlager und ihrer 
Mutterlaugensalze unter specieller Berücksichtisnng der Flötze 
von Douglashall in der Egeln’schen Mulde. Mit Abbildungen 
und Karten. A 6.— 


Pressense, Edm., Die Ursprünge. Zur Geschichte und Lösung des 
Problems der Erkenntniss, der Kosmologie, der Anthropologie 
und des Ursprungs der Moral und der Religion. Deutsch von 


EP. Fabarius. 2. Auflage. A 4,50 
Scheliwien, Robert, Optische Häresien. M 2.50 
— Optische Häresien erste Folge-und das Gesetz der Polarität. 
AM 2.60 

Schröter, Dr., Die Gemüthsleiden, ihre rechtzeitige Erkennung und 
Behandlung. Al 2.50 


Vollert, Bergassessor, M., Der Braunkoblenbergbau im Oberbergamts- 
bezirk Halle und in den angrenzenden Staaten. Nebst einer 
Uebersichtskarte von den Braunkohlen - Ablagerungen im Ober- 


bergamtsbezirk Halle. MT.— 
Waldmann, Oberstabsarzt Dr., Die Behandlung der Tabes-Krankheiten, 
als Anhalt für Aerzte und Kranke. M 3.— 


Kelo I Larlasteslat Horte lache Helarfe Isla IaalarYasle Faslarlefate te rVesteateefenfateslo Ya: elsTerfact elo tele st 


Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. 
(Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) 


Soeben erschien: 


Die Geschichte der Physik 


in Grundzügen mit synchronistischen Tabellen der 
Mathematik, der Chemie und beschreibenden Naturwissen- 
schaften, sowie der allgemeinen Geschichte 
von Dr. Ferd. Rosenberger. 
Dritter Theil. Geschichte der Physik in den letzten hundert 
Jahren. gr. 8. geh. 
if. Abtheilung. (Schluss.) Preis IO Mark 40 Pf. 
(Drei Theile complet. Preis 28 Mark 50 Pf.) 


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Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei in Halle (Saale). 


BR Auftrage des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen 
und Thüringen und unter Mitwirkung von 


Kath ie Drs Knoblauch, Geh. ‚Rath Prof. Dr. rl 
. Dr. E. Schmidt und Prof. Dr. Zopt 


herausgegeben von 


©, Burdecke 


Professor an der Universität Halle. 
63. Band. 
(Fünfte Folge. Erster Band.) 
Zweites und drittes Heft. 


ür Vereinsmitglieder. 


Ausgabe f 


Far 


‚=@ Mit zwei Tafeln &<- 


Halle- Saale. 
C. E. = Pfeffer (Robert er 
15%. 


v7 


al 


Geh. Bergrath E. Dunker in Halle, Ueber ein Vorkommen von 


Prof. Dr. K. v. Fritsch, Die Tertiärformation Mittel-Deutsch- 


Inhalt 


I. Abhandlungen. 


Krystallen in der Formation des Keupers . . 
Prof. Dr. A. Gareke, Wie viel Arten von Wissadulä siebt es? 
Dr. Hugo Naue aus Oranienbaum, Ueber Bau und Entwicklung 


der Kiemen der Froschlarven mit Tafel I u. MI .. 2 
Dr. Erwin Schulze, Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, 
Anhalt, Braunschweig, Hannover und Thüringen . . . - 


II. Sächsisch-Thüringische Lneralue: 


Dr. m G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basal- 
tischer Gesteine zwischen Gerstungen und Eisenach . . 

Prof. Dr. H. Bücking, Mittheilungen über a der 
Section Schmalkalden . . . ae AR EEE ; 

P. Dietel, Die Uredineen bei Leipzig. i ER 
P. Ehrmann, Zusammenstellung der Leipziger Schnecken . . 
W. Frantzen in Meiningen, Untersuehungen über die Gliede- 
rung des unteren Muschelkalks in Westfalen u. Hannover 
W. Frantzen u. A. v. Koenen, Ueber die Gliederung des Wel- 
lenkalks im mittleren und nordwestlichen Deutschland . 


‚lands ... 2 
Dr. H. Keilh ack in "Berlin, "Ueber einen Damhirsch aus en 
märkischen Diluyium bei Belzig.. . . a 
G. Lattermann in Berlin, Die Lautenthaler Soolquelle und ihre 


Absätze . . 
Dr. H.Loretz in Berlin, Ueber einige Eruptivgesteine des Roth- 
liegenden im S. 0. Thüringer Walde . . . Er: x 


Derselbe, Ueber das Vorkommen von Kersantit und a 
porphyrit in derselben Gangspalte bei Unterneubrunn . . . 
Dr. R. Scheibe und Dr.‘Zimmermann in Berlin, Geognosie 
der Gegend des Ilmthals zwischen Schneidemüllerskopf ML. 
Ilmenau 5 BR I 
Dr. Erwin Schulze in Pot sdam, Fauna piseium Germaniae. . 
Dr. H. Simroth, Privatdocent in Leipzig, Nersenle von 
Emys europaea Sn 5 : 
Derselbe, Ueber Verbreitung des. Sperlines ig 
M. Vollert, Der: Braunkohlenbergbau. Festschrift zum ans 
Allgem. eanes in Halle DS A ERNENIRABE 


. . . 


eo. . 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt, 
Braunschweig, Hannover und Thüringen. 
Von 
Dr. Erwin Schulze, 


Im Nachstehenden gebe ich eine Zusammenstellung der 
‚in der Literatur zerstreuten Angaben über das Vorkommen 
der Säugethiere im Gebiete nebst den mir von den Herren 
_W. Ebeling in Magdeburg, O. Goldfuss in Halle, V. von 
Koch in Braunschweig, W. Schlüter in Halle und Ed. 
Schmidt in Magdeburg mitgetheilten und meinen eigenen 
‚Beobachtungen. 


Literatur. 


Anmerk. Die Berichte des naturwissenschaftlichen Vereins 
‘des Harzes für die Jahre 1840—1846 sind nach der zweiten, im Zu- 
sammenhange abgedruckten Auflage, Wernigerode 1856, eitirt. 


1703 Behrens, G. H., Hercynia curiosa. Nordhausen. 4. [168—170: „Von 
denen bey Stiege und Hertzberg gelegenen Wolffs-Gärten.“] 

1790 Stübner, J. Chr., Denkwürdigkeiten des Fürstenthums Blanken- 
burg und Stiftsamts Walkenried. 2. Theil, welcher die Natur- 
geschichte des Landes enthält. Wernigerode. 8. [77—103: 
von jagdbaren Thieren und Raubthieren; 125: von nagenden 
und wühlenden Thieren.] 

1819 Dehne, J. F. A., Spaziergang von Leipzig nach dem Harze. 
Quedlinburg. 8. [54: Fledermäuse in der Bielshöhle; 71— 73: 
Luchs.] 

1821 Körte, W., Urstierschädel aus der Torfgräberei zu Frose. Archiv 
für die neuesten Entdeckungen aus der Urwelt, herausgegeben 
von Ballenstedt und Krüger, Quedlinburg, 3, 326—331. Mit 
Abbildung. 

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 7 


98 Dr. Erwin Schulze: 


1823 Hoffmann, F., Geognostische Beschreibung des Herzogthums Magde- 
burg. Berlin. 8. [132: „Reste von Elenthieren und Ochsen 
sind im Torfe von Aschersleben gefunden.“] 

1829 v. Meyerink, über eine Biberkolonie im Forstreviere Grüneberg, 
magdeburger Regierungsbezirks. Vh. Ges. ntf. Fr. Berlin, 
Band 1. 

1834 Zimmermann, Chr., Das Harzgebirge in besonderer Beziehung auf 
Natur- und Gewerbskunde geschildert. Darmstadt. 8. [1, 220— 
223: Säugethiere; 269—271: Haar-Wild.] 

1835 Mehlis ap. Schreber, Säugethiere [Hypudaeus hercynicus = Ar- 
vicola glareolus]. 

1840 Keyserling, A. und Blasius, H., Die Wirbelthiere Europas. Braun- 
schweig. 8. 

1841 Rimrod, Säugethiere in der Grafschaft Mansfeld und dem Ober- 
herzogthume Anhalt-Bernburg. Ber. naturw. V. Harz 184041, 
p. 8 u. 9 [35 sp.). 

1842 Rimrod, Nest von Myoxus muscardinus zwischen jungen Hasel- 
zweigen bei Quenstedt. Ber. ntw. V. Harz 1841/42, p. 18. 
Rimrod, Hörner und Stirnbein von Bos primigenius, bei Quenstedt 
gefunden. Ber. ntw. V. Harz 1841/42, p. 18. 

Saxesen, W., Ber. ntw. V. Harz 1841/42. p. 19 [9 sp. vom west- 
lichen Harze]. 

1851 Kohlmann, weisse Talpa europaea bei Schafstedt. J.-Ber. ntw. V. 
Halle 1850, p. 10. 

Lenz, H. O., Gemeinnützige Naturgeschichte. 1. Säugethiere. 
3. Aufl. Gotha. ®. 

1857 Blasius, H., Naturgeschichte der Säugethiere Deutschlands. 
Braunschweig. 8. 

Schlüter, Vespertilio murinus, auritus, noctula bei Halle. Zeitsch. 
Ntw. 10, 550. 

1858 Rimrod, Ueber Myoxus nitela, glis, avellanarius. Zs. Ntw. 11, 183. 

1860—1865 Veltheim, H. v., Uebersicht des in den herzogl. Braun- 
schweigischen Jagden erlegten Wildes. Vh, harz. Forst-YV. 
1859—1864. 

1862 Möbius, Biber an der Unterelbe. Zool. Gart. 3, 89I—%. 

1863—1863 Braun, Zusammenstellung des in den herzogl. Anhaltischen 
Harzforsten erlegten Wildes sowie der daselbst erbeuteten 
Raubthiere. Vh. harz. Forst-V. 1862—1867. 

1866 Giebel, Cervus elaphus im Torflager bei Nachterstedt. Zs. Ntw. 
28, 37. 

Giebel, C., Die im zoologischen Museum der Universität Halle 
aufgestellten Säugethiere. Zs. Ntw. 28, 93—134. 

1867 Giebel, monströses Reh bei Sangerhausen. Zs. Ntw. 29, 503—504. 

1868 Giebel, Knochen von Cervus elaphus bei Naumburg. Zs. Ntw. 
32, 537. 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 99 


1868—1877 Dommes, Uebersicht des in den administrirten herrschaft- 
lichen Jagden der sämmtlichen Braunschweigischen Oberforste 
erlegten. Wildes. Vh. harz. Forst-V. 1867—1875. 

1570 Jacobs, E., Bärenjagd von Ilsenburg aus, 1573; Bär bei Ilsenburg, 
1613. Zs. Harzv. Gesch. 3,65. 

Jacobs, E., Bärenjagd und -Hatz in der Grafschaft Wernigerode 
1573. 5. 10. Zs. Harzv. Gesch. 3, 260—263. 

1870—1873 Bieler, Nachweisung über die Jagdresultate aus der Graf- 
schaft Stolberg-Rossla. Vh. harz. Forst-V. 1869—1872. 

18571 Jacobs, E., Bären am Brocken um 1656. Zs. Harzv. Gesch. 4, 140. 

1872 Altum, B., Forstzoologie, Säugethiere. Berlin. 8. 

Taschenberg, Fuchs mit monströsem Schädel auf der Rabeninsel 
bei Halle. Zs. Ntw. 39, 110. 

1873 Geitel, Myoxus nitela Sb. im Schimmerwalde. Vh. harz. Forst-V., 
1872, p. 46. 

1374 Jacobs, E., Wolfsjagd bei Veckenstedt 1540. Zs. Harzv. Gesch. 
sl 

1375 Giebel, Rehschädel im Magen einer Hirsch-Kuh. Zs. Ntw. 45, 354. 

1576 Beling, Fledermaus (? Vespertilio noctula Sb.) um die Mitte des 
Tages im Freien. Zool. Gart. 17, 261. 

1877 Krause, G., Wölfe in Anhalt. Mitth. V. Anh. Gesch. 1,650—652. 
Biber zwischen Griebo und Koswig. Zool. Gart. 18, 404, 

1573 Nehring, Zs. Ntw. 51, 385: „In den Torfmooren von Alvesse und 
Köchingen sw. von Braunschweig sind zahlreiche Reste vom 
Elen, Bos primigenius, Wildschwein, Pferd neben neolithischen 
Steinäxten zum Vorscheine gekommen.“ 

Zahmes Reh bei Goslar. Zool. Gart. 19, 332. 

1879 Irmisch, Albino von Hypudaeus amphibius. Zs. Ntw. 52, 115. 
Härter, Hausratte häufig in Körner bei Mühlhausen. Zs. Ntw. 
52, 463. 

Nehring, Hermelin mit 9 Jungen bei Wolfenbüttel. 73. Ntw. 
52, 486. 

Nehring, A., Zum Zahnsystem der Myoxinen. Zs. Ntw. 52, 736— 
740 [M. glis an der Asse]. 

Biber in der Elbe bei Wittenberg. Zool. Gart. 20, 127. 

1830 Thomas, F., Ueber das Vorkommen von Mus rattus [in Körner] 
in Thüringen. Zs. Ntw. 53, 419—424. 

Grotrian, H., über einen Schädel von Ursus arctos aus dem Moor- 
sande von Kalvörde. Z. D. G. G. 32, 658. 

1351 Ludwig, Mus rattus in Greiz. Zs. Ntw. 54, 207. 

1883 Grotrian, H., Ueber einen zu Kalvörde im Moorsande aufgefundenen 
Schädel von Ursus aretos L.3. J.-Ber. V. Ntw. Braunschweig 
123—125. 

Scheffler, L. ap. Steinhoff, R., Der Regenstein. Blankenburg. 
kl. 8. [94: am Regensteine: Reh, Hase, Kaninchen, Dachs, 
Fuchs, wilde Katze, Iltis, Steinmarder, Baummarder, Wiesel, 


Haselmaus.] = 
7 k 


100 Dr. Erwin Schulze: 


1883 Müller, Jagdergebnisse der gräflich Stolberg-Wernigerödischen 
Jagdreviere. Vh. harz. Forst-V. 1883. 

1885 Pohlig, H., Vorläufige Mittheilungen über das Plistocaen, insbe- 
nündere, Thüringens. Zs. Ntw. 58, 258—276. 

1887 Schulze, E., Sorex alpinus am Brocken. Zs. Ntw. 60, 187. 


Abkürzungen der Namen von Gewährsmännern. 


Altum. Ebeling. Rimrod. 
Bieler. Giebel. Scheffler. 
Blasius. Gold fuss. Schlüter. 
Braun. Koch, V. v. Schmidt. 
Dommes,. Müller. Schulze. 


Veltheim. Zimmermann. 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 101 


Artiodactyla. 


1. Cervus dama L. Dambirsch. 
In Wäldern; verwildert. Bei Kalvörde Y; Letzlinger 
Haide E; Mosigkauer Haide; im Harze bei Ballenstedt Sz; 
bei Rudolstadt sSü. 


2. Cervus capreolus L. Reh. 
In Wäldern. Solling, Hils V; Harly, Bärenköpfe, Asse, 
Elm, Querumer Holz, Buchhorst X; Hakel Sz; Regenstein 
Sf; Harz überall; Dölauer Haide Gf; Rudolstadt sü. 


3. Cervus elaphus L. Hirsch. 

In grösseren Waldungen. Solling V; Deister, Dröm- 
ling A; Elm A, E; Lapwald Y; Hohes Holz, Kolbitzer 
Haide E; Gr. Kühnauer Forst, Mosigkauer Haide, Törten- 
sche Aue, Zeitzer Forst; Rudolstadt Sö; Harz überall. 


 Cervus alces L. Elen. 


„Reste von Elenthieren sind im Torf von Aschersleben 
gefunden worden.“ Hoffmann, Geogn. Beschr. Herzogthum 
Magdeburg 132; 1823. 

„In den Torfmooren von Alvesse und Köchingen sw. 
von Braunschweig sind Reste vom Elen neben neolithischen 
Streitäxten zum Vorscheine gekommen.“ Nehring Zs. Ntw. 
51, 385; 1878. 


f Bos primigenius Boj. 

„Bisweilen werden beim 'Torfstechen in den untern 
Schichten des Gaterslebenschen Sees Thierknochen und 
Köpfe mit Hörnern, ausgezeichnet durch ihre Grösse, an- 
getroffen. Sie gehören dem jetzt ausgestorbenen Urstier 
an.“ Krüger Arch. Urw. 3, 314; 1821. 


102 Dr. Erwin Schulze: 


Körte W., Urstierschädel aus der Torfgräberei zu Frose. 
Arch. Urw. 3,326—331; 1821. Mit Abbildung. 

„Rimrod legte die Hörner und ein Stück Stirnbein von 
Bos primigenius, bei Quenstedt gefunden, vor.“ Ber. ntw. 
V. Harz 1841,42. 2. Aufl. S. 18; 1856. 

„In den Torfmooren von Alvesse und Köchingen sw. 
von Braunschweig sind Reste von Bos primigenius neben 
neolithischen Steinäxten zum Vorscheine gekommen.“ 
Nehring Zs. Ntw. 51, 385; 1878. 

„Bos primigenius, Torf Hassleben (Jena, Gotha, Ana- 
tomie Jena etc.), Ilmbett Mellingen (Anatomie Jena), Leine- 
bett Göttingen (ibid. zool. Mus.), Unstrutbett Mühlhausen 
(ibid.).“ Pohlig Zs. Ntw. 58, 273; 1885. 

Aus Torf von Veltenhof bei Braunschweig (Naturh. 
Museum, Braunschweig) X. 


4. Sus scrofa L. Schwein. 
In feuchten Wäldern. Solling Y; Hohes Holz, Letz- 
linger Haide E; Wülpener Forst, Mosigkauer Haide; Harz; 
Rudolstadt Sü. 


Rodentia. 


5. Lepus cuniculus L. Kaninchen. 

In hügeligen Gegenden mit lockerem Boden, besonders 
im Gebiete des Lösses und Quadersandsteines. Bei Braun- 
schweig, Asse, Pavelsches Holz X; bei Magdeburg E; Gr. 
Wanzleben, Rogätz, Dannigkow bei Gommern, Adersleben 
bei Wegeleben Sm; Lutter a. B. Y; Ilsenburg, Hasserode 
M; Regenstein Sf; bei Quedlinburg, Ballenstedt $Sz; bei 
Welbsleben, Harkerode, Walbek AR; an den Mansfelder 
Seen, Halle (Stadtgottesacker, Peissnitz) S2; Questenberg, 
Breitungen, Uftrungen Bi; Kyffhäuser E; Rudolstadt Sü. 


6. Lepus timidus L. Hase. 
In Feldern und Wäldern; allgemein verbreitet. 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt et. 108 


7. Castor fiver L. Biber. 


An der Elbe von Aken bis Kreuzhorst bei Magdeburg, 
besonders bei Steckby, Breitenhagen, Saalhorn, auch in der 
alten Elbe von Pretzin bis Kalenberge Sm. 


8. Arvicola subterraneus Sel. 
Auf Wiesen, Feldern. Braunschweig DZ. 


9. Arvicola arvalis Cp. Feidmaus. 
Auf Feldern, Wiesen. Braunschweig X; Magdeburg 
E; Quedlinburg $z; Aschersleben Sö; Harz Bl; Halle GB; 
Rudolstadt Sü. 


10. Arvicola campestris Bl. 


Im Jahre 1843 auf bebautem Lande an einem Wald- 
rande in der Nähe von Braunschweig gefangen Bl. 


11. Arvicola agrestis Bl. Erdmanus. 
Unter Gebüsch, in Wäldern, an Waldrändern, an Grä- 
ben, auf Dämmen, nur in der Nähe von Wasser. Bei 
Braunschweig häufig B7/; Schladen in Hannover X. 


12. Arvicola amphibius Desm. Wasserratte, Reitmaus. 

An Gewässern, auch auf trockenen Feldern. Braun- 
schweig an der Oker häufig, Schladen in Hannover X; 
Magdeburg E; Quedlinburg Sz; Aschersleben, Halle, Ru- 
dolstadt Süö; im Jahre 1828 in grosser Menge auf den 
Wiesen und in den Gärten des Oberharzes Z. 


13. Arvicola glareolus Bl. Waldwühlmaus. 

In Wäldern. Bei Braunschweig gemein B/; Aschers- 
leben Sö; am Bruchberge nicht selten Z; viele Ex. in den 
letzten verkrüppelten Fichtenwäldern unmittelbar am Fusse 
des Brockens gefangen B/; Rudolstadt Süö; Burgliebenau 
Gf; bei Göttingen Pallas t. Bl; bei Schnepfenthal binnen 
3 Jahren etwa 60 Stück gefangen Lenz. 


104 ‚ Dr. Erwin Schulze: 


14. Mus minuius P. Zwergmaus. 


In Feldern, Wiesen, Gebüschen. Bei Braunschweig in 
grosser Menge Bi. 


15. Mus agrarius P. Brandmaus. 
Auf Aeckern. Im Hannöverschen, Braunschweigischen 


BI; Magdeburg E; Aschersleben Sö; Halle Gd; Rudol- 
stadt Sü. 


16. Mus silvaticus L. Waldmaus. 

In Wäldern, Gärten, Häusern. Braunschweig z. B. 
bei Riddagshausen X; Magdeburg E; Quedlinburg Sz; 
Aschersleben Süö; Halle Gb; am ganzen Harze Z; am Harze 
bis zum Brocken B/; Rudolstadt Sü. 


17. Mus musculus L. Hausmaus. 
In Häusern. Schladen, Braunschweig X; Magdeburg 


E; Quedlinburg, Ballenstedt Sz; Aschersleben, Halle, Ru- 
dolstadt Si. 


18. Mus rattus L. Hausratte. 


In Gebäuden. Körner bei Mühlhausen, häufig Härter ; 
Schwarzburger Schloss bei Rudolstadt Sü; Greiz Ludwig. 


19. Mus decumanus P. Wanderratte. 

In Häusern, Gossen, an langsam fliessenden Gewässern. 
Schladen, Braunschweig X; in Braunschweig ist sie nach 
Zimmermann im Jahre 1780 schon häufig gewesen Bl; 
Magdeburg E; Quedlinburg, Ballenstedt Sz; Aschersleben 
Sü; am Oberharze häufig in den Gebäuden Z; erst seit 
1785 bei Quenstedt einheimisch, wo auf einmal eine starke 
Kolonie derselben sich vor hiesigem Orte unter einer Wei- 
denanpflanzung zeigte, und hat seit etwa 30 Jahren die 
Hausratte vertrieben A 1841; Halle @d; Rudolstadt Sü. 


20. Cricetus frumentariuss P. Hamster. 
Auf Aeckern. Osterwiek, Hornburs, Schladen, Lieben- 
burg, fehlt in der näheren Umgebung der Stadt Braun- 
schweig X; in der Magdeburger Börde häufig E; Quedlin- 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 105 


burger Feldmark $z; bei Aschersleben sehr gemein sSü; 
Halle Gd; am südlichen Harzrande, z. B. bei Lauterberg 
häufig, bei der Festenburg in der Nähe von Zellerfeld ein- 
mal gefangen Z; am Harze ist vor mehreren Jahren ein 
einzelner Hamster, ungefähr 3000 Fuss hoch, auf der Höhe 
des Wormberges gefunden worden B/ 1857; in der Gothaer 
Flur in manchen Jahren in Unzahl Lenz. 


21. Myoxus avellanarius Desm. Haselmaus. 

In Gebüschen. Hohes Holz, Huy, Hakel, Lauterberg, 
Kyffhäuser, Hainleite #; am Ober- und Vorharze Z; bei 
Braunrode und Stangerode R; am Harze wiederholt noch 
in Höhen von mehr als 2000 Fuss gefunden Bl; Mansfeld 
Gb; Lindenbusch bei Dölau, Höllenthal bei Kösen Gf. 


22. Myoxus glis Sb. Billich. 
In Wäldern, besonders Eichen- und Buchenwäldern. 
An der Asse Nehring; am Vorharze bei Herzberg, Lauter- 
berg Z; bei Schielo R; im Harze zuweilen bis in die 
Tannenregion hinauf B/; Rudolstadt Sü. 


23. Myoxus nitela Sb. Gartenschläfer. 

In Wäldern. Bei Kammschlaeken und Klausthal ge- 
fangen Z; bei Stangerode, Friedrichsrode, Ballenstedt R; 
im Harze stellenweise häufig, bis in die Tannenregion Bl; 
Schimmerwald Geitel; Rudolstadt Sü; Schnepfenthal Zexz. 


24. Sciurus vulgaris L. Eichhorn. 

In Wäldern. Braunschweig, Harly, Bärenköpfe, Schla- 
den X; Hohes Holz E; bei Altenhausen, Emden, Flech- 
tingen, Hasselburg, Neuhaldensleben Sm; am ganzen Harze 
Z, Sz; Kyffhäuser, Haiuleite Z; Burgliebenau bei Halle 
Sü; Thüringer Wald Lenz. 


106 Dr. Erwin Schulze: 


Insectivora. 


25. Sorex fodiens P. Wasserspitzmaus. 


An wasserreichen Orten. Magdeburg E; am Harze bis 
unter den Brocken Bl; Rudolstadt Sü; bei Schnepfenthal 
nicht selten Lenz. 


26. Sorex alpinus Schinz. Alpenspitzmaus. 
Am Brocken S%. 


27. Sorex vulgaris L.. Waldspitzmaus. 
Magdeburg E; Aschersleben Söü; am Brocken $2; 
Halle Gd, Sü; Rudolstadt Süö; bei Schnepfenthal binnen 3 
Jahren etwa 250 gefangen Lenz. 


28. Sorex pygmaeus P. Zwergspitzmaus. 

In Wäldern. In Braunschweig B/; bei Magdeburg 
Nathusius ap. Lenz, E; Rudolstadt Sü; bei Schnepfenthal 
binnen 3 Jahren etwa 27 Ex., meist an nördlichen Berg- 
abhängen, eins in einem Hause 4 Treppen hoch, gefangen 
Lenz. 


29. Sorex araneus Sb. Hausspitzmaus. 


In Gärten, Häusern. Magdeburg EZ; Quedlinburg, 
Ballenstedt Sz; Aschersleben Sö; Klausthal Z; Quenstedt 
R; Halle G6, Sü; Rudolstadt Sü; Schnepfenthal Zexz. 


30. Sorex leucodus Herm. Feldspitzmaus. 


In offenen Gegenden. Bei Braunschweig B/; Magde- 
burg E; Halle Gd; Aschersleben, Rudolstadt S&@; bei 
Schnepfenthal innerhalb 3 Jahren etwa 40 gefangen Lenz. 


31. Talpa europaea L. Maulwurt. 
In humosem Boden. Schladen, Braunschweig, Oster- 
wiek X; Magdeburg E; Quedlinburg, Ballenstedt $z; 
Aschersleben Süö: Halle Gb, Sz; Rudolstadt sSü. 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt et. 107 


32. Erinaceus europaeus L. Igel. 

In Wäldern, Gebüschen. Schladen, Braunschweig, 
Schauen, Blankenburg X; Magdeburg E; Quedlinburg Sz; 
Aschersleben Sü; einzeln am Oberharze, häufiger am Vor- 
harze Z; Alexisbad, Ballenstedt Sz; Halle G@d, Sü; Rudol- 
stadt Sü. 


Garnivora. 


T Ursus arctos L. Bär. 

Jacobs, E., Zs. Hzv. Gesch. 3, 65; 1870: Bärenjagd von 
Ilsenburg aus, 1573; Bär bei Ilsenburg 1613. — 3, 260— 
263; 1870: Bärenjagd in der Grafschaft Wernigerode 1573 
Mai 10. — 4, 140; 1871: Bären am Brocken um 1656. 


„Die Bären wurden erst im Anfange des jetzigen Jahr- 
hunderts in unsern Waldungen völlig ausgerottet.“ Stübner 
Denkwk. Fürstenth. Blankenburg 2, 361; 1790. 


Ein Schädel ist im Moorsande zu Kalvörde, Eckzähne 
sind auf der Höhe des grossen Burgberges bei Harzburg 
gefunden. Grotrian Z. D. G. G. 32, 658; 1880 und 3. J.-Ber. 
V. Ntw. Braunschweig 123. 125; 1883. 


Auf dem thüringer Walde ist der letzte Bär in der 
Mitte des 18. Jahrhunderts in der Nähe der Katzhütte er- 
legt worden, der letzte im Herzogthume Gotha auf dem 
wintersteiner Reviere im Jahre 1686. Lenz, Säugethiere 
109; 1851. 


T Gulo borealis Nils. 
Nach Zimmermann bei Heimstedt angetroffen Bl. 


39. Meles vulgaris Desm. Dachs. 

In Wäldern. Bärenköpfe bei Liebenburg, Querumer 
Holz, Kennel bei Richmond X; Regenstein Sf; Steinholz 
Sz; Hohes Holz, Herrenkrugwiesen, Biederitzer Busch, Pa- 
penberg bei Neuhaldensleben Z; bei Altenhausen, Hassel- 
burg, Flechtingen, Emden, Rogätz, Herrenholz bei Wolmir- 
stedt $m; im Harze überall; bei Bitterfeld, Rudolstadt sü. 


108 Dr. Erwin Schulze: 


34. Lutra vulgaris Erxl. Fischotter. 

An Flüssen und Teichen. An der Weser bei Holz- 
minden häufig, an der Oker bei Braunschweig X; Eime D; 
an der Ohre von Neuhaldensleben bis Rogätz, an der Elbe 
bei Heinrichsberg Sm; an der Saale, Elster Sö; am Ober- 
harze bei Klausthal Z; Blankenburg, Walkenried D; Gün- 
tersberge, Harzgerode Br; Breitungen, Alter Stolberg Bi; 
Nordhausen, Rudolstadt Sü. 


35. Mustela lutreola L. Nerz. 

Zu Ende des 18. Jahrhunderts einzeln an der Leine 
bei Göttingen Bechstein t. Bl; im Winter 1852 ist ein Nörz 
am Harze in der Grafschaft Stolberg gefangen B7; 1858 (%) 
wurde bei Braunschweig ein Ex. erbeutet A. 


36. Mustela vulgaris Br. Wiesel. 

Schladen, Braunschweig, Schauen X; Magdeburg E; 
Regenstein Sf; Blankenburg, Quedlinburg Sz; Aschersleben 
Sü; Tilkerode, Neudorf, Harzgerode, Güntersberge, Ballen- 
stedt, Zehling, Gernrode Br; Halle @d, Sü; Rudolstadt Sü. 


37. Mustela erminea L. Hermelin. 
Braunschweig X; Wolfenbüttel Nehring; Magdeburg E; 
Heinrichsberg, Rogätz, Altenhausen Sm; Quedlinburg 2; 
Aschersleben, Halle, Rudolstadt Sü. 


38. Mustela putoria L. Iltis. 

Schladen, Braunschweig X; Seesen, Wendhausen V; 
Magdeburg E; Regenstein Sf; Quedlinburg 82; Walken- 
ried, Blankenburg D; Güntersberge, Harzgerode, Neudorf, 
Gernrode, Ballenstedt, Zehling Dr; Alter Stolberg Bi; 
Aschersleben, Halle, Nordhausen, Rudolstadt Sä. 


39. Mustela foina Br. Steinmarder. 


In Gebäuden, Felsen. Braunschweig X; Magdeburg 
E; Regenstein Sf; Halle, Nordhausen, Rudolstadt Sü. 


40. Mustela martes Br. Baummarder. 
In Wäldern. Kolbitzer Haide £; Forsten bei Barby, 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt etc. 109 


Hasselburg, Emden, Rogätz Sm; Regenstein Sf; nn 
Nordhausen, Rudolstadt sü. 


41. Canis vulpes L. Fuchs. 


In Wäldern, Steinbrüchen, Gebüschen. Allgemein ver- 
breitet. 

„Jetzt ist er in Folge einer wuthähnlichen Krankheit, 
welche 1826 sehr viele Füchse getödtet hat, nicht mehr sehr 
häufig. Die Krankheit äusserte sich damals durch das 
tolldreiste Benehmen der Thiere. Sie fielen Hunde, Pferde, 
ja Menschen an, gingen in die Orte und wurden häufig todt 
selbst mitten auf den Wegen gefunden. Die so gestorbenen 
Füchse waren fast alle räudig und in ihren Eingeweiden 
fand man eine sehr grosse Menge von Würmern, nament- 
lich Bandwürmer.“ Zimmermann Harzgebirge 1, 271; 1834. 
Vgl. Franceque, Die Seuche unter den Füchsen und andern 
Raubthieren in den Jahren 1823—1826. Frankfurt 1827. 8. 


r Canis lupus L.. Wolf. 

Jacobs, E., Wolfsjagd bei Veckenstedt 1540. Zs. Harzv. 
Gesch. 7, 31; 1874. 

Krause, G., Wölfe in Anhalt. Mitth. V. Anh. Gesch. 
1; 650-652; 1877. 

Im Jahre 1702 wurden bei Stiege noch 24 Wölfe ge- 
fangen: Behrens, Hereynia curiosa 168— 170; 1703: „Von 
denen bey Stiege und Hertzberg gelegenen Woltts-Gärten.“ 

„Die Wölfe wurden erst in der Mitte des jetzigen Jahr- 
hunderts in unsern Waldungen völlig ausgerottet.“ Stübner, 
Denkwk. Fürstenthum Blankenburg 2, 361; 17%. 

„Wölfe sind noch bis zu den letzten Jahren bisweilen 
im Innern von Deutschland, sogar bis ins Braunschweigische 
und Hannöversche hinein, angetroffen worden.“ DBlasius, 
Säuget. Deutschl. 182; 1857. 


42. Felis catus L. Wildkatze. 

Im Harze nicht selten, von dort aus weit umbherstrei- 
fend, z. B. Bärenköpfe bei Liebenburg X; Hofjagdgehege 
bei Braunschweig V; Regenstein S$f; Steinholz Sz; Zehling 
Br; Flechtinger, Emdener, Hasselburger Forst Sm; Ram- 


110 Dr. Erwin Schulze: 


stedter Holz E. — Auf dem thüringer Walde wird von Zeit 
zu Zeit noch eine erlegt Lenz. 


r Felis Iynx L. Luchs. 

Je ein männlicher Luchs ward am 24. März 1817 am 
Rennekenberge bei Ilsenburg und am 17. März 1818 am 
Teufelsberge bei Lautenthal erlegt. Zimmermann, Harzge- 
birge 1, 270; 1834. Dehne, Spaziergang von Leipzig nach 
dem Harze 71—73; 1319. Blasius, Säugethiere Deutschl. 
176; 1857. 

„In den Jahren 1773, 1788, 1789, 1796 wurden auf 
dem gothaischen Antheile des thüringer Waldes 5 Luchse 
erlegt.“ Lenz, Säugethiere 338. 339; 1851. 


Chiroptera. 


43. Vespertilio dasyeneme Boie. Teichfledermaus. 


In der Nähe grosser Wasserflächen, niedrig über der 
Wasserfläche fliegend. Braunschweig Bl. 


44. Vespertilio daubentonii Leis. Weasserfledermaus. 

In der Nähe des Wassers, unmittelbar über der Wasser- 
fläche fliegend. Magdeburg E; bei Klausthal, Lerbach, 
Okerhütte u. a. a. O. sehr häufig Z; am Harze bis zu 2000 
Fuss Gebirgshöhe Bl; Hermannshöhle X; Quedlinburg ‚$; 
Halle 62. 


45. Vespertilio mystacinus Leisl. Bartfledermaus. 
Bei Lerbach Z; noch auf der Höhe des Harzes Bl. 


46. Vespertilio nattereri Kuhl. 
Magdeburg E; Lerbach Z; Halle G°. 


47. Vespertilio murinus Sb. 
Magdeburg Z; Quedlinburg 2; Lerbach, Klausthal Z; 
Quenstedt %; Hermannshöhle X; Aschersleben, Halle, Ru- 
dolstadt Sü. 


Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 111 


48. Vespertilio bechsteinii Leisl. 
Magdeburg E; bei Lerbach einmal gefangen Z; Halle G2. 


49. Vespertilio serotinus Sb. 


Magdeburg EZ; bei Klausthal Z; am Harze kaum bis 
2000 Fuss B!; Aschersleben Süö; Halle G5, Sü; Rudol- 
stadt Sü. N 


50. Vespertilio borealis Nils. 
Oberharz Bl. 


51. Vespertilio discolor Natt. 


Klausthal, Lerbach Z; am Harze bis zu einer Berg- 
höhe von drittehalbtausend Fuss Bl; Halle Gd; Rudol- 
stadt Sü. 


52. Vespertilio pipistrellus Sb. 


Braunschweig X; Magdeburg E; Altenau Z; Halle G; 
Aschersleben, gemein bei Rudolstadt Sü. 


53. Vespertilio nathusii K. Bl. 
Braunschweig, Harzstädte, Halle Bi. 


54. Vespertilio leisleri Kuhl. 


Zu Klausthal in den Häusern Z; an der Rosstrappe 
schwirrte sie in 12—15 Individuen umher 4; Halle Gb. 


55. Vespertilio noctula Sb. 


Magdeburg E; Seesen, Herzberg Z; Halle @d, Sü; 
Aschersleben, gemein bei Rudolstadt Sü. 


56. Vespertilio barbastellus Sb. 
Magdeburg E; Lerbach, Elbingerode Z; am Harze bis 
zu den höchsten bewohnten Punkten nicht selten Bl; Halle 
Gb; Aschersleben, Rudolstadt Si. 


57. Vespertilio auritus L. 
Braunschweig X; Magdeburg E; Quedlinburg $z; Ler- 
bach, Rothehütte Z; Quenstedt R; Halle G@d, Sü; Aschers- 
leben, Rudolstadt sSü. 


112 Dr. Erwin Schulze: Verzeichniss der Säugethiere ete. 


58. Rhinolophus hipposiderus Leach. 


Quedlinburg Sz; bei Lerbach und Grund in alten Eisen- 
steinsgruben häufig Z; gemein bei Rudolstadt Sü. 


59. Rhinolophus ferrum equinum Leach. 


In den Höhlen am südlichen Harzrande selten B7. 


Wie viel Arten von Wissadula giebt es? 


Von A. Garcke. 


Als Medikus!) im Jahre 1787 nebst einigen anderen 
Gattungen auch Wissadula nach der Fruchtform von Sida 
abschied, war ihm nur eine Art bekannt, welche er 
W. zeylanica nannte. Obgleich die Gattung vom Autor 
sorgfältig und ausführlich beschrieben war, blieb sie doch 
fast ein halbes Jahrhundert unbeachtet, selbst Kunth ?), 
der genaue Kenner der Malvaceen, erwähnt sie in einer 
kleinen Abhandlung vom Jahre 1822 gar nicht, bis zuerst 
Presl3) wieder darauf aufmerksam machte und zu den er- 
wähnten vier Arten (W. spicata, excelsior, scabra, hirsuta) 
fügte, von denen die beiden ersten unter dem Namen Sida 
schon länger bekannt waren. Ausserdem bemerkt Presl 
ausdrücklich, dass auch S. periplocifolia und wahrschein- 
lich auch S. hernandioides zu dieser Gattung gehören. Es 
ist daher nicht statthaft, für erstere Thwaites®) als Autor 
zu citieren, wie dies gewöhnlich geschieht. Linne beschrieb 
diese Planze nämlich in der Flora zeylanica°) vom Jahre 
1747 und ebenso in der ersten Auflage seiner Species plan- 
tarum vom Jahre 1753 vortrefflich, fügte aber später eine 
aus Amerika stammende, in diese Nähe gehörige, durch 


1) Künstl. Geschlechter der Malven-Familie pag. 25. 
2) Malvaceae, Büttneriaceae, Tiliaceae. Paris 1822. 
3) Reliqu. Haenk. II pag. 117 u. folg. 
4) Enum. pag. 27. 
5) pag 114 Nr. 251: „folia cordata, sed valde producta in 
acumen longissimum, integerrima.‘ 
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIII. 1890. 8 


114 A. Garcke: 


Plumier!) bekannt gewordene Art als Varietät?) hinzu, 
welche nachher wieder als besondere Species geschieden 
wurde. Da aber sowohl Linne als auch Medikus die zu- 
erst von Dillenius°) unter dem Namen Abutilon periplocae 
acutioris folio, fructu stellato beschriebene Pflanze im 
Sinne haben und ausdrücklich dessen sehr instructive Ab- 
bildung eitieren, so muss folgerecht der Linne’sche bezw. 
Dilleniussche Name erhalten bleiben. 


Nach Presl wird die Gattung Wissadula zwar von 
Endlicher!) als solche anerkannt, dessenungeachtet aber 
in den Localfloren und Sammelwerken meist noch unter 
Sida oder Abutilon aufgeführt. Erst in neuerer Zeit, nach- 
dem auch Bentham und Hooker°) sie als eigene Gattung 
angenommen, erscheint sie in den nach diesen Autoren ge- 
ordneten Floren und Zusammenstellungen in der Regel als 
selbständige Gattung. 


Bentham und Hooker geben die Arten auf fünf, 
Masters®) später auf fünf bis sechs an, welche in Asien, 
Afrika, im tropischen Amerika und in Mexiko vorkommen 
und damit stimmen auch Durand’) und in neuester Zeit 
Boerlage®) überein. 


Wie wir gesehen, kannte Presl bereits fünf Arten aus 
dieser Gattung, zu denen durch Turczaninow?) zwei 
(W. symnostachya und Jamesonii) hinzukamen, welche aber 
von Triana und Planchon !°) mit Recht wieder mit W. spicata 
vereinigt werden. An dieser Stelle sind vier in Neu-Granada 
vorkommende Arten dieser Gattung verzeichnet, nämlich 
W. zeylanica, excelsior, nudiflora(Abutilon nudiflorum Sweet) 
und spicata, mithin ist die Zahl der bereits bekannten um 


1) Spec. 2 Ic. 3. 

2) Spec. plant. Edit. 2 tom. 2 pag. 962. 

3) Hortus Eltham. pag. 4 tab. 3. 

4) Gener. plant. pag. 986 Nr. 5295. 

5) Gener. plant. I pag. 204. 

6) Flora of Brit. Ind. I pag. 325. 

7) Index Gener. Phanerog. pag. 39. 

8) Flora van Nederl. Indie I pag. 112. 

9) Bulletin des natural. de Moscou 1858 pag. 202. 
10) Prodr. Florae Novo-Granat. pag. 188. 


Wie viel Arten von Wissadula giebt es? 31113, 


eine vermehrt, so dass damals im ganzen 6 Arten als sicher 
zu dieser Gattung gehörig nachgewiesen waren, wie dies 
auch die Angaben von Bentham und Hooker bestätigen. 
Zwar trifft man verschiedene andere Namen aus dieser 
Gattung, so insbesondere W. rostrata Planchon zuerst in 
Hooker's Niger Flora vom Jahre 1849 und später von 
Maxwell Masters bei Oliver!) und bei Hooker fil. (l. e.), 
doch sieht man aus den beigefügten Synonymen deutlich, 
dass eben W. periploeifolia allein oder zugleich mit einer 
verwandten Art gemeint ist. 


Hier ist aber noch zu bemerken, dass Bentham und 
Hooker (l. e.) zu den fünf oder sechs Arten dieser Gattung 
auch Sida divergens Bth. rechnen, welche Grisebach2) zu 
der besonderen Section Wissada von Sida erhebt, die ge- 
wissermassen zwischen den Gattungen Sida und Wissadula 
die Mitte hält. Diese würde demnach die siebente Art 
ausmachen. Sehen wir uns jedoch in der Litteratur um, 
so treffen wir eine grössere Zahl von Arten, welche hier- 
her gerechnet werden müssen. Mit sicherem Takte führt 
schon De Candolle°) bei Sida in der ersten Unterabtheilung 
der dritten Sektion (Abutilon Kth.) neun Arten (Sida peri- 
plocifolia, S. ferruginea, S. excelsior Cav., S. hernandioides 
L’Herit., S. Luciana D. C., S. spieiflora D. C. (Abutilon 
spicatum H. B. K.), S. Lechenaultiana D. C., S. nudiflora 
L’HBerit. mit dem Synonymon S. stellata Cav. und S. poly- 
antha Schldl.) auf, welche sämmtlich zu Wissadula gehören, 
obwohl wir sie nicht alle als selbständige Arten anerkennen. 
Nach diesem Vorgange hätte man erwarten sollen, dass in 
den folgenden systematischen Werken eine gleiche oder 
ähnliche Reihenfolge angenommen sein würde, doch ist dem 
nicht so. In der zunächst erschienenen Aufzählung aller 
damals bekannten Pflanzen von Sprengel‘) vom Jahre 1826 
finden sich unter Nr. 30 Sida ferruginea D. C. (Abutilon 
ferrug. H. B. K.), später unter Nr. 69 S. nudiflora L’Herit. 


1) Flora of trop. Africa I pag. 182. 
2) Flora Brit. W. Ind. pag. 77. 
3) Prodr. syst. nat. I pag. 467. 
4) Syst. veget. III pag. 112 und folgende. 
&n 


116 A. Garcke: 


mit den Synonymen S. stellata und excelsior Cav., 
S. Luciana D. C., S. polyantha Schldl.? und unter Nr. 70 
S. periplocifolia mit dem fraglichen Synonym S. Lechenaul- 
tiana D. C.? und erst nach 4 Seiten unter Nr. 110 
S. hernandioides L’Herit. und nach abermaliger Unter- 
brechung unter Nr. 158 S. spieiflora mit dem bekannten 
Synonym Abutilon spicatum H. B. K. Einen besseren An- 
schluss an De Candolle selien wir bei G. Don'), bei welchem 
diese Arten unter Abutilon stehen, mit der zwar übel an- 
gebrachten, aber entschuldbaren Einschiebung von A. 
sundaicum Don für Sida sundaica Blume?), welche der 
Autor selbst mit S. Luciana und Lechenaultiana vergleicht, 
zwischen A. Lucianum und spieatum und der richtigen 
Einfügung der inzwischen von St. Hilaire aus Brasilien be- 
kannt gemachten Arten A. patens und parviflorum zwischen 
A. spieatum und A. Lechenaultianum, wobei man sich nur 
wundern muss, dass die dritte gleichfalls hierher gehörige 
Art, A. leucanthemum, welche bei St. Hilaire neben den 
erwähnten steht, hier durch zehn Arten davon getrennt ist. 
Dieselbe Reihenfolge treffen wir auch bei D. Dietrich ®) 
an, nur mit dem Unterschiede, dass hier die beiden 
Gattungen Sida und Abutilon wieder vereinigt sind und 
in den Namen einige Unrichtigkeiten vorkommen, so steht 
S. Hermanniae statt S. hernandioides und S. sundaica Spr. 
statt Blume, während Sprengel!) den Namen in S. sundensis 
umänderte. Ist übrigens die von Hasskarl5) gegebene aus- 
führliche Diagnose und Beschreibung richtig, so gehört diese 
Pflanze gar nicht zur Gattung Wissadula, sondern zu Abutilon, 
wie sie denn auch mit A.tubulosum Hook. und A. polyandrum 
Weght. und Arn., zweien unzweifelhaft zu Abutilon gehörigen 
Arten, verglichen wird. Damit stimmt auch Miquel ®) 
überein. 

1) Gener. syst. of Sard. I pag. 50. 

2) Bijdragen pag. 78. 

3) Syn. plant. IV pag. 851. 

4) Syst. veget. IV 2 pag. 259. 

5) Retzia I pag. 130. 

6) Flor. Ind. batav. I 2. pag. 143. 


Wie viel Arten von Wissadula giebt es? IR 


In der erwähnten Niger Flora von Hooker findet sich 
bei W. rostrata unter den Synonymen auch Abutilon parvi- 
florum St. Hilaire, welche nicht zu verwechseln ist mit 
einer unter diesem Namen von Martius ausgegebenen 
Pflanze. Letztere weicht wegen der steifen, einfachen, ab- 
stehenden Haare am Stengel, an den Aesten, den Blatt- 
und Blütenstielen von allen anderen bedeutend ab und ist 
in Folge dieses auffallenden Merkmals unter den nahe- 
stehenden am leichtesten zu erkennen. Von Presl wurde 
sie nach einer von Lhotzky in Brasilien gesammelten Pflanze 
als W. hirsuta beschrieben, wie dies von Hooker richtig 
bemerkt ist. Sie war aber dort schon früher von Salzmann, 
später von Luschnath gesammelt und von Klotzsch'!) als 
Abutilon erinitum bestimmt. 

Der Speciesname rostrata ist von Planchon vorange- 
stellt, weil Schumacher und Thonning?) neben vielen 
anderen unhaltbaren Arten aus Guinea auch eine S. rostrata 
veröffentlichten. Zu dieser wird aber von Hooker (l. c.) 
auch Abutilon laxiflorum Guillem. und Perrott.?) und als 
bekannteste, in den Sammlungen häufigste Sida sive 
Wissadula heterosperma Hochst. gestellt. 

Im tropischen Afrika ist diese Pflanze an vielen Orten 
gefunden, Masters sagt aber selbst, dass sie auch in West- 
Indien, Brasilien und vielleicht auch in Ost-Indien vor- 
komme. Kann man sich mit dieser Angabe der geo- 
graphischen Verbreitung der Pflanze einverstanden erklären, 
so muss auch eine andere, viel früher publieirte Art, 
S. hernandioides L’Herit.*), dazu gerechnet werden und 
diesem Namen würde dann das Prioritätsrecht zukommen. 
Sechs Jahre nach L’Heritier machte ausserdem Cavanilles 
in seiner monographischen Bearbeitung der Malvaceen Sida 
excelsior®) bekannt, welche nach Presl’s Vorgange theils 
als besondere Art von Wissadula angesehen, theils zugleich 


1) Linnaea XIV (1840) pag. 301. 
2) Beskr. af Guin. Pl. pag. 306. 
3) Fiora Senegamb. I. pag. 66. 
4) Nov. stirp. pag. 121 tab. 58. 
5) Diss. I pag. 27 tab. 5 fig. 3. 


118 A. Garcke: 


mit Sida hernandioides L’Herit. zu Abutilon periplocifolium 
gestellt wurde, wie dies Grisebach (l. c.) gethan hat. Es 
ist nun nicht zu leugnen, dass beide im ganzen Habitus 
eine grosse Aehnlichkeit besitzen und wohl mit Recht ver- 
einigt werden, wenn auch die Früchte von S. hernandioides 
meist kleiner, kugeliger und in der Regel weniger lang 
geschnäbelt sind. Uebrigens wollen wir noch hervorheben, 
dass Presl zwar S. periploeifolia und S. excelsior getrennt 
wissen wollte, letztere auch mit besonderer Diagnose ver- 
sah und den von Cavanilles gegebenen Namen als 
Synonymon hinzusetzte, in Wirklichkeit aber nur die von 
Haenke gesammelte typische S. periplocifolia vor sich hatte 
und unter dem Namen Wissadula excelsior ausgab. Eber- 
so gehören die auf Tafel 69 unter a—n gegebenen Figuren 
nicht zu W. excelsior, sondern zu W. periplocifolia. 

Die von De Candolle als zweite Varietät (#. caribaea) 
zu Sida periplocifolia gezogene, in Jamaica einheimische 
Pflanze wird jetzt wohl allgemein als mit Wissadula rostrata 
zufammenfallend angesehen, dagegen möchten wir die als 
fragliche dritte Varietät angeführte (y.? peruviana) als mit 
S. nudiflora L’Herit. identisch betrachten. Der Linne’sche 
Name periplocifolia würde demnach nur der ersten Varietät 
(@. zeylanica) verbleiben und die Pflanze als selbständige 
Art aufzufassen sein. 

Als nächste Verwandte von Sida periplocifolia finden 
wir nun bei De Candolle S. ferruginea angereiht, von 
Kunth als Abutilon ferrugineum beschrieben, von welcher 
der Autor aber selbst sagt, dass sie der S. periplocifolia 
sehr ähnlich sei, wobei es ohne Ansicht eines Originals 
allerdings fraglich bleibt, weleher De Candolle’schen Varie- 
tät sie zugeschrieben werden soll. Fast möchte man aber 
nach der Kunth’schen Schlussbemerkung zu der Vermuthung 
gelangen, dass man es hier in der That mit der echten 
S. periplocifolia L. zu thun habe, worauf auch der Species- 
name deutet, denn die rostbraune Farbe tritt bei keiner 
anderen Art so deutlich hervor, als bei dieser. Aehn- 
lich verhält es sich mit der von De Candolle als Sida 
Lechenaultiana eingeführten Art, die er aus dem botanischen 
Garten zu Calcutta erhalten hatte, welche wahrscheinlich 


Wie viel Arten von Wissadula giebt es? 119 


noch jetzt als Unkraut dort vorkommt, wenigstens führt sie 
Masters in Hookers Flora!) als solche auf. Was wir aus 
dieser Queile unter verschiedenen Namen, aber mit der 
von Masters gegebenen Diagnose und Beschreibung über- 
einstimmend sahen, schien uns von W. hernandioides nicht 
verschieden zu sein. Ebenso verdient Sida Luciana D. C. 
blos wegen des gedrungenen Blütenstandes nicht von dieser 
getrennt zu werden. So bleibt denn von den in diese 
Verwandtschaft gehörigen, von De Candolle aufgezählten 
Arten nur Sida polyantha Schldl.2), eine früher im Berliner 
botanischen Garten gezogene Pflanze, übrig, von welcher 
gesagt wird, dass sie der S. nudiflora sehr ähnlich sei, aber 
eine kleinere Blumenkrone besitze. Dieses Merkmals wegen 
möchten wir sie aber eher zu S. hernandioides ziehen, da 
der blattlose Blütenstand, zwar schon von L’Heritier als 
besonders wichtiges Kennzeichen für S. nudiflora hervorge- 
hoben, bei den verwandten Arten ebentialls vorkommt, 
während die grosse Blüte für letztere sehr bezeichnend ist. 
Die Pflanze ist übrigens nicht mit Sida polyandra Roxb. 
oder, wie sie auch genannt wird, S. persica Burm.°’) zu 
verwechseln, wie dies von Masters (l. c.) geschehen ist, 
welcher die Roxburgh’sche Pflanze als Abutilon polyandrum 
Schldl. aufführt. An dieser von Masters für A. polyandrum 
mit Unrecht eitierten Stelle!) findet sich auch eine vielleicht 
nur einmal im Berliner botanischen Garten cultivierte mit 
kurzer Diagnose als Sida contracta Link eingeführte Art 
aus Madagaskar, welche mit S. nudiflora verglichen wird, 
aber nur ohne Blüte und Frucht bekannt war und deshalb 
besser unbenannt geblieben wäre. 

Unter den von St. Hilaire°) publicierten Arten der 
Gattung Abutilon treffen wir ausser dem erwähnten 
A. parviflorum noch A. patens und leucanthemum als in 
diesen Kreis gehörig an. Beide sind vom Autor ausführ- 
lieh beschrieben und da erstere auch von anderen Reisenden 


1) Flora of Brit. Ind. I pag. 325. 

2) Link Enumeratio Plant. Hort. Berol. II pag. 204. 
3) Flora Indica pag. 148 tab. 47 fig. 1. 

4) Link Enumerat. |. c. 

5) Flora Brasil. merid. Vol. I pag. 196 sq. 


120 A. Garcke: 


in Brasilien gesammelt wurde, so ist sie zur Genüge be- 
kannt. Die Blätter sind länglich, nur kurz bespitzt und 
meist mit stumpfer Spitze, niemals mit so langer Spitze 
als bei W. laxiflora, am Grunde abgerundet oder stumpf, 
kaum einmal schwach herzförmig und die dunkelgrüne 
Oberseite bildet einen lebhaften Contrast mit der hellen 
Unterseite. Abutilon leucanthemum St. Hil. soll sich zwar 
durch weisse Blüten unterscheiden, doch kommen solche 
auch bei A. parviflorum vor und beide möchten wir nicht 
von W. hernandioides getrennt wissen. 


Die Abgrenzung mancher Arten ist in dieser Gattung 
ausserordentlich schwierig, häufig sind die unbedeutendsten 
Merkmale, bisweilen sogar nur Alterszustände oder Ver- 
kümmerungen zur Aufstellung von Arten benutzt worden, 
woher es denn kommt, dass einige Species eine reiche 
Synonymie besitzen. Da der Fruchtbau bei allen Arten 
übereinstimmt, so hat man hin und wieder in der längeren 
oder kürzeren Schnäbelung oder Zuspitzung der Klappen 
Unterschiede finden wollen, obgleich dieselbe oft an ein 
und demselben Exemplar variiert. Aehnlich verhält es sich 
mit der Form der Blätter, welche, da sie fast alle ganz- 
randig oder nur sebr fein gezähnelt sind, ohnehin wenig 
Anhalt zur Unterscheidung bieten; wichtiger und beachtens- 
werter ist bei ihnen das Verhältniss der Länge zur Breite. 
So ist zu bewundern, dass bei De Candolle (l. ec.) gegen 
das sonst im ganzen Werke befolgte Prinzip, verwandte 
Formen möglichst auseinanderzubalten und als eigene Arten 
anzusehen, unter Sida periploeifolia drei Varietäten vereinigt 
sind, welche, wie wir gesehen haben, unstreitig ebenso vielen 
Arten angehören. 


Am besten unterschieden sind, wie schon oben bemerkt, 
W. spieata wegen des stets einfachen ährenförmigen Blüten- 
standes und der breiten, oft kreisförmigen, bisweilen fast 
nierenförmigen, plötzlich lang und schmal zugespitzten Blätter, 
W. periplocifolia, wenn man darunter eben nur W. zeylanica 
Medik. versteht, mit den abgestutzten oder sehr schwach 
berzförmigen, dreieckig-länglichen mittleren und oberen 
Blättern, welche oft dreimal länger als breit sind und 


Wie viel Arten ven Wissadula giebt es? 121 


W. hirsuta Presl wegen der einfachen, abstehenden Be- 
haarung. 


Am meisten schwankt die Blattform bei Sida hernan- 
dioides, excelsior, rostrata, laxiflora und parviflora, welche 
aber sonst in ihrer ganzen Tracht einander so täuschend 
ähnlich sind, dass es wohl am besten ist, sie als zu einer 
Art gehörig zu betrachten. 


Selbst Wissadula nudiflora, im normalen Zustande durch 
kleinere, fast kreisrunde Blätter und mehr als doppelt 
grössere Blüten zu unterscheiden, ist bisweilen schwer 
von W. bernandioides zu trennen. 


Während W.scabra Presl im Habitus von allen übrigen 
Arten dieser Gattung sehr abweicht, stimmt eine andere, 
bisher stets zu Abutilon gestellte Art weit mehr mit den 
echten Wissadula-Arten überein, wir meinen A. holosericeum 
Scheele !). 


Da der Autor ungeachtet der ausführlichen Diagnose 
und Beschreibung die Verwandtschaft der neu beschriebenen 
Art verschweigt und nicht einmal die Section angiebt, in 
welehe sie zu stellen ist, was in einer so artenreichen 
Gattung wie Abutilon wohl hätte erwartet werden dürfen, 
auch die eigenthümliche Einschnürung der Karpelle und die 
Lage der Samen unerwähnt lässt, so wird man kaum auf 
die Vermuthung kommen, dass man es hier mit einer 
Wissadula zu thun habe. Dies erfährt man selbst von 
Asa Gray nicht, dessen A. velutinum?) mit A. holosericeum 
identisch ist, aber die von beiden Autoren ausgegebenen 
Pflanzen lassen keinen Zweifel über die richtige Stellung 
der Art. Eher könnte man Bedenken tragen, Abutilon 
mueronulatum A. Gray?) mit angeblich 4—5 Samen hier- 
her zu bringen, wenn nicht der überaus sorgfältige Autor 
selbst die Art später?) zur Gattung Wissadula gestellt hätte, 
wie dies auch von Sereno Watson5) anerkannt wird. 


1) Linnaea Vol. XXI (1848) S. 471. 

2) Gener. fl. Amer. Vol. II pag. 67 et 230 tab 125. 
3) Proc. Amer. Acad. V. 175. 

4) In Emory Report. U. St. Part II pag. 39. 

5) Biographical Index pag. 144. 


122 A. Garcke: 


Am verbreitetsten von diesen sind W. periplocifolia 
und hernandioides, da sie in allen Tropenländern gefunden 
wurden, W. nudiflora und spicata sind auf Südamerika, 
W. divergens auf Südamerika und die Antillen, W. patens 
und hirsuta auf Brasilien beschränkt, während W. scabra, 
holosericea und mucronulata nur in Nordamerika (Mexico, 
Texas u. s. w.) vorkommen. 

Der besseren Uebersicht wegen lassen wir nun die 
Arten mit ihren Synonymen in chronologischer Reihe 
folgen. 

Wissadula Medik. 
1. W. periplocifolia Presl Relig. Haenk. II. pag. 117 

(1831—36), Thwaites Erum. pag. 27 (1854). 

Sida periplocifolia L. Spec. plant. ed. 1. pag. 684 
(1753), ed. 2. Vol. IH. pag. 962 (1763). 

Abutilon periplocifolium Sweet Hort. Brit. ed. 2. 
pag. 64 (1830). 

Wissadula zeylanica Medik. Künstl. Geschlechter 
der Malven-Familie S. 25 (1787). 

Abutilon ferrugineum H. B. K. Nov. gen. americ. 
V, pag. 271? (1821) 

Sida ferruginea DC. Prodr. I. pag. 468? (1824). 

2. W. hernandioides. 

Sida hernandioides L’Herit. Stirp. nov. fasc. V. pag. 
121 t. 58 (17855). 

Sida excelsior Cav. Diss. I. pag. 27 t.5 fig. 3 
(1790). 

Sida polyantha Schldl. in Link Enum. horti berol. 
II. pag. 204 (1822). 

Sida contracta Lk. 1. ce. (1822). 

Sida Luciana DC. Prodr. I. pag. 468 (1324). 

Sida Lechenaultiana DC. 1. ce. (1824). 

Sida rostrata Schum. et Thonn. Beskr. af Guin. 
plant. pag. 306 (1827). 

Abutilon parviflorum St. Hil. Flor. Brasil. merid. I. 
pag. 201 (1827). 

Abutilon leucanthemum St. Hil. 1. ce. pag. 200 
(1827). 


SW. 


Wie viel Arten von Wissadula giebt es?- 123 


Abutilon hernandioides Sweet Hort. Brit. ed. 2 pag 
64 (1830). 

Abutilon polyanthum Sweet 1. c. (1830). 

Abutilon contractum Sweet 1. c. (1830). 

Abutilon Lueianum Sweet 1. e. (1830). 

Abutilon Lechenaultianum Sweet 1. c. (1830). 

Abutilon excelsior (sie!) G. Don Gener. syst. I. pag. 
500 (1831). 

Sida stellata G. Don 1. e. pag. 499 (nec Cav.) sec. 
Hook. Niger Flor. pag. 229. 

Abutilon laxiflorum Guill. et Perr. Flor. Seneg. 
I. pag. 66 (1831—33). 

Wissadula hernandioides? et W. excelsior Presl 1. c. 

Wissadula rostrata Planch. in Hook. Niger Flora 
pag. 229 (18349). 

Abutilon verbascoides Turez. Bull. Mosc. 1858 pag. 
202 (ex Triana et Planch. Ann. se. nat. IV. 
Ser. (1862) pag. 187.) 

Wissadula Lechenaultiana Masters in Hook. Flor. 
of Brit. Ind. I. pag. 325 (1874). 

Sida heterosperma Hochst. mss. in plant. Kotschyan. 

Wissadula heterosperma Hochst. mss. in plant. 
Schimper. 


. nudiflora. 


Sida nudiflora L’Herit. Stirp. nov. fasc. V. pag. 
123 tab. 59 (1785). 

Sida stellata Cav. diss. I. pag. 27 tab. 5 fig. 4 
(1790). 

Abutilon nudiflorum Sweet 1. e. (1830). 


. spicata Presl Reliq. Haenk. II. pag. 117 (1831—36). 


Abutilon spicatum H. B. K. Nov. gen. americ. V. 
pag. 271 (1821). 

Sida spiciflora DC. Prodr. I. pag. 468 (1324). 

Wissadula gymnostachya et W. Jamesonii Turezan. 
in Bull. Soc. imp. nat. Mosc. 1358 pag. 202. 

patens. 

Abutilon patens St. Hil. Flor. Brasil. merid. I. pag. 
200 (1827). 


124 A. Garcke: Wie viel Arten von Wissadula giebt es? 


6. W. 


T..N0WL. 
saw. 


SO WWE 


10. W. 


hirsuta Presl ]. ce. 

Abutilon parviflorum Martins hb. flor. Brasil. 
(nec. St. Hil.) 

Abutilon erinitum Klotzsch in Linnaea vol. XIV. 
(1840) pag. 501. 

scabra Presl 1. c. 

holosericea. 

Abutilon holosericeum Scheele in Linnaea vol. XXI. 
(1845) pag. 471. 

Abutilon velutinum Asa Gray Gener. flor. Americ. 
II. pag. 67 et 230 tab. 125. 

mucronulata Asa Gray in Emory Report U. St. Part. 
II. pag. 39 (1858). 

Abutilon mueronulatum Asa Gray Proc. Americ. 
Academ. V. pag. 175. 

divergens Bth. et Hovk. gen. plant. 'I. pag. 204 
(1862). 

Sida divergens Bth. Bot. of Belch. voy. of the 
Sulphur pag. 69 (1844). 


Ueber ein Vorkommen von Krystallen in der 
Formation des Keupers. 


Von E. Dunker, Geheimer Bergrath a. D. in Halle a. S. 


Unter Weserthal im engeren Sinne wird das schöne 
breite Thal verstanden, welches sich von Hameln bis 
Vlotho erstreckt. In dem oberen Theile des im Süden des 
Thales auftretenden und im Ganzen nach Norden ein- 
fallenden Keupers zeichnet sich besonders eine, vielfach 
für den Ackerbau benutzte Schicht grauen Mergels durch 
ein, schon von Hausmann beschriebenes, !) Vorkommen 
von Krystallen aus. 

Sie enthält zunächst in grosser Menge ringsum ausge- 
bildete, durch Zersetzung zu Brauneisenstein gewordene 
Krystalle von Schwefelkies. 

Die vorkommenden Gestaltensind O2 und »02. 0», 

2 2 
theils einfach, theils in den bekannten Durchkreuzungs- 
Zwillingen. Zu Hohenrode bei Rinteln fand ich darin als 
Seltenheit auch kleine, sehr regelmässig ausgebildete 
Vetaöder, deren Fundort in Folge der Anlegung eines 
Fahrweges nicht mehr zugänglich ist. 

In einer tiefer liegenden röthlichen Mergelschicht 
kommen ebenfalls die zersetzten Kiese vor, aber nur in 
Würfeln. Anders gestaltete, unansehnliche Krystalle in 
einer höherliegenden Mergelschicht beim Dorfe Friedrichshöhe 
nach Osten haben zwar eine dünne graue Haut, sind 
darunter aber unzersetzt. 


1) Uebersicht der jüngeren Flötzgebilde im Flussgebiete der 
Weser. 1824. S. 265 u. w. 


126 E. Dunker: 


Ausser den Kiesen enthält die Schicht des grauen 
Mergels hohle kugelförmige, sphäroidische oder unregel- 
mässige Massen von krystallinischem Kalke, deren fast stets 
vorhandene Hohlräume mit Bergkrystallen und daneben 
oft auch mit einigen Kalkspathkrystallen besetzt sind. Die 
Bergkrystalle sind in der Regel von grosser Klarheit — 
sogenannte Schaumburger oder Lippische Diamanten, — 
im Durchschnitt zwar nicht gross, aber nach Hausmann 
zuweilen die Grösse von einem Zoll und wohl noch da- 
rüber erreichend. 

Man wird sich dies Vorkommen so erklären können, 
dass im Mergel, als er noch weich war, durch Zersetzung 
Gase und dadurch Hohlräume entstanden. In diese gelangte 
dann Kalklösung, aber in den meisten Fällen nur so lange, 
dass der abgelagerte krystallinische Kalk noch einen 
grösseren oder kleineren Hohlraum übrig liess, in welchem 
durch zugeführte Kieselsäurelösung die Bergkrystalle und 
neben ihnen durch weitere Zuführung von Kalklösung auch 
einige Kalkspathkrystalle entstanden. 

Bei Vlotho erstreckt sich der Keuper auch auf das 
rechte Weserufer. Hier fand ich vor langer Zeit an der 
senkrechten Wand einesMergelbruchs, dass der krystallinische 
Kalk eine zusammenhängende Schicht bildete, unterbrochen 
von Höhlungen, die kleine Bergkrystalle enthielten. Diese 
Schicht zog sich wie ein etwa 1S Centimeter breites Band 
wohl 6 Meter lang an der Mergelwand hin, was durch die 
vielen blitzenden Bergkrystalle sehr schön aussah. Der 
Fortbetrieb der Bruchs hat dies beseitigt, es kommen aber 
daselbst an anderen Stellen die Krystalle in sehr kleinen 
Drusen noch vor. 

Das Vorkommen der Bergkrystalle erstreckt sich von 
Hohenrode nach Süden bis zu dem hochliegenden Dorfe 
Goldbeck, nach Westen bis Vlotho und in dem dazwischen 
liegenden Theile des Fürstenthums Lippe-Detmold. So 
ist dadurch eine Art von Krystallflötz gebildet, das mehr 
als eine Quadratmeile umfassen wird. 

Es scheint mir wünschenswerth, dies interessante Vor- 
kommen für Mineraliensammlungen zugänglicher zu machen, 
als es bisher gewesen ist, nicht sowohl zur Beschaffung 


Ueber ein Vorkommen von Krystallen etc. LT 


einzelner Krystalle, als ihrer, die Art des Vorkommens 
zeigenden Drusen. 


Bei ihrer weiten Verbreitung kann es scheinen, sie 
seien ohne Weiteres in erwünschter Beschaffenheit zu er- 
langen. So einfach ist es aber nicht. Zunächst muss doch 
die Mergelschicht blosgelegt sein. Im Weserthale tritt das 
nur ein, wenn sich ein Thal nach Süden in den Keuper 
erstreckt. 


Das ist nur bei dem Dorfe Hohenrode der Fall und 
das Vorkommen würde von da nach Osten noch weiter zu 
beobachten sein, wenn es da nicht an einem solchen Thal- 
einschnitte fehlte. 


Ist ein Mergelbruch lange nicht benutzt worden, so 
können weitläuftige Aufräumungsarbeiten erforderlich sein. 
Am besten ist es, man kommt, wenn Mergel gebrochen 
worden ist und im Bruche noch die hohlen, die Krystalle 
enthaltenden Massen liegen, die man nur aufzuschlagen 
braucht. So fand ich es in Hohenrode und von da stammen 
auch die von mir gesammelten Drusen. Kommt man später, 
so können sie schon als Strassenbaumaterial zerkleinert sein. 


Das Sammeln ist daher am sichersten und bequemsten, 
wenn man am Orte des Vorkommens oder in dessen Nähe 
wohnt. Das ist, weil die besten Arten des Vorkommens 
mehr oder weniger bei Dörfern liegen, bei den in denselben 
wohnenden Schullehrern der Fall, die sich also besonders 
gut zu Sammlern eignen. Die gesammelten Drusen würden 
an Mineralien-Handlungen, Privat- und Öffentliche Samm- 
lungen, die grösseren namentlich an die letzteren verkauft 
werden können. Ich selbst würde eine schöne Druse gern 
erwerben, weil ich zwar die Kiese in grosser Menge besitze, 
mir aber das, was ich an Drusen gesammelt habe, bis auf 
ein kleines Stück, in nicht erklärter Weise abhanden ge- 
kommen ist. Zur Darstellung des Vorkommens würden 
auch gute Exemplare der Kiese gehören. 

Als Fundorte der Bergkrystalle giebt Hausmann an 
den hohen Ash bei Bösingfelde, Langenholzhausen im 
Lippischen und Uffeln bei Vlotho. Hierzu kommt noch 
Hobenrode. Der Fundort zu Uffeln ist der schon erwähnte 


128 E. Dunker: Ueber ein Vorkommen von Krystallen etc. 


auf dem rechten Weserufer und jetzt wahrscheinlich nur 
noch wenig brauchbar. 

Der hohe Ash zeigt nach meiner Beobachtung das 
Vorkommen nicht anstehend, sondern als sogenannten 
Diamantacker, das heisst, auf dem Ausgehenden liegt ein 
Acker, in den die Krysalle gelangt sind, was so aussieht, 
als ob man Glasstücke darauf ausgestreut hätte. 

Der frühere, nicht mehr zugängliche Fundort in Hohen- 
rode wird sich durch einen anderen ersetzen lassen. Es 
befindet sich nämlich etwas weiter nach Süden am Wald- 
rande ein Lehmgraben, in dem die Kinder Krystalle, die 
vom Ausgehenden herabgeschwemmt sein müssen, schon 
seit langer Zeit gefunden haben und noch finden. Räumt 
man also von da am Abhange nach oben in gerader 
Richtung das trockene Laub und etwas Erde fort, so wird 
man die anstehenden Krystalle erreichen. In dem Lehm- 
graben sollen auch früher Krystalle gesammelt sein, um sie 
als Schmuck für das Hoftheater zu Kassel zu benutzen. 

Wahrscheinlich ist auch das Dorf Goldbeck, das unge- 
fähr eben so hoch liegen wird, wie die Fundstelle auf dem 
hohen Ash, ein guter Fundort. 

Ich begab mich daher früher auf den Weg dahin und 
war schon bis zur Försterei in Nösingfeld gekommer, 
deren Vorstand mich nach Goldbeck begleiten wollte. Da trat 
aber ein so starker Regen ein, dass ich umkehren musste. 

Zwischen Nösingfeld und Goldbeck befinden sich nach 
dem betreffenden Blatte des topographischen Atlasses von 
Kurhessen Hohlwege oder tief eingeschnittene Fahrwege. 
Ihre genaue Untersuchung ist erforderlich, weil durch sie 
das Vorkommen aufgedeckt sein kann. Hiermit steht in 
Uebereinstimmung, dass Herr Bornemann zu Rinteln in dem 
auf der Linie Hohenrode-Goldbeck liegenden Rintelnschen 
Hagen in einem Fahrwege eine Hohlkugel von mittlerer 
Grösse mit sehr schönen Krystallen gefunden hat. Da nun 
auch der Fundort Hohenrode ein guter ist, so bat man 
Aussicht, auf der Linie Hohenrode-Goldbeck da, wo das 
Vorkommen hinreichend aufgeschlossen, oder seine Auf- 
schliessung niebt zu schwierig ist, schöne Krystalle zu finden. 


Ueber Bau und Entwicklung der Kiemen der 
Froschlarven. 


Von Hugo Naue aus Oranienbaum in Anhalt. 
Mit Tafel I. u. II. 


Einleitung. 


Der mächtigste und am meisten treibende Faktor in 
der Entwicklung der Thiere ist das Prinzip der Arbeits- 
theilung. In Folge dieses Prinzipes lokalisiren sich die 
einzelnen Thätigkeiten ; es entstehen an bestimmten Orten 
des thierischen Körpers den einzelnen Funktionen genau 
angepasste Organe. In sehr deutlicher und klarer Weise 
sehen wir dies Prinzip bei der Athmungsthätigkeit in An- 
wendung gebracht. Das Thier braucht zur Erhaltung seiner 
Lebensthätigkeit den Sauerstoff. Um diesen zu erhalten 
und in sich aufzunehmen, dient ihm im frühesten Jugend- 
alter, und bei gewissen Thierarten die ganze Lebenszeit 
hindurch die gesammte Körperoberfläche. Sobald jedoch 
die Lebensthätigkeit der Thiere eine grössere wird, genügt 
die Athmung, resp. Zufuhr des Sauerstoffs durch die Körper- 
oberfläche nicht mehr, sondern es bilden sich einzelne 
Organe, welche dies Amt übernehmen. Je grösser und ent- 
wickelter nun das Thier ist, um so mehr Sauerstoff gebraucht 
es zu seiner Erhaltung und um so komplizirter sind die 
Athmungsorgane gebaut. 

Beschränken wir uns auf den Kreis der Wirbelthiere, 
so sehen wir, dass hauptsächlich zwei Organe es sind, welche 
dazu dienen, den Sauerstoff aus dem umgebenden Medium 
aufzunehmen und in das Blut überzuführen. Es sind dies 
die Lungen, welche die Bestimmung haben, den Sauerstoff 


aus der atmosphärischen Luft aufzunehmen und welche 
Zeitschrift £. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. I 


130 Hugo Naue: 


somit hauptsächlich den Landthieren eigen sind und zweitens 
die Kiemen, welche den Sauerstoff aus dem Wasser ziehen 
und deshalb den wasserbewohnenden! Thieren zugehören. 

Verfolgen wir den Entwicklungsgang der Thiere, so 
finden wir, dass nicht alle sich sofort aus dem Ei zu dem 
definitiven Thiere entwickeln, sondern dass sie oft auch 
nach der Geburt noch einer Reihe von Metamorphosen 
unterworfen sind, die eine verschiedene Lebensweise: be- 
dingen, dass z. B. Individuen, welche später fast nur auf 
dem Lande leben, im Jugendzustande Wasserbewohner sind. 

Den verschiedenen, während ihrer Lebenszeit sie um- 
sebenden Medien angemessen, müssen auch die Athmungs- 
organe verschiedene sein. Eins der schlagendsten Beispiele 
hierfür bietet der Frosch. Bei ihm haben wir im ersten 
Jugendstadium nur Athmung durch die Körperhaut. In der 
weiteren Entwicklung bilden sich Kiemen, deren das Thier 
zweierlei Art hat, nämlich einfachere äussere und im späteren 
Larvenstadium zusammengesetzte innere, denn dasselbe ist 
im Larvenzustande ein Wasserbewohner. Bei der Meta- 
morphose in das definitive Thier verschwinden diese, während 
sich gegen Ende des Larvenzustandes schon Lungen ge- 
bildet haben, welche alsbald in Funktion treten. 

Ein so bekanntes und weitverbreitetes Thier der Frosch 
nun auch ist, so sind dennoch seine jugendlichen Respirations- 
Organe weder in histologischer noch entwicklungsgeschicht- 
licher Hinsicht genauer untersucht, und schulde ich daher 
meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geheimen Hofrath Pro- 
fessor Dr. Leuckart den grössten Dank, dass er mich auf 
dieses Thema aufmerksam machte und mich später, während 
der Untersuchungen, durch seine reiche Erfahrung freund- 
lichst unterstützte. 


Litteratur. 


Die Beschreibungen über die Kiemen der Batrachier 
beschränken sich zum grossen Theile nur auf Untersuch- 
ungen makroskopischer Art, sowohl in anatomischer als 
entwicklungsgeschichtlicher Beziehung. Erst einige der 
neueren Forscher haben auch die Histologie derselben in 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 151 


Berücksichtigung gezogen. Die ältesten Werke, welche ich 
benutzt habe, stammen aus dem Jahre 1326. Es sind zwei 
Abhandlungen von Rusconi und E. Huschke. 

Der erstere schreibt in seiner Arbeit: „Developpement 
de la grenouille commune depuis le moment de sa 
naissance jusqu’a son etat parfait“ im 1. Bande pag. 12 
und 47, dass man ungefähr 52 Stunden nach der Geburt 
die äussern Kiemen in Gestalt einer Hervorragung zu beiden 
Seiten des Kopfes bemerkt. Der Kopf hat sich in diesem 
Stadium schon ausgebildet und der Schwanz schon in die 
Länge gezogen. Er verfolgt dann genau die Entwicklung 
der äussern Kiemen bis zu deren Verschwinden. Bei der 
Untersuchung der innern Kiemen beschränkt er sich haupt- 
sächlich auf den Verlauf der Blutgefässe, während die 
Anatomie nur wenig Beachtung gefunden hat. Bemerkens- 
werth ist, dass er eine bei vielen späteren Autoren vermisste 
eingehendere Beschreibung der später zu beschreibenden sieb- 
artigen Gebilde liefert, und sich auch über ihre physiologische 
Bedeutung richtig ausspricht, indem er sagt: Leur usage 
a ce que je crois est de retenir dans la cavit& de la bouche 
les corpuscules que le tetard avele avec leau, qui ä la 
langue pourroient obstruer le canal branchial s’ils n’&taient 
pas rejetes ainsi d’apres cette supposition j’ai eru devoir les 
designer par le nom de filtres. 

Die zweite Abhandlung aus demselben Jahre ist die 
von E. Huschke: „Ueber die Umbildung des Darmkanals 
und der Kiemen der Froschquappen“. Der Verfasser be- 
schreibt darin hauptsächlich das Verschwinden der innern 
Kiemen und kommt zuletzt zu dem Schlusse, dass aus ihnen 
die Schilddrüse sich bildet. 

Werthvolle Aufzeichnungen über den anatomischen Bau 
der Froschkieme liefert Rathke in seinen: „Anatomisch- 
philosophischen Untersuehungen über den Kiemenapparat 
und das Zungenbein der Wirbelthiere“. 

Die Abhandlung stammt aus dem Jahre 1532. Merk- 
würdigerweise bringt er über die siebartigen Gebilde keine 
Bemerkung, während er sonst die anatomischen Verhältnisse 
eingehend beschreibt und sich sowohl über die äusseren 
Kiemen, als auch über die inneren verbreitet, und sogar der 

9* 


132 Hugo Naue: 


Entwicklung der Opercularfalte einige Zeilen widmet. Sehr 
interessant sind auch seine Aufzeichnungen über das 
Schwinden der inneren Kiemen, sowie über deren Verbleib. 

Auf einige Punkte, in denen ich mit seinen Angaben 
nicht übereinstimme, werde ich im Laufe der Abhandlung 
zurückkommen. 

Einen weiteren Beitrag zur Kenntniss der Kiemen 
liefert uns eine Abhandlung vom Jahre 1834 aus der 
Feder des französischen Gelehrten Duges: „Recherches sur 
l’osteologie et la myologie des Batraciens a leurs differents 
äges“. Der Verfasser giebt darin eine Darstellung der 
Entstehung und des Verschwindens der äusseren Kiemen 
und macht Angaben über den Bau der inneren, speciell, 
wie der Titel besagt, über die Muskulatur und den Knochen- 
bau derselben. 

Zehn Jahre später liessen Prevost et Lebert eine Be- 
schreibung der Kiemen unter dem Titel: „Sur la formation 
des organes de la eirculation et du sang dans les Batraciens“ 
erscheinen. Nach einer kurzen Beschreibung der Entstehung 
und des Baues der Kiemen verbreiten sie sich eingehender 
über den Inhalt derselben im ersten Stadium, sowie über 
die Bildung der Blutgefässe. 

Die erste genauere Beschreibung der Kiemen finde ich 
in einer Arbeit aus dem Jahre 1882 von E. V. Boas: „Ueber 
den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien“. 
Der Verfasser giebt darin eine kurze aber genaue Schilder- 
ung der anatomischen Verhältnisse, sowohl der Kiemen, als 
auch der siebartigen Gebilde, welche sich auch auf den 
histologischen Bau erstreckt. Vornehmlich aber beschreibt 
derselbe den Verlauf der Blutgefässe in den Kiemen und 
den siebartigen Gebilden der ausgebildeten Larve. Am 
Scehlusse seiner Abhandlung bespricht er noch gewisse Ver- 
änderungen, die während des Uebergangsstadiums der Larve 
zum definitiven Thiere, dem Frosche, sich bemerkbar 
machen. 

In einer zweiten Abhandlung :: „Beiträge zur Angiologie 
der Amphibien“, aus dem Jahre 1883, bestreitet Boas ganz 
entschieden die Annahme E. Huschke’s, dass die Carotiden- 
drüse aus den Kiemen entstände. Er stellt vielmehr die 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 135 


Behauptung auf, dass dieselbe durch Aussackungen der 
früheren Kiemenarterien und der Carotis externa ihren Ur- 
sprung nehme. 

Die Arbeit des Engländers Thomas Aleock: „On the 
development of the common frog‘“‘, aus dem Jahre 1884, 
beschränkt sich lediglich auf Angaben über die Zeit, in der 
die einzelnen Organe entstehen, ohne indessen weiter auf 
dieselben einzugehen. 

Zwei weitere Abhandlungen über die Kiemen sind die 
im Jahre 1838 erschienenen Schriften von F. Maurer: „Die 
Kiemen und ihre Gefässe bei anuren und urodelen Am- 
phibien und die Umbildung der beiden ersten Arterienbogen 
bei Teleostiern“ in C. Gegenbauers morphologischem Jahr- 
buch, und von F. E. Schulze: „Ueber die inneren Kiemen 
der Batrachierlarven“, aus den Abhandlungen der Königlich 
preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 

Der Verfasser der ersten Schrift bezieht sich, wie er 
in seiner historischen Uebersicht sagt, zunächst auf die 
Arbeiten von Boas. Er ergänzt dieselben in Bezug auf die 
erste Entwicklung der Kiemengefässe bei den Amphibien 
überhaupt, sowie speciell den Anurenlarven. 

Von der Arbeit des zweiten Verfassers ist bis jetzt nur der 
erste Theil erschienen und zwar zu einer Zeit, in der meine 
eigenen Untersuchungen schon dem Abschluss nahe waren. 
In diesem ersten Theile aber ist von den Kiemen über- 
haupt noch nicht die Rede. Derselbe behandelt nur das 
Epithel der Lippen und der Mund-, Kachen- und Kiemen- 
höhle. 

Aus demselben Jahre stammt schliesslich auch eine 
Abhandlung von P. Jordan : „Die Entwicklung der vorderen 
Extremität der Anuren Batrachier“. 

Der Verfasser liefert in derselben eine genaue Be- 
schreibung des Baues und der Entwicklung des Kiemen- 
deckels und des die beiden Kiemenhöhlen verbindenden 
Kanals. 


134 Hugo Naue: 


Untersuchungsmaterial. 


Der leichten Beschaffung und der Menge des Materials 
wegen habe ich meine Untersuchungen zumeist an Larven 
von Rana temporaria und esculenta vorgenommen. Zu 
Untersuchungen unter dem Mikroskope sowohl in topo- 
graphischer als histologischer Hinsicht habe ich nur oben- 
genannte beide Arten benutzt, während ich bei macros- 
kopischen Untersuchungen vielfach auch die Larven von 
Pelobates fuscus, welche in der Umgegend von Leipzig 
nicht selten vorkommen, zu Hilfe genommen habe, nachdem 
ich mich durch Vergleichung derselben mit den vorher er- 
wähnten Arten überzeugt hatte, dass ausser der Differenz 
in der Grösse, welche allerdings beträchtlich ist, zumal da 
von mir nur überwinterte Larven benutzt wurden, andere 
Unterschiede, im Bau der Kiemen wenigstens, nicht vor- 
handen sind. Larven anderer Froscharten standen mir 
nicht zur Verfügung. 


Untersuchungsmethoden. 


Die Konservirung der zu untersuchenden Objekte habe 
ich auf zweierlei Weise vorgenommen: 

1) durch Behandlung mit Chromsäure, 
2) durch Uebertragung in Sublimat. 

Bei letzterer Methode verfuhr ich so, dass ich die 
Thiere in konzentrirte Sublimatlösung brachte, welche vor- 
her auf ca. 45°C. erwärmt war. In derselben wurden sie 
binnen weniger Sekunden abgetötet. Bis zum Erkalten der 
Lösung, also ca. !/, Stunde verblieben sie darin. Hierauf 
wurde das Sublimat mit Wasser, oder wenn es schneller 
gehen sollte, mit Jodalkohol ausgewaschen. Die auf diese 
Weise behandelten Objekte wurden dann zunächst in 30 ‘ 
Alkohol gebracht, später in 70 bis 96 °/, Alkohol gehärtet 
und schliesslich in ca. 90 °/, übertragen. 

Auch in kaltem Sublimat versuchte ich einige Thiere 
zu konserviren, doch zeigte sich dabei der Uebelstand, 
dass Verzerrungen der Organe auftraten, die sie zu Unter- 
suchungen untauglich machten. 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 135 


Ein Versuch, die Thiere, bevor sie in kaltes Sublimat 
gebracht wurden, durch Öurare in die Muskelstarre zu ver- 
setzen und sie auf diese Weise zu Bewegungen und Ver- 
zerrungen unfähig zu machen, zeigte günstige Resultate. 

Die in Chromsäure konservirten Objekte konnte ich 
leider zu mikroskopischen Präparaten fast gar nicht ge- 
brauchen, da keines der von mir angewendeten Tinktions- 
mittel die Objekte färbte. Infolgedessen sah ich mich ge- 
nöthigt, mich bei denselben auf makroskopische Unter- 
suchungen zu beschränken. 

Als Färbemittel benutzte ich Pierocarmin, saures Carmin 
und Haematoxylin. Bei ersterer Färbemethode erhielt ich 
sehr schöne Gesammtbilder, während sich Haematoxylin 
mehr zur histologischen Untersuchung geeignet zeigte. 

Um den Verlauf der Blutgefässe besser erkennen zu 
können , machte ich Versuche mit Injektionen. Zur ersten 
Injektion benutzte ich salpetersaures Silber, doch entsprach 
der Erfolg den daran geknüpften Erwartungen in nur sehr 
seringem Maasse. 

Ein zweiter Versuch mit ammoniakarmer Carminlösung, 
wozu der besseren Neutralisation wegen etwas Salz hinzu- 
gesetzt war, misslang vollständig. 

Um so besser gelang mir aber ein dritter Versuch, den 
ich anstellte. Ich benutzte dazu die feinste chinesische 
Tusche, welche ich mit dem Finger abrieb. 

Auch hier setzte ich der besseren Neutralisirung halber 
etwas Salz hinzu. Der Erfolg war, wie schon gesagt, ein 
ganz vorzüglicher. 

Die Injektion selbst nahm ich auf folgende Weise vor. 
Nachdem das Thier durch Curare in die Muskelstarre ver- 
setzt war, legte ich das Herz frei. Sodann nahm ich das 
ganze Tbier aus dem Wasser, in dem es bisher gewesen 
war, um die Injektion im Trockenen auszuführen, damit 
nicht die Tusche durch das Wasser wieder ausgespült werde. 
Nachdem dies geschehen, stiess ich eine in eine feine Spitze 
ausgezogene Glasröhre in das Herz ein und liess langsam 
die Injektionsmasse in dasselbe hineinlaufen. Da durch 
die feine Glasspitze das Herz nur sehr wenig verletzt wurde, 
arbeitete es noch längere Zeit weiter und pumpte selbst die 


136 Hugo Naue: 


schwarze Masse in die Blutgefässe und von da in die 
Kiemen. Sofort nach geschehener Injektion wurde das 
Objekt zur Härtung sowohl der Gewebe, als besonders auch 
der Tusche in absoluten Alkohol gebracht. Versuche, mit 
einer Pravaez-Spitze die Injektion auszuführen, misslangen, 
denn bevor das Lumen des Röhrchens in das Herz einge- 
treten war, drang die schräge Spitze schon an der anderen 
Seite des Herzens wieder heraus, wodurch dies so zerstört 
wurde, dass es sofort aufhörte zu funktioniren. 

Um die topographischen Verhältnisse festzustellen, 
arbeitete ich theils mit unbewaffnetem Auge, theils mit der 
Loupe. Zur Untersuchung mit dem Mikroskope dagegen 
fertigte ich theils einzelne Schnitte, theils Schnittserien von 
ganzen Larvenköpfen oder Kiemenkörben resp. von einzelnen 
Kiemenbögen an. Auch einzelne Kiemenbäumchen habe 
ich geschnitten. Die Stärke der Schnitte betrug, je nach 
dem Zwecke, zu dem ich sie anfertigte, !/;—!/,, mm. 

Dem Thema entsprechend, zerfällt die ganze Abhand- 
lung in zwei Haupttheile: 

1) Bau des Kiemenapparates, 
2) Entwicklung desselben. 

Bevor ich jedoch zu dem ersten Theile selbst übergehe, 
mögen einige Worte über die Lage des Apparates im Körper 
des Thieres vorangehen., 


Topographie des Kiemenapparätes. 


Nach Entfernung der Oberhaut des Körpers und des 
darunter liegenden Bindegewebes an der Bauchseite trifit 
man auf eine zweite dünne Haut, unter der man die Kiemen 
deutlich hervorschimmern sieht. Dieselbe ist, wie später 
gezeigt werden wird, die innere Auskleidung des Kiemen- 
deckels und begrenzt die Kiemenhöhle, als deren Wand 
nach innen. 

Die Haut erstreckt sich von der Brust und Rumpf 
trennenden Wand, an die sie angewachsen ist, bis zu den 
Zungenbeinhörnern vor, mit denen sie zum Theil vermittels 
Bindegewebes zusammenhängt, wogegen sie mit dem Zungen- 
beine unmittelbar verbunden ist. Im der Mitte tritt sie etwas 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 137 


zurück und heftet sich an den Perikardialsack an. An 
den äusseren Seiten ist diese Haut an die Knorpelplatten 
der Kiemenbögen angewachsen. Mit dem hinteren Rande 
nimmt sie Theil an der Bildung eines Kanales, welcher 
beide Kiemenhöhlen mit einander verbindet und welcher in 
einen auf der linken Seite des Thieres liegenden Aus- 
führungsgang, Athemloch, auch Kiemenloch oder Spiraculum 
genannt, ausmündet. Dieser Kanal mitsammt dem Athem- 
loche dient dazu, das Wasser beider Kiemenhöhlen nach 
aussen abzuleiten. 

Die Kiemen selbst nehmen den grössten Theil des 
hinteren Kopfes ein (Fig. 1). 

Sie liegen von vorn nach hinten divergirend, auf den 
Seiten, sodass zwischen ihnen noch Platz genug vorbanden 
ist für die Einlagerung des Herzens (Fig. 1), welches die 
Blutgefässe nach den Kiemen entsendet. 

Hinter den Kiemen liegen die Vorderextremitäten, 
welche von der Kiemenhöhlenwand vollständig einge- 
schlossen sind und sogar noch den hinteren Theil der 
Kiemen bedecken. 

Auf den Seiten bildet die Körperoberhaut die Grenze, 
während als Abschluss des hier in Frage kommenden Theils 
des Kopfes nach vorn der musculus subhyoideus (Fig. 1) 
dient, ein starkes muskulöses Band, welches zwischen den 
Zungenbeinhörnern ausgespannt ist. 

Um die Lage der Kiemen von der dorsalen Seite her 
bestimmen zu können, müssen wir den Theil des Kopfes, 
welcher iiber der Mundhöhle liegt, entfernen, ebenso auch 
einen Theil der Wirbelsäule. Auch bier ist der Anblick 
des Apparates zunächst noch durch Häute verhüllt. Von 
hinten nach vorn erstreckt sich eine Haut über die Kiemen- 
körbe hinweg bis ca. zur Mitte derselben. Dieselbe ist an 
ihrem vorderen Rande gelappt oder zerrissen. Schulze 
nennt sie die hintere Kiemendeckplatte. Ebenso ist der 
mit ihr zusammenstossende hintere Rand des Velums ge- 
lappt. Beide Ränder stehen nahe an einander, sodass 
zwischen ihnen nur eine verhältnissmässig schmale Spalt- 
öffnung zum Durchfliessen des Wassers bleibt. 

Das Velum selbst ist eine, über das Zungenbein ge- 


138 Hugo Naue: 


legte, mit hakenförmigen Fortsätzen ausgestattete feste 
Haut. Unter ihr befinden sich noch kleine häutige Gebilde, 
welche zwischen den Fortsätzen der Kiemenbögen, von denen 
später noch die Rede sein wird, ausgespannt sind. Erst 
nach Ablösung aller dieser Decken kommt der Kiemen- 
apparat selbst zum Vorschein, welcher auf dieser Seite, also 
nach oben hin, eigenthümliche siebartige Gebilde trägt. 


I. Bau des Kiemenapparates. 
Allgemeines über den Kiemenapparat. 


Nachdem im Vorstehenden die Lage und Umhüllung 
des Kiemenapparates beschrieben ist, bleibt noch Einiges 
über den Bau desselben im Allgemeinen zu sagen. 

Der ganze ausgebildete Apparat besteht im Wesentlichen 
aus zwei Theilen: 

A. Den Hilfs- und Schutzapparaten, 
a) aus den sowohl die Kiemen, als die filter- 
artigen Gebilde tragenden Knorpelbögen, 
b) den filterartigen Gebilden, 
c) der Kiemenhöhlenwand und dem Verbindungs- 
kanal, 
d) den Muskeln. 
B. Dem respiratorischen Theile, den eigentlichen 
Kiemen und den Blutgefässen. 

Die Anzahl der Kiemenbögen beträgt vier. Dieselben 
tragen auf der nach unten liegenden gewölbten Seite die 
Kiemen, während die filterartigen Schutzgebilde auf der 
konkaven Seite sitzen und nach oben sehen. Die Kiemen- 
bögen haben Spalten zwischen sich, durch welche das 
Wasser, nachdem es die filterartigen Gebilde passirt hat, 
zu dem respiratorischen Theile des Apparates gelangt. 

Der Anzahl der Kiemenbögen entsprechend, sind am 
Kiemenkorbe drei solcher Spalten vorhanden. Zwischen 
dem 1. und 4. Bogen einerseits und der die Kiemenhöhle 
begrenzenden Wand andererseits befinden sich keine Spalten. 
Die betreffenden Gebilde sind ziemlich fest mit einander 
verwachsen, wie dies schon bei der topographischen Be- 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 139 


schreibung gesagt ist. Die Spalten selbst sind, der Länge 
der Kiemenbögen angemessen, verschieden lang und zwar 
so, dass die beiden auf den Seiten, also die zwischen dem 
1. und 2. und zwischen dem 3. und 4. Bogen befindlichen, 
kleiner sind, als die zwischen dem 2. und 3. Bogen. 

Vermittelst der vier Kiemenbögen ist der ganze Apparat 
am Zungenbeine befestigt, während die Kiemenbögen selbst 
auch noch untereinander eng verbunden sind. 


A. Die Hilfs- und Schutzapparate. 


a. Die Kiemenbösgen. 
1. Verbindung der Kiemenbögen mit dem Zungenbeine und untereinander. 


Zur genaueren Untersuchung dieser beiden Verbind- 
ungen, von denen ich die erstere, also die der Kiemen- 
bögen mit dem Zungenbeine zunächst in Betracht ziehen 
will, müssen die Bögen von allen den Anhängen, die sie 
tragen, also sowohl den Kiemenbäumchen, sammt den sie 
versorgenden Blutgefässen, als auch den siebartigen Ge- 
bilden, sorgfältig befreit werden. Auf der oberen Seite 
muss das die Verbindungsstelle bedeckende Velum abge- 
hoben werden. 

Infolge der von vorn nach hinten stark divergirenden 
Richtung der Kiemenkörbe liegen dieselben fast quer im 
Kopfe und dadurch erscheint der nach aussen liegende 
Kiemenbogen als der erste, während der dem Herzen am 
nächsten liegende den vierten darstellt. Was nun die Ver- 
bindung mit dem Zungenbeine betrifft, so ist dieselbe bei 
den drei hinteren Bögen die gleiche, während der erste 
eine Ausnahme hier macht. 

Der 2., 3. und 4. Bogen ist dem Zungenbeine durch 
Bindegewebe angeheftet, beim ersten dagegen ist der 
Knorpel fest mit demjenigen des Zungenbeines verwachsen, 
sodass keine Unterbrechung des Knorpels stattfindet und 
auch sonst kein Anzeichen vorhanden ist, welches auf die 
Verbindungsstelle hindeutet. Eine Bestätigung dieser zu- 
nächst auf makroskopische Untersuchung gestützten An- 
nahme findet sich auf Schnitten. Bei einem horizontal 


140 f Hugo Naue: 


durch den Kopf geführten Schnitte sieht man deutlich, dass 
ein ununterbrochener Knorpelstrang, von der Mitte des 
Zungenbeines ausgehend, in den ersten Kiemenbogen über- 
führt und diesen dadurch unbeweglich mit dem Zungen- 
beine verbindet. (Fig. 2.) 

Die Zeichnungen von Rathke und Goette lassen ihn, 
ebenso wie die übrigen Bögen, dem Zungenbeine angeheftet 
erscheinen, doch erweist sich dies, wenigstens für die aus- 
gebildeten Larven, als irrthümlich. 

Wie die auf den ersten zunächst folgenden zwei Bogen 
in ihrem ganzen Baue eine grosse Aehnlichkeit mit einander 
besitzen, so ist auch ihre Verbindung mit dem Zungenbeine 
eine gleiche. Bevor ich jedoch zur Beschreibung dieser 
Verbindung selbst übergehen kann, ist es nöthig, eine Be- 
merkung über den Bau der beiden Kiemenbögen voraus- 
zuschicken. Die Bögen liegen mit ihrer konvexen Seite 
nach unten, machen aber am vorderen Ende eine sehr 
scharfe Biegung und senden nach oben hin einen starken 
breiten Fortsatz aus, welcher sich plötzlich verengt und 
in ein langes rundes Gebilde ausläuft. An dem Punkte 
nun, wo der Knorpel so plötzlich sich verschmälert, sind 
die Bögen durch Bindegewebe an das Zungenbein ange- 
heftet. Die Anheftungsstellen selbst kann man nur von 
oben sehen, da Ausläufer der Bögen an der unteren Seite 
dieselben verdecken. Bei der Beschreibung der einzelnen 
Bögen werde ich auf die Verbindungen nochmals zurück- 
kommen. Der 4. Bogen ist mit der ganzen Breite seines 
vorderen Endes dem Zungenbeine durch Bindegewebe an- 
geheftet. 

Ferner sind die Kiemenbögen auch noch untereinander 
verbunden und zwar in verschiedener Weise. An dem dem 
Zungenbeine zugekehrten Ende findet sich eine direkte 
Verbindung der Bögen nur zwischen dem 2. und 3. Bogen, 
während der 1. und 4. weder untereinander, noch mit den 
ihnen zunächst liegenden verbunden sind, abgesehen natür- 
lieh davon, dass sie durch Muskeln und Bindegewebe zu- 
sammenhängen. Der 2. und 3. Bogen aber sind dadurch 
mit einander verbunden, dass die Fortsätze, welche beide 
nach vorn an der unteren Seite ausschieken, und welche, 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 141 


wie schon gesagt, die Anheftungsstellen an das Zungenbein 
verdecken, fest mit einander verwachsen sind. Der Nach- 
weis dieser Verbindung ist mit Leichtigkeit auf mikros- 
kopischem Wege zu führen. Ein Schnitt durch die Fortsätze 
in der Längsrichtung derselben zeigt ein gleichmässiges 
knorpeliges Gewebe, welches, ohne durch Bindegewebe 
oder sonst wie unterbrochen zu sein, ein zusammenhängen- 
des Ganzes darstellt. (Fig. 4.) Ich hebe diesen Um- 
stand ausdrücklich hervor, weil ich durch die Feststellung 
desselben in Widerspruch trete zu der Annahme sämmt- 
licher Forscher, welche über diesen Gegenstand geschrieben, 
resp. Zeichnungen darüber geliefert haben, besonders auch 
zu Rathkes Zeichnung des Kiemenkorbes in seinen ana- 
tomisch-philosophischen Untersuchungen über den Bau des 
Wirbelthierkörpers. Derselbe lässt alle 4 Bögen getrennt 
am Zungenbeine endigen, ebenso Götte in seiner Entwick- 
lungsgeschichte der Unke. Dieser Punkt ist um so auf- 
fallender, als man schon mit unbewaffnetem Auge die Ver- 
bindung erkennen kann und ein einigermassen günstiger 
Schnitt jeden Zweifel darüber hebt. Ein Einwurf, dass die 
von Rathke gezeichneten Objekte verschieden seien an 
Alter und Grösse, von den von mir untersuchten, wird da- 
durch hinfällig, dass erstens die Zeichnung Rathkes die 
Verhältnisse einer ausgebildeten Larve mit schon vollständig 
entwickelten Vorderbeinen zeigt und dass zweitens die Ver- 
wacksung schon in jungen Stadien vorhanden ist. 

Bei manchen der von mir untersuchten Objekte hatte 
es sogar den Anschein, als ob auch der erste und zweite 
Bogen mit einander verbunden wären. 

Eine nähere Untersuchung belehrte mich jedoch bald, 
dass dieselben in der Nähe der Anheftungsstelle an das 
Zungenbein zwar sehr dicht an einander liegen, aber durch- 
aus nicht mit einander verwachsen sind. Der 4. Bogen 
ist vollständig abgesondert von den übrigen angeheftet. 

An dem hinteren Ende dagegen sind alle vier Bögen 
fest mit einander verbunden und zwar durch direkte Ver- 
wachsung. (Fig. 3.) Die Verbindungsstelle bildet ein 
breites Band, welches auf der ventralen Seite hinter der 
Kiemenspalte des 3. und 4. Bogens einen kleinen Fortsatz 


142 Hugo Nanue: 


aussendet. Von der dorsalen Seite erscheint das Gebilde 
als Fortsetzung des an dieser Seite einmündenden 5. Bogens. 
Der ganze Verbindungsknorpel sieht aus, als ob er nur 
Fortsetzung des 1. Knorpelbogens wäre, mit welcher der 
2. und 3. Bogen verwachsen sind, während derselbe hinter 
der Stelle, wo sich die Kiemenspalte des 3. und 4. Bogens 
befindet, mit dem 4. Bogen zusammentriftt. Wenigstens 
dürfte dies in jüngeren Stadien der Fall sein, da an der 
betreffenden Stelle sich eine sich scharf markirende Unter- 
breehung befindet, wie man auf Schnitten sieht, während 
auf Schnitten durch ältere Stadien dieselbe fast ganz ver- 
schwunden ist. Hinter jedem Bogen ausser dem 4. befinden 
sich kleine Löcher im Knorpel zum Durchtritt der von dem 
Filterapparat kommenden Gefässe. Das hinter dem 2. Bogen 
befindliche ist das grösste. 


2. Die einzelnen Kiemenbögen. 


Im Gegensatze zu den meisten anderen Kiemen tragen- 
den Thieren, deren Bögen aus mehreren Segmenten be- 
stehen, welche die Zahl vier erreichen können, sind die 
Bögen bei den Anuren nur aus einem einzigen Stücke ge- 
bildet. Dies findet seine Erklärung darin, dass die Bögen 
aus elastischem Knorpel bestehen und nicht genöthigt sind 
bedeutende Lageveränderungen einzugehen. Die beiden 
mittleren Bögen sind einander ziemlich ähnlich, während 
der 1. und 4. sowohl von diesen, als auch untereinander 
vollständig verschieden sind. 

Vom Zungenbeine aus geht der erste Bogen als ein 
starker runder Stab nach hinten zu. Diese Gestalt behält 
er aber nicht seiner ganzen Länge nach, sondern verändert 
dieselbe sehr bald. Ungefähr an der Stelle, wo die Spitze 
des Zungenbeinbogens den Kiemenbogen überragt, wird er 
plötzlich zu einer dünnen breiten Platte. An der Ueber- 
sangsstelle befindet sich eine kleine Knickung. Der vordere 
starke Theil des Bogens hat in der Mitte der Unterseite 
eine schwache Rinne, resp. er ist an der Unterseite abge- 
plattet. 

In der Mitte zwischen der ersten Knickung und dem 
Punkte, wo der Bogen zuerst mit dem Zungenbeine in Be- 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 143 


rübrung kommt, befindet sich eine zweite sehr schwache 
Knickung, entsprechend der starken Biegung beim 2. und 
3. Bogen. Ueber dieser befindet sich ein kleiner Höcker. 
In der Mitte zwischen diesem letzteren und dem Berührungs- 
punkte mit dem Zungenbeine sitzt ein nach oben und hinten 
gehender Fortsatz dem Bogen auf. Ungefähr von der Mitte 
an geht der letztere also als breite dünne Platte weiter 
nach hinten. Die Ränder derselben haben sich nach innen 
eingeschlagen, während sich der übrige Theil nach aussen, 
also nach der Kiemenhöhlenwand hin bauchig vorwölbt. 
Am unteren Rande befinden sich Ausläufer der Platte, 
welche als Stützen der filterartigen Gebilde dienen, während 
dieselben am oberen Rande fehlen. Die Bilder, welche 
die Schnittpräparate liefern, entsprechen den hier ge- 
schilderten Verhältnissen. 

Auf einem Querschnitte durch den hinteren Theil sehen 
wir den Bogen als schmalen langen Knorpelstreifen, dessen 
Breite ziemlich gleichmässig ist. 

Die ganze Platte ist stark gekrümmt. Am vorderen 
Theile dagegen erscheint derselbe als ein rundes Gebilde 
resp. dreieckiges mit abgestumpften Kanten. 

Der zweite Kiemenbogen ist ein gekrümmter runder 
Stab. An seiner Unterseite befindet sich eine rinnenartige 
Vertiefung für die Blutgefässe. Dieselbe tritt besonders am 
hinteren Ende deutlich hervor, da an dieser Stelle der 
Rand des Knorpels förmlich gerollt ist. Zu beiden Seiten 
des Knorpels sind kleine Ausläufer zum Tragen der filter- 
artigen Gebilde, doch stehen dieselben an Grösse weit 
hinter denen des ersten Bogens zurück. Am vorderen Ende 
macht der Bogen eine starke Biegung nach oben, bildet an 
der Unterseite, der Krümmung gegenüber, ein Höckerchen 
und sendet von diesem aus einen schmalen Fortsatz nach 
vorn und zwar in schiefer Richtung nach dem Zungenbeine 
zu, welches derselbe aber nicht erreicht, denn kurz vor 
demselben macht er eine Biegung nach oben und hinten, 
um dann allmälig wieder etwas vorzugehen, sadass an 
dieser Stelle eine tiefe Einbuchtung entsteht. Unter diesem 
Fortsatze hinweg und durch die Einbuchtung hindurch 
steigt ein den respiratorischen Theil des Apparates ver- 


144 Hugo Naue: 


sorgendes Blutgefäss empor. An dieser Einbuchtung ist 
der Knorpel ziemlich schmal, doch verbreitert er sich bald 
und geht dann nach oben. Mit dieser breiten Fläche und 
zwar am Ende derselben, inserirt sich der Bogen am 
Zungenbeine. Nachdem dies geschehen, wird der Knorpel 
plötzlich wieder schmaler, macht eine zweite Biegung und 
sendet noch einen dünnen langen und runden Fortsatz 
aus, dessen Richtung nach oben und hinten geht. Ein 
Querschnitt durch den Bogen zeigt ebenfalls, dass derselbe 
eine länglich rundliche Form hat, mit einer nach seitwärts 
und unten hin verlaufenden Spitze ; letztere ist der Längs- 
schnitt eines die filterartigen Gebilde tragenden Ausläufers. 
(Fig. 5.) Da, wo ein Blutgefäss dem Bogen aufliegt, also 
an der Unterseite, erscheint derselbe, wenn keine Rinne 
vorhanden ist, platt gedrückt. In der Regel ist dies übrigens 
nur an den Fortsätzen bemerkbar, da das Blutgefäss auf 
dem eigentlichen Bogen nur sehr wenig aufliegt. 

Wie schon bemerkt, ist der 3. Bogen dem 2. ziemlich 
ähnlich gebaut. Er hat ebenfalls das Aussehen eines etwas 
gekrümmten runden Stabes, mit einer Furche auf der unteren 
Seite, in welcher ein Blutgefäss liegt. An den Seiten be- 
finden sich Ausläufer, welche die filterartigen Gebilde 
tragen; die Anzahl der ersteren ist an verschiedenen Ob- 
jJekten verschieden. An seinem vorderen Ende macht der- 
selbe eine starke Biegung nach oben. Dieser Biegung 
gegenüber, an der unteren Seite, befindet sich ein kleiner 
Höcker, von welchem an der Knorpel in schräger Richtung 
nach dem Zungenbeine zugeht, ohne indessen mit diesem 
in Berührung zu kommen. 

Hier bildet der Bogen auf dieselbe Weise wie der 2. 
eine Einbuchtung, an welcher er schmal ist, worauf er sich 
verbreitert bis zur Insertionsstelle an das Zungenbein. Von 
hier geht ebenfalls ein Fortsatz nach hinten und oben. 

Auf dem Querschnitt stellt sich der Bogen als ein 
ovales Gebilde dar wie der zweite, doch ist er bedeutend 
stärker als dieser. Bei makroskopischer Untersuchung war 
die Anzahl der seitlichen Ausläufer nicht genau festzustellen, 
während ein Längsschnitt durch den Bogen parallel dem 
Rande deutlich zeigt, dass sich über jeder Reihe der filter- 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 145 


artigen Gebilde ein Fortsatz befindet, dass demnach die 
Anzahl derselben gleich ist der Anzahl der Reiben des 
Filtrirapparates. Am Ausgangspunkte eines jeden der 
letzteren sieht man runde Ablagerungen von Knorpelzellen; 
es sind dies die Fortsätze im Querschnitte. 

Am einfachsten gebaut ist der 4. Bogen. Es ist eine 
einfache dünne Knorpelplatte, ungefähr von der Gestalt 
eines $. Diese Form wird zum Theil dadurch bedingt, dass 
die Platte gebogen ist, indem die Ränder sich dem Innern 
der Kiemenhöhle zuneigen, während der Bogen nach aussen, 
in diesem Falle also gegen das Herz hin, gebaucht ist. 
Nach den Enden zu wird die Platte schmaler und zwar 
besonders gegen den vorderen Theil hin, wo sie nur un- 
gefähr den 4. Theil ihrer mittleren Breite hat. Am hinteren 
Theile behält sie ungefähr die Hälfte der mittleren Breite. 

Auf dem Querschnitt zeigt sich der Bogen als ein langer 
schmaler gekrümmter Knorpelstreifen, dessen Länge unge- 
fähr das 6—Sfache seiner grössten Breite beträgt; der Bogen 
ist in der Mitte am breitesten und wird nach den Rändern 
hin schmaler. (Fig. 5). 

In histologischer Beziehung sind alle Bögen gleichmässig 
gebaut. Sie bestehen aus hyalinem Knorpel und dem diesen 
umgebenden Perichondrium. Auf einem Schnitte erscheinen 
die Knorpelzellen im Allgemeinen in der Mitte des Bogens 
von polyädrischer Gestalt und von ziemlich bedeutender 
Grösse. An dem äusseren Rande dagegen sind sie be- 
deutend kleiner und auf der nach aussen gehenden Seite 
abgerundet. In schöner Weise macht sich hier die Ein- 
kapselung verschiedener Zellgenerationen bemerkbar. 

So habe ich öfters gesehen, dass in einer grossen 
Kapsel S—10 einzelner Knorpelzellen sich befinden und 
zwar augenscheinlich von verschiedenem Alter. Die 
einzelnen Zellen im Innern sind durch schwächere Scheide- 
wände getrennt, während der Rand der sie umschliessenden 
Kapsel sehr stark ist. 

Ausser durch das Perichondrium sind aber die Knorpel- 
stäbe noch von einer Haut umschlossen, welche den ganzen 
Apparat überzieht und auf welche ich später genauer zu 
sprechen komme. 

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 10 


146 Hugo Naue: 


b. Die filterartigen Gebilde. 


Wie schon bei der Litteraturangabe bemerkt wurde, 
lieferte erst Boas eine genauere Beschreibung dieser Ge- 
bilde. Er schildert sie wie folgt: „Man denke sich, dass 
der dünne bindegewebige Ueberzug (bei der Salamander- 
larve) sehr stark wuchert, sodass schliesslich eine ziemlich 
breite Platte von dem genannten Rande auswächst. Man 
denke sich ferner, dass die genannten knorpelartigen Fort- 
sätze, die aber gar nicht aus Knorpel bestehen, in ent- 
sprechender Weise auswachsen, sodass sie schliesslich an 
der genannten Platte querverlaufende Wälle bilden. Der 
freie Rand dieser Wälle ist ferner ganz breit und stösst 
an die benachbarten, während ihre Anheftungsstellen 
schmaler sind, sodass, wie man begreift, zwischen den 
Wällen Kanäle laufen. Aber dieser breite Rand ist viel- 
fach von beiden Seiten eingeschnitten, sodass die ganze 
Fläche, die die breiten Ränder der Wälle an einer Seite 
eines Kiemenbogens bilden, fast wie ein Sieb durchbrochen 
ist, doch so, dass statt der Löcher feingeschlängelte Spalten 
sich finden. Man könnte auch sagen, dass schmale Wälle 
vorhanden sind, von deren Seiten nahe am freien Rande 
vielfach verästelte Auswüchse ausgehen, die zusammen eine 
Fläche bilden. Die Wälle werden übrigens gegen den 
freien Rand der sie tragenden Platte zu allmälig niedriger; 
es treten hier auch kleine supplementäre Wälle auf, die 
die Zwischenräume zwischen den zum "Theil auch schmaler 
werdenden Wällen ausfüllen. Die Wälle finden sich in 
einer Reihe am 1. und 4., in zwei am 2. und 3. Kiemen- 
bogen. 


Die äusseren Siebwälle, so wollen wir sie nennen, 
greifen alternirend zwischen die entsprechenden der be- 
nachbarten Reihen des angrenzenden Kiemenbogens ein. 
Es wird übrigens aus der Beschreibung klar werden, dass 
durch diesen ganzen Apparat ein Kanalsystem gebildet wird, 
das mit dem Raume der Mundhöhle nur durch feinste Oeff- 
nungen in Verbindung steht, während die Kanäle weit offen 
in die Kiemenhöhle münden. Wenn man eine Kaulquappe 
im Wasser betrachtet, so sieht man, wie sie ununterbrochen 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 147 


Wasser schluckt und wie der Boden der Mundhöhle un- 
unterbrochen auf und ab in steter Bewegung ist. Das 
Wasser wird so durch den Mund getrieben, durch den so- 
eben geschilderten Apparat filtrirt und über die Kiemen 
geleitet. Die grosse Bedeutung dieses Apparates in der 
Oekonomie des Thieres liest an der Hand; es wäre lebens- 
gefährlich, wenn feste Gegenstände in die engen Kiemen- 
höhlen mit dem kleinen Ausgang, zwischen die feinhäutigen 
zarten Kiemenbüschel gerathen könnten. Solches ist obiger 
Einrichtung gemäss ganz ausgeschlossen. 


Meine eigenen Beobachtungen stimmen im Wesentlichen 
mit denen von Boas überein, doch habe ich noch Einiges 
hinzuzufügen. Es erscheint mir übrigens die Bezeichnung 
„Wall“ von Boas nicht glücklich gewählt, es dürfte viel- 
mehr der Ausdruck „Falte“ treffender sein, denn die soge- 
nannten Wälle sind ja in der That nichts weiter als 
Faltelungen der bindewebigen Platte, welche beim 2. und 
3. Bogen auf beiden Seiten der Platte vorhanden sind, beim 
1. und 4. Bogen dagegen nur auf einer Seite, da die Platte 
mit der anderen Seite dem Knorpel fest ansitzt. 


Eine Zählung der einzelnen Falten ergab bei einem 
mittleren Bogen, dessen Enden ca. 5 mm von einander ent- 
fernt waren, die Anzahl von 15 grossen Falten, d. h. von 
solchen, welche vom unteren Ende, also vom Kiemenbogen, 
bis zum oberen Ende der Platte laufen. Da nun aber am 
oberen Ende die Falten niedriger und schmaler werden, 
das Lumen eines Kanals ist am unteren Ende ca. 10—15 
Mal so gross als am oberen Ausgangspunkte, so würden 
ziemlich grosse Lücken entstehen, wenn nicht kleinere 
Falten (von Boas supplementäre genannt) aufträten. 
Dieser supplementären Falten können bis zu S zwischen 
den grossen auftreten. Oft sind diese Falten auch von 
ganz beträchtlicher Grösse, ungefähr von der Hälfte der 
grossen Falten, daneben finden sich aber auch so minimale, 
dass man zur Lupe greifen muss, um sie überhaupt zu 
sehen. An dem unteren Ende der Platte sind sie nicht 
vorhanden. Am 4. Kiemenbogen fand ich neben 12 Haupt- 
falten ebenfalls noch supplementäre. 

10* 


148 Hugo Naue: 


In vielen Fällen machen die Hauptfalten, wie ich das 
an allen vier Bögen beobachtet habe, Biegungen, sodass 
sie ungefähr von der Mitte der Platte aus in schräger 
Richtung nach oben gehen, um Platz für die supplementären 
Falten zu schaffen. Es ist schon oben gesagt, dass die 
Supplementfalten oft sehr lang werden. Ihrer Länge ent- 
sprechend werden sie auch sehr breit und man findet oft, 
dass sie die Hautfalten an den oberen Enden an Grösse 
bedeutend überragen. Letztere werden nämlich mehrfach 
ganz plötzlich sehr schmal, sobald ihnen eine Supplement- 
falte entgegentritt. Ferner kommen auch Fälle vor, in 
denen sich Haupt- und Supplementfalte verbinden oder eine 
Hauptfalte sich in zwei Theile spaltet. Die beiden mittleren 
Platten haben ungefähr die gleiche Gestalt. Sie sind zwischen 
den Kiemenbögen ausgespannt, doch wachsen sie beide noch 
über das Niveau ihrer Anheftungspunkte mit dem mittleren 
Theile hinaus, sodass ihr oberer Rand eine wellenartige 
Linie bildet. Der oberste Kamm derselben legt sich jedoch 
nach der Seite um und zwar nach innen. Die Platten 
bieten dadurch dem hereinströmenden Wasser eine breite 
Fläche und verhindern, da sie gerade unter dem Spalte 
liegen, durch den das Wasser eintritt, dass gröbere Gegen- 
stände in das Innere der oberen Kiemenhöhle eintreten. 
Die äusseren Platten überragen ihre stützenden Knorpel 
nur um ein Geringes und nur der 4. Bogen trägt die 
Gebilde so gross, dass sie sich umlegen wie die des 2. und 
3. Bogens, wenn auch in viel geringerem Masse. Am unteren 
Ende sind die Platten mit den auf ihnen sitzenden Falten 
breiter als der Kiemenbogen (Fig. 5), sodass dieselben 
vollständig die zwischen den Bögen befindlichen Spalten 
schliessen und das Wasser nur durch die Kanäle in die 
untere Kiemenhöhle gelangen kann. Die Länge der 
Hauptfalten wächst und nimmt ab mit der Krümmung des 
Kiemenbogens, denn da der obere Rand der Platte ausser 
in der Mitte, wo er sich ein wenig erhebt, eine ziemlich 
gerade Linie zwischen den Enden der Knorpelbögen bildet, 
so müssen die mittleren Falten nothgedrungen bedeutend 
länger sein, als die am Anfang oder Ende der Knorpel- 
bögen sitzenden. Diese filterartigen Gebilde finden sich 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 149 
über den ganzen oberhalb der Kiemenbögen gelegenen 
Theil des Kiemenapparates verbreitet. Es tragen also nicht 
nur die Bögen solche Falten, sondern dieselben bedecken 
ebenso auch den Verbindungsknorpel der Bögen am hinteren 
Ende, wogegen sie am vorderen Ende fehlen, doch treten 
dafür an dieser Stelle die Gebilde der einzelnen Bögen so 
nahe an einander, dass an ein Durchschlüpfen irgend 
welchen Gegenstandes nicht zu denken ist. 

Auf einem quer zu einem der mittleren Kiemenbögen 
selesten Schnitte bieten die Gebilde folgendes Bild. Vom 
Knorpel ausgehend und direkt über diesem ein Blutgefäss 
umschliessend, verläuft ein sich scharf markirender Strang 
vom Bindegewebe nach der Spitze des ganzen Gebildes; 
es ist dies die Platte im Querschnitte. In derselben ist 
auf manchen Schnitten ein Blutgefäss zu sehen, welches 
von dem direkt über dem Knorpel liegenden ausgeht und 
bis zur Spitze verläuft (Fig. 5). Unterwegs sendet es Aeste 
für die Falten ab. Von den Falten sind theils nur 
die äusseren Wülste, welche vielfach verzweigt erscheinen, 
zu bemerken, theils auch die Falten selbst. 

Die histologischen Verhältnisse des Filterapparates 
bieten sich bei einem Stadium mittlerer Entwicklung 
folgendermassen. Das ganze Gewebe ist fibrilläres Binde- 
sewebe und zwar in verschiedenen Stadien der Entwick- 
lung. An der Basis sind noch die embryonalen Mesoderm- 
zellen in der Fibrillenbildung begriffen, während am oberen 
Ende sich die letzteren schon vollständig ausgebildet vor- 
finden. Dazwischen sind auch alle Mittelstufen vertreten, 
denn während die Zellen an der Basis von ovaler Form 
sind, sehen wir sie in allen Abstufungen bis zu einem langen 
schmalen, an den Enden in lange Spitzen auslaufenden 
Gebilde sich gestalten. Der ganze Apparat wird bedeckt 
von einem Epithel, welches dem Ektoderm angehört. Es 
besteht aus einer doppelten Zelllage, deren einzelne Zellen 
eine länglich runde Gestalt mit abgeplatteten Enden haben. 
An den äusseren Wänden der Falten findet eine Anhäufung 
von grossen runden Zellen statt, wahrscheinlich um gegen 
das auffallende Wasser eine stärkere Schutzwand zu bilden. 
(Fig. 6.) 


150 Hugo Naue: 


Eine fernere Modifikation des Gewebes anı äusseren 
Rande fand ich in einem älteren Stadium. Es zeigte sich 
hier eine ganz charakteristische Anhäufung von Zellen, so 
dass das Gewebe fast dem Knorpel ähnelte. 

Physiologisch dürfte der soeben beschriebene Filter- 
apparat mehrere Funktionen zu erfüllen haben. Die erste 
derselben würde darin bestehen, dass er einen Schutz für die 
Kiemen und den Ausführungskanal bildet. Schon Boas hat 
ausgeführt, dass es in der That lebensgefährlich für die 
Thiere sein würde, wenn grössere feste Gegenstände in die 
Kiemenhöhle eindringen könnten, da dieselben durch den 
Abflusskanal nicht fortgeführt werden könnten. Es läge 
somit die Möglichkeit nahe, dass sie die zarten dünnhäutigen 
Kiemen verletzten und dadurch die Larve schwer schädigten. 
Ferner verhindert der Apparat, dass der Futtersoff, welchen 
das Thier zugleich mit dem Wasser aufnimmt, durch die 
Kiemenspalten mit abfliesst. Sie entsprechen in dieser Be- 
ziehung den zahnartigen Bildungen am Kiemenskelett der 
Fische, wie auch in gewissem Sinne den Barten der 
Balaeniden. Drittens bilden sie gewissermassen ein Wasser- 
reservoir für die Kiemen, wodurch dem Thiere ermöglicht 
wird, auch längere Zeit ausserhalb des Wassers zuzubringen. 
Analoge Organe finden wir auch bei den Fischen, z. B. 
in dem aus feinsten Knochenlamellen bestehenden Wasser- 
zellensystem der Labyrinthobranchien und in der Kiemen- 
schnecke der Clupeiden. Aehnliche Verrichtung haben auch 
die in einer Verlängerung der Kiemenhöhle liegenden von 
' einem respiratorischen Gefässnetz überkleideten, dendritisch 
verzweigten Fortsätze der Kiemenbögen von Heterobranchus 
und Clarias. 

Auf keinen Fall aber sind dieselben, wie dies Götte 
behauptet, Kiemen. Diese Deutung der Gebilde ist schon 
von Boas mit Recht als irrthümlich zurückgewiesen. Götte 
fertigt in seinem umfangreichen und sonst verdienstvollen 
Werke: „Die Entwicklungsgeschichte der Unke“, diese 
Gebilde sehr kurz ab. Trotzdem aber stellt er mit grosser 
Bestimmtheit die Behauptung auf, sie seien Kiemen und 
zwar Innenkiemen, im Gegensatz zu den an der Unterseite 
der Kiemenbögen befindlichen Gebilden, welche er ebenso, 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 151 


wie die zuerst an den Seiten des Kopfes nach aussen auf- 
tretenden Kiemen, als äussere bezeichnet. Die einzelnen 
Gebilde selbst schildert er als gegen die äusseren Spalten 
rechtwinklig auslaufende zarte Leistchen, aus deren Kanten 
kleine kolbige und verzweigte Blättchen hervorsprossen. 
Bei einer flüchtigen Betrachtung mögen die Gebilde aller- 
dings als Leistehen erscheinen, doch sieht man bei nur 
einigermassen genauer Untersuchung, dass diese Leistchen 
keine selbständigen Gebilde sind, sondern Ausläufer einer 
sie tragenden kindegewebigen Platte. Ferner sagt er: 
„Diese Leistehen, welche mit ihren Auswüchsen die Ober- 
fläche der inneren Kiemenhöble ansehnlich vergrössern, 
finde ich mit Blut gefüllt und kann sie daher nur für einen 
respiratorischen Apparat halten.“ Der Ausspruch, dass er 
diese Leistehen mit Blut gefüllt gefunden hat, kann nur 
auf einen Irrthum zurückzuführen sein. Es lässt sich nicht 
leugnen, dass Blut in diesen Gebilden ist, doch kann von 
einem Angefülltsein derselben mit Blut keine Rede sein, 
denn die Blutgefässe, welche die Gebilde durchziehen, sind 
im Verhältniss zu der sie umgebenden Bindegewebeschicht 
so klein, dass sie nur ungefähr den 4. oder 5. Theil der- 
selben betragen. Sie können nur eine nutritive Bedeutung 
haben, denn ein Blutgefäss, welches von einer so dicken 
Schicht fast knorpelartigen Bindegewebes umgeben ist, kann 
unmöglich zu respiratorischen Zwecken dienen. Im Jugend- 
zustande hat es freilich den Anschein, als ob auch diese 
Gebilde an der Respirationsthätigkeit theilzunehmen im 
Stande wären, doch sind um diese Zeit die Gewebe über- 
haupt noch nicht so weit differenzirt, als dass jedes Organ 
bereits die ihm zugewiesene Funktion angetreten habe. 


c. Die Kiemenhöhlenwand und der Ver- 
bindungscanal. 

Die Kiemenhöhlenwand umschliesst die untern Kiemen- 
höhlen als zarte dünnwandige Membran. Dieselbe hat sich 
im ausgebildeten Zustande von der Oberhaut, mit der sie 
durch subepitheliales Bindegewebe zusammenhing, voll- 
ständig abgelöst, und kann infolgedessen leicht frei gelegt 
werden, ohne dass sie verletzt wird. Sie erstreckt sich, 


152 Hugo Naue: 


wie schon bei der Topographie des Kiemenapparates an- 
gegeben wurde, von der Kopf und Rumpf trennenden 
Scheidewand bis zum Zungenbein, an das sie sich inserirt. 
In der Mitte tritt sie zurück und verwächst mit dem Peri- 
kardiaisack. Auf diese Weise bildet sie zwei Höhlen, 
welche durch einen engen Kanal, dessen Entstehung später 
gezeigt werden wird, verbunden sind. 

An den Seiten ist sie mit den Knorpelplatten des 
1. Bogens verwachsen, ebenso z. T. auch mit dem 4. Bogen 
jeder Seite. An den Verwachsungstellen mit den letzteren 
ist die Membran reich mit Muskelfasern versehen, doch ist 
nicht anzunehmen, dass dieselben ihr eigenthümlich sind, 
indem sie vielmehr zu den grössern Kiemenmuskeln ge- 
hören. Der histologische Bau ist ein sehr einfacher. Die 
Membran besteht aus einer zweischichtigen Zelllage, deren 
Zellkerne eine langgestreckte, an den Polen abgerundete 
Gestalt haben. Obenstehende Angaben zeigen, dass die 
Membran höchst einfach gebaut ist, und deshalb ist es 
nicht ersichtlich, was Huschke veranlasst hat, von der Wand 
als von einer blasenartig gewölbten Haut, die diekere und 
dünnere Stellen habe und faserig und an manchen Stellen 
wie zerrissen aussehe, zu sprechen. 

In Betreff des beide Kiemenhöhlen verbindenden 
Kanals ist mir aufgefallen, dass er ausser von Götte und 
später von Jordan bei den ältern Forschern kaum erwähnt 
wird. Es mag daran wohl seine Lage direkt unter der 
Oberhaut Schuld tragen. Ich selbst wenigstens habe an 
mir die Erfahrung gemacht, dass er beim Freilegen 
der Kiemen, besonders anfangs, leicht mit fortgenommen 
wurde. Sein Verlauf lässt sich am besten auf einem hori- 
zontal durch den Kopf gelegten Längsschnitte (Fig. 7) ver- 
folgen. Derselbe wird von beiden Kiemenhöhlen zu gleichen 
Theilen gebildet (die Figur zeigt nur eine Seite), denn beide 
bilden nach unten, hinten und innen gerichtete Aus- 
buehtungen, deren verengerte Enden in der Mitte ineinander 
übergehen. Demgemäss ist das Lumen des Kanals am 
Eingangspunkte ein sehr weites. Nach der Mitte zu aber 
verengt es sich mehr und mehr, sodass beim Zusammen- 
treffen beider Enden nur ein verhältnissmässig schmaler 
Kanal vorhanden ist. 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 153 


Der histologische Bau seiner Wände ist dem der 
Kiemenhöhlenwände vollständig gleich. Wie diese bestehen 
die Kanalwände aus einer zweischichtigen Zelllage. Die 
Kerne der Zellen sind, wie diese selbst, langgestreckt. 
Auf der vorderen Seite befinden sich Ablagerungen von 
Pigment. 


d. Die Muskeln. 

Der letzte Nebenapparat der Kiemen ist das System 
der Muskeln. Indessen habe ich auf eine genauere Be- 
schreibung und Untersuchung derselben verzichtet, da mir 
deren Verhältnisse noch in keiner Weise genügend gesichtet 
erscheinen. Ausserdem hat fast jeder Autor, welcher die- 
selben erwähnt, eine besondere Nomenklatur eingeführt, 
wodurch die Verhältnisse noch besonders unklar werden. Um 
diese letzteren einigermassen klarzulegen, würde eine be- 
sondere Arbeit nothwendig werden, zu umfangreich, um in 
den Rahmen vorliegender Abhandlung zu passen. 


B. Verlauf der Blutgefässe und Bau der Kiemen. 

Wie die übrigen bisher beschriebenen Organe so ge- 
schildert sind, wie sie sich im ausgebildeten Zustande vor- 
ünden, so mag auch der Verlauf der Blutgefässe und der 
Bau der inneren Kiemen zunächst nur im völlig ausge- 
bildeten Zustande beschrieben werden, ohne Berücksichtigung 
der im Laufe der Entwickelung vorkommenden Veränder- 
ungen, sowohl derjenigen, welche vor dem ausgebildeten 
Zustande stattfinden, wie auch derjenigen, welche mit dem 
Schwinden der Kiemen Hand in Hand gehen. Dieselben 
werden im entwicklungsgeschichtlichen Theile mit abge- 
handelt werden. 

Das Herz entsendet zunächst nach vorn ein etwas ge- 
krümmtes starkes Blutgefäss, die aorta adscendens mit dem 
Aortenbulbus an der Wurzel. Nach kurzem Verlaufe theilt 
diese sich, und zwar sobald sie bis zum Zungenbein vor- 
gerückt ist, in symmetrischer Weise, sodass sowohl nach dem 
rechten wie nach dem linken Kiemenkorbe je drei Gefässe, 
die Aortenbögen, gehen, welche den Kiemen das Blut zu- 
führen. 


154 Hugo Naue: 


Der an der Theilungsstelle der aorta adscendens dem 
Zungenbeine am nächsten liegende Zweig stellt die erste 
Kiemenarterie dar und versorgt den 1. Kiemenbogen, der 
diesem folgende den 2. Kiemenbogen. Beide liegen anfangs 
so eng aneinander, dass sie äusserlich wie ein Gefäss er- 
scheinen, und erst ein Schnitt zeigt, dass beide schon vom 
Theilungspunkte an durch eine Scheidewand getrennt sind. 

Bevor das 3. Gefäss zu seinem Bogen gelangt, theilt es 
sich in zwei Theile, deren einer zum 3. Bogen geht, während 
der andere dem 4. Bogen das Blut zuführt. Somit erhalten 
alle vier Kiemenbögen ihr Blut auf dem kürzesten Wege 
vom Herzen. Sämmtliche vier Arterien lagern den Knor- 
pelbögen in deren ganzer Länge auf, und senden während 
ihres Verlaufes nach und nach Zweige in die Kiemen- 
bäumchen. An dem hintern Ende jedes Bogens endet die 
Arterie in einem Kiemenbäumchen, in welchem sie sich 
kapillär auflöst, wie dies auch die gesammten von ihr in die 
Kiemenbäumchen abgesandten Zweige thun. 

Auf jedem Kiemenbogen verläuft neben der Arterie 
noch ein zweites Gefäss, die Kiemenvene, welche wie die 
Arterie nach und nach Ausläufer in die Kiemenbäumchen 
entsendet, welche sich dort ebenfalls kapillär auflösen. 
Von diesen beiden verjüngt sich die erstere nach hinten 
zu, während die letztere nach derselben Richtung hin 
stärker wird. Beide verlaufen eng nebeneinander, und 
treten am hintern Ende des Bogens so dicht zusammen, 
dass diese Lageverhältnisse mehrere Autoren zu der irrigen 
Annahme geführt haben, dass beide Gefässe an dieser Stelle 
in Kommunikation ständen, was aber, wie auch Boas schon 
nachgewiesen hat, in keiner Weise der Fall ist. Am vordern 
Ende, und wie schon gesagt im ausgebildeten Zustande 
der Kiemen, zu einer Zeit, wo auch die arteria pulmonalis 
noch nicht in Action getreten ist, hat es allerdings äusserlich 
den Anschein, als ob beide Gefässe direkt mit einander in 
Verbindung ständen, da Arterie und Vene aus demselben 
Stammgefässe hervorgehen. Ein Schnitt durch die Theilungs- 
stelle indessen lehrt, dass beide durch eine starke Scheide- 
wand getrennt sind, und dass auf diese Weise jede 
Kommunikation ausgeschlossen ist, trotzdem, wie sich bei 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 155 


der entwicklungsgeschichtlichen Schilderung zeigen wird, 
beide ursprünglich nicht getrennt waren und auch später 
Stammgefäss und Vene wieder mit einander in Verbindung 
treten. 

Infolge des Umstandes, dass zwischen Arterie und Vene 
eine direkte Verbindung in keiner Weise stattfindet, muss 
alles vom Herzen nach dem Körper strömende Blut den 
Weg durch die Kapillaren nehmen, wodurch der grosse 
Vortheil sich ergiebt, dass alles Blut oxydirt wird. 

Die Vene des 1. Bogens ist zwar am vorderen Ende 
desselben auch eng mit der Arterie verbunden, findet hier 
jedoch keinen Abschluss wie die übrigen drei, sondern 
setzt sich in die carotis, welehe nach dem Kopfe verläuft, 
fort. Kurz nachdem die Venen die Kiemenbögen ver- 
lassen haben, vereinigen sie sich an der basis cranii zu der 
Aorta descendens, und zwar in der Weise, dass die drei 
ersten ziemlich getrennt von einander münden, während 
die 3. und 4. sich vorher vereinigen, um dann gemeinsam 
zu münden. Bevor die 4. Vene sich mit der 3. vereinigt, 
entsendet sie noch einen Zweig, die spätere arteria pulmo- 
nalis. Ein sehr anschauliches Bild über die Lage der 
Blutgefässe giebt ein dureh die Mitte des Korbes gehender 
Querschnitt. Ungefähr der Mitte des Bogens aufgelagert, 
sieht man ein grosses Blutgefäss, welches starke Ausläufer 
in die Kiemen entsendet, während näher an der Spitze des 
Knorpels ein schwächeres Gefäss liegt. Das erstere ist die 
Vene, das letztere die Arterie, neben welcher ein starker 
Muskel, welcher sie über den ganzen Bogen begleitet, hin- 
zieht. Auf dem Schnitte sieht man auch, dass beide Ge- 
fässe dem Knorpel nicht direkt aufgelagert sind, sondern 
dass nur die Vene ihm eng anliegt, während die Arterie 
weiter nach unten hängt, sodass sie den Knorpel nicht be- 
rührt. Diese Verhältnisse zeigen die drei ersten Bögen, 
während der 4. nur ein Gefäss zeigt, da er zu weit vorn 
getroffen ist. Auf einem durch die Mitte des 4. Bogens 
gelegten Querschnitte dagegen sieht man drei Gefässe dicht 
neben einander liegen, deren eines die Arterie ist, welche 
auf diesem Bogen jedoch nicht von einem Muskel begleitet 
wird. Das 2. Gefäss ist die Vene und das 3., dem 3. 


156 Hugo Naue: 


Kiemenbogen zunächst liegende, ein den Filterapparat ver- 
sorgendes Gefäss. 

Ausser den bisher beschriebenen zur Athmung in Be- 
ziehung stehenden Gefässen finden sich im Apparate noch 
andere nur zu Ernährungszwecken dienende Gefässe. Es 
sind dies die Arterien und Venen des Filtrirapparates. 
Der Ursprung derselben von den Kiemenarterien ist ein 
verschiedener, da die Verhältnisse am 1. und 2. Bogen 
komplizirt, am 3. und 4. dagegen einfach sind. 

Ein von der Arterie des 2. Bogens kommendes Gefäss 
führt sowohl dem Filtrirapparate des 1. als auch dem des 
2. Bogens Blut zu. Ausserdem aber erhält von diesem aus 
auch das Velum Arterien. Nach kurzem Verlaufe theilt sich 
das aus der 2. Arterie entsprungene Gefäss in zwei Theile, 
von denen der eine die für das Filter des 2. Bogens be- 
stimmte Arterie ist. Der andere Theil spaltet sich bald dar- 
auf wieder in drei Theile, von denen zwei zum Velum 
sehen, während der 3. die Arterie des Filtrirapparates 
vom 1. Bogen darstellt. Für den Apparat des 3. Bogens 
geht von der 3. Kiemenarterie ein Gefäss ab, und ebenso 
erhält der Apparat des 4. Bogens seine Arterie von der 4. 
Kiemenarterie durch ein kurzes Gefäss, das sich bald 
in zwei Aeste spaltet, weiche die Arterien des Apparates 
darstellen. 

Die Vene des Filters des 1. Bogens verläuft nach dem 
Kopfe zu, während die Venen des 2. und 3. Bogens zu 
einer am Rande des Velums verlaufenden Vene gehen. 
Diese sendet ein Gefäss ab, welches in den linken ductus 
Cuvieri führt, und unterwegs noch das Gefäss vom Filter 
des 4. Bogens aufnimmt. Die Vene des Filterapparats am 
rechten 4. Bogen mündet nach Boas in den rechten ductus 
Cuvieri. 

Ueber die Gefässe im Allgemeinen lässt sich noch 
sagen, dass ihre Wandungen sämmtlich sehr reich pig- 
mentirt sind. 

Nachdem ich im Vorstehenden den Verlauf der Blut- 
sefässe geschildert, komme ich zur Beschreibung der 
Kiemengebilde selbst. Dieselben werden von der Körper- 
bekleidung gebildet, welche auch, wie bemerkt, den Knorpel 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven, 157 


und die siebartigen Gebilde überzieht. Sie haben die Ge- 
stalt von Bäumchen, deren Hauptstamm sich bis zur Spitze 
erstreckt, während nach allen Seiten hin eine reiche Ver- 
zweigung stattfindet. (Figur 8a und b.) Dieselbe beginnt 
eine kurze Strecke über dem Bogen, sodass der Stamm 
frei ist. Jeder Bogen trägt zwei Reihen Kiemen, also auch 
der 4. Bogen, und nicht, wie dies meistens behauptet wird, 
nur eine. Bei der Beschreibung des Athmungsprozesses 
werde ich darauf zurückkommen. Die Kiemenbäumchen 
sind aber nach Anzahl und Grösse sehr verschieden über 
die Bögen vertheilt. Vor allen Dingen sind die Kiemen 
des 4. Bogens sowohl der Anzahl als der Grösse nach be- 
deutend geringer, als die der drei übrigen Bögen, denn 
während ich am 4. Bogen ca. 9 dieser Bäumchen zählte, 
belief sich die Anzahl der auf den mittleren Bögen in 
jeder Reihe stehenden auf ca. 16 und demnach 32 auf den 
sanzen Bogen, also auf das vierfache derer des 4. Bogens. 
Ebenso hat auch der 1. Bogen bedeutend weniger Kiemen 
aufzuweisen als die beiden mittleren. Auch in der Grösse 
der einzelnen Bäumchen macht sich ein auffallender Unter- 
schied bemerkbar, denn während die Kiemen der mittleren 
Bögen schöne grosse und gut ausgebildete Bäumchen sind, 
erscheinen die der beiden äussern Bögen verkrüppelt und 
klein. 

Hauptsächlich ist das beim 4. Bogen der Fall, welcher 
nur ganz minimale Anhänge trägt. Auch auf den einzelnen 
Bogen sind die Kiemenbäumchen sehr verschieden an Grösse. 
Die grössten derselben befinden sich in der Mitte, während 
sie nach den Enden hin kleiner werden. Abgesehen von 
einigen Krümmungen, die ihr Stamm gelegentlich zeigt, 
stehen sie ziemlich senkrecht auf dem Knorpelbogen. Da 
nun die Knorpelplatte und mit ihr die derselben anliegen- 
den Blutgefässe stark gekrümmt sind, so ergiebt sich dar- 
aus, dass die Bäumchen nach verschiedenen Richtungen 
hinstreben. Während die mittelsten demgemäss in gerader 
Richtung nach unten geben, haben die am Vorderende 
des Bogens sitzenden Kiemen eine Richtung nach vorn. 
Ebenso streben die hinten ausgehenden nach dem Leibe 
zu. Letzteres macht sich indessen nur weniger bemerkbar, 


158 Hugo Naue: 


da die Biegung des Bogens am hintern Ende nur sehr 
schwach ist. Die zwischen der Mitte und den Enden 
sitzenden Bäumchen gehen dann in der Richtung der Dia- 
gonale eines Rechtecks, dessen eine Seite der Radius eines 
Halbkreises ist, welcher nach der Mitte des letzteren führt 
d. h. senkrecht zu einer horizontal durch den Mittelpunkt 
eines Kreises gelegten Linie steht, und dessen andere Seite 
den Halbkreis im Schnittpunkt mit dem Radius tangirt. 

Die andern Seiten des gedachten Rechtecks ergeben 
sich aus der Parallelität je zweier Seiten eines solchen. 
Die Kiemenbäumchen der beiden mittleren Bögen stehen 
am regelmässigsten, sodass die einzelnen Bäumchen je 
zweier Reihen desselben Bogens einander genau gegen- 
überstehen. 

Der histologische Bau der Kiemen ist sehr einfach. 
Dieselben bestehen aus der sie bekleidenden Epidermis, 
welche ich schon früher beschrieben habe, den Blutgefäss- 
wandungen und dem, zwischen diesen beiden liegenden, 
spezifischen Bindegewebe. Fragen wir nun, wie die Cireu- 
lation des Blutes vor sich geht. 

Wir hatten gesehen, dass sich auf jedem Knorpelbogen 
eine Arterie und eine Vene befanden, welche beide in 
durchaus keiner direkten Communikation stehen. Auf 
jedem Bogen befanden sich ferner zwei Reihen Kiemen- 
bäumchen, in deren jedem zwei von den grössern abge- 
zweigte kleinere Gefässe emporstiegen, sich weiter ver- 
zweigten und sich kapillar auflösten, und auf diese Weise 
eine Kommunikation, und zwar die einzige, zwischen 
Arterie und Vene herstellten. Es geht also Blut vom 
Herzen in die Kiemenarterien und tritt von diesen durch 
die Kapillaren, wo es oxydirt wird, in die Venen über, 
welche es dem Körper zuführen. 

Claus sehreibt zwar in seinem Lehrbuche der Zoologie: 
„Der 4. Gefässbogen steht zur Kiemenathmung in keiner 
Beziehung und führt direkt in die Aortenwurzel.* 

Indessen ist aus der oben gegebenen Beschreibung 
leicht ersichtlich, dass auch der 4. Bogen sich an der 
Kiemenathmung betheiligt, wenn auch in bedeutend ge- 
ringerem Masse als die drei andern. 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 159 
I ET Pen Er STERNE EEE EEE 


Auch Boas lässt den 4. Bogen nur eine Reihe Kiemen 
tragen, und erkennt ihm dadurch die Respirationsfähig- 
keit zu einem grossen Theile ab, und Balfour schreibt in 
seinem Handbuch der vergleichenden Embryologie, dass 
nicht nur der 4., sondern auch der 1. Bogen nur eine Reihe 
Kiemen trägt, sodass nach ihm nur der 2. und 3. Bogen 
an der Athmungsthätigkeit theilnehmen, was indessen durch 
die von mir gefundenen Thatsachen widerlegt wird. 


II. Entwicklung des KiemenaPpPparätes. 


Im ersten Haupttheil vorliegender Abhandlung ist der 
Bau des Kiemenapparates im ausgebildeten Zustande ge- 
schildert worden. Der 2. Theil soll im Abriss zeigen, wie 
die einzelnen Gebilde entstanden sind, soll also die Ent- 
wicklung derselben kurz vor Augen führen. 

Derselbe zerfällt in vier Abschnitte, da ich mich ver- 
anlasst gesehen habe, die Entwicklung der Gefässe in 
einem besondern Abschnitte zu behandeln. 

a. Entwicklung und Bau der äussern Kiemen. 

b. Entwicklung des innern Kiemenapparates. 

e. Entwicklung des Gefässsystems der äussern und 

innern Kiemen. 

d. Entwicklung der Kiemenhöhlenwand und des Ver- 

bindungskanals. 
a. Entwicklung und Bau der äussern Kiemen. 

Wie ich schon in der Einleitung gesagt habe, finden 
sich beim Frosch in seinen verschiedenen Entwicklungs- 
stadien sämmtliche Athmungsarten, welche überhaupt bei 
den Vertebraten existiren, vor und zwar: 

1. Die Athmung durch die gesammte Körperoberfläche, 

2. Die Athmung durch die Kiemen, 

3. Die Athmung durch die Lungen. 

Die 2. Art ist nun hier wieder durch zwei Formen ver- 
treten, denn zuerst bilden sich einfach gebaute äussere 
Kiemen, welche indessen bald durch komplizirter gebaute 
innere ersetzt werden. Um die Entwicklung des Respi- 
rationsapparates vollständig überblicken zu können, müssen 
‚wir daber auch jene zuerst in Funktion getretenen äussern 
Kiemen in Berücksichtigung ziehen, und das um so mehr, 


160 Hugo Naue: 


da ihre Entwicklung in innigem Zusammenhange mit der- 
Jenigen der innern Kiemen steht. Diese äussern Kiemen 
haben, bevor noch das Thier das Ei verlassen hat, schon 
eine ziemlich bedeutende Entwicklung erlangt, sodass sie 
sofort in Funktion treten können, sobald die Larve ausge- 
schlüpft ist. Bei meinen Untersuchungen über die erste 
Entwicklung der äussern Kiemen benutzte ich zunächst als 
jüngstes Stadium einen noch nicht der Eihülle entschlüpften 
Embryo von ca. 4mm Länge. Auf dieser Altersstufe zeigt 
sich bereits der Kopf von dem Rumpfe durch eine Ein- 
schnürung abgegrenzt. Unmittelbar an dieser Grenzlinie 
tritt nach dem oralen Pole des Thieres zu eine kleine 
Hervorragung der äussern Körperbedeckung auf. 

Es ist dies die erste Andeutung der äussern Kieme, 
über deren Zusammenhang mit dem Visceralapparate bei 
der Entwickelung des innern Kiemenapparates gehandelt 
werden wird. Die Hervorragungen liegen zu beiden Seiten 
des Kopfes und in derselben vertikalen Ebene, wie die 
beiden Saugnäpfe, welche sich an der ventralen Seite des 
Körpers befinden. Auf einem Querschnitte erscheinen die 
Kiemen als einfache Ausbuchtungen, an denen die Epidermis 
von dem darunter liegenden Gewebe vorgedrängt ist. Wie 
gewöhnlich ist die Epidermis reicb pigmentirt. Das Herz 
hat noch eine einfach schlauchförmige Gestalt und die 
Aortenbögen haben sich eben erst angelegt, doch haben sie 
noch keine scharf markirten Wandungen aufzuweisen. 
Ein wenig älteres Stadium zeigt die Anlage, wie in Figur 
9) wiedergegeben ist. Die Erhöhung resp. Ausbuchtung, 
als welche man sie auf dem Schnitte sieht, fängt schon an 
sich gegen die übrige Körperoberfläche abzuschnüren. 

Die Wandungen der Gefässe treten deutlicher hervor, 
während das übrige Gewebe noch nicht differenzirt ist. 

Bei einem ca. um einen Tag älteren Individuum zeigte 
sich schon eine bedeutendere Veränderung. Der eine 
Höcker an jeder Seite des Kopfes ist nicht mehr allein; 
es haben sich ihm noch zwei andere hinzugesellt, die An- 
lagen der 2. und 3. Kieme. Hinter der ersten Ausbuchtung 
ist, auf dem horizontalen Längsschnitt gesehen, eine zweite 
Ausbuchtung entstanden, während die erstere an Grösse, 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 161 


bedeutend zugenommen hat. Der späteren Entstehung ge- 
mäss ist diese 2. Ausbuchtung oder der 2. Höcker, als 
welcher er auf der Körperoberfläche erscheint, bedeutend 
kleiner als der erste, und zwar ist er kaum mehr als halb 
so gross. Dicht hinter diesem 2. Höcker macht sich auch 
schon ein dritter bemerkbar. Derselbe ist jedoch noch sehr 
minimal, sodass auf einem Längsschnitte die Contour nur 
ein wenig gewellt erscheint. E. Huschke und mit ihm die 
meisten andern Forscher lassen die 2. und 3. Kiemen da- 
durch entstehen, dass sie den Höcker sich theilen lassen. 
Mit Hilfe der Schnittmethode lässt sich indessen der Nach- 
weis liefern, dass jede Kieme für sich allein und selbständig 
entsteht, entsprechend ihrer spätern Stellung auf den Vis- 
ceralbögen. Es ist der eine also nicht nur ein Theil des 
andern. Ausserdem, dass noch zwei neue Höcker hinter 
dem ersten entstanden sind, hat dieser auch seine Gestalt 
wesentlich verändert. Er hat die Form der einfachen Her- 
vorragung verloren, und sich an der Ursprungsstelle be- 
deutend eingeschnürt, sodass er mehr wie ein Kolben aus- 
sieht. Auch fängt er an sich zu verzweigen. Dies ge- 
schieht dadurch, dass die Haut sich am hintern Rande, 
aber auch nur an diesem, einschnürt, und auf diese Weise die 
ursprüngliche einfache Hervorragung in zwei Lappen theilt. 

Bei einer 11 mm langen Larve waren die äussern 
Kiemen vollständig entwickelt und zeigten folgende Ver- 
hältnisse. Der erste Höcker hatte sich zu einem langen 
hohlen Gebilde ausgezogen, welches nach hinten Zweige 
versendet; Anhänge, welche sich in der oben beschriebenen 
Weise gebildet haben. 

Die Anzahl dieser Zweige beträgt in der Regel sieben. 
Die an der Spitze liegenden sind vor ziemlich bedeutender 
Grösse, sodass sie den Hauptstamm an Länge fast er- 
reichen. Nach dem Anheftungspunkte zu werden sie be- 
deutend kleiner. Die Zweige ramifiziren sich nicht weiter, 
obwohl E. Huschke dies behauptet. Dieselben Verhältnisse 
wie am ersten finden sich am zweiten Kiemenanhange. 
Der 3. Höcker dagegen ist sowohl an Grösse, wie auch an 
Ramifizirung bedeutend zurückgeblieben. Sein Hauptstamm 
ist klein und schickt nur wenige Ausläufer nach 

Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIIT. 1890. 11 


162 Hugo Naue: 


hinten, welche sich auch durchaus nicht weiter verzweigen. 
Auch der innere Bau der Kiemen hat sich inzwischen 
weiter entwickelt, doch ist derselbe ein sehr einfacher. 
Im Wesentlichen besteht die Kieme aus zwei Blutgefässen 
und einer beide umgebenden Hüllhaut, welche die einfache 
Fortsetzung der allgemeinen Körperhaut ist und als solche 
reich mit Pigment versehen ist (Fig. 11). Zwischen dieser 
Haut und den Blutgefässen befindet sich eine spärliche 
Menge von Bindegewebe, welche als Stütze dient. Milne 
Edwards macht in seinen Lecons sur la physiologie et 
l’anatomie comparee de l’homme et des oiseaux Tome II Lecon 
XIII die Angabe, dass die feinhäutige Umhüllung mit 
Flimmer -Cilien besetzt sei, doch konnte ich meiner- 
seits von denselben nichts bemerken. Wenn die Kiemen 
eben ihre höchste Entwicklung erreicht haben, dann beginnt 
die Haut vor ihnen zu wuchern. Sie entsendet eine Falte, 
die sogenannte Opercularfalte nach hinten, welche die vor- 
erwähnte Einschnürung überdeckt und bei diesem Vorgange 
auch die äussern Kiemen mit umschliesst. Ich werde später 
auf diese Verhältnisse noch genauer zurückkommen, wie 
auch die Verhältnisse der Blutgefässe im dritten Abschnitte 
eingehendere Berücksichtigung finden werden. 


b. Entwicklung des innern Kiemenapparates. 


In innigem Zusammenhange mit den äussern Kiemen 
steht die Entwicklung des innern Kiemenapparates, welcher 
sich noch vor dem Entstehen der ersteren anlegt. Die 
erste darauf bezügliche Differenzirung findet schon in 
einem sehr frühen Stadium statt und zwar, wie bemerkt, 
bevor noch die äussern Kiemen sich gebildet haben. Um 
diese Zeit bemerkt man ein paar wulstartige quere Hervor- 
treibungen als die erste Anlage der Visceralbögen, welche 
die Rudimente der äussern Kiemen tragen. Es gilt dies 
wenigstens für die drei letzten Bögen, an die nach vorn 
zu noch einige weitere ähnliche Wülste sich anschliessen, 
die uns hier jedoch als Anlagen des Kieferbogens und des 
Zungenbeinbogens nicht weiter interessiren. Die Bögen 
werden durch Falten abgegrenzt, die, soweit sie die Kiemen- 
bögen begrenzen, allmählich nach innen in die Rachenhöhle 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 163 


hindurchbrechen. Die erste dieser letztern liegt zwischen 
dem Zungenbeinbogen und dem 1. Kiemenbogen, während 
die 2. von dem 1. und 2. Kiemenbogen, und die 3. von 
dem 2. und 3. Bogen gebildet wird. Die beiden letzten 
stellen also später die 1. und 2. Kiemenspalte dar. 

Für den 4. Kiemenbogen ist die Anlage noch nicht 
vorhanden, sodass die 3. Kiemenspalte einstweilen noch 
fehlt. Die drei letzten Visceralbögen entsprechen den drei 
äussern Kiemenanhängen. Die Richtung der Visceraispalten 
ist eine verschiedene, denn während die zwei mittlern 
senkrecht zur Medianlinie stehen, ist die erste etwas schräg 
nach vorn, die 4. dagegen schräg nach hinten gerichtet. 

Das nächste von mir untersuchte Objekt zeigte sich 
schon bedeutend weiter entwickelt. Die Visceralspalten 
zwischen dem 1. und 2. und 2. und 3. Kiemenbogen, oder 
kürzer die 3. und 4. Visceralspalte sind zum Durchbruch 
gekommen. Das Durchbrechen selbst geschieht in der 
Weise, dass sowohl vom Schlunde her zwischen den Bögen 
eine faltenartige Aussackung sich bildet als auch zwischen 
den einzelnen äussern Kiemenanlagen die Epidermis immer 
tiefer sich einsenkt, und auf diese Weise den von innen 
nach aussen strebenden Falten entgegenkommt, wie dies 
die starken Pigmentablagerungen beweisen, welche fast bis 
zur Hälfte der Spalten in das Innere des Körpers hinein- 
reichen. Die Spalte zwischen dem Zungenbeinbogen und 
dem 1. Kiemenbogen ist nahe daran ebenfalls durchzu- 
brechen, während der 4. Kiemenbogen auch jetzt noch 
nicht angelegt ist. Als Aussackungen des Schlundes sind 
die Visceralspalten ectodermatischen Ursprungs, während 
zwischen ihnen natürlich ein Mesodermgewebe sich befindet. 
Die Bildung der Opereularfalte hat noch nicht begonnen, 
auch haben sich die innern Kiemen d. h. der speciell re- 
spiratorische Theil des Apparates noch nicht angelegt, wohl 
aber führen auf den Kiemenbögen bereits zwei Blutgefässe 
nach den äussern Kiemen. Bei einem etwas weiter ent- 
wickelten Objekte hatte sich die Opvereularfalte ungefähr 
um !/; ihrer Gesammtlänge entwickelt. Der Kiemenbogen- 
knorpel war in Bildung begriffen, es sind ihm auch schon 
die zwei nach den äussern Kiemen führenden Blutgefässe 

11% 


164 Hugo Naue: 


aufgelagertt. Um diese Zeit haben sich auch bereits die 
innern Kiemen gebildet. Sie sitzen auf den Gefässen in 
Form von einfach cylindrischen Anhängen mit Gefäss- 
schlingen im Innern. Fig. 12 zeigt ein Totalpräparat eines 
der mittleren Bögen, mitsammt den unmittelbar daran 
sitzenden äussern Kiemen. In der Mitte des Präparats 
läuft als heller Streifen der Knorpel als Stütze des Ganzen 
hin. Auf diesem erkennt man die Blutgefässe und die 
innern Kiemen. Am hintern Ende des Bogens sitzen die 
hier noch mächtig entwickelten äussern Kiemen direkt 
dem Knorpelbogen auf, genau so wie die innern Kiemen. 
An der Unterseite, im Thierkörper selbst würde es aber die 
obere Seite sein, befinden sich die einstweilen freilich erst 
unvollständig entwickelten filterartigen Gebilde. Sie ent- 
stehen als Wucherungen des Bindegewebes, dem sie zunächst 
in ganzer Länge mit dem vorderen Rande verbunden sind, 
trotzdem sie schon anfangen, sich an den Seiten einzu- 
schnüren und die ersten Andeutungen der wallartigen Er- 
höhungen zu bilden. Auch der 4. Kiemenbogen ist 
jetzt angelegt. In dem Stadium, welches die letzte Zeich- 
nung darstellt (Fig. 13), ist der Kiemendeckel vollständig 
ausgebildet. Die äussern Kiemen sind verschwunden, d.h. 
sie sind in die durch die Opereularfalte gebildete Kiemen- 
höhle eingeschlossen, wo sie dann obliteriren. Der Kiemen- 
bogenknorpel hat sich mehr und mehr entwickelt, und an 
den siebartigen Gebilden sind die Einbuchtungen so tief 
geworden, dass zwischen ihnen nur noch eine dünne Platte 
hinzieht. Die auf dieser Platte sitzenden wallartigen Ge- 
bilde fangen an sich mehr und mehr zu verzweigen, resp. 
sich zu falten, sodass sie fast schon die Gestalt wie bei 
der ausgebildeten Larve besitzen. Ebenso haben auch die 
innern Kiemen begonnen sich mehr und mehr zu verzweigen 
und sich der ausgebildeten Gestalt zu nähern. Schon 
nach kurzer Zeit haben sie den fertigen Zustand des 
Kiemenapparates erlangt, in dem sie bis gegen das Ende 
der Larvenperiode verharren, bis die Lungen anfangen in 
Thätigkeit zu treten, worauf sie dann verschwinden. Wenn 
das Thier äusserlich den Habitus des ausgewachsenen 
Frosches angenommen hat, aber noch mit Schwanz, so be- 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 165 


ginnen die Kiemen zugleich mit letzterem zu verschwinden, 
indem sie anfangen einzuschrumpfen. Mit dem beginnen- 
den Verfalle der Kiemen schwindet auch die Scheidewand, 
wie im folgenden Abschnitte gezeigt wird, welche Arterie 
und Vene am vorderen Ende trennte. 

Bei jungen Fröschen mit zur Hälfte geschwundenem 
Schwanze sind die Kiemen noch weiter geschrumpft, doch 
bestehen sie noch aus deutlich unterscheidbaren Büscheln, 
während bei einem Frosche mit vollständig geschwundenem 
Schwanze nur ganz geringe Rudimente vorhanden sind. 


c. Entwicklung des Gefässsystems der äussern 
und innern Kiemen. 

Infolge des innigen Zusammenhanges der Entwicklung 
des Blutgefässapparates der äussern und innern Kiemen, 
welcher eine gesonderte Abhandlung beider unzulässig 
erscheinen lässt, habe ich mich veranlasst gesehen, dieselbe 
in einem besonderen Abschnitte zu behandeln. 

Ueber die Entwicklung der Kiemengefässe existiren 
bereits eine Reihe von Abhandlungen, welche die diesbe- 
züglichen Verhältnisse berücksichtigen. Vor allem ist es 
die Arbeit von F. Maurer: „Die Kiemen und ihre Gefässe 
bei anuren und urodelen Amphibien und die Umbildungen 
der beiden ersten Arterienbogen bei Teleostiern“, welche 
eine sehr genaue und eingehende Darstellung derselben 
giebt. Ich habe mich nicht darauf einlassen können, 
meine Beobachtungen auf alle in dieser Beziehung noth- 
wendigen Einzelheiten auszudehnen; was ich aber an 
hierher gehörigen Befunden zu verzeichnen gehabt habe, 
deckt sich fast vollständig mit den Untersuchungsresultaten 
von F. Maurer. Ich kann mich deshalb, wie ich glaube, 
mit einem kurzen Resume begnügen und verweise, was die 
nähern Details anbetrifft, auf die Maurer’sche Arbeit. 

Die Entwieklungsvorgänge der Gefässe gestalten sich 
kurz wie folgt. Zu einer Zeit, wo von den äussern 
Kiemen noch nichts zu bemerken ist, sich aber bereits 
durch den Durchbruch der hintern Sehlundfalten, die auf 
den Hyoidbogen folgenden drei Visceralbögen gesondert 
haben, entwickelt sich nacheinander, von vorn nach hinten, in 


166 Hugo Naue: 


jedem derselben zunächst ein einfacher primärer Gefässbogen, 
welcher ventralwärts mit der Herzanlage in Verbindung 
tritt, dorsalwärts aber später in die aorta descendens 
übergeht. Die Entwicklung geschieht in der Weise, dass 
sich im embryonalen Bindegewebe (Mesoderm) Gewebslücken 
bilden, welche durch Zusammenfliessen allmählich einen 
kontinuirlichen Kanal bilden. Sobald die äussern Kiemen 
auftreten, buchtet sich an dieser Stelle der primäre Gefäss- 
bogen aus, sodass derselbe dann aus zwei deutlichen 
Schenkeln, einem dorsalen und einem ventralen besteht. 
Der dorsale Schenkel geht im weitern Verlaufe der Ent- 
wieklung so gut wie keine Differenzirungen mehr ein, alle 
weitern Komplikationen des Kiemengefässsystems finden am 
ventralen Schenkel statt. Es bildet sich von der Wurzel 
des primären Gefässbogens aus ein zweites Gefäss, welches 
parallel und hinter dem primären bis in die äussere Kieme 
verläuft, wo es in den einzelnen Kiemenzotten Schlingen 
bildet, um dann medianwärts als ziemlich horizontal ver- 
laufendes Gefäss zurückzuführen, und ungefähr an dem 
Winkel, den die beiden Schenkel des primären Gefässes 
bilden, in dasselbe zu münden. „Dieseszweitesekundäre Gefäss 
ist die einzige Kiemenarterie der Froschlarve. Der ventrale 
Schenkel des primären Gefässes ist niemals Kiemenarterie.“ 

Er ist vielmehr nur für kurze Zeit eine direkte Ver- 
bindung des primären Gefässbogens, oder was dasselbe 
ist, der Kiemenvene. Nach F. Maurer wird diese Ver- 
bindung durch Reduktion, welche sich auf den ganzen 
Schenkel erstreckt, aber keine vollständige und nur vorüber- 
gehende ist, an der Wurzel gelöst. Ich bin indessen etwas 
anderer Ansicht. Ich glaube, dass es weniger Rückbildung 
ist, welche das Stromgebiet des primären Gefässes von dem 
des sekundären abtrennt, als vielmehr eine Neubildung. 
Es entwickelt sich eine Scheidewand, sodass das primäre 
Gefäss von der gemeinschaftlichen Wurzel abgetrennt wird. 
Indem die Entwicklung dann immer weiter fortschreitet, 
bilden sich die ersten Anlagen der innern Kiemen. Die 
Kiemenarterie sendet nämlich Gefässsprossen zu dem jetzt 
abgetrennten ventralen Schenkel des primären Bogens, 
welche später die Gefässschlingen der innern Kiemen re- 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 167 


präsentiren. Um diese Zeit hat die Kiemenarterie eine 
distale und eine proximale Hälfte, von welchen die letztere 
die innern Kiemen, die erstere die äussern Kiemen vas- 
eularisirt.. Das Blut der innerr Kieme wird durch die 
innere Kiemenvene, d. i. den ventralen Schenkel des pri- 
mären Gefässbogens abgeführt, das Blut der äussern 
Kiemen durch die äussere Kiemenvene, d. h. ebenfalls 
einem Stück des primären Gefässbogens. Der dorsale 
Schenkel bildet jetzt die vena branchialis communis. 
Schwinden dann später die äussern Kiemen, so geht auch 
der distale Theil der Kiemenarterie und die äussere Kiemen- 
vene zu Grunde. Die vena branchialis communis wird 
die direkte Fortsetzung der innern Kiemenvene resp. sie 
stellt die innere Kiemenvene dar. Dieses Stadium stellt 
den ausgebildeten Zustand der Kiemen, wie er früher in 
einem besondern Abschnitte geschildert worden ist, dar. 


Bei dem Uebergange aus dem Larvenstadium schwinden 
indessen auch die innern Kiemen. Mit dem Schwunde 
derselben tritt dann die Kiemenvene oder mit andern 
Worten der primäre Gefässbogen wieder mit der Kiemen- 
arterienwurzel in Verbindung, d. h. die Scheidewand, welche 
sich gebildet hatte zwischen Arterie und Vene, kommt 
wieder in Wegfall. Die Kiemenarterie selbst obliterirt all- 
mählich und der primäre Gefässbogen geht schliesslich in 
den definitiven Arterienbogen über. 

Der erwachsene Frosch hat indessen nur drei Arterien- 
bogen und es fragt sich nun, welches von den vier Gefässen 
verschwunden ist. Es ist das, wie Boas nachgewiesen hat, 
der 3. Arterienbogen, welcher beim definitiven Thiere voll- 
ständig obliterirt ist. 


d. Entwicklung der Kiemenhöhlenwand 
und des Verbindungskanals. 


Im vorigen Abschnitte musste ich öfters der die äussern 
Kiemen nach und nach überdeckenden Opercularfalte oder 
des Kiemendeckels Erwähnung thun. Auch bei der Be- 
schreibung des ausgebildeten Apparates hatte ich öfters die 
Existenz einer Kiemenhöhlenwand hervorgehoben, eines 
Gebildes, das dieser Operkularfalte seinen Ursprung verdankt. 


168 Huso Naue: 


Es erübrigt mir nun, die Entwicklung derselben zugleich 
mit der des Kiemendeckels zu schildern. 

In der Litteratur findet sich die Entwicklung des 
Kiemendeckels bei vielen Forschern nur in sehr kurzen 
Umrissen dargestellt. 

Ausführlicheres darüber findet sich bei Rathke, welcher 
eine ziemlich eingehende Darstellung giebt. Aber erst in 
neuester Zeit hat Jordan in seiner „Entwicklung der vordern 
Extremität der Anuren Batrachier“ eine genaue Be- 
schreibung geliefert; Letzterer hat aber insofern eine Lücke 
gelassen, als er nicht angiebt, von wo resp. von welchem 
Knorpel aus die Falte ihren Ursprung nimmt. Er lässt es 
unentschieden, ob Rathke und Götte Recht haben, welche 
sie am Zungenbeinbogen festsitzen lassen, oder von Bär, 
welcher das os quadratum als Ursprungsstelle bezeichnet. 
Meinen eigenen Beobachtungen gemäss kann es sich, wenn 
überhaupt von Festsitzen an einem Knorpel geredet werden 
soll, nur um die Zungenbeinbögen handeln. 

Uebrigens ist auch die Bemerkung Jordans, dass zur 
Zeit der Kiemendeckelbildung die Skelettbildung noch wenig 
distinkt sei, nicht als richtig anzuerkennen. Vielmehr hat 
sich in dem Stadium, wo der Kiemendeckel anfängt sich 
zu entwickeln, das Skelett schon zur Genüge ausgebildet, 
um eine Entscheidung über die einzelnen Skeletttheile zuzu- 
lassen. Bereits bei der Entwicklung des innern Kiemen- 
apparates ist von mir bemerkt, dass der Knorpel sich schon 
angelegt hat, sobald nur die erste Anlage der äussern 
Kiemen sich zeigt, dass also dann, wenn die Opercularfalte 
anfängt sich zu entwickeln, d. h. zu der Zeit, wo die 
äussern Kiemen ihre höchste Entwicklung erreicht haben, 
auch die Knorpelbildung schon bedeutende Fortschritte ge- 
macht haben muss, und die einzelnen Theile des Skeletts 
sehr wohl zu unterscheiden sind. 

Wie eben gesagt, beginnt die Entwicklung der Oper- 
cularfalte, sobald die äussern Kiemen ihre grösste Ent- 
wicklung erlangt haben, und auch die innern Kiemen schon 
bestehen, wenn gleich noch nicht in der reichen Verzweigung 
des ausgebildeten Apparates. Auch die Visceralspalten sind 
bereits nach aussen durchgebrochen, d. h. die einzelnen 


Ueber Bau u. Entwieklung der Kiemen der Froschlarven. 169 


Kiemenbogen haben sich von einander gesondert. Bei einem 
Objekte, welches ausgebildete äussere Kiemen hat, befindet 
sich hinter diesen und quer über die ganze Ventralseite 
gehend eine tiefe Einschnürung, welche den Kopf vom 
Rumpfe scheidet, und nach welcher hin auch die Visceral- 
spalten durchbrechen. In der ganzen Länge dieser Ein- 
schnürung, und somit über die ganze Breite der Ventral- 
seite hin, beginnt nun die Körperoberhaut hinten am Kopfe 
zu wuchern und in eine Hautfalte auszuwachsen, welche 
die ganze Einschnürung und mit ihr die äussern Kiemen 
überdacht, sodass dieselben auf diese Weise in eine Höhle 
zu liegen kommen. Die Falte entspringt also nicht an einem 
Skeletttheile. 

Das Wachsthum der Falten ist aber nicht gleichmässig, 
sondern der mittlere Theil derselben wächst schneller wie 
die Seiten, wodurch es bedingt ist, dass die Falte zuerst 
in der Mitte die Einschnürung überdacht, während die 
beiden Seiten noch offen bleiben. Wenn dieser mittlere 
Theil etwas mehr als die Hälfte der Einschnürung ver- 
deckt, beginnt auch von der dem Bauche zu gelegenen 
hintern Wand der Einschnürung ein wallartiges Gebilde 
sich zu erheben. Dasselbe befindet sich jedoch nicht am 
Rande, wie die vordere Falte, sondern ist zurückgerückt. 
Dieses letztere Gebilde erreicht jedoch nur eine sehr geringe 
Höhe im Verhältniss des vordern Randes, auch hat es 
nicht die Breite desselben, sondern ist ungefähr so breit, 
wie der mittlere Theil der vordern Falte. Diese beiden 
Theile wachsen auch, da sie zuerst zusammenstossen, zuerst 
zusammen. 

Durch diese Art des Wachsthums der vorderen Falte 
bleiben vorläufig auf jeder Seite des Körpers noch zwei 
Oefinungen, aus denen die äussern Kiemen nach aussen 
und hinten hervorragen. Wenn aber später der mittlere 
Theil der vorderen Falte mit dem hintern Rande des 
Pericardialsackes verwächst, dann wird die ursprüngliche 
Höhle in zwei getheilt. Fast zu gleicher Zeit mit dem 
eben beschriebenen Querwalle ensteht auch an dem hintern 
Rande der Einschnürung ein zweites Gebilde, welches 
ebenso wie das des vordern Randes aus einer Hautfalte 


170 Hugo Naue: 


besteht, die nach vorn hin wächst, dem Querwalle parallel, 
aber viel niedriger bleibt als der Querwall.e. Zwischen 
diesem Querwalle und der hintern Randfalte entsteht also, 
da sie parallel auf derselben Fläche nebeneinander hin- 
laufen, eine Rinne. Nach dem Zusammentreffen mit dem 
Querwalle wächst aber die vordere Hautfalte noch weiter, 
bis sie mit der Erhöhung des hintern Randes zusammen- 
trifft. Sie schliesst jetzt dadurch, dass sie sowohl mit dem 
vordern Rande des Querwalles, als auch mit dem der 
hintern Randerhöhung sich vereinigt, die von Querwall und 
Randerhöhung gebildete Rinne vollständig ab, sodass da- 
durch ein Kanal entsteht. Da nun aber der Querwall nicht 
über die ganze hintere Einschnürungswand sich erstreckt, 
sondern nur dem mittleren Theile desselben aufsitzt, so 
geht natürlich auch der Kanal nicht über die ganze hintere 
Fläche. Er ist vielmehr nur das Verbindungsglied zwischen 
den beiden durch die Verwachsung der vordern Hautfalte mit 
dem Pericardialsack gebildeten Höhlen, dureh welchen beide 
mit einander kommuniziren. 

Wir hatten gesehen, dass dadurch, dass die vordere 
Hautfalte an den Seiten langsamer sich entwickelte, anfangs 
zwei Oeffnungen geblieben waren, und zwar an jeder Seite 
eine, durch welche die äussern Kiemen, wenigstens zum 
Theil noch, hervorragten. Im weiteren Verlaufe der Ent- 
wicklung werden auch diese beiden Oeffnungen geschlossen 
in der Weise, dass die der rechten Seite sich einfach durch 
Zusammenwachsen der sich entgegenstrebenden Hautränder 
schliesst. Auf der linken Seite dagegen tritt noch eine 
Modification ein. Dort wächst nämlich der eine Theil nicht 
mit der entgegenkommenden hinteren Hautfalte zusammen, 
sondern gleitet noch ein Stück auf der Körperoberfläche hin, 
nur an den Hauträndern mit dieser verwachsend, während 
der hintere Rand frei bleibt; es entsteht dadurch ebenfalls 
ein Kanal, welcher mit der linken Kiemenhöhle in direktem 
Zusammenhange steht, mit der rechten dagegen nur durch 
den oben geschilderten Kanal verbunden ist. Durch ihn 
fliesst das gebrauchte Wasser aus beiden Kiemenhöhlen ab. 
Er heisst deshalb auch Athemloch, Kiemenloch oder Spira- 
culum. Figur 13 zeigt dasselbe im Längsschnitte, wie die 


Ueber Bau u. Entwieklung der Kiemen der Froschlarven. 17i 


Hautfalte auf der Körperoberfläche hingleitet. Die Kiemen, 
welche vorher noch durch die seitlichen Oeffnungen heraus- 
gesehen hatten, sind nun vollständig in die Höhle ein- 
geschlossen. Natürlich verschwanden zuerst die der rechten 
Seite von der Körperoberfläche, da die Oefinung dieser 
Seite sich zuerst schliesst, während die der linken Seite 
geöffnet bleibt und dadurch den äusseren Kiemen noch 
längere Zeit den Durchtritt gestattet. Nicht bei allen 
Anuren - Batrachiern jedoch befindet sich das Spiraculum 
auf der linken Körperseite. Bei mehreren Arten befindet es 
sich in der Mitte des Bauches, wo es von einem von jeder 
Kiemenhöhle kommenden Kanale gebildet wird. Pontallie 
und Lambotte haben es zuerst gesehen und beschrieben, 
während Götte das Verdienst zukommt, zuerst auf eine 
Rigenthümlichkeit in der Stellung des Hautafters zum Athem- 
loche aufmerksam gemacht zu haben. Danach korrespondiren 
jene beiden insofern mit einander, dass, wenn das Athemloch 
in der Mitte liegt, auch der Hautafter in der Medianlinie 
sich befindet; liegt das Athemloch dagegen auf der linken 
Seite, so findet eine Verschiebung des Afters an die rechte 
Seite der ventralen Schwanzwurzelflosse statt. Nach Hoff- 
mann-Bronn, Klassen des Thierreichs, Bd. 6, Amphibien, 
liegt das Spiraculum bei den Larven von Bufo, Hyla, Rana 
und Pelobates auf der linken Seite des Körpers, bei den 
Larven von Alytes, Bombinator und Pelodytes dagegen in der 
Mittellinie. Dementsprechend musste bei den ersteren also 
eine Verschiebung des Afters an die rechte Seite der 
ventralen Schwanzwurzelflosse stattfinden. Mehrere fran- 
zösische Gelehrte, unter diesen Blanchard und Boulenger; 
haben diese Eigenthümlichkeit der Stellung von After und 
Kiemenloch dazu benutzt, die betreffenden Amphibien in 
Levogyrinides und Mediogyrinides einzutheilen und in die 
Systematik einzureihen. 

Mit der Bildung des Kiemendeckels ist auch die der 
Kiemenhöhlenwand erfolgt. Der Kiemendeckel besteht aus 
drei Schichten, der zweischichtigen Körperoberhaut, dem 
darunter gelegenen subepithelialen Bindegewebe (Götte) und 
zu innerst einer zweischichtigen zarten Epidermis. Diese 
letztere sondert sich, nachdem der Process der Kiemendeckel- 


172 Hugo Naue: 


bildung vollendet ist, mehr und mehr von der Körperober- 
haut, mit der sie nur durch das subepitheliale Bindegewebe 
zusammenhing, ab und bildet dann die Wände der Kiemen- 
höhlen. 

Der Lauf des Wassers, aus welchem das Thier den zur 
Athmung nöthigen Sauerstoff zieht, ist also folgender: Aus 
dem Schlunde gelangt das Wasser durch die siebartigen 
Gebilde und die Kiemenspalten in die Kiemenhöhlen, wo es 
die Kiemen umspült. Nachdem diese hier den Sauerstoff in 
sich aufgenommen haben, fliesst es ab und zwar aus der 
linken Kiemenhöhle durch das Spiraculum direkt, während 
das der rechten Höhle vorher erst noch den Kommunikations- 
kanal zu passiren hat, bevor es ebenfalls durch das Spira- 
culum abfliessen kann, zu welchem hin es in der Rinne 
geführt wird. 

Eine besondere Muskulatur, wie Duges anführt, besitzt 
der Kiemendeckel nicht. 

Zum Schlusse sei es mir noch gestattet, meinem Freunde 
und Studiengenossen Herrn Schöbel meinen Dank für die 
Ausführung der Zeichnungen auch an dieser Stelle aus- 
zusprechen. 


Litteraturverzeichniss. 

1. Steinheim, Die Entwickelung der Frösche. Hamburg 
1820. 

2. Huschke, E., Ueber die Umbildung des Darmkanals 
und der Kiemen der Froschquappen, in Isis v. Oken, 
1826 I. 

3. Rusconi, Developpement de la grenouille commune, 
Paris 1826. 

4. Baer, v., Geschichte des Froschembryo, in Burdach: 
die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Leipzig, 
1828 II. 

5. Rathke, H., Anatomisch -philosophische Untersuchungen 
über den Kiemenapparat und das Zungenbein der 
Wirbelthiere. Riga und Dorpat 1832. 

6. Duges, Recherches sur l’osteologie et la myologie 
des Batraciens & leurs differents äges; presentees & 
Vacademie royale des sciences. Paris 1834. 


10. 


18. 


Ueber Form u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 173 


. Lambotte, Observations anatomiques et physiologiques 


sur les appareils sanguines et respiratoires des 
Batraciens anoures; in: Memoires couronndes et memoires 
des savants etrangers, publies par l’academie royale 
des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique 
tome XIII, 1837. 


. Prevost et Lebert, Memoire sur la formation des 


organes, de la ceirceulatiin et du sang dans les 
Batraciens; in: Annales des sciences naturelles, 
Ill. serie, Zoologie, I. tome, Paris 1844. 


. Steinheim, Die Entwickelung des Froschembryos, 


insbesondere des Muskel- und Genitalsystems; in: 
Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissen- 
schaften, Hamburg 1846. 

Baudrimont et Martin St. Ange, Recherches anat. et 
phys. sur le developpement du foetus et en part sur 
l’evolution embryonnale des oiseaux et des Batraciens; 
in: Memoires presentees par divers savants a l’academie 
des sciences de institut national de France. Paris 1851. 


. Pontallie, Recherches sur les Batraciens in Annales 


scientifiques nat. 3 e, s. Zool. XVIII 1852. 


. Remak, R., Untersuchungen über die Entwickelung der 


Wirbelthiere. Berlin 1855. 


. Milne-Edwards, Lecons sur la physiologie et l’anatomie 


comparee de l’homme et des oiseaux. Paris 1857. 


. Stricker, Entwickelungsgeschichte von Bufo einereus bis 


zum Erscheinen der äusseren Kiemen; in: Sitzungs- 
berichte der math.-naturw. Klasse. Wien 1860 XXXIX. 


. Ecker, A., Die Anatomie des Frosches, Braunschweig 


1864. 


. Ecker, A., Jcones physiologicae. 1851—59. 
. Golubew, A., Beiträge zur Kenntniss des Baues und der 


Entwickelungsgeschichte der Kapillargefässe des Frosches 
in: Archiv für mikrosk. Anatomie von M. Schultze 1869, 
Bambecke, v., Recherches sur le developpement du 
Pelobate brun; in: Me&moires couronndes et me&moires 
des savants etrangers, publies par l’acad&mie royale des 
sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique. 
Bruxelles 1867—1870 tome XXXIV. 


174 Hugo Naue: 


19. Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreiches. 
Band 6, Amphibien 1873—1878. 

20. Goette, A., Die Entwiekelungsgeschichte der Unke 
(Bombinator igneus). Leipzig 1875. 

21. Lataste, Sur la position de la fente branchiale chez le 
tetard du Bombinator igneus, im: Journal Zsologique 
tome VI 1877. 

22. Balfour, Handbuch der vergl. Embryologie. Jena 1831. 

23. Boas, E. V. Ueber den conus arteriosus und die 
Arterienbogen der Amphibien, in: Gegenbauer, morpho- 
logisches Jahrbuch, Band 7, Leipzig 1882. 

24. Boas, E. V. Beiträge zur Angiologie der Amphibien, 
Band 3, ebendas. 1883. 

25. Leydig, Die anuren Batrachier der deutschen Fauna. 
Bonn, 1877. 

26. Claus, Lehrbuch der Zoologie, Marburg und Leipzig 1883. 

27. Alcock, Th. On the development of common frog, in: 
Memoirs of Manchester Literary and Philosopbical Society 
III ser. VIII vol. London 1884. 

28. Wiedersheim, R., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie 
der Wirbelthiere, Jena 1884. 

29. Boulenger, Note sur la position de l’orifice anal chez les 
tetards des Batraciens d’Europe aus Bulletin Soe. Zool. 
France, tome XI. 

30. His, Anatomie menschlicher Embryonen Ill. Zur Geschichte 
der Organe. Leipzig 1885. 

3l. Barfurth, der Hunger als förderndes Prineip in der Natur, 
in: Archiv für mikrosk. Anatomie 1887. XXIX. 

32. Maurer, F. Die Kiemen und ihre Gefässe bei anuren 
und urodelen Amphibien und die Umbildung der beiden 
ersten Arterienbogen bei Teleostiern, in: Gegenbauer 
morphologisches Jahrbuch, Band XIV, Leipzig 1888. 

33. Jordan, Die Entwickelung der vorderen Extremität der 
Anuren-Batrachier. Dissertation, Leipzig 1888. 

34. Schulze, F. E. Ueber die inneren Kiemen der Batrachier- 
larve, aus: Abhandlungen der Königlich preussischen 
Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1888. 


Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 175 


Erklärung der Abbildungen. 


Sämmtliche Zeichnungen sind mit der Oberhäuserschen 
camera lucida, ohne Berücksichtigung der durch die Con- 
servirung entstandenen Schrumpfungen, verfertigt. 

Figur 1. Kopf einer ausgebildeten Larve, von der 
ventralen Seite geöffnet. Vom linken Kiemenkorbe sind die 
Kiemen und Blutgefässe entfernt; Totalansicht. o Mund; 
msh muse. subhyoideus; zb Zungenbeinbogen; ce Herz; 
kb,—kb, 1-4 Kiemenbogen; k,—ks; 1—3 Kiemenspalte:; 
k Kiemen; vk Verbindung der beiden mittleren Bögen am 
vorderen Ende; vk Verbindungsknorpel der gesammten 
4 Bögen am hinteren Ende; kbf Kiemenbögenfortsätze. 

Figur 2. Längsschnitt durch das Zungenbein und den 
1. Bogen. z Zungenbein; f Filter; sonst wie in Figur 1. 
Verere5b us 

Figur 3. Längsschnitt durch den Verbindungsknorpel 
der 4 Bögen am hinteren Ende. vk Verbindungsknorpel; 
f Filter; g Gefäss; Vergr. 55:1. 

Figur 4 Längsschnitt durch die vorderen Fortsätze 
des 2. und 3. Bogens. vk Verbindungsknorpel; f Filter; 
a,—a, Arterien des 1.—4. Bogens; Vergr. 55:1. 

Figur 5. Querschnitt durch einen Kiemenkorb. a,—a, 
1—4 Arterie; v—v, 1—4 Vene; m Muskel; e Epithel; 
fg Gefäss des Filters; sonst wie in Figur 1. 

Figur 6. Längsschnitt durch ein Stück des Filter- 
apparates. za Zellanhäufung am äusseren Rande; e Epithel; 
b Bindegewebe; md mesodermale Zellen; Vergr. 200:1. 

Figur 7. Querschnitt durch den Kopf einer Larve, um 
die Kiemenhöhlenwand und den Verbindungskanal zu zeigen. 
kh Kiemenhöhle; khw Kiemenhöhlenwand; ve Verbindungs- 
kanal; ep Epidermis, sonst wie in Figur 5. Vergr. 55:1. 

Figur 8a. Schematische Zeichnung des Blutgefässver- 
laufs in den Kiemen. a Arterie; v Vene; ka von der Arterie 
in die Kiemen gehendes Gefäss; kv von der Vene in die 
Kiemen gehendes Gefäss. 

Figur Sb. Querschnitt durch einen mittleren Kiemen- 
bogen, um die Gefässvertheilung zu veranschaulichen. ka 
von der Arterie in die Kieme gehendes Gefäss; kv von der 


176 Hugo Naue: Ueber Bau und Entwicklung der Kiemen ete. 


Vene in die Kieme gehendes Gefäss; ke Kiemenkapillaren. 

(Die Kapillaren der Deutlichkeit wegen ohne Blutkörperchen.) 
Figur 9. Querschnitt durch ein junges Stadium. ak 

äussere Kieme; a Arterie; ep Epidermis; Vergr. 120:1. 

Figur 10. Längsschnitt durch ein etwas älteres Stadium. 
ak,—ak; 1—3 äussere Kieme; a,—a, 1—3 Arterie; Vergr. 
120:%. 

Figur 11. Längsschnitt durch ein Stadium, bei dem 
die äusseren Kiemen vollständig entwickelt sind (konstruirt). 
ak äussere Kieme; k innere Kieme; o Opercularfalte; kb 
Kiemenbogen; g Gefäss; sh Schlund; akg äusseres Kiemen- 
gefäss. v8,— v8, 2—5 Visceralspalte. 

Figur 12. Totalpräparat eines inneren Kiemenbogens 
mit darauf sitzender äusserer Kieme. Bezeichnungen wie 
in Figur 11. Vergr. 30:1. 

Figur 13. Längsschnitt durch ein jüngeres Stadium, 
das dem ausgebildeten Zustande nahe ist. sp Spiraculum; 
o Opercularfalte; hf hintere Falte; sonst wie in Figur 5. 
Vergr. 20:1. 


— ne —— 


Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 63 Doppeltafel 2 


KIN ARISSRRIN Berlin AV. 


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1% 


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EEE TNERTNN 


I. Sächsisch -Thüringische Literatur. 


Lattermann, @., in Berlin, Die Lautenthaler Soolquelle 
und ihre Absätze, Jahrbuch der k. preussischen geologischen 
Landes- Anstalt 1888 (erschienen 1890). 


Ein kleiner Nebengang des Lautenthals-Glücker Ganges 
ist der Leopolder Gang; auf diesem wurde 370 m unter 
Tage vor 30 Jahren eine Soolquelle angefahren. Die 
Pumpenröhren, welche das Quellwasser zu passiren hatte, 
zeigten einen festen Absatz, dessen chemische Zusammen- 
setzung folgende war: 

Schwefelsaurer Baryt 94,3% 


a Strontian 1,6 „ 
Ri Kalk Ok 
Eienoxyd 0,5 „ 
Wasser Se 


Der Leopolder Gang hat ein Streichen von 9,2 h und 
ein Fallen von 55° S., er ist 40 m vom Hauptgange ent- 
fernt und beide schaaren sich nach Osten zu. Die Mineral- 
Combination der beiden Gänge: 1) Aelterer Kalkspath, 
2) Quarz, 3) Bleiglanz und Quarz, 4) Blende und Kupfer- 
kies weisen Schwerspath nicht auf; derselbe fehlt vielmehr 
gerade östlich der Innerste auf diesen Gängen. Dagegen 
tritt der Kalkspath in der Quell führenden Schicht auf; 
das Hangende des Ganges bilden Culmgrauwacken und 
Thonschiefer; im Liegenden dagegen hat der Gang als 
Verwerfer die Schichten bis zum Oberdevon in das 
gleiche Niveau gerückt. Die Hauptquelle liefert in der 
Minute 40 1 oder 57600 1 per Tag; 180 m vom ersten 


Quell findet sich ein zweiter Quellpunkt, welcher 1 ] pro 
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIIT. 1890. 12 


178 I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


Minute liefert. Anfangs am Quellort ist die Soole ganz 
klar, sie beginnt erst 50 m vom Quellort, nachdem sie sich mit 
anderen Grubenwassern gemischt hat, trüb zu werden und an 
ihrer Oberfläche talgähnliche, vollkommen krystallinische Ab- 
sätze zu bilden. Diese sind‘ bis zu mehreren Centimetern 
dick und bestehen aus Schwerspath ; in den Leitungsröhren 
haben sich in 3—5 Jahren 2000 Kilogr. dieses Minerals 
gebildet. Die Ueberzüge der zweiten Quelle erinnern an 
Karlsbader Strudelstein. In den Jahren 1836/87 hatte sich 
die 13. Strecke mit Soole gefüllt und es hatte sich die 
Streckensoole mit einer 1—2 dem. hohen Schicht eines 
grauweissen Schwerspathschlammes bedeckt. Von Gasen 
enthält die Soole wahrscheinlich nur Stickstoff und zwar 
0,5 em? im Liter. 

Die Analysen der Soole ergaben und zwar 1. von der 
Hauptquelle und 2. von der zweiten Quelle im Liter: 

erste: zweite: 


N 


KELLER 
Chlorbarium 0,314lgr. 0,318 8770,21 97er. 
Chlorstrontium 0,854 „ 0,899 „ 0,859 „ 
Chlorealeumır 105092, 1020221029055 
Chlormagnesium 3,219 „ 4,60 „ 93275 „ 
Chlornatrium 67,555 „ 68,168 ,„ 64,076 „ 
Chlorkalium 0,3597, OA58 012 033702, 


Beide Quellen lieferten dasselbe Resultat, gehören 
also zusammen; eine solche Zusammensetzung einer Soole 
war bis jetzt unbekannt. Verfasser vergleicht die Grull- 
quelle zu Recklinghausen, die Kreuznacher Elisabethquelle, 
die Bibraer Eisen- und Schwesternquelle, das Pyrmonter 
Wasser, die Elisabethquelle zu Homburg und das Emser 
Krähnchen in Bezug auf die beiden selteneren alkalischen 
Erden mit der neuen Quelle. Die Analyse der Grubenwasser 
liefert das Resultat, dass auch sie Soolen sind, welche 
jedoch Schwefelsäure enthalten. Hierauf beruht der durch 
Vermischung der Soole und der letzteren entstehende Nieder- 
schlag von Schwerspath. 


Aus weiteren Analysen der Mischung ging hervor, dass 
in der Mischung auch schwefelsaurer Baryt in gelöster Form 


Sächsisch - Thüringische Literatur. 11708) 


vorhanden war und dass mit der Zufuhr der Schwefelsäure, 
welche jedoch niemals in dem Grade vorhanden war, um 
alles Baryum, Strontium etc. zu fällen, der Gehalt an ge- 
lösten schwefelsauren Strontium wächst. 

Die Farbe des gebildeten Schwerspathes ist bald rein weiss, 
bald rothbraun, er ist moosartig zu Stalactiten vereinigt. Das 
Mikroskop lehrt, dass die kleinen keulenartig aussehenden 
Schwerspathkrystalle die Combination 010, 101 oder 010, 
110, 011 nach Naumann darstellen, wo also 010 und 101 Spalt- 
formen sind. Analysen des weissen Baryts I, des rost- 
braunen II und des B.—schlammes III ergaben: 

I II TI 
Baryterde 55,69 55,08 50,66 
Strontianerde 6,79 487 7,08 


Kalkerde — 0,81 020,85 
Eisenoxyd 0297752.5377.0:69 
Chlornatrium — 0,36 — 


Schwefelsäure 34,22 33,65 33,26 
Kieselsäure 0.16, ,.0,20772:50 
Orsan, Subst, Spur, 04152019 
Wasser 1,012 701.290, ,135 
Weitere Versuche des Verfassers beweisen, dass die 
Soole einmal die Reaction zwischen Baryumsalz und 
der Schwefelsäure verzögern und anderntheils, dass sie 
einen Theil des schwefelsauren Baryts in Lösung erhalten 
kann, endlich, dass die verschiedene Verdünnung der 
Lösungen von bedeutendem Einfluss auf die Ausscheidung 
des Baryts ist. Schon in der unvermischten Soole ist 
schwefelsaures Baryum in Lösung vorhanden, doch durch‘ 
die vorhandenen chemischen Reagentien nicht nachweis- 
bar; seine Anwesenheit geht aber aus der Bildung von 
kleinen Stalactiten von Schwerspath in der Soole hervor. 
Die Herkunft der Quelle ist unsicher, doch setzt sich 
der Lautenthals - Glücker Hauptzug wahrscheinlich nach 
Seesen in die Zechsteinformation fort und entnimmt 
dieser die Salze der Quelle. 


Halle a. S. Luedecke. 


12* 


180 I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


v. Fritsch, K., Die Tertiärformation Müttel- Deutschlands; 
aus Vollert, Der Braunkohlenbergbau, Festschrift zur 
Feier des 4. allgemeinen Bergmannstages in Halle a. S. 
C. E. M. Pfeffer (Rob. Stricker) 1889. 


Die Tertiärformation des mittleren Nord-Deutschland 
ist ausgezeichnet dadurch vor dem Vorkommen derselben 
Formation in der Lausitz, Böhmen, Franken, der Rhön 
und Hessen, dass vulkanische Gebirgsmassen und sonstige 
feste sedimentare Schichten fehlen; nur der Braunkohlen- 
quarzit „Knollenstein“ bildet hier und da aushaltende 
Bänke. Die losen Sande, Thone und mulmige Braunkohlen 
wiegen vor und die Lagerung der Gebirgsschichten ist im 
allgemeinen eine söhlige. Im Osten der Mark finden sich 
Aufrichtungen, Zerreissungen, Verwerfungen der Schichten. 
Vielfach, besonders am Harze und bei Halle a. S. zeigt 
sich, dass die Ablagerung in horizontalen Schichten nach 
Einebnung der gefalteten älteren Straten stattgefunden 
hat; vielfach findet man die Braunkohlenschichten in 
Thälern der älteren Gebirgsschichten liegen. Die Ab- 
wesenheit von Brocken der darunterliegenden Massen und 
die auf weite Strecken hin sich gleich bleibende Beschaffen- 
heit der tertiären Schichten lässt die Annahme gerechtfertigt 
erscheinen, dass ein allgemein wirkendes Agens die Trümmer 
der anstehenden Gebirge entfernt und auf weite Strecken 
hin in gleichmässiger Weise dieselben Tertiärschichten ge- 
bildet hat. 

Es widerspricht dies besonders der Bildung derselben 
an Ort und Stelle und, dass durch langsame Hebungen 
und Senkungen Meeresablagerungen zwischen die Landab- 
lagerungen eingeschoben worden seien. 


Letzterem widerspricht, dass die Meeresablagerungen 
sich innigst an die Thone, Sande etc. anschliessen; auch 
müsste sich der Untergrund in seinen verschiedenen 
Varietäten: als Kalkstein — Sandstein — Rothliegendes 
ete. vielmehr bei der Bildung der Landbildungen geltend 
gemacht haben, als man dies beobachtet; so müsste ein 
Sumpfgebiet mit Kalksteinunterlage Travertinbildungen 
bervorgerufen haben, welche uns die organischen Reste in 


Sächsisch- Thüringische Literatur. 181 


vorzüglicher Weise überliefert hätten; dieselben fehlen aber 
gänzlich. 

Die Hebung und Senkung müssten erkennbare 
Spuren ihrer Thätigkeit zurückgelassen haben, welche 
durchaus vermisst werden. Dann müssten auch die Sande 
und Thone Reste von Sumpf- und Wasserpflanzen enthalten; 
dieselben werden aber dort vermisst, ebenso wie sie in den 
Braunkohlen nur ganz sporadisch sind. 

Die Bildung aus Wassernüssen sind ganz zu verwerfen, 
denn in den unteroligocänen Hauptablagerungen werden die- 
selben vermisst; sie finden sich nur in den jüngeren 
Schichten. 

Der Verfasser erklärt die Ablagerungen als Meeres- 
ablagerungen durch die Annahme, dass damals ein Meer, 
welches 400 Meter hoch Norddeutschland überdeckte, die- 
selben abgesetzt habe. Diese Bildungsart würde es auch 
erklärlich finden lassen, dass die auf der damaligen Ober- 
fläche des Bodens befindlichen losen Massen durch das ein- 
dringende Wasser Anfangs vollständig ausgebaggert worden 
sind und so dieselben sich nicht mehr an einer Schicht- 
bildung innerhalb unseres Gebietes betheiligen konnten. 

Die gleichartige Beschaffenheit derselben Schichten an 
so weit auseinanderliegenden Stellen wie Blankenhain und 
Halle a. S. erklärt sich hierdurch auch in genügender 
Weise. 

Hierzu kommt, dass die ziemlich mächtigen Braunkohlen- 
flötze selbst eine solche Structur zeigen, wie sie sich nur 
bei einer Sonderung der Gemengtheile nach dem specifischen 
Gewichte bilden konnten. 

Noch bis vor kurzem glaubte man, dass alle Braun- 
kohlenschichten dieses Gebietes ein unteroligocänes 
Alter besässen; neuere Untersuchungen von Behrend, 
H. Credner und dem Verfasser haben jedoch gezeigt, dass 
dieses im Allgemeinen nicht zutreffend ist. Für die Gegend 
von Halle a. S. trifft dies zu, weil hier der mitteloligocäne 
Septarienthon die Flötze bedeckt, während bei Egeln, 
Latdorf, Aschersleben, Atzendorf und Helmstedt die Haupt- 
masse derselben mit versteinerungsreichen unteroligocänen 
sandig thonigen Sehichten in Verbindung stehen. Später 


182 I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


wiesen Zaddach für die Braunkohle der Mark, Kosmann 
für die am Flemming, H. Credner für die von Leipzig, 
Behrend für weitere Vorkommen nach, dass dieselbe jünger 
sei als der mitteloligocäne Septarienthon. 

Verfasser gelangt unter gleichmässiger Berücksichtigung 
paläontologischer Verhältnisse und eigener Be- 
obachtungen über Lagerungsverhältnisse zu folgen- 
der Eintheilung der tertiären Schichten. 

Erste Stufe der älteren subhereynischen Braun- 
kohlenbildung; hierher gehören die Flötze zwischen Magdeburg 
und dem Harze, die von Halle a. S., Cöthen und Weissen- 
fels. Die Flötze werden von Sanden, Quarziten, Quarz- 
kiesen, Thonen ete. begleitet; es existirt ein Unter- und 
Oberflötz, von welchem das erstere gewöhnlich das 
mächtigere ist; nach oben zu gehen sie öfter in Schweel- 
kohle über; das Oberflötz ist weniger mächtig, reicher an 
Schwefelkies, Alaunen und alaunhaltigen Thonen. Bei 
Lützkendorf ist das Unterflötz 70 Meter, bei Nachterstedt 
50 Meter mächtig. An Thierresten finden sich hier der 
Limulus Decheni und Insecten, von Pflanzen Sequoia 
Couttsiae Hr., Sabal major Ung. sp., Stereulia labrusca Ung.., 
Apocynophyllum neriifolium Hr., und Dryophyllum Dewal- 
quei Sap. u. a.; hierbei hebt der Verfasser besonders her- 
vor, dass diese Gewächse lederartige grüne Blätter besassen, 
und dass eine nicht geringe Anzahl derselben in anderen 
Gegenden characteristisch als für Eocän gelten. 

Auf der „schwarzen Minna“ und dem ‚Segen Gottes- 
Schachte“ bei Eisleben hat man eine reiche Flora aufge- 
funden, welche sogar Anklänge an die Kreideflora hat; es 
ist bis jetzt leider noch nicht ganz ausgemacht, ob diese 
Flora dieser ersten Stufe beigezählt werden darf oder ob 
dieselbe älter ist, als diese. Bei Egeln erscheint im 
Hangenden der Braunkohle ein sandig glaukonitisches 
Meeresmuschellager, welches für unteroligocän gilt; auch 
bei Helmstedt, Magdeburg und Aschersleben sind mannig- 
fache Thierreste dieser Stufe gefunden worden; besonders 
reich war früher Latdorf bei Bernburg: Nummulina germanica 
Born., Trochoseris helianthoides Röm., Cidaris anhaltina 
Gieb., zahlreiche Bryozoön, Tbecidium mediteraneum 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 183 


und Lattorfense. Von Weichthieren ca. 900: Nautilus 
imperialis, Pholdomya Weissii Goldf., Cypricardia praelonga 
Giebel., Chama monstrosa Phil. Spondylus Buchii Phil., 
Ostrea ventilabrum Goldf., (dieselbe bildet nachgewiesener 
Massen bei Spandau unterirdische Bänke), Cancellaria elon- 
sata Ngst., Fusus egregius Begr., Strepsidura desertum Sol., 
Pleurotoma Bosqueta, Voluta suturalis, Mitra Mettei Gbl.; 
Fischreste bei Helmstedt und Büddenstedt: Lamna elegans 
und cuspidata. 

Die zweite Stufe bildet das Mitteloligocän, welches 
gewöhnlich in Form eines oft wohlgeschichteten, meist 
grauen, sehr gut knetbaren Thones, des sogenannten 
Septarien- oder Rupelthones erscheint. Eingesprengte 
Foraminiferen- und Muschelschalen machen ihn kalkhaltig; 
durch wechselweise Zersetzung des Kalks und Schwefel- 
kieses bilden sich Gypsknollensande, und Sandmergel be- 
gleiten ihn; durch Braunkohle gefärbte Sande führen die 
Bezeichnung Magdeburger und Stettiner Sande. Neben 
228 Foraminiferen findet man Leda Deshaysiana Ductret., 
Nucala Chasteli Nyst., Fusus multisulcatus Nyst., Aporhais 
speciosa Schloth., Pleurotoma Duchasteli Nyst., P. regularis 
de Kon., Natiea hantoniensis Sow., Nystii Sow., Lamna 
cuspidata Ag. und Meletta crenata. 

Credner stellt die Thone, Sande und Kiese zwischen 
Leipzig und dem sächsischen Berglande hierher; vielleicht 
sehören auch die Alaunerze und Braunkohlen von Born- 
stedt in diesen Horizont; Aralia Weissii Frid., Apocyno- 
phyllum helveticum Heer., Quercus Sprengeli Hr., Sequoia 
Langsdorfi Bgt. und Bombax Decheni Web. gehören der 
dritten Stufe an; vielleicht kann man sie aber auch zu der 
folgenden Stufe rechnen. 

Dritte Stufe oberoligocäne Meeresmuschellager, 
Formsand Laspeyres; es sind glauconitische, in sandstein- 
artige, kalkreiche Gebilde übergehende Sande und Sand- 
mergel z. Th. mit Eisenstein verbunden. Die Hellberge bei 
Wiepke, der Eisenstein bei Brombach (Dessau), Hohendorf 
bei Calbe, Schlieben bei Cottbus bilden diese Stufe; Fossilien: 
Lunnulitis hippocrepis Röm., Terebratula grandis Bib., 
Pecten Janus Goldf., Cardium eingulatum, Menkei, Nueula 


184 I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


peregrina Desh., Buceinum Bolli Beyr., Nassa Schlotheimii, 
Turritella Geinitzii Spey. Trochus elegantulus Phil. 

Vierte Stufe helle Sande, Kiese, Thone mit Knollen- 
stein über oberoligoeänen Schichten: Miocän; am Thon- 
berge, märkische Braunkohlen mit Flaschenthon (unten Thon, 
Mitte Faschenthon, oben Sand), häufig Alaunflötze. Bei 
Muskau Corylus und Carpinusblätter, bei Zschipkau: 
Liquidambar europaeum Al., Carpinus pyramidalis Göp., 
Populus latior, Taxodium distichum miocenum Heer. Borna, 
Göhren und Mittweida gehören nach den Beschreibungen von 
Beck, Engelhardt und Schenk hierher. 


Halle a. S. Luedecke. 


Vollert, Max, Der Braunkohlenbergbau, Festschrift zur 
Feier des IV. allgemeinen Bergmannstages in Halle a. 8. 
C. E. M. Pfeffer (R. Stricker) 1889. 


Den ersten Theil der vorliegenden Schrift bildet die oben 
besprochene Abhandlung des H. v. Fritsch über die Tertiär- 
formation Mitteldeutschlands. 

An dieselbe anschliessend bespricht V. die Verbreitung 
derselben; als Erläuterung dient hierbei eine Karte; als- 
dann folgen die geschichtliche und rechtliche Entwickelung 
des Bergbaues, der technische Betrieb, die mechanische 
und chemische Aufbereitung, Statistik der Production und 
der Arbeiterverhältnisse. 

Das Buch ist fliessend geschrieben und bringt eine 
Menge von Daten, welche aus officiellen Quellen geschöpft 
sind, sich also wohl als recht zuverlässig erweisen werden; 
die Ausstattung ist lobenswerth und können wir daher das 
Werk den Interessenten angelegentlichst empfehlen. 


Halle a. S. Luedecke. 


Franzen, W., u. v. Koenen, A., Ueber die Gliederung 
des Wellenkalks im mittleren und nordwestlichen Deutschland, 
Jahrbuch der Äkgl. preuss. geologischen Landes - Anstalt. 
(440 S.) 1888. 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 185 


Die Autoren haben am Bahneinschnitt zu Hardegsen, 
N.W. von Göttingen, an den Aufschlüssen zwischen 
Kreiensen und Gandersheim, in der Umgegend von War- 
burg, in der Nähe von Wissingen bei Osnabrück und an 
der Hainleite bei Sondershausen den Wellenkalk näher 
studirt und die überall gemeinsam hervortretenden festen 
Bänke — die Oolithbänke, Terebratel- und Schaumkalk- 
bänke an den einzelnen Fundorten mit einander zu 
parallelisiren gesucht. Aus denselben geht hervor, 1) dass 
die drei Haupthorizonte fester Bänke die sogenannten 
Oolithbänke («x u. 8 der preussischen geologischen Special- 
karte), der Terebratelbank- (y) und der Schaumkalk- 
Horizont (d) von Thüringen und Sondershausen durch das 
südliche Hannover und Braunschweig, sowie Westfalen bis 
nach Osnabrück im Wellenkalk in demselben Niveau — 
soweit sich dies feststellen liess — und in wenig ab- 
weichenden Gesteinen vertreten sind; 2) dass mindestens 
bis Warburg hin zwei Oolithbänke (« und £) durch 
gelbe Kalke getrennt, zwei Terebratelbänke (y) und 
drei Schaumkalkbänke vorhanden sind, ebenso auch 
bei Sondershausen und bei Eisenach; 3) dass mürbe gelbe 
Gesteine ähnlich denen des mittleren Muschelkalks ganz 
allgemein auch bei Sondershausen, Kreiensen, Göttingen 
und Warburg schon über den unteren und mittleren 
Schaumkalk folgen und dass Schichten reich an Myophoria 
orbicularis sich gerade über der unteren Schaumkalkbank 
sehr häufig finden, in einem höheren Horizonte häufig 
fehlen. 


Deswegen ist es auch ungeeignet, gerade diese Schichten 
als Grenzschichten zwischen unteren und mittleren Muschel- 
kalk anzusehen. Früher ist dies häufig geschehen und da- 
her sind die beiden oberen Schaumkalkbänke dem mittleren 
Muschelkalke zugerechnet worden. 


Schliesslich machen die Verfasser den gewiss beachtens- 
werthen Vorschlag, die drei Horizonte nur mit drei Buch- 
staben zu bezeichnen und daher die Oolithbänke mit A, 
die Terebratelbänke mit B und die Schaumkalke mit C 
zu bezeichnen. 


186 I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


Auf der kgl. preussischen geologischen Spezialkarte 
wird künftighin der untere und obere Wellenkalk so ge- 
schieden werden, dass die untere Grenze des letzteren 
unter die Terebratelbänke, welche sich am leichtesten er- 
kennen lassen, gelegt werden wird. 


Halle a. S. Luedecke. 


Frantzen, W., in Meiningen, Untersuchungen über die 
Gliederung des unteren Muschelkalks im nordwestlichen 
Westfalen und im südwestlichen Hannover. Jahrbuch der 
kgl. preuss. Landes-Anstalt. (453 8.) 1588. 


Der Verfasser hat das früher mit von Könen gemein- 
sam Unternommene (vergl. voriges Referat) weiterverfolst; 
insbesondere ist es ihm gelungen, eine Reihe dünner, für 
den Muschelkalk von Meiningen für bestimmte Horizonte 
eonstante Bänkchen (Unieardiumbank, Bank mit Spiriferina 
fragilis 6—S Meter unter der unteren Terebratelbank liegend, 
mehrere dünne die obere Terebratelbank begleitende mit 
Spiriferina hirsuta und Terebratula vulgaris) auch im süd- 
westlichen Hannover bei Kreiensen und Hardegsen und in 
Westfalen bei Sandebeck aufzufinden. 


Merkwürdig ist es nun, dass von Westfalen bei Osna- 
brück der Wellenkalk sich durchaus verschieden von dem 
verhält, was wir sonst in Mittel-Deutschland etc. kennen 
gelernt haben. Hier feblt nicht nur der Schaumkalk der 
Zone d, sondern es sind auch die übrigen Schaumkalk- 
bänke in so unansehnlicher Gestalt entwickelt, dass eine 
Ausscheidung der Bänke « £, Oolithbänke und 7 Terebratel- 
bänke nicht mehr möglich ist, weil dieselben nicht ent- 
wickelt sind, und da bereits von Kreiensen an gegen W. 
hin auch in dem unteren Wellenkalk oolithische Bänke 
vorkommen. Daneben gehen hier mehrere Leitpetrefacten 
in andere Horizonte über. So z. B. geht Myophoria 
orbicularis, welche bei Meiningen Hauptleitmuschel der 
Schaumkalkzone d und die Orbiecularisschicht ist und in 
tieferen Schichten nur als grosse Seltenheit beobachtet wird, 
nach N. und W. hin in immer tiefere Schichten abwärts, 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 157 


so dass sie bei Osnabrück im oberen Wellenkalk eine der 
semeinsten Muscheln ist. 


Auch die Terebratula vulgaris behält ihr Lager in der 
nach ihr benannten Zone nicht bei, sondern geht ebenfalls 
in tiefere und höhere Schichten über, hinauf bis in den 
Schaumkalk d, abwärts bis in die Bank der Spiriferina 
fragilis. 


Halle a. S. Luedecke. 


Scheibe, R., u. Zimmermann, Geognosie der Gegend des 
Ilmthales zwischen Schneridemüllerskopf und Ilmenau, Jahr- 
buch der kgl. preussischen Landes - Anstalt. (63 8.) 1888 
(erschienen 1890). 

Die Verfasser schliessen sich, was die Eruptivgesteine 
anlangt, den von v. Fritsch gegebenen Daten an und geben 
folgende Eintheilung: Aeltestes Gebirgsglied ist der Granitit 
(vergl. des Referenten Aufsatz in der Zeitschrift für 
Krystallographie X. 187) des Meyersgrunds; derselbe wird 
überlagert vom unteren Manebacher Carbon, welches zu 
unterst aus Conglomeraten, welche Sandstein, Quarz, 
Granit, cambrischem Quarzit und Kieselschiefer führen, 
besteht; darüber folgt ein feinkörniger, grauer oder rother 
Sandsteinschiefer mit Schieferthon. Dieser wird überlagert 
von Meyersgrundporphyr, dem Schneidemüllersgrund- 
porphyrit und dem Glimmerporpbyrit der Wilhelmsleite, 
bei Manrebach, am Dachskopf ete. 


Perlgraue bis rothe dünnschichtige Thonsteine, deren 
unterste Schichten durch aufgenommene Glimmerporphyrit- 
bruchstücke conglomeratisch sind, werden wohl am besten 
als Tuffe dieser Gesteine aufgefasst. Ueber denselben 
folgen dann die Feldspathporphyrite am Hirschkopf und am 
Fusse des Kiekelhahns; über letzteren erheben sich dann 
die Tuffe und Quarzporphyrdecken desselben. Die folgen- 
den Schichten sind durch Verwerfung von den vorher- 
sehenden getrennt. 


Das obere Manebacher Carbon gliedert sich in: zu 
unterst Quarzitgerölle führendes Conglomerat an der 


183 I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


Kammerberger- Stützerbacher Strasse aufgeschlossen, da- 
neben wechsellagernde Schieferthone, Sandsteine und Kohlen- 
tlötze und andere Conglomerate mit Quarzgeröllen, Kiesel- 
schiefer und Porphyritstücken. 

Concordant aufgelagert folgt dann das Unter-Roth- 
liegende am Buntschildskopf mit Sandsteinen und jüngeren 
Conglomeraten; den Gipfel dieses Berges bildet dann der 
nach ihm genannte Porphyr. Nun folgt wieder eine Lücke; 
es folgen die Tuffe und darüber die Conglomerate des 
Heidelberges, dem noch Schieferthon und concordant die 
Porphyrdecke des Rumpelberges folgt. Unter der Voraus- 
setzung, dass der Walchia piniformis und filiciformis sowie 
Cordaitenblätter führende Schieferthon an der Schwalben- 
steiner Wand identisch ist mit dem Schieferthon des Kohl- 
thals, findet das Profil seine Fortsetzung im Porphyr der 
Sturmheide, welcher wiederum concordant von den Tuff- 
schichten und Porphyreonglomeraten des Schwalbensteins 
und Spiegelsbergs bedeckt wird. 

Diesen Conglomeraten ist der Melaphyr von Roda und der 
Porphyr der Preussenhöhe und der bei Elgersburg eingelagert. 
Die obersten Lagen bilden sodann der Elgersburger Sandstein 
und die Conglomerate des T'odtensteins bei derselben Stadt. 

Wie schon erwähnt, durchqueren die Gegend mehrere 
grosse Verwerfungen. Die erste ist die vom Dachskopf 
ausgehende, nach W.-N.-W. nach dem Mönchshof zu über 
das Blatt Suhl und Crawinkel verlaufende. Die zweite geht 
ebenfalls von Dachskopf aus und streicht nach N.-W. gegen 
den Rumpelsberg hin; schon vor diesem Berge wird sie 
durch eine dritte etwa O.-W. verlaufende Querverwerfung 
abgeschnitten, welche an der Schwalbensteiner Wand und am 
Südabhang des Heidelbergs und Rumpelbergs hinläuft. Die 
vierte Verwerfung geht an der Schwalbensteiner Wand nach 
N.-W. und verliert sich am Adelheidstein bei Elgersburg. 

Das zwischen der ersten und vierten Hauptverwerfung 
eingeschlossene Gebiet wird durch die beiden anderen 
Hauptspalten in drei keilförmige Stücke zerschnitten, von 
welchen das zwischen der zweiten und dritten gelegene 
als „Horst“, die beiden anderen mit der Schneide nach 
Osten gekehrten als „Gräben“ aufzufassen sind. 


1. Sächsisch- Thüringische Literatur. 189 


Von letztern ist der nördliche Graben tiefer als der 
südliche abgesunken. Den Gräben verdankt das Mane- 
bacher Ober-Carbon (-Ottweiler Schichten) seine Erhaltung. 

Nördlich von der dritten und vierten Spalte muss es bei 
200 Meter Tiefe angetroffen werden; in den Horsten fehlt 
es selbstverständlich. Ein hübsch ausgeführtes Kärtchen 
1:5000 begleitet den Text. 

Halle a. S. Luedecke. 


Loretz, H., Dr., in Berlin, Ueber einige Eruptivgesteine 
des Rothliegenden im S.-O. Thüringer Walde. Jahrbuch 
der kgl. preussischen geologischen Landes- Anstalt 1888 
(erschienen 1890). 

Der Verfasser beschreibt die petrographische Beschaffen- 
heit des Granitporphyrs, Quarzporphyrs, quarz- 
armen Porphyrs, Glimmerporphyrits u. Melaphyrs 
vom südö. Thüringer Walde und theilt chemische Analysen 
dieser Gesteine mit. Das zuerst genannte Gestein kommt 
aufwärts von Ernstthal und Unterneubrunn gangförmig im 
Schiefer vor. In einer holokrystallinen Grundmasse, welche 
aus Orthoklas, Plagioklas, Quarz, Titaneisen und Apatit 
besteht, liegen grosse z. Th. tafelige Orthoklase und 
Biotite; an einigen Stellen erscheint als Umwandlungs- 
product der Kalkspath. 

Der Quarzporphyr kommt in zwei Varietäten vor, 
als krystallreiche Varietät und als krystallarme. Der erstere 
tritt sehr zurück. Die Structur der Grundmasse des krystall- 
armen Quarzporphyrs ist mikrogranitisch; besonders treten 
in derselben hie und da wohlausgebildete Orthoklase und 
farblose Glimmer hervor; granophyrische Struetur findet sich 
ebenfalls; z. Th. finden sich kleine idiomorphe Orthoklase 
in Quarz eingewachsen, z. Th. ist es umgekehrt; auch 
Pseudosphärolithe kommen vor; nur ein ganz geringer 
Theil der Grundmasse ist isotrop. Plagioklas findet sich 
hie und da neben dem Orthoklas als Einsprengling vor. 

Quarzarme Porphyre aus dem oberen Masserthal 
und dem Tanngrund haben eine dichte Grundmasse, welche 
sich unter dem Mikroskop immer als mikrokrystallinisch 


190 I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


erweist, isotrope Theile besitzt sie nicht. Dieselbe besteht 
vorwiegend aus Orthoklas und Quarz; dort, wo Einspreng- 
linge vorkommen, bestehen dieselben neben Orthoklas aus 
Plagioklas; ausnahmsweise findet sich pseudogranophyrische 
Structur; wirkliche Granophyr - Struetur ist nicht vorhanden; 
auch Biotit kommt als Einsprengling vor. 


Bei zunehmendem Quarzgehalt nähern sich diese Ge- 
steine Tschermaks Felsithporphyren, bei Zurücktreten 
desselben den Porphyriten. 

Glimmerporphyrit. In einer dunkeln, rothen, 
braunen oder violetten Grundmasse liegen Krystalle und 
Bruchstücke von Plagioklas, Biotit, Augit und Magnet- 
eisen. Hie und da finden sich auch Orthoklas und 
Schwefelkies. 


Die Grundmasse erscheint im Dünnschliff als ein Ge- 
webe von Orthoklas und Plagioklas mit Quarz, Magneteisen, 
Titaneisen und Apatit; Glas ist zweifelhaft. Mechanische 
Einwirkungen, welchen das Gestein ausgesetzt gewesen ist, 
sieht man deutlich an den Biotiten. 

Gewisse Varietäten nähern sich einerseits dem quarz- 
armen Porphyr und andrerseits dem Melaphyr; Fundorte, 
von welchen Analysen gegeben werden: Rotbe Mühle bei 
Oberwind, Strasse zwischen Ober- und Unterneubrunn, 
Fahrweg von Ernstthal auf den Kreiseberg und aus dem 
Nahethal. 

Kersantit. Die deutlich körnige bis dichte Grund- 
masse besteht aus Plagioklas, Orthoklas, Biotit, selten 
Quarz, Magnetit und Titaneisen. Grössere Einsprenglinge 
sind Biotit und Feldspath; dieselben machen die Gesteine 
manchmal porphyrisch. Auf das frühere Vorhandensein 
von Augit deuten augitische Hohlräume, welche von Caleit, 
Chlorit und Quarz erfüllt sind. Fremde grössere Quarze 
finden sich hie und da ein. An der Landstrasse zwischen 
Ober- und Unterneubrunn und im Auerbachsthal stehen 
dieselben an. 


Melaphyr. Plagioklas und Augit liegen in einer 


dunkeln, grauen, grünen, schwarzen Grundmasse, welche 
manchmal Mandelsteinbildung zeig. Ein Gewebe von 


I. Sächsisch -Thüringische Literatur. 191 


idiomorphen Plagioklasleisten bildet die Hauptmasse der 
Grundmasse, als Füllmasse zwischen denselben tritt der 
Augit auf; derselbe ist fast immer in Chlorit, Caleit, Eisen- 
oxyd und Quarz umgeändert; seltener sind Olivinumrisse 
und Biotit; Magneteisen, Titaneisen, Schwefelkies und 
Apatit sind häufiger. 

Am Sommerberg und Wuerenberg stehen diejenigen 
M. an, deren Analysen mitgetheilt werden. 


Halle a. S. Luedecke. 


H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersanlıt und 
Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte bei Unterneu- 
brunn im Thüringer Walde, Jahrbuch der kgl. preussischen 
geologischen Landes-Anstalt. (100 $.) 1887. 

An der Strasse zwischen Ober- und Unterneubrunn be- 
obachtet man folgendes Profil von S.-W. nach N.-O.: Phyllit, 
21,5 Meter Glimmerporphyrit, 1 Meter Kersantit, 10,5 Meter 
Phyllit, 7,5 Meter Kersantit, 9 Meter Phyllit, 1 Meter 
Kersantit, 13,5 Meter Phyllit, 0,6 Meter Kersantit, 21 Meter 
Glimmerporphyrit, 2,4 Meter Kersantit und Phyllit. 

Die Gänge fallen N.-O. ein und ist der Glimmerporphyrit 
beiderseits von schmalen Gängen von Kersantit begleitet 
(vergl. S. 189); der eine Glimmerporphyritgang kann 500 
Meter weit verfolgt werden, der andere nur 250 Meter; 
auch die übrigen Erscheinungen des Profils lassen sich 
weiter verfolgen; auch nach S8.-O. streichen die Gänge 
ziemlich weit fort. 

Das Streichen der Schiefer ist im Mittel N.-O., so dass 
also der Gang quer dazu steht. 

Auch weiterhin findet man in derselben Spalte Ortho- 
phyr; andere Stellen, so am Köpfle, an der Tannenleite, 
zwischen Neubrunn und Giesübel, am Holzberg und 
Schmetterberg und an der südöstlichen Seite der Hohen 
Wart findet man Orthophyr und Glimmerporphyrit, Ortho- 
phyr und Kersantit, und Glimmerporphyrit und Kersartit 
in derselben Spalte. 


192 I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


Der Kersantit zeigt grössere Einsprenglinge von Magnesia- 
glimmer, Plagioklas (Orthoklas) und Quarz; die dunkelgraue 
(mit einen Stich ins röthliche oder bläuliche schimmernde) 
Grundmasse ist feinkörnig bis dicht; unter dem Mikroskop 
erkennt man darin divergente strahlige Plagioklase, 
Magnesiaglimmer, Quarz, Augit, Magnet- und Titaneisen, 
sowie die Zersetzungsprodukte des Augit: Chlorit, Caleit 
und Quarz. — 


Der Glimmerporphyrit zeigt porphyrische Structur da- 
durch, dass grosse nach OlOtafelige Plagioklase, welche 
nach dem Albit- und Karlsbader Gesetz gleichzeitig ver- 
bunden sind, Augit und Magnesiaglimmer aus der Grundmasse 
hervortreten; dieselbe zeigt Fluitalstructur, besteht vor- 
wiegend aus Plagioklas, Ferrit, Magnet-, Titaneisen, Quarz, 
Chlorit, Caleit; letztere sind wahrscheinlich Zersetzungs- 
producte des Augit. Das spee. Gew. ist 2,7, während die 
Kersantite ein höheres haben. Der letztere hat die Schiefer 
z. Th. in Hornfels umgewandelt. 

Im Auerbachthal und Glasbachthal hat der Verfasser 
Gänge von Kersantit beobachtet, welche er dem Alter nach 
zum Rothliegenden zählt. Der Glimmerporphyrit breitet 
sich auch in Decken aus und gehört entschieden dem 
Alter nach ebenfalls zum Rothliegenden. Das Zusammen- 
vorkommen in derselben Spalte ist nach dem Verfasser ein 
zufälliges, der Kersantit soll das ältere von beiden sein. 

Merkwürdig ist es, dass derselbe auch hier nur in 
Spalten, niemals aber als Decke erscheint. 


Halle a. S. Luedecke. 


Bücking, H., Prof. Dr., Mittheilungen über die Eruptiv- 
gesteine der Section Schmalkalden, Jahrbuch der könngl. 
preussischen Landes-Anstalt. (115 8.) 1888. 


An der hohen Warte östlich von Klein-Schmalkalden 
finden sich über dem Granit graue dünnplattige Sandsteine, 
graue und schwarze Schieferthone und geringe Conglomerat- 
bänke; diesen Schichten eingeschaltet finden sich ein 
Melaphyr und Quarzporphyr, und ersterer bedeckt das 


6) 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 195 


Ganze. Am Kirchberge bei Floh lagern über Unter- 
Rothliegenden rothgefärbte Mittel-Rothliegende Schichten 
und Ober-Rothliegendes. Von Eruptivgesteinen erscheinen 
hier im Mittel-Rothliegenden Melaphyr, Palatinit (Kühnberg- 
gestein) und Quarzporphyre verschiedener Art. Verfasser 
bespricht sodann die Constitution der Glimmerporphyre, der 
Palatinite und Melaphyre. 

Die Ganggesteine sind zum Theil einfache, zum Theil 
gemischte Gänge. Die ersteren theilt er in drei Ab- 
theilungen: 1) Basische, z. Th. entsprechen sie den Pala- 
tiniten, z. Th. den Hysterobasen von Lossen, z. Th. Diorit- 
porphyriten. 2) Gänge mit Eruptivgesteinen von 56°% 
Kieselsäure und dem spec. Gew. von 2,71—2,75. Dieselben 
nähern sich theils den Paläophyren, theils den Keratophyren 
Gümbels, Bücking bezeichnet sie als Gangorthoklas- oder 
Syenitporphyre (Lossens Meso-Keratophyr oder Meso-Augit- 
Keratophyr). 3) Granitische Gänge, welche 67°, Kiesel- 
säure und mehr aufweisen. Die Grundmasse ist mikro- 
sranitisch und allotriomorphkörnig; sie nähern sich den 
felsitischen Quarzporphyren und werden von B. als Granit- 
porphyre bezeichnet. 

In den gemischten Gängen bei Herges und Umgebung 
finden sich entweder 1) Syenitporphyr und Gangmelaphyr 
oder 2) Granitporphyr und Gangmelaphyr oder endlich 
3) Granitporphyr, Syenitporphyr und Gangmelaphyr; das 
Kieselsäure-reichste Gestein findet sich dann stets in der 
Mitte, das Kieselsäure-ärmste am Salband des Ganges; die 
Gänge sind dann gewöhnlich rechts und linkssymmetrisch. 

Das durchaus Gesetzmässige der Aufeinanderfolge 
lässt sich nur daraus erklären, dass die Gangausfüllung 
aus einheitlichem Guss, aber unter verschiedenem Drucke statt- 
sefunden hat; dies kann man wohl aber nur dann annehmen, 
wenn der Eruptionsherd sehr nahe liegt, und dies muss 
hier der Fall sein, denn auf einer nicht ganz 2 Kilometer 
langen Strecke kreuzen sich hier 18 ca. 10 Meter mächtige 
Gänge. Zwischen der Restauration Ittershagen und dem 
Trusefall im Trusethal folgen 8 meist 10 Meter mächtige 
Eruptionsgänge aufeinander auf eine Entfernung von 500 


Meter. Sie springen coulissenartig aus den abgerundeten 
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIIT. 1890. 13 


194 I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


Granitfelsen hervor, das Thal mehrfach einengend, und geben 
ihm seinen romantischen Charakter. 

Für die Annahme eines einzigen Magma’s, welches 
erst in der Gangspalte selbst eine Spaltung in verschiedene 
Gesteine erfuhr, sprechen vorzüglich die aus 3 Gesteinen 
symmetrisch aufgebauten Gänge, so z. B der Gang „Elmen- 
thal Süd“. Besonders aber entspricht dieser Auffassung 
die Thatsache, dass in den höheren Theilen der Gänge, 
welche also vom Eruptionsherd am weitesten entfernt 
sind, dieselben nur mit Syenitporphyr erfüllt sind, während 
die tieferen — also dem Herde näheren — Theile der 
Spalten Granitporphyr mitten zwischen Syenitporphyr, 
während die Salbänder Gangmelaphyr zeigen. 

Die Thatsache, dass dort, wo sich die Gänge aus- 
keilen, der Gangmelaphyr auch das Ende des Ganges 
kappenförmig „wie eine Schale“ (Heim) umhüllt, spricht 
ebenfalls für die Annahme einer einheitlichen Füllung 
der Gänge. Dass trotzdem die Gänge verschieden alt sind, 
beweist das, dass sie an einzelnen Stellen (z. B. an den 
Pulverköpfen) sich gegenseitig durchsetzen. Sie gehören 
ihrem geologischen Alter nach dem Rothliegenden an; 
es entspricht der Quarzporphyr hier dem Granitporphyr 
dort, der Orthoklasporphyr hier dem Syenitporphyr dort, 
der Melaphyr dem Gangmelaphyr und der Porphyrit dem 
Dioritporphyrit. Einwirkung auf die Nebengesteine: die 
Granite, Gneisse, Glimmerschiefer, Hornblendeschiefer 
konnten nicht aufgefunden werden. 


Halle a. S. Luedecke. 


Bornemann, L. @., Ueber einige neue Vorkommnisse 
basaltischer Gesteine zwischen Gerstungen und Eisenach, 
Jahrbuch der kgl. preuss. Landes- Anstalt. (290 S.) 1888. 


Im Buntensandstein des Forst-Reviers Frauensee hat 
der Oberförster Gerlach auf der Südseite des Landers- 
kopfes dicht an dem vom Josthof nach Gospenroda 
führenden Wege und geuau südlich von der Kupfergrube 
(ebenfalls bekannter Basaltbruch) ein neues Basaltvor- 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur, 195 


kommen aufgefunden. Er bildet einen Durchbruch durch 
den Buntensandstein und zeigt oben eine 48 Meter Durch- 
messer haltende Kuppe. Eine spärliche glasige Grund- 
masse führt Plagioklase, Augite, Biotite, Nephelin, 
Schwefelkies und Magneteisen; makroskopisch sieht man 
mit Schwefelkies besetzte Augite; es ist ein Hornblende- 
freier Tephrit. 

Auch das Gestein der Kupfergrube ist ein Tephrit, 
aber ein hornblendeführender. 

Auch am Königsrain (westlichen Steilrand des Oel- 
berges) bei Dippach findet sich ein 1 Meter breiter Basanit- 
führender Gang, welcher auf dem Blatt Gerstungen der 
kgl. preuss. geolog. Specialkarte ausgelassen ist; in dichter 
Grundmasse findet man Augit und Olivin, sowie Kalkspath- 
mandeln. Die Grundmasse löst sich zu einem Gemenge 
von Glasmasse, Augit, Olivin, Plagioklas und Magneteisen 
auf; Nephelin fand sich nicht, wohl aber gab die Grund- 
masse mit Salzsäure behandelt Kochsalzwürfel, daher ist 
es ein Basanit. 

Im Forstorte Birkenkopf hat Beyrich einen Basalt 
wieder aufgefunden; es ist nach B. Limburgit wie an der 
Stopfelskuppe. 

In der Linie Pflasterkaute-Birkenkopf liegt bei Mark- 
Suhl 160 Meter oberhalb des zweiten Viaducts ein Basalt- 
gang. 

Alle Basaltgänge zwischen dem Birkenkopf einerseits 
und den Gängen im Muschelkalk bei Hörschel andrerseits 
gehören einem Gangzuge von 10!/, Kilometer Erstreckung 
an und sind theils Limhurgite, theils olivinführende 
Nephelinbasalte. Die Gänge von Königsrain und Landers- 
kopf gehören einer parallelen Spalte an. 

In den Tuffen an der Stopfelskuppe hat B. ein ganzes 
Netz von Gängen olivinfreien Nephelinits aufgefunden. 


Halle a, S. Luedecke. 


Keilhack, H., Ueber einen Damhirsch aus dem 
mürkischen Diluwium bei Belzig, Jahrbuch der kgl. preuss. 
geologischen Landes-Anstalt. (252 S.) 1888. 


137 


196 1. Sächsisch- Thürineische Literatur. 


Aus den präglacialen Süsswasserkalken von Belzig 
erhielt der Verfasser ein in 30 Stücke zertrümmertes Ge- 
weih des Damhirsches, welches er sorgfältig wieder zu- 
sammensetzte, abbilden liess und beschrieb. Insbesondere 
verglich er dasselbe durch genaue Messungen am Umfange 
des Geweihzapfens am Rosenstocke, der Stange hart über 
demselben, der Stange hart unter dem 2. Sprosse, des 
zweiten Sprosses an der Wurzel ete. mit Damhirschge- 
weihen, welche in den Jagdschlössern Letzlingen und 
Wiesenburg aufbewahrt werden und von lebenden Hirschen 
stammen; er fand, dass der Geweihzapfen, die Stange, die 
beiden Sprossen und die Schaufel bedeutend stärker und 
dieker am fossilen sind, als am lebenden; die beiden 
Sprossen des fossilen erscheinen die untere nach unten 
und die obere nach oben gedreht. Das Geweih des 
letzteren ist etwas kürzer und erscheint in Folge der 
grösseren Stärke bedeutend gedrungener. Die beiden 
Stangen gehen unter weniger stumpfem Winkel vom Schädel 
ab und erscheinen dadurch zumal im mittleren Theile ein- 
ander genähert. 


Die jetzigen Damhirsche sind also beträchtlich 
schwächer und schlanker geworden als die fossilen. Da 
diese Erscheinung wahrscheinlich mit der Domesticirung 
zusammenhängt, verglich der Autor seine Exemplare noch 
mit portugiesischen, welche ebenfalls in Wildgattern gehalten 
werden, und mit griechischen, welche frei leben. Wie 
vorauszuseben, stellt es sich heraus, dass die portugiesischen 
sich den deutschen, während die freilebenden griechischen 
sich den altdiluvialen in den Dimensionen der Geweihe 
nähern. Eine gute Abbildung begleitet den interessanten 
Aufsatz. | 


Halle a. S. Luedecke. 


Schulze, Erwin, Fauna piscium Germaniae. Separat- 
abdruck aus dem Jahrb. des naturw. Ver. zu Magdeburg 
für 1889. Potsdam. (77 S.) Eduard Döring’s Verlag. 
1590. 1,50 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 197 


Das Schriftchen behandelt die Fische der oberen 
Donau und aller nordwärts fliessenden Ströme vom Rheine 
bis zur Memel. Voraus geht ein ausführliches Literatur- 
verzeichniss. Jede Gattung und Art ist mit lateinischer 
und deutscher Diagnose versehen, nebst den literarischen 
Nachweisen. Dazu Vorkommen, Wanderungen, Laichzeit, 
Nahrung, sowie Schmarotzer. Schliesslich ein Index. 
Bei den vielen durch die Fischereivereine und das allge- 
mein erwachte Interesse für die Fischzucht in letzter Zeit 
erschienenen Localfaunen jedenfalls eine so zeitgemässe 
als nützliche Zusammenstellung. 

Meinem Gefühle nach wäre es erwünscht gewesen, 
anstatt des einen deutschen Namens bei jeder Art alle 
anzuführen. Der wissenschaftliche Werth würde zwar 
kaum erhöht sein, wohl aber der praktische. 


Gohlis-Leipzig. Simroth. 


Simroth, H., Ueber die Verbreitung von Emys europaea 
bei Leipzig, Sützungsber. der naturf. Ges. zu Leipzig. 


Die Daten, welche betreffs der Emys europaea 
zusammengestellt, machen es höchst wahrscheinlich, ja fast 
gewiss, dass das Thier in der ganzen Niederung von Leipzig 
einheimisch ist, schwerlich blos verwildert. 

Das stellt unserem Vereine die Aufgabe, das Vor- 
kommen der gemeinen Schildkröte auch bei Halle, Merse- 
burg, Schkeuditz etc. recht genau zu beachten. 

Bekanntlich sind auf dem Wasser treibende Fisch- 
blasen ein ziemlich sicheres Merkmal ihres Vorkommens, 
da sie als Reste ihrer Mahlzeit übrig bleiben. 


Gohlis-Leipzig. Simroth. 


Simroth, H., Ueber die Verbreitung des Sperlings. 
Original. 
Bei dem häufigen Streite der Meinungen über den 
Sperling, ob er schädlich oder nützlich sei, mag auch an 
dieser Stelle auf eine nicht uninteressante Thatsache hin- 


198 I. Säichsisch-Thüringische Literatur. 


sichtlich seiner Verbreitung hingewiesen werden. Die An- 
sichten der wirklich Sachverständigen haben sich erst all- 
mählich dahin geeinigt, dass dieser in allen Sätteln ge- 
rechte Vagabund, der überall mit schmarotzerhafter Zähig- 
keit sich einnistet, nach Möglichkeit einzuschränken ist. 
Auch in Nordamerika sucht man dem anfangs erwünschten 
jetzt scharf zu Leibe zu gehen. Da ist es denn gewiss 
merkwürdig, dass es bei uns noch eine Localität giebt, bis 
zu der er nicht vorgedrungen ist, der Rochlitzer Berg 
nämlich, nach Mittheilung des Herrn Dr. Francke in Rochlitz. 

Bis jetzt hat der Steppenvogel den Waldgürtel dieses 
so vielbesuchten Porphyrtuffkegels noch nicht überschritten, 
er brütet noch nicht in den ausgedehnten Baulichkeiten 
des Wirthshauses. 


Gohlis-Leipzig. Simroth. 


Dietel, P., Die Uredineen bei Leipzig, Sitzungsberichte 
der naturf. Gesellschaft zu Leipzig. 

P. Dietel, der eifrige Mycetolog, hat seine Ver- 
setzung nach Leipzig benutzt, um die dortigen Uredineen 
zu studiren. Er giebt ein vorläufiges, bereits ziemlich 
ausführliches Verzeichniss in den Sitzungsber. der naturf. 
Ges. zu Leipzig. 

Gohlis-Leipzig. Simroth. 


Ehrmann, P., Zusammenstellung der Leipziger Schnecken, 
naturforschende Gesellschaft zu Leipzig. 


Nach den eben erscheinenden Sitzungsberichten hat 
P. Ehrmann eine neue Zusammenstellung der Leipziger 


Schnecken gegeben. Immerhin findet sich einiges Neue 
dabei. 


Eine Schilderung der im allgemeinen nicht günstigen 
Verhältnisse, wenigstens für die Landfauna erhöht den 
Werth der Arbeit. Die Muscheln sollen später folgen. 


Gohlis-Leipzig. Simroth. 


II. Allgemeine Literatur. 


Maack, Ferdinand, Zur Einführung in das Studium 
des Hypnotismus und thierischen Magnetismus. _Gross- 
Oktav. (27 Seiten.) 1888. 75 

Dreher, Dr. Eugen, Der Hwypnotismus, seine Stellung 
zum Aberglauben und zur Wissenschaft. (33 Seiten.) Neu- 
wied. Heuser’scher Verlag. 1889. 1A 


Das allgemeine, häufig leider marktschreierische und 
taschenspielerische Interesse, welches sich in den letzten 
Jahren in Folge der vielen experimentellen Vorführungen 
an das Wiederaufleben des Hypnotismus knüpft, ruft 
selbstverständlich eine reiche Literatur hervor. Die meisten 
gebildeten Leser sind wohl mit den massenhaften Schlag- 
wörtern, die dieses dunkle Gebiet, um den Mangel an wirk- 
licher Erkenntniss zu verdecken, gezeitigt bat, mehr oder 
weniger vertraut. Dann wird es ihnen auch möglich sein, 
die historische Entwickelung, die Maack giebt, zu verfolgen. 
Wie schwer es ist, über die Mittel, „welche hypnotischen 
Schlaf herbeiführen können, den man, wenn möglich, jeder 
Anwendung der Suggestion vorausgehen lassen wird,“ ein 
sicheres Urtheil zu gewinnen, dafür nur ein Satz. „Während 
der Braidismus mehr an eine bewusst-wollende geistige Auf- 
merksamkeit mit physikalischen (durchaus immer sinnlich 
mechanischen) Reizen appellirt, wendet sich der Mesmeris- 
mus mehr an eine unbewusste seelische Stimmung mit 
chemischen (vielleicht unter Umständen übersinnlich- 
ätherischen) Reizen.“ Diese werden zum Theil in Jägers 
Duftstoffen, also doch wenigstens etwas Sinnlichem, wenn 


200 II. Allgemeine Literatur. 


auch dem exacten Experiment bis jetzt verschlossenen ge- 
funden. Der Aufsatz läuft schliesslich, nach äusserst viel- 
seitiger Zusammenstellung, auf die Betonung der Noth- 
wendigkeit hinaus, der psychischen und autopsychischen 
Heilmethoden eben der medicamentösen entweder als hyp- 
notische oder als nicht - hypnotische suggestive Psycho- 
Therapie ihren berechtigten Platz einzuräumen. 

Dreher, der mehr vom philosophischen Standpunkt 
ausgeht und eine Anzahl von Geschichten aufzählt, verhält 
sich viel kritischer, z. T. selbst gegen den vorigen Aufsatz. 
Er verlangt vor allem grössere Umsicht bei den Experi- 
menten, geht aber wobl zu weit, wenn er das Tischrücken 
für Aberglauben erklärt, da es sich so leicht unter allen 
Cautelen nachmachen lässt und auf irgend welcher Ungleich- 
heit beider Körperhälften (sei es des Kreislaufs, sei es 
der Muskelentwickelung, sei es der mit beiden, namentlich 
der letzteren verknüpften Nerven) beruht. Wohlthuend be- 
rührt aber der hohe Werth, der der Einbildung bei alien 
den Wundererscheinungen beigemessen wird, und der Ver- 
such, die selbständigere Funktion gewisser Nervencentren 
zur Erklärung heranzuziehen und damit den Boden realer 
Naturwissenschaft zu gewinnen. — Wer einer nüchternen 
Auffassung zuneigt, wie es bei einem naturwissenschaftlich 
gebildeten Publikum sich von selbst versteht, sei ausser 
diesem auch auf einen hübschen Aufsatz verwiesen, der im 
letzten Jahrgange der Sitzungsberichte der naturforschen- 
den Gesellschaft zu Freiburg dasselbe Thema behandelt. 

Gohlis. Simroth. 


Voigt, J. @., Die Geistesthätigkeit des Menschen und die me- 
chanischen Bedingungen der bewussten Empfindungsäusserung 
auf Grund einer einheitlichen Weltanschauung. Vorträge. Mit 
erläuternden Holzschnitten. Leipzig 1887. M. A. Schmidt. 

Derselbe: Sammlung gemeinverstündlicher Erkenntniss- 
schriften. Das Empfindungsprinzip und die Entstehung 
des Lebens auf Grund eines einheitlichen Substanzbegriffes. 
Gleichfails mit Holzschnitten. (2 und 3.) Leipzig. Oskar 
Gottwald. 1889. 50% 


II. Allgemeine Literatur. 201 


Es kann wohl nicht die Aufgabe einer naturwissen- 
schaftlichen Zeitschrift sein, sich mit der Philosophie und 
ihren über die exacte Forschung hinausgehenden Specula- 
tionen kritisch auseinanderzusetzen, am allerwenigsten würde 
vielleicht der Vertreter einer speciellen Diseiplin sich zu 
solchem Unterfangen eignen. Anders allerdings, wenn, wie 
im vorliegenden Falle, diese Philosophie sich durchweg auf 
den Boden der naturwissenschaftlichen Ergebnisse stellt und 
versucht, ihre Resultate über die Möglichkeit experimen- 
tellen Erkennens hinaus zu einheitlicher Weltanschauung 
zu verknüpfen. In dieser finden wir die Gegensätze 
zwischen starren Ätomen und den quälenden leeren Räumen 
dazwischen, die mit einem unwägbaren Aether ausgefüllt 
sein sollen, zwischen anorganisch und organisch, zwischen 
empfindungslos und empfindend, zwischen bewusst und ur- 
bewusst durch einheitliche, über die experimentelle Me- 
thode hinausgehende Verknüpfung überbrückt. Es mag 
wohl noch geraume Zeit vergehen, bevor sich die Atomistik 
mit derartig weittragenden Anschauungen auseinandergesetzt 
hat. Ich leugne nicht, dass mit der gewöhnlichen An- 
schauung der Chemie, wonach in einem Plasmamoleecül 
z. B. sich eine grosse Menge von Atomgruppen in gewisser 
Weise fixirt finden (eventuell unter beständiger Bewegung), 
sodass sie bei Zersetzung als solche Gruppen wieder heraus- 
genommen werden können (worauf doch die ganze An- 
schauung von der Constitution beruht), Voigt's Darstellung 
durchaus symmetrischer Gruppierung des Stoffes, der Kräfte 
und Ströme nur schwer in Einklang zu bringen ist. Auch 
die erste Entstehung des Organischen nicht unmittelbar an 
der Erdoberfläche, sondern in wechselnder Entfernung da- 
von scheint mir mit unseren Erfahrungen nicht wohl ver- 
einbar, wie ich mich ähnlich gegenüber Moritz Wagner, 
dem Jüngern, aussprechen zu müssen geglaubt habe. Wenn 
irgendwo, so bat der alte Satz: corpore non agunt, nisi 
soluta, für die organischen Substanzen Geltung, mag man 
nun das Protoplasma als etwas chemisch Bestimmtes oder 
als ein unausgesetzt Wechselndes auffassen, dessen Wesen 
geradezu im Wechsel liegt. Alles Plasma, das wir kennen, 
ist an unmittelbare Nahrungsaufnahme aus wässrigen Lö- 


202 Allgemeine Literatur. 


sungen gebunden, mögen diese erst in Darm hergestellt 
und das Wasser für sich dazu aufgenommen werden, oder 
mögen es äussere Nährlösungen sein, wie bei den Pflanzen. 
So viel wie wir wissen, ist die Ernährung und das vegeta- 
tive Wachsthum stets unterbrochen, sobald die unmittelbare 
Berührung mit tropfbarflüssigem Wasser, das Nährstoffe 
enthält, oder mit dem Boden unterbrochen ist; das Wachs- 
thum mag vielleicht in feuchter Luft noch eine Weile fort- 
gehen auf Kosten von Reservestoffen, in Wahrheit ist es 
aber dann nur ein Scheinwachsthum, da die allein nicht 
unterbrochene Athmung beständig an der vorhandenen 
Summe der organischen Substanz zehrt. Indess entferne 
ich mich damit zum mindesten recht weit von V.’s Aus- 
drucksweise. — Der Gedanke, die Vermeidung des 
Schmerzes zum primum agens in der Natur zu erheben, 
hat etwas äusserst Ansprechendes, will aber doch vielleicht 
beim Unorganischen nicht recht Stich halten. Wenigstens 
sehört die consequente Phantasie des Philosophen dazu, 
auch hier das gleiche Prinzip anzuerkennen. — Diese 
wenigen Bemerkungen, abrupt wie sie sind, bezwecken 
weiter nichts, als die reiche Anregung, die man aus den 
Schriften gewinnt, entfernt anzudeuten. Diese sind gewiss 
um so mehr zu empfehlen, je mehr die überreiche Fülle 
der empirischen Forschung zur Zersplitterung drängt. Die 
Darstellung ist eine sehr frische, und nicht zum wenigsten 
deshalb, weil der Autor bekanntermassen zugleich Ver- 
fasser grösserer Werke ähnlichen Inhalts ist, der seinen 
Stoff beherrscht und in den Vorträgen Gedankenfülle zu- 
sammendrängt. Betreffs der Geistesthätigkeit mag auf die 
Umwälzung hingewiesen werden, die sich gerade jetzt in 
der anatomischen Auffassung der Nervenzellen — ob 
Centra, ob Ernährungsapparat — vollzieht. Die philo- 
sophische Ableitung würde weniger darunter leiden, als 
einzelne Ausführungen, ein bei dem starken Fluss und der 
intensiven Arbeit auf allen naturwissenschaftlichen Gebieten 
unvermeidliches Schicksal. Die Ausstattung der Vorträge 
vor Seiten der Verlagshandlung ist durchweg gut, sodass 
man die Broschüren auch deshalb gern in die Hand nimmt. 
Gohlis. Simroth. 


II. Allgemeine Literatur. 203 


Ostwald, Wilh., Prof. Dr., Die exacten Wissenschaften. 
W. Engelmann in Leipzig. 


Seit der Besprechung dieses Unternehmens in unserer 
Zeitschrift Bd. 62 S. 206 1839 sind 12 Heftchen erschienen, 
welche den Gebieten der Mathematik, Astronomie, Physik, 
Physiologie und Chemie entnommen sind; es sind dies: 


No. 1: H. Helmholtz, Ueber die Erhaltung der Kraft. 
(1847.) 8. (60 pag.) #4 —.80. 

- 2: Carl Fr. Gauss, Allgemeine Lehrsätze in Beziehung 
auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrats 
der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Ab- 
stossungs-Kräfte.e (1840.) Herausgegeben von 
A. Wangerin. 8. (60 pag.) # —.80. 

- 3: J. Dalton u. W.H. Wollaston, Die Grundlagen 
der Atomtheorie. Abhandlungen. (1803—1808.) 
Herausgegeben von W. Ostwald. Mit 1 Tafel. 
8. (30 pag.) MH —.50. 

- 4: Gay-Lussac, Untersuchungen über das Jod. (1314.) 

Herausgegeben von W. Ostwald. 8. (52 pag.) 
AM —.E&. 

5: Carl Fr. Gauss, Allgemeine Flächentheorie. 
(Disquisitones generales circa superficies curvas.) 
(1527.) Deutsch herausgegeben von A. Wan- 
gerin. 8. (62 pag.) M —.80. 

- 6: E. H. Weber, Ueber die Anwendung der Wellen- 

lehre auf die Lehre vom Kreislaufe des Blutes 
und insbesondere auf die Pulslehre. (1850.) 
Herausgegeben vonM. vonFrey. Mit 1 Tafel. 
8. (46 pag.) 4 1.—. 

- 7: F. W. Bessel, Untersuchungen über die Länge 
des einfachen Sesundenpendels. (1826.) Heraus- 
gegeben von H. Bruns. Mit 2 Tafeln. ®. 
(Tl page.) NM 3.—. 

- 8: A. Avogadro u. Ampere, Abhandlungen zur 
Molekulartheorie. (1S11 u. 1814.) Mit 5 Tafeln. 
Herausgegeben von W. Ostwald. 8. (50 pag.) 
A 1.20. 


204 II. Allgemeine Literatur. 


No. 9: H. Hess, Thermochemische Untersuchungen. Her- 
ausgegeben von W. Ostwald. 3. (102 pag.) 
A 1.60. 


- 10: F. Neumann, Allgemeine Gesetze der indueirten 
elektrischen Ströme. Herausgegeben von C. Neu- 
mann. 8. (96 page.) 4 1.50. 


- 11. Galileo Galilei, Ünterredungen und mathema- 
tische Demonstrationen über zwei neue Wissens- 
zweige, die Mechanik und die Fallgesetze be- 
treffend, nebst Anhang über den Schwerpunkt 
einiger fester Körper. 1. Tag mit 13 und 2. 
Tag mit 26 Fig. im Text. Aus dem Italien. 
übersetzt und herausgegeben von Arth. von Oet- 
tingen. 8 (142 pag.) M 3.—. 


- 12: J. Kant, Theorie des Himmels. (1755.) Heraus- 
gegeben v. H. Ebert. 3. (101 pag.) #4 1.50. 


Da es unmöglich ist, alle zu besprechen, so sei es 
heute gestattet eins herauszugreifen. No. 4 erschien im 
91. Bande de Annales de Chemie, sowie in Gilberts 
Annalen ins Deutsche übersetzt von Gilbert. Derselbe hatte 
verschiedene Aenderungen vorgenommen, welche hier nach 
dem Original wieder beseitigt sind. Die in eckige 
Klammern beigesetzten Ziffern beziehen sich auf die 
Seiten der Original-Abhandlung. Die Abhandlung über 
das Jod von Gay-Lussaec ist nach Ostwald eine der ersten 
und für alle Zeiten eine der besten Monographien eines 
Elementes und seiner wichtigsten Verbindungen, welche je 
erschienen sind und kann als Vorbild einer solchen aufge- 
fasst werden. „Bei der völligen Neuheit der Sache und 
bei der bewunderungswürdigen Menge der herrlichen Ver- 
suche, die Herr G. angestellt hat, ist es als befinde man 
sich in einer Feenwelt; und nicht leicht hat irgend eine 
Zaubergeschichte in den Knabenjahren mich durch das 
Wundervolle mehr überrascht und angezogen, als jetzt die 
Bearbeitung der chemischen Geschichte der Jodine und des 
Ausserordentlichen, das dieses Werk bewirkt.“ Dieses war 
das Urtheil desim Gegensatz zu seinen Zeitgenossen soüberaus 


II. Allgemeine Literatur. 205 


nüchternen Gilbert über diese schöne Arbeit, welche auch 
heute noch als Muster auf diesem Gebiete gelten kann. 
Die Ausstattung der kleiner Hefte ist eine musterhafte. 
Halle a. S. Luedecke. 
Remsen, Ira, Dr., Professor an der Johns Hopkin’s Uni- 
versität in Baltimore. Grundzüge der theoretischen Chemie. 
Mit besonderer Berücksichtigung der Constitution chemischer 
Verbindungen. Tübingen, Laupp'sche Buchhandlung, 1888. 


Dieses Buch stellt eine „autorisirte deutsche Ausgabe“ 
von dem seit 1883 bis 1887 schon in drei Auflagen er- 
schienenen Originalwerke bezw. eine Uebersetzung dieser 
dritten ÖOriginalauflage in das Deutsche dar. Seinem In- 
halte nach sucht es kurz und klar die Gründe zu ent- 
wickeln, welche zur Annahme der gegenwärtig herrschen- 
den theoretisch-chemischen Anschauungen führten, mit denen 
sich der Studirende erfahrungsmässig meist nur schwierig 
vollkommen vertraut macht, weil er sie ohne tieferen Ein- 
bliek nur zu leicht für blosse Phantasiegebilde ansieht. 
Der deutschen Literatur fehlt es zwar keineswegs an ganz 
vorzüglichen theoretisch-chemischen Werken, auf welche 
nur durch die Namen Lothar Meyer, W. Ostwald, 
A. Horstmann u. a. hingewiesen zu werden braucht. 
Allein, wer möchte behaupten, dass neben diesen deutschen 
Originalwerken die Uebersetzung von Remsen’s Grund- 
zügen der theoretischen Chemie, durch welche der Anfänger 
in so schlichter und überzeugender Weise in die theore- 
tischen Grundanschauungen der Chemie eingeführt wird, 
überflüssig wäre? Im Gegentheil: unsere deutsche Fach- 
literatur ist durch diese Uebersetzung um ein sehr will- 
kommenes Unterrichtsmittel, dessen gründliches Studium 
dem studirenden Chemiker angelegentlichst empfohlen wer- 
den kann, vermehrt worden. 

Möge ihm die verdiente Anerkennung nicht feblen! 

Halle a. S. G. Baumert. 


Klein, Joseph, Dr., Privatdozent und Lehrer der phar- 
maceutischen und analytischen Chemie an der Technischen 
Hochschule zu Darmstadt. Elemente der forensisch che- 


206 II. Allgemeine Literatur. 


mischen Analyse. Ein Hilfsbuch für Studirende und kurzes 
Nachschlagebuch. Mit neun Abbildungen. Hamburg und 
Leipzig. Leopold Voss, 1890. 2 A 


Das vorliegende, im Ganzen etwa 100 Seiten zählende 
innen und aussen hübsch ausgestattete Werkchen soll dem 
Anfänger eine möglichst kurze theoretische und praktische 
Anleitung bei gerichtlich-chemischen Untersuchungen bieten 
mit Hinweglassung alles dessen, was den nächst liegenden 
Aufgaben ferner steht und in ausführlicheren Werken dieser 
Diseiplin behandelt ist. 

Ausser durch seinen geringen Umfang unterscheidet 
sich das Klein’sche Buch durch die Art, in welcher die 
Hauptmomente der forensischen Analyse zur Darstellung 
gebracht werden, wesentlich von den bekannten Werken 
Otto’s und Dragendorff’s sowie dem gerichtlich che- 
mischen Capitel in Ludwig’s Handbuch der angewandten 
medicinischen Chemie. Da dasin Rede stehende Werkchen 
recht wohl geeignet erscheint, als Hilfs- und Nachschlage- 
buch neben Vorlesungen und bei praktischen Uebungen den 
Studirenden mit den wichtigsten Grundzügen der chemischen 
Toxicologie und den hauptsächlichsten forensisch-chemischen 
Methoden bekannt zu machen, so sei hier auf dasselbe im 
empfehlenden Sinne aufmerksam gemacht, wie es der Unter- 
zeichnete bereits seinen Zuhörern gegenüber gethan hat. 

Halle a. S. G. Baumert. 


Roscoe und Schorlemmer, Professoren an der Victoria- 
Universität Manchester. Ausführliches Lehrbuch der Chemie. 
Zweite vermehrte Auflage. Braunschweig. Vieweg und 
Sohn, 1889. 

Von diesem in unserer Zeitschrift mehrmals schon be- 
sprochenen, ausgezeichneten Werke ist gegen Ende des 
vorigen Jahres die zweite Hälfte des zweiten Bandes er- 
schienen. Sie bildet die Schlussabtheilung der zwei Bände 
umfassenden anorganischen Chemie und behandelt zunächst 
in der bekannten ausführlichen und klaren, überall auch 
die wichtigsten historischen Momente berücksichtigenden 
Darstellungsweise die Metalle der Eisengruppe: Mon- 
gan, Eisen, Nickel, Kobalt, wobei die Technologie des 


II. Allgemeine Literatur. 207 


Eisens eine, der Wichtigkeit dieser Industrie entsprechende, 
Berücksichtigung erfahren hat. 

Weiterhin schliessen sich der Reihe nach folgende Me- 
talle in natürliche Gruppen geordnet an: die Chrom- 
gruppe; Chrom, Molybdän, Wolfram, Uran; die Zinn- 
gruppe: Zinn, Titan, Germanium, Zirkonium, Thorium; die 
Antimongruppe; Vanadin, Antimon, Wismut, Tantal, 
Niob ; und zuletzt die Edelmetalle: Gold und Platingruppe. 

Den Schluss bildet ein Capitel über das „natürliche 
System der Elemente“, sowie ein besonders ausführ- 
licher Abschnitt über die Speetralanalyse oder astrono- 
mische Chemie. 

Zur Empfehlung eines Werkes, welches sich, wie das 
in Rede stehende, schon in der ersten Auflage eine so all- 
gemeine und reiche Anerkennung erworben hat, braucht 
bei seinem zweiten Erscheinen kein Wort besonders hinzu- 
gefügt zu werden. 

Halle a. S. G. Baumert. 


Arnold, Carl, Repetitorium der Chemie. Mit Desonderer 
Berücksichtigung der für die Medizin wichtigen Verbind- 
ungen sowie der „Pharmacopoea Germania“ namentlich zum 
Gebrauche für Mediziner und Pharmaceuten bearbeitet. 
3. Auflage. (XII und 589 Seiten.) Hamburg und Leipzig. 
Leopold Voss, 1590. 


Das Arnold’sche Repetitorium, welches in fünf Jahren 
bereits drei Auflagen durchgemacht hat, ist in der jetzt 
vorliegenden Form ein vollkommen zweckentsprechendes 
Werk und von den dem Referenten bekannten, den gleichen 
Zweck verfolgenden Büchern dasjenige, welches ausschliess- 
lich und nachdrücklich empfohlen zu werden verdient. Vor 
Allem hält sich der Verfasser frei von jener bei chemisch 
Halbgebildeten so häufigen Oberflächlichkeit, welche die 
Hauptthatsachen der Chemie beständig mit deren Theorien 
zusammenwirft und verwechselt. Arnold schlägt den allein 
richtigen Weg ein, indem er die direkt aus den Gewichts- 
und Raumverhältnissen bei chemischen Reaktionen sich er- 
sebenden stöchiometrischen Erfahrungsgesetze zu Grunde legt 


208 II. Allgemeine Literatur. 


und daraus die Theorien entwickelt. Nur mussten diesen 
stöchiometrischen Thatsachen sofort die das Volumen der 
Gase beherrschenden Gesetze von Mariotte und Gay-Lyssae 
beigefügt werden: so allein lässt sich zeigen, wie Stöchio- 
metrie und Gasmechanik gleichermassen dieselbe Molekular- 
theorie fordern; die glänzendste Widerlegung des alten 
Aberglaubens, dass die physikalischen Moleküle etwas 
anderes sein könnten als die chemischen! Und als Frucht 
der molekularen Gastheorie ergiebt sich dann mit mathe- 
matischer Strenge das Avogadro’sche Gesetz, welches bei 
Arnold eine zu untergeordnete Stellung einnimmt. Denn 
erst auf Grund des Avogadro’schen Gesetzes sind wir be- 
rechtigt, den Begriff des Atoms als einen von dem des 
Moleküls streng geschiedenen hinzustellen, indem z. B. die 
einfache Thatsache, dass aus 1 Liter Wasserstoff zwei Liter 
Chlorwasserstoff, d. h. nach Avogadro aus 1 Molekül Wasser- 
stoff zwei Moleküle Chlorwasserstoff entstehen, den direkten 
Beweis liefert, dass ein Molekül Wasserstoff aus zwei Thei- 
len besteht. 

Die allgemeine Chemie bietet in der That einer allge- 
meinverständlichen Darlegung ganz besondere Schwierig- 
keiten; aber einen grossen Theil der in den Einleitungs- 
kapiteln des „Repetitoriums“ sich vorfindenden Unklar- 
heiten müssen wir der noch nicht ganz methodischen An- 
ordnung zuschreiben, die sich nach den gegebenen An- 
deutungen leicht wird umändern lassen. In derselben 
Hoffnuug sei erwähnt, dass der Begriff der chemischen 
Verwandtschaft (S. 5) völlig unrichtig erläutert: worden 
ist. Man setze in dem betreffenden Abschnitt statt „Affini- 
tät“ durchweg „Reaktionsfähigkeit“, und man wird im 
übrigen wenig zu ändern haben. Affinität ist eine Eigen- 
schaft des Atoms, die allein von dessen Natur bedingt und 
von allen den die Reaktionsfähigkeit beeinflussenden 
äusseren Umständen (Aggregat- und Entstehungszustand, 
Löslichkeit, Katalyse, Wärme-, Elektrieitäts-, Liehtzutritt) 
unabhängig ist. Die Affinität verdiente einen besonderen, 
in dem „Repetitorium* fehlenden Abschnitt: sie wird 
schätzungsweise ermittelt nach dem Verlauf doppelter Um- 
setzungen und quantitativ bestimmt durch thermochemische 
Messung. 


]I. Allgemeine Literatur. 209 


Für die voraussichtlich recht bald erscheinende vierte 
Auflage ist auch sonst noch allerlei zu verbessern: das 
Coppet-Raoult’sche Gesetz, nach welchem die physikalischen 
Grenzconstanten der flüssigen Verbindungen, Schmelzpunkt 
und Siedepunkt durch jedes die Flüssigkeit verun- 
reinigende fremde Molekül (unabhängig von der Na- 
tur des letzteren) um den gleichen Betrag zu Gunsten 
des flüssigen Zustandes verschoben werden, verdient bei 
seiner eminenten praktischen wie theoretischen Wichtigkeit 
eine eingehendere Behandlung, als sie ihm auf Seite 290 
zu theil wird; die Kjeldahl’sche Methode (S. 286) ist nur in 
ihrer ältesten, unvollkommensten Form erwähnt; die Tafel 
für das periodische System (S. 44) weist einige bedenkliche 
Abänderungen auf, durch welche z. B. ganz analoge Ele. 
mente, wie Zn, Cd, Hg, auch Ru, Os auseinandergerissen 
werden. — Proutianer endlich ist mancher der modernen 
Chemiker in seinem innersten Herzen; aber dass eine 
weitere Vervollkommnung der Atomgewichtsbestimmung für 
Chlor, Silber, Jod, Gold u. s. w. noch einmal ganzzahlige 
Werthe zu Tage fördern wird, das erwartet wohl seit den 
klassischen Untersuchungen von Marignac, Stas u. A. m. 
ausser Arnold (S. 47) Niemand mehr; auch die Proutianer 
rechnen mit dieser Abweichung von den ganzzahligen 
Werthen als mit einer durch bisher unbekannte Gründe ver- 
anlassten Thatsache. 

Doch verweilen wir nicht länger bei Nebensachen: die 
Prout’sche Hypothese mit aller ihrer scheinbaren Genialität 
wiegt nichts gegen den wirklichen Einblick in das Innere 
der Natur, den wir Mendelejeff verdanken. Dass das 
Mendelejeff’sche Gesetz die bleibende Grundlage der 
wissenschaftlichen Chemie geworden ist, das soll und muss 
jeder Einzige fühlen, der sich unserer Wissenschaft nähert. 
Arnold hat sich ein besonderes Verdienst erworben, indem 
er sein Buch fest auf den Boden dieses Gesetzes ge- 


gründet hat. 
Halle a. S. H. Erdmann. 


Schaedler, Carl, Dr., vereideter Chemiker und Sach- 
verstüändiger der Kgl. Gerichte zu Berlin. Die Unter- 
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 14 


210 II. Allgemeine Literatur. 


suchungen der Fette, Oele, Wachsarten und der technischen 
Fettprodukte unter Berücksichtigung der Handelsgebräuche. 
(Zwei Lieferungen.) Leipzig. Baumgärtner’s Buchhand- 
lung. 1889/90. 

In dem vorliegenden Buche, welches sich an die be- 
kannten grösseren, die Industrie der Fette und Oele aus 
dem Thier-, Pflanzen- und Mineralreiche betreffenden 
Werke desselben Verfassers anschliesst — das eine davon 
wurde wiederholt in dieser Zeitschrift empfehlend besprochen 
— werden die Untersuchungs- und Beurtheilungsmethoden 
unter Berücksichtigung der Handelsgebräuche in den Vor- 
dergrund gestellt. Wer die Schwierigkeiten einigermassen 
kennt, die sich gerade in diesem Capitel der angewandten 
analytischen Chemie bemerkbar machen, wird es dem Ver- 
fasser Dank wissen, dass er „aus der Praxis für die Praxis“ 
seine reichen Erfahrungen auf dem in Frage kommenden 
Gebiete einem grösseren Kreise von Fachgenossen und 
Praktikern der verschiedenen Zweige der Fettindustrie in 
handlicher Form zugänglich gemacht hat, und der Unter- 
zeichnete, obwohl der Praxis fern stehend, möchte nicht 
versäumen zu bemerken, dass ihm das in Rede stehende 
Schaedler’sche Werk bereits in einigen Fällen ein willkom- 
mener Rathgeber war. 

Halle a. S. G. Baumert. 


Jgelström, L. J., in Sunnemo, Wermland. Pyrrho- 
arsenit von SJögrufvan, Gouvernement Orebro, Schweden. 


Zu den seltenen, schon früher bekannten, Antimoniaten 
und Arseniaten; Rom&it, Monimolit, Atopit, Haematostibiit, 
Polyarsenit und Xanthoarsenit fanden der Autor und Hög- 
bom den Pyrrhoarsenit, ein hell strohgelbes isotropes Anti- 
monioarseniat. Es kommt mit den Manganerzen Braunit 
und Hausmanmit im Urdolomit, welcher dem sehr ver- 
breiteten erzführenden Granulit eingelagert ist, vor. Dasgelbe 
Mineral ist strukturlos, ohne deutliche Spaltbarkeit und 
bildet Flecken und Klumpen im Dolomit, mit dem es immer 
ver- und durchwachsen ist; es ist unschmelzbar vor dem 


II. Allgemeine Literatur. 211 


Löthrohre, der entwickelte Arsengeruch ist schwach, stärker 
der Antimonrauch. Autor fand die unter I. mitgetheilte 
procentische Zusammensetzung, Högbom die unter II. 


1. II. 

As,0, —=53,23 56,40 
Sb,0,— 6,54 3,07 
Ca0 = 20,21 17,50 
MnO = 10,82 15,03 
MO — 9,20 8,00 


Der ersten Analyse soll die Formel 

1013 (Ca Mg Mn) O. As,05 | + 2 CaOSb, O;, der 
zweiten Högbom’schen Analyse die folgende Formel ent- 
sprechen: 20 3 (Ca Mg Mn) O As0, + 2 Ca Sb,0, 


(N. Jahrbuch f. Mineralogie 1889 I. S. 52). 
Halle a. 8. Luedecke. 


Fritsch, Anton, Prof. Dr., Fauna der Gaskohle und 
der Kalksteine der Permformation Böhmens. B. I. und II. 
mit ca. 90 Folio-Tafeln. Prag. Selbstverlag des Autors, 
in Commission bei Rivnac. 1880—90. 

Der auch in weiteren Kreisen der Zoologie und Pala- 
eontologie rühmlichst bekannte Autor giebt das vorliegende, 
mit einer grossen Reihe wohlgelungener Tafeln reich ge- 
schmückte Werk auf eigene Kosten jedoch mit Unter- 
stützung der K. K. Akademie der Wissenschaften heraus. 
Die Fauna der primären Wirbelthiere und der Arthropoden 
hat durch die Herausgabe desselben einen ungeahnten Zu- 
wachs erhalten. 

Im ersten Hefte gab der Verfasser eine stratigraphische 
Darstellung der Fundorte im Pilsener und Schlan -Rako- 
nitzer Becken mit einer Reihe schöner Profile sowie eine 
Uebersicht der in der Gaskohle von Nyran etc. und in der 
Permformation von Braunau aufgefundenen Thierreste. 
Daran schloss sich eine Uebersicht der Lobyrinthodonten und 
die Beschreibung der Branchiosauriden mit den Gattungen 
Branchiosaurus, F; Sparodus, F; Hylonomus, D. und Dawsonia, 


14* 


212 II. Allgemeine Literatur. 


F; 115 Abbildungen in Farbendruck begleiten dieses für 
die Charakteristik der genannten Gattungen vielfach grund- 
legende Heft. 

Das zweite Heft brachte die Abbildungen und Be- 
schreibung der Familien Apateonidae, Fr. und Aistopoda, 
Miall, das dritte die Nectrideen und Limnerpetonidae, und 
endlich liefert das vierte Hefte die Beschreibung der 
neuen Familien Hylonomiden und Mikrobrachidae. Wollte 
der Verfasser ursprünglich die genannten Labyronthodonten 
im ersten Bande darstellen, so hat er dies im Laufe der 
Zeit und des sich immer mehr häufenden Materials auf- 
gegeben, und hat diejenigen Stegocephalen, deren Zähne ein- 
fach oder labyrinthisch gestaltet sind, in den 2. Band ver- 
wiesen. Bei der näheren Eintheilung folgt er nicht der 
neueren Cope’schen Ansicht über die Eintheilung der genann- 
ten Thierclassen, sondern den älteren Miall’schen Eintheil- 
ung. Die beschriebenen Familien im I. Heft des U. Ban- 
des sind die folgenden: Denderpeton, Archegosaurus, Sparag- 
mites, Laxomma, Chelidosaurus, Sphenosaurus, Cochleo- 
saurus und Gaudrya. 

Im zweiten Hefte führt der Autor seine Beschreibung 
an den Stegocephalen mit labyrinthisch gefalteten Zähnen 
weiter (Nyfania, Macromerion). Die Resultate seiner lang- 
jährigen Untersuchungen stellt der Verfasser im Schluss- 
capitel zusammen. Er versucht sie ihrem Baue nach theils 
von den Knochenfischen wegen ihrem biconcaven Wirbel 
und anderntheils wegen der rachitomen von den Knorpel- 
ganoiden abzuleiten. Im Schluss vergleicht er sie mit den 
lebenden Amphibien und Reptilien, deren Charaktere an 
den Stegocephalen vereint gefunden werden. 

Hieran anschliessend werden die Familien auf drei 
verschiedene geologische Horizonte vertbeilt: 1) Nyran mit 
fast reiner Steinkohlenflora mit 41 Arten, 2) Kounova mit 
gemischter Flora und 16 Arten der Stegocephalen und end- 
lich 3) Braunau mit reiner Permflora und 8 Arten der 
Stegocephalen. 

Das dritte Heft des II. Bandes stand uns leider nicht 
zu Gebote. 


II. Allgemeine Literatur. 213 


Das 4. Heft des 2. Bandes schildert die Selachier und 
zwar Hybodus, Xenocanthus, Orthacanthus, und die Ichthyo- 
dorulithen, Tabulacanthus etc. Das Werk hat bedeutendes 
Aufsehen gemacht und ist der Ehre des Lyellpreises der 
Londoner geologischen Gesellschaft gewürdigt worden. 

Halle a. 8. Luedecke. 


J. C. Houzeau et A. Lancaster, Bibliographie 
generale de l’astronomie ou catalogue methodique des ouv- 
rages, des memoires et des observations astronomiques dep- 
wis le temps des anciens Jus quw a lopoque actuelle. 
Brüssel, rue de Lawaın 108, Hayn. 


Das Werk wird aus 3 Theilen bestehen; der erste wird 
besonders die erschienenen Werke, der zweite die in den 
Journalen zerstreuten Abhandlungen und der dritte die 
astronomischen Beobachtungen umfassen. Der zweite Theil, 
welcher am ersten erwünscht war, erschien 1882 in Octav 
von 1300 Seiten. Inzwischen ist auch der erste Theil z. Th. 
erschienen und fordert die Buchhandlung zum Subscri- 
biren auf. 

Halle a. S. Luedecke. 


Bütschli, über den Bau der Bacterien und verwandter Or- 
ganismen; Vortrag, gehalten am 6. December 1889 im natur- 
hist.-medic. Verein zu Heidelberg, mit einer farbigen Tafel. 
Leipzig. Winter'sche Verlagshandlung. 1 Mi 50 


Es ist unnöthig, eine Arbeit des besten deutschen 
Protozoenkenners über ein so nahe verwandtes Thema der 
Beachtung zu empfehlen. Nur ein kurzer Hinweis auf den 
Inhalt möge gestattet sein. Es handelt sich um die weit- 
tragendsten Fragen, um die Struktur des Kernes des Proto- 
plasmas schlechtweg und der Bakterien im Besonderen, und 
zwar nicht um eine Zusammenstellung bekannter That- 
sachen, sondern um zahlreiche neue Beobachtungen, die 


214 II. Allgemeine Literatur. 


den grösseren Theil der Broschüre einnehmen. Den Aus- 
gangspunkt bilden zwei Schwefelbakterien, Chromatium 
Ökenii (Monas Okenii Ehrly) und Ophidiomonas jenensis, 
deren Bau ausführlich geschildert wird, natürlich mit Hilfe 
der besten modernen apochromatischen Instrumente. Daran 
schliessen sich Cyanophyceen, typische Bakterien u. a. Es 
ist selbstverständlich, dass dabei eine grosse Menge neben- 
sächlicher und doch sehr wichtiger Spähne abfallen, über 
den Schwefelgehalt, über den Charakter des Bacteriopur- 
purins als eines Lipochroms, über andere Farbstoffe, über 
die homogene Struktur der Geisseln bei den Bakterien, die 
sie als eine unmittelbare Fortsetzung der Rindenschicht 
selbst erscheinen lässt und den Unterschied dieser letzteren 
von einer gewöhnlichen Zellmembran klar legt, über die 
seltsame Bakterienform Spirochaeta serpens, mit faden- 
förmigem Centralkörper u. v. a. Die Hauptsache aber be- 
trifft Kern und Plasma. Beide sind wabig gebaut, d. h. 
das bekannte Gerüstwerk von Idioplasma besteht nicht aus 
Strängen, sondern aus einem blasigen Wabenwerk, das im 
optischen Querschnitt natürlich als Fasernetz sich darstellt, 
und es ist sehr bemerkenswerth, dass die Grösse der Blasen 
bei den verschiedenen Arten von wechselndem Zellvolum 
den gleichen Durchmesser zeigt, ja noch mehr, dass sie 
darin selbst mit den künstlich nachgeahmten Plasmaschäumen, 
für deren Erzeugung B. kürzlich die genauern Recepte an- 
gegeben hat, übereinstimmt, vielleicht ein Einblick in das 
innerste Wesen der Organisation. B. tritt für die Kern- 
natur der kleinen Bakterien ein, (mit einem Hinweis auf 
die Spermatozoen), die grösseren zeigen noch eine deutliche 
Plasmahülle an beiden Enden u. s. f. Die zweifelhaften 
Punkte, die direkte Kerntheilung u. dergl. werden erörtert 
und die gegentheilige Auffassung von E. Zacharias discu- 
tirt. Das Einzelne möge man im Original nachlesen, das 
für jeden bedeutungsvoll ist, der sich für die wichtigsten 
Probleme moderner Biologie und Histologie interessirt. 
Gohlis. Simroth. 


II. Allgemeine Literatur. 215 


Götte, Entwickelungsgeschichte des Flussneunauges (Petro- 
myzon fluviatilis). (Erster Theil.) Verlag von Leopold 
Voss. 


Das fünfte Heft von des Verfassers Abhandlungen zur 
Entwickelungsgeschichte der Thiere. Gross-Quart, 955 S. Mit 
einer grösseren Anzahl von Holzschnitten und neun farbigen 
Tafeln, wovon die grössere Hälfte doppelt. Text und 
Illustrationen, wie alles von diesem Autor gleich gediegen. 
Die Abbildungen, meist totale oder partielle Querschnitte von 
Embryonen, sind durchgehends in denselben Farben gehalten, 
das Entoderm mattgelb, das Eetoderm graulila, die übrigen 
Töne so, dass alle schreienden Zusammenstellungen ver- 
mieden sind; hergestellt sind sie bei Werner und Winter, 
also über alles Lob erhaben. Die Ausstattung des Textes 
ist ebenbürtig. So weit das Aeussere. — Ueber die Ge- 
diegenheit des Inhaltes braucht der kein Wort zu verlieren, 
welcher das Glück hatte, Götte’s Methodik aus eigner An- 
sehauung kennen zu lernen und davon zu profitiren. Wir 
haben wohl kaum einen zweiten Embryologen, der so lange 
mit der Darstellung eines ontogenetischen Kapitels zurück- 
hält, bis er den Stoff nach allen Richtungen in gleicher 
Weise durchgearbeitet hat und beherrscht, wie Götte. 
Hier liegt ein Ideal vor, das man sich für seine eignen 
Arbeiten zum Muster nehmen möchte, wenn nicht die 
treibende Phantasie immer wieder über das kalte Blut siegte. 


Hier ist alles, was geboten wird, festgegründete That- 
sache. Es mag wohl geraume Zeit vergehen, bis jemand 
wieder ein höheres Thier in allen seinen Stadien derartig 
beherrscht, wie Götte die Unke, deren entwicklungsge- 
schichtliche Darstellung bis jetzt unerreicht dasteht. 


Auf dieser Grundlage, die von Anfang an durch ein 
grosses Vergleichsmaterial gestützt wurde, ist mit gleicher 
Solidität fortgearbeitet. 


Ueber manche Schlüsse, die weiter gehen, wird sich 
streiten lassen, wie alle erweiterten Theorien erst durch 
verallgemeinerte Discussion langsam gefördert werden 
können, — über das, was hier vom Neunauge direkt an- 


216 U. Allgemeine Literatur. 


gegeben wird, schwerlich. — Stählern, wie Götte’sconsequente 
Arbeitskraft, die keine Lücken duldet, ist auch seine 
Kritik, die äusserst unangenehm werden kann, weil sie durch 
ihre positive Sicherheit Entgegnung beinahe ausschliesst, 
wenigstenssachliche. Dabeiwirdsie niemals persönlich. Wenn 
der Werth aller allgemeinen Hypothesen der ist, befruchtend 
und anregend zu wirken und so auf Umwegen Naturver- 
ständniss und -erkenntniss zu fördern, so dass sie durch 
die weiteren Fortschritte sich überleben, so werden Götte’s 
Specialarbeiten sicherlich als positive Grundlagen länger 
als die meisten Erzeugnisse unserer reichen zoologischen 
Literatur die schnelllebige Gegenwart überdauern. 

Einleitend wird die Entwiekelung in sieben Perioden 
zerlegt. Dann kommen die einzelnen Abschnitte, in 
welchen der Schilderung der thatsächlichen Beobachtungen 
meist eine literarische Uebersicht mit Kritik und verall- 
gemeinernden Schlüssen folgt: Die primären Keimschichten 
— die Mesodermplatten und die Chorda — der Schwanz 
— die Mesomeren — die Seitenplatten — die Kopfniere 
— das Herz — die Bildung des Blutes — der Darm — 
das Gefässsystem — die Leibeshöhle. 

Es ist wohl nicht möglich, bei dem Charakter der 
Götte’schen Schriften, den Inhalt in wenig Worte zu- 
sammen zu fassen; dazu ist er zu schwerwiegend bis ins 
Einzelne und allem Schematisiren principiell entgegen. 
Immerhin lassen sich vielleicht drei Punkte besonders 
hervorheben: die scharfe Zurückweisung der Coelomtheorie 
im zweiten Abschnitte und zwei systematische Folgerungen. 
Die eine betont die vielfachen Züge von Rückbildung beim 
Amphioxus, so dass es nicht weiter angängig erscheint, 
ihn in der direkten Ahnenreihe der Vertebraten, die noch 
so dunkel ist, unterzubringen; die andere, sehr tiefgreifende, 
löst die Cyklostomen von den Fischen los und bringt sie 
in die Nähe der Amphibien. Beide Wirbelthiergruppen 
zeichnen sich durch geringe Umwandlung des Enterocoeles 
in Nahrungsdotter aus, das Kiemensystem zeigt grosse 
Verwandtschaft, „ja man darf in den, in den Pleuralraum 
hineinragenden Divertikeln des letzten Kiemenpaares wohl 
Rudimente von Lungen (oder vielleicht auch von homologen 


Allgemeine Literatur. ae 


Schwimmblasen?) erkennen.“ Für weitere Theile ist noch 
kein Programm angegeben, doch wird man's eben aus 
dem Inhalt des vorliegenden ablesen dürfen, jedenfalls 
steht noch viel zu erwarten. — Druckfehler kommen im 
Ganzen, glaube ich, zwei vor, einmal „Hatscheck“ für 
„Hatschek, einmal „Schipley* für „Shipley“, und beide 
finden im Literaturverzeichniss ihre Erledigung. 
Gohlis. Simroth. 


G. von Hayek, Handbuch der Zoologie. Erster Band. 
1877. 437 S. mit 816 Abbilduugen. Zweiter Band. 1981. 
513 S. mit 1224 Abbildungen. Dritter Band. 1885. 460 
S. mit 763 Abbildungen: Vierter Band. Erste Lieferung. 
1889. 240 S. mit 428 Abbildungen: (Es steht vermuthlich 
noch eine Lieferung aus, um den vierten Band und damit 
das ganze Werk vollzumachen) Wien. Carl Gerold's 
Sohn: Preis des Bandes im Durchschnitt 20 M. 


Die Pausen, in denen die verschiedenen Abtheilungen 
dieses Werkes erscheinen, beweisen so gut wie die enorme 
Fülle von Abbildungen, dass es sich hier um eine gründ- 
liche Arbeit handelt, welche, trotzdem in Bezug auf die 
letzteren hauptsächlich ein Sammelwerk geboten wird, nur 
langsam gefördert werden kann. Ein Programm wird vom 
Verf. noch nicht vorgelegt, doch ergiebt sich’s wohl einiger- 
massen aus der Darstellung. Gleichmässige Kenntniss 
und Uebersicht des Thierreiches, wenig Theorie aber viel 
positives Wissen, das nicht am Einzelnen klebt, sondern in 
ebenso angenehmer als streng systematischer Form über 
alle Gruppen sich verbreitet. Bronn’s Klassen und Ord- 
nungen sollten wohlin ihrer allseitigen Durcharbeitung das V or- 
bild abgeben, um in engeren Schranken möglichst viel Charak- 
teristisches von jeder Familie knapp zusammenzufassen, wo- 
bei Anatomie, Biologie, Entwicklung, unter Umständen selbst 
mikroskopische Strukturen, auch bei grösseren Formen heran- 
gezogen werden. Das Prinzip der gleichmässigen Durch- 
arbeitung erheischt naturgemäss die Ausnutzungeinersehr zer- 
streuten und oft seltenen Literatur. Der Text ist dabei oft 


218 1I. Allgemeine Literatur. 


knapp gegenüber den Abbildungen. Diese aber sind (für jede 
Familie mindestens eine, häufig mehr) mit grossem Geschick 
und Geschmack so gewählt, dass alles Gewöhnliche, Alltäg- 
liche zurücktritt gegen Feinheiten, die sonst nur dem Fach- 
manne, und selbst diesem oft schwer zugänglich sind. Wer, 
selbst als Zoologe, dieses Buch durchstudiert hat, wird seine 
Zoologie um eine grosse Masse, ich möchte sagen pikanter 
Thatsachen bereichert finden. Dabei wird auf die Syste- 
matik insofern weniger Werth gelegt, als sie nur den 
Rahmen für eine Fülle von Familienschilderungen abgiebt. 
So sind die Unterreiche, wie H. für Typen sagt, noch nach 
etwas älterem Schema genommen, indem die Mollusken 
z. B. die Molluscoiden und unter diesen die Tunikaten, die 
Protozoen die Schwämme unter sich begreifen. Aber der 
Inhalt ist um so reicher, und die fossilen Formen sind als 
annähernd gleichberechtigt mit eingearbeitet. 

Der erste Band giebt eine gedrängte allgemeine Ein- 
leitung (33 S.), Classification, Darwinismus, chemische Be- 
standtheile, Formelmente (Histologie), Organe des Thier- 
leibes, Entwicklung und Fortpflanzung etc. Dann kommen 
die Protozoen, die Coelenteraten, Echinodermen und Würmer. 
Gemäss den grossen Fortschritten, die gerade auf diesem 
Gebiete in den letzten zehn Jahren, besonders durch die 
marinen Expeditionen und Stationen, durch Bütschli’s Proto- 
zoenwerk u. dergl. gewonnen sind, ist hier wohl manches zu 
modernisiren oder zu ergänzen, womit nicht gesagt sein 
soll, dass nicht die Darstellung namentlich der Morphologie 
bereits auf einem sehr hohen Standpunkte sich befände. 
Auch war es bei dem Zustande der Kenntnisse noch nicht 
möglich, so gleichmässig zu arbeiten, wie bei den höheren 
Typen. 

Der zweite Band, die Arthropoden, ist ein reiches 
Muster umfassender Darstellung. Eine Menge anatomische 
Detail, niemals schematisirt, und dazu die für die Determi- 
nation so wichtigen Mundwerkzeuge, Beinformen, Fühler, 
Flügelgeäder. Allgemeine Abschnitte, übersichtliche 
Schlüssel für die Familien, die dann ohne lästige Wieder- 
holung und Numerirung, nach ihrer biologischen Bedeu- 
tung kurz charakterisirt werden, einheimische gerade so 


II. Alleemeine Literatur. 219 


wie Exoten. Ein Beispiel, und zwar ein wenig umfang- 
reiches möge die Art und Weise kennzeichnen. Die Myrio- 
poden haben im allgemeinen Abschnitt folgende Abbil- 
dungen: Scolopendra cingulata; worderes Körperende 
von Julus tzendalus, dazu Augengruppen; untere Mundplatte 
von Spirostreptus Sebae; Mundtheile von Seolopendra mutica 
(ausführlich), einige Segmente von Geophilus rubro-vittatus; 
ein Doppelsegment von Spirostreptus Borxii; Darm, Speichel- 
drüsen und Eierstock von Scolopendra morsitans; Herz von 
Scolopendra; vorderes Körperende von Scolopendra Hopei mit 
den Stigmen; Nervensystem von Julus terrestris; Juluslarve; 
Querdurchschnitte von Oniscodesmus mexicanus und Poly- 
desmus subterraneus; — dazu die Ordnungen: Chilogna- 
then: Fühler von Julus zapotacus; Kopf von Glomeris sub- 
limbata; männliche Begattungswerkzeuge von Polydesmus 
mauritanicus, innere männliche Geschlechtsorgane von 
Glomeris, von Julus foetidus; Genitalbein von Polydesmus 
complanatus, weibliche Geschlechtstheile von Glomeris 
marginata; Julus terrestris in verschiedenen Stellungen; — 
Chilopoden: Glomeris maculata und sublimbata, Habitus; 
Gl. eingulata, erste Segmente. Siphonophora portoricensis, 
Hinterende von Julus arboreus; Fühler von Arthro- 
nomalus punctatus; Auge von Seutigera; Hinterende von Geo- 
philus mierocephalus, männliche und weibliche Geschlechts- 
organe von Lithobius forficatus, Spermatophor von Scolo- 
pendra complanata im Momente des Aufspringens, ein solches 
von Geophilus convolvens auf seinen Gespinstfäden befestigt. 
Dorsalplatten von Seutigera mit den Athemlöchern; Seu- 
tigera rubrolinenta. 

Die Insekten sind ungemein reichhaltig, namentlich 
auch in Bezug auf die bildliche Darstellung biologischer 
Verhältnisse; erwähnt seien etwa die Hymenopterenbauten, 
über 50, darunter kein Hummelnest, wohl als zu bekannt, 
und so durchweg. 

Der dritte Band enthält die Weichthiere, Fische und 
Amphibien. Für die ersteren sind die Habitusbilder aus 
Meyer und Moebius, Fauna der Kieler Bucht, bereits benutzt. 
Argonauta könnte moderner dargestellt sein. Betreffs der 
Fische brauchen wir blos daran zu erinnern, dass Hayek 


220 II. Allgemeine Literatur. 


die deutsche Ausgabe von Günthers, Handbuch der Ichthyo- 
logie besorgt hat, dazu an die vortrefflichen Wiener Ichtho- 
logen Heckel, Kner, Steindachner, ebenso wie für die In- 
sekten Brauer’s Erfahrungen zu Gebote standen. 

Der vierte Band umfasst bis jetzt die Reptilien und 
folgende Ordnungen der Vögel: Odontornithes, Urinatores, 
Longipennes, Steganopodes, Lamellirostres, Ciconiae, Grallae 
Brevipennes. Die zweite Hälfte und die Säuger stehen 
roch aus. Neben dem Reichthum von anatomischen Ab- 
bildungen und Vollbildern von Thieren sei nur auf ein 
Paar kleine biologische Skizzen hingewiesen: eine Elaphis, 
drei Vögel auf einmal tödtend, ein junger Python, seine 
Beute haschend. 

Genug der vielen Vorzüge; höchstens mag noch auf die 
Anmerkungen hingewiesen werden, welche die Etymologie 
der technischen Ausdrücke erklären. Druckfehler, sehr 
selten, beziehen sich meist auf Verwechslung von i und y, 
kein Wunder in einer Zeit, wo man dem Setzer zumuthet, 
bald Gips, bald Gyps zusammenzustellen. 

Wer irgend seine zoologischen Kenntnisse in Be- 
zug auf inneren und äusseren Bau und die charakte- 
ristischen Züge in der Lebensweise der Familien nach 
allen Seiten gleichmässig zu vertiefen wünscht, dem kann 
man das Buch aus voller Ueberzeugung an’s Herz legen. 
Hoffentlich lässt der Schluss, auf stetig verbessertem Papier, 
nicht zu lange auf sich warten. 

Gohlis. Simroth. 
Hatschek, Lehrbuch der Zoologie, eine morphologische 
Uebersicht des Thierreiches zur Einführung in das Studium 
dieser Wissenschaft. Lieferung 1 und 2, mit 296 Abbil- 
dungen im Text. Jena. Gustav Fischer. 1888 und 89. 
3 und 4 M. 


Dasselbe, was gelegentlich Hayek’s Handbuch zu sagen 
wäre, kann man hier vorausschicken. Der enorme Auf- 
schwung der Produktion auf dem Gebiete der zoologischen 
Literatur macht eine verschiedene Uebersicht von wechseln- 
dem Standpunkt stets erwünscht. Ein Buch, das, wie das 
eben senannte, eine Zusammenstellung positiver Daten zur 


II. Allgemeine Literatur. 221 


Hauptsache macht, wird für lange dauernden Werth haben. 
Andere stellen sich zur Aufgabe, den jeweilig modernen 
Standpunkt zu präcisiren. Sie stellen, mit der Zeit histo- 
risch werdend, Ecksteine dar, die Wendepunkte des all- 
mählich sich erhebenden Baues unserer Wissenschaft kenn- 
zeichnend. Zu ihnen dürfte Hatschek’s Buch gehören. Es 
will eine morphologische Uebersicht geben, d. h. eine 
solche, die von den Fortschritten namentlich der Ent- 
wickelungsgeschichte abhängig ist. Hatschek’s besondere Be- 
rechtisung schreibt sich von seinen vortrefilichen embryo- 
logischen Arbeiten her. Und da er sich gerade mit der 
prekärsten und übergangsreichsten Thiergruppe, der der 
Würmer, ausführlich beschäftigt hat, ist er in hervorragen- 
dem Masse dazu befähigt. Die Systematik ist grundsätzlich 
eingeschränkt. 

Die Consequenz, mit der H. seinen morphologischen 
Standpunkt durchführt, ist äusserst anregend. Das erste 
Kapitel bespricht das Plasma und die Lebenserscheinungen, 
Assimilation, Exretion, Arbeitsleitung, Wachsthum, Fort- 
pflanzung, Vererbung etec., diese aber nur als Eigenschaften 
des Plasma’s, ohne noch die Zelle überhaupt zu erwähnen, 
das zweite handelt vom Darwinismus und seinen Weiter- 
bildungen (Funktionswechsel etc.), das dritte von den Prin- 
cipien der Morphologie (Phylogenie und ÖOntogenie, mit 
klaren Auseinandersetzungen betr. der Variabilität ete.), 
das vierte behandelt das System, worauf ich gleich zurück- 
komme, das fünfte die Zelle und Zelltheilung, das sechste 
die Protozoen, deren Grundform, Lebenserscheinungen, Fort- 
pflanzung bez. Conjugation, System mit Anhang (Volvox), 
dann wird auf die Metazoen übergegangen und im 
siebenten Capitel deren Grundform und Entwicklung im 
Wesentlichen bis zur Bildung der Keimblätter besprochen; 
und nun erst folgt im achten Kapitel, das in die zweite Liefe- 
rung hineinreicht, die Histologie. Die Logik muss imponiren, 
welche die Histologie erst nach dem Aufbau des Organismus 
aus einer Summe indifferenter Zellen, die nun durch Arbeits- 
theilung verschiedene Wege einschlagen, einsetzen lässt, 
während einzelne Zellen und Protozoen zusammengehören 
und die hohe Differenzirung des Infusorienkörpers ledig- 


222 1I. Allgemeine Literatur. 


lich dem Plasma dieser Zelle zufällt. Durchweg ist der 
peueste Standpunkt eingenommen, und selbst im einzelnen 
werden schwebende Controversen beleuchtet; bei der Frage 
der Vererbung ist's nicht anders zu erwarten, betr. der 
Deutung der Nervenelemente, Gliazellen und dergl. schon 
weniger. Das neunte und zehnte Capitel handeln von den 
Funktionen des Metazoeukörpers, wobei z. B. die Darstellung 
die Auges histologisch und physiologisch ausgezeichnet 
durchgeführt ist, das elfte Capitel bespricht die Spongiaria, 
das zwölfte die Cnidaria, das dreizehnte die Ctenophoren. 


Das führt uns auf das System. Das vierte Capitel, 
das zunächst die Verdienste der älteren, u. a. Leuckarts Ge- 
rechtigkeit widerfahren lässt, unterscheidet zuerst zwischen 
Proto- und Metazoen (ohne Mesozoen, die den Cnidarien an- 
gereiht sind). Die letzteren zerfallen in Protaxonia oder 
Coelenteraten und Heteraxonia oder Bilaterien. Die Pro- 
taxonien umfassen drei Typen, die Heteraxonia eben so 
viele; die Typen werden weiter in Oladus zerlegt. 


Die Typen der Protaxonia sind: Spongiaria, Cnidaria 
und Ctenophora, die der Heteraxonia Zygoneura mit zwei 
Subtypen, Autoscoleciden und Aposcoleciden, Ambula- 
cralia und Chordopii. Die Autoscoleciden bilden einen 
Cladus, die Seoleeiden mit den Classen der Platoden, 
Rotiferen, Endoprocten, Nematoden und Acanthocephalen, 
wozu anhangsweise die Nemertinen kommen, die Aposcole- 
ciden bilden drei Cladus, Articulaten (Anneliden mit Si- 
punculoiden und Chätognathen, Onychophoren und Arthro- 
poden,) Tentaculaten (Phoronida, Bryozoa ectoprocta und 
Brachiopoden) und Mollusken (Amphineuren und Conchi- 
feren); die Ambulacralia umfassen die Echinodermen und 
Enteropneusten, die Chordonii die Tunicaten, Leptocardier 
und Vertebraten. Wie man sieht, ist der Umschwung gegen 
früher gewaltig; und der Eingeweihte wird gleich be- 
merken, wie sehr sich darin die Resultate jüngster morpho- 
logischer Forschung ausdrücken, die Hatschek so scharf 
als möglich zusammenfasst. Ob alle seine Bezeichnungen 
in die Compendien der Zoologie durchweg eindringen wer- 
den, ist dabei gleichgültig. Wer den modernsten Stand- 


II. Allgemeine Literatur. 223 


punkt kennen lernen will, wird in dem Buche sicher seine 
Rechnung finden. Die Ausstattung ist vortrefflich. 
Gohlis. Simroth. 


Boas, Lehrbuch der Zoologie. Für Studierende und Leh- 
rer. 578 Seiten mit Abbildungen. Jena. Gustav Fischer, 
1890. 10 A 

Wiederum ein vortreffliches Buch mit guter Ausstattung, 
eine Bearbeitung von des Verfassers zwei Jahre früher in 
dänischer Sprache erschienener Zoologie. Dass dasselbe 
kürzer gefasst ist, als die eben besprochenen, versteht sich 
von selbst. Es denkt gleichfalls durchweg den neuesten 
Forschungen gerecht zu werden, ohne deshalb in so prin- 
zipieller Betonung vom früheren abzuweichen. Die dänische 
Literatur ist wohl nicht so reich an derartigen Lehrbüchern, 
dass eine so durchgreifende Differenzirung der Gesichts- 
punkte nöthig wäre. Wir haben also ein modernes Lehr- 
buch schlechthin. Die Entwickelungsgeschichte wird eben- 
falls berücksichtigt, aber weniger vorwiegend. Boas hat 
sich durch seine früheren Arbeiten mehr auf Gegenbaur’s 
Standpunkt gestellt, Morphologie auf Grundlage der vergl. 
Anatomie; ich erinnere nur an seine durch Pelseneer erwei- 
terten Untersuchungen der Pteropoden, an seine Abhand- 
lung über die Phylogenie der Malacostraca und die über 
die Homologien und Umbildungen der Arterienbogen bei 
den Wirbelthbieren neben vielen anderen. 

Das Buch zeichnet sich durch das Streben nach mög- 
lichst klarer und einfacher Anschauung aus. Zu dem Zwecke 
sind sehr viele von den Figuren schematisirt, Einzeichnungen 
der Organe in die Körperumrisse, einfache Uebersichtsbil- 
der, bei den Wirbelthieren Durchschnitte vom Kopf etc., 
bei den Sängern das Milchgebiss in richtigem Verhältniss 
neben das bleibende gestellt u. s. w. Ganze Thiere sind 
viel weniger abgebildet, durchweg nur in besonders cha- 
rakteristischen Formen, von den Fischen z. B. Sternarchus, 
5 junge Hechte, eine Trachypteruslarve, Rochen- und 
Haiembryonen, Chimära, Lepidosteus, Ceratodus und Proto- 
pterus, dafür aber reichlich ebensoviel anatomisches Ma- 
terial; 16 Seiten behandeln ihre allgemeinen Verhältnisse, 
10 ihr System. 


224 1l. Allgemeine Literatur. 


Ein allgemeiner Theil von 90 S. bespricht besonders 
ausführlich die Zelle und die Organe, darunter auch die 
rudimentären, Entwicklungsgeschichte, Phylogenie, Biologie, 
Geographie, Geologie, Entwicklung. Das System bleibt in 
dem gewöhnlichen Rahmen, nur sind die Würmer in drei 
Kreise, Platt-, Rund- und Gliederwürmer zerlegt. Die 
Mantelthiere kommen zu allerletzt als Anhang der Ver- 
tebraten. 

Bei der Umarbeitung in’s Deutsche hat Prof. Spengel 
sprachliche und sachliche Hilfe geleistet, eine weitere gute 
Bürgschaft. Die Angaben vom Vorkommen der einhei- 
mischen Thiere sind geradezu peinlichst den deutschen Ver- 
hältnissen entsprechend abgeändert. 

Ein kleiner Fehler fiel mir auf. Unter den Insectivoren 
leben die Spitzhörnchen, Cladobates, nicht in Afrika, son- 
dern in Hinterindien und auf den malayischen Inseln. 

Somit kann das Buch jedem, der eine solide Ueber- 
sicht der Zoologie auf moderner Grundlage wünscht, auch 
in Deutschland empfohlen werder. Zum Bestimmen will 
es nicht dienen, sondern ein Lehrbuch sein. 

Gohlis. Simroth. 


John, Georg, Dr. Ueber bohrende Seeigel. 46 Seiten. 
Mit einer Tafel in Lichtdruck. Leipzig. Gustav Fock. 
1450 % 

Zum Referat über diese Arbeit, die, aus dem Archiv für 
Naturgesehichte stammend, hier in selbstständigem Gewande 
vorliegt, bin ich eigentlich wenig geeignet, da die Veran- 
lassung zu derselben einiges Material war, das ich 1836 
von einer wissenschaftlichen Reise nach den Azoren mit 
heimbrachte. An diesen Inseln, zunächst an S. Miquel, wo 
ich sammelte, ist rings in der Brandung wie an manchen 
andern Küsten, eine Zone, in der verschiedene reguläre 
Seeigel in dichtem Bestande hausen, und zwar in halb- 
kugligen Löchern. Herr Dr. John hat nun die früher viel 
erörterte Frage wieder aufgegriffen, wie diese Löcher, die 
dem Umfange der Thiere eng angepasst sind, entstehen, 
ob die Kalkalgen, die das Gestein zumeist überziehen, da- 
bei vermittelnd in’s Spiel kommen u. dergl. Das letztere 


I, Allgemeine Literatur. 225 


wird durch Dünnschliffe mit Corallinen behafteter Gesteine, 
die abgebildet sind, bestimmt zurückgewiesen. Die Lite- 
ratur über bohrende Thiere, dann speciell über Echinus ist 
zusammengestellt nach Localitäten, Species und Gesteinen; 
die Untersuchung der Thiere, des Darminhaltes u. s. w. hat 
dann auf Grund zugleich dieser Angaben zu sicheren Resul- 
taten geführt. „Die in den Gesteinen gefundenen und von 
Seeigeln bewohnten Höhlen rühren von diesen selbst her. 
Der Echinus erzeugt seine Wohnstätten mittelst seines Kau- 
apparates und sekundär mit Hilfe der Stacheln durch 
rotirende Bewegung. Er bohrt sich solche Höhlungen, um 
einen Schutz gegen das brandende Meer zu haben.“ Für 
alle Einzelheiten verweise ich auf das Original. Bei dem 
Interesse, welches biologische Fragen mit Recht immer 
mehr auf sich ziehen, glaubten wir, dass auch das vor- 
liegende Problem besondere Aufmerksamkeit verdiene. 
Gohlis. Simroth. 


Schneidemühl, Georg, Dr. in Kiel. Tiiermedicinische 
Vorträge. Leipzig. Commissions- Verlag von Arthur Felix. 
Auf dieses verdienstliche literarische Unternehmen 
unseres geschätzten Vereinsmitgliedes wurde schon kürzlich 
an dieser Stelle aufmerksam gemacht. 

Das Ende Februar er. erschienene Deppelheft il und 
12, mit welchem der erste Band der in Rede stehenden 
Vorträge abschliesst, enthält einen sehr interessanten Vor- 
trag des Docenten der Physiologie und Pharmacologie an 
der thierärztlichen Hochschule zu Hannover, J. Tereg 
über „die neueren Antipyretica“. 

Ausgehend vom Chinin führt uns der Vortragende zu- 
nächst in die Chinolintherapie ein und erörtert dabei in 
anschaulicher Weise die synthetischen chemischen Versuche: 
durch Einführungen von verschiedenen Atomgruppen in das 
Chinolin diesem eine dem Chinin nahekommende antifebrile 
Wirkung zu verleihen. Hieran anschliessend werden ihrer 
Wichtigkeit entsprechend mit grösserer oder geringerer Aus- 
führlichkeit betrachtet: Kairin, Kairolin, Thallin, Antipyrin, 
Antithermin, Hydrazetin, Antifebrin, Phenacetin, Methacetin, 

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1590. 15 


226 II. Allgemeine Literatur. 


Enalgin und dann (nach einer Erörterung über den gegen- 
wärtigen Stand der Kenntnisse von den Chinaalkaloiden 
rücksichtlich ihrer chemischen Constitution) Kresotinsäure, 
Orthoonymetatolnylsulfosäure, Dithiossalieylsäure, Dijodsali- 
cylsäure, Salol und einige andere Salicylsäurederirate; 
den Schluss bilden einige Anilinabkömmlinge wie z.B. 
Parabronacetanilid, Benzanilid und das von Kobert in 
Dorpat als Orthin benannte Phenylhyrazinderivaten. 

Ist aus den obigen Andeutungen die Reichhaltigkeit 
des Terey’schen Vortrages ersichtlich, so muss auf der 
andern Seite auch auf die geschickte und klare Darstellung 
der mitunter recht verwickelten chemischen Constitutions- 
fragen hingewiesen werden, so dass das vorliegende Heft 
(einzeln zum Preise von 1,50 Mk. erhältlich) auch Che- 
mikern und Apothekern, welche den in rascher Folge auf- 
tauchenden neuen Fiebermitteln nicht ihre specielle Auf- 
merksamkeit haben zuwenden können, ein willkommener 
Wegweiser sein wird. 

Halle a. S. G. Baumert. 


Liebenmann, F., Dr. Privatdocent an der Universität 
Basel. Die Schimmelmycosen des menschlichen Ohres. 
Medieinisch- botanische Studien auf Grund experimenteller 
Untersuchungen. Zweite vermehrte Auflage von: Die Faden- 
pilze des Aspergillus und Eurotium. Mit 26 Abbildungen 
auf 4 Tafeln. Wiesbaden. Verlag von J. F. Bergmann. 
1889, 

Das Werk zerfällt in drei Theile, nämlich: 1. Botanik 
der Aspergillen und Eurotien. Iu der Morphologie werden 
Aspergillus flavus Brefeld, A. fumigatus Fresenius, A. niger, 
Eurotium Aspergillus glaucus und E. repens beschrieben. 
Die drei übrigen uns bekannten Aspergillen sind bis jetzt 
noch nicht im menschlichen Ohre gefunden worden. Die 
physiologischen Untersuchungen und Erörterungen erstrecken 
sich auf die Entwicklung und die Art des Wachsthums, 
die Lebensbedingungen und den Stoffwechsel. Dann wer- 
den Versuche mit Agentien mitgetheilt, welche die Keim- 
fähigkeit der Conidien beeinträchtigen und das Leben der 
ganzen Pflanze vernichten. Am Schlusse des ersten Theiles 


ll. Allgemeine Literatur. DON 


wird über die geographische Verbreitung der Aspergillen 
gesagt, dass dieselben fast in allen Ländern Europas und 
an verschiedenen Punkten Nord- und Mittelamerikas ge- 
funden werden. Die Eurotien sind bei uns sehr gemein, 
repens noch viel mehr als A. glaucus. 

Um die Aspergillen zu erhalten, lege man einfach frisch- 
gebackenes Schwarzbrod kurze Zeit an die Luft, bringe 
dasselbe dann unter eine Glasglocke, die mit feuchter Watte 
oder Fliesspapier austapezirt ist und an ihrem unteren 
Rande luftdicht aufliegt, untersuche dann von Zeit zu Zeit, 
die Brodstückchen genau auch in ihrem Innern, mit der 
Lupe, und man wird, bei geeigneter Modification der 
Wärmeregulirung, schon nach kurzer Zeit sämmtliche hier 
genannten Aspergillen angesiedelt finden. 

2. Theil. Die Otomycosis aspergillina.. Die erste’ 
Mittheilung über das Vorkommen von Aspergillus im Ohr 
stammt aus dem Jahre 1844. Dr. Mayer in Bonn fand 
bei einem an „scrophulösem“ Ohrenflusse leidenden Sjährigen 
Mädchen in dem Gehörgange kirschengrosse eystenförmige 
Bälge, deren Wände fibrös filzig, aussen weiss, innen grün- 
lich und körnig waren, und welche aus Pilzmasse bestanden. 
Mayer untersuchte die Masse und fand darin lange durch- 
scheinende Stiele mit einer kolbenförmigen Endanschwell- 
ung. Die Beschreibung ist zwar etwas mangelhaft, sie 
lässt aber darauf schliessen, dass es Aspergillus fumigatus 
war. Nach verschiedenen andern Berichten wird angeführt, 
dass Dr. Bezold im Jahre 1830 über 48 von ihm selbst 
beobachtete Fälle von Otomycosis referirte.. Auf 65 Ohren- 
kranke kam ihm durchschnittlich eine Pilzinvasion zu Ge- 
sicht. In 19 Fällen war der Verlauf vollständig symptom- 
los und der Pilzbefund ein zufälliger; einfaches Ausspritzen 
genügte dann zu dauernder Entfernung dieser Aspergillus- 
vegetationen. In den übrigen 29 Fällen war die Mycose 
mit Entzündungsvorgängen complieirt: Jucken, stärkere 
Epithelexfoliation, mässige Schwerhörigkeit, Schmerz, seröser 
Ausfluss. Viermal sah Bezold dabei das acute Entstehen 
einer Trommelfellperforation mit ungewöhnlich lang dauern- 
den Schmerzen und verzögertem Heilungsverlauf. Als aetio- 
logisch wichtige Momente führt er an: 1) das Einbringen 

197 


228 II. Allgemeine Literatur. 


von reizenden Fremdkörpern, die zugleich einen guten 
Nährboden darstellen, z. B. Pflanzenbestandtheile, Thee, 
Liqueure, Fett, Oel (von den 48 Patienten hatten mindestens 
38 vorher Oeleinträufelungen vorgenommen). 2) Einge- 
trocknetes Paukenhöhlensekret. Nach verschiedenen dar- 
auf bezüglichen Krankengeschichten wird die Frage erörtert, 
welche anormalen Zustände des Ohres dem Aspergillus- 
wuchs einen günstigen Nährboden liefern, und als wahr- 
scheinlich angenommen, dass es fast ausnahmslos eine 
freie Serumschicht ist, welche dem Aspergillus die erste 
und günstigste, wenn nicht gar einzig mögliche Nahrung 
bietet. Der Lieblingssitz der Pilzmembran ist das Trommel- 
fell und das innere Drittel des Meatus ext., seltener die 
Paukenhöhle, noch seltener die beiden äussern Drittel des 
Gehörganges; bisweilen überzieht sie den ganzen Meatus 
vom Trommelfell bis zum Eingang. 

Die Dauer der Affection, welche meist von geringem 
wässrigem Ausfluss oder Ohrensausen, Schwerhörigkeit und 
anderen Erscheinungen begleitet ist, ist von verschiedenen 
Umständen abhängig und eine sehr wechselnde, bisweilen 
bis über Monate, bis zu einem Jahre sich erstreckende. 
Ein hartnäckiges Leiden bildet die Otomycose namentlich 
dann, wenn sie sich im Mittelohr etablirt, da dessen 
simuöse Räume der Therapie schwer zugänglich sind. 

Von therapeutischen Eingriffen führt oft schon das Her- 
ausspritzen mit warmen Wasser zur Heilung, wenn die Epi- 
dermis intact war. Andernfalls werden verschiedene Mittel 
empfohlen. 

Anhangsweise wird noch ein Fall aufgeführt, bei dem 
im Ohre während heftigen entzündlichen Erscheinungen ein 
sehr kleines Penicillium gefunden wurde, welches in Folge 
seines gracilen Baues, seines Vermögens im Ohre — also 
bei 57°C. — zu wachsen, von Penicillium glaucum entschie- 
den abzutrennen ist und welches Verfasser Penieillium 
minimum nennen möchte. Als ein ferneres Novum wird 
das Vorkommen von Aspergillus nidulans im Ohre angeführt. 
Dann werden in botanischer Hinsicht die Nomenclatur und 
die Unterscheidungsmerkmale der hier in Betracht kommen- 
den Pilzarten erörtert. Den Schiuss bilden klinische Mit- 


II. Allgemeine Literatur. 229 


theilungen. Dem Buche ist ein Sachregister und ein Lite- 
raturnachweis angefügt. Den angehängten auf die er- 
örterten Pilze bezüglichen Abbildungen ist eine Erklärung 
vorausgeschickt. 

Halle a. S. Heyer. 


Göthe, R., Kgl. Oekonomierath. Bericht der Kgl. Lehr- 
anstalt für Obst- und Weinbau zu Geisenheim am Rhein 
für das Etatsjahr 1888|89. Wiesbaden 1890. 

Ausser Schulnachrichten enthält der Bericht auch die 
Ergebnisse aus verschiedenen, in den Gärten angestellten 
Untersuchungen, z. B. über den Einfluss des Samens auf 
die Ausbildung der Traubenbeeren. 

Der Fruchtknoten der Rebe enthält vier Samenanlagen, 
von denen aber in den wenigsten Fällen alle zur Ausbild- 
ung gelangen, so dass weitaus die meisten Beeren unserer 
kultivirten Reben nur 1 bis 3 Kerne besitzen. Gar nicht 
selten wird, obgleich eine Befruchtung stattgefunden hat, 
gar kein Same ausgebildet; es entstehen die sogenannten 
kernlosen Beeren, welche zeigen, in wie weit eine Beere 
ohne Einwirkung der sich ausbildenden Kerne sich zu ent- 
wickeln vermag. Das stärkere Wachsthum der kernhaltigen 
Beeren wäre der Einwirkung der wachsenden Samen zuzu- 
schreiben und ist voraussichtlich um so ausgiebiger, je 
grösser die Zahl dieser letzteren. Folgende Zusammen- 
stellung giebt über diese Grössenverhältnisse Aufschluss: 


Gewicht von 100 Beeren (dasjenige der Kerne abgezogen): 


kernlose, einkernige, zweikernige, dreikernige, vierkernige Beeren. 
g g g g g 


o 
Bieslinger 0202202530 53,2 17,2 38,9 113,0 
Frühburgunder . 27,9 52,9 92,4 110,5 140,0 
BRuländer. 2.2 _ 62,0 94,5 124,7 = 
Portugieser .. . 23,7 81,6 116,7 140,8 155,8 
Ilp/Lon or _ 96,1 134,4 151,2 = 
Weisser Gutedel . 58,7 133,8 196,6 232,7 _ 
Kornelkirschtraudte — 146,1 232,9 303,4 453,7 
Weisser Damascener — 316,5 408,5 992,8 — 


Hieraus lässt sich deutlich der Wachsthumsreiz der 
Kerne auf das Beerenfleisch erkennen. Interessant sind in 
dieser Beziehung auch die einkernigen Beeren, sowie die- 
Jenigen zweikernigen, bei welchen beide Kerne sich auf 
derselben Seite befinden. Diese Kernseite dieser Beeren 


230 II. Allgemeine Literatur. 
ist stets stärker entwickelt als die andere, und zwar wird 
dies nicht etwa nur durch die Anwesenheit der Kerne ver- 
ursacht, sondern das saftige Fleisch ist mächtiger ausge- 
bildet. So wogen von 68 einkernigen Beeren von Madelaine 
Angevine, welche genau dem centralen Gefässbündel ent- 
lang der Länge nach durchschnitten wurden, die kern- 
haltigen Hälften 59,05 g. die kernlosen 47,153 g. Da die 
68 Kerne nur 2,17 g. wogen, so war das Fleisch der kern- 
haltigen Längshälften immer noch etwa 10 g. schwerer, als 
das der kernlosen, das gegenseitige Gewicht etwa 100:120. 
Bei manchen Traubensorten ist dieser unsymmetrische Bau 
der Beeren schon beim ersten Anblick zu erkennen, nament- 
lich wenn diese eine längliche Form haben, wie bei der 
Kornelkirschtraube, der gelben Panse, der Olivette noir 
ete. Die betreffenden Beeren erscheinen hier auffällig ge- 
krümmt, indem nicht nur die Diekenzunahme, sondern auch 
das Längenwachsthum der kernlosen Seite geringer ist. 

In Beeren mit wenig oder keinen Kernen wird ein ver- 
hältnissmässig grösserer Theil des einwandernden Zuckers 
zur Aufspeicherung im Fruchtfleische gelangen als dort, wo 
z. B. 3 oder 4 Kerne ausgebildet und mit Reservestoffen 
gefüllt werden müssen. Da ausserdem in den ersterwähnten 
Beeren das Fruchtfleisch der Masse nach weit geringer ist 
so dürfte die vor einigen Jahren festgestellte Thatsache, 
dass die kernlosen Beeren zuerst reifen und sodann die 
wenigkernigen folgen, erklärlich erscheinen. Diese Ver- 
hältnisse wurden nun in den letzten Jahren eingehender 
untersucht. Folgende Angaben gewähren einen Einblick 
in diese Verhältnisse. 


In 100 g Beerenfleisch (Beeren, abzügl’ch der Kerne) 
waren enthalten; 


vierkernige 
kernlose, einkernige, zweikernige, dreikernige, Beeren. 
g g 8 g g 

Riesling Zucker 16,93 15,10 14,96 14,04 _ 
2. November 1885] Säure 1,103 1,255 1,298 1,380 _ 
Frühburgunder { Zucker 16,74 20,57 19,52 18,12 15,39 
26. Septbr. 1888 Säure 0,325 0,548 0,521 0,551 0,51 
Portugieser Zucker _ 15,38 14,28 13,77 13,43 
17. October 1888 Säure _ 0,896 0,952 0,984 0,842 


Weisser Gutedel Zucker 17,32 14,85 13,94 13,20 _ 
15. October 1888 Säure 0,584 0,786 0,829 0,976 — 


Il. Allgemeine Literatur. 231 


Während der Reifezeit erhalten demnach die Beeren 
einer Traubensorte um so mehr Zucker und je weniger 
Säure, je geringer die Kernzahl ist. Ferner erreichen die 
Beeren die volle Reife, d. h. den Zustand ihres höchsten 
absoluten Zuckergehaltes zu ungleicher Zeit, die kernlosen 
zuerst, dann die einkernigen u. s. f£ Weiter ergab sich, 
dass die zuerst reifenden kernlosen Beeren doch nicht 
immer denjenigen Zuckergehalt erlangen, den die kern- 
haltigen aufweisen, wenn letztere vollständig reif sind. 

An den Trauben der blauen Sorten kann man dieses 
verschieden schnelle Reifen der Beeren zur Zeit der Färb- 
ung oft leicht erkennen, indem stets die kernlosen Beeren 
zuerst sich blau färben, zu einer Zeit, da die andern noch 
ganz grün sind, während später unter den letzteren die 
einkernigen wieder früher als die zweikernigen u. =. f. 
die Färbung zeigen. Doch ist unter den kernhaltigen 
Beeren der Unterschied nicht so gross, wie zwischen den 
einkernigen und kernlosen, was übrigens auch aus den mit- 
getheilten Zahlen geschlossen werden kann. 

Die soeben geschilderten Verhältnisse sind so beständig, 
dass es mit einiger Uebung möglich ist, an reifenden 
Trauben aus Grösse und Beschaffenheit der Beeren mit 
ziemlicher Sicherheit auf die Zahl der darin enthaltenen 
Kerne zu schliessen. Allerdings wird die Sache etwas er- 
schwert durch einen weiteren Umstand, der gelegentlich 
auf das Reifen einwirkt. Ist nämlich der Saftzufluss zu 
einzelnen Beeren aus irgend einem Grunde gehemmt, so 
erreichen sie nicht die ihrer Kernzahl entsprechende Grösse 
und erleiden auch eine Verzögerung in der Reife. Eine 
zweikernige Beere ist dann oft kleiner als die einkernige, 
bleibt aber im Reifen hinter den dreikernigen zurück. 
Dadurch sind derartige Beeren aber leicht zwischen den 
andern herauszufinden. Eine am 1. August in dieser Richt- 
ung vorgenommene Untersuchung mit Frühburgundertrauben, 
in welchen solehe zurückbleibende Beeren sich vorfanden, 
ergab folgendes Resultat: 


232 II. Allgemeine Literatur. 


ZZ 
Einkernige Zweikernige Dreikernige 
Beeren Beeren Beeren 
zurück- zurück- zurück- 
normal normal |pjeibend| normal |pjeibend 
jo 


g g g g 

142,3 87,3 162,7 123,5 

9,40 6,42 12,57 11,22 

132,90 80.833 1:50,13 112,28 
() 


Gewicht von 100 Beeren . ei 
Gewicht derKerne von 100Beeren 
Gewichtd.Fleisches,, „, R 


N %o 0 
1,93 1% | 9,23 7,08 


Zuckergehalt des Beerenfleisches ( 
1,766 2,205 | 1,784 2,237 


Säuregehalt ,„ n) 


Die vollständigen Untersuchungsergebnisse sollen dem- 
nächst in den „Landw. Jahrbüchern“ erscheinen. 
Halle a. S. Heyer. 


Neu erschienene Werke. 


vnnnnn 


Allgemeines. 
Mathematik, Physik, Astronomie ete. 


Auwers, K. Die Entwickelung der Stereochemie. Theoretische u. 
experim. Studien. S°. III, 157 pp. C. Winter. Heidelberg, 189. 

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296. Paris 1890. 

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80%. 221pp. Avec 21 figures. Paris, 1890. 

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Dallet, G. Astronomie pratique. Le soleil, les etoils. 8°. V, 326 pp. 
Paris, 18%. 

Flammarion, C. Astronomie populaire. Avec 386 figures, planches, 
cartes etc. 8%. 867 pp. Paris, 1890. 

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Paris, 1890. 

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394pp. London, 1890. 

Jonquiere, Alfr. Ueber einige Transcendente, welche bei der wie- 
derholten Integration rationaler Funktionen auftreten. 8°. 50pp. 
[Bern, Huber & Co.| Stockholm, 1889. 

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Halle a.S., 1890. 

Lingg, Fd. Ueber die bei Kimmbeobachtungen am Starnberger See 
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40%. 95pp. Mit 3 Taf. [Leipzig, Engelmann.] Halle, 1889. 

Loney, 8. L. A Treatise on elementary Dynamics. 8°. 326 pp- 
London, 1889. 


234 Neu erschienene Werke. 


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l’equerre. $S°%. XIV, 366pp. Paris, 1890. 

Muir, T. The Theory of Determinants in the historical Order of its 
Development. Part 1. 8°. 266pp. London, 1890. 

Purper, L. Le Principe du mouvement et son application ä la me- 
canique celeste et & la meteorologie. 8%. IV, 150pp. Paris, 1890. 

Sehorr, Rich. Untersuchungen über die Bewegungsverhältnisse in 
dem dreifachen Sternsysteme & Scorpii. 4°. 63pp. [Kiel, Lipsius 
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Schram, Rbt. Die Beobachtungen u. Reductionsmethoden des k.k. 
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des k. k. Gradmessungs-Bureau.*| 4%. 75pp. Mit eingedr. Abbild. 
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tournantes. 8°. 128pp. Paris, 15%. 


Chemie. 


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80%. 750 pp. With 195 Diagrams and 49 Plates. Sunderland, 1890. 

Pekrun, Hs. Ueb. einige Benzylderivate d. Piperidins, Tetrahydro- 
chinolins u. Pyridins. 8°. 50pp. |Tübingen, Fues.] Dresden, 1890. 

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Twerdomsdoff, S. Ueber die Bestandtheile des fetten Oels von 
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Mineralogie, Geologie ete. 


Boulay, M. Flore pliocene des environs de Theziers (Gard), 8°. 
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Galli Valerio, R. B. Materiali per la fauna dei vertebrati valtel- 
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Neu erschienene Werke, 235 


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Kalb, G W. Ueb. d. chem. Zusammensetzung und Constitution des 
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Naumann, E., und M. Neumayer. Geologie u. Palaeontologie von 
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Sammlungen des geologischen Reichsmuseums in Leiden. I. Serie. 
Bd. IV. Heft 7. Beiträge zur Geologie Ost-Asiens und Australiens. 
II. Serie. Bd. I. Heft 3. Beiträge zur Geologie von Niederländisch 
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Zittel, K. A. Handbuch d, Palaeontologie. I. Abth. Palaeozoologie. 
12. Lig. — DO. Abth. Palaeophytologie. Bearbeitet von A. Schenk. 
8. Lig. II. Bd. p. 437—632. Mit 139 Holzschn. u. p. 669 — 764. 
Mit 36 Abbild. 8% Oldenbourg. München, 1889. 


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Boveri, Theod. Zellen-Studien. 3. Heft. 8%. II, 8Spp. Mit 3 
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Clessin, S. Die Mollusken-Fauna Mitteleuropa’s. II. Thl. A. u. d. 
T.: Die Mollusken-Fauna Oesterreich - Ungarns und der Schweiz. 
5. Lfg. 8°. II u. p. 625—858. Bauer & Raspe. Nürnberg, 1890. 

Darwin, C. The Expression of the Emotions in Men and Animals. 
2e ed. 8% 396pp. London, 189. 

Dürigen, Bruno. Deutschlands Amphibien u. Reptilien. Creutz’sche 
Verlagsbuchhandlung (R. & M. Kretschmann). Berlin. 

Eisler, P. Das Gefäss u. periphere Nervensystem des Gorilla. 4°. 
Il, 7Spp. Mit 9 Taf. in Lichtdr, u. 9 Bl. Erläuterungen. Tausch 
& Grosse. Halle a/S., 1890. 

Gaule, Jst. Zahl u. Vertheilung d. markhaltigen Fasern im Frosch- 
rückenmark. [Aus: „Abhandlungen d. kgl. sächs. Gesellschaft der 
Wissenschaften.“) 8°. 44pp. Mit 10 Taf. Hirzel. Leipzig, 1890. 


236 Neu erschienene Werke. 


Grote, A R. North American Lepidoptera. Revised Check List of 
the North American Noctuidae. Part 1. Thyatirinae-Noctuinae. 80. 
VII, 52pp. Rühle & Schlenker. Bremen, 1890. 

Holtz, L. Ueber das Steppenhuhn, Syrrhaptes paradoxus Ill., und 
dessen zweite Masseneinwanderung in Europa im Jahre 1838. 80 
1JI. 7Spp. Friedländer & Sohn. Berlin, 1890. 

v. Marenzeller, Emil. Ueber die adriastischen Arten der Schmidt’- 
schen Gattungen Stelletta und Ancorina. [Aus: „Annalen des k.k. 
naturhist. Hofmuseums.“] 8°. 14pp. Mit2Taf. Hölder. Wien, 1890. 

» „» Annulaten des Beringsmeeres. [Aus: „Annalen des k. k. na- 
turhistorischen Hofmuseums.“| 8% 8Spp. Mit 1 lith. Taf. Hölder” 
Wien, 1890. 

v. Martens, E. Conchologische Mittheilungen als Fortsetzung der 
Novitates conchologieae herausgegeben. III. Bd. 1.u.2. Heft. 8°. 
p. 1-19. Mit 6 color. Steintaf. Fischer. Cassel, 1390, 

Martini und Chemnitz. Systematisches Conchylien -Cabinet. In 
Verbindung mit Philippi, L. Pfeiffer, Dunker etc. neu herausgeg. 
u. vervollständigt von H. C. Küster, nach dessen Tode fortgesetzt 
von W. Kobelt. 371. Lfg. 4%. 32pp. Mit 6 color. Steintaf. Bauer 
& Raspe. Nürnberg, 1390. 

Michaelsen, W. Die Gephyreen von Süd-Georgien nach der Aus- 
beute der Deutschen Station von 1882—S3. [Aus: „Jahrbuch der 
Hamburger wissenschaftl. Anstalten.“*) 8°. 14pp. Mit 1 Farbentaf. 
Gräfe. Hamburg, 1339, 

Oates,E, V, The Fauna of British India, ineluding Ceylon and Burmah. 
Edited by W. T. Blanford Birds. Vol. I. 8%. London, 18%. 

Petersen, W. Fauna baltica. Die Schmetterlinge der Ostseepro- 
vinzen Russlands, Nach der analytischen Methode bearb. I. Thl. 
Rhopalocera. |[Tagfalter.] 8%. 50pp. Mit eingedr. Abbildungen. 
[Berlin, Friedländer & Sohn.] Reval, 18%. 

Pleske, T. Ornithographia russica. Die Vogelfauna des Russischen 
Reiches. II. Bd. 2. Lfg. 4%. p. IX— XVII u. 153 -320. Mit 1 
Taf. u. 1 Bl. Erkl. |Leipzig, Voss’ Sort.] St. Petersburg, 1889. 

, „ Resultate, wissenschaftliche, der von N. M. Przewalski nach 
Central-Asien unternommenen Reisen. Zoologischer Thl. 111. Bd. 
2. Abth. Fische. Bearbeitet von S. Herzenstein. 2. Lfg. (Russisch 
und deutsch.) 4%. p. 91 — 180. Mit 5 Taf. u. 5 Bl. Erklärungen. 
Eggers & Co. |Leipzig, Voss’ Sort.] St. Petersburg, 1889. 

Roux, W,. Die Entwickelungsmechanik der Organismen, eine anato- 
mische Wissenschaft der Zukunft. 89. 26pp. Urban & Schwarzen- 
berg. Wien, 18%. 

Schmidt, Adf. Alas der Diatomaceen-Kunde. In Verbindung mit 
Gründler, Grunow, Janisch u. Witt herausgegeben. 35.—38. Heft. 
Fol. Je 4 Taf. m. 4 Bl. Erklär. Reisland. Leipzig, 1890. 

»  „» Verzeichniss der in A. S.’s Atlas der Diatomaceenkunde Heft 
1—36 [Serie I-III] abgebild. Arten u. benannten Varietäten nebst 
den m. angeführt. Synonymen, 4°. 29pp. Reisland. Leipzig, 1890- 


Neu erschienene Werke. 231 


Tessin-Bützow, G. Rotatorien der Umgegend v. Rostock. [Aus: 
„Archiv der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.“) 80 
42 pp. Mit 2 Doppeltaf. Opitz & Co. Güstrow, 1890. 

Voigt, M. Die technische Produktion und die bezüglichen römisch- 
rechtlichen Erwerbtitel. |Aus: „Abhandlungen d. kgl. sächs. Ge- 
sellsch. d. Wissenschaften.“]| 8%. 42pp. Hirzel. Leipzig, 1889. 

Wasmann, E. Vergleichende Studien über Ameisengäste und Ter. 
mitengäste. |Aus: „Tijdschr. voor Entomologie.*] 8%. p 27—97. 
Mit 1 lith. Taf. u. 1 Bl. Erklärg. Nijhoff. Haag, 1890. 

Westerlund, C. A. Fauna der in der paläaretischen Region leben- 
den Binnenconchylien. VII. Malacozoa acephala. 8%. 319, 16 u. 
Reg. 15pp. I. Suppl. 179pp. Friedländer & Sohn. Berlin, 1590. 


Botanik. 


Beyer, H. Die spontanen Bewegungen d. Staubgefässe u. Stempel. 
80. 56pp. Warnke. Colberg, 1889. 

— — Bibliotheca botaniea. Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete 
der Botanik. Herausgegeben von F.H. Haenlein u. Chr. Luerssen. 
17. Heft. 2. Hälfte. Bestäubungseinrichtungen bei den Pilanzen von 
A. Schulz. 18. Heft. Gewebeelemente der Farne von G. Walter. 
40. XI, 224 u. 21pp. 3 Farbendr.-Taf. Fischer. Cassel, 1890. 

Bonavia, E. The cultivated Oranges and Lemons of India and 
Ceylon. 2vols. 80% London, 1890. 

Britzelmayr, M. Hymenomyceten aus Südbayern. IX. Thl. 80, 
34pp. Mit 64 color. Taf. Friedländer & Sohn. Berlin, 1890. 

v. Ettingshausen, Ose. u. Fr. Krasan. Beiträge z. Erforschung 
der atavistischen Formen an lebenden Pflanzen und ihrer Bezieh- 
ungen zu den Arten ihrer Gattung. II. Folge. [Aus: Denkschriften 
der königl. Akademie der Wissenschaften] 4%. 35pp. Tempsky. 
Wien, 1888. 

— — — — Beiträge zur Erforschung der atavistischen Formen an 
lebenden Pflanzen und ihrer Beziehungen zu den Arten ihrer Gat- 
tung. III. Folge. [Aus: „Denkschriften der königl. Akademie der 
Wissensch.“] 4°. 22pp. Mit 8 Taf. in Naturselbstdr. Tempsky. 
Wien, 1390. 

Haberlandt, G. Das reizleitende Gewebesystem der Sinnpflanze. 
8° 111, STpp. Mit 3 lith. Taf. Engelmann. Leipzig, 1890. 

Karsten, H. Gesammelte Beiträge zur Anatomie und Physiologie 
der Pflanzen. II. Bd. 4°. VI, 312pp. Mit Abbildung. u. 4 Taf. 
F:iedländer & Sohn. Berlin, 1890. 

v. Martius, C. F. Ph., A. W. Eichler et Ign. Urban. Flora bra- 
silensis. Enumeratio plantarum in Brasilia hactenus detectarum 
quas suis aliorumque botanicorum studiis descriptas et methodo 
naturali digestas, partim icone illustratas edd. Fasc. 107. Fol. 
172 Sp. Mit 50 Taf. [Leipzig, F. Fleischer] Monachii, 1890, 


238 Neu erschienene Werke. 


Nyman, C. F. Conspeetus florae europaeae. Supplementum II. Pars 
I. Additamenta. Emendationes. Observationes. 8°. III, 224pp. 
|Berlin, Friedländer & Sohn.] Oerebro, 1839. 

Schulze, E. und E. Steiger. Untersuchungen über die stickstoff- 
freien Reservestoffe der Samen von Lupinus luteus und über die 
Umwandlungen derselben während des Keimungsprocesses, [Aus- 
„Landwirthsch. Versuchs-Stationen.*] 8%. p. 391—476. Parey. 
Berlin, 1889. 

Ward, H. M. Diseases of Plants. 8°. 196 pp. London, 18839. 

Zahlbruckner, A. Prodromus einer Flechtenflora Bosniens und der 
Hercegovina. [Aus: „Annalen des k. k. naturhistorischen Hof- 
museums.*] 8° 30pp. Hölder. Wien, 189%. 

Zimmermann, A. Beiträge zur Morphologie und Physiologie der 
Pflanzenzelle. 1. Heft. 8%. VII, 79pp. Mit 2 Doppeltaf. in Far- 
bendruck, Laupp. Tübingen, 1890. 

Zimmermann, O.E.R. Die Bakterien unserer Trink- und Nutz- 
wässer, insbesondere des Wassers der Chemnitzer Wasserleitung. 
I. Reihe. [Aus: „Bericht der naturwissenschaftlichen Gesellschaft 
zu Chemnitz.*] 8°. 106pp. Bülz. Chemnitz, 15%. 


Verlag von C. E. M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle- Saale. 


Aretaeus, Des Kappadocier, auf uns gekommene Schriften. Aus dem 


Griechischen übersetzt von Prof. Dr. Mann. AM L.— 
Bischof, F., Bergrath, Die Steinsalzwerke bei Stassfurt. 2. umge- 
arbeitete Auflage. Mit Abbildungen und 1 Karte. AM 3.60 
Dreher, Dr. Eugen, Der Darwinismus und seine Consequenzen in 
wissenschaftlicher und sozialer Beziehung. AM 2.25 


— Beiträge zu unserer modernen Atom- und Molekular- Theorie 
auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der 
Chemie. 2. Die Spektralanalyse. 3. Die Ursache der Phosphor- 
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei 
Spektren im Lichte. (Das eigentliche Lichtspektrum, das 
Wärmespektrum und das chemische Spektrum). M 2.25 


— Beiträge zu einer exakten Psycho-Physiologie. 1. Ueber das 
Wesen der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension 
des Raumes. 3. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit. 
4. Studien am „Lebensrad* behufs eines richtigen Verständ- 
nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der 


Farbenwahrnehmung. A 2.— 

— Ueber den Zusammenhang der Naturkräfte. 1.20 
Drossbach, M., Ueber Kraft und Bewegung im Hinblick auf die Licht- 
wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. AM 2.40 

— Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Ge- 
schehens in der Welt. Al 1.80 


Durdik, J., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der 
Welt auf Grundlage der positiven Ergebnisse der Philosophie 
und der Naturforschung. AM 1.— 


Giebelhausen, San.-R. Dr., Der Berggeist. Ernste und heitere Mittheil- 
ungen aus Manfelds Vor- und Neuzeit in Volksmundart. 120 S. 


A 1,50 

— Die Trichinen-Gefahr. Ein frisches, ehrliches Wort in altmansf 
Weise. 88. A —,10 

— Eine mansfeldsche Stimme. AM —,10 


Girard, Prof. Dr., Geologische Wanderungen. I. Wallis, Vivarais, 
Velay. 2. Auflage. Nebst Karten, Profilen und Ansichten. 
M 3.— 


Grouven, Dr., Meteorologische Beobachtungen nebst Beobachtungen 
über die freiwillige Wasserverdunstung und über die Wärme 
des Bodens in verschiedenen Tiefen, angestellt im Jahre 1863 
zu Salzmünde auf der Versuchs-Station des landwirthschaftl. 
Central- Vereins der Provinz Sachsen. Mit 4 Tafeln. 4 1.— 


Köhler, Prof. Dr., Die lokale Anaesthesirung durch Saponin. Experi- 

mental.-pharmakolog. Studien. Mit 2 Tafeln (in qu. u. gr. fol.) 

HM 3.15 

— Chemische Untersuchung über die fälschlich Hirnfette genannten 
Substanzen und ihre Zersetzungsproducte. Mit Abbildungen. 

AM 2.40 

— Ueber Werth und Bedeutung des sauerstoffhaltigen Terpentin- 

öls für die Therapie der acuten Phosphorvergiftung. Nach 

klin. Beobacht. und physiolog.-chem. Experimenten. A 1.60 


Verlag von C. E. M. Pfeffer (R. Siricker) in Halle- Saale. 


Liederbuch für Berg- und Hüttenleute. Herausgegeben vom Berg- und 
Hüttenmännischen Verein zu Berlin. 5. Auflage. cart. .4 1.20 


Luftblasen. Von Veratrinus Leuchtkäfer, der Arzmeigelahrtheit Doctor. 
(Geh. Rath Dr. Flemming.) 1. Naturwissenschaft vor dem 
Richterstuhle der Ethik. 2. Ideen zur Diagnostik der Charla- 
tanerie und Kryptiatrik. 3. Homöopathische Studien. .Z 1.50 


Ochsenius, Bergingenieur C., Die Bildung der Steinsalzlager und ihrer 
Mutterlaugensalze unter specieller Berücksichtignng der Flötze 
von Douglashall in der Egeln’schen Mulde. Mit Abbildungen 
und Karten. M 6.— 


Pressense, Edm., Die Ursprünge. Zur Geschichte und Lösung des 
Problems der Erkenntniss, der Kosmologie, der Anthropologie 
und (des Ursprungs der Moral und der Religion. Deutsch von 


E. Fabarius. 2. Auflage. U 4.50 
Schellwien, Robert, Optische Häresien, Ü 2.50 
— Optische Häresien erste Folge und das Gesetz der Polarität. 
U 2.60 

Schröter, Dr., Die Gemüthsleiden, ihre rechtzeitige Erkennung und 
Behandlung. A 2.50 


Vollert, Bergassessor, M., Der Braunkohlenbergbau im Oberbergamts- 
bezirk Halle und in den angrenzenden Staaten. Nebst ciner 
Uebersichtskarte von den Braunkohlen - Ablagerungen im Ober- 


bergamtsbezirk Halle. UM T.— 
Waldmann, Oberstabsarzt Dr., Die Behandlung der Tabes-Krankheiten, 
als Anhalt für Aerzte und Kranke. M 3.— 
erachtet etc Ye Kactectart: dla tele 
ET FE TEE TEE TEE TEEETERTES RETTEN TE TEE EEE TE EEE TE SCENE TE EEE ER 


Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. 
(Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) 


Soeben erschien: 


Die Geschichte der Physik 


in Grundzügen mit synchronistischen Tabellen der 
Mathematik, der Chemie und beschreibenden Naturwissen- 
schaften, sowie der allgemeinen Geschichte 
von Dr. Ferd. Rosenberger. 


Dritter Theil. Geschichte der Physik in den letzten hundert 
Jahren. gr. 8. geh. 
II. Abtheilung. (Schluss) Preis 10 Mark 40 Pf. 


(Drei Theile complet. Preis 28 Mark 50 Pf.) 


FERREEERTERRFRTTTRETRRPTRTERT 


Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei in Halle (Saale). 


) ah, neh Be Zoologie . ... 
tschli, ‚Ueber den Bau der Bacterien und verwandter Orga 


- nismen. se ala. Yan“ 
Dr. Eug. Dreher, Der Hypnotismus, seine Stellung zum Aber- VE SER 
nn - glauben und zur Wissenschaft . . EN IRERT 

Prof. Dr. Anton Frits ch, Fauna der Gaskohle und Kalksteine N 5 
- der Permformation Böhmens . RT BEN N A A 
 Gay-Lussaec, Untersuchungen über das Jod ı 204° 
 Oecon. -Rath R. Gö the, .. Bericht der Königl. Lehr- Anstalt für 
Obst- und Weinbau zu Geisenheim 1 Kelle > Pr DR 
Prof. Dr. F. Götte, Entwickelung des ‚Flussneunauges A BArE? ih 5, 
-@. v. Hayek, Handbuch der Zoologie . . . 217 
= C. Houzeau u. A. Lancaster, Bibliographie senerale de 
u.’ Pastronomie .. x Re Re ER 
Hatschek, Lehrbuch der Zoologie EEE N NONE TAN) 
John, Bohrende SEBIeoh se ee un aan ran 0 22% 
- Igelström, Pyrrhoarsenit . . .. - ARE) 


‚De. J. Klein, Elemente der forensisch- chemischen Analyse .. 205 
Liebenmann, Die Schimmelmyeosen des menschliehen Ohres 226 
. Ferd. Maack, Zur Einführung in das Studium des Hypnotismus 


; f und thierischen "Magnetismus . . . 199 
Prof. Dr. Ostwald, Classiker der exacten Wissenschaften . .. 203 
Prof. Ira Remsen, "Grundzüge der theoretischen Chemie. . . 205 a 


Roscoe u. Schorlemm er, Ausführliches Lehrbuch DI. . .#. 206 
Carl Schaedler, Untersuchungen der Fette, Oele etc. Se 
Dr. G. Schneidemihl, Thiermedieinische Vorträge . 225 
7 G. Voigt, Die Geistesthätigkeit des Menschen und "dieine- 

-  ehanischen Bedingungen der bewussten Empfindungs- 

de äusserung auf Grund einer einheitlichen Weltanschauung 200 
i Dinseibe Das Empfindungsprineip und die Enstehung des 

a Lebens auf Grund eines einheitlichen Substanzbegriffs . 200° 
Neu ee Werke EEE TEEN DR AFP] 


2 


Bertag von Ferdinand Enke in Stu 


Eoeben eridien: 


ursthetik Dr an 

Tür a 

&ünfler, Ynturkundige, Lehrer, Gärtner, Land- und. 
Forkwirthe, Reifende, Geiftliche, 


jowie 
für Sreunde der KHatur bh 
ausgearbeitet von | 
Ernft Haflier. 
Mit vielen Holzichnitten im Text und fünf Farbentafeln. 
gr. 8. Gcheftet 10 Mack. Elegant gebunden 11 Alark. 


Da3 geheimnisvolle Walten, die Erhabenheit und Schönheit der 
Natur ergreifen jedes empfängliche Gemüt und gewähren ıhm eine 
unerichöpfliche Quelle der reiniten Freuden. Mit Hecht wandern all- 
jährlich Taufende von Menfchen hinaus in Wald und Gebirae, um 
den Sorgen des Alltagsleben zu entfliehen. Unfer Peritändiis fir 
die Schönheiten der Natur und damit auch unjer Genub jteigern ih 
jedoch mit der Bereicherung unjerer Naturerfenntnts. Das vorliegende 
Werf nun fol dem Naturfreund al3 Begleiter auf jeinen Ausflüger 

und Neifen dienen. Dasjelbe eignet fich vermüge feiner anziehenden 
gemeinveritändlichen Schreibweile und jeiner veichen an ganz 
bejonder8 auch zu Gejchenfen. 


Glafer’s 


Tafden- Wörterbuh 


für Botanifer um alle Freunde der Botanif. 
Alpbabetiihes Berzeid.nis aller wichtigeren (über 5000, Pflanzen 
nebit Beihreibung und Nantenserflärung (griech., lateinifdh, beutjh).. 


Ziteratur. Spesialbotanik, 
500 Seiten Jtark, hüblc gebunden 5 Hlark. 


Berlag von T. O. Weigel Nachf., <eipjig- 


Gebauer-Schwetschke'sche Buchdruckerei in Halle (Saale). 


Prof, Dr. ®: Schmidt und Prof De Wo 


_ 


herausgegeben von 


5 Dr. ©; Luedecke; 


Professor an der Universität Halle, 


eo3. Band. 
(Fünfte Walze. Brster Ban 
‚Viertes und fünftes, Heft. 


4 


Ausgabe für. Vereinsmitglieder. 


N 


-2@ Mit zwei Tafeln @&- 


Halle- Saale 
& EB: M. Pfeffer (Robert Stricken). 
1890. 


Inhalt. 


IL Abhandlungen. 


3 Dr. Leopold Böttger, Geschichtliche Darstellung unserer Kennt- 


niss und Meinungen von den Korallenbauten . ... 


Priyatdocent Dr. Schmidt in Halle, Die Einwirkung des Blitz. : 


schlages auf verschiedene Baumarten. . 
r. Wohltmann in Göttingen, Eir Beitrag zu den Muschelbergen, 


'Sambaquis, an der Ostküste Baus Mit Tafel IV u.V E 


1. Sächsisch. Titürafsche Literatur. 


Cesaro, Ueber das ditetragonale Prisma am 'Apophyllit von >» 
St. Andreasberg . ... RR N BERNER, 


Prof. Dr. W. Dames, Anarosaurus pumilio nov. gen. nov. spec. 


- Friederich, Naturgeschichte der deutschen Vögel. . 
Dr. Koch in Berlin, Geologische Aufnahmen im N. ©. Theile ER 


des Blattes Zellerfeld . RE 


Prof. Dr. K. A. Lossen, Geologische Aufnahmen im Brocken- 


Massiv und bei Harzbur Dr 5 


Prof. Pieard in Sondershausen, Ueber Base seltene Petre- 


facten aus dem Muschelkalk 3 er 
Russ, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres . . 


‚Leop. Scheidt, Vögel unserer Heimath . . . . 2 ; 


Prof. Dr. Schreiber in Magdeburg, Glaeialersch einungen in 


Magdeburg. . RN 


H. Schucht, Geologie des Ockerthals . Eh 


Dr. Zimmermann, Geologisches vom nördlichen Thüringer : 


le Aufnahmen auf Blatt Crawinkel . ER 


IM. en: ikea 


Bessel, Untersuchungen über die Länge des ask 


W. Büchner, Zwei Materien mit 3 Fundamentalgesetzen . . 

Dr Doliarius, Janus, ein immerwährender Datumweiser 
für alle Jahrhunderte . . . i 

Dr. Eb. Fraas, Geologie in kurzem Auszuge tür Schulen. und 
zur Selbstbelehrung 


Dr. A. B. Frank, Prof. an der Kgl. Laudwirthschaftl. Hoch 


schule, Lehrbuch der Pflanzenphysiologie mit a 


Berücksichtigung der Eulturplanzen 7. ann. were 


Gauss, Allgemeine Flächentheorie 


Geschichtliche Darstellung 
unserer Kenntnisse und Meinungen von den 
Korallenbauten. 


Von 


Leopold Böttger. 


| Einen Gegenstand der Natur einer historischen Unter- 
suchung unterwerfen, heisst den Beziehungen nachgehen, 
die sich zwischen ihm und dem Menschen im Laufe der 
Zeiten entwickelt haben. Infolge der doppelten Art unseres 
Erkennens tritt der Mensch an einen Gegenstand in zwei- 
facher Weise heran, indem er ihn sowohl mit seinem äussern 
als auch mit seinem innern Sinne betrachtet. Jener giebt 
ihm Aufschluss über das Sein, dieser über das Werden 
des betrachteten Objects, der erstere verschafit ihm seine 
Kenntnisse, der letztere seine Meinung über den Gegen- 
stand. Diese beiden Ansehauungsformen der Naturgegen- 
stände, die man die positive und die genetische nennen 
kann, laufen aber nicht unverbunden nebeneinander her, 
sondern die eine beeinflusst stetig die andere. Mit wachsen- 
der Verfeinerung der äussern Erfahrung verändert sich der 
Zustand der innern und dieser wirkt wieder auf die Be- 
trachtungsweise des äussern Sinnes ein. Die Entwicklung, 
welche der Zustand der menschlichen Erfahrung oder mit 
andern Worten der unseres Selbstbewusstseins durchläuft, 
lässt drei Hauptabschnitte erkennen. Der ursprüngliche Zu- 
stand des menschlichen Bewusstseins ist der, in welchem 
der Mensch sein ganzes Thun von seinem Willen allein 
abhängig fühlt und die ihn umgebenden Naturgegenstände 
mit einem dem seinen gleichen oder ähnlichen Geiste be- 
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 16 


242 Leopold Böttger: 


seelt denkt. Diese Art der Naturauffassung ist die ani- 
mistische genannt worden. So lange sie herrschend blieb, 
konnte die Kenntniss von den Naturgegenständen nur eine ganz 
oberflächliche sein, denn die nähere Betrachtung der Objecte 
musste aus Furcht vor dem in ihnen wohnenden rächenden 
Geiste verzögert werden. Hatte die reifende Erfahrung aber 
endlich das Unbegründete der animistischen Naturbe- 
trachtung dargethan, so konnte man der Natur unbefangener 
gegenübertreten und die Kenntniss der Objecte musste rasch 
gefördert werden. Die Naturauffassung wird infolge dessen 
jetzt zur theologischen, bei der man sich an Stelle der 
vielen Einheiten der animistischen Auffassung eine ein- 
zige denkt, die den einzelnen Naturgegenständen als Schöpfer 
gegenübertritt. Da sich auch in dieser Periode die gene- 
tische Form der Anschauung von vornherein in einem festen 
Geleise bewegt, so konnte sich auch das bis jetzt erreichte 
Maass unserer positiven Erfahrungen nur langsam ändern; 
denn der einzige Antrieb für den Menschen, seine Kennt- 
nisse zu vermehren, bildet allein noch ihre praktische Be- 
deutung. Nur ganz allmählich geht daher die dritte Art 
der Naturauffassung aus ihr hervor, die causale Natur- 
betrachtung, welche für jeden Gegenstand eine sich bei 
allen Objeceten nach denselben Gesetzen vollziehende Ent- 
wicklung postulirt, die uns seine Eigenschaften und Merk- 
male begreifen lehrt. In dieser Periode beginnt die wissen- 
schaftliche Beschäftigung mit den Gegenständen. 

Da die verschiedenen Arten der Naturauffassung zu 
gleichen Zeiten bei verschiedenen Völkern herrschend sein 
können, ja bei einem und demselben Volke gleichzeitig 
durch verschiedene Individuen vertreten werden, so werden 
für verschiedene Öbjecte die Zeitanfänge jener Perioden 
auseinanderfallen. In der Geschichte der Kenntnisse und 
Meinungen von den Korallenbauten beginnt die erste Periode 
mit dem Bekanntwerden des Menschen mit diesen Bauten, 
die zweite Periode muss ihren Anfang mit dem intensiven 
Betrieb der Schifffahrt genommen haben, die dritte wird 
durch die Beobachtungen eingeleitet, welche Reinhold 
Forster auf seiner Reise um die Welt in den Jahren 
1772 — 1775 machte. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 243 


I. Die animistische Auffassung der 
Korallenbauten. 


Suchen wir nach Zeugnissen für die animistische Auf- 
fassung der Korallenbauten, so können wir solche, da die 
Korallenriffe erst später als eine selbständige Riffgruppe 
erkannt wurden, nur als Analogien zur Auffassung von 
Riffen überhaupt finden. Es ist nun eine bekannte That- 
sache, dass uns die Riffe in den Mythen der Kulturvölker, 
welche bis jetzt die einzige Quelle zu sein scheinen, aus 
der man für den vorliegenden Fall schöpfen kann, als See- 
ungethüme entgegentreten, die, sobald die Ebbe die Riff- 
fläche trocken legt, ihr gewaltiges Haupt aus dem Meere 
zu erheben scheinen, und wenn die Flut die Wellen an ihre 
Ufer treibt, so dass das Wasser hoch emporspritzt und ge- 
fährliche Wirbel erzeugt, ihren gähnenden Rachen aufsperren 
und alles zu verschlingen drohen. Eine solche Vorstellung 
musste sich bei Betrachtung eines Korallenriffs um so nach- 
drücklicher und überzeugender aufdrängen, als das Wasser 
um seine Ränder in fast nie ruhender Thätigkeit ist und 
seine Nähe für ein Schiff wegen seiner vielzackigen, aus 
widerstandsfähigem Fels bestehenden Köpfe sehr gefähr- 
lich werden kann. 

Wo die Riffe in den Sagen der Natur- oder Kulturvölker 
mit weiteren Attributen lebender Wesen als die eben an- 
geführten ausgeschmückt sind, wie das z.B. beim Lurelei- 
felsen der Fall ist, scheint es sicher, dass wir nicht Er- 
zeugnisse ursprünglicher, allgemeiner Anschauungen, sondern 
die dichterische Phantasie Einzelner vor uns haben; hat 
doch die dichterische Thätigkeit so vielfach an der Aus- 
gestaltung einfacher Naturerscheinungen mitgewirkt. 


II. Geschichte unserer Kenntnisse 
von den Korallenbauten bis zum Jahre 1778. 


War endlich bei zunehmender Vertrautheit mit der 
Schifffahrt der Irrthum in der Auffassung der Riffe berich- 
tist, war die anorganische Natur der Riffe erkannt, so 
musste man darauf bedacht sein, sich weitere Kenntnisse 

16* 


244 Leopold Böttger: 


von ihnen zu verschaffen, um sie eines Teils ihrer Gefähr- 
lichkeit zu entkleiden; man suchte daher ihre Ortslage 
und Ausdehnung festzustellen. Hie und da wurden jeden- 
falls auch Untersuchungen über die Tiefe des umgeben- 
den Wassers angestellt. In vielen Fällen, insbesondere 
bei den Riffen des hohen Meeres, blieb es allein bei einer 
Ortsbestimmung, die bei der Unzuverlässigkeit der Instru- 
mente und Methoden früherer Zeiten auch noch auf sehr 
schwankendem Grunde ruhte. Sehr viele dieser Beob- 
achtungen, die, wenn sie mit wissenschaftlicher Genauigkeit 
ausgeführt worden wären, ein höchst schätzbares Material 
abgegeben hätten, sind vollständig unbrauchbar. An vielen 
Punkten, an denen ältere Karten Riffe aufweisen, oder an 
denen früher Seeleute Riffe beobachtet zu haben glaubten, 
hat man später keine Spur eines solchen gefunden, und in 
Gegenden des Meeres, die nach den Angaben verschiedener 
Seefahrer mit einer grösseren Anzahl von Riffen durchsetzt 
sein mussten, entdeckte eine eingehende Untersuchung nur 
eine geringe Zahl von Untiefen und Bänken.!) Auch die 
Ungenauigkeit der Einzelformen in den älteren Seekarten 
hat diese Anhäufung von Riffen und Inseln mit herbei- 
geführt. Ein weiterer Grund für das so oft erfolglose 
Suchen unserer Vermessungsschiffe ist in Luftspiegelungen 
gleich der fata morgana zu suchen, welche Riffe an Orten 
erscheinen lassen, wo in Wirklichkeit keine sind. Auch 
Täuschungen anderer Art sind mit im Spiel. So schreibt 
Corvettencapitän Plüddemann auf einer Fahrt in der Süd- 
see: „Am 28. bei Sonnenuntergang trat wiederum die Er- 
scheinung eines ausgedehnten Riffes mit gelblichgrünem 
Wasser und deutlich zu unterscheidenden mehrfachen Bran- 
dungslinien auf. Sämmtliche Officiere waren überzeugt, dass 
es wirklich ein Riff sei. Erst nachdem einige in Topp ge- 
gangen waren, erkannten sie die Augentäuschung. Solchen 
Erscheinungen sind vielleicht die mehrfach wiederkehrenden 


1) Anmerkung. So lotete das englische Vermessungsschiff 
Egeria im Jahre 1889 vergeblich nach acht auf den Seekarten des 
grossen Oceans eingetragenen Untiefen. (Annalen der Hydrographie. 
1839. S. 480.) 


Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 245 


Meldungen über neu entdeckte Riffe, welche später aber 
nicht wieder aufgefunden werden können, zuzuschreiben. 
Ein Kauffarteischiff unter Segel wird, sobald es eine solche 
Erscheinung bei dem dann stets schwach wehenden Winde 
bemerkt, machen, dass es aus der unheimlichen Nähe 
kommt und dem Spuk nicht zu Leibe gehen. Solchen 
Meldungen ist nur dann Glauben zu schenken, wenn ge- 
nügend Wind vorhanden war, um keine Sulenone: en auf- 
kommen zu lassen.') 

Da in früheren Jahrhunderten ausschliesslich Segel- 
schiffe in Gebrauch waren, so wird während dieser Zeit 
eine Controlle der Erscheinungen viel seltener vorgekommen 
sein als jetzt. Daher werden auch selten andere Beob- 
achtungen als die der Ortslage des Riffes gemacht. Wo es 
dennoch geschieht, ist es die grosse Nähe des Riffes an 
der Küste und seine Lage in einem vielbesuchten Meeres- 
theil oder ein unfreiwilliger Aufenthalt auf dem Fels, welcher 
zu einer eingehenden Untersuchung veranlasste. Von diesen 
Untersuchungen blieben aber sicherlich viele unveröffent- 
licht, da man seinen Mitbewerbern im Handel nicht die 
Wege zu seinen Erfolgen zeigen wollte. So kommt es, 
‘dass wir trotz der zahlreichen und grossen Seefahrten, 
welche im 15. und 16. Jahrhundert unternommen wurden, 
nicht viel über unsern Gegenstand vernehmen. Es ist das 
eine um so auffälligere Thatsache, als das rothe Meer, 
welches schon im Alterthum einen wichtigen Handelsweg 
bildete und lebhaften Seeverkehr erzeugte, reichlich mit 
Korallenbauten ausgestattet ist. Aber weder scheint eine 
eingehende Beschreibung noch eine genaue Karte dieser 
Bauten aus dem Alterthum oder dem Mittelalter zu existiren. 
Wenn Plinius schreibt: „Rubrum (seil. mare) enim et totus 
Orientis oceanus refertus est sylvis,“2) so erfahren wir nur, 
dass die Riffe eine vielzackige, zerrissene Oberfläche auf- 
weisen. Erst aus dem Jahre 1540 haben wir eine gute 
Beschreibung des Fahrwassers, der Inseln und Riffe des 
rothen Meeres von Dom Juan de Castro, welchereine portu- 


1) Annalen der Hydrographie. B. 14. S. 474. 
2) Plinius, hist. nat. LXXXII e. 2. 


246 Leopold Böttger: 


giesische Flotte durch dieses Meer begleitete. Da mir nur 
ein Auszug!) seines Werkes zur Verfügung stand und dieser 
vielfach so mit Notizen des Herausgebers durchsetzt ist, 
dass man nicht unterscheiden kann, was von ihm und 
welche Beobachtungen von Dom Juan de Castro herstammen, 
so habe ich nicht viel mehr daraus entnehmen können, als 
dass de Castro die Haupteigenthümlichkeit der Riffe in 
jenem Meerestheil, einen schiffbaren Kanal mit dem Land 
einzuschliessen, erkannte. Die Anwesenheit von Korallen 
auf den Riffen fasste er jedoch wohl nur als eine Begleit- 
erscheinung, aber nicht als causa efficiens auf. Dasselbe 
gilt von Pyrard, welcher sich von 1601 — 1611 auf den 
Malediven aufhielt und der der erste zu sein scheint, welcher 
uns näher mit Koralleninseln und Riffinseln des offenen 
Meeres bekannt macht.2)°?) Er schreibt über das Vorkommen 
von Korallen: „Man begegnet hier auch einer Menge von 
Zweigen einer grossen Koralle, die aber rauh und porös 
ist,“) (nämlich im Gegensatz zur Edelkoralle). In seinem 


1) Histoire generale des voyages. Tome I. Paris 1744. S. 199. 

2) Histoire generale des voyages. Tome VIII. Paris 1750. S.242. 

3) Dass schon vor Pyrard Beschreibungen von Atollen nach 
Europa gekommen sind, scheint mir aus der Beschreibung der Insel 
Utopia gefolgert werden zu können, die Thomas Morus in seiner 
Schrift „De optima statu rei publicae de que nova insula Utopia, 
Löwen“, 1516 giebt. Die Insel Utopia hat nach Morus die Gestalt 
eines Mondviertels, dessen Hörner ungefähr 1100 Schritte weit ent- 
fernt sind. „Dies ungeheure Bassin,“ heisst es weiter (Utopia von 
Thomas Morus, Deutsch von Hermann Kothe, Universalbibliothek von 
Reclam, No. 513 u. 514, 8. 55) „wird vom Meere ausgefüllt; die 
dasselbe amphitheatralisch begrenzenden Länder brechen hier die 
Wuth der Winde, besänftigen die empörte Woge und geben dieser 
grossen Wassermasse den Anschein eines ruhigen Sees. Dieser aus- 
gehöhlte Theil der Insel gleicht einem einzigen, äusserst geräumigen 
und von allen Seiten zugänglichen Hafen. Die Einfahrt in den Meer- 
busen ist wegen der Sandbänke auf der einen und der Klippe auf 
der andern Seite gefährlich. In der Mitte erhebt sich ein Felsen, 
der in bedeutender Ferne gesehen wird und deshalb durchaus unschäd- 
lich ist. Andere unter dem Wasser verborgene Felsen legen den 
Schiffen unvermeidliche Schlingen. Nur die Eingeborenen kennen die 
fahrbaren Stellen. — Traditionen zufolge, die übrigens in der geo- 
graphischen Gestalt des Landes vollkommen Bestätigung erhalten, 
war dasselbe nicht immer eine Insel.“ 

4) a. a. 0. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 247 


Berichte zeigt er, dass er alle characteristischen Merkmale 
der Riffe des offenen Meeres richtig erfasst hat. Er be- 
richtet: „Sie (die Malediven) sind in 13 Provinzen getheilt, 
welche man Atolle (Atollon im französischen Original) nennt, 
welche Theilung das Werk der Natur ist, denn jedes Atoll 
ist vom andern getrennt und enthält selbst eine Anzahl 
Inseln. Es ist ein wunderbarer Anblick, jedes Atoll 
von einer Steinbank umgeben zu sehen. Sie sind beinahe 
rund oder von ovaler Figur und sind von einander durch 
mehr oder weniger breite Kanäle getrennt. Das Wasser 
innerhalb jedes Atolls ist bis zu 20 Brassen (48,72 m) tief. 
Die Oeffnungen durch das Riff sind nicht sehr gross und 
jede ist von zwei Inseln begleitet.!) Das Wasser läuft in 
ihnen sehr schnell.“ Das Wasser in der Lagune schildert 
er richtig als klar, so dass man den sandigen und steinigen 
Grund sieht. Doch befinden sich in ihm eine grosse Menge 
Untiefen, welche der Schifffahrt hinderlich sind und sie sehr 
gefährlich machen. Die Tiefe der Kanäle soll nach ihm 
so gering sein, dass man während der Ebbe von einer 
Insel zur andern, ja von einem Atoll zum andern gehen 
kann und „die Einwohner“, fügt Pyrard hinzu, „würden 
keine Schiffe nöthig haben, um sich zu besuchen, wenn sie 
nieht menschenfressende Fische und die spitzen, scharfen 
schneidenden Felsen fürchteten.“ Die Angabe über die 
geringe Tiefe der die einzelnen Inseln eines Atolls schei- 
denden Kanäle widerspricht für die meisten den heutigen 
Zuständen. Noch viel weniger ist die gleiche Angabe für 
die Kanäle zwischen den einzelnen Atollen mit unserer 
Kenntniss von den Tiefenverhältnissen im Maledivenarchipel 
in Einklang zu bringen, da sie Tiefen bis zu mehreren 
Hunderten von Metern aufweisen. Entspräche Pyrards An- 
gabe wirklich den damaligen Zuständen, so müsste eine 
sanz beträchtliche Niveauveränderung stattgefunden haben, 


1) Die letzte Bemerkung ist in dieser allgemeinen Fassung ent- 
schieden nicht richtig, obgleich die erwähnte Erscheinung eine weit 
verbreitete und sicherlich mit der Entstehung der Riffinseln in Zu- 
sammenhang zu bringen ist. Vergleiche hierzu Hoffmann, „Wahr- 
nehmungen an einigen Korallenriffen der Südsee.“ Verh. d. Berl. 
Ges. f. Erdk. B. IX. 1882, S. 229. 


248 Leopold Böttger: 


was aber nicht gut anzunehmen ist, da dann die Inseln 
kaum noch über Wasser stehen könnten, denn es würde 
ein Wachsthum der Korallenthiere voraussetzen, welches 
jedes bis jetzt Beobachtete weit überträfe. Aber selbst die 
Möglichkeit eines solchen raschen Wachsthums zugegeben, 
so würde doch die Inselbildung nicht mit ihm haben Schritt 
halten können. 

Noch an einer anderen Stelle macht Pyrard eine mit 
den Thatsachen in Widerspruch stehende Angabe, indem 
er bemerkt, dass jedes Atoll vier nach den Richtungen des 
Windes angeordnete Oeffnungen habe. 

Zutreffend dagegen sind seine Bemerkungen über die 
Veränderlichkeit der Inseln. „Ein grosser Theil dessen, 
was mit dem Namen Insel belegt wird, sind nur kleine 
Sandflecken, welche die Strömungen und Hochfluthen jeder- 
zeit benagen und davontragen. Sie stehen zur Fluthzeit 
theilweise unter Wasser und sind unbewohnt.“ !) 

Diese Mittheilungen über die Beweglichkeit der Ko- 
rallenriffe sind um so interessanter, als man dieser Er- 
scheinung erst in neuerer Zeit wieder Aufmerksamkeit 
geschenkt hat, sie gleichsam wieder neu entdeckte und 
ihren Einfluss auf unsere Anschauungen über die Bildung 
der Korallenriffe und -inseln erkannte. Pyrard ist übrigens 
nicht der erste, der uns davon Nachricht bringt. In einer 
indischen Handschrift, deren Entstehung vor das Jahr 1500 
gesetzt wird, befindet sich eine Stelle von dem alten Geo- 
graphen Biruni,?) welche denselben Vorgang von den 
Inseln der Laccadiven und der ganzen südlich davon ge- 
legenen Reihe beschreibt. „Les unes viennent de naitre; 
elles apparaissent sous la forme de monceaux de sable, qui 
grosissent, s’etendent et s’agglomerent en terres solides, 
tandisque d’autres s’ebranlent, se decomposent et se fondent 
peu a peu dans la mer. Quand les habitants s’apercoivent 
de l’insecurit&E du sol, qui les porte, ils se retirent dans 
quelque ile en voie de croissance, ils y transportent leurs 
eocotiers, leur palmier, leurs grains et leurs ustentiles et y 
etablissent leurs demeures. 


aaa). 
2) Journal asiatique, Ser. 4 Bd. 4. S. 265. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 249 


Elisee Reclus!) will in diesen Worten allerdings nur 
die Ausklänge jener alten Fabel von irrenden Inseln er- 
kennen, welche durch die schwache Erhebung und die 
Unsicherheit in der Schätzung der Zahl der Inseln ent- 
standen sein soll, aber wenn schon der Bericht des Biruni 
recht sagenhaft klingt. und sicherlich keine eigenen Beob- 
achtungen ihm zu Grunde liegen, so wird man in Rück- 
sicht auf die über die Veränderlichkeit der Inseln an zahl- 
reichen anderen Atollen gemachten Wahrnehmungen immer- 
hin annehmen dürfen, dass er nicht allein ein Erzeugniss 
der Phantasie ist, sondern auf Thatsachen ruht.) 

So waren bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts die beiden 
Hauptformen, in welchen Korallenriffe auftreten, beschrieben 
und auch die ihnen characteristischen Merkmale den Be- 
obachtern aufgefallen und hervorgehoben, nämlich das 
beiden gemeinsame Merkmal besonderer Gefährlichkeit für 
die Schififahrt wegen der spitzzackigen, aus hartem wider- 
standsfähigem Gestein gebildeten Ränder, sowie die lineare 
Anordnung der einen und die fast ringförmige der andern 
Riffe; aber doch war es noch nicht klar zum Bewusstsein 
gekommen, dass man in diesen Riffen selbständige Riff- 
formen vor sich hatte, welche einen ihnen eigenthümlichen 
Weg der Entwickelung zurückgelegt hatten. Am ersten 
musste diese Erkenntniss an den Atollen gewonnen werden, 
deren ringförmige Gestalt bei allen, die sie sehen, gerechtes 
Erstaunen hervorruft. Auch Pyrard erschienen die Atolle, 
wie schon oben bemerkt, als ein höchst wunderbares Werk 
der Natur und bei ihm finden wir auch den ersten Ver- 
such, wenn auch nicht die characteristische Gestalt, aber 


1) Elisee Reclus. Vol. 8. S. 615. 

2) Woods Angaben, welche ich hier folgen lasse, sprechen aller- 
dings für die Ansicht von Reclus. ‚They (die Eingeborenen der 
Laccadiven) denied,“ schreibt Wood, ‚to have been ever remarked 
any change in the general features of any single islet or even heard 
of their being at any period in a less forward stage of formation that 
appear at present, nor could I discover any tradition among which 
would lend even a colouring to this supposition (Journal of Geogr. 
Soc. London 1836). Birunis Bericht bezieht sich jedoch nicht allein 
auf die Laccadiven, sondern auf die ganze Atollreihe südlich von 
Indien. 


250 Leopold Böttger: 


doch die Entstehung der Maledivenatolle im Allgemeinen 
zu erklären. „Es sind viele Anzeigen vorhanden,“ so 
schreibt er, „dass alle diese Inseln auf einer grossen 
Steinbank stehen, so dass man denken möchte, dass es 
eine einzige Insel war, welche die Gewalt der Fluthen zer- 
schnitten hat.“!) 

So bedeutungslos dieser Erklärungsversuch auch er- 
scheint, so müssen wir uns doch vergegenwärtigen, dass 
er, so lange die Betheiligung der Korallen am Aufbau dieser 
Riffe noch nicht richtig erkannt war, von vorn herein ein 
unzulänglicher sein musste. Auch hat sich derselbe Ge- 
danke, selbst in unserm Jahrhundert, als man schon eine 
ziemlich gute Kenntniss von der Natur der Korallenriffe 
hatte, wieder geltend zu machen versucht. ?) 


Die früheste Bemerkung über das Auftreten der Ko- 
rallen als Felsmassen findet sich bei Linschoten’) in dem 
Jahre 1638. Ehrenberg‘) theilt uns mit, dass Linschoten 
die Bassas de India zum grössten Theil aus „pierre de 
corail“ zusammengesetzt hält und auch Korallenfels von 
der Küste von Madagaskar erwähnt. Ehrenberg bemerkt 
hierzu, dass aus der einfachen Form, in welcher diese 
Mittheilung geschieht, fast hervorgehe, dass schon in der 
Mitte des 16. Jahrhunderts der Name Korallenfelsen für 
Klippen des Südmeeres bei den Schiffern in gewöhnlichem 
Gebrauch gewesen ist, obschon er selbst keinen weiteren 
Beleg dafür zu geben vermöge. Der Umstand, dass Pyrard, 
wie oben gezeigt, über die Anwesenheit von Korallen nur 
ganz obenhin eine Bemerkung macht, ohne von Korallen- 
fels zu reden, scheint dieser Annahme nicht günstig zu 
sein. In die Gelehrtenwelt ist der Ausdruck Korallenfels 
sicherlich erst viel später gedrungen, denn la Croix kennt 
ihn in seiner Geographia universalis aus dem Jahre 1677 
noch nicht. Im andern Falle würden sich wohl auch aus 


1) Histoire generale des voyages. T. VIII. S. 242. 

2) Wilkes in Narrative of the U. St. Exploring Expedition. 
B. 4. S. 268. 

3) Histoire de la vavigation de Linschot. 1638. 

4) Abhandl. der Acad. d. Wissensch. z. Berlin 1832. Theil I. 
Gedruckt 1834. S. 394. 


Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 251 


dem 17. Jahrhundert noch andere Zeugnisse beibringen 
lassen, aber die nächste Bemerkung zu diesem Gegenstand 
findet sich, soviel bis jetzt bekannt, erst im Jahre 1702. 
Allerdings tritt die Erkenntniss von der selbstthätigen Bildung 
von Fels von Seiten der Korallenthiere dann auch viel be- 
stimmter und klarer auf. Strachan sagt nämlich: „Es 
wachsen zwischen den Korallenthieren immer neue auf, bis 
dass es an Dicke einem Felsen gleicht.“ !) 


Das späte Erkennen der felsbildenden Thätigkeit der 
Korallenthiere, insbesondere das so späte Eindringen dieser 
Erkenntniss in die wissenschaftlich gebildeten Kreise er- 
erklärt sich leicht daraus, dass man bis zum Anfang des 
18. Jahrhunderts die Korallenthiere für pflanzliche Gebilde 
hielt. Man kannte damals noch kein Beispiel dafür, dass 
sich Pflanzen am Aufbau der Erdoberfläehe betheiligen 
und von den Korallen konnte man dies um so weniger 
annehmen, als die weitverbreitete und schon von den Alten 
vertretene Anschauung herrschte, dass die Koralle erst 
ausserhalb des Wassers ihre steinharte Beschaffenheit an- 
nimmt, eine Anschauung, deren Grundlosigkeit darzuthun, 
Ehrenberg?) noch im Jahre 1832 für nothwendig hielt. 
Was für einen Eindruck der Anblick der die Riffe bildenden 
Korallen auf den Beschauer damals machte, das geht recht 
deutlich aus den schon oft angeführten?) Worten hervor, 
die Thomas Shaw, welcher im Jahre 1821 die Halbinsel 
Sinai besuchte, dem Riffbilde widmet. Er bemerkt,!) „das, 
was der Botanik an den Küsten Arabiens an den Klassen 
der Landpflanzen mangelt, ist reichlich durch Seepflanzen 
ersetzt, indem es vielleicht keinen Ort der Erde weiter 
giebt, der so reichliche Mengen davon enthält, als der Hafen 
von Tor,“ und er beschreibt dann die Korallen als Bäume, 
Sträucher und Seepilze mit Wurzeln und Blättern. Erst 
nachdem Peysonnel im Jahre 1727 und nach ihm mit mehr 


1) Strachan, in Philosophical Transactions. Vol. 23. 1702. 
S. 1248. S. auch Ehrenberg a. a. 0. 

2) Abh. d. Akad. a. a. O. 

3) a. a. 0. S. 381, auch Ritter, Erdkunde B. 16. S. 466. 

4) Shaw, Voyage, Traduction francaise. T. II. p. 5. 


292 Leopold Böttger: 


Erfolg Jussieu (1741), Guettard!) (1742) und Donati (1753) 2) 
festgestellt hatten, dass die Korallen dem Thierreiche zu- 
zuweisen sind,’) waren alle Hindernisse beseitigt, welche 
die Vertreter der selbstthätigen Felsbildung der Korallen 
fanden. Rasch gewannen dann auch ihre Ansichten von 
der Riffbildung Boden, wie aus den Berichten von Peter 
Forskal,*) welcher im Jahre 1742 mit Niebuhr das rothe 
Meer als Zoologe und Botaniker besuchte, hervorgeht. 

War der Gedanke von der Felsbildung der Korallen 
einmal in seiner ganzen Tragweite erfasst, so musste man 
die Riffe mit ganz andern Augen ansehen, und ihre Be- 
trachtung musste eine grosse Anzahl Fragen hervorlocken, 
die vorher unmöglich gewesen waren, besonders Fragen 
über die Wachsthumsverhältnisse der Thiere, über die Art 
ihrer Vermehrung, über das Wachsthun der Riffe selbst, 
über ihre Mächtigkeit und ihre Verbreitung. Einige dieser 
Fragen sucht denn auch Forskal zu beantworten. So 
schreibt er über die Grösse der Korallenstöcke: „Usque ad 
decem Orgyas vidi haec saxa surgentia“.°) An einer andern 
Stelle heisst es: „Montes coralliferi ab urbe Tor usque ad 
Ghonfadam ripas muniunt sub marinas densissime, post 
hane urbem versus meridiem rariores evadunt (an desinant 
plane, nescio), ita ut nautae quandumvis timidi et inexperti 
jam securis navigent velis nocturno quoque tempore. 
Suensia littora neseiunt corallia‘“. In diesen Worten schil- 
dert er, wie schon Ehrenberg hervorhebt,°) die allgemeine 
Verbreitung und die Erscheinung der Korallenriffe im rothen 
Meere in völlig zutreffender Weise. 


1) Die ersten Andeutungen der Thiernatur der Korallen (Polypen) 
fallen übrigens in eine weit frühere Zeit. Vergl. Rondelet: Universal 
aquat. historiae pars altera. 1555. S. 133. Conr. Gesner, (Historia 
animalium. Lib. IV. 1558. S. 438, 818, 1066.) Imperato, Historia 
naturale de ferrante imperato napolitano. 1590. S. 117. 

2) Leuckart, „Die Zoophyten, “im Archiv für Naturgeschichte 1375. 

3) Donati, Della storia naturale mari dell. Adriatico. Venez. 1753. 


4) Peter Forskal. Descriptio animalium, 1775. S. 132. 

5) a. a. 0. p. XXIX. 

6) Abh. der Academie der Wissensch. zu Berlin 1832. Gedruckt 
1834. T. I. S. 402. 


Geschichtliche Darstellung ete. der Korallenbauten, 253 


Eingehendere Studien über die Riffbildung konnte man 
jedoch auch jetzt noch nicht erwarten, wo der Gedanke 
der Thiernatur der Korallen den forschenden Geist auf die 
Thierform hinwies, auf die Form, die ihn so sehr ans 
Pflanzenreich erinnerte und die er doch als Thier denken 
sollte. Ein tieferes Verständniss der Gestaltsverhältnisse 
der Riffe hätte auch nur auf Grund der biologischen Eigen- 
thümlichkeiten der Korallenthiere gewonnen werden können, 
sowie mit Zuhilfenahme geologischer und maritimer Studien, 
welche fast alle gänzlich ausserhalb der Forschungsrichtung 
dieser Zeit lagen. Daher bringen uns auch die grossen 
Weltumsegelungen der damaligen Zeit, die von Byron, 
WallisundBougainville wenig mehr von den vielen Riffen 
des indischen und grossen Oceans als Allgemeines über 
ihre Erscheinung und Verbreitung. Freilich ein so ein- 
seitiges Interesse wie in dem vorhergegangenen Zeitalter 
bringt man den Riffen nieht mehr entgegen, musste doch 
die Ringform der Atolle jetzt um Vieles mehr an Be- 
wunderung gewinnen, insbesondere da es nicht mehr Aben- 
teurer waren, wie so vielfach im 16. und 17. Jahrhundert, 
die an der Spitze der Entdeckungsexpeditionen standen, 
sondern hochgebildete Männer. So offen die Augen aber 
auch den Erscheinungen auf dem Riffe folgten, se konnten 
sie doch nicht das finden, was nur ein längerer Aufenthalt auf 
ihnen zu erschliessen vermag. Die Flüchtigkeit, mit welcher 
alles an ihnen vorüberzog, die grosse Mannigfaltigkeit der 
Eindrücke, welche eine Erforschungsreise durch weite 
Strecken der Erdoberfläche mit sich bringt, alles das war 
mehr einer Stoffsammlung, als Verarbeitung günstig und 
musste die Blicke mehr auf das Allgemeine, als auf das 
Specielle lenken. 

Wir vernehmen daher jetzt nur, dass das, was Pyrard 
von den Malediven berichtet, die Charactere einer weit- 
verbreiteten Inselgattung sind, die ihre Vertreter fast in 
allen heissen Gegenden findet, ferner dass eines ihrer 
Hauptmerkmale in ihrer Niedrigkeit und geringen Aus- 
dehnung besteht, dass fast alle Riffe beinahe senkrecht wie 
eine Mauer aus einer unergründlichen Tiefe aufsteigen, 
bei Fluth in geringer Tiefe unter dem Spiegel des Wassers 


254 Leopold Böttger: 


liegen, bei Ebbe aber eine breite, trockene Fläche dar- 
stellen. 

Nirgends jedoch begegnet man in dieser Zeit einem 
Versuch, die Form der Riffe zu erklären. Der erste nach 
Pyrard, der uns mit einem solchen bekannt macht, ist 
Reinhold Forster,!) der wissenschaftliche Begleiter Cooks 
auf seiner zweiten Reise um die Welt in den Jahren 
1772—1775. Forster ist auch der erste, welcher die Korallen- 
bauten systematisch untersucht und einer wissenschaftlichen 
Betrachtung unterwirft. 2) 

Damit führt uns Forster in die dritte Periode der Ge- 
schichte unserer Kenntnisse von den Korallenbauten ein. 


III. Geschichte unserer Kenntnisse 
von den Korallenbauten vom Jahre 1778 bis zum 
Jahre 1837. 

Im Jahe 1778 erschienen Forsters Observations made 
duringavoyage round the world, worin der berühmte Reisende 
seine Ansichten über die Korallenbauten niedergelegt hat. 

Forster spricht zum ersten Male klar und deutlich aus, 
dass die Korallenbauten auf die heisse Zone beschränkt 
sind und fasst jene Grenzen als die ihrer Lebensbedingungen 
auf.”) Was er über die äussere Erscheinung der Korallen- 
inseln mittheilt, enthält nichts Neues, um so bemerkens- 
werther aber sind seine Bemerkungen über die Entstehung 
der Riffe und Riffinseln. „Das Riff,“ schreibt er,‘) „wird 
von den Lithophytenwürmern bis auf eine geringe Distanz 
von der Oberfläche des Meeres auferbaut. Die Wellen 
des Meeres spülen nach und nach allerhand Muscheln, Tang, 


1) Johann Reinhold Forsters „Observations made during a 
voyage round the world‘ erschienen als der dritte Band zu Cooks 
zweiter Reise. Von seinem Sohne Georg Forster wurde das Werk 
deutsch herausgegeben unter dem Titel: ‚Johann Reinhold Forsters 
Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt. 1783. 

2) Forsters Beobachtungen an Korallenriffen sind zusammen- 
gestellt und richtig gewürdigt von Rittauin Joh. Rittau: Joh. Forsters 
Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt. Programm des Gym- 
nasiums zu Hanau 1881. 

3) Rittau, a. a. 0. S. 6. 

4) Joh. R. Forsters Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt. 
Herausgegeben von G, Forster. S. 127. 


Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 255 


Korallenstücke, Sand und dergleichen auf diese neu erbaute 
Mauer, welche, durch alle diese Zusätze erhöht, zuletzt 
aus dem Wasser hervorsteigt. Noch fährt die See fort, 
neue feste Theilchen aufzuwerfen und führt, wenn es nicht 
ein Vogel thut, die Samen der Strandkräuter dahin. Das 
Wachsthum, die Fortpflanzung, das Absterben dieser orga- 
nischen Körper giebt endlich einen Vorrath von Pflanzen- 
erde, und nun fehlt es nur noch an einem glücklichen 
Zufall, der eine Kokosnuss herschwemmt, welche bekannt- 
lich ihre vegetirende Kraft sehr lange behält und in jeder 
Art des Bodens Wurzel schlägt. Auf diese Art können 
wir uns die allmähliche Entwicklung der schönsten Palmen- 
wälder auf allen niedrigen Eilanden denken.“ Alle neueren 
Beobachtungen haben diese Darstellung nur ergänzen können. 

Die Form der Atolle, die Forster zirkelförmig nennt, 
erklärt er in folgenden Worten.!) „Die Würmer, welche 
das Riff erbauen, scheinen den Trieb zu haben, ihre Be- 
hausung vor der Macht des Windes und des ungestümen 
Meeres zu sichern. Daher legen sie ihre Korallenfelsen 
in heisse Erdstriche, wo der Wind mehrentheils immer aus 
derselben Gegend weht, dergestalt an, dass sie gleichsam 
eine kreisförmige Mauer bilden und einen See vom übrigen 
Meere absondern, wo keine häufige Bewegung stattfindet 
und der polypenartige Wurm eine rubige Wohnung erhält.“ 
Dabei war Forster der Ansicht, dass die Korallen vom 
Boden des Meeres aus bauten. Dies zusammen mit dem 
den Korallen in den oben angeführten Worten beigelegten 
Streben nach einem vertikalen Wachsthum erklärte ihm 
den steilen Absturz der Riffe; denn dann werden die Inseln 
„gleichsam auf einem Stile stehen“.2) Forster ist auch der 
erste, welcher die Hebung eines Landes nach der Höhe der 
Korallen-Inseln und -Riffe bestimmt.°) 


Alle Beobachtungen Forsters haben sich als zutreffend 
erwiesen, aber was der geistreiche Mann über die Atoll- 
bildung sagt, hat man nicht anerkennen können. „Es ist 


1) Forster a. a. O. S. 128. 
2) Forster a. a. O. S. 125. 
3) Rittau a. a. O. S. 33. 


256 Leopold Böttger: 


eine unhaltbare Meinung,“ sagt Du Bois Reymond, !) „weil 
erfahrungsmässig diese Thiere nicht in grossen Tiefen 
leben, weil es naturwidrig wäre, dass eine grosse Anzahl 
verschiedener Gattungen, wie sie in den Korallenbauten 
vorkommen, zu gemeinsamen Zwecke sich verbinden, weil 
gerade in der Lagune die Korallenthiere nicht gedeihen, 
endlich weil bei dieser Erklärung die Beschränkung der 
Atolle auf gewisse Regionen unbegreiflich bliebe.“ Der 
letzte Einwurf ist in so fern nicht ganz gerechtfertigt als 
Forster die Koralleninseln als „unter Wasser liegende Ge- 
birgsketten, deren Gipfel hervorragen,*?) auffasste, ihre 
Lage demnach für ursprünglich, aber nicht von den Lebens- 
bedingungen der Thiere abhängig hielt. Auf den Wider- 
spruch, in dem sich Forster hierzu mit seiner Ansicht, dass 
die Korallenthiere vom Grunde des Meeres aufbauen, be- 
findet, machen schon Quoy und Gaimard aufmerksam.’) 

Was wir von Forster über die Korallenbauten erfahren, 
sind im Wesentlichen die Hauptzüge ihrer äusseren Er- 
scheinung und ihrer Bildung, ist das, was sich einem 
klaren, mit wissenschaftlichem Geiste forschenden Auge bei 
einer Reise, wie sie Forster unternahm und bei den ge- 
ringen Hilfsmitteln, die ihm zu Gebote standen, aufdrängen 
musste. Das weite Feld der Hydrographie, das Wissen- 
schaftsgebiet, aus dem wir heutzutage soviel zur Beurtheilung 
unseres Gegenstandes schöpfen, war damals so gut wie 
gar nicht angebaut. So hatte Forster zum Beispiel noch 
ganz unvollkommene Kenntnisse der Tiefseetemperaturen. 
Aus wenigen höchst unzulänglichen Versuchen schloss er, 
dass in den Tropen zwar die Temperatur des Wassers in 
der Tiefe kühler sei, als an der Oberfläche, in den höhern 
Breiten aber theils wärmere Schichten mit kälteren wech- 
selten, theils die Wasserwärme constant bliebe.*) 

Der nächste nach Forster, der unsere Kenntnisse 
über die Koralleninseln und ihre Bildung bereichert, ist 


1) Sitzungsberichte der königl. Acad. d. Wiss. zu Berlin. 1889. 
S. 688. 

2) Forster a. a. O0. S. 21. 

3) Annales des sciences naturelles. T. VI. 1825. S. 286. 

4) Forster a. a. 0. S. 52. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 257 


James Cook,!) der grosse Seefahrer. Von ihm erfahren 
wir, dass in der Gelehrtenwelt der damaligen Zeit die An- 
sichten über die Herkunft der Koralleninseln sehr ausein- 
andergingen. In der Beschreibung seiner dritten Reise, 
welche aus seinen Tagebüchern zusammengestellt ist und im 
Jahre 1785 erschien, schreibt er: ‚Die Gelehrten, welche 
die Bildung der verschiedenen Weltgegenden zu erklären 
suchen, sind über den Ursprung der niedrigen Inseln nicht 
einig. Die einen meinen, dass sie einst vereinigt gewesen 
seien und ein höher gelegenes Land ausgemacht haben, 
welches in Folge von Erdrevolutionen theilweise vom Meere 
verschlungen worden sei und dessen höhere Theile, welche 
sich noch aus dem Wasser erheben, ebenfalls eines Tages 
verschwinden würden. Andere Gelehrte sind der Meinung, 
dass sie durch Erderschütterungen hervorgebracht worden 
und Wirkungen von innern Convulsionen des Erdballs seien. 
Eine dritte Ansicht, welehe mir die wahrscheinlichste ist, 
sieht in ihnen Untiefen oder Korallenbänke (des bas fonds 
ou des banes de corail), welche allmählich wachsen.‘?) 
Cook hält dann den beiden ersten Hypothesen entgegen, 
dass die niedrigen Inseln nur eine dünne Schicht Acker- 
krume aufweisen, was ein Beweis ihres geringen Alters sei 
und woraus gefolgert werden müsse, dass sie nicht die Reste 
einer grösseren Insel sein könnten. Beide Annahmen ver- 
langten auch grosse Landflächen und zwar aus primitiven 
Gesteinen, während die Inseln doch alle sehr klein wären 
und aus Sedimentgesteinen beständen. 

Wenn Cook die niedrigen Inseln für Korallenbänke hält, 
die nur durch ein allmähliches Wachsthum die Oberfläche 
des Wassers erreichen, so schliesst er sich Forster an, so- 
weit er sie aber aus Untiefen — des bas fonds, worunter 
erwahrscheinlich Sandbänke meint, die durch Anschwemmung 
dem Meere entsteigen — entstehen lässt, vertritt er eine 
selbständige Ansicht. °2) Ueber die Bildung der Insel auf 
dem Riff spricht sich Cook nirgends näher aus. Jedenfalls 

1) Cook, Troisieme voyage de Cook. Traduits de l’anglais. 
1785. Bd. I. S. 277. Das englische Original erschien 1784. 

2) Cook a. a. 0. 

3) Eine ähnliche Meinung hatte schon Dalrymple im Jahre 1769 
ausgesprochen, welcher sich die Korallen auf dem Grunde des Meeres 

Zeitschrift £. Naturwiss. Bd. LXII. 1890. 17 


258 Leopold Böttger: 


hielt er es für eine selbstverständliche Sache, dass sie An- 
häufungen der von der Gewalt der Wellen losgebrochenen 
Rifftrümmer waren. Dies darf man aus seinen Bemerkungen 
über das Wachsthum der Inseln schliessen, über das er sich 
ziemlich eingehend verbreitet. 

Ein Beweis dafür, dass ein Breitenwachsthum der Inseln 
stattfindet, ist ihm die Anwesenheit grosser aufrechtstehender 
Blöcke von Korallenfels jenseits des Fluthbereiches in der 
Mitte der Insel, welche dasselbe durchlöcherte Aussehen 
haben, wie die Felsen, die jetzt den Aussenrand des Riffes 
zusammensetzen. Es müssen die Wogen früher diese Blöcke 
bespült haben, folgert Cook. Ein zweiter Beweis ist 
ihm die allmähliche Stufenfolge in der Entfaltung der 
Inselvegetation, denn dieselben Pflanzen, die in der Mitte 
der Insel in voller Entfaltung standen, sah er — besonders 
deutlich ausgeprägt war diese Erscheinung auf der Insel 
Palmerston, nordwestlich von der Herveygruppe!) — mit 
Annäherung an den Inselrand in immer jugendlicherem 
Zustand und zuletzt nur als Keime. Das Wachsthum der 
Insel denkt sich Cook in der Weise, dass der bei Sturm 
aufgeworfene Sand einen Wall errichtet, welcher von den 
gewöhnlichen Flutben nicht erreicht wird. Die auf ihn 
geworfenen Pflanzenkeime schlagen in ihm Wurzel und be- 
festigen und erhöhen dadurch den Boden soweit, dass er 
selbst von den nachfolgenden Sturmfluthen nicht mehr 
getroffen wird, diese vielmehr einen neuen Wall vor ihm 
aufwerfen, die Insel also wiederum erweitern. Unterstützt 
wird dieser Vorgang durch das Wachsthum des Riffes, 
wodurch fortwährend ein neuer Untergrund für den Aufbau 
der Insel geschaffen wird. ‚Es scheint mir,‘ schreibt Cook, 
„dass das Riff und die Korallenbank sich von Tag zu Tag 
ausdehnen. In dem Masse, als sich die Breite und Höhe 
des Riffes vermehren, ziehen sich die Wellen zurück und 


bilden lässt, von dem sie durch Strömungen und Stürme losgerissen 
und auf Untiefen aufgehäuft werden. (Dalrymple, historical collection 
voyage paeif. Vol. I. S. 22.) 

1) Hier machte auch Anderson, der Schiffsarzt auf Cooks dritter 
Reise, ähnliche Beobachtungen (Troisieme voyage de Cook. Paris 1785. 
Tome I. S. 279, Anmerkung.) 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 259 


lassen einen trocknen Felsen hinter sich, der bereit ist, 
Stücke zerbrochener Felsen zu empfangen. !) 

In eonsequenter Verfolgung der angeführten Gedanken 
bringt Cook auch die niedrigen Inseln ohne Lagune mit 
den übrigen Koralleninseln in Zusammenhang. „Man kann 
nicht zweifeln“, schreibt er, „dass das ganze Riff mit der 
Zeit eine einzige Insel wird. Dies wird geschehen infolge 
des Wachsthums schon gebildeter und der Bildung neuer 
Inseln auf dem Korallenboden, welchem man in der Lagune 
begegnet.“ 2)°) 

Es muss zugegeben werden, dass Cooks Ansichten über 
das Wachsthum der Korallenriffe richtig sind, aber die 
Gründe, mit denen er sie stützt, können nicht unbedingt 
anerkannt werden. Das Vorhandensein von Steinen auf 
der Insel, welche die Spuren der Thätigkeit des Wassers 
tragen, kann aus verschiedenen Ursachen abgeleitet werden; 
denn einmal können sie, und dies nehmen heute die meisten 
an, Bruchstücke vom Rande des Riffes sein, welche Sturm- 
fluthen oder Erdbebenwellen bis auf die Insel getragen haben, 
und dann können sie auch Bruchstücke des Inselsteins selbst 
sein und ihr löcherichtes Aussehen vom Süsswasser erhalten 
haben. Der zweite Grurd, welcher aus der stufenweisen 
Entwicklung der Vegetation vom Inselrand bis zur Grenze 
des Baumwuchses (gradation, qui commence & quelques 
pouces de la marque de la maree haute, et qui va jusqu’ 
au bord des arbres?) genommen ist, ist ebenfalls nicht ein- 
wandfrei; denn nach unsern bisherigen Erfahrungen geht 
das Wachsthum einer Insel so unmerklich langsam vor sich, 
dass man wohl annehmen darf, die auf einem landfest 
gewordenen Inseltheil wachsenden Pflanzen werden sich 
längst voll entfaltet haben, ehe ein beträchtliches Stück 
neuen Landes entstanden ist. Die Unterschiede in der Ent- 
faltung der Pflanzen können also nicht, wenigstens nicht un- 


1) Cook a. a. O. S. 280. 

2) Cook a. a. 0. S. 280. 

3) Durch die neuesten Untersuchungen Guppys am Keeling- 
atoll ist diese Meinung bestätigt worden. (Guppy in Scot, Geogr. Mag. 
The Keelingatoll. 1889. Bd. VI.) 


4) Cook a. a. 0. S. 278. 
17* 


260 Leopold Böttger: 


mittelbar, auf zeitliche Differenzen zurückgeführt werden, 
wie Cook das will, welcher meint, dass „ces plantes ont germe& 
a differentes &poques“.!) Der Grund dieser Erscheinung wird 
wohl auf die geringere Produktionskraft der neu gebildeten 
Inseltheile zurückzuführen sein. 

Cook beobachtete auch, dass die Besamung der Insel 
auf der Seite unter dem Winde, der Westseite, rascher 
vor sich geht als auf der entgegengesetzten und schreibt 
dies den von Westen kommenden Sturmwinden zu. Chamisso, 
der später dieselben Wahrnehmungen machte, erklärt dies 
daraus, dass die Pflanzen hier mehr Schutz und andere 
ihrem Gedeihen günstige Umstände treffen.?) 

Das Problem der geographischen Verbreitung der 
Koralleninseln beschäftigte Cook ebenfalls. So schreibt er 
in dem Bericht seiner zweiten mit Forster unternommenen 
Reise: „Es würde eines Philosophen würdig sein, zu unter- 
suchen, warum die Inseln im Winde der Gesellschaftsinseln 
so zahlreich sind und einen so grossen Archipel bilden 
(nämlich die Paumotugruppe), während sie jenseits dieser 
Gruppe von bergigen Inseln so zerstreut sind,“ 3) damit eine 
Frage aufwerfend, die heute noch der Lösung harrt. 


Suchen wir die Stellung Cooks in der Geschichte der 
Koralleninseln zu würdigen, so müssen wir ihm vor Allem 
das Verdienst zuerkennen, das Wachsthum der Inseln 
richtig beschrieben zu haben und müssen seine Mittheilungen 
als eine werthvolle Ergänzung der Forsterschen Be- 
merkungen schätzen. Cook konnte das Gebiet des All- 
gemeinen verlassen und uns mit Einzelheiten bekannt 


1) Cook a. a. 0. 8. 279. 

2) Chamisso schreibt: „Wir bemerken, dass Sämereien, die mit 
der Fluth über dem Riff getrieben werden, auf der innern Seite einer 
Insel unter dem Winde anlangen, mehr Schutz, bessere Erde und 
zu deren Aufkommen günstigere Umstände antreffen als die, welche 
die Brandung auf das Aeussere der Insel auswirft. (Kotzebue, Ent- 
deckungsreise in die Südsee. Bd. III. S. 112). Auch die allmähliche 
Abnahme der Vegetation nach dem Inselrand zu beobachtete er und 
er zog auch den gleichen Schluss daraus wie Cook. „Der gegen den 
Rand der Insel zu niedrigere Wald scheint deren fortschreitende Er- 
weiterung anzudeuten.“ (Kotzebue a. a. O. S. 100). 

3) Cook. Zweite Reise. Paris 1778. Bd. III. S. 244. 


Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 261 


machen, da er Gelegenheit hatte, seine Wahrnehmungen 
wiederholt prüfen zu können und alles anfangs etwa nur 
flüchtig Erfasste zu vertiefen. Es ist bezeichnend, dass 
wir erst in seinem Bericht über die dritte Reise Ausführ- 
licheres über unsern Gegenstand vernehmen. 

Bei einer Vergleichung und Abwägung der Verdienste 
beider Männer darf jedoch niemals aus dem Auge gelassen 
werden, dass sie beide in regem Gedankenaustausch die 
Reise ausgeführt haben, und daher das, was sie geben, 
das Resultat gemeinsamer Gedankenarbeit darstellt. 


Die in den folgenden Jahren unternommenen Reisen 
von La P&erouse, Vancouver und andern bringen keine 
Erweiterung unserer Kenntnisse von den Korallenbauten 
mitsich. Von Labillardiere erhalten wir eine anschauliche 
Schilderung der Gefährlichkeit der Korallenriffe für die 
in ihrer Nähe segelnden Schiffe. Er schreibt: „Le danger 
qu'ils (les recifs) presentent est d’autant plus & craindre, 
qu'ils forment des rochers escarpes couverts par les flots 
et qui ne peuvent ätre apercus, qu’a une petite distance; 
si le calme survient et que le vaisseau y soit porte par les 
courants, sa perte est presque inevitable; on chercherait 
en vain a se sauver en jetant l’ancre parcequ’elle sn’attein- 
droit pas le fond, m&me tout pres de ces murs de corail 
eleves perpendiculairement du fond des eaux. Les polypiers 
dont l’accroissement continuel obstrue de plus en plus, le 
bassin des mers, sont bien capables d’effroyer les navigateurs 
et beaucoup de bas fonds, qui offrent encore aujourdhui 
passage, ne tarderont point a former des &cueils extr&me- 
ment dangereux.“ !) 

Im Jahre 1806 erscheint die Beschreibung einer in den 
Jahren 1792 — 1793 unternommenen Reise nach Cochinchina, 
worin JohnBarrow einige bemerkenswerthe Aeusserungen 
über die Koralleninseln macht. Barrow steht im Allgemeinen 
auf dem Standpunkt Forsters. Auch er glaubt, dass die 
Korallen sich am Grunde des Meeres ansiedeln, ebgleich 
er seine Verwunderung darüber nicht zurückhalten kann, 


1) Relation du voyage ä la recherche de la Perouse par Labil- 
ardiere. An XIII de la republique frangaise. 


262 Leopold Böttger: 


dass sie zu leben vermögen, „wo Licht und Wärme, die 
doch zum thierischen Leben so wesentlich nothwendig sind, 
gar nicht oder doch nur spärlich hinkommen und nur 
schwach empfunden werden.“ !) 

Wie Forster meint auch Barrow, dass die ruhige See 
dem Wachsthum der Korallen dienlicher ist als das stürmisch 
bewegte Wasser. Er begründet seine Ansicht mit dem 
Hinweis auf den angeblichen Mangel grosser korallischer 
Felsenriffe und -inseln in der westindischen See. „Die 
häufigen Orkane des atlantischen Ozeans oder die vielfach 
reissenden Strömungen unterbrechen dort allzuhäufig die 
Arbeit der Thiere.“ 2) 

Ueber die Art und Weise, wie die Korallen die Riffe 
erzeugen und die Inseln aufbauen, spricht er sich folgender- 
massen aus: „Aus der weichen und lederartigen Beschaffen- 
heit der röhrenförmigen Oberfläche solcher Korallengebäude 
scheint zu erhellen, dass, wenn die alten Thiere sterben 
und ihre kalkartigen Zellen erhärten, die nachfolgenden 
Generationen ihre Arbeiten am Ende und auf den Seiten 
weiter fortsetzen und zwar jedes von ihnen nach der be- 
sondern Form, die ihm die Natur gleichsam dazu vor- 
geschrieben hat,“°) und an einer andern Stelle: „Da die 
Zweige der Korallen und Korallmen so sehr zerbrechlich 
sind, so können allerdings die Materialien derselben durch 
irgend eine Operation zusammengekittet worden sein und 
zur Entstehung der formlosen Fundamente der Korallen- 
inseln beigetragen haben. Allein die grossen Massen dieser 
Felsen sind grösstentheils Madreporen, Celliporen und Tubi- 
poren.“ *) 

Aus diesen Worten geht hervor, dass man damals den 
kleinen, zerbrechlichen Korallinen und den schwächeren 
Arten der Korallen einen wesentlichen Antheil am Aufbau 
der Riffe zuschrieb. Dies macht uns die oben angeführten 
Meinungen von Dalrymple und Cook, welche die Riffe 


1) Barrow, Reise nach Cochinchina. Bibliothek der Reise- 
beschreibungen von Sprengel. Bd. 38. 1808. S. 213. 

2) Barrow a. a. O. S. 216. 

3) Barrow a. a. O0. S. 214. 

4) Barrow a. a. 0. S. 215. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 263 


durch Aufschüttung von zerbrochenen Korallenstücken ent- 
stehen lassen, verständlicher, denn diese fein verzweigten 
Korallen können leicht zertrümmert und fortgeführt werden. 
Barrow macht jedoch schon darauf aufmerksam, dass sich 
die Hauptmasse der Koralleninseln aus den grossen Arten 
der Korallen zusammensetzt und beschränkt die Wirksam- 
keit der übrigen auf den Aufbau der Inselfundamente. 
Da er diesen Fundamenten die grössern Massen der Korallen- 
felsen gegenüberstellt, so müssen wir annehmen, dass er 
dem ganzen Bau nur eine geringe Mächtigkeit beilegte. 

Um Gewissheit darüber zu erlangen, ob die niedrigen 
Inseln, wie man das allgemein annahm, durchaus aus 
Korallenfels aufgebaut und nicht etwa nur an ihren Rändern 
aus dieser Gesteinsart bestehen, stellte er — es sind das 
die ersten Versuche dieser Art auf Koralleninseln — auf 
der Mitte von Nordeiland, einer kleinen Insel in der Nähe 
der Sundastrasse, 90 Seemeilen von Batavia, Bohrungen 
an, welche ergaben, dass das Gestein in 3 Fuss Tiefe aus 
grossen Blöcken von Madreporen bestand. 

Ein ähnliches Bild wie Forster und Barrow entwirft 
auch Flinders von denRiffen und ihrer Entstehung. Flinders 
hatte im Jahre 1801 die Riffe Australiens aufgenommen, 
sein Werk darüber erschien aber erst im Jahre 1814.!) 
Durch ihn erfährt vor allen die Kartographie der Korallen- 
riffe reiche Förderung. Er befuhr besonders das grosse 
Kanalriff an der Ostseite Australiens, das er mit dem 
Kanal vergleicht, welcher von der Halbinsel Florida und 
der ihr vorgelagerten Riff- und Inselkette gebildet wird. 
Seine Untersuchungen machen uns zunächst mit der Aus- 
dehnung dieses Riffes und der beträchtlichen Tiefe des 
von ihm eingeschlossenen Wassers, das eine ruhige Fahr- 
strasse selbst für die grössten Schiffe abgiebt, bekannt. 
Er macht dabei auf das Wechselverhältniss aufmerksam, 
das hier zwischen Wassertiefe und Breite des Kanals und 
des Riffes besteht. In demselben Maasse, in welchem 
Kanal- und Riffbreite ab- und zunehmen, vermindert sich 
und wächst die Wassertiefe, eine Erscheinung, die sich 


1) Flinders, Reise nach Australien. Bertuch, neue Bibliothek 
der wichtigsten Reisebeschreibungen. Bd. VI. 


264 Leopold Böttger: 


später als typisch für diese Riffgattung erwiesen hat. Seine 
Erfahrungen über die Tiefenverhältnisse an den Riffen fasst 
er in folgende Worte zusammen: „Je mehr unter dem 
Winde, je niedriger das Wasser, scheint bei den Korallen- 
riffen ein Gesetz zu sein.“!) Damit tritt er in einen Gegen- 
satz zu der von Semper vertretenen Ansicht, dass die auf 
der Leeseite entstehenden, das Riff tangirenden Ströme die 
Korallen zu einem senkrechten Wachsthum zwingen und 
hier dadurch einen Steilabsturz erzeugen. 


Da Flinders Gelegenheit hatte, in der Torresstrasse, 
wo die Riffbildung mit besonderer Schnelligkeit vor sich 
zu gehen scheint, die Inseln in den verschiedenen Zuständen 
ihrer Entwicklung zu betrachten, so ist es erklärlich, dass 
er zum Nachdenken über ihre Entstehung angeregt wurde 
und wir von ihm Bemerkenswerthes darüber erfahren. 


Auch er ist gleich seinen Vorgängern der Ansicht, dass 
die Korallen vom Boden des Meeres aus ihre Bauten auf- 
führen. Gleich Barrow scheint auch ihm die Art und 
Weise der Fortpflanzung der Korallenthiere und die daraus 
resultirende Bildung von Stöcken und Kolonien nicht hin- 
reichend bekannt gewesen zu sein, denn er schreibt es 
„einigen klebrigen Ueberbleibseln in ihnen oder einer be- 
sondern Eigenschaft des Salzwassers“?) zu, dass die Thiere 
nach dem Tode aneinanderhängen bleiben. Richtig erkennt 
er, dass die Korallen nicht mit ihrer Masse allein das 
Riff erbauen, sondern dass Sand und zerbrochene Schalen 
verschiedener Meeresbewohner die Lücken ausfüllen. „Nach- 
folgende Thierchen,* fährt er dann fort, „errichten ihre 
Wohnung auf den entstandenen Bänken und sterben in 
der Bemühung, dieses Denkmal ihrer wundervollen Arbeiten 
zu erweitern, vorzüglich aber zu erhöhen. Die Sorge, in 
den früheren Zeiten senkrecht zu bauen, beweist einen 
erstaunenswerthen Instinkt in diesen kleinen Geschöpten. 
Ist ihre Korallenmauer, die mehrentheils in Gegenden liegt, 
wo beständige Winde wehen, bis zum Meeresspiegel auf- 
geführt, so gewinnen sie einen Schutz, unter dem sie ihre 


Pa: a. 02 S..250: 
222.12. 029.136. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 265 
erzeugten Kolonien sicher aussenden können, und dieser 
instinktmässigen Vorsicht scheint es zuzuschreiben zu sein, 
dass die dem Winde ausgesetzte Seite des Riffes, das der 
offenen See freisteht, gewöhnlich, wenn nicht durchaus, 
der höchste Theil desselben ist und in der Regel senkrecht, 
zuweilen aus einer Tiefe von 200 und mehr Faden empor- 
steigt. Es scheint zur Existenz dieser kleinen Thierchen 
erforderlich, dass sie immer mit Wasser bedeckt sind, denn 
sie arbeiten nicht jenseits des niedrigen Wasserstandes. 
Aber der Korallensand und andere zerstörte Ueberreste 
setzen sich an dem Felsen fest und bilden eine solide und 
so hohe Masse mit ihm, als die gewöhnlichen Fluthen reichen. 
Ist diese Höhe überstiegen, so verlieren die künftig an- 
schwemmenden Ueberreste, weil sie nicht mehr bedeckt 
werden, ihre anhängende Eigenschaft und bilden, indem 
sie in einem lockern Zustande verbleiben, auf dem Gipfel 
des Riffes das, was man gewöhnlich den Schlussstein nennt.“ !) 
Hierauf folgt eine Beschreibung der Besiedlung der Insel 
mit Pflanzen in ähnlichen Worten wie bei Forster. An einer 
andern Stelle?) erfahren wir von Flinders auch noch einige 
Einzelheiten über das Bild eines fertigen Riffes. 


Endlich beobachtete Flinders auch gehobene Korallen- 
riffe, so bei Poiset Dover (142° 37° 45“ ö. L. und 32° 52 
51“ s. B.) einen 25 geographische Meilen langen Zug 
von 500 Fuss hohen Korallenklippen, deren Lage er „durch 
allmähliche Senkung des Meeresbodens oder plötzliche 
Zuckung der Natur“3) erklärt. Bei Bald Head (135° 40° 
30“ ö. L. und 35° 6° 15“ s. B.) fand er ähnliche Riffe, 
„wo die Korallenzweige durch den Sand hindurchgewachsen 
waren, ganz so wie auf den Korallenbänken an dem 
Meeresspiegel.) Diese Erscheinung hatte an demselben 
Orte schon Vancouver beobachtet und nur, um sich von 
der Wahrheit der Angabe Vancouvers zu überzeugen, be- 
suchte er diesen Ort. Der hier empfangene Eindruck war 


1) a. a. 0. S. 361. 
2) a. a. 0. S. 346. 
3) a. a. ©. S. 216. 


4) a. a. 0. 8. 19. 


266 Leopold Böttger: 


es, der ihn, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, veranlasste, 
die Bildung des Inselfundamentes nicht aus einer An- 
schwemmung von Korallenbruchstücken zu erklären, sonderr. 
anzunehmen, dass die Korallen an dem Ort bleiben, an 
welchem sie wachsen und im Riffstein ihrer ursprünglichen 
Lage enthalten sind. 


Wie aus den oben angeführten Worten hervorgeht, er- 
klärte Flinders die Ringform der Atolle gleich Forster als 
eine von den Thieren zu ihrer Sicherung vor dem Wellen- 
schlag aufgeführte Schutzmauer. Diese uns jetzt so naiv 
klingende Ansicht ist als ein Ausfluss der damals herr- 
schenden deutschen Aufklärungsphilosophie zu betrachten, 
welehe die Naturerscheinungen alle vom teleologischen 
Standpunkte aus betrachtete und erklärte. Sie musste um 
so annehmbarer erscheinen als sie gleichzeitig eine Antwort 
auf die Frage giebt, welchen Antheil daslebende Wesen 
und seine Daseinsbedingungen an dem Zustandekommen 
der Inseln und ihrer merkwürdigen Form haben, denn es 
musste jeder herausfühlen, dass hier Wind und Wellen 
nicht allein massgebend sein können. Ueber die Lebens- 
bedingungen der Korallenthiere wusste man aber zu jener 
Zeit noch so gut wie gar nichts. Gab es ja selbst noch 
solche, welche daran zweifelten, dass die Korallen den 
Fels, den sie bewohnen, aus sich selbst erzeugt haben. 
So schreibt Maltebrun in seinem Preeis de la geographie 
universelle aus dem Jahre 1813: „Haben die Polypen oder 
Zoophyten sich die steinichten Körper, welche sie bewohnen, 
selbst geschaffen oder finden sie diese Wohnungen von der 
Hand der Natur bereitet vor? Dies ist gewiss eine der 
interessantesten Fragen für die physische Geographie, aber 
bislang sind die Beobachtungen zu oberflächlich und zu 
neu, als dass man die Frage vollständig entscheiden 
könnte.‘‘!) 

Aus den mangelhaften Kenntnissen der biologischen 
Verhältnisse der Korallenthiere ist es wohl auch zu erklären, 
dass Niemand den Versuch macht, einen anderen Weg zu 


1) Maltebrun, Precis de la geographie universelle. Bd. IV. 
S. 232. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 267 


finden, der uns zu einer befriedigenderen Erklärung führen 
könnte. Daher scheint es auch ziemlich lange gedauert 
zu haben, ehe man sich von der Forster’schen teleologischen 
Betrachtung der Atollform freimachte, denn im Jahre 1832 
schreibt Barrow!): „Wir wissen nur wenig über die physische 
Organisation und die Mittel, deren sie (die Korallenthiere) 
sieh zur Ausführung ihrer gigantischen Bauten bedienen 
und haben ihre ungeheure Thätigkeit mit dem Ausdruck 
Instinkt bezeichnet; mit Hunter würden wir vorziehen, ihn 
den Sporn der Nothwendigkeit zu nennen.“ Damit ist 
allerdings alles Teleologische aus der Erklärung entfernt, 
gleichzeitig aber auch auf jede Erklärung Verzicht geleistet, 
denn der Begriff „Sporn der Nothwendigkeit“ sagt nur, 
dass wir auch diese Naturerscheinung unter das Kausal- 
gesetz zu stellen haben. 

Wenn die Forster’sche Ansicht von der Entstehung der 
Riffe und Inseln sonach noch bis tief ins dritte Jahrzehnt 
unseres Jahrhunderts hie und da Anhänger gehabt haben 
mag, so findet sich unter den Autoren nach Flinders keiner 
mehr, der die Forster’sche Meinung zu einem andern Zwecke 
als dem der Widerlegung erwähnt. 

Der nächste, der Nachrichten über unsern Gegenstand 
bringt, ist Peron2), welcher in den Jahren 1800— 1804 
die Baudinsche Expedition als Naturforscher nach Australien 
begleitete. Ihm verdanken wir hauptsächlich eine Bestim- 
mung der Grenzen der geographischen Verbreitung der 
Riffbauten, welche er im 34° nördlicher und südlicher 
Breite findet,?) womit er sich mit unsern Erfahrungen, 
welche die Korallen ins Gebiet zwischen den 32° nördlicher 
und südlicher Breite verweist, ziemlich im Einklang findet. 
Auch ihm ist es das friedliche und heisse Meer, das den 
Thieren die Bedingungen ihres Daseins bietet. 

Eingehend beschäftigte sich Peron nur mit den ge- 
hobenen Riffen, deren weite Verbreitung er feststellt, aber 
„seine Phantasie“, sagt Ehrenberg, „gab den Korallenthieren 


1) Ausland. 1832. No. 16 u. 18. 

2) Peron, Reise nach Australien. Bertuchs neue Reise- 
beschreibungen. B. 16. 1816. S. 295. 

3) a. a. 0. 8. 288. 


268 Leopold Böttger: 


einen so grossen Einfluss auf die Bildung der Erdoberfläche, 
dass er 245 Inseln und Erdstriche namhaft macht, welche 
ganz oder theilweise das Produkt der Korallenthiere seien, 
und welche diese Thiere mit ihrer scheinbaren Schwäche 
mitten aus dem Grunde des Meeres zu weitläuftigen Gebirgen 
aufgebaut hätten. Besonders die Insel Timor war es, welche 
er sammt ihren Bergen für einen blossen Bau der Korallen- 
thiere hielt, gegen den die grössten Baue der Menschen 
nur kümmerliche, vergängliche Versuche wären. Peron 
glaubte damals, vulkanische Hebungen müssten immer mit 
Zertrümmerung und wildem Durcheinanderwerfen der Theile 
der Oberfläche verbunden sein, und da er dies in keiner 
der von ihm besuchten Koralleninseln fand, so hielt er die 
Meinung fest, dass die Meere einst über den Bergen ge- 
standen haben müssten und überlässt die Erklärung der 
Möglichkeit andern, sich begnügend, die Thatsachen dafür 
zusammengestellt zu haben.‘!) 

So berechtigt diese Worte Ehrenbergs seiner Zeit 
waren, so hat doch die Folgezeit erwiesen, dass er sich 
nicht in so hohem Maasse von der Wahrheit entfernte als 
der berühmte Zoolog zu glauben schien. Nur eine geringe 
Zahl der 245 von ibm nambaft gemachten Inseln ist gänz- 
lich frei von Korallengestein, wie wir jetzt wissen, und 
in der That vermögen die Korallenthiere ganze Gebirge 
aufzurichten. Alles in Allem genommen, entfernt sich Peron 
in seiner Auffassung von unserer heutigen nicht viel mehr 
als Ehrenberg. | 

Einen sehr beträchtlichen Zuwachs erhalten unsere 
Kenntnisse von dem Bau der Korallenriffe und -inseln durch 
die Untersuchungen, welche Chamisso als Begleiter der 
Kotzebue’schen Entdeckungsreise in den Jahren 1814—1818 
anstelle. Chamisso hatte Gelegenheit, längere Zeit auf 
einem Atoll der Radackgruppe zu verweilen, und dies be- 
nutzte er zu eingehenden Studien über unsern Gegenstand. 
Daher bringt uns sein Bericht eine grosse Zahl von Details, 
die wir bis jetzt immer zu vermissen hatten. Das Haupt- 
verdienst Chamissos aber erblickte man noch bis vor Kurzem 


1) Abhandl. d. Akad. d. Wissensch. zu Berlin 1832, gedruckt 
1834. S. 397. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 269 


darin, eine befriedigende Erklärung der Entstehung der 
Atollform gegeben zu haben. Vor zwei Jahren wies Du 
Bois-Reymond nach, dass jene Erklärung nicht von Chamisso 
sondern von Eschscholtz, der die Kotzebue’sche Expedition 
als Arzt begleitete, herstammt.') 

Trotzdem die Krone seiner Verdienste damit eines 
leuchtenden Steines verlustig gegangen ist, wird Chamisso 
doch immer einen hervorragenden Platz in der Geschichte 
unseres Gegenstandes einnehmen, denn er erweiterte unsere 
Kenntnisse der Korallenbauten nach so vielen Seiten und 
in so umfassender Weise wie keiner zuvor, und das Be- 
wusstsein, seinen Blick von etwaigen vorgefassten Meinungen 
ungetrübt und immer nur auf das Thatsächliche gerichtet 
zu wissen, lässt uns seine Mittheilungen nur um so schätzens- 
werther erscheinen. 

Im Folgenden gebe ich die von Chamisso gemachten 
Beobachtungen systematisch geordnet wieder. 

Chamisso theilt die Korallenbauten des Meeres ein in 
1) Korallenriffe, 2) Inselgruppen und 3) Inseln,?) d. h. in 
heutiger Terminologie in 1) Küstenriffe, 2) Atolle, 3) ver- 
schüttete oder gehobene Atolle. Diese Eintheilung ist neuer- 
dings von Guppy°) wieder benutzt worden. Mit der ersten 
Art von Riffen beschäftigt sich Chamisso wenig, doch be- 
obachtete er die noch heute als zutreffend erkannte That- 
sache, dass die Küstenriffe nicht so steil zum Meere 
abstürzen wie die Riffe der Atolle. ®) 

Die Atolle beschreibt er unter dem Namen der Kreis- 
oder Ringinseln.. Er macht jedoch darauf aufmerksam, 
dass man sich durch diese Bezeichnung nicht zu der falschen 
Vorstellung verleiten lassen darf, dass diese Inseln zirkel- 


1) Die interessante Begründung dieser Thatsache findet sich in 
Du Bois-Reymond: „Adelbert von Chamisso als Naturforscher, Rede 
u.8.w. Erschienen als Separatausgabe (Leipzig, Veit & Comp.) und 
„Sitzungsberichte der preuss. Ak, d. W. 1888 S. 675° und „Deutsche 
Rundschau 1888 Bd. LVI S. 329. 

2) Kotzebue, Reise in die Südsee. B. III. S. 31 u. 32. 1821. 

3) Guppy: A critieism of the Theorie of Subsideuce. Scot. 
Geogr. Mag. Vol. IV. S. 121. Karte. 

4a. a. 0,8831. 


270 Leopold Böttger: 


rund seien, wie die vulkanischen Krater der Erde.!) Diese 
Vorstellung hatte sich wahrscheinlich durch Forster, der 
die Riffe zirkelrund nennt, eingebürgert. 


Chamisso beschreibt dann die Atolle als Tafelberge, 
die sich steil aus der unermesslichen Tiefe des Ozeans 
erheben, deren Oberfläche jedoch unter dem Wasser liegt. 
Nur ein Damm im Umkreis des Riffes erreicht bei niederem 
Wasserstand den Spiegel des Meeres. 2) 


Wie Flinders beobachtete auch Chamisso, dass das 
Riff auf der Seite, welches dem Winde zugekehrt ist, etwas 
erhöht ist, sowie dass auf dieser Seite die meisten und 
grössten Inseln sind, dass diese aber auch häufig an den 
ausspringenden Winkeln des Riffes angetroffen werden. 
Auf der Seite unter dem Winde findet er das Riff dagegen 
oft stellenweise unterbrochen, manchmal so, dass selbst 
grössere Schiffe eine Durchfahrt wagen können. Innerhalb 
dieser Lücken zeigen sich Felsbänke, die wie Bruchstücke 
der eingerissenen Mauer oder Andeutungen derselben sind. °) 
Aehnliche Bänke sind im Innern der Lagune zu finden, 
deren Grund aus Korallensand und Korallen besteht und 
bis 32 Faden (60 m)!) Tiefe hat. Die ausgedehntesten 
Lagunen schienen die tiefsten zu sein.°)®) Die Oberfläche 
des Dammes ist durch das Ausrollen der Brandungswellen 
geglättet; aufgeworfene Blöcke liegen auf ihm zerstreut, 
und ebensolche Blöcke liegen auf der Seite nach der 
Lagune. Der Absturz nach dieser Seite ist geneigt, oft 
auch steil.”) 


Aber nicht nur morphologisch sondern auch geognostisch 
untersuchte Chamisso das Riff und die Insel. 


1) Adelbert von Chamissos Werke. B. II. S. 393, abgedruckt 
aus Choris, voyage pittoresque. 

2) a... 02.89.42. 

3) Demnach schien sich Chamisso die Riffkanäle als Wirkungen 
von Sturmfluthen zu denken, 


4) a. a. O. S. 202. 
5) Dasselbe ist neuerdings wieder von Murray behauptet worden. 
6)ra. a0, S. 393: 
0).a..2.. 0282208 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 271 


Er war der Meinung, dass der ganze Tafelberg aus 
ein- und. derselben Gebirgsart, und zwar Kalkstein bestehe !) 
und dass die Lithophyten nirgends an ihrem ursprünglichen 
Standorte, an der Stelle, wo sie lebten und fortwüchsen, 
sich befänden,?2) dass das Gestein vielmehr immer nur 
Haufwerke von Korallentrümmern darstelle. Er wendet 
sich vor allen gegen Flinders, welcher behauptet hatte, 
dass die Korallenskelette am Orte ihres Entstehens nach 
Ausfüllung ihrer Lücken mit Sand in Riffstein übergingen, 
während die oberen Zweige fortwüchsen. Der Riffstein ist 
nach Chamisso vielmehr ein horizontal geschichtetes Gestein. 
Nach den jetzigen Erfahrungen bleiben die Korallen in 
ihrer natürlichen Lage. Dann bildet sich der Riffstein wie 
ihn Chamisso fand. Die Inseln selbst, welche sich nach 
ihm immer zuerst auf der Lagunenseite bilden, bestehen 
aus mehreren mantelförmig übereinandergelagerten Schichten 
Riffstein, die mit Sandschichten wechseln. 3) 


Gleich Forster meinte auch Chamisso, dass die Korallen- 
polypen vom Grunde des Meeres aus ihren Bau errichteten, 
obgleich er sich der hier ganz anders gestalteten Daseins- 
bedingungen der Thiere bewusst war, wie das klar und 
deutlich aus der folgenden Stelle hervorgeht: „so müssen 
wir doch glauben, dass in den Meerestheilen, wo die enormen 
Massen dieser Lithophyten sich erheben, selbst im kalten 
und lichtlosen Meeresgrund, Thiere fortwährend geschäftig 
sind, durch den Prozess ihres Lebens den Stoff zu deren 
nicht zu bezweifelndem, fortwährendem Wachsthum und 
Bau zu erzeugen.‘“*t) Er motivirt seinen Standpunkt durch 
folgende Worte: „Anzunehmen, dass die kalkerzeugenden 
Polypen bloss an den Wänden der schon bestehenden Riffe 
und deren innerer Lagune leben, würde das erste Entstehen 
dieser Riffe nicht erklären, deren senkrechte Höhe man 
nicht unter 100 Faden annehmen kann.“5) In seiner 


1,7202, 00504. 

2) 2. 2, 028.45: 

3) Kotzebue, Reise in die Südsee. B. III. S. 107. 
4) a. a. 0. S. 32. 

5) a.a. 0.8. 32. Anmerkung. 


2102 Leopold Böttger: 


Meinung wurde Chamisso hauptsächlich dadurch bestärkt, 
dass Ross in 1000 Faden (1800 m) Tiefe unter 73° 39‘ 
nördlicher Breite lebende Korallen fand.!) Doch war er 
sich der Subjectivität seiner Ansicht wohl bewusst, denn 
er fügt hinzu: „Die Nähe des Gesichtspunktes vergrössert 
freilich die Gegenstände, und es mag geneigt sein, wer 
mitten unter diesen Inseln ihre Bildung betrachtet, dieser 
Bildung in der Geschichte der Erde ein grösseres Moment 
beizumessen, als der Wirklichkeit entspricht.“ 2) 


Wie wir die Ansicht, dass die Korallen im kalten 
Meeresgrunde leben, als irrthümlich zurückweisen, so auch 
die andere Meinung Chamissos, dass das bewegte Wasser 
für das Gedeihen der Korallen ein Hinderniss ist. Chamisso 
bemerkt nämlich: „Die enormen Massen aus einem Wuchs, 
die man hie und da auf den Inseln oder auf den Riffen 
antrifft, haben sich wohl in der ruhigen Tiefe des Ozeans 
erzeugt. Oben unter wechselnden Einflüssen können nur 
Bildungen von geringer Grösse entstehen.‘ ?) 


Von besonderem Interesse sind seine Beobachtungen 
über den Einfluss des Sandes auf das Wachsthum der 
Korallenthiere: „Die Arten, die sich sonst kugelförmig ge- 
stalten, bilden an Orten, wo Sand zugeführt wird, Flächen 
mit erhöhten Rändern, indem der Rand den obern Theil 
ertödtet und sie nur im Umkreis leben und fortwachsen.“ 
Die gleiche Beobachtung machte später Semper®) auf den 
Palauinseln und benutzte sie, eine neue Theorie der Atoll- 
bildung aufzustellen. 

In richtiger Erkenntniss der Verschiedenartigkeit der 
Lebensbedingungen der verschiedenen Arten von Korallen- 
polypen, hütet sich Chamisso übrigens vor einer Verall- 
gemeinerung obiger Beobachtung von der vernichtenden 
Wirkung des Sandes. So schreibt er über die Vertheilung 
der Korallen auf dem Riff: „Les polypiers vivants croissent 
selon leur genre ou leur espece ou dans le sable mouvant 


1a. a. 0.8.32. 

2) Kotzebue a. a. O. S. 101. 

3) Chamissos Werke. B. II. S. 39. 

4) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. B. 13. S. 566. 1863. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 273 


ou bien attach& au rocher.!) Ueber die Vertheilung der 
Arten macht er auch sonst noch Beobachtungen und zwar 
ist er der erste, der uns darüber Nachrichten giebt, und 
was er darüber mittheilt, hat sich später immer als zu- 
treffend erwiesen. Zunächst der Brandung fand er immer 
Astraeen?) von kuchenförmiger Gestalt. ?) 


Der Damm besteht aus Madreporen®) und überall, wo 
die Wellen mit Häufigkeit aufschlagen, lassen sich Nulli- 
poren®) nieder und geben dem Riff seine rothe Farbe. 
Ueber der Linie des niedrigsten Wasserstandes lebt 
Caryophyllia.®) 

Auch über die geographische Verbreitung der Korallen- 
riffe macht Chamisso bemerkenswerthe Beobachtungen. Er 
macht auf die Aehnlichkeit in der Verbreitung des hohen 
und niedrigen Landes im indischen und grossen Ozean, 
das in beiden Meeren sich von West nach Ost verliert, ?) 
aufmerksam, ferner auf die Erscheinung, dass solche Gruppen 
von Koralleninseln, welche in 4 oder 5 Grad Entfernung 
von hohen vulkanischen Ländern liegen, die Erdstösse ver- 
spüren, welche diese bewegen,) endlich auf die reihen- 
förmige Anordnung der Koralleninseln.®) Daher kann es 
uns nicht Wunder nehmen, wenn ihm die Koralleninseln 
Bergrücken des Meeresbodens andeuten. 

Endlich erhalten wir von Chamisso noch eingehende 
Nachrichten über die Flora und Fauna der Koralleninseln. !°) 


1) Chamissos Werke. B. II. 8. 39. 
2)2922.0257202: 


3) Dasselbe beobachtete Walther am Meerbusen von Suez; 
die kuchenförmige Gestalt ist ihm eine Anpassungsform, denn so 
leisten die Thiere der Bewegung des Wassers den geringsten Widerstand 
und bieten ihm gleichzeitig die grösstmögliche Oberfläche dar. (Walther, 
die Korallenriffe der Sinaihalbinsel. Ab. d. math.-phys. Kl. d. k. s. 
GeadeW. B2 145) 

4) a. a. 0. S. 39. 

5) a..a. 0. S. 201. 
6) a. a. 0. S. 202. 
7) a. a. 0. S. 44. 
8) a. a. 0. S. 39. 
92.72.2023 3743. 
10) Kotzebue, Reise in die Südsee. B. III. S. 108— 114. 
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 18 


274 Leopold Böttger: 

‘Indem Kotzebue’schen Reisewerk hat auch Eschscholtz 
seine Ansichten über die Koralleninseln niedergelegt. !) 
Bei den eingehenden Studien, welche Chamisso über unsern 
Gegenstand gemacht hat, können wir nicht viel Neues von 
ihm erwarten und in der That bringt Eschscholtz fast nichts 
anderes als was Chamisso schon gesagt hat oder wenigstens 
im widerspruchslosen Zusammenhange damit steht. Was 
seiner Darstellung aber dennoch Werth verleiht, ist, dass 
er uns ein einheitliches Bild giebt, die verschiedenen Be- 
obachtungen mit einander verknüpft und sie verallgemeinert. 
Daher begnügt er sich nicht, wie das Chamisso thut, die 
Atolle als Krönungen submariner Berge hinzustellen, sondern 
geht einen Schritt weiter und führt die Gestalt der Umriss- 
linie dieser Inselgruppen auf die des unterliegenden Berg- 
gipfeis zurück;?) während Chamisso einfach bemerkt, dass 
die Windseite der Atolle die inselreichere ist, macht Esch- 
scholtz noch darauf aufmerksam, dass die Atolle im indischen 
und stillen Ozean, da, wo die Monsune herrschen, gleich- 
mässig mit Inseln besetzt sind und dass die Atolle, welche 
mit ihrer Längsaxe rechtwinklig zur Richtung des Windes 
stehen, diesem also ihre längere Seite zur Zerstörung dar- 
bieten, reicher an fruchtbaren Inseln sind als andere;°) 
während Chamisso nur angiebt, dass auf Tabual, in der 
Gruppe Aur, morastiger Grund ist,!) entwickelt Eschscholtz, 
wie die Inseln mit zunehmendem Umfang allmählich die 
Lagune vom Meer trennen und diese endlich ganz aus- 
gefüllt wird, um zuletzt nur noch eine Wasserpfütze dar- 
zustellen.) Chamisso theilt in schlichter Weise seine 
Beobachtungen über die verderbenbringende Wirkung des 
bewegten Sandes auf die Korallenthiere mit, Eschscholtz 
benutzt diese Thatsache in Verbindung mit der Annahme, 
dass die grössern Korallenarten sich in der Brandung am 
besten entwickeln — diese Annahme war von Chamisso 
auch theilweise vorbereitet, da er bemerkt, dass die Asträen, 


10) &u E% (0b 86 DIE Irre 
2), a322 028. 188: 
3) a. a. 0. 8. 188. 
4) a.a. 0. 8. 108. 
Haar GES. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 275 


also die Arten, welche die grössten Blöcke liefern, vor- 
zugsweise am Rande des Riffes angetroffen werden — um 
eine Erklärung für die Entstehung der Lagunen zu geben. 
Die darauf bezüglichen Worte heissen: „Die grossen Korallen- 
arten, welche einige Faden in der Dicke messende Blöcke 
bilden, scheinen die am Aussenrand des Riffes stärkere 
Brandung zu lieben. Dies und das Hinderniss, das ihrem 
Fortleben in der Mitte des weiten Riffes durch aufgeworfene 
von den Thieren verlassene Muscheln und Schneckenschalen 
und Korallenbruchstücke in den Weg gelegt werden, sind 
wohl die Ursachen, weshalb der Aussenrand eines Riffes 
sich zuerst der Oberfläche nähert.“ 

Diese Erklärung der Lagunenbildung, welche heute 
noch als zutreffend anerkannt wird, ist das Hauptverdienst 
von Eschscholtz in der Frage nach der Bildung der Korallen- 
inseln. 

Chamissos Verdienste lassen sich am besten in die 
Worte fasssen, welche Ehrenberg der Arbeit seines Kollegen 
an der Akademie der Wissenschaft widmet, die, wenngleich 
sie auf einer falschen Voraussetzung fussen,!) doch ihre 
volle Giltigkeit behalten haben: ‚Er hat ein Bild zusammen- 
gefasst, welches zwar nicht der Aehnlichkeit mit dem von 
Forster und Flinders entbehrt, aber viel Eigenthümliches 
in kräftiger, natürlicher Darstellung und alles nach eigner 
Erfahrung ohne geborgten Schmuck enthält.“?) An Esch- 
scholtz aber schätzen wir den speculativen Sinn, der die 
von Chamisso im hingebenden Studium gewonnenen Details 
kühn zu einem Gesammtbilde verwebt und wollen uns 
freuen, dass das Geschick zwei Männer auf der Kotze- 
bue’schen Forschungsreise zusammenführte, die sich in einer 
für die Wissenschaft so fruchtbringenden Weise ergänzten. 

Während Chamisso mit der Verarbeitung seiner von 
‚der Weltumseglung mitgebrachten Schätze beschäftigt war, 
‘waren schon wieder zwei Naturforscher auf dem Meere 


1)-Auch Ehrenberg war in dem Irrthum befangen, dass die 
Artikel $. 187 und 189 im dritten Bande des Kotzebue’schen Reise- 
-werkes von Chamisso herrührten. 

2) Ehrenberg, Die Korallenriffe des rothen Meeres. Abh. d. A. 


d. W. z. Berlin. 1832, gedruckt 1834. 1. Th. S. 3%. 
18* 


276 Leopold Böttger: 


thätig, um Studien über die Bildung des Korallengesteins 
anzustellen. Quop und Gaimard waren es, welche die 
Freycinet’sche Expedition in den Jahren 1818—1820 be- 
gleiteten. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit der 
Erforschung der Lebensbedingungen der Korallenthiere und 
suchten zu beweisen, .dass die Korallen ihre Wohnungen 
auf einer ihrer Natur nach bereits bekannten Grundlage 
erbauen und nur Schichten von wenig Faden Dicke bilden, 
sich aber nicht aus unermesslichen Tiefen erheben.') Die 
Beweise dafür sehen sie im Folgenden: 

1) Die Korallen sind von ihnen nie in grösserer Tiefe 
als 25— 30 Fuss lebend gefunden worden. ?) 

2) Die bunte Farbe der Thiere beweist, dass die 
Korallen zu ihrem Leben Licht bedürfen. °) 

3) Es wäre einzig und ohne Beispiel in der Thierwelt, 
wenn diese Arten unter den verschiedenen Drucken und 
unter allen Temperaturen gleichmässig gedeihen sollten. 

4) Die Korallen bedürfen (meinen sie) einer beständig 
hohen Wärme, welche sie in der Tiefe nicht haben. !) 

5) Die Korallen vermögen nur in friedlichen Meeren 
zu gedeihen, in abgeschlossenen Baien, welche von den 
regelmässigen Passaten der Tropen und von Sturmfluthen 
nur unmerklich berührt werden. In bewegten Wassern 
bilden sie nur zerstreute Massen, die von Arten gebildet 
werden, welche weniger von der Unruhe des Wassers zu 
leiden scheinen als ihre übrigen Genossen. ?) 

Neben diesen den biologischen Verhältnissen der 
Korallenthiere entnommenen Gründen, finden sie auch in 
der Morphologie der Riffe Stützpunkte für ihre Behauptungen. 
So finden sie einen Hauptbeweis darin, dass es keine einiger- 
massen grosse Insel gäbe, welche vollständig aus Korallen- 


1) Memoire sur l’accroissement des Polypes lithophytes par 
Quoy et Gaimard. Annales des sciences naturelles.. T. 6. 1825. 
Ss. 273. Derselbe Aufsatz auch in Freycinet: Voyage autour du 
monde pendant les annees 1817—1820. Zoologie. Paris 1824. 

2) a. a. 0. S. 284. 

3) a. a. 0. S. 277. 

4) a.a. 0, S. 276. 

5) a. a. O0. S. 276. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. . 277 


sestein besteht, und dass die gehobenen Riffe niemals eine 
grosse Dieke besitzen. !) 

Dies behaupten sie aber nicht, wie man meinen könnte 
auf Grund zahlreicher, angestellter Messungen, sondern. sie 
verallgemeinern hier nur in ganz derselben unzulässigen 
von ihnen hart getadelten Weise wie Peron, gerade die 
entgegengesetzte Beobachtung wie dieser. Beide Parteien 
gehen bei ihren Untersuchungen von den Riffen Timors aus; 
während Peron glaubte annehmen zu dürfen, dass die 
ganze Insel aus Korallenkalk bestehe, fanden Guoy und 
Gaimard nur schwache Lagen dieses Gesteins. Neben der 
Insel Timor lieferten ihnen Ile de France, Neu-Gruinea, 
die Marianen und die Sandwichinseln Stoff und Unterlagen 
zu ihren Behauptungen. In allen den genannten Inseln 
und Inselgruppen treten die Riffe aber nur als Küstenriffe 
auf. Sie suchten daher nach Gründen, welche die Verall- 
gemeinerung ihrer Beobachtungen, ihre Uebertragung auf 
die Atolle, stützen sollten. Die geringe Dicke des Korallen- 
gesteins auf den Atollen nun wollen sie daraus erschliessen, 
dass die niedrigen Inseln der Südsee von Menschen bewohnt 
sind, also Wasser aus Quellen haben müssen, die aber bei 
einem solehen porösen Gestein wie der Korallenkalk nicht 
entstehen könnten.2) Wir wissen jedoch jetzt, dass das 
Süsswasser auf allen Koralleninseln überall da zu finden ist, 
wo man einige Fuss tief in den Korallenboden eingräbt, 
trotzdem man das Korallengestein nicht verlässt, da es 
sich dort infolge seines geringern spezifischen Gewichtes 
auf dem durch die Seitenwände des Riffes eingedrungenen 
Salzwasser schwimmend erhält. 

Auch, meinen sie, folgre die geringe Mächtigkeit der 
Korallenfelsen auf den Atollen daraus, dass die Korallenthiere 


1) Das gleiche hat vor einigen Jahren Rein?) wieder behauptet 
zur Widerlegnng Darwins; aber seitdem v. Richthofen und besonders 
Mojsisovies nachgewiesen haben, dass die Dolomiten der Alpen 
Korallenriffe sind, sind alle darauf gegründeten Schlüsse gegenstands- 
los geworden. 

2) a. a. 0. S. 289. 

3) Verhandlungen des ersten deutschen Geographentags. 1882. 
S. 39. 


ZU . Leopold Böttger: 


bei den dort häufigen und heftigen Stürmen nicht gut gedeihen 
könnten. Ebendasselbe würde auch durch die Thatsache 
bewiesen, dass die Korallenmauern alle durch Oeffnungen 
unterbrochen sind, in welchen man meist tiefes Wasser 
fände. Da aber die Zoophyten die Neigung besässen un- 
unterbrochene Massen zu errichten, so könnten keine solche 
Oeffnungen vorhanden sein, wenn die senkrechte Riffmauer 
gänzlich aus Korallengestein bestände. !) 

In ihrer Ansicht von der geringen Mächtigkeit der 
Korallenfelsen wurden sie auch durch die Wahrnehmung 
bestärkt, dass die Verbreitung derselben mit der Richtung 
der Berge und Hügel des festen Landes übereinstimmt, und 
dass man dort die grössten Korallenmassive findet, wo das 
Meer am seichtesten ist und die Küsten nur eine geringe 
Neigung besitzen. Damit haben sich die beiden Forscher 
das schätzenswerthe Verdienst erworben, zuerst auf den 
gseognostischen Zusammenhang der Riffe und der nahen 
Küste aufmerksam gemacht zu haben. 

Es ist nur eine Folge der von ihnen vertretenen An- 
schauungen, wenn sie die Steilheit so vieler Riffe als 
ursprünglich erklären. Sie fühlten sich dazu berechtigt 
durch ihre Beobachtungen auf einigen Inseln der Marianen, 
an denen sie ganz gleiche steile Abstürze aber aus andern 
Gesteinen bemerkten, sowie durch die Untersuchungen von 
Pallas, welcher dieselbe Erscheinung in den Gebirgen 
Tauriens nachwies. 2) °) 

So vielfach auch die Ansichten der beiden Naturforscher 
noch irrthümlich sind, so wenig stichhaltig insbesondere die 
meisten der von ihnen vorgebrachten Gründe sind, so be- 


1) a. a. O. $. 279. 

2) a. a. 0. S. 285 u. 286. 

3) Pallas bemerkt (physikal.-topograph. Gemälde von Taurien, 
Leipzig, 1806 8. 1): „Ihre (der Halbinsel Taurien) mehr als 1200 Fuss 
hohen Berge sind längs der ganzen südlichen Küste, an welcher das 
Meer sehr tief ist, fast senkrecht abgeschnitten, fallen gegen Norden 
stufenweise und zuletzt unmerklich ab... . Man ersieht, dass die 
Bemerkung von dem fast senkrechten Absturz nicht wörtlich zu 
nehmen ist, sondern nur den Eindruck veranschaulichen soll, den 
man erhält, wenn man die Südseite des Gebirges mit der allmählich 
in die Ebene sich verlierenden Nordseite vergleicht. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 279 


zeichnen sie doch einen bemerkenswerthen Fortschritt für 
unsere Auffassung der Korallenriffe, da die Grundidee, dass 
die lebenden Korallen auf eine geringe Tiefenzone beschränkt 
sind, von jedem der nachfolgenden Forscher eine Bestätigung 
erfahren hat. 


Es muss verwunderlich erscheinen, dass diese folgen- 
schwere Thatsache von der geringen verticalen Verbreitung 
der lebenden Korallen nicht schon vorher, auch nicht durch 
die eingehenden Studien Chamissos, aufgedeckt worden ist. 
Der Grund dafür liegt in der Natur der verschiedenen 
Untersuchungsgebiete. Alle Forscher, welche sich bis dahin 
mit den Korallenriffen beschäftigt hatten, haben ihre Unter- 
suchungen an Riffen des tiefen Wassers angestellt, haupt- 
sächlich an Atollen, wo der rasche Absturz zum Meere und 
die infolgedessen so schwer und hoch gehende Brandung 
Beobachtungen über das Wachsthum der Thiere sehr er- 
schwert, ja fast unmöglich macht. Quoy und Gaimard 
machten aber die Küstenriffe zu ihrem Beobachtungsobject, 
besonders in Buchten, wie in der Bucht von Koupang, wo 
kein bewegtes Wasser sie in ihrer Arbeit hinderte. 


Daher trat ihnen auch die Vorstellung von dem steilen 
und tiefen Absturz des Riffes, welche bei ihren Vorgängern 
den Gedankenkreis beherrschte und sich immer wieder 
aufdrängen musste, nicht sehr hinderlich entgegen, daher 
sind alle ihre auf die Atolle bezüglichen Bemerkungen so 
wenig mit den Thatsachen im Einklang, daher vertreten 
sie so scharf die Meinung, dass die friedlichen und 
stillen Meerestheile die Regionen des Korallenwachsthums 
sind. 


Noch ist auf eine Bemerkung der beiden Naturforscher 
aufmerksam zu machen, in welcher sie auf einen bei der 
Bildung von Koralleninseln thätigen Faktor hinweisen, der 
erst in neuerer Zeit richtig gewürdigt worden ist, nämlich 
auf die Fähigkeit der Strömungen, Kanäle im Korallen- 
gestein zu erzeugen. Die hierauf bezügliche Stelle heisst: 
„Dans les localites oü les marees se font ressentir, leurs 
courans seuls peuvent quelquefois creuser des canaux irre- 
guliers entre les Madr&pores, sans qu’ils soient jamais en- 


280 Leopold Böttger: 


combres de leurs especes, par la double cause reunie du 
mouvement et de la froidure des eaux.‘') 

Lange Zeit hindurch ist Quoy und Gaimard das Ver- 
dienst zugeschrieben worden, die ersten gewesen zu sein, 
welche die Ringform der Atolle und die Anwesenheit einer 
Lagune daraus erklärten, dass jenen ein Krater als Unter- 
lage diene. Trotzdem schon Friedrich Hofmann in der 
nach seinem Tode herausgegebenen „Physikalischen Geo- 
graphie“ aus dem Jahre 1835 behauptet hat, dass Steffens 
diese Hypothese viel früher geäussert habe, ?) hat sich dieser 
Irrthum erhalten, bis Du Bois-Reymond wieder Steffens in 
seine Rechte einsetzte.?) Steffens hat seine Ansicht über 
die Natur der Atolle in seiner Anthropologie im Jahre 1822 
ausgesprochen.*) Er begründet seine Ansicht mit der Ein- 
förmigkeit der Bildung der Koralleninseln und mit der 
Anwesenheit so vieler Vulkane in ihrer Nähe. Die Zahl 
dieser Vulkane schätzte er auf 28 und er glaubte, dass 
spätere Forschungen sie verdoppeln würde. Dann fährt er 
fort: „Die Korallenbauten enthalten öfters Lagunen, die 
man wohl als eingesunkene Kratere betrachten darf, ohne 
hier in der Mitte der ausgedehntesten Vulkanität dem Vor- 
. wurf eines willkürlichen Phantasiespieles ausgesetzt zu sein. 
Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, dass die ursprüng- 
lich kahlen, im Meer isolirt stehenden Basaltberge die 
Grundlage für den Korallenbau der Polypen gebildet haben 
und man muss annehmen, dass einige dieser Berge, selbst 
bis zur ungewöhnlichen Höhe wie Mowna Roa auf den 
Sandwichsinseln hervorragten, während andere vulkanische 
Berge bis unter die Oberfläche des Meeres einsinken, in 
der Mitte durch die in sich hineingesunkenen Kratere an- 
sehnliche Vertiefungen bildend. Eine Art Solfataren, die 
unter dem Meere erlöschen. Wie die Korallen ihren stets 
wechselnden Bau an die über das Meer hervorragenden 
Basaltberge anschlossen, so auch an die Ränder der aus 
der Tiefe hervorragenden Basaltberge, welche die Ober- 


Naar 0787278: 
.2) Du Bois-Reymond, Chamisso als Naturforscher. S. 60. 
3) a. a. 0. S. 32 und S. 60. 

4) a. a. 0. S. 60. 


Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 281 


fläche des Meeres nicht erreichten. Die eingestürzten Kratere 
in der Mitte dieser Berge bilden die Lagunen, die daher 
durchgängig Meerwasser enthalten. So entstanden die so- 
genannten niedrigen Inseln. Es ist unmöglich, die Bildung 
der hohen und niedrigen Inseln im Südmeere mit einander 
zu vergleichen, ohne unwillkürlich zum Schluss gedrängt 
zu werden, dass das unter dem Meer liegende, durch 
Korallen uns versteckte Grundgebirge dem hervorragenden 
der hohen Inseln ähnlich sein muss. Das folgt aus dem 
gemeinschaftlichen Vorkommen beider in vielen Insel- 
gruppen.“!) Quoy und Gaimard scheint aber der Aufsatz 
Steffens nicht bekannt gewesen zu sein, vielmehr ist anzu- 
nehmen, dass sie selbständig zu dem gleichen Resuitate 
gelangt sind, trotzdem sie ebensowenig wie ihr Vorgänger 
je ein Atoll gesehen hatten. Sie sind zwar bei einigen 
der Karolineninseln vorübergefahren, aber ohne hier anzu- 
halten;2) auch drücken sie ihr Erstaunen darüber aus, in 
Kotzebues Atlas mehrere Inseln in einem Ring gruppirt zu 
sehen und bemerken dazu in einer Fussnote: „Cette dispo- 
sition ne serait — elle point due a des crateres sous marins, 
sur les bords desquels les lithophytes auront travaill&?“ 


Während hier dieser Gedanke nur nebenhin geäussert ist, 
erfährt er bald eine bessere Würdigung, indem ihn Lesson 
und Garnot, die Naturforscher der Duperry’schen Expedition 
auf der „La Coquille“, aufgreifen und zu begründen suchen. 
Ihre Reise um die Welt fand im Jahre 1820 statt, die 
Bearbeitung erschien 1828.3)4) Sie sind der Meinung, dass 
die Koralleninseln alle vulkanischen Grund haben, aber 
nicht Glieder eines untergegangenen Kontinents sind. 5) 
Die Korallen haben erst in geringer Entfernung vom Wasser- 


1) Henrik Steffens, Anthropologie. B. I. S. 320. 

2) Annales des scienses naturelles. B. VI. 1825. S. 289. 

3) Voyage autour du monde de la Coquille. Zoolog. Theil. 1. 1. 
Seola: 

4) Also nicht Barrow ist der nächste nach Quoy und Gaimard, 
der Bemerkungen zu dieser Frage macht, wie Du Bois-Reymond 
meint. (Du Bois-Reymond, Chamisso als Naturforscher, Separataus- 
gabe. S. 60.) 

9),2..2..0.:9210, 


282 Leopold Böttger: 


spiegel angefangen zu bauen, denn die Zigzaglinien und 
Unterbrechungen im Riffe sind nur so zu erklären, dass 
die Thiere in gewissen Tiefen Anhaltepunkte nöthig haben, 
welche fähig sind, ihre Verbreitung zu unterstützen. Dies 
wird dadurch bewiesen, dass sich die Korallenbänke niemals 
weit ausdehnen und immer von den Inseln abhängig sind. 
Brachte die Eruption einen Vulkan nicht bis an die Ober- 
fläche, so setzten sich die Zoophyten an seinen Rändern 
fest und führten sie mit ihren steinichten Leibern bis an 
den Wasserspiegel. Der Krater bildet dann die Lagune 
und die durch die Erosion ausgehöhlten Kraterränder die 
Kanäle, welche Einlass in den innern See gewähren. Die 
Tiefe im Zentrum der Lagune würde dann um so beträcht- 
licher sein, je heftiger die Auswürfe des Vulkans waren. ') 

Auf Grund dieser Anschauung über die Entstehung 
der Koralleninseln, theilen sie diese ein in 1) Küstenriffe 
(les reeits simples), 2) alleinstehende Atolle (motous a lagons) 
und 3) Koralleninseln, welche Gruppen bilden wie die 
Karolinen- und Palauinseln. Letztere stehen nach ihnen 
auf einem gemeinsamen, weiten und seichten Plateau. ?) 

Lesson und Garnot machen somit den ersten Versuch, 
die Entstehung der Inseln als Eintheilungsprinzip zu be- 
nutzen. Sie sind auch die ersten, welche auf die Beziehungen 
zwischen den Strömungen der Küstenflüsse und der Lage 
der Oeffnungen in Küstenriffen, welche immer vor den 
Flussmündungen liegen, aufmerksam machen. 

Im Jahre 1830 macht John Barrow®) in einem der 
Londoner geographischen Gesellschaft mitgetheilten Reise- 
bericht des Lieutenants Kendal über die Neu -Shetlands- 
inseln einige Bemerkungen zu unserm Gegenstand, da sich 
in dieser Inselgruppe eine der Insel St. Paul ähnlich ge- 
staltete Insel mit einer Lagune in der Mitte vorfand. Hier- 
bei bemerkt Barrow, dass er schon vor vielen Jahren zu 
der Ansicht gekommen sei, dass die Koralleninseln der 
Südsee auf ähnlichen submarinen Inseln ruhen müssen. 
Im Jahre 1832 vertritt er diese Ansicht auch in einem 


aa 0.5315: 
2) aa. 0% 3.10: 
3) Journal of geogr. Society. London 1830. 8. 62. 


Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 283 


Artikel im „Ausland“,!) und stützt sich dabei vornehmlich 
auf das häufige Vorkommen von Bimsstein auf den Korallen- 
inseln. 

Wichtige Stützen brachte Kapitän Beechey?) für die 
Kraterhypothese von einer Seereise heim. Er war auf dem 
Schiff „Blossom“ ausgesandt worden, die Schiffbarkeit der 
Nordwestpassage zu untersuchen. Da das Schiff für eine 
lange Reise bestimmt war, so war es besonders gut aus- 
serüstet für langwierige, wissenschaftliche Beobachtungen 
und Experimente. So hatte Beechey auch alle erforder- 
liche Mittel um Tiefseelothungen vorzunehmen und eine 
srosse Anzahl von Inseln auszumessen und aufzunehmen. 
Von ihm erfahren wir daher Näheres über die Proportionen 
der verschiedenen Rifftheile in Maass und Zahl. 


Die Inseln sind nach ihm selten mehr als 2 Fuss (0,6 m) 
über die Meeresoberfläche erhoben.) Die Breite der Inseln 
beträgt im Durchschnitt 300—400 yards (100-—-120 m), 
vor der Insel befindet sich eine 30—50 yards (10—20 m) 
breite, zur Zeit der höchsten Fluth 2—3 Fuss (?/;, —1 m) 
unter Wasser stehende Bank. ‚Alsdann versenken sich die 
Wände der Insel jäh, wie es scheint, vermöge der Auf- 
einanderfolge von geneigten Bänken, die durch zahlreiche 
an den Kapitälen zusammengewachsene Säulen gebildet 
werden, in deren Zwischenräumen das Senkblei mehrere 
Faden tiefer fällt.“‘) DBeechey bestätigt die Angabe 
Flinders, dass das Riff auf der Windseite die Oberfläche 
des Wassers eher erreicht als auf der Seeseite. Er sagt 
hierüber:°) Es findet bei ihnen (den Koralleninseln) durch- 
sehends die Regel statt, dass die dem Meere zugekehrte 
Seite höher und vollkommener als die andere, ja häufig 


1) Ausland. No. 16. 1832. S. 60. 

2) Narrative of a voyage to the Pacific and Beering’s Strait etc. 
London. 1831. S. 192 und im Auszug im Journal of Royal. Geog. 
Soc, London, 1831. BT. 'S. 216. 


3) Beechey, Reise nach dem stillen Ozean und der Beerings- 
strasse in den Jahren 1825—28. Neue Bibliothek der Reisebeschreib. 
von Bertuch. Bd. 59 u. 61. 1832. Bd. I. S. 29. 

Alan 120954300: 

5) a. a. 0. S. 300. 


284 Leopold Böttger: 


auch gut mit Waldung bestanden ist, während die andere 
zum Theil oder ganz unter Wasser steht. „Bestätigt sich 
dieser Umstand bei andern Koralleninseln, so ist er höchst 
charakteristisch, aber aus der fortwährenden Einwirkung 
des Passatwindes nicht hinreichend zu erklären. Sobald 
das Riff einmal die Oberfläche erreicht hat, lässt sich die 
Wirkung des Passatwindes leicht nachweisen, allein es 
scheint nicht möglich, dass derselbe seinen Einfluss so tief 
unter dem Wasser erstreckt als manches Riff liegt.‘‘!) Weiter 
bemerkt er: „An den Spitzen und Ecken versenken sich 
diese Inseln weniger schroff und wie es mir scheint regel- 
mässig in die See als an den Seiten.) An diesen Stellen 
(wo die beiden Seiten der Insel zusammenstossen) sowie 
überhaupt in den schmalen Theilen der Lagune, sind die 
Korallenthierchen in grosser Anzahl vorhanden, obwohl sie 
sich im Allgemeinen in sämmtlichen Lagunen in ziemlich 
gleicher Zahl vorfinden.“3) Die Tiefe der Lagune, die er 
gleich seinen Vorgängern bis 20—38 Faden (35— 70 m) 
angiebt, ist nach ihm im Allgemeinen abhängig von dem 
Alter des Riffes, so dass die seichtesten die ältesten sind, 
eiue Ansicht, die wir heute als vollständig unhaltbar be- 
zeichnen müssen. 

Beechey beobachtete, wie die Korallenbauten in der 
Lagune in Form von abgestutzten Kegeln emporsteigen. 
Daraus schliesst er, dass sich auch das Riff aus solchen 
Formen entwickelt hat, indem mehrere solche Hügel, welche 
neben einander standen, verschmelzen mussten, wenn die 
Korallen an der Oberfläche des Wassers in ihrem Weiter- 
wachsen gehemmt, gezwungen wurden, sich seitwärts aus- 
zubreiten. !) 

Beechey macht auf die weite Verbreitung der Erschein- 
ung, dass die Lücken im Riffe der holıen Inseln, in der 
Richtung der von den Bergen herabkommenden Flüsse 
liegen, aufmerksam. Er fand diese Thatsache durchgehends 
bestätigt. Zu ihrer Erklärung bemerkt er, „dass die Litho- 


1) a. a. 0. S. 301. 
2) Diese Bemerkung ist später oft bestätigt worden. 
3) a. a. 0. S. 301. 
4) a. a. 0. S. 302. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 285 


phyten sich vor dem Süsswasser scheuen, ist, da dieses 
nicht ihr natürliches Element bildet, sehr erklärlich, und 
wahrscheinlich enthält dasselbe auch keine Materialien, mit 
denen sie bauen könnten.‘“!) Die Ansicht, dass diese 
Lücken einfach die Fortsetzungen der Thäler unter dem 
Wasser seien, scheint ihm mit Rücksicht auf ihre im 
Verhältniss zu den Thälern ausserordentliche Schmalheit 
nicht zutreffend. Auch fand er, dass die Tiefe der Kanäle 
bis zu einer Grenze hinabsteigt (bis 25 Fuss = 8 m), welche 
man wohl auch als die ungefähre Grenze annehmen könnte, 
bis zu welcher der Einfluss des süssen Wassers reicht. 
Beechey meint, sich das Verdienst zuschreiben zu müssen, 
zuerst erkannt zu haben, dass ein Atoll nicht eine Insel- 
gruppe, sondern eine einzige Insel bildet, da er bei näherer 
Untersuchung fand, dass die Riffmauer unter dem Wasser 
fortgeht.2) Diese Thatsache ist aber schon vor ihm von 
Chamisso dargethan worden.) 

In der Frage über das Fundament der Koralleninseln 
ist Beechey der Ansicht, dass sie auf Bergen, die höchstens 
400—500 Fuss (140—170 m) hoch mit Wasser bedeckt 
sind, gegründet werden. Dass die Unterlage Vulkane sind, 
ist ihm wegen der Grösse vieler Atolle, die die Grösse 
der auf der Erde bekannten Kratere beträchtlich übersteigt, 
nicht sehr wahrscheinlich. %) 

Wenngleich sonach Beechey selbst sich nicht als un- 
bedingten Anhänger der Kraterhypothese hinstellen konnte, 
so betrachtet man doch ziemlich allgemein die Ergebnisse 
seiner Untersuchungen als Stützen derselben. Insbesondere 
war es die Thatsache, dass er in mehreren Atollen, so in 
der Gambiergruppe, noch vereinzelte Trümmer vulkanischen 


u 2 ER BÜ 

2) 202 02052300: 

3) Ainsworth stellt Chamisso gerade als Verfechter der gegen- 
theiligen ‚Ansicht hin, wahrscheinlich veranlasst durch die von 
Chamisso gebrauchte Bezeichnung Inselgruppe für Atoll. (Jour. 
of Rog. Geagr. Soe.-London 1831.) S. 131. Chamisso erklärt aber 
ausdrücklich: Le recif presente au temps du reflux l’image d’une 
large chaussee, qui unit entre elles les iles, qu’il supporte, Chamisso> 
Werke. B. II. S. 39. 

4) a. a. 0. S. 305. 


286 Leopold Böttger: 


Gesteins hervorragen sah, welche für die Kraterhypothese 
für besonders günstig gehalten wurde. In diesem Sinne 
spricht sich schon Ainsworth aus, welcher im Journal of 
Royal Geogr. Society of London 1831 einen Bericht über die 
wissenschaftlichen Resultate der Expedition des Blossoms 
siebt. Von ihm erhalten wir hierbei gleichzeitig einen 
Erklärungsversuch der von Beechey so allgemein ange- 
troffenen Erscheinung, dass die Korallenriffe auf der Seite 
unter dem Winde niedriger sind als auf der entgegengesetzten. 
Er wendet sich gegen die Ansicht Flinders, dies aus dem 
Instinkte der Thiere erklären zu wollen, leitet diese Er- 
scheinung vielmehr aus dem Einfluss der Strömungen auf 
die Wachsthumsriehtung der Korallen ab. An der Wind- 
seite, meint er, arbeite diese der horizontalen Ausbreitung 
der Thiere entgegen und zwinge diese dadurch ihre Wachs- 
thumsenergie auf ein verticales Wachsthum zu verwenden; 
so entständen hier die Steilabstürze, die aber nicht so seien, 
als ob die Insel auf einem Stil stände, wie Forster meint, 
während auf der entgegengesetzten Seite, wo sich die Thiere 
gleichmässig nach beiden Richtungen hin verbreiten können, 
das Riff erst später die Oberfläche erreicht. Wir sehen 
hier ganz dieselbe Idee entwickelt, weiche Semper') später, 
wie es scheint, vollständig unabhängig von seinem Vor- 
sänger zur Erklärung der Tiefenverhältnisse am Riff be- 
nutzte. 2) 


1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1863. Bd. 13. S.569. 

2) Im englischen Original heisst die hierauf bezügliche Stelle: 
„For if the lateral movements of the polypi, ortheir natural tendency 
to horizontal constructiou, happens to be impeded in any one direction, 
they will gain vertically what they lose horizontally; and the resistance 
being equal on the same side, the true horizontal extent will be 
everywhere the same and a wall will be formed: while in an opposite 
direction, the same circumstances not being in existance, the con- 
structions of the polypi will extend horizontally as well as vertically, 
and consequently will not rise with the same degree of rapidity as 
those which are erected to the windward, and hence would result 
an appearance as if this windward bulwark had really been erected 
by the instinctive foresight of the animalculae (Journ. of R. Geogr. 
Soc. London. 1831. S. 217). Ainsworth und Semper haben beide 
den Gedanken gemeinsam, dass die Ströme richtend auf das Wachs- 
thum der Korallen einwirken, gehen aber insofern aus einander, 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 287 


Ainsworth wendet sich dann namentlich gegen Quoy 
und Gaimard. Er hält es für gänzlich unzulässig anzu- 
nehmen, dass eine nur einigermassen grosse und beständig 
bewohnte Insel niemals aus Korallengestein bestehen könnte, 
dass die Korallen überhaupt nur wenige Fuss dieke Schichten 
zu bilden im Stande wären. Den Widerspruch, welcher 
durch die augenscheinlich grosse Mächtigkeit der Korallen- 
felsen einerseits und der geringen Tiefe, in welcher allein 
die grossen Korallenarten zu leben vermögen andererseits, 
hervorgerufen wird, sucht er in ähnlicher Weise zu lösen, 
wie es heutzutage geschieht, nämlich mit Zuhilfenahme 
sesonderter Lebens- und Tiefenzonen für verschiedene Art- 
sruppen. „Why may not the branched madrepores, which 
live at considerable depth,!) have formed the platform for 
their reception, just as we see the marine algae distributed 
in different zones or depth of the sea.“ ?) 


Die von Beechey als Regel hingestellte Erscheinung, 
dass die Windseite stets viel höher ist als die entgegen- 
gesetzte, führt Lyell°®) dazu, die Veränderung des Meeres- 
niveaus zur Erklärung herbeizuziehen. Für einen Unter- 
schied von so grossem Betrage in der Höhe der beiden 
Riffseiten wie bei der Mateldainsel in der Gambiergruppe, 
wo die eine Seite eine bewaldete Insel darstellt, während 
die andere 20—30 Fuss unter Wasser ist, scheint ihm die 
von Beechey gegebene Erklärung ungenügend. Daher nimmt 
er an, dass eine mehrmalige Senkung infolge von Erdbeben 
eingetreten sei, denn dann wird, wenn die Senkung immer 
nur wenige Fuss beträgt, der vorherige Zustand durch 
Nachwachsen der Korallen geschaffen und von Neuem kann 
die Windseite sich erhöhen, während die andere relativ 


als der erstere den das Riff vertical treffenden Strom eine senkrechte 
Mauer erzeugen lässt, während bei Semper der tangirende Strom diese 
Wirkung besitzt, der vertical auftreffende aber die entgegengesetzte, 
daher fällt nach ihm das Riff auch nicht auf der Windseite, sondern 
auf der Seeseite steil ab. 

1) Kapitän Beechey sah lebende Korallen in 180 Fuss Tiefe auf 
Ducie Island. 

2) 222. 07182218: 

3) Principles of Geology. First edition. 1832. Vol. II. 8. 29. 


288 Leopold Böttger: 


zurückbleibt. Eine Wiederholung dieses Vorganges kann 
Ungleichheiten von noch viel grösserem Umfang hervor- 
bringen. Zur Annahme einer beträchtlichen Senkuug des 
Meeresbodens im stillen Ozean war Lyell auch gekommen, 
um die Inselarmuth und die Kleinheit der Inseln in diesem 
Meere zu erklären, da er meinte, bei unveränderlichem 
Wasserspiegel hätten die Thätigkeit der Korallen und die 
ausfliessenden Lavaströme mehr festes Land schaffen müssen 
als wir jetzt antreffen.!) Im Uebrigen stand Lyell auf dem 
Boden der Vulkantheorie und zwar aus folgenden Gründen: 
Erstens, weil es in der Korallenregion viele Vulkane giebt, 
zweitens, weil sich in der Lagune vieler Atolle (der jetzigen 
Wallriffe) häufig Felsen von poröser Lava finden, ?) drittens 
sich auch in Vulkaninseln Einbrüche finden und viertens, 
weil, wie er später hinzufügte, durch die Untersuchungen von 
Ehrenberg bewiesen wurde, dass die Korallenbildungen des 
rothen Meeres niemals atollförmig sind, obgleich dort die- 
selben Arten vorkommen wie in der Südsee,?) es also nicht 
der eigne Instinkt der Thiere sein kann, der sie zur Bildung 
der Ringform veranlasst. 


Die Ansicht, dass die Atolle eine vulkanische Grund- 
lage haben, welche ihnen ibre morphologischen Eigenthüm- 
lichkeiten verleiht, hatte sich demnach ziemlich rasch Bahn 
sebrochen und hervorragende Gelehrte für sich gewonnen. 
Wohl nur wenige verhielten sich immer noch ablehnend 
gegen die von Quoy und Gaimard ausgesprochene Meinung 
von der geringen Mächtigkeit der Korallenkalklager (so 
z. B. Professor Reichardt,!) der die Riffe der Sundainseln 
kennen gelernt hatte), und bis zu einem gewissen Grade 
hatte sich ja auch Beechey dagegen ausgesprochen. Doch 
auch diese Stimmen verstummten bald, als Ehrenberg im 
Jahre 1834 in den Abhandlungen der Berliner Akademie 
der Wissenschaften die Resultate seiner Studien in einem 


2) Lyell a. a. O. Vol. I. S. 296. 

2) Darüber hatte Beechey Mittheilungen gemacht. 

3) Jetzt wissen wir, dass diese Uebereinstimmung nicht so gross 
ist, wie man früher glaubte. 

4) Dictionnaire des sciences naturelles. Article Zoophyte. 
1830. S. 9. 


Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 289 


Aufsatze „Ueber den Bau und die Bildung der Korallen- 
bauten im rothen Meere“ veröffentlichte.!) Ehrenberg?) hatte 
mit Hemprich 18 Monate am rothen Meere verlebt, 9in den 
Jahren 1823 und 24 und ebensoviel im Jahre 1825, hatte 
einen grossen Theil dieser Zeit zu Schiffe verbracht und 
nicht weniger als 45 Inseln und Riffe einer genauen Be- 
trachtung und einem eingehenden Studium unterworfen. 
Zum ersten Male hatte sich ein Forscher so lange Zeit auf 
einem verhältnissmässig so kleinen Gebiete dem Studium 
der Korallenthiere und -riffe gewidmet. Das Resultat war 
daher auch eine Fülle von Beobachtungsmaterial, wie es 
uns vorher noch Niemand geboten hatte, eine Menge von 
Thatsachen, die manche schwebende Frage in das rechte 
Licht stellen sollten. 

Als Einleitung zur Darstellung der Ergebnisse seiner 
Forschungen am rothen Meere giebt Ehrenberg eine histo- 
rische Uebersicht über unsere Kenntnisse von der Natur 
und Bildung der Korallenriffe, auf deren Inhalt oben oft 
hingewiesen wurde. Sie ist die erste historische Behandlung 
unseres Gegenstandes und ist bis auf den heutigen Tag 
auch die einzige geblieben. Aus ihr haben alle, welche 
Daten zu diesem Kapitel gebracht haben, geschöptt. Ehrenberg 
schliesst diesen Abschnitt seiner Untersuchungen, welcher 
bis zu Quoy und Gaimard führt, mit den Worten: „Eine 
specielle Vergleichung dieser verschiedenen Nachrichten 
verdienstvoller Seefahrer und Naturforscher giebt mehrere 
leicht zu erkennende Gegensätze, welche ich hier nicht 
weiter hervorhebe ... . .“) 

Gegensätze in den Nachrichten über einen Gegenstand 
können aber nur entspringen aus den Verschiedenheiten 
der beobachtenden Subjekte oder den der beobachteten 
Objekte. Die Verschiedenheiten der Beobachter gehen aus 
den Verschiedenheiten ihrer Erfahrungen hervor, sowie aus 
der dem einzelnen eigenthümlichen Methode, welche er bei 


1) Im Vortrag hatte Ehrenberg diesen Gegenstand schon im 
Jahre 1832 behandelt. 
2) Siehe hierzu auch Ritter, Erdkunde. B.16. S. 468 u. folgende. 
3) Abh. d.. Ak. d. W. zu Berlin aus dem Jahre 1832, gedruckt 
1834. S. 402. 
Zeitschrift £. Naturwiss. Bd. LXII. 1890. 19 


290 Leopold Böttger: 


seinen Beobachtungen befolgt. Dies erzeugt hier den Gegen- 
satz aus der Beobachtung aus praktischen und aus wissen- 
schaftlichen Gesichtspunkten, die einen beobachten als 
Seefahrer, die andern als Naturforscher. Zu den ersteren 
gehören Cook, Labillardiere, Flinders, Beechey, zu der 
zweiten Gruppe haben wir Forster, Peron, Chamisso, 
Eschscholtz, Quoy, Gaimard und Ainsworth zu zählen. 
Die Seefahrer bringen vereinzelte Beobachtungen und zwar 
zumeist solche, welche aus den in ihrem Beruf begründeten 
Arbeiten, hauptsächlich den Vermessungsarbeiten, hervor- 
gehen, oder solche, welche einem Zufall entspringen. Sie 
betrachten das Aeussere des Riffs, und wo sie sich mit der 
Entstehung der Riffe beschäftigen, bringen sie gewöhnlich 
keine neuen Gesichtspunkte, sondern schliessen sich der 
Meinung eines andern an. Die Naturforscher suchen die 
Nachrichten der Seefahrer durch Beobachtungen, welche 
von der kausalen Betrachtungsweise gefordert werden, zu 
ergänzen und suchen alle unsere Kenntnisse über den 
Gegenstand zu einem Gesamtbilde zu verweben. Sie liefern 
uns daher die Prinzipien bei den Erklärungsversuchen, sie 
allein klassifiziren die verschiedenen Riffgebilde, verall- 
gemeinern die gefundenen Resultate und wenden sie zur 
Erklärung anderer Naturerscheinungen an. 


In Wirklichkeit sind die Gegensätze nicht so scharf, 
wie sie hier gezeichnet wurden, weil unter den Seefahrern, 
die hier in Betracht kommen, Männer von wissenschaftlichem 
Interesse sich befanden, und zweitens, weil die Gegensätze 
naturgemäss erst bei einer grössern Mannigfaltigkeit des 
schon gegebenen Beobachtungsmaterials hervortreten können. 
Daher sehen wir auch Cook sich mit den Erklärungen der 
Entstehung der Riffe beschäftigen, sehen das lebhafte 
Interesse, das Flinders ihnen entgegenbringt und vernehmen 
die zutreffenden Bemerkungen Beecheys. In späterer Zeit 
entwickelt nur noch einmal ein Seemann!) seine Ansichten 
über die Bildung der Riffinseln; aber der mächtig an- 
geschwollene Stoff erdrückt ihn bereits. 


1) Wilkes. Narrative of the U. St. Expl. Exp. B.4 S. 268. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 291 


Die Gegensätze, welche aus dem beobachteten Objekt 
entspringen, gehen in unserm Fall aus der Doppelstellung, 
die dasselbe den beiden grossen Naturreichen gegenüber 
einnimmt, hervor, die erzeugenden Faktoren sind Glieder 
des organischen Reiches, das Produkt ist unorganischer 
Natur. Die einen wenden daher ihre Aufmerksamkeit der 
Erforschung der biologischen Bedingungen der Korallenthiere 
zu und beurtheilen von ihnen aus die Eigenschaften des 
Riffes, was besonders scharf bei Quoy und Gaimard hervor- 
tritt; andern sind die Riffe vorzüglich Gebilde, welche die 
Oberflächengestaltung der Erde beeinflussen; sie betrachten 
dieselben vom geologischen und geographischen Standpunkte. 
Diese Richtung wird am extremsten von Peron vertreten. 
Ihm verdanken wir daher die eingehendsten aber natur- 
gemäss wieder beschränkt bleibenden Untersuchungen über 
die Verbreitung der Riffe. Die Gegensätze entwickeln sich 
vielfach erst, oder fanden hier wenigstens neue Nahrung, 
aus den Verschiedenheiten der einzelnen Riffformen. Schon 
oben wurde betont, dass Quoy und Gaimard ihre Ansichten 
auf Studien gründeten, welche sie an Küsterriffen gemacht 
hatten, für Peron wurden die von ihm an den gehobenen 
Riffen Timors gemachten Wahrnehmungen massgebend. 
Welchen Einfluss das Studium der Atolle haben musste, ist 
schon oben ausgeführt worden. 


Der weitere Theil der Ehrenberg’schen Abhandlung 
enthält dann seine Beobachtungen über die Verbreitung, 
Gestaltung und Form der Riffe des rothen Meeres, über 
ihre Beziehungen zu den geognostischen Verhältnissen des 
Gebiets, über den Antheil, den Korallenthiere am Aufbau 
der Riffe nehmen und über ihr geschichtliches Wachsthum. 
Zuletzt giebt er eine Zusammenstellung seiner „Erfahrungen 
über die Verhältnisse der Korallenthiere als Felsmassen“. 


Der Abschnitt, welcher über die Gestalt und Form der 
Riffe des rothen Meeres handelt,!) giebt uns zum ersten 
Male eine eingehende Beschreibung der Küstenriffe, deren 
Studium bis jetzt von den verschiedenen Autoren gänzlich 
vernachlässigt worden war. Quoy und Gaimard hatten 


1) a. a. 0. 8. 409411. 
19* 


292 Leopold Böttger: 


zwar an ihnen Untersuchungen angestellt, sie unterlassen 
es aber, ung eine Schilderung dieser Art von Riffen zu 
geben. Daher füllt Ehrenberg eine grosse Lücke in unsern 
Kenntnissen von den Riffbauten aus. Das Ergebniss seiner 
Beobachtungen ist folgendes: Die charakteristische Form 
der Korallenriffe des rothen Meeres ist eine langgestreckte, 
bandartige; ihre Richtung ist stets parallel mit der Küste, 
selbst wenn sie sich von ihr weiter als gewöhnlich ent- 
fernen. Niemals aber sind die Riffe hufeisen- oder ring- 
förmig.!) Nirgends sind die Riffe auf der dem Winde 
zugekehrten Seite erhöht, vielmehr konnte man mehreremal 
ein schiefes Ablaufen nach dieser Seite beobachten. Sie 
stimmen aber mit den Riffen der Weltmeere darin über- 
ein, dass sie meist steil zum offenen Meer abstürzen und 
manchmal über 100 Faden Tiefe an ihrem Rande zeigen. 
Nach der Landseite hin nimmt die Tiefe immer allmählich 
ab. Die Oberfläche aller Riffe läuft parallel mit dem Meeres- 
spiegel, bei Fluth ist sie 1,—2 Faden unter dem Wasser, 
bei Ebbe ragen hie und da einige Punkte soweit hervor, 
dass sie von den anprallenden Wogen gerade noch über- 
schwemmt werden. An keiner Stelle jedoch ist es zur 
Inselbildung gekommen. Der Rand des Riffes ist stets 
unregelmässig ausgebuchtet,?) aber seinem Gesammteindrucke 
nach geradlinig. 

Ueber die Verbreitung der Riffe im rotben Meere stellt 
Ehrenberg fest, dass die Riffe dort, wo das Meer sehr 
seicht ist, der Küste dieht anliegen und eine mit dem Fest- 
lande unmittelbar zusammenhängende Felseinfassung bilden, 
an andern Stellen dagegen etwas weiter vom Land entfernt 
sind, so dass ein Bootskanal entsteht. Dieser ersten Riff- 
reihe liegt häufig eine zweite hin und wieder unterbrochene 
vor, welche zur Bildung eines bis 2 Faden (3,6 m) tiefen 
Fahrwassers Anlass giebt. Zuweilen treten mehrere parallele 
Reihen von Riffen vor die Küste. Im tiefen Meer fehlen 


1) Walther bildet einige ringförmige Riffe aus dem Meerbusen. 
von Suez ab. (Walther, die Korallenriffe der Sinaihalbinsel.) 

2) Für die Atolle ist dasselbe erst viel später festgestellt worden. 
Wegen der grossen Schwierigkeiten bei der Untersuchung ihres Randes. 
musste man so lange darüber im Unklaren bleiben. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten, 293 


die Riffe. Damit wies Ehrenberg einen geognostischen 
Einfluss auf die Verbreitung der Riffe nach, der eine weitere 
Bestätigung dureh die Wahrnehmung erhielt, dass die Riffe 
dort sehr zahlreich waren, wo augenscheinlich infolge vul- 
kanischer Thätigkeit Hebungen und Ausfüllungen des Meeres- 
bodens stattgefunden hatten, sowie dass die Riffe selbst 
überall, wo eine Untersuchung angestellt wurde, auf vul- 
kanischem Gestein oder, wie in den meisten Fällen, auf 
einem porösen Kalkstein ruhte, welcher zugleich fast alle 
Inseln des rothen Meeres zusammensetzt. Auch die Er- 
scheinung, dass die Inseln des Meeres die gleichen Tiefen- 
verhältnisse wie die Riffe aufweisen, nach aussen zu steil 
abstürzen, nach dem Lande zu aber infolge von Sand- 
anhäufungen sanft dem Boden des Meeres zuneigen, dort 
keine hier aber reichliche Korallenbekleidung tragen, spricht 
dafür. 


Zum gleichen Schlusse drängt auch die Betrachtung 
der Vertheilung der Korallenthiere auf dem Riffe und die 
Untersuchung der biologischen Bedingungen der Thbiere. 
Ueberall stellte der Korallenkalk nur einen dünnen bis 
höchstens 1!/, Klafter starken Ueberzug über das Grund- 
gestein der Insel dar. Ein Aufeinanderwachsen wurde nur 
bis zu drei Generationen bemerkt; nur selten fanden sich 
zerstörte Korallenfragmente, auf denen andere Fragmente 
eines später entwickelten und wieder abgestorbenen Stammes 
standen, dessen Verzweigungen eine dritte lebende Generation 
einer andern Gattung trug. Niemals war die Masse höher, 
als dass nicht ein einziger Stamm derselben Gattung die 
gleiche Höhe hätte erreichen können. Niemals fanden sich 
Korallenstöcke, die vollständig von Sand verschüttet ge- 
wesen wären, so dass die todten Theile durch den Sand 
unverletzt umhüllt worden wären, wie das Flinders bei 
den gehobenen Riffen Australiens der Fall zu sein schien. 
Auch konnten lebende Korallen aus keiner grössern Tiefe 
als 6 Faden gezogen werden und ‚in der Lebensthätigkeit 
der Korallenthiere schien ihm etwas kräftig Abstossendes 
gegen parasitische Formen ihrer eignen Klasse zu liegen‘. 
Zwar fand er oft andere Thiere an den Korallenstöcken, 


294 Leopold Böttger: 


namentlich Balanen, doch niemals andere Arten von 
Korallenthieren. 

Von den übrigen Beobachtungen, die Ehrenberg über 
die Daseinsbedingungen der Korallenthiere machte, sind 
noch hervorzuheben, dass diese Thiere niemals an steilen 
Wänden vorkommen, dass der bewegte Sand sie abtödtet, 
ihre Verbreitung daher von der des festen Bodens abhängig 
ist, dass die Brandung ihrem Wachsthum förderlich ist, 
Beobachtungen, die zwar meist schon vor ihm von andern 
gemacht worden waren, die aber erst durch ihn eine sichere, 
unumstössliche Unterlage erhalten haben. 

Den allgemeinen Eindruck seiner Untersuchungen fasst 
Ehrenberg dahin zusammen, dass ihm die „Korallen nicht 
als Schöpfer neuer Inseln, sondern vielmehr nur als Erhalter 
derselben“ erscheinen. 

Wenn Ehrenberg auch weit entfernt war, die Resultate 
seiner Studien an den Riffen des rothen Meeres ohne Weiteres 
auf alle Korallengebiete auszudehnen, so war es doch selbst- 
verständlich, dass er sich in seiner Ansicht über die Ent- 
stehung der Atolle den Vertretern der Vulkantheorie anschloss. 
Die Ansicht Forsters, dass sich die Korallenthiere feste 
Wände gegen die tobende Brandung bauen, konnte er als 
Zoologe am wenigsten anerkennen. Schon die eigenthüm- 
liche Struktur der Thiere, bei denen der weiche Körper 
nach aussen liegt, war ihm ein sicherer Beweis für die 
Unhaltbarkeit der Forster’schen Theorie. Endlich ist noch 
zu bemerken, dass Ehrenberg die grosse Mächtigkeit fossiler 
Korallenlager aus der Anhäufung angeschwemmter Korallen- 
bruchstücke erklärte, da er das Aufeinanderwachsen von 
Korallenstöcken für unvereinbar mit seinen physiologischen 
Erfahrungen über die Thiere hielt. 

Fassen wir die Resultate der Ehrenberg’schen Forsch- 
ungen zusammen, so ergiebt sich, dass der eifrige und 
scharfblickende Zoologe zwar kein neues fundamentales 
Prinzip für die Beurtheilung der Bildung von Korallenriffen 
aufzustellen vermochte, dass er aber fast alle schwebenden 
Fragen zu einem vorläufigen Abschluss brachte. Was vor- 
her oft nur vermuthet oder nur mit dürftigen, wenig stich- 
haltigen Gründen belegt wurde, machte er zur Gewissheit 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 295 


oder widerlegte er endgiltig und wo keines von beiden 
möglich war, sammelte er ein Beobachtungsmaterial, das 
die strittige Frage in ein helleres Licht setzte und sie der 
Lösung näher brachte. 

Nicht lange nachdem Ehrenberg uns mit dem Bau der 
Korallenriffe im rothen Meere bekannt gemacht hatte, 
erhielten wir eine genaue Beschreibung eines gehobenen 
Atolls, der Bermudas im atlantischen Ozean. In einer 
scharfsinnigen Untersuchung weist der englische Geologe 
Nelson!) nach, dass sich sämmtliche über dem Wasser 
gelegenen Rifftheile, welche hier bis 260 Fuss (79 m) an- 
steigen, durch die Thätigkeit der Winde entstanden sind, 
demnach nicht, was man bis dahin annahm, eine Niveau- 
veränderung beweisen. 

Ein langjähriger Aufenthalt auf den Riffinseln der 
Bermudas liess ihn noch manche andere werthvolle Be- 
obachtung machen, von denen die auffälligste, weil mit 
den von mehreren seiner Vorgänger gemachten Wahr- 
nehmungen in Widerspruch stehende die ist, dass „sich die 
jungen Korallen (germs), wie meine eignen Beobachtungen 
mich zu behaupten fähig machen, unbekümmert um die 
Unterlage, welcbe sie finden, sich daran festsetzen“.2) Bis 
dahin galt es infolge der Angaben Ehrenbergs als eine 
sichergestellte Sache, dass nur ein fester Felsboden den 
Korallenthieren eine Ansiedlung gestattet, dass Sand aber 
immer tödtlich wirkt, und heute ist man noch derselben 
Meinung. Schon oben ist darauf hingewiesen worden, dass 
Chamisso, der uns zuerst Mittheilungen über diese Frage 
macht, vorsichtig genug war, seine Beobachtungen nicht 
zu verallgemeinern, da er jedenfalls auch direkte Beweise 
für das Gegentheil hatte. Wenigstens spricht er sich in 
der darauf bezüglichen Stelle so bestimmt aus, dass man 
es bei seiner Zurückhaltung gegenüber halbbewiesenen An- 
sichten annehmen muss. Ueber die Anlage neuer Kolonien 
hatte vor Nelson noch keiner, selbst nicht Ehrenberg, direkte 
Beobachtungen gemacht. Die Ansicht, dass nur ein felsiger 


1) Nelson. On the Geology. of the Bermudas, Trans. Geolog. 
Soc. London. 2d Series. Vol. IV. 1837. S. 108. 
2)a a2 02.5192. 


296 Leopold Böttger: 


Untergrund die Bedingungen zur Niederlassung der Korallen- 
larven biete, gründet sich allein auf die Wahrnehmungen 
an bereits bestehenden Kolonien. Auch späterhin, bis auf 
den heutigen Tag, hat Niemand wieder darüber Mittheilungen 
gemacht!), und doch wäre es sehr wünschenswerth, über 
diesen Vorgang Näheres zu erfahren, da manche Frage 
davon beeinflusst wird. 

Auch über die Entstehung der Atollform trägt uns 
Nelson eine Ansicht?) vor. Er denkt sich die Bildung 
dieser Inseln in folgender Weise: In der Zone zwischen 
dem 32.— 34. südlicher und nördlicher Breite, wo die riff- 
bauenden Thiere in grossen Mengen vorkommen, werden 
die von einer Meeresströmung mitgetragenen, anorganischen 
Theile abgestorbener Thiere an einem innerhalb des Bereichs 
der Wasserbewegung etwa befindlichen Felsen allmählich 
erhöhen. Ist der Felsen mit seiner Oberfläche bis in die 
Tiefe, in welcher Korallen gedeihen können, heraufgebracht 
worden, so setzen sich die in der Strömung flottirenden 
Keime der Korallenpolypen an ihn an und zwar im All- 
gemeinen in grösserer Menge an den Abhängen der Kuppe 
als auf dem Plateau, über die sie von dem strömenden 
Wasser zum grössten Theil hinweggetragen werden. Da die 
meisten Riffkorallen ein verticales Wachsthum haben, so 
wird der äussere Rand des Felsgipfels bald das innere 
Plateau an Höhe überragen, und es wird ein Bild ent- 
stehen, das dem eines Atolls vollkommen gleicht, ein Wall 
von Riffkorallen umschliesst einen innern See. Die Bermudas 
stehen in einem Ausläufer des Golfstromes, dessen Sink- 
stoffe auf einem Felsen einen Kegel aufschütteten, welcher 
den Korallenthieren zur Basis diente, um ihre Bauten auf- 
zuführen. Als die atmosphärischen Einflüsse den Thieren 
ein Weiterbauen versagten, hob sie der Wind über den 
Spiegel des Wassers und half den Thieren neue Gründe 
bilden, so dass die Inseln in einem beständigen Wachsthum 
sind. Bei einer Fortsetzung dieses Prozesses, meint Nelson, 


1) Neuerdings hat Sluiter im biologischen Zentralblatt vom 
15. Febr. 1890 höchst bemerkenswerthe Beobachtungen über diesen 
Gegenstand veröffentlicht. 

2)Ear a..088°4122: 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 297 


können noch viel grössere Distrikte landfest gemacht werden 
als dies bei den Bermudas der Fall gewesen ist. 

Diese Hypothese über die Entstehung der Atolle nähert 
sich sehr der in unserer Zeit von Rein, Murray, Guppy und 
Agassiz vertretenen, in welcher gleichfalls die Beschüttung 
bereits bestehender Untiefen zu Hülfe genommen wird, um 
einen genügenden Riffgrund zu schaffen. Die Idee Nelsons, 
die Ringform der Atolle aus der Annahme zu erklären, 
dass der Rand eines unterseeischen Plateaus die meisten 
Thierkeime empfängt, ist von keinem seiner Nachfolger 
wieder aufgenommen worden, vielmehr haben sich alle für 
die von Eschscholtz ausgesprochene Erklärung des Ring- 
walls entschieden. Die Gründe, die gegen Nelsons Annahme 
sprechen, sind folgende: Aus einer Aufschüttung fein ver- 
theilten Materials resultirt immer ein Kegel. Da die Spitze 
zuerst die Zone der riffbauenden Korallen erreicht, muss 
auch sie zuerst besiedelt werden; die Anhäufung der auf 
ihr absterbenden Thierleiber lässt sie in rascherem Tempo 
wachsen als die übrigen Theile des Riffes; daher muss sie 
auch zuerst die Oberfläche des Wassers erreichen: es kann 
also keine Lagune unmittelbar entstehen. Zweitens wird 
die an den Rändern nagende Brandurg den sich ansiedeln- 
den Thieren viel grössere Hindernisse entgegensetzen als 
das langsam strömende Wasser auf dem Plateau. Nelsons 
Hypothese von der Entstehung der Atolle gerieth rasch in 
Vergessenheit als Darwin im Jahre 1839 in seiner „Reise 
eines Naturforschers um die Welt“ und 1842 ausführlicher 
in „The Structure and Distribution of Coral Reefs“ seine 
geistvollen Ansichten über diesen Gegenstand veröffentlichte. 

Hiermit haben wir aber die Grenzen der historischen 
Gegenwart erreicht. Für die jenseits dieser Grenzen liegen- 
den Vorgänge genügt eine tabellarische Uebersicht, die ich 
an eine Rekapitulation des im Vorhergehenden behandelten 
Stoffes anschliessa. 


298 Leopold Böttger: 


Tabellarische Uebersicht der Geschichte unserer 
Kenntnisse und Meinungen der Korallenbauten. 


I.Die animistische Auffassung derKorallenriffe. 
II.GeschiechteunsererKenntnissevondenKorallen- 
bauten bis zum Jahre 1778. Man betrachtet die 
Korallenriffe vom praktischen Standpunkte 
aus. 
Im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt. Plinius 
hält die Riffe für Wälder. 

1540. Dom Juan de Castro beschreibt die Rifte des 
rothen Meeres. 

1616. Pyrard beschreibt die Maledivenatolle. 

1638 tritt bei Linschoten der Begriff „Korallenfels“ 
zum ersten Mal auf. 

1702  äussert sich Strachan über die felsbildende Thätig- 
keit der Korallen. 

1721 bereist Thomas Shaw das rothe Meer. 

1769 Dalrymple erklärt die Riffe für Produkte der An- 
schwemmung von Korallenbruchstücken. 

1775 Peter Forskal beschreibt die allgemeine Erschein- 
ung und Verbreitung der Riffe im rothen Meere. 
Die um die Mitte des 15. Jahrhunderts unternommenen 
Weltumseglungen stellen die weite Verbreitung der 

Riffe Test. 
IIl. Geschichte der Korallenriffe vom Jahre 1778 
bis zur Gegenwart: Periode der wissenschaft- 
lichen Betrachtung der Korallenriffe. 
A. Periode der teleologischen Auffassung der 
Riffe. 1773— 1822. 

1783. Forster erklärt die Ringform der Atolle als Produkt 
der Triebhaudlungen der Korallenthiere. 

1785. Cook macht Beobachtungen über das Wachsthum 
der Riffe und Riffinseln. 

1806. Barrow stellt die ersten Versuche an, die Mächtig- 
keit des Korallenlagers auf einer niedrigen Insel 
zu messen. 

1814. Flinders beschreibt das grosse australische Wallriff. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 299 


1816. Pe&ron bestimmt die Grenzen der geographischen 
Verbreitung der Korallenriffe. 

1821. Chamisso untersucht die geologischen Verhältnisse 
am Radakatoll und macht Beobachtungen über die 
Lebensbedingungen der Korallen, über Flora und 
Fauna der Riffinseln. 


1821. Eschscholtz erklärt die Entstehung der Lagune. 


B. Gesehiehte der Korallenriffe unter der 
Herrschaft der Vulkantheorie. 
1822. Steffens erklärt die Atolle für Krönungen sub- 
mariner Vulkane. 
1825. Quoy und Gaimard erkennen, dass die Korallen- 
thiere nur in geringer Tiefe zu leben vermögen. 
1828. Lesson und Garnot sprechen sich für die Vulkan- 
theorie aus. 
1831. Barrow spricht sich für die Vulkantheorie aus. 
1832. Lyell zieht Veränderungen im Meeresniveau herzu, 
um die Tiefenverhältnisse an den Atollen zu er- 
klären. 
Ainsworth verwendet die Strömungen des Meeres, 
um die Tiefenverhältnisse am Riff zu erklären. 
1832. Beechey vermisst 30 Koralleninseln auf und giebt 
nähere Mittheilungen über die Morphologie der Riffe. 
1834. Ehrenberg beschreibt die Küsten- und Barierriffe 
des rothen Meeres. 
1837. Nelson stellt eine neue Erklärung der Lagunen- 
bildung auf. 


C. Aeusserungen zu der Entstehung der Korallen- 
riffe aus der Gegenwart. 

1839. Darwin erklärt die Atolle mit Hülfe säkularer 
Senkungen. 

1856. Le Conte betont den Einfluss der Meeresströmungen 
bei Bildung von Riffinseln. 

1863. Semper erklärt die Wallriffe und Atolle mit Hülfe 
von Strömungen während einer Periode der Hebung. 

1870. Rein erklärt die Atolle für Krönungen submariner 
Berge, welche durch Aufschüttung organischer Reste 


300 


Leopold Böttger: 


bis zur Zone des Wachsthums der Korallen ge- 
stiegen sind. 


1870. Agassiz beschreibt die landschaffende Thätigkeit 


der Korallen an der Halbinsel Florida. 


1879. Murray erklärt die Lagune mit Zuhülfenahme der 


auflösenden Kraft des Meerwassers gegenüber dem 
kohlensauren Kalk. 


Anhane. 


Zusammenstellung der Literatur, welche die 


8. 


Entstehung der Korallenriffe behandelt, 
vom Jahre 1842 an.') 


Ch. Darwin: The Structure and Distribution of Coral 
Reefs. 1842. Zweite Auflage 1874. Dritte Auflage, 
herausgegeben von Bonney mit eirem Anhang vom 
Herausgeber 1889. 

R. v. Lendenfeld: Darwins Korallenriffe. Referat 
über den Anhang zur dritten Auflage von Darwins 
Schrift. (No. 1 in diesem Verzeichniss.) Biolog. Central- 
blatt. B. 9. 1889. S. 564. 

Al. v. Humboldt: Ansichten der Natur. Taschen- 
ausgabe. Stuttgart 1871. S. 217. 

J. Dana: On Coral reefs and islands. New- York 1853. 
London. 1872 und 1883. 

J. Dana: Report on Geology. U. S. Expl. Exped. 
S. 156. 1849. 

Le Conte: On the agency of the Golf-Stream in the 
formation of the peninsula and the Keys of Florida. 
Albany. 1856. Proc. Amer. Assoc. X. 1856. p. D. 
3.103. 

L. Agassiz. On the physical condition of the Florida 
reef. Merc. Mar. Mag. 1870. S. 289. 

J.B. Hunt: Silliman Journal. XXXV. 1863. S. 388. 


1) Dieses Verzeichniss macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 


10. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 301 


Conthony: Boston Journ. Nat. Hist. IV. 1845—1844. 
S. 137. Proc. of Boston. Soc. Nat. Hist. Januar 
1842. 'p. 50. 

A. Agassiz: On the Tortuga and Florida reefs 
Transaet. of the Amer. Soc. Vol. XI. Mem. of the 
American Acad. of Arts and science 1885. Neu Series. 
IE PIOT.- 

Al. Agassiz: Three cruises of the Steamer Blake. 
Vol. 1. 

Semper: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 
B13. 1863. 943563: 

Semper: Die Philippinen und ihre Bewohner. 1869. 
Ss. 100—109 und S. 19 — 33. 

Semper: Die natürlichen Existenzbedingungen der 
Thiere. I. II. S. 37 und folgende. 

Semper: Verhandl. der phys.-med. Gesellschaft zu 
Würzburg. 1868. Sitzung vom 1. Febr. 

Rein: Jahresbericht der Senkenberg’schen natur- 
forscherden Gesellschaft. 1870. S. 158. 

Rein: Verh. des ersten deutschen Geographentags. 
1881. Die Bermudasinseln und ihre Korallenriffe. 
Wilkes: Narrative of the United States Expl. Exped. 
701042597208. 

Murray: The Structure and Origin of the Coral Reefs 
and Islands. Proc. of the Royal. Soc. Edinburg. 
Vol. X. 1879—1880. S. 505. 

Geikie: Proc. Edinb. Royal. Philos. Soc. B.8. 1883. 
Presidial Address. 

J. D. Dana: The Origin of Coral Reefs and Islands. 
Amer. Journ. of. science. 1885. B. 30. S. 89 und 169. 
J. D. Dana: Points in the geologieal history of the 
islands Maui and Oahu. Am. Journ. Sc. 1889. B. 37. 
> ll 

Agassiz: Bul. Museum of Compor. Zoolog. Cambridge. 
1889. B. 17. S. 121—170. 

Murray: The Structure, Origin and distribution of 
coral reefs and islands. Proc. of R. Inst. .of Great 
Britain. March. 1888. S. 251. Nature 1889. Vol. 39. 
S. 424—28. 


302 


Leopold Böttger: 


2D. 


26. 
27. 


28. 


29. 


30. 


31. 


32. 


3%. 


P. Hoffmann: Wahrnehmungen an einigen Korallen- 
riffen der Südsee. Verh. d. Berl. Gesellsch. f. Erdk. 
18 Sr 86 2208) 

Rice: Bull. U. St. Nat. Mus. Washington. N. 25. 


Hochstetter: Reise der Fregatte Novara. Geolog. 
Theil. IH. B.II. 113. 1866. 

Guppy: Observations of the recent calcarions formations 
of the Salomon group. Nature 1885. B. 33. S. 202. 


Guppy: The Coral reefs of the Salomon Islands. 
Nature. . Vol. 35. 8. 77. 

Guppy: The Salomon Islands, their geology etc. 
London. 1837. 

Guppy: Coral Islands and savage myths. Trans. Vict. 
Inst. London. 1888. 


Guppy: A criticism of the Theorie of Subsidence as 
affecting Coral Reefs. Scottish Geogr. Magazine. 
Vol. IV. 11883. 75, 101 

Guppy: The Cocos-Keelings -Islands. Scott. Geogr. 
Mag. Vol.V. 1889. S. 461. 

Bourne: The Atoll of Diego Garcia and the Coral 
Formations of the Indian Ocean. Proc. of the Royal. 
Soc. of London. Vol. XLII N. 264. S. 444 und 
Nature, 12 August. 1888. 


J. Walther: Die Korallenriffe der Sinaihalbinsel. 
Abh. der math.-phys. Klasse der kgl. sächs. Gesell- 
schaft d. Wissenschaften. B. XIV. No.X. ». 63. 1888. 
Klunzinger: Bilder aus Oberägypten. S. 326—373. 
Keller: Madagascar: 1887. 

v. Richthofen: Führer für Forschungsreisende. 
Supan: Pet. Mitt. 1889. S. 200. 

Wyville Thomson: Voyage of the Challenger. The 
Atlantic, BT. S. 289. 


Forbes: Notes on the Cocos or Keeling Islands. 
Proc. of the Roy. Geogr. Soc. London. 1879. 8. 777. 
Fred. Hart: Geology and Physical Geogr. of Brasil. 
Boston 1870. S. 620. 

Buchanan: Proc. Roy. Soc. Edinb. B. 13. S. 428. 
Proc. Roy. Soc. London. B. 43. 8. 340. 


44. 


45. 


46. 


AT. 


48. 


49. 


50. 
Hl 


52. 


53. 


61. 


Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 303 


Henrich: Korallenbildungen. Humboldt. 1. Jahrgang. 
S. 252. 2. Jahrgang S. 374. 

Kosmos: Die Entstehung der Korallenriffe. B. 1. 
S. 210. 

Wharton: Foundation of Coral Reefs. Nature. 1538. 
Bd38: 8.508 1. 

Dupont: Les iles coralliennes de Roly et de Philipp- 
ville. Bruxelles 1882. 

Liebe: Ein Bryozoenriff. Humboldt. 2. Jahrgang. 
S. 224. 5 

v. Lehnert. Ueber Landbildungen im Sundagebiet. 
D. Rundschau f. Geogr. und Statistik. 5. Jahrg. S.56. 
Reelns> Ba kermesVoly 140 S2 795. 

Brady: Note on the so called Suva Saopstone. Geol. 
Soc. Nov. 1837. 

Th. Studer: Ueber einige wissenschaftl. Ergebnisse 
der Gazellenexpedition. Verb. d. zweiten deutschen 
Geographentags. Berlin 1832. S. 23. 

Nature. 1837/88. B.37. S. 393. 414. 458. 461. 488. 
509. 535. 584. 604. — B. 38. 8. 54. — B. 39. 85. 424. 
435, 5. 40. 192.53.1022129. 113. 2032272 BB. 91. 
S. 81. 

Hahn: Inselstudien. 176. 

Th. Studer: La formation corallienne dans les Oceans 
au point de vue geologigsue. Geneve 1833. 

H.B. Guppy: Coral soundings in the Salomon Islands. 
Ann. Mag. N. H. (S). XII. p. 460—466. 

Crosby: On the elevated Coral Reefs of Cuba. Proc. 
Boston Soe. N.H. XXIH. 1854. p. 124—150. 
W.Seler: Ueber die Bildung der Korallenriffe. Biolog. 
Centralblatt. IV. 188. 8. 477 —480. 

A. de Lepparent: La theorie des recifs coralliens. 
Revue Sc. Paris. (3.) IX. 1885. p. 956—561. 

H.B. Guppy: Suggestions as to the mode of formation 
of Barrier Reefs in Bougainville Sraits Salomon Group. 
Proe. Linn. Soc. N.S. Wales. IX. 1885. p. 949—959. 
Allmann: On coral islands and their architects. 
Bioe royaalnst, 18432 Vol. Vll. p. 5867. 


304 Leop.Böttger: Gesch. Darstellung ete. v. d. Korallenbauten. 


62. 


693. 


64. 


65. 


66. 


67. 


A. Heilprin: The Bermuda Islands. Philadelphia 
1339. 

S. J. Hickson: ‚Theories of Coral Reefs and Atolls.“ 
Address, British Assoc. 1388. 

H. O0. Forbes: A Naturalists Wandering in the 
Eastern Archipelago. 188. 

R. v. Lendenfeld: Naturwissenschaftl. Rundschau. 
13. Oct. 1888. 

C. Ph. Sluiter: Ueber die Entstehung der Korallen- 
riffe in der Javasee und Branntweinbai, und über neue 
Korallenbildungen bei Krakatau. Biolog. Centralblatt. 
B. IX. N. 24. S. 737. 1890 u. Naturkundig Tijdschrift 
v. Neerlandsch. Indie B. XIIX. 

W. Fewkes: On the Origin of the present form of 
the Bermudas. Proc. Boston. Soc. Nat. Hist. B. 23. 
S. 518. 


Edmund Mojsisovies von Mojsvar: Die Dolo- 


mitriffe von Südtirol und Venetien. Wien 1879. S.494. 
Richthofen: Ueber Mendoladolomit und Schlerndo- 
lomit. D. Geol. Ges. 1874. S. 225. 

Agassiz: Report ou the Superintendent of the U. S. 
Coast Survey, during the gear 1866. Washington 1869. 
S. 126. 

Agassiz: Bulletin of the Mus. of. Comp. Zoologyat 
Harward College. Nr. 13. S. 376. 

Hoff: Geschichte der natürlichen Veränderungen der 
Erdoberfläche. Gotha. 1834. B. II. S. 61. 


Ausserdem finden sich Bemerkungen über die Entstehung 


der Korallenbauten in fast allen Lehr- und Handbüchern 
der Geologie und Geographie. 


Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaguis, 
an der Ostküste Brasiliens. 


Von 
Dr. Wohltmann. 


Im südwestlichen Theile des Meerbusens Sao Francisco 
do Sul (Bundesstaat St. Catharina) liegen vor Beginn der 
Lagoa de Saguassu mitten in Mangrove-Sümpfen, die von 
der Fluth noch theilweise unter Wasser gesetzt werden, 
mehrere kleine inselartige Bodenerhebungen. Schon von 
weitem sind dieselben durch ihren Baumwuchs erkennbar, 
welcher von der niedrigen Sumpfvegetation absticht. Die 
Bodenerhebungen ruhen meistens auf Gneiss, Granit und 
Diorit dem Grundgestein der naheliegenden Serra do Mar, 
doch erhebt sich daselbst aus der Sumpfniederung auch 
ein Bergzug, welcher in röthlichem Thon eingelagert hoch- 
prozentisches Manganeisengestein enthält, das rein oder 
mit Thon oder Quarz oder Granit verwachsen dort fast 
zu Tage liest. 

Auf mehreren der inselartigen Erhebungen des sumpfigen 
Unterlandes liegen nun jene kleineren oder grösseren 
Muschelberge, die wegen ihrer Bauart, Höhe und der in 
ihnen enthaltenen zahlreichen Spuren menschlicher Thätig- 
keit von ganz besonderem Interesse sein dürften. 

Schon seit einer längeren Reihe von Jahren finden die 
Muschelberge wirthschaftliche Verwerthung und werden 
abgebaut, um die dortige Gegend und auch die grösseren 
Plätze an der Küste bis Rio hinauf und hinab bis Desterro 
mit Baukalk zu versehen. Zwei der grössten Hügel sind 
bereits zur Hälfte zu Kalk verbrannt, von einem dritten 
grösseren, welchen ich nicht besuchen konnte, wird das- 

Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIII. 1890. 20 


306 Dr. Wohltmann: 


selbe gesagt, ein vierter am Rio Velho ist bereits um !/ıo 
seiner Masse verringert. Der Abbau dieser Berge gestattet 
einen sehr schönen Einblick in das Innere derselben und 
die zwei beigegebenen Tafeln bieten ein recht an- 
schauliches Bild ihrer Struktur. 


Auf der kleinen Insel, welche bei Fluth aufgenommen, 
durch die Tafel IV. dargestellt wird und welche 
unmittelbar am Meeresbusen liegt, zählte ich 2 grosse 
(links und rechts auf dem Bilde) und 2 kleine Muschel- 
berge. Der grosse angebrochene Hügel (links auf dem 
Bilde) ist ca. 12 Meter hoch und hat einen Durchmesser 
von ca. 50 Meter, der rechtsseitige ist etwas kleiner. Die 
kleinern Muschelhügel auf dieser Insel sind einwärts ge- 
legen und von unbedeutender Höhe, der eine jedoch recht 
lang gestreckt. Auf einer andern inselartigen Erhebung 
befindet sich ein gleichfalls zum Kalkbrennen in Angriff 
genommener Muschelberg von der beträchtlichen Höhe 
von 20 Meter und einem Durchmesser von 60 Meter. 
Tafel V. stellt ihn dar. Einen andern grossen Hügel er- 
blickte ich in der Nachbarschaft am Rio Velho nicht weit 
von dem genannten; ausserdem sollen dort in der Um- 
gebung noch mehrere kleine Hügel auf den Bodenerhebungen 
im Sumpflande zerstreut vorhanden sein. 

Die Berge bestehen aus reinen Muschelschalen und 
Muscheln, welche, wie die Tafeln scharf erkennen 
lassen, schichtweise übereinander liegen. Die Muscheln 
gehören verschiedenen Arten an, und bald bestehen die 
einzelnen Schichten aus reinen Austermuscheln oft von 
riesiger Grösse, bald aus kleinen Seemuscheln. Sehr oft 
sind jedoch die Schichten gemischter Natur. In denselben 
waren zumeist vertreten*): ; 

Östrea rostrata, Ostrea virginica Gmel., Östrea parasitica 
Gmel., Anomalacardia antiquitata L., Cardium muricatum. 
Dosinia eoncentrica Born, und besonders auch die kleine 
Oryptogramma brasiliana Gmel.; ferner fanden sich 


*) Die Bestimmungen verdanke ich der Freundlichkeit des 
Herrn Otto Goldfuss-Halle, dem ich hiermit besten Dank 
ausspreche. 


Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis. 307 


Murex turbinatus und Bulimus oblongus in und an den 
Hügeln. 

Die Schichtung der Muscheln ist insofern eigenthümlich, 
als dass dieselbe nicht in regulären Linien durch die ganze 
Tiefe der Hügel zu verlaufen pflegt, sondern derart, dass 
sie auf verschiedene Kern- oder Anfangspunkte hindeutet, 
und deutlich angebaute Theil- und Ueberbauten erkennen 
lässt, wie die Tafeln scharf wiedergeben. 

In dem grösseren Hügel von 20 Meter Höhe 
(Tafel V.), welcher auch einen Anbau hat, laufen die untern 
bis mittleren Schichten in Folge des starken Druckes von 
oben nicht in gewölbter oder gerader Linie sondern in 
nach unten gesenkter. An diesem grossen Kalkhügel zählte 
ich im Durchschnitt ca. 15 Schichten auf 1 Meter, danach 
beläuft sich der Aufbau des mittlern Kegels bei seiner 
Höhe von 20 Meter auf ca. 300 Schichten. Und rechnet 
man, dass jede Schicht ein Jahr repräsentirt, so stellen 
diese 300 Schichten 300_Jahre dar, und der ganze Berg 
mit den Anbauten ca. 600 Jahre. Nirgend sind die Muscheln 
fest in einander verwachsen, sondern unverbunden auf 
einander gelagert, so dass man sie mit einem hakenähn- 
lichen Instrumente leicht von einander trennen kann. Fast 
alle Muscheln sind mehr oder minder gut erhalten, aber 
geöffnet und getheilt, nur die ganz kleinen der Orypto- 
gramma brasiliana finden sich häufig noch geschlossen. 

Und nun zur Entstehung dieser Muschelberge oder richtiger 
wohl Muschelschalenberge! 

Die Muschelberge sind nicht ausschliesslich dem Bundes- 
staat St. Catharina eigenthümlich, sondern finden sich häufig 
an der brasilianischen Küste, ebenso auch an der Süd-Ost- 
küste Nordamerikas, und besondersin dem südlichen Bundes- 
staat Rio Grande do Sul. Eigenartig dürften diejenigen St, 
Catharina’s vielleicht insofern sein, als sie eine besonders 
auffallende Höhe besitzen. 

In der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesell- 
schaft am 11. Januar 1890 wurde ein Schreiben des Herrn 
evangel. Pastor Kunert in Forromecco, Municipio de Sao 
Joao do Monte negro in Rio Grande do Sul, an Herrn 
Professor Dr. Fabri, Godesberg, verlesen, welches Rio 

20* 


308 Dr, Wohltmann: 


Grandenser Alterthümer behandelt und zu Anfang auch die 
Muschelberge daselbst berührt. Es heisst in dem Bericht 
der Verhandlungen vom 11. Januar: 


„Seit etwa 50 Jahren hat man hie und da angefangen, 
Sammlungen anzulegen von den bisher unbeachteten Stein- 
und Thon-Geräthschaften der Urbewohner dieser Provinz, 
deren Steinzeit eigentlich bis zu ihrer kürzlichen Ver- 
drängung nach Norden fortdauerte. Man kann, wenn man 
aus allen Gegenden eine Anzahl von Funden studirt, 2 
Hauptstämme unterscheiden, nämlich Campo- und Wald- 
indianer und drittens die Muschelleser der Seeküste. Man 
ist geneigt, das Zeitalter der Muschelleser möglichst weit: 
zurückzulegen, womöglich in die Zeit der dänischen und 
erönländischen Kjökkenmöddinger und demgemäss auch 
jene elenden Muschelleser als die eigentlichen Urbewohner 
zu betrachten. Diese Ansicht ist aber bis jetzt noch nicht: 
mit sichern Gründen unterstützt, nicht einmal die, ob die 
Waldindianer wirklich eine von den Muschellesern verschie- 
dene Rasse seien. 


Die Hinterlassenschaft jener Muschelleser besteht näm- 
lich in einer grossen Anzahl mehr oder weniger verwitterter: 
Haufen von Muschelschalen, weiche an den Salzsümpfen. 
der flachen Seeküste in den Dünen eingebettet liegen. 
Unter jenen Küchenabfällen finden sich Menschenknochen, 
theils ziemlich vollständige Gerippe in natürlicher Lage, 
theils unvollständige Menschenreste. Man schliesst daraus, 
dass jene Stämme ihre Leichen unter den Nahrungsabfällen 
begraben haben. Jedenfalls spricht nichts dafür, dass sie- 
vorher das Fleisch gegessen haben. Die gefundenen Urnen,, 
Töpfe und Steinwaffen unterscheiden sich in nichts von 
den Funden aus der Waldregion dieser Provinz, nur sind 
sie spärlicher. Es finden sich sogar bemalte Topfscherben, 
die der neueren Zeit angehören. Immerhin ist es wahr- 
scheinlich, dass man an jenen Stellen die Spuren der Ur- 
bevölkerung am leichtesten bis in die ältere Zeit verfolgen. 
kann.“ — 


Trotzdem noch mannigfach Zweifel an der Entstehungs- 
art dieser Muschelberge durch menschliche Thätigkeit er-- 


0) 


Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis. 309 


hoben werden und man dieselbe unter Anderem auf Meeres- 
spülung, Wasserwirbelung oder dergl. zurückzuführen sucht, 
so muss doch jeder derartige Einwurf demjenigen hinfällig 
erscheinen, welcher an Ort und Stelle in dieselben Ein- 
sicht nehmen konnte. 

Ich denke mir die Entstehung dieser Berge in St. 
Catharina folgendermassen: 

In früherer Zeit, vielleicht noch vor 200 Jahren sind 
die Indianer des Landes (die Buger des Botokudenstammes) 
von dem ca. 8- bis 900 Meter hochliegenden Hochlande 
alljährlich und regelmässig zum Fischen und Muschelsuchen 
an die See gekommen, höchstwahrscheinlich im Winter, 
wenn es auf dem Hochlande reift und sogar leicht friert 
(bis zu—5°C.) und auch das Wild an die wärmere niedrige 
Küste zieht. Noch heute sind jene Indianer dort anzutreffen, 
nicht sesshaft, sondern als wandernde Völkchen in kleineren 
und grösseren Trupps. Zuweilen überfallen sie die Kolo- 
nisten, und ich selbst stiess in den noch mit dichtem Ur- 
wald bestandenen obern Thälern des Itapocü, Jaragua und 
Rio da Serra auf meinen Expeditionen zuweilen auf Spuren 
ihrer kürzlichen Anwesenheit daselbst oder durchquerte 
ihre deutlich zu erkennenden Pfade. Noch vor nicht langer 
Zeit beunruhigten diese Indianer häufig die Kolonisten und 
es wurden förmliche Jagden auf sie unternommen, die auch 
einmal den Erfolg einer Ueberrumpelung in ihrem Lager 
aufzuweisen hatten. Meine schwarzen und brasilianischen 
Begleiter hatten auf meinen Expeditionen häufig Furcht 
vor nächtlichen Ueberfällen und begannen regelmässig, 
wenn die Hunde des Nachts anschlugen, eine starke 
Kanonade in die düstere Umgebung, um die vermeintlichen 
Indianer abzuschrecken. Diese Indianertrupps ziehen regel- 
mässig, nachdem sie im Herbst die Früchte der Araucaria 
brasiliana des Hochlandes eingesammelt, in die Küsten- 
gebirge der Serra do Mar und nähren sich dort, wo die 
Kolonisation noch nicht vorgedrungen, von Jagd und Fisch- 
fang in den fischreichen Flüssen, welche ihrer heute sehr 
geringen Zahl reichliche Nahrungsmittel bieten. Es er- 
scheint mir nun vollständig erklärlich und naturgemäss, 
dass sie in jenen Zeiten, als die Europäer und Brasilianer 


310 Dr. Wohltmann: 


jene Gegenden noch nicht occupirt hatten, ihre Wanderungen 
bis ans Meer ausdehnten. Sie haben sich dann wohl für 
die Wintermonate auf den kleinen felsigen Erhebungen des 
Unterlandes in unmittelbarer Nähe der Küste eingerichtet 
und sich vornehmlich von Fischen und Muscheln ernährt. 
Da die Bodenerhebungen inmitten der sumpfigen Mangrove- 
Vegetation nur sehr geringen Raum bieten, und die Muschel- 
schalen in die nackten Füsse schneiden, so haben sie die- 
selben zusammengehäuft und aus kleinen Anfängen sind 
Hügelcher und schliesslich Berge bis zu jener Höhe von 
20 Meter entstanden. Vermuthlich verfuhren sie dabei 
folgend: Wenn der Fang oder die Sammlung der Muscheln 
vollzogen, hat man die Beute oben auf die Muschelhügel 
eingeheimst, dort sind die Muscheln mittelst Steinen auf- 
geklopft, zubereitet und gebacken oder geröstet. Für das 
letztere sprechen besonders die vielen kleinen Kohlen- 
stückchen, die sich zwischen den Muscheln finden. In der 
Provinz Angola südlich von St. Paul Loanda (West-Afrika) 
erinnere ich mich, Neger gesehen zu haben, deren Frauen 
dasselbe Geschäft des Muschelaufklopfens am Meeresufer be- 
sorgten und schon meterhohe langgestreckte Muschelschalen- 
hügel vor sich liegen hatten. Die entschalten Thiere wurden 
alsdann, wenn ich richt irre, mit Farinha-Mehl zerrieben und 
der also entstandene Teig am Feuer geröstet. Aehnlich ver- 
fuhren wahrscheinlich die Indianer in St. Catharina. Zwischen 
den Muschelschalen sind häufig rundliche oder längliche 
Steine aufgefunden, an denen man deutlich Griff-, Stoss- 
und Reibseite erkennen kann; ich habe deren eine grosse 
Anzahl gesammelt. Auf der Spitze des grössten 20 Meter 
hohen Hügels sind ferner 2 grosse Steinplatten aufgefunden, 
die ganz charakteristisch erkennen lassen, dass sie als 
Reibschale gedient. Die Steine (Gneis) waren jedoch so 
gross, dass sich nicht nur eine, sondern mehrere glatte 
flache Höhlungen auf denselben befanden, so dass wohl 
mehrere Personen gleichzeitig an einem Steine arbeiten 
konnten. Die kleinen Hand-Reibsteine bestanden aus Gneis, 
Granit und Diorit, welehe Gesteine im Unterlande von St. 
Catharina häufig an den Tag treten und speziell dort, wo 
die Muschelberge angelegt waren. 


Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis. 311 


Ausserdem befinden sich in den Muschelhügeln eine 
verhältnissmässig grosse Anzahl alter Steinwaffen, nament- 
lich Steinäxte, von denen ich einige prachtvolle Exemplare 
einsammeln und mitbringen konnte. Ebenso wie die oben- 
genannten Küchensteine, so sind auch die Waffen zumeist 
aus Gneis, Granit und Diorit. Nur eine sehr gut erhaltene 
breite Steinaxt ist aus Kalkstein (Dolomit) und liefert den 
Beweis, dass die Indianer mit dem Hochland in Berührung 
kamen, denn nur dort finden sich Kalknester, und zwar 
sind sie heute nur in dem Bundesstaat Parana bekannt. 
Das Unterland in der Nähe der Muschelberge ist durch- 
weg sehr kalkarm — der Boden enthält in Maximo nur 
0,1—0,21%, CaO, und ebenso weisen die sämmtlichen 
Gewässer der Serra do Mar in jener Gegend im Mittel 
kaum 1 Härtegrad auf. 

Diese Funde, Kohlenpartikelehen, menschliche Geräthe 
und Waffen, dann die Thatsache, dass die meisten Muscheln 
als getheilte Schalen und in einer Weise geschichtet da- 
liegen, welche natürlich nicht erklärt werden kann, dürften 
wohl jedweden Zweifel beseitigen, dass die Muschelberge 
anders als durch menschliche Thätigkeit entstanden sind, 
und dass die Bildung derselben durch die Natur absolut 
ausgeschlossen ist. Fernere Beweise hierfür liegen auch 
darin, dass zwischen den Muschelschalen häufig Fischwirbel 
und sogar Menschenknochen zu finden sind — menschliche 
Unterkiefer mit noch gut erhaltenen Zähnen fand ich unter 
Anderem. — Unter welchen Umständen letztere dort zur 
Ablagerung gekommen, ob in Folge von Menschenopfer 
oder als zurückgelassene Leichen, dürfte wohl schwer auf- 
zuklären sein. 

Ausserdem fand ich in unmittelbarer Nähe der auf 
Tafel IV. dargestellten Muschelberge noch folgende 
hochinteressante Merkmale menschlicher Thätigkeit. An 
2 Stellen nahe am Wasser vor dem linken und vor dem 
rechten Muschelberge traten Gneis- und Granitblöcke in 
einer mehr oder minder breiten Fläche sich erhebend offen 
zu Tage. Dort befanden sich nun in dem Felsen ungefähr 
12 schalenmässige, ganz glattgeriebene mehr oder minder 
grosse Einhöhlungen, und -ferner in einem besonders zum 


312 Dr.Wohltmann: Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis. 


Schärfen gearteten Gestein längliche tiefe Einschnitte, 
deutliche Einreibungen, die ohne Zweifel erkennen liessen, 
dass an jenen Stellen die Indianer ihre Geräthe und Waffen 
hergestellt und geschliffen. Ich zählte ca. 5 dieser ersten 
Maschinenwerkstätten Südamerikas. 

Nahezu !/, der Masse der jetzt bekannten Muschel- 
berge an der Bucht von Sao Francisco do Sul dürfte wohl 
bereits der modernen Kultur zum Opfer gefallen sein, und 
wenn mit ihrer Aufräumung in der bisherigen Weise fort- 
gefahren wird, dann ist die Zeit nicht allzufern, in der 
sie und mit ihnen ein gut Stück indianischer Kulturgeschichte 
vom Erdboden verschwunden sind. 


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Die Einwirkung des Blitzschlages auf verschiedene 
Baumarten. 


Von 
Dr. Schmidt 
Privatdocent der Physik in Halle. 


Die Einwirkungen des Blitzschlages in Bäume sind Ge- 
setzmässigkeiten unterworfen, die sich zum Theil aus phy- 
sikalischen Anschauungen ableiten lassen; dieselben er- 
strecken sich einmal auf die Häufigkeit der Einschläge, 
durch die bestimmte Baumarten sich vor anderen auszeichnen, 
dann aber auch auf die Spuren, die der Blitzschlag hinterlässt. 

Der am meisten vom Blitz bevorzugte Baum ist die 
italienische Pappel (populus italica). Dieselbe gedeiht 
am besten in feuchtem Boden und erstreckt ein verzweigtes 
Wurzelsystem weit durch denselben hin. Ihr Holz ist weich 
und das Gewebe reicher als das anderer Baumarten mit 
Wasser angefüllt, eine weitverästelte Krone mit zahlreichem 
Laubwerk entspricht dem gliederreichen Wurzelsystem. 

Die Eiche ist es darnach, welche der Gefahr des 
Blitzschlages besonders ausgesetzt ist. Auch sie liebt feuch- 
ten Boden und entwickelt in demselben eine kräftige Wurzel- 
bildung. Ihr Holz aber ist kernig und fest. 

Ueber die anderen Baumarten liegen zu wenig Be- 
obachtungen vor, um darüber Gesetze in dieser Beziehung 
aufzustellen. Zu erwähnen ist die Seltenheit der Blitz- 
schläge in die Buche; ferner der Umstand, dass Laubhölzer 
grössere Anziehung auf den Blitz haben als Nadelhölzer. 
Letztere in grösseren Beständen angepflanzt, scheinen nur 
in seltenen Fällen stärkere Blitzspuren zu zeigen. 


314 Dr. Schmidt: 


Die Spuren und Folgen des Blitzschlages sind bei den 
verschiedenen Baumarten sehr verschieden, innerhalb der 
Art zeigt sich eine regelrechte Wiederkehr der Erscheinung. 


Bei der italienischen Pappel beobachtet man die 
Spuren des Blitzes nur an dem eigentlichen Stamm. Die 
Krone bleibt unversehrt, die Blätter bleiben grün und ge- 
sund, die Aeste und Zweige zeigen keinerlei Risse und 
Sprünge. Dagegen findet man am eigentlichen Stamme einen 
bis zu 1—2 Decimeter breiten Sprengstreifen, die Rinde ist 
weggerissen, der Holzkörper blosgelegt. Colladon berich- 
tet auch von einigen tiefen Spalten, die in der Längs- 
richtung am blosgelegten Holzkörper sich zeigten. 


Auch bei der Weide habe ich kürzlich beobachtet, dass 
der Blitz die Blätter und Aeste der Krone unversehrt lässt 
und seine Spuren erst etwa 4 m unterhalb der höchsten 
Spitze — wo die Stammbildung stärker wird — zu finden 
sind. Von dort ab lief ein Sprengstreifen, der allerdings den 
Holzkörper nicht blosgelegt, sondern nur die äussere Rinde 
entfernt, den Bast unterhalb derselben vom Holzkörper ge- 
löst, zerfasertt und in der Mitte zerrissen hatte. Bei 
diesem Baume war der getroffene Ast an der Gabelungs- 
stelle abgebrochen und unter starker Splitterbildung zu 
Boden gestürzt. 


Bei der Eiche verlaufen die Blitzspuren bis in die 
höchste Krone, schon hier beginnt der Sprengstreifen, der all- 
mählich breiter werdend bis zur Wurzel verläuft. Der 
Holzkörper ist blosgelegt und häufig findet man Rillen aus- 
sehöhlt, die I—2 em tief in denselben eindringen und deren 
Zahl bis zu 4 (in einem von mir beobachteten Falle) steigt. 
Die Faserstränge sind hier zerrissen und hängen theilweise 
in langen Fäden am Stamme herunter, theilweise sind die 
Bestandtbeile fortgeschleudert und auf dem Boden rings 
zerstreut. 


Der Sprengstreifen und die Rillen laufen meist spiralig 
um die Axe des Baumes. 


Sprengstreifen zeigen sich auch bei der Schwarzpappel, 
Linde und Ulme. 


Die Einwirkung des Blitzschlages auf verschiedene Baumarten. 315 


Die Wirkung des Blitzes bei der Fichte ist sehr ver- 
schieden. Colladon berichtet, dass er nur einfache Längs- 
risse an dem Stamme wahrgenommen. In Rehburg wurde 
unter starker Splitterbildung ein kräftiger Ast aus der 
Krone geschlagen. Ich selbst habe einen 2 Decimeter 
breiten Sprengstreifen an einer Fichte beobachtet. 

Verkohlung tritt niemals bei gesunden Bäumen ein. 
Der grosse Wassergehalt der Zellen bis zu 90°, verhindert 
dieses. Das Wasser wird durch die enorme Hitze in Dampf 
verwandelt und ist die Spannkraft desselben die Ursache 
zur Bildung der Sprengstreifen. 

Im Allgemeinen lassen sich die besprochenen Beobach- 
tungsthatsachen aus physikalischen Gesetzen erklären. 

Die elektrische Entladung nimmt den Weg, der ihr den 
geringsten Leitungswiderstand entgegensetzt. Ueber die 
Leitungsfähigkeit der verschiedenen Holzarten in wachsen- 
dem Zustande ist bisher nichts bekannt. Ohne Zweifel 
werden wir aber den wasserreichen Zellen die grössere 
Leitungsfähigkeit zuschreiben. Daher wird die italienische 
Pappel mehr als die Eiche und letztere mehr als andere 
Bäume geeignet sein, einer elektrisch geladenen Wolke 
genügende Elektrieitätsmengen aus dem Boden zuzuführen, 
in Folge dessen der Blitz die Pappel vor der Eiche und 
diese vor anderen Bäumen bevorzugen wird. 

Dass der obere Theil deritalienischen Pappel keine Spuren 
des Blitzschlages zeigt, hat seinen Grund darin, dass die 
weitverzweigte Krone mit ihren vielen Aesten und Blättern 
die aus dem Boden durch den Hauptstamm zugeführte Elek- 
trieität auf eine grosse Fläche vertheilt, in Folge dessen 
hier die einzelnen Partien des Baumes in verhältniss- 
mässig geringem Grade der Zerstörung ausgesetzt sind. 
Am Stamme, wo die Elektricität sich auf einen engbegrenz- 
ten Weg beschränkt, ist daher die Hauptwirkung zu be- 
merken: der breite Sprengstreifen. 

Bei der Eiche concentrirt sich die Wirkung schon hoch 
in der Spitze auf wenige mehr oder minder starke Aeste, 
in Folge dessen hier die Sprengstreifen bis hoch in die 
Krone verfolgt werden können. 


316  Dr.Schmidt: Die Einwirkung des Blitzschlages etc. 


Die Rillenbildung deutet darauf hin, dass die Elektri- 
cität einen festbegrenzten Leitungsweg wählt und nicht 
durch die ganze Cambiumschicht gleichmässig abgeleitet wird. 

In Folge der besseren Ableitung der Elektrieität durch 
eine Pappel kommt es auch, dass oft eine niedere Pappel 
neben einer höheren Eiche oder einem höheren andern 
Baum getroffen wird. 

Es erübrigt noch eine Bemerkung über die Lebens- 
fähigkeit eines getroffenen Baumes. Zunächst kommt es 
natürlich sehr auf die Intensität der Entladung an, dann 
sind aber auch die verschiedenen Baumarten nicht in gleicher 
Weise empfindlich. 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


Lossen, K. A., Geologische Aufnahmen im Brocken-Massiv 
und bei Harzburg, Jahrbuch der Kgl. Preuss. geolog. 
Landes- Anstalt 1887 XXV und 1888 XXV. 


Es handelte sich bei der geologischen Untersuchung 
des Brocken-Massivs darum, die Stellung und Vertheilung 
1) der Turmalin- und Malakolith- führenden Partieen im 
Eugranit sowie 2) die Schriftgranite, Pegmatit, Mikropeg- 
matit, die Granitporphyre und Granophyre näher kennen zu 
lernen. Der Turmalin findet sich im Eugranit des 
Brockens, im Granit der Gabbrogranitzone, im Ilsensteiner, 
wie im Andreasberger Granit, im Hohne-Diorit, im Ramberg- 
granit, sowie im ÖOckerthalgranit; im Andreasberger und 
Ilsensteiner Granit tritt er ebenso wie der viel seltenere 
Flussspath als Drusenmineral auf. 

Augitische Minerale sind in der Granitgabbrozone, in 
Granitgängen zwischen dem Radauthal und der Ostseite 
des Ockergranits, im Augitgranitit, in Gängen der Harz- 
burger Gabbroformation, im Augitquarzdiorit, Augitdiorit 
und Gabbro auf der Ost- und Westseite des Brocken- 
sranits und am Meineckenberg, Gruhe, Ferdinandsthal und 
Silberberg vorgekommen. 

Scharfe Grenzen zwischen den Augit-führenden Gra- 
niten und den saureren Augit-Biotit-Quarzdioriten einerseits 
und zwischen diesen und den sauersten Biotit-Augitgabbro 
giebt es nicht, was dazu nöthigt, für alle diese Gesteine 
eine annähernde Gleichalterigkeit anzunehmen. 

Granitgäuge finden sich sowohl im Gabbro wie im 
Granit; westlich von der Ecker vom Kaltethalskopf her 
greift der Ilsensteiner Granit mit Ausläufern in den Gabbro 
bei Harzburg ein, so dass man diesen Theil des Brocken- 


318 I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


granits als den jüngsten bezeichnen darf. „Der Augitgehalt 
gewisser Gänge im Gabbro“ — die früher Fuchs untersuchte 
— „dürfte darauf hindeuten, wie allmählich das aufge- 
presste Magma wieder Granitmischung annahm.“ 


Am Radauborn finden sich faustdicke Kerne von 
typischem Brockengranit im Bastitserpentin einge- 
schlossen, welche von einer glimmerichen Hülle umgeben 
sind, was darauf hindeutet, dass die basischeren Eugranite 
(Diorite, Gabbro’s etc.) theilweise später fest geworden 
sind als der Brockengranit. Wahrscheinlich hat die Erup- 
tion der ersteren nur eine Phase während der Aufpressung 
der letzteren dargestellt. 


Der Andreasberger Granit hat z. B. granitporphyrische 
Structur, welche die sonst an diesem und dem Ilsensteiner 
Granit herrschende mikropegmatitische vertritt; der letztere 
ist indess jünger als die Gabbroformation. Hieraus scheint 
— da der Andreasberger nur die Randfacies des Brocken- 
sranits darstellt — hervorzugehen, dass vor und nach der 
Aufpressung der Gabbro’s im Granit dieselbe Mischung 
geherrscht hat. Bekanntlich wird der Andreasberger Granit 
von einer ziemlich dieken Hornfelsdecke bedeckt. Gegen 
N. O. heben sich aus dieser Hornfelsdecke die Hochgipfel 
des Brockens als eugranitischer Kern heraus. An 
die N. W.-, N.-, N. O.-, und O.- Seite legt sich nun 
aber nicht direct der Ilsensteingranit — das Aequivalent 
des Andreasberger Granits — an, sondern hier folgen zwar 
auch ausgezeichnete mikropegmatitische Granite dem 
Rande des Eugranits, aber sie sind nicht so drusig wie 
der Andreasberger, führen ausserdem Augit und sind zu- 
dem eng verbunden mit den noch mehr nach aussen 
liegenden Gabbrograniten, Quarzdioriten und Gabbro’s; 
erst jenseits von diesem folgt als letzter Nachschub 
der Ilsenstein’s Granit, welcher also nicht mit dem Andreas- 
berger gleichgestellt werden kann. Dies spricht sich auch 
in dem Verschwinden der Hornfelsdecke über dem Ilsen- 
steingranit aus, welche noch vielfach bruchstückweise in 
den Thälern der Gabbroformation verfolgt werden kann. 
Zu dem Ilsensteinsgranit rechnet der Verfasser auch die 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 319 


Granitgänge der Gabbroformation, wenngleich dieselben 
vielfach andere (porphyrartig-eugranitische) Structur besitzen 
als der Granit. 

Schliesslich theilt Lossen die Brockengesteine in fol- 
sende Abtheilungen ein. 


1. Eugranit des Brockengipfels etc. 

2. Die an Mikropegmatit und Granitporphyr reiche 
drusige Hülle desselben im S., SW. und W.: Andreas- 
berger Granit. 


. Gabbrogranitzone mit Quarzaugitdiorit. 
. Ilsensteiner Nachschub -Granit. 
. Dessen porphyrische Apophysen. 


. Harzburger Ganggranite und Granite in den Dioriten 
und Gabbro’s der Hohne. 


7. Die Andalusit- führenden, porphyrisch felsitischen 
bis gneisigen Granitrandstücke oder Gänge. 


Letztere stehen an der über die Hagenstrasse führenden 
Wormkebrücke bei Schierkeund im Quellgebiet desSteinbachs 
bei Forsthaus Hohne an. Dunkle Glimmerfläserchen, Andalu- 
sit in graulich und röthlichen Flecken und eine grauweisse 
Quarzfeldspathgrundmasse characterisiren ihn. 


Später hat L. die Gabbro-Granit-Zone an der Ost-Seite 
noch weiter verfolgt. Die basischen Eugranite (Diorit und 
Gabbro’s) erstrecken sich vom Meineckenberg in den Forstort 
Gruhe über das Ferdinandsthal hinaus bis zum Crucifix, 
so dass der Zug jetzt auf 2 km Länge bekannt ist. Auch 
jenseits der Wasserscheide von Ilse und Ecker kommen 
faustgrosse Stücke dieser Gesteine in dem sauren Granitit vor. 


Im Eckergneis treten Gabbrogänge im südw. Diebessteg 
und Spoerenwagen auf; diese Gänge im Sedimentärgestein 
zeigen die Selbstständigkeit des Gabbro’s an; daneben tritt 
z. Th. Granitit in den Gangspalten auf; letzterer bildet 
z. Th. auch allein für sich die Ausfüllung der Spalten. Im 
Diebessteg werden die Gabbrogänge von Granitgängen 
durchsetzt; auch auf der Ostseite des Brockens an der 
Hohne werden die Diorit- und Gabbro-Massen von jüngeren 
Granitgängen durchquert. 


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320 I. Sächsiseh- Thüringische Literatur. 


Es durchsetzt der Granit in Gängen den Gabbro sehr 
häufig, während der ältere Eugranit diesen niemals durch- 
setzt. Der Gabbro zeigt gewisse Structuren, Flaserung, 
Bänderung, welche auf nachträglichen Druck hindeuten, 
welche L. in Beziehung zum Streichen der den Eugranit 
umgebenden Sedimentschichten zu setzen versucht. 

Der Eckergneiss ist eine besondere Facies des 
Hornfelses, wozu ihn schon Hoffmann, Zimmermann und 
Hausmann gezählt haben. Erist ein Umwandlungsproduct 
der Culmschiefer und Culmgrauwacke, was besonders da- 
durch klar wird, dass am Südabhang des Diebesstegs, 
im kleinen Frankenthal, im Lobenklee und Koleborn die 
allertypischsten Culmschiefer und Grauwackerhornfelse mitten 
zwischen Eckergneissen vorkommen. Diese unzweifelhaften 
Hornfelse der Culmschiefer enthalten Dichroit im Schnee- 
loch-Wasser, am Goldberg, Winterberg, Radauberg, Elfenstein; 
daneben findet man Orthoklas, Plagioklas, Quarz, Biotit und 
am Kaltenborn Andalusit; an anderen Stellen Turmalin, 
Hornblende, Augit, Bronzit und Granat. An einzelnen Orten 
finden sich zwischen den Hornfelsen vollkommen umkry- 
stallisirt Diabase: Koleborn und Eschenbeek. Am Diebessteg 
finden sich neben den Eckergneissen Kalkhornfelse; ein 
anderes Gestein wird durch namhaften Granatgehalt dem 
Kinzigit ähnlich. Es enthält Granat, Quarz, Biotit, Cordierit, 
Feldspath,Hercynit und Sillimanit. Die Varietät des körnigen 
Eckergneisses ist die umgewandelte Oberharzer Culmgrau- 
wacke; sie findet sich am Rande der Gabbro-Partie am 
Fuhlen Lohnbeck, am alten Molkenplatz im N. Kolfoer 
im Zillierwald, Spörenwagen, Diebessteg, seltener im mitt- 
leren Forstort Koleborn, am Sellenberg, am mittleren und 
südlichen Kolfoer und am Fohlenkopf; an letzteren Orten 
treten quarzitisch körnige Einlagerungen, welche hoch poten- 
zirt umgewandelte Kieselschiefer sind, auf; sie sollen den 
Posidonienschiefern äquivalent sein und sattelförmig auf- 
ragen, während die körnigen Eckergneisse Muldenzonen in 
diesem Aequivalent bilden würden. 

Halle a. S. Luedecke. 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 321 


H. Koch, Geologische Aufnahmen im N. O. Theile des Blattes 
Zellerfeld. Jahrbuch der k. preussischen geologischen Landes- 
Anstalt 1888. XLIL. S. 


Die hierher gehörigen Sedimentschichten gehören alle 
dem Devon und Culm an und sind durch den Ockergranitit 
mehr oder weniger metamorphosirt. Derselbe durchbricht 
als mächtiger Trümerstock die Schichten. Der Kahberg, 
Ziegenrücken, Huthberg und die Käste werden durch die 
Massen des Granitits und seine Umwandlungsproducte auf- 
gebaut. Die Schichten der Sedimente streichen auch hier 
in hereynischer südwest-nordöstlicher Richtung und quer 
dazu steht die Längserstreckung der einzelnen Granitit- 
trümer. Das grobkörnige Gestein besteht aus weissem 
Orthoklas, grüngefärbtem Oligoklas, grauem Quarz und tief 
dunkelbraunem Biotit; häufig tritt neben der normalkörnigen, 


mikropegmatische Struetur auf, so am Huthberg und der 


Käste; daneben nimmt dann das Gestein häufig drusige 
Struetur an, welche aber nicht so häufig hervortritt wie 
im Andreasberger und Ilsenburger Granit. 

Die Orthoklase sind von 001, 010, 110,110, I01 und 201 
begrenzt, 2 cm gross, nach der Klinodiagonale a gestreckt, 
mikroperthitisch mit Albit verwachsen ; auch Karlsbader Zwil- 
linge finden sich. Vielfach ist Quarz als Einschluss vorhan- 
den, entweder dringen die Quarze unregelmässig nach der 
Mitte vor, oder eine scharf begrenzte quarzreiche Zone um- 
schliesst einen quarzfreien Kern. Bei mikropegmatitischer 
Structur zeigen auch die grösseren Quarze +R. Der fast 
immer grünlice Oligoklas ist idiomorph, mehr oder 
weniger zersetzt durch Fortführung des Kalks und Aufnahme 
von Wasser; hier und da zeigt sich als weiteres Zersetzungs- 
produet heller Glimmer und Flitterchen eines unbestimm- 
baren Minerals. Der tief dunkelbraune Biotit ist vielfach 
in schwarzen Chlorit, Epidot und Magnetit umgewandelt. 
Accessorische Minerale sind selten: Apatit und Zirkon. 
Granat ist selten, Fuchs erwähnt ihn von Ziegenrücken; 
er findet sich auch unter der Käste und am Romkerkopf. 
Drusenmineralien sind Turmalin, Fluorit, Albit, Muscovit 
und Epidot. Die Drusen sind primäre beim Krystallisations- 


Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. a 


322 I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


act freigelassene Hohlräume und ihre Grenzen sind die 
Krystallflächen der sie einschliessenden Minerale. 


In den Drusen findet sich der Turmalin selten, häufiger 
kommt er in Büscheln in den pegmatitischen und mikro- 
perthitischen Abarten vor. Der Flussspath kommt in 
violetten, farblosen oder grünen Krystallen 100 oder 100 
und ill vor. 


Häufig ist der Kalkspath in den Drusenräumen; er 
ist ein Zersetzungsproduct des Oligoklases und vielfach durch 
Eisenoxydhydrat gelb gefärbt. In der nördlichen Randzone 
des Ockergranits auf Blatt Harzburg, am Goldberg, Radebrak, 
Gläsekenberg und Elfenstein finden sich porphyrartig er- 
starrte Granite, welche durch den Reichthum an Plagioklas, 
von Malakolith und Bronzit zu den basischen Eugraniten 
hinüberführen; es wiederholt sich also dieselbe Erscheinung 
wie auf der N.- und N.-O.-Seite des Brockengranitits. 


Mit diesem Granitit treten nun die Glieder des Devon: 
Spiriferensandstein,Calceolaschichten,Goslarschiefer,Kramen- 
zelschiefer und der Culm: Kieselschiefer, Posidonienschiefer 
und Grauwacken in Contact. Die Spiriferensandsteine 
werden so zu fettglänzenden Quarziten, die dichten blau- 
grauen Kalksteine der Calceolaschichten zu hellfarbigen, 
grauen, grünlich splittrigen Kalksilicathornfelsen mit Mala- 
kolith, Quarz, Epidot, Zoisit und Granat, die Thonschiefer 
zu bräunlichen, violetten, aus Quarz und braunem Glimmer 
bestehenden Hornfelsen, die dichten Kalksteine der Kramen- 
zelstufe in fein- bis grobkörnige Kalksteine mit Granat, Vesu- 
vian und Augit umgewandelt. 


Die Culm-Kieselschiefer sind viel weiter verbreitet 
als man früher annahm, so stehen sie am vorderen Ziegen- 
rücken in 80 m Mächtigkeit an; freilich erschwert ihre 
Umwandlung in hellfarbige Quarzite ihre Diagnose sehr. 


Die Culm-Thonschiefer werden selten zu Knoten- 
und Fleckschiefern, häufiger zu Kieselschiefern umgewandelt; 
dort wo die basischen Gänge des Granitits vorhanden, sind 
sie in vollkrystalline Gesteine, welche aus Quarz, Biotit, 
Cordierit, Magnetit, und Muscovit bestehen, unkrystallisirt. 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 323 
Die Analysen unveränderter Culmthonschiefer und der 
der letztbeschriebenen Metamorphose erlegenen stimmen 
überein. 
Halle a. 8. Luedecke. 


Zimmermann, Geologisches vom nördlichen Thüringer 

'alde: Aufnahmen auf Blatt Orawinkel. Jahrbuch d. kgl. 

Preuss. geolog. Landes - Anstalt 18857 (XXXXVIIL) und 
1886 (KXXXV].). 

Von den auf dem Blatte Crawinkel vorkommenden 
Formationen behandelt der Verfasser besonders das Roth- 
liegende (Porphyre) und den Zechstein, den oberen Keuper 
und die Flussschotter. 

Das Vorkommen und die Bildung der Manganerze be- 
spricht er besonders genau. Weitaus die meisten Braun- 
steingänge setzen im mittelgrob- und mittelreich-körnigen 
Porphyr auf, welcher auch die herrschende Varietät dieser 
Gegend bildet und der auch älter ist als z. B. der 
fluidale, gebänderte Porphyr, welcher nur eine Braunstein- 
srube im Langengrund hat. Im massigen Porphyr des 
Altebergs, welcher reich an Feldspath und Bergkrystallen 
ist, setzen mehrere Braunsteingänge dicht hinter einander 
auf. Verfasser weist darauf hin, dass der Mangangehalt 
im Porphyr wahrscheinlich an die Glimmer gebunden ist, 
erwiesen ist dies jedoch bis jetzt noch nicht. 

Das Liegende der Braunsteingänge zeigt gewöhnlich 
eine Rutschfläche, auf welcher ein Conglomerat von 
Porphyrstücken ruht, welche allmählich grösser werden 
und schliesslich das Hangende bilden. Der Braunstein tritt 
als Bindemittel dieser Bruchstücke auf. 

Der Manganschlamm soll sich auf dieselbe Weise aus 
den Lösungen gebildet haben, wie eine Lösung von mangan- 
saurem Kali den bekannten Manganschlamm absetzt. Die 
Manganausfüllung der Gänge ist niemals geschichtet, son- 
dern compact, als ob sie sich in der ganzen Masse des 
Ganges abgesetzt hätte, ehe sie fest wurde; zudem sind 
die mitbrechenden Mineralien Schwerspath, Kalkspath 
und Flussspath derart im Braunstein vertheilt, dass ihre 
Bildungszeit als die gleiche wie die des Braunsteins an- 

21* 


3924 I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


genommen werden muss. Die eigenthümlicben Mangan- 
porphyr-Breccien von Arlesberg zeigen Porphyrbruchstücke 
vollkommen eingebacken in Psilomelan; es muss also der 
Porphyr zerrieben und von dem vorhandenen Mangan- 
schlamm umhüllt worden sein. 

Die Zechsteinformation zeigt in dieser Gegend 
dieselbe Gliederung wie in ÖOstthüringen bei Gera. Ein 
Profil wurde am Wege auf das Borkenhäuschen bei Georgen- 
thal beobachtet; die Schichten stehen hier auf dem Kopfe: 
Man konnte vom Weissliegenden aus den unteren und 
mittleren Zechstein in einer Mächtigkeit von 6,5 m, 
den unteren Letten des oberen Zechsteins in 60 m, 
den Plattendolomit in 44 m und den oberen Letten 
in ca. 27 m Mächtigkeit überschreiten. 

Auch an anderen Stellen dieser Gegend ist die Mächtig- 
keit des unteren und mittleren Zechsteins eine geringe. 
Es ist deswegen nicht wunderbar, wenn längs der grossen, 
den Thüringer Wald vom Thüringer Becken trennenden 
Flexur nur der Plattendolomit zwischen Rothliegendem 
und Buntensandstein einigermassen gut aufgeschlossen ist. 

Neben anderen Aehnlichkeiten findet sich hier die von 
Liebe aus der Umgebung von Pössneck als dem einzigen 
Vorkommen in ganz Ost-Thüringen beschriebene Ausbildung 
des mittleren Zechsteins als Schaumkalk mit zahlreichen 
Einschlüssen eckiger bunter Lettenbruchstücke wieder. 

Merkwürdig ist ein schwarz -braunes, quarzitisches. 
drusiges Gestein, welches ganz sicher bestimmbare Stein- 
kerne von Productus horridus Sow. enthält und niemals. 
eine Spur von Schichtung zeigt; dagegen erinnert eine 
glatte Oberfläche an Knollensteine des Oligocaens. Wahr- 
scheinlich ist es in Quarzit umgewandeltes Bryozoenriff- 
gestein. Zuerst wurden diese Blöcke auf alten Halden 
zwischen anderen Bruchstücken von Zechsteingesteinen: 
zwischen Friedrichs- Anfang und Luisenthal aufgefunden; 
auchaufdem Waldeselbstundin den diluvialen Schotter-- 
massen, welche ausserhalb des Waldes sich finden, trifft: 
man es an. 4,5 km weit vom Gebirgsrande am Wegscheidt: 
der Strassen Oberhof-Crawinkel und Oberhof-Ohrdruf fanden. 
sich mehrere Centner schwere Blöcke dieses merkwürdigen. 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 325 


Quarzits mit Productus horridus Sow; auch auf dem Gabel- 
kopf im oberen Kehlthal und im oberen Schnabelbach 
beobachtete K. v. Fritsche diese Blöcke; vielleicht gehören 
hierher auch Blöcke in der Nähe von Suhlnach dem Döll- 
berge zu; auch im Orte Arlesberg findet sich ein solcher 
Block als Prellstein benutzt. Das Gestein besitzt eine merk- 
würdige Mikrostructur. Im holokrystallinen Gemenge von 
Quarzkörnern finden sich Häutchen von Eisenoxydhydrat, 
welche gleichsam auf den Flächen von Rhomboädern an- 
geordnet sind, ein Zeichen, dass das Gestein früher von 
einem rhombo&drischen Minerale aufgebaut wurde. 

Im Muschelkalk von Crawinkel findet sich in der 
Terebratelbank Spirifer hirsutus. 

Im Rhät der Bittstädter Höhe fand der Verfasser: 
Gervilla praeursor Qu., Taeniodon praecursor Schloenb., 
Schizodus Ewaldi Bornem., Lima praecursor Qu. und 
Cypricardia suevica Opp. 

Die diluvialen — nach v. Fritsch pliocaenen — Fluss- 
schotter sind merkwürdig vertheilt: auf dem Muschelkalk- 
plateau zwischen Gräfenroda und Liebenstein bilden sie 
die Ausfüllung von Rinnen (10 m tief), welche quer zu 
den jetzigen Flussläufen sich erstrecken. 

Schon früher hat Credner bei Arlesberg Zechsteinmassen 
auf dem Walde nachgewiesen. Verfasser schildert nun den 
Verlauf der Flexur am NÖ-Hange des Waldes und die 
Randverwerfung des SW-Randes. 

Halle a. S. Luedecke. 


K. Picard in Sondershausen, Ueber einige seltene Petre- 
‚fecten aus dem Muschelkalk. Zeitschrift d. deutsch. geolog. 
Gesellschaft 1890. Bd. 41, S. 635—640. 


Ceratites antecedens Beyrich hat der Verfasser 
bei Sondershausen im Schaumkalk (y der preuss. geolog. 
Specialkarte), unmittelbar unter den durch häufiges Auf- 
treten der Terebratula vulgaris v. Schlotheim ausgezeichneten 
Schichten, zusammen mit Nautilus bidorsatus v. Schlotheim, 
Ammonites Dux Giebel, Conchorhynchus gammae Picard 
aufgefunden. In Schwaben hat bekanntlich Eck den Cera- 


326 I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


tiles autecedens in der oberen Terebratelbank und bei 
Rüdersdorf im Schaumkalk aufgefunden, dagegen stammt 
von v. Fritsch’s Exemplar aus den 30—40 m unter der 
Terebratelbank auftretenden Schichten des Schaumkalks 
und fand sich dort mit Ceratites Buchii zusammen. Letzteren 
hat nun Picard in den Schichten « und auf der Hain- 
leite, seltener in den Dolomitbänken zwischen £ und y 
angetroffen. Vom Referenten wurde derselbe aus dem 
Wellenkalk des Feldsteins bei Themar bereits im Jahre 1877 
aufgefunden. 

Aus den an Ceratites nodosus reichen Thonplatten von 
Schlotheim beschreibt der Verfasser weiter 2 Ophiuren, 
welche zu Ophiura loricata Goldfuss gehören, aus den 
Schichten zwischen der oberen und unteren Terebratel- 
bank Aspidura scutellata Bl., aus den obersten Schichten 
des oberen Muschelkalks am Süd-Abhange der Hainleite 
zwischen dem Jagdschlosse Possen und dem Dorfe Ober- 
spier Acroura squamosa E. Picard, aus den Schichten im 
Urthale bei Schlotheim eine neue Acroura, welche er pelli 
operta nennt. 

Eine Tafel begleitet die beschriebenen Arten. 

Halle a. S. Luedecke. 

A. Schreiber in Magdeburg, Glacialerscheinungen in M. 
Zeitschrift d. deutsch. geolog. Gesellschaft 1589, Bd. 41, 
S. 603—608. 

Verfasser hat bei Kanalausschachtungen im NW der 
Stadt M. bei Freilegung der unter dem diluvialen Geschiebe- 
mergel, der früheren Grundmoräne, blossgelegten Culm- 
grauwacke ein Streifensystem von Glacialschrammen 
in der Richtung von W 6°S beobachtet, welches also ähn- 
lich dem von Velpke W 5° S streicht. 

Ausserdem hat er ein zweites System von Schrammen, 
welches N 14° O streichen soll, aufgefunden. 

Letzteres würde sich mehr dem von Wahnschaffe bei 
Gommern aufgefundenen, welches N 6° O streicht, an- 
schliessen. 

Halle a. S. Luedecke. 


I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 327 


Cesaro, G., Ueber das ditetragonale Prisma am Apophylht. 
von St. Andreasberg. Bulletin de la societe mineralogique 
de France. t. XII. 8S:62—63. 1889. 


Verfasser hält das gewöhnlich schlecht ausgebildete 
ditetragonale Prisma am Apophyllit von St. Andreasberg 
für oP3, 130, während es sonst für oP2 gehalten 
wurde. 

Halle a. S. Luedecke. 


Dames, W., Anarosaurus pumilio nov. gen. nov. spec. Zeit- 
schrift d. deutsch. geolog. Gesellschaft 1890. S. 74. 

In graugelbem, dichten, körnigen Kalkstein an der 
oberen Grenze des unteren Muschelkalks von Remkers- 
leben (ca. 15 km. w. von Magdeburg) findet sich ein neuer 
Saurier, welchen der Verfasser näher beschrieben und in 
einer Tafel abgebildet hat. Derselbe repräsentirt den Typus 
einer neuen Nothosauriden-Gattung, welcher der Autor den 
Namen Anarosaurus nach dem Zwerg Anar der nordischen 
Mythologie verliehen hat. 

Halle a. S. Luedecke. 


Schucht, H., Geologie des Ockerthals, Harzburg, Stolle's 
Harzverilag, 1889. 

Das kleine Büchelehen enthält eine Aufzählung von 
Petrefaeten der einzelnen Fundorte des an Formationen 
reichen Ortes Ocker und ein ideales Querprofil vom Ziegen- 
rücken nach dem Sudmerberg. Möchte dasselbe geeignet 
sein, dem an Naturschätzen reichen Harze neue Freunde 
zuzuführen. | 


Scheidt, Leopold, Vögelunserer Heimath. Für Schule 
und Haus dargestellt. Freiberg im Breisgau. Herdersche 
Verlagshandlung. Broschirt 2,20, gebunden 3,20 M. 

Ein sehr nett und anregend geschriebenes Buch (200 S.), 
das eine Anzahl Repräsentanten aus den verschiedenen 

Ordnungen vorführt, nachdem letztere jedesmal kurz cha- 


328 I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


rakterisirt sind. Die Laufvögel fehlen naturgemäss. Eine 
Menge allgemeiner Beziehungen, Gedichte, Sprüche ete. 
sind eingestreut, so recht für Leetüre-und Unterricht. Immer 
ist der Vogel im Verhältniss zur übrigen Natur gefasst, 
sodass hübsche Gesammtbilder herauskommen. 

(Sollte es wirklich blos Annahme sein, dass die Haus- 
tauben von der Columba livia abstammen? Es durfte wohl 
als Thatsache hingestellt werden.) Auch die zahlreichen 
Abbildungen, durchweg die Tbiere in natürlicher Umgebung 
zeigend, sind meist gut gelungen, die Nachtigall als Titel- 
bild farbig, einige sind etwas steif, z. B. das Rothkehlchen 
und der Buchfink. Die Schilderungen sind durchweg im 
guten Sinne populär gehalten. Auf jeden Fall ist das 
Büchlein recht geeignet, seinen Zweck, Freude an der Natur 
und Sinn für das Leben in derselben einzuflössen, zu er- 
füllen. Simroth. 


Friderich, Naturgeschichte der deutschen Wögel. Liefe- 
rung d—3. 

Die neuen Lieferungen zeigen den regelmässigen Fort- 
gang des trefflichen Werkes. Auch wenn unser Verein 
nicht, gewissermassen im Andenken an Giebels Vogelschutz- 
buch, die Ehrenpflicht hätte, derartige Bestrebungen zu unter- 
stützen, würde das Urtheil gleich günstig ausfallen müssen. 
Meisen, Spechtmeisen, Baumläufer, Mauerläufer, Fliegen- 
schnäpper, Schwalben, Segler, Nachtschwalben, Würger, 
Seidenschwanz, Pirol, Staar (etwas entfernt von den Raben), 
Rosenstaar, Wasserstaar, Stelzen, Pieper, Lerchen, als Schluss 
der Insektenfresser — dann die Samenfresser oder Semini- 
voren, Ammern, Finken. Diese sind bis zum Kanarien- 
vogel fortgeführt, er ist naturgemäss ausführlich behandelt. 
Ueberall sind die neuesten Angaben betr. des Zuges etc. 
benutzt. Ohne dass die strenge Wissenschaftlichkeit leidet, 
sind die Schilderungen frisch und anregend geschrieben. 
Die Abbildungen sind wieder allerliebst, vielleicht hätte 
der Feldsperling, gegenüber dem gemeinen, auf der Oberseite 
etwas mehr Roth haben können. Die letzte Tafel zeigt 
bereits die Kreuzschnäbel, aber nur im rothen Prachtkleide; 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 329 


dürfen wir auch die so abweichenden grauen und grünen 
Gewänder noch erwarten? oder reicht der Raum nicht? 


Gohlis. Simroth. 

Teuss, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres. 
Lieferung 2—6. 

Die Lieferungsausgabe ist inzwischen regelmässig 
fortgeführt bis zum Juni. Sie bietet in der That 
ausserordentlich vieles und practisches, nicht blos für 
die reifere Jugend, sondern auch dem Zoologen wird 
sie als gelegentliches Nachschlagebuch willkommen sein. 
Die phaenologischen Daten für die Pflanzen (Blüthezeit ete.) 
sind in den Floren überall angegeben, die viel complicirteren 
der Thierwelt sind entsprechend schwerer zu beschaffen. 
In der That nehmen sie auch nach dem Frühling und 
Sommer zu einen breiten Raum in Anspruch. Bei der 
Zusammenarbeitung des Ganzen hätten wohl die Zahlen 
hinter den Jagdthieren einer kurzen Erklärung bedurft, 
da dem Gärtner z. B. nicht auch die Sprache des Jagd- 
kalenders geläufig sein kann. 

Gohlis. Simroth. 


II. Allgemeine Literatur. 


Lasswitz, Curd. Geschichte der Atomistik vom Mittel- 
alter bis Newton. Band I: Die Erneuerung der Korpus- 
kulartheorie. Band II: Höhepunkt und Verfall der 
Korpuskulartheorie des 17. Jahrhunderts. Hamburg 
(u. Leipzig). Verlag von Leopold Voss. 


Der Verfasser stellt den hauptsächlichsten Inhalt seines 
Werkes folgendermassen dar: 

Das Werk behandelt ein Grenzgebiet der Physik und 
der Philosophie, die Theorie der Materie, von einem neuen 
Gesichtspunkt, nämlich in historischer Darstellung und im 
erkenntniss-theoretischen Interesse. Es bemüht sich daher 
für die Geschichte der Physik, für die Geschichte der 
Philosophie und für die Erkenntnisskritik Beiträge zu ihrer 
wissenschaftlichen Bearbeitung darzubieten. In der Ge- 
schichte der Physik fehlt es bisher an einem Werke, welches 
die Entwickelung der allgemeinen Physik, die Fortbildung 
der Lehren vom Wesen des Körpers und den Eigenschaften 
des Stoffes in der Zeit des Entstehens der modernen Natur- 
wissenschaft ausführlich und im Zusammenhange mit der 
Geschichte der Einzelwissenschaften und der Philosophie 
behandelt. Der Verfasser ist bestrebt, die Ausbildung der 
Korpuskulartheorie des 17. Jahrhunderts und ihren Verfall 
auf einen möglichst detaillirten Nachweis der in der Ent- 
wickelung der Physik gegebenen Motive zu stützen. Die 
Ansichten von den Aggegratzuständen, der Bewegung, der 
Elastizität, den Elementen, der Gravitation, der Cohäsion, 
dem Vacuum u. a. m. werden daher der historischen Unter- 
suchung unterzogen und auf diese Weise Material für eine 
weitere geschichtliche Bearbeitung dieser Lehren beigebracht. 


Allgemeine Literatur. a3: 


Die Gesclhi. hte der neuereu Philosophie erhält dadurch die 
Möglichkeit einer eingehenderen Berücksichtigung der natur- 
wissenschaftlichen Probleme, welche auf den Gang des 
europäischen Denkens vom Mittelalter bis zum Beginn des 
18. Jahrhunderts von Einfluss waren. Insbesondere gewährt 
das Problem der Continuität im Zusammenhange mit der 
Mathematik und die Frage nach der Wechselwirkung der 
Substanzen im Zusammenhange mit den Bedürfnissen der 
Physik aufklärende Einblicke in die Gestaltung der meta- 
physischen Systeme. Hierbei werden eine Reihe sonst kaum 
beachteter Schriftsteller als interessante Verbindungsglieder 
zwischen den grossen systembildenden Denkern der Kennt- 
nissnahme zugänglich gemacht. Für die Erkenntnisskritik 
wird durch die Abgrenzung einer geschichtlichen Einheit 
in der Entwickelung der Korpuskulartheorie des 17. Jahr- 
hunderts eine empirische Thatsache geschaffen, an welcher 
die Bedingungen der Möglichkeit der Naturerkenntniss über- 
haupt sich studiren lassen. Man pflegt heutzutage nicht 
blos in der Physik, sondern auch in der Philosophie gegen 
die Möglichkeit einer allgemeinen Theorie der Materie sich 
ablehnend zu verhalten. Dies hat seine Berechtigung, in- 
sofern es sich hierbei, wie bei aller Erkenntniss, um eine 
unendliche Aufgabe handelt; 'es schliesst aber nicht aus, 
dass innerhalb der Erfahrungsdaten einer bestimmten Kultur- 
periode die Einheit aufgefunden werde, welche dieselben 
zur Möglichkeit der Naturwissenschaft verbindet. Gerade 
die Meinungsverschiedenheit, welche über die Grundlagen 
herrscht, die der Theorie der Materie zu geben seien, er- 
fordert es, eine objektive Thatsache zu entdecken, aus deren 
Analyse die Bedingungen des naturwissenschaftlichen 
Denkens zu erkennen sind. Wenn irgend wo, muss ein 
solches Factum in der Erzeugungsperiode der Naturwissen- 
schaft vorliegen, und hier müssen die Elemente des Denkens 
aufzufinden sein, welche zu der Geistesarbeit des Alterthums 
neu hinzutraten und der modernen Erkenntnissart eigen- 
thümlich sind. In dieser Zeit aber ist die Geschichte der 
Materie eine Geschichte der kinetischen Atomistik; an der- 
selben wurde daher der Versuch gemacht, die Natur und 
Tragweite der Denkmittel aufzusuchen und zu erörtern, 


332 IL. Allgemeine Literatur. 


welche in den modernen Theorien wirksam sind. Das 
Ergebniss seiner Untersuchung legt der Verfasser in fünf 
Büchern vor. Das erste sammelt die im Mittelalter vor- 
handenen Quellen der Korpuskulartheorie; hierbei war eine 
ausführliche Darstellung der Gegnerschaft des ARISTOTELES 
gegen die Atomistik nicht zu umgehen. Von bisher kaum 
beachteten Einflüssen wurde die Atomistik der Mutakal- 
limun herbeigezogen, das Kontinuitätsproblem in der Ge- 
schichte der Mathematik und in der Scholastik nach seiner 
Bedeutung untersucht und in den Resten der antiken Natur- 
wissenschaft die Korpuskulartheorie des Alterthums nach- 
gewiesen, endlich an einer Geschichte der aristotelischen 
Theorie der chemischen Verbindung die auflösende Wirkung 
dieser Frage in Bezug auf die Theorie der substanziellen 
Formen erörtert. Als systematisches Resultat ergab sich 
dabei, dass dem Mittelalter wie dem Alterthum die Natur- 
erkenntniss beschränkt wurde durch das Fehlen eines Denk- 
mittels, welches die Veränderung auf einen begrifflichen 
Ausdruck zu bringen gestattet. 

Im zweiten Buch wird am Einfluss des Neuplatonismus 
und dem durch ihn vertretenen Gedanken einer inneren 
lebendigen Wirkungs- und Entwiekelungsfähigkeit der Dinge 
das Auftreten des neuen Denkmittels gezeigt, welches der 
Verfasser mit dem Namen des Denkmittels der Variabilität 
bezeichnet. Dasselbe besteht in der Erfassung der Realität 
des Gegebenen als Tendenz seiner gesetzlichen Fortsetzung. 
Als ein zweites Moment kommt die Einführung unveränder- 
licher Grundsubstanzen hinzu, welche sich in der Auf- 
stellung einer neuen Elementenlehre kenntlich macht. Mehr 
und mehr erweist sich die Lehre vor den substanziellen 
Formen als unzureichend für die Naturerklärung, und es 
tritt die systematische Erneuerung der Korpuskulartheorie 
auf. Neben SENMERT wird hier zum erstenmale auf die 
Bedeutung von Gorlaeus und Basso hingewiesen. Die 
Korpuskulartheorie ist jedoch zunächst nur auf Anschaulich- 
keit, nicht auf rationelle Gesetze gegründet. 

Das dritte Buch zeigt nunmehr, wie der Begriff einer 
inneren, sich entwickelnden Realität der Dinge durch die 
Arbeit Gallileis sich umformt zur Realität der mechanischen 


99 


il. Allgemeine Literatur. 399 


Bewegung und jetzt erst, weil dieselbe dem mathematischen 
Gesetze unterliegt und messbar wird, die Objektivirung 
der Empfindung gestattet, d. h. die begriffliche Fixirung 
des bisher nur subjektiv in der Sinnlichkeit Gegebenen. 
Es zeigt sich weiter, dass das Problem der Materie durch 
den Begriff der Intensivität der Bewegung allein sich nicht 
bewältigen lässt, sondern dass dazu auch der Begriff des 
individuellen Korpuskels, als der Einheit des Bewegungs- 
substrats im Raume, unentbehrlich ist. Dies wird durch 
eine eingehende Diskussion der Theorien der Materie von 
Deschartes, Gassendi, Digby und Hobbes nachzuweisen 
versucht. 

Das vierte Buch entwickelt die Vollendung der 
Korpuskulartbeorie in ihrer Anwendung auf Chemie und 
Physik. Die bisher (auch vom Verf. in einer Abh. „Der 
Verfall der kinet. Atomistik“ |1874]) verkannte Theorie 
Borellis findet dabei eine eingehende Würdigung. Den 
Höhepunkt der gesammten Entwickelung erkennt jedoch der 
Verf. in Huygens. Indem dieser durch den Satz von der 
Erhaltung der mechanischen Energie Prinzipien der Mechanik 
schuf, begründete er die Möglichkeit der Wechsel- 
wirkung auf mathematische Gesetze und machte dadurch 
die Grundlagen einer wissenschaftlichen Theorie der Materie 
vollständig. Dies sucht der Verf. nachzuweisen durch eine 
Erörterung über die moderne Energetik und kinetische 
Atomistik, in welchen das Denkmittel der Variabilität im 
Begriffe des Uebergangs der Energie von Raumtheil zu 
Raumtheil zur Wirkung kommt. Hierdurch erst wurde es 
möglich, Kausalität und Substanzialität zu verbinden und 
dadurch die gesetzmässige Veränderung der Körperwelt auf 
Begriffe zu bringen. 

Die von Huygens geschaffenen Grundlagen zu einer end- 
giltigen Theorie der Materie aufzubauen fehlte es jedoch 
an zweierlei, an der Fähigkeit des mathematischen Kalküils, 
die räumlichen Veränderungen der Atomvertheilung zu be- 
herrschen, und an der kritischen Kraft der Philosophie, 
den Mechanismus des Naturgeschehens auf die Erscheinung 
zu beschränken und mit den Forderungen des Gemüths in 
Einklang zu setzen. Daher führt das fünfte Buch aus, 


334 II. Allgemeine Literatur. 


wie die Korpuskularphysik sich in vage Hypothesenbildung 
verlieren und ihre Herrschaft an die dynamische Theorie 
abtreten musste. Die Ausbildung der Differenzialreehnung 
bewirkte zugleich die Ersetzung der räumlichen Vertheilung 
der Materie durch den analytischen Ausdruck der möglichen 
Bewegung, welcher in der fernwirkenden Kraft hypostasirt 
ward. An dem Gedankengange von Leibnitz und Newton 
wird nachgewiesen, wie beide sich in dem metaphysischen 
Interesse der dynamischen Naturauffassung begegnen. 


Günther, Siegm., Prof. Dr., Handbuch der mathemati- 
schen Geographie. Mit 155 Abbildungen. Stuttgart, Verlag 
von Engelhorn. 

Der durch sein Lehrbuch der Geophysik auch wohl in 
weiteren Kreisen bekannte Verfasser theilt nach einer Ein- 
leitung, in welcher als Endzweck der mathematischen 
Geographie festgestellt wird, dass dieselbe die Lage irgend 
eines Punktes am Erdkörper gegen ein im Raume an- 
genommenes Axensystem mit jener Schärfe, welche dem 
augenblicklichen Stande der Theorie und Beobachtungs- 
kunst angepasst ist, bestimmen soll, den Stoff in drei 
Capitel ein. Das erste behandelt die Gestalt und Grösse 
der Erde, das zweite die geographische Ortsbestimmung 
auf der Erde selbst und das dritte stellt die Erde als 
bewegten Körper im Raume dar. 

Ein Handbuch der m. G. kann nicht Alles lehren und 
abhandeln wollen, aber es soll jedem die Mittel und Wege 
an die Hand geben, mittels deren der Leser tiefer in die 
Literatur eindringen kann. Aus diesem Grunde hat der 
Verfasser zahlreiche Literatur-Quellen angeführt, so dass 
der Leser sich in jeder Richtung selbständig weiter unter- 
richten kann. 

Das allgemeine Verständniss der Lehren der einzelnen 
Capitel wird ungemein gefördert durch die Art der histo- 
rischen Darstellung, wie sie der Autor handhabt; naturge- 
mäss wird durch sie der Leser stufenweise vom Ein- 
facheren zum Complicirteren emporgeführt. Gewöhnlich 


II. Allgemeine Literatur. 335 


begnügt sich der Verfasser mit der Darstellung der mathe- 
matischen Entwickelung mit elementarer Mathematik, doch 
lässt sich die sphärische Trigonometrie und die Anfangs- 
gründe der höheren Mathematik bei dem vorliegenden Stoff 
nicht umgehen und so werden an den Leser naturgemäss 
Ansprüche gestellt, denen wohl mancher Geograph nicht 
so ohne Weiteres gewachsen sein dürfte. Gleichwohl sind 
die meisten Capitel auch dem mathematisch minder Vor- 
gebildeten zugänglich. Die Ausstattung ist wohl gelungen. 
Halle a. S. Luedecke. 


Ostwald’s Klassiker der exacten Wissenschaften. Leipzig. 
Wilhelm Engelmann. 


Welehen Raum soll im Bildungsgang des Studirenden 
der Mathematik und der Naturwissenschaften die eigene 
Lektüre einnehmen und worauf vor allem soll sie sich er- 
strecken? — das sind pädagogische Fragen von nicht zu 
unterschätzender Wichtigkeit. Wer an sich selbst erfahren 
hat, wie gerade dieser Theil des Studiums auf das ganze 
wissenschaftliche Denken einen entscheidenden Einfluss 
ausüben kann, wird nicht im Zweifel sein, in welchem 
Sinne jene Fragen zu beantworten sind. Und doch sind 
die Studirenden selbst oft nicht genügend darüber aufge- 
klärt, und es wird sowohl in der Menge des Gelesenen, 
wie auch in der Auswahl des Stoffes viel gesündigt. So 
halte ich es — um an einem Beispiel zwei sich aus- 
schliessende Wege zu bezeichnen — für denjenigen, der 
sich in die geometrischen Forschungen einarbeiten will, für 
fördernder, wenn er sich in die beiden Schriften v. Staudt’s 
über die Geometrie der Lage, oder in Möbius’ geometrische 
Arbeiten vertieft, als wenn er die ganze Reihe der Salmon’- 
schen Lehrbücher über Geometrie durchmacht. Freilich 
die jetzigen Umstände, besonders die Aussichten in 
jenen Fächern, befördern die zweite Methode, bei welcher 
es möglich wird, eine grosse Menge von solchem Stoff, der 
sich im Examen verwenden lässt, zu bewältigen, bei welcher 
- ausserdem nicht so viel Auffassungsvermögen verbraucht 
wird, um nieht nebenher manche anderen Fächer zu be- 


336 U. Allgemeine Literatur. 


treiben, von denen Kenntniss zu nehmen die Erweiterung der 
„Fakultäten“ wünschenswerth macht. Jener andere oben 
angedeutete Weg dagegen verlangt eine starke Anspannung 
der Geisteskräfte, und ein Aufgehen in dem einen Stoff; 
und der Nutzen, den er gewäbrt, ist ein idealer: die An- 
regung zu eigenem Forschen. 

Unter diesen Umständen müssen wir im Sinne des 
wissenschaftlichen Strebens besonderen Dank einem Unter- 
nehmen entgegenbringen, das wie kein anderes berufen ist, 
das Studium der guten wissenschaftlichen Literatur zu 
heben. Ostwald’s Klassiker der exakten Wissen- 
schaften bezwecken, — wie in der Ankündigung hervor- 
gehoben wird — dem bei den Jüngern gerade dieser 
Wissenschaften oft bemerkten „Fehlen des historischen 
Sinnes, und dem Mangel an Kenntniss jener grossen Ar- 
beiten, auf welchen das Gebäude der Wissenschaft steht“, 
entgegenzutreten. 

Das Unternehmen erstrebt dies durch Herausgabe 
solcher dem Gebiet der Mathematik, Astronomie, Physik, 
Chemie (einschliesslich Krystallkunde) und Physiologie an- 
gehörenden Arbeiten in einzelnen, zu billigem Preise er- 
haltbaren Heftehen, und sucht dadurch nicht nur ein Unter- 
richtsmittel, sondern auch ein Mittel zur Forschung zu 
schaffen. In welcher Weise dieser Zweck erreicht wird, 
sei mir gestattet, an der Hand der mir vorliegenden mathe- 
matischen bezw. mathematisch-physikalischen Abhandlungen 
im einzelnen zu zeigen. 

Sicherlich nicht ohne Bedeutung ist die Reihe der Heft- 
chen eröffnet durch H. Helmholtz’ Abhandlung „Ueber 
die Erhaltung der Kraft“ (1847). Denn wenn irgend 
eine Arbeit auf die Entwickelung unseres modernen physi- 
kalischen Denkens einen Einfluss gehabt hat, so ist es 
diese. Während der Begründer der Theorie des mechanischen 
Wärmeäquivalents, Robert Mayer, seine Ansicht durch 
Gründe philosophischer Natur zu stützen sucht, geht Helm- 
holtz den Weg, der in der Naturwissenschaft jetzt allent- 
halben durchdringt: Er stellt an die Spitze einen Satz 
von grösster Allgemeinheit, den er der Erfahrung ent- 
nimmt — populär ausgedrückt heisst derselbe: Es giebt 


II. Allgemeine Literatur. 357 


kein perpetuum mobile — und folgert aus ihm durch rein 
mathematische Entwickelung den wichtigen Satz von 
der Erhaltung der Kraft: Die Summe der vorhandenen 
lebendigen Kräfte und der Spannkräfte bleibt stets 
konstant. Ihn verfolgt er dann in die verschiedensten 
Gebiete der Natur, in denen sein Walten zu Tage tritt. 
Jetzt, wo dieser Satz als erster Grundsatz der Physik an- 
erkannt ist, berührt es uns merkwürdig, wenn wir (in den 
von Helmholtz im Jahre 1881 beigegebenen Zusätzen) von 
dem Widerstand lesen, auf den die Arbeit Anfangs ge- 
stossen ist. 


Ein weiteres Heftchen enthält: F. W. Bessel’s 
„Untersuchungen über die Länge des einfachen 
Sekundenpendels‘ (1826), welche als allgemein giltiges 
Vorbild experimenteller physikalischer Leistungen ange- 
sehen werden darf. Wir bewundern eben so sehr die 
Beschreibung des Apparates, bei welcher der Zweck 
eines jeden beschriebenen Theilchens anschaulich 
hervortritt, wie die geniale Anordnung des Versuches, die 
so getroffen ist, „dass die Gerauigkeit des Resultats nicht 
von dem Apparate, sondern allein von dem Fleisse, welchen 
man auf die Beobachtungen und ihre Wiederholung ver- 
wendet, begrenzt wird‘; und nicht minder die peinliche 
Inachtnahme eines jeden störenden Einflusses, dessen Vor- 
handensein als möglich gedacht werden könnte, und seine 
strenge mathematische Erledigung. So lässt sich das- 
‚jenige Lob auf Bessel’s Abhandlung genau anwenden, 
welches dieser dem . Verfertiger seines Apparates zollt: 
dass gleichmässig alle Theile der Arbeit eine solche 
Vollendung besitzen, dass sie einem jeden die Bewunderung 
abnöthigen, die wahrer Vollendung gebührt. — Um die 
Stellung, die Bessel’s Arbeit in der physikalischen Literatur 
einnimmt, zu bezeichnen, seien die Worte des Heraus- 
gebers des Heftchens (H. Bruns) wiedergegeben: „Was 
Bessel an konkreten, für die Folgezeit vorbildlich ge- 
wordenen Methoden und Regeln geschaffen hat, ist heute 
so sehr Gemeingut geworden, dass wir uns nur sehr schwer 
den Abstand vergegenwärtigen können, welcher Bessel’s 


Zeitschrift f. Naturwiss. Bd, LXIII. 1890. 22 


338 II. Allgemeine Literatur. 


Arbeiten von zahlreichen anderen seiner Zeitgenossen 
trennt.‘ 

C. F. Gauss ist bis jetzt mit zwei Abhandlungen ver- 
treten: Allgemeine Flächentheorie — Disquisitiones 
generales circa superficies curvas — (1827) und: Allge- 
meine Lehrsätze in Beziehung auf die im ver- 
kehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfer- 
nung wirkenden Anziehungs- und Abstossungs- 
kräfte. Gauss kann als der eigentlichste Klassiker unter 
den deutschen Mathematikern gelten, und zwar nicht allein 
wegen der Bedeutung seiner Arbeiter, sondern hauptsäch- 
lich, weil es seine eigene Absicht ist, auch in der Form 
möglichst klassisch zu sein. 

Freilich verwischt die Eleganz der Darstellung den 
Weg, der ihn zu seinen Resultaten geführt hat; der Leser 
der Gauss’schen Schriften geräth in Staunen vor dem ge- 
waltigen Geiste, und kommt schwerlich auf den Gedanken, 
dass man selbst ähnliches hätte finden können — was 
sonst beim Studium gleich fundamentaler Arbeiten, welche 
Einfachheit höher stellen als Eleganz, ermuthigt und zum 
Weiterforschen anregt. Bei Gauss liegt diese Anregung in 
der Gewalt des Stoffes, welche gerade die grössten Denker 
unter den nachfolgenden Mathematikern zum Weiterbauen 
angespornt hat. Dafür, dass diese Stoffe auch mehr All- 
gemeingut werden, schlägt nun die vorliegende Ausgabe 
den richtigen Weg ein, indem sie in den beigefügten An- 
merkungen einerseits die historische Entwickelung vor 
Gauss — die bei ihm wenig betont wird — andrerseits 
den Fortschritt der Theorien bis zur jüngsten Zeit genau 
verfolgt. Ausserdem ist die lateinische Abhandlung in 
einer Form in’s Deutsche übertragen, welche nirgends die 
Uebersetzung verräth. 

Aus dem Gesagten wird zu erkennen sein, in welcher 
Weise Ostwald’s ‚Klassiker‘ der gestellten schönen Aufgabe 
gerecht werden. Dieselbe wird dann ganz erfüllt sein, 
wenn der Studirende seine Klassiker als treue Freunde 
zu betrachten gelernt hat, die man um so lieber gewinnt, 
je näher man sie kennt. 

Halle a. S. H. Wiener. 


UI. Allgemeine Literatur. 339 


Sprockhofj, A., Grundzüge der Physik, 430 Seiten, 442 
Abbildungen. Hannover 1890. Carl Meyer (G&. Prior). 

Das mit grossem Geschicke zusammengestellte Werk 
bespricht in knapper aber im. Allgemeinen klarer Dar- 
stellung den grössten Theil der physikalischen Erscheinungen. 
Der Text wird durch eine grosse Zahl guter Abbildungen 
auf das Vortheilhafteste erläutert. Durch grösseren und 
kleineren Druck wird das Hauptsächliche von dem Detail 
in übersichtlicher Weise geschieden. Der erste Theil ent- 
hält Einzelbilder, in denen der Verfasser mit den Er- 
scheinungen und Versuchen bekannt macht. Der zweite 
Theil giebt eine systematische Anordnung des ganzen Stoffes. 

Manchem Leser wird diese Eintheilung sehr willkom- 
men sein. 

Der Werth des sehr empfehlenswerthen Werkes würde 
sich noch heben, wenn an mancher Stelle die Ausdrucks- 
weise und die Definition neu einzuführender Begriffe noch 
schärfer und präciser würde. Es liesse sich dieses für 
eine spätere Auflage in Aussicht nehmen. 

In gleicher Weise müssen einige Irrthümer nothwendig 
abgestellt werden. Ein Werk, das für einen Leserkreis 
bestimmt ist, der sich vielleicht nur aus ihm belehren kanı, 
darf am allerwenigsten Fehler in sich aufnehmen. 

Als Unklarheiten möchte ich z. B. bezeichnen: 

p. 9. An jedem festen Körper findet sich eine Stelle, um 
welche herum alle Theile gleiches Gewicht 
besitzen. 

p- 95. Man muss sich die Sache so vorstellen, dass die 
leuchtende Fläche desKörpers alsLicht an 
den Spiegel tritt etc. 

p.382. Die Wheastonesche Brücke hätte durch eine Skizze 
der Verbindungsdrähte eine klarere Darstellung ge- 
funden. 

p- 382. Die elektrischen Maasseinheiten können leicht präciser 
und klarer auseinandergesetzt werden. 

Als Fehler wären u. A. hervorzuheben: 

p-321. Durch den Spectralapparat erhält man von jedem 
leuehtenden Körper ein reines Spectum mit 
Fraunhboferschen Linien. 

22* 


340 ll. Allgemeine Literatur. 


p-321. Ein reinesSonnenspectrum ohne Fraunhofer- 
sche Linien. 

p-409. Ohne Vergrösserung der mechanischen Arbeit kann 
der electrische Strom verstärkt werden. 

In den Figuren: 

Spectraltafel No. 1 ist als Speetrum eines weissglühenden 
Körpers zu bezeichnen. 

p. 7 Fig. 9. Das Glas der Wasserwage ist nach oben ge- 
krümmt zu zeichnen (es geht dieser wichtige Punkt 
weder aus der Figur noch dem Text hervor). 

p.323. Die Anordnung der Apparate ist beim Versuch eine 
ganz andere als in der Fig. 352 angegeben ist etc. 

Noch nicht klargestellte Thatsachen, z. B. die Er- 
klärung der Entstehung der Gewitter, können in einem 
solchen Werke nicht besprochen werden. Nach Ansicht 
des Ref. ist dem Leser am besten gedient, indem man sie 
kurz erwähnt und hervorhebt, dass eine befriedigende Er- 
klärung noch nicht gegeben sei. 

Eine genauere Durchsicht des Verfassers wird genügen, 
derartige Mängel zu beseitigen; wir dürfen das Werk zu 
den brauchbaren Lehrbüchern der Physik zählen und können 
es namentlich auch zu repetitorischen Studien sehr em- 
pfeblen. 

Halle a. S. Dr. Schmidt. 

Kayser, H., Lehrbuch der Physik für Studirende. 464 

Seiten, 334 Abbildungen. Stuttgart 1890. Ferdinand Encke. 


Obgleich wir an Lehrbüchern über die pbysikalische: 
Diseiplin eine recht reichliche Menge besitzen, fehlt es 
bisher an einem solchen, das man mit voller Zufriedenheit 
einem Studirenden empfehlen könnte. 

Dieser Umstand hat den Verfasser veranlasst, das vor- 
liegende Buch zu schreiben. Dasselbe wird für den Studiren- 
den eine willkommene Ergänzung zu einem Colleg sein 
und für Repetition ausserordentlich geeignet erscheinen. 

Die Anordnung des Stoffes ist wohlangelegt und trotz. 
des eompendiösen Umfanges finden sich in dem Werke 
sämmtliche Fragen behandelt, die in der Experimental- 
physik von Bedeutung sind. 


II. Allgemeine Literatur. 34l 


Ein gutes Inhaltsverzeichniss im Anfang des Buches, 
nach der Materie am Ende alphabetisch geordnet, ermöglicht 
ein leichtes Auffinden eines nachzuschlagenden Gegen- 
standes.. Auch sind die neuesten Forschungen berück- 
sichtigt, besprochen und dem Althergebrachten eingereiht. 

Die Darstellung ist bündig und klar, die meist sche- 
matisch gezeichneten Apparate und Versuchs-Anordnungen 
sind übersichtlich und erleichtern das Verständniss des 
Behandelten in vortheilbaftester Weise. 

Hin und wieder hätte der Ausdruck präciser und 
schärfer sein können. Ref. wünscht auch die Rechnung, 
wo es irgend angeht, durch geometrische Construction er- 
setzt; so lassen sich z. B. die Eigenschaften der Wage in 
einfachster Weise aus einer Construction ableiten. 

In wichtigen, bisher noch nicht gelösten Fragen, wie 
z. B. die Herstellung von Accumulatoren etc., wäre eine 
etwas ausführlichere Besprechung des Erreichten und noch 
zu Erstrebenden am Platze. 

Auf die Literatur zu eingehenderem Studium einzelner 
Fragen ist theilweise recht gut hingewiesen. An anderen 
Stellen vermisst Ref. einen solchen Hinweis, z. B. hätte 
v. Helmholtz Schrift über die Erhaltung der Kraft p. 57 
Erwähnung finden müssen. 

Für eine folgende Auflage nimmt der Verf. vielleicht 
eine Zusammenstellung der wichtigsten Werke am Ende 
einer jeden Disciplin — wie dies z. B. am Ende der Lehre 
von der Electrieität. p. 330 schon angedeutet ist — in 
Aussicht. 

Schliesslich möchte ich noch erwähnen, dass die An- 
ordnung des Fresnelschen Spiegelversuches p. 337 Fig. 274 
verzeichnet ist. CO bildet beim Experiment niemals einen 
so grossen Winkel mit der Spiegelfläche L,D (resp. L,D) 
wie in der Figur angegeben. Bei der dort gezeichneten An- 
ordnung wird man keine Interferenzen beobachten: Ohne 
die Deutlichkeit der Zeichnung zu beeinträchtigen, kann 
man dieselbe ganz der Aufstellung der Apparate gemäss 
ausführen. 

Fig. 303 p. 422 ist perspectivisch verzeichnet. Die 
verkürzte Ellipse BDCE darf nicht B und C berühren. Es 


342 ]I. Allgemeine Literatur. 


ist dieses ein Fehler, der häufig gerade bei dieser Figur 
gemacht wird, weshalb Ref. bei dieser Gelegenheit einmal 
darauf aufmerksam machen möchte. 


Dr. Sehmidt. 


Weber, H., Electrodynamık, mit Berücksichtigung der Thermo- 
electricität, Electrolyse und T’hermochemie. Braunschweig 
1889. Vieweg und Sohn. 


Obgleich der Verfasser die Anwendung des Titels 
„Blectrodynamik“ in der Vorrede zu rechtfertigen sucht, 
glaubt Ref., dass ein anderer Titel dem Inhalte des Werk- 
chens mehr entsprochen hätte, da nur !/, desselben auf 
die Behandlung der Electrodynamik fällt. 

Verf. lehnt sich in diesem Abschnitt an die von W. Weber 
entwickelten Anschauungen und leitet das von W. Weber 
aufgestellte Grundgesetz ab; er kommt dann von diesen 
Entwickelungen ausgehend auf die wichtigen Begriffe der 
ponderomotorischen, eleetromotorischen und inducirenden 
Kraft. 

Dass sich über die Gültigkeit der hier vertretenen An- 
schauungen berechtigte Zweifel erheben, wird nicht er- 
wähnt. 

Ebenso wenig bespricht der Verfasser die neueren 
Anschauungen, die von Faraday zuerst experimentell, von 
Maxwell und von Helmholtz theoretisch begründet sind und 
in neuester Zeit durch die schönen Versuche von Hertz 
beträchtlich erweitert und befestigt sind, dass die 
Dielectrica einen Einfluss auf die Ausbreitung eleectr. 
Kräfte haben. 


Im ersten Abschnitt bringt Verf. in hergebrachter 
Weise das Ohm’sche Gesetz und die Kirchhoff’schen Sätze 
über EBlectrieitätsvertheilung. Der über die Einführung 
neuer Maasseinheiten handelnde Paragraph hätte eine 
klarere Darstellung ünden können. 

Die Recapitulation mechanischer Sätze in dem folgen- 
den Abschnitt ist für das Werkchen nach Ansicht des Ref, 


II. Allgemeine Literatur. 343 


zu weitläufig behandelt; auch entbehrt die Ableitung der 
Gleichungen theilweise der möglichen Kürze. 

Eine eingehende Behandlung haben die Thermo- 
electrieität, sowie die chemischen Vorgänge in den folgen- 
den Capiteln gefunden. 


Halle a. S. Dr. K. Sehmidt. 


Thomson, J. J., Anwendung der Dynamik auf Physik 
und Chemie. Autorisirte Uebersetzung. Leipzig. 1890. 
Gustav Engel. 


Ueber ein Werk von so ausserordentlich reichem In- 
halt, wie das vorliegende, in wenigen Worten referiren zu 
wollen, ist ein wenig aussichtsvolles Unternehmen, zumal 
wenn die Methode der Hauptsache nach mathematischer 
Natur ist; wir müssen uns begnügen, die leitenden Ge- 
danken klar zu legen. 

Die Lectüre des Buches ist durch die ausserordentlich 
abstracte und ganz allgemeine Behandlungsweise der 
Gleichungen nicht sehr leicht, es kostet viel Zeit, sich in 
die in Deutschland nicht geläufige specifisch englische 
Methode einzulesen. 

Die Probleme, die behandelt werden, sind fast ledig- 
lich thermodynamischer Natur; es wird untersucht, der Ein- 
fluss der Erwärmung auf die Körper, die Entstehung 
electromotorischer Kräfte durch Temperatur - Unterschiede. 
Es werden ferner besprochen die Vorgänge der Ver- 
dampfung, Dissociation, Eigenschaften verdünnter Lösungen, 
Uebergänge aus dem festen in den flüssigen Aggregat- 
zustand. 

Das Neue in dem Buche ist die Methode, mit Hülfe 
deren der Verfasser die Resultate ableitet. 

Bisher löste man thermodynamische Probleme mit den 
2 Hauptsätzen der mechanischen Wärmetheorie, deren erster 
ein specieller Fall des allgemeinsten physikalischen 
Princeipes der Constanz der Energie ist. Der zweite sagt 
aus, dass Wärme nicht aus einem kälteren in einen 


344 Il. Allgemeine Literatur, 


wärmeren Körper übergeht, ohne dass gleichzeitig Arbeit 
geleistet wird. Ro 

An Stelle dieses rein empirischen Satzes setzt der 
Verfasser einen dynamischen Satz, der in der Mechanik 
unter der doppelten Form als Hamilton’sches Prineip oder 
als System der Differential-Gleichungen von Lagrange be- 
kannt ist. Beide Formen sind auf einander zurück- 
führbar. 

Die Vorzüge der neuen Mehiod: (ef. pag.5) bestehen 
in Folgendem: sie hat als rein dynamische grössere Allge- 
meinheit, sie stützt. sich auf ein Prineip (statt auf 2) und 
reicht auch für den Fall aus, wo die Umwandlung der 
Energie nicht in Wärme, sondern z. B. in Electrieität ge- 
schieht. Für solche Processe reicht das Innen der Energie 
nicht in allen Fällen aus. 

Der Nachtheil- der Methode ist dadzsch begründet, 
dass dieselbe auf dynamische Begriffe führt, die nicht ohne 
Kenntniss anderer Beziehungen auf die direct: zu: messen- 
den Grössen führt — es ist. z. B. die Intensität: eines 
electrischen Stromes nicht ohue Weiteres als eine Ayaamische 
Grösse gegeben. — 

Diese Beziehungen sind nicht. immer heise. In 
solchen Fällen führt oft die ältere Methode zu bestimmteren 
Resultaten. 

Da wir keine Kenntniss der inneren Struck: der Körper 
besitzen, so können wir nur erwarten, Beziehungen zwischen 
aan Eigenschaften der Körperwelt und Folgen 
daraus festzustellen. 


Hierzu ist die neue Methode sehr geeignet. Dieselbe 
ergiebt Gleichungen, in denen ein jedes Glied einer be- 
stimmten physikalischen Eigenschaft des Systemes ent- 
spricht. Aus dem Vorhandensein eines solchen Gliedes 
lässt sich auf neue Eigenschaften ein Schluss machen. 

Um ein Beispiel zu geben, führe ich das in $ 43 p. 
94 ff. Besprochene an. Die Methode ergiebt, dass man 
durch Licht magnetische Kräfte erzeugen kann. . Dieses ist 
experimentell nicht erwiesen. Die Gleichung, auf die der 
Verfasser kommt, zeigt aber gleichzeitig, dass die Wirkung 
zu klein ist, um beobachtet zu werden. 


II. Allgemeine Literatur. 345 


Durch vielfache Anwendungen auf bekannte That- 
sachen giebt der Verfasser einen Beweis von der grossen 
Fruchtbarkeit der neuen Methode. 


Halle a. S. Dr. Karl Schmidt. 


v. Müller-Hannfeld, Albert K., Richtigstellung der in 

bisheriger Fassung unrichtigen mechanischen Wüärmetheorie 
und Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Aetherbe- 
wegungen. Wien 13990. 

Die Existenz des Aethers als Lichtvermittlers zwischen 
Auge und leuchtendem Object wird von den Physikern als 
zweifellos angenommen. Ueber seine nähere Natur und 
Beschaffenheit sind möglichst wenig Annahmen gemacht 
und der Forscher empfindet wohl die Lücken, die sich in 
derartigen Untersuchungen finden, im Allgemeinen enthält 
er sich aber des Versuches, dieselben auszufüllen, da 
unsere Natur-Erkenntniss noch nicht den Stand erreicht, über 
die letzten Dinge mit Erfolg zu speculiren. 

In dem vorliegenden Werke wird ein Versuch gewagt, 
mit Hilfe einer neuen Hypothese — nämlich unter der 
Annahme eines freien molekularen Aethers — sämmtliche 
Erscheinungen und Gesetze der Physik zu erklären. 

Die Menge der in dem Buche besprochenen Fragen 
und Probleme ist in Folge dessen recht beträchtlich. 

Der Verfasser verwirft die körperlichen Moleküle und 
setzt an Stelle dessen den molekularen Aether. Diesen be- 
gabt er mit Eigenschaften, die zum Theil von den Physikern 
den Molekülen beigelegt werden. Neu ist der Versuch 
der Erklärung der abstossenden und anziehenden Kräfte, 
welche den letzten Theilchen allgemein beigelegt werden. 

Dass mit des Verf. Annahmen viel gewonnen ist, kann 
Referent nicht finden. So soll z. B. die neue Theorie eine 
bessere Erklärung der Fluorescenz ergeben und sich die 
Ueberlegenheit der neuen Theorie nach Angabe des Verf. 
pag. 160 recht klar erweisen. Nach Ansicht des Ref. stebt in 
diesem Abschnitt nichts Neues; es ist lediglich eine andere 
Nomenclatur, ohne dass Fortschritte in der Erklärung der 
Vorgänge zu verzeichnen sind. 


346 II. Allgemeine Literatur. 


Im Uebrigen finden sich manche Unrichtigkeiten und 
Erklärungsversuche, die keinen Vortheil vor den früheren 
haben und nicht geeignet scheinen, die Meinung von der 
Ueberlegenheit der neuen Anschauungen wesentlich zu 
kräftigen. 


Halle a. S. Dr. Karl Sehmidt. 


Büchner, W., Zwei Materien mit 3 Fundamental-Gesetzen 
nebst einer Theorie der Atome. Stuttgart 1890. 


„Ich glaube, dass bei den meisten chemischen Ver- 
bindungen das Gesammtgewicht durch Freiwerden ge- 
bundener Wärme kleiner wird‘ p. 60. Mit diesem Satze 
kritisirt sich das Werk am zweifellosesten selbst. 


Halle a. S. Dr. Karl Schmidt. 


Doliarius, E. J., Dr. phil., Janus, ein immerwährender 
Datumweiser für alle Jahrhunderte. Leipzig. Dyksche 
Buchhandlung. 

Die vorliegende hühsch ausgestattete Tafel von der 
Grösse eines Quartblattes enthält einen stellbaren Kalender 
für die Zeit von 1—2099 nach Chr. (alten und neuen Stils). 
Sie besteht aus einem festen und beweglichen Blatte, das 
feste hat einige Ausschnitte, durch welche man einzelne 
Theile des beweglichen erblickt; diese Theile zeigen ein 
nach Wochen geordnetes Verzeichniss aller Tage eines 
Jahres, derartig, dass die 6 Tage jeder Woche in einer 
Zeile nebeneinander, die Daten aller gleichnamigen W ochen- 
tage in einer Spalte untereinander stehen. Die Namen 
der 7 Wochentage stehen auf dem festen Blatte oben, und 
das bewegliche Blatt ist derartig zu verschieben, dass der 
1. Januar unter jeden der 7 Wochentage gebracht werden 
kann: dann stehen jedesmal auch alle anderen Tage des 
Jahres unter dem zugehörigen Wochentage. — Die Ein- 
stellungsvorrichtung ist sehr einfach, es stehen nämlich die 
beiden Anfangsziffern der Jahre auf dem beweglichen 
Blatte, auf dem festen aber die beiden Endziffern in 


II. Allgemeine Literatur. 347 


passender Ordnung; behufs der Einstellung des Kalenders 
auf ein gegebenes Jahr schiebt man das bewegliche Blatt 
so, dass die Anfangsziffern der Jahreszahl gerade über den 
Endziffern derselben stehen. 

Die Anfangsziffern sind für den alten und neuen Stil 
besonders gedruckt; die Endziffern für die Schaltjahre sind 
doppelt gedruckt, roth für Januar und Februar, schwarz 
für März bis Dezember. Während also der Kalender bei 
Gemeinjahren mit einem Male für das ganze Jahr einge- 
stellt wird, muss man bei Schaltjahren am 1. März eine 
Umstellung vornehmen. Auf der Rückseite des Blattes be- 
finden sich ausser der Gebrauchsanweisung verschiedene 
kalendarische Notizen; leider fehlen darunter die Angaben 
über das Osterfest. Es scheint, als ob der Verf. die auch 
anderweit in Leipzig ausgesprochene Hoffnung theilt, dass 
das Osterfest recht bald auf einen bestimmten Tag festge- 

legt werde!); da man aber sowohl für die Gegenwart, wie 
auch für die Vergangenheit doch noch häufig die Be- 
stimmung des Östersonntags gebraucht, so sprechen wir 
den Wunsch aus, dass uns Herr Dr. Doliarius demnächst 
auch mit einer recht einfachen stellbaren Ostertafel be- 
schenken möge. Einstweilen aber wollen wir uns des in 
der Janustafel Gebotenen freuen; sie istin der That sehr über- 
sichtlich und bequem, bes. ist der Vortheil zu rühmen, dass 
eine einzige Einstellung für das ganze Jahr genügt, während 
die älteren stellbaren Kalender meist nur Monatskalender 
sind. Wie aber jedes Ding zwei Seiten hat, so ist es auch 
hier; die Monatskalender haben auch ihre besonderen Vor- 
züge; giebt man ihnen kleine Schrift, so kann man sie so 
klein herstellen, dass sie sich in ein Notizbuch einlegen 
lassen, wie z. B. den Kalender von Dr. Goldstein?2), — 
macht man aber die Schrift, namentlich die Datumzahlen, 
grösser, so kann man sie als Wandkalender verwenden 
und das Datum selbst aus einer gewissen Entfernung ab- 


1) In der gemeinnützigen Gesellschaft zu Leipzig hat Herr 
Dr. phil. J. E. Böttcher am 24. März 1890 einen sehr eingehenden 
Vortrag über diesen Gegenstand gehalten. 

2) Siehe diese Zeitschrift Bd. 38 S. 421-422 und Bd. 46 
Ss. 55—56. 


348 II. Allgemeine Literatur. 


lesen, wie bei dem drehbaren Kalender des Referenten '). 
Der Janus ist für den ersten Zweck zu gross, für den 
zweiten ist die Schrift zu klein; — im Uebrigen aber ist 
er, wie gesagt, sehr zweckmässig eingerichtet; man hat 
keinerlei Rechnung nöthig; die Wochen fangen stets mit 
dem Sonntage an; jedes Datum u.s. w. ist immer nur ein- 
mal sichtbar, das Auge hat also nicht nöthig, lange un- 


sicher herumzuirren, — kurz, der Kalender ist in jeder 
Beziehung zu empfehlen. 
Erfurt. G. Schubring. 


A. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landes- und Volks- 
kunde. Stuttgart. Engelhorn. 


IV. Bd. 5. Heft... Otto Zacharias, Zur Kenntniss 
der niederen Thierwelt des Riesengebirges. 


Der um die Erforschung der Fauna verdiente Dr. 
Zaeharias schildert in diesem Heftehen die Thierwelt des 
grossen und kleinen Teichs, der kleinen Schneegrube, der 
Kammregion des Riesengebirgs und des Koppenkegels. 

V. Bd. 1. Heft. Dr. F. Hoeck, Die Nährpflanzen 
Mittel-Europas. 


Nach einer kurzen Einleitung, in welcher die Grenzen 
der geographischen Wissenschaft, der Begriff der Nähr- 
pflanzen und der von Mittel-Europa näher definirt wird, 
seht der Autor auf den ersten Haupttheil seiner Arbeit, die 
Heimath der Nährpflanzen (Getreide, Obst- und Gemüse- 
pflanzen) Mittel-Europas und die Zeit ihrer Einführung in 
das Gebiet näher ein; im zweiten Haupttheile schildert er 
die Verbreitung der Nährpflanzen mit besonderer Rücksicht 
auf das Klima. Am Schluss folgt eine Zusammenfassung. 


Halle a. S. Luedecke. 


1) Siehe diese Zeitschrift Bd. 38 8. 422 ff. 


lI. Allgemeine Literatur. 349 


Niedzwiedrki, Julian, Prof.. Beitrag zur Kenntniss der 
Salzformation von Wieliczka und Bochnia. Lemberg 1883/9. 
Selbstverlag des Verfassers. 


Eingangs seiner Arbeit theilt der Verfasser eine grosse 
Reihe von Aufnahmedaten mit, welche ihn zu folgender 
Gliederung veranlasst haben: 


Zwei Abtheilungen der Kreideformation kann man im 
Rande der Karpathen bei Bochnia und Swoszowice unterschei- 
den. Die dünnplattigen Sandsteine und Mergelschiefer, welche 
den Wermsdorfer Schichten in Schlesien und den neocomen 
Strzolka-Sandstein entsprechen, bilden den unteren Theil. 
Wenig treten breceienartige Schichten aus Quarz und Kalk- 
stein und noch weniger in den Mergelschiefern Gerölle aus 
lichtem Jurakalk, Gneiss- und Glimmerschiefer hervor. 


Massige Sandsteine, welche von dünnen Mergellagern 
abgelöst werden, bilden den oberen Theil, welcher den 
Jamna-Schichten Paul’s und Tietze’s, sowie dem Goddula- 
sandstein Hoheneggers entspricht. Auch hier sind Quarz- 
gerölle und Conglomerat untergeordnet. Belemnites 
bipartitus, Aptychus Didayi, sowie Reste von Ammoniten- 
und Inoceramen- (concentricus und Conquandi bei Mictniow) 
schaalen verweisen diese Schichten zu den Kreide- 
bildungen. 


Hohenegger und Fallaux legen vor den Kreiderand 
auf ihrer Karte einen schmalen Saum von Eocaen (Sand- 
stein von Mictniow), was nur auf Grund petrographischen 
Befundes geschehen ist; nach den Petrefactenfunden des 
Autors muss dies als ein Irrthum bezeichnet werden und 
ist also der Mictniower Sandstein vollkommen ident mit dem 
übrigen diekbankigen Sandstein des Gesammtgebiets. 

Verfasser geht sodann näher auf das Gebiet des 
durch seine Schwefelvorkommen bekannten Swoszowice 
näher ein. 

Die Sande von Rajsko überdecken die schwefel- 
führenden Lagen in einer Mächtigkeit von 70 Metern; sie 
lehnen sich im Süden direct an die Karpathen an und 
überlagern deren Schichten discordant; Ostrea digitalina 
Dub., Pecten elegans und Besseri Andrz. finden sich darin. 


350 II. Allgemeine Literatur. 


Unter den Rajsko’er Sanden erscheint der Swoszo- 
wicer Thonmergel, welcher die Schwefellager birgt. 


Zu oberst bestanden diese Hangendmergel aus dunklem 
Mergel und Thon bis zu einer Tiefe von 30 Meter, unten 
führen sie z. Th. Lignit; darunter folgt ein lichterer Mergel 
mit fasrigem Gyps, welcher nach unten zu immer mehr 
Schwefel führend wird; die beiden Schwefelflütze waren 
0,5 m mächtig und enthielten 12°), Schwefel; die geringe 
Mächtigkeit veranlasste das Auflassen der Bergwerke. 
Darunter folgt der Liegendmergel. Mehr als 2 Lager 
hat es nicht gegeben und sind auch alle Angaben, 
welche sich auf Störungen beziehen, in das Reich der 
Fabel zu verweisen. Auf einer beigegebenen Tafel 
stellt der Verfasser die Lagerungsverhältnisse nach den 
Aufnahmen des Bergverwalters Ambross dar. Die S.— 
Mergel haben von Versteinerungen Pecten- und Natica- 
schalen sowie Dikotyledonenblätter geliefert. Neuere 
Tiefbohrungen nach Angaben von N. haben am Kreuzungs- 
punkte der Strassen von Op’atkowice und Wro’blowice in 
einer Teufe von 114 Meter die Salzthone von Wieliezka 
als Liegendes der Schwefelmergel von S. aufgefunden. 


 Wieliezka. Die haugenden Sande „Bogueicer“ S. sind 
ihrer Stellung nach denen von Rajsko an die Seite zu stellen; 
ihre Lagerung in den früher gegebenen Profilen von 
W. mit starkem Abfallen nach N. sind falsch, sie sind nur 
5° nach N. geneigt und 50 Meter mächtig; sie führen 
Cerithium lignitarum Echw, Turritella Archimedis Hörn., 
Monodonta angulata Echw., Natica helieina Broce.; Cor- 
bula gibba Olivi, Peetunculus pilosus Linn. Pecten Besseri 
Andrz., P. elegans Andrz., Ostrea digitalina Dub., O. Leo- 
poldina Niedzw. 


Unter diesen Sanden wurde bei Kosocice durch Tief- 
bohrung, wie bei Swoszowice, ein Dikotyledonen und. 
Foraminenferen führende Lagunen-Bildung aufgefunden, 
welche den S. Schwefellagern entspricht; sie besteht petro- 
graphisch aus gypsführenden Thonen. 


II. Allgemeine Literatur. 351 


Unter derselben folgen dann die beiden Salzlager. 


Das obere besteht aus geschichteten Thon- und Mergel- 
massen, in welchen stock- und klotzförmige Salzmassen 
lagern, das untere aus wohlgeschichteten Thonen und Sand- 
steinen und Salzflötzen. Das letztere — das untere — ist 
3,4 Km. lang und 800 Meter breit und 150 Meter mächtig. 
An der Zusammensetzung betheiligen sich 1. Salzthon 
von dunkel aschgrauer Farbe mit Beimengungen von Sand, 
Glimmer, Kalk und Steinsalz; 2. Salz-Sandstein. 


Nach den Angaben von Pusch und Hradina sollten 
Karpathensandstein ähnliche Gesteine zwischen den Salz- 
lagern vorkommen; N. weist dies zurück; es findet sich 
nur ein Sandstein hier, dessen Bindemittel Salz ist; 
er erscheint grünlich oder bläulich -grau, fein- bis 
srobkörnig mit Quarz- Thon und Kalkbröckchen. Das 
Bindemittel des Steinsalzes ist sehr deutlich z. Th. in 
1 cm ? grossen Körnern vorhanden; an einzelnen Stellen 
bildet es !/;, der Masse des Salzsandsteins. 3. Thon- 
Anhydrit-Gestein ist ein vorwiegend aus bläulichweissen, 
dichten bis stenglig blättrigen Anhydrit und Thon bestehen- 
des Gestein; ähnlich ist 4 das Thon-Gyps-Anhydrit- 
Gestein. 5. Steinsalz, a) Szybiker Salz ist grob- 
körnig von graulicher Färbung mit schwefelsaurem Kalk; 
b) das Spiza-Salz zeigt eine mittel- bis kleinkörnige 
Textur mit abgerundeten Quarzkörnern, organische Kalk- 
schalen und rundliche Scheibehen eines Thongesteines; ce) 
das Grünsalz hat gross krystallinische Textur, grünlich- 
graue Färbung, Einschlüsse von Thon und Anhydrit. 


Nur das Szybiker Salz wird als Speisesalz, das Spiza- 
Salz dagegen nur für chemische Zwecke abgebaut. 


In der Art der Vertheilung dieser Schichtglieder herrscht 
keine Regelmässigkeit; die Mächtigkeit ist beim Spiza- 
Salze 20 Meter, die Szybikerlager 2—5 Meter; einzelne 
mächtige Salzlager haben eine Ausdehnung von 1 Km.; 
das Steinsalz dürfte den fünften, der Anhydrit den zwan- 
zigsten Theil der Lager einnehmen. Der Salzsandstein tritt 
nur in ellipsoidischen Massen auf. Die Schichten sind zu 


352 II. Allgemeine Literatur. 


einem Sattel aufgepresst, dessen Axe h7 streicht, das 
Fallen ist 45 nach Osten, im Westen aber viel flacher. 
Die Thierreste sind spärlich: Planorbis, Caryophyllia sa- 
linaria Kp., 22 Bryozoen, 50 Mollusken und 8 Crustaceen 
Arten; fast alle erscheinen in abgeriebenen Kalksebaalen- 
Bruchstücken; vom Pflanzenreiche fanden sich Caryanüsse, 
Föhrenzapfen, Buchen-, Birken- und Palmenholz. 


Die obere Abtheilung besteht nur aus ungeschichtetem 
Gebirge; es nehmen am Aufbau Theil 1. Salzthon, 
muschlig brechend, compakt, mit Salz und Kalkspath im- 
prägnirt. 2. Salzmergel mit 20—25°/, Ca CO , mit Stein- 
salzkörnern und Gyps imprägnirt. Steinsalzbrocken und 
Anhydritkörner verwandeln ihn in Salzbrocken-Thon 
(= Zuber). Dazwischen tritt in grossen Klumpen und stock- 
förmigen Massen das Steinsalz auf und zwar als Grünsalz,. 
Auch Sandsteinblöcke haben sich hie und da gefunden. 
Dreissig verschiedene Versteinerungen sind hier vorge- 
kommen, von denen der Verfasser Nucula nucleus L. 
Pecten denudatus Rs., Pecten c. f. Gloria maris du Bois 
und Ostrea cochlear Poli allgemein verbreitet gefunden hat. 


Das obere Salzlager ist nach dem Verfasser durch theil- 
weise Zerstörung des primären Salzlagers in einer tiefen 
Meeresbucht entstanden ; beide Abtheilungen scheinen 
discordant aufeinander zu liegen, auch an die Karpathen 
legt sich das Salzgebirge discordant an, eine Ueberschiebung 
der Kreideschichten über das Tertiär ist nicht vorhanden. 
Der Wassereinbruch von 1868 vom Kloskischlage erfolgte 
aus einem seitlich liegenden Schichtengestein. Das Alter 
der Salzschichten ist nach dem Verfasser Unter-Mioeän: 
die obere Abtheilung entspricht den Grunder-Schichten, die 
untere den Schlier- und Horner-Schichten. Unter demselben 
folgen die Lednicer Schichten, welche aus schwarz- 
blättrigem Thonschiefer und mit demselben wechsellagernd 
aus dünnen harten Mergelschichten bestehen; dieselben ent- 
sprechen ihrem Alter nach den Cyrenenschichten in Ober- 
Bayern und im Allgemeinen dem Aquitanien K. Mayers. 


Nach kurzer Besprechung der Bucht von Gd’ow folgt 
die Schilderung von Bochnia. 


II. Allgemeine Literatur. 353 


Den untersten Horizont nehmen hier wieder Lednitzer 
Schichten in Gestalt von Schieferthonen, Mergeln, Thonen 
ete. ein; z. Th. sind es Menilitschiefer; darüber folgt das Salz- 
lager, aus Thon, Anhydrit und Steinsalz bestehend; in den 
Thonen sind hier viele Foraminiferen aufgefunden worden, 
von denen viele auch dem norddeutschen Septarienthon 
eignen; die Schichten fallen steil nach S. ein, darüber 
folgen gypsführende Schichten und endlich Thone und 
Sande, welche den Sanden von Rajsko und Bogucice ent- 
sprechen und Grabowitzer Schichten genannt werden, die- 
selben sind recht reich an Fossilien, welche der jüngeren 
Mediterranstufe des Wiener Beckens angehören. Auffallend 
ist, dass die Salzformation von Bochnia dem Unter-Oligocaen 
angehört, während die von Wieliezka höher steht und dem 
Schlier sich anschliesst. 


Im dritten Theile giebt der Verfasser einen Querschnitt 
durch Wieliczka durch den Franz Joseph-Schacht und 
wendet sich dann gegen die Ansicht von Paul, welcher 
das Salzgebirge von Wieliezka als eine U-förmige, nach N. 
überschobene Mulde darstellt. 


Im vierten Theile giebt er einen Querschnitt durch 
den westlichen Theil von Wieliezka, welcher das Frühere 
ergänzt und erfreulicherweise bestätigt. Auch hier bildet 
das Salzgebirge einen Sattel, dessen nördlicher Flügel 
aber abgesunken ist. In einem zweiten Theile vertheidigt 
der Verfasser seine Ansichten gegen die Anfechtungen 
Tietze’s und Paul’s mit Geschick; wie überhaupt die ganze 
Arbeit den Eindruck einer gründlichen und gewissenhaften 
Untersuchung macht. Ein Inhaltsverzeichniss würde die 
Uebersichtlichkeit und Brauchbarkeit wesentlich gefördert 
haben. Die Ausstattung ist lobenswerth. 


Halle a. S. Luedecke. 


Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 23 


354 II. Allgemeine Literatur. 


v. Sandberger, F., Uebersicht der Versteinerungen der 
Triasformation Unterfrankens. (Separat aus den Ver- 
handlungen der phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg. 
N. Folge. Bd. XXII.) Würzburg, Stahel’sche Universitäts- 
Buchhandlung. 


In den Verbandlungen der Würzburger phys. und 
medicin. Gesellschaft hat der Autor bereits früher eine 
Zusammenstellung der von ihm und Andern während der 
letzten 26 Jahre gesammelten Petrefacten der Trias- 
formation Unterfrankens gegeben; die vorliegende Publi- 
cation bezweckt das Gleiche wie die frühere; nur sind 
hier alle Namen weggelassen, welche sich im Laufe der 
Zeit als irrig oder zweifelhaft herausgestellt haben; alle 
übrigen sind sorgfältig revidirt worden und befinden sich 
in der Sammlung der Universität Würzburg niedergelegt ; 
ihre Zahl hat natürlich bedeutend zugenommen. 

Die Aufzählung geschieht nach den Stufen der 
einzelnen Formationen: 1. Buntsandstein (Voltziensand- 
stein, : Chirotherium -Sandstein, Röth), 2. Welienkalk- 
gruppe (Wellendolomit, unterer, mittlerer und oberer 
Wellenkalk), 3. Muschelkalkgruppe (unterer, mittlerer, 
oberer), 4. Lettenkohlengruppe (untere, mittlere, obere 
Abtheilung), 5. Keuper (unterer Gypskeuper, mittlerer 
Keuper, Schilfsandstein Semionotussandstein). 

Bei der grossen Uebereinstimmung der Formationen 
in Thüringen und Franken wird auch den Interessenten 
unserer Zeitschrift die kleine Schrift manches Neue bieten. 


Halle a. S. Luedecke. 


Fraas, Dr. Eb., Geologie in kurzem Auszuge für Schulen 
und zur Selbstbelehrung mit 16 Abbildungen. Stuttgart 
1890. Gloeschen’sche Buchhandlung. 


Auf etwa 100 Seiten sehr kleinen Formats hat der 
Verfasser versucht, die Thatsachen der Geologie zusammen- 
zufassen. Nach einer kurzen Einleitung über das Wesen 
der Geologie, bespricht er das Material der Erdkruste, die 


1I. Allgemeine Literatur. 355 


Entstehung dieses Materials, die Entstehung der Erdkruste 
aus diesem Material und bringt endlich die Formations- 
lehre, welche den Haupttheil des Buches einnimmt. Die 
Beispiele für die Formationen nimmt er grösstentheils aus 
Süd-Deutschland und den Alpen. 

Natürlich musste der Verfasser bei dem knapp be- 
messenen Raume die äusserte Sparsamkeit bei der Be- 
sprechung der einzelnen Formationen walten lassen; den- 
noch ist esihm geglückt, die Hauptthatsachen der Geologie 
verständlich darzustellen. 

Für den angegebenen Zweck ist das Büchlein jeden- 
falls bei mündlicher Nachhülfe der Belehrung durch den 
Lehrer ganz brauchbar. 


Halle a. S. Luedecke. 


Rath, Oto von. Ueber die Fortpflanzung der Chrlopoden. 
Mit 1 Tafel. Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu 
Freiburg i. B. Fünfter Band. Erstes Heft. 

Den Lesern dieser Zeitschrift sind zwei Arbeiten er- 
innerlich, welehe die Tausendfüsser betreffen, Bode’s Bear- 
beitung des kleinen, interessanten Polyxenus lagurus (1877) 
und von Schlechtendal’s siebente Bearbeitung des Nest- 
baues (1883). Namentlich an letztere wird hier angeknüpft, 
und das, was dort vereinzelt gegeben wird, möglichst 
systematisch durchgeführt; und wie alle biologischen Ar- 
beiten durch vielseitige Fülle zu fesseln pflegen, so schliesst 
sich in der vorliegenden Abhandlung an die Schilderung der 
Copula, oder Begattungswerkzeuge, der Sorge für die Eier, 
des Verhaltens der Larven zugleich das Betragen bei der 
Häutung, die Lebensweise in Freiheit und Gefangenschaft 
an. Für mich persönlich ist die Ernährungsweise, wie sie 
von Rath beschreibt, von ganz besonderem Werth, denn 
sie stimmt mit den Ansichten, die ich von der ursprüng- 
lichen Nahrungsöconomie der Landthiere überhaupt mir 
gebildet und gelegentlich vorgetragen habe, und die ich 
demnächst in einem Buche über die Entstehung der Land- 
thiere ausführlicher zu begründen gedenke, vortrefflich über- 
ein, denn diese alterthümlichen, terri- und humicolen Thiere 

23* 


356 II. Aligemeine Literatur. 


sind theils Pilz, theils Moder- (Bacterien-) Fresser, und 
sehen von da aus zu allerhand anderen Nahrungssoffen, 
saftigen Wurzeln und Früchten, nur gelegentlich auch grünen 
Blättern über. Die Herstellung des Eiernestes des Poly- 
dermiden, wie sie von Schlechtendal beschreibt, wird be- 
treffs eines Punktes in Frage gestellt. Es erscheint noch 
zweifelhaft, ob die zum Schutze ringförmig aufgehäufte 
Erde wirklich vorher den Darmcanal passirt oder nur durch 
ein besonderes Secret verklebt wird. Wer die genauere 
Schilderung in unserer Zeitschrift gelesen hat, möchte doch 
wohl auf von Schlechtendal’s Seite sich schlagen. Jeden- 
falls ist hier Anregung gegeben zu ernster Untersuchung. 
Gohlis. H. Simroth. 


Rlein,. Ludwig. Vergleichende Untersuchungen über 
Morphologie und Biologie der Fortpflanzung beider Gattungen. 
Volvox (Volvoxstudien III. Theil). Mit 5 Tafeln. 


Als erste Theile gelten des Verfassers Abhandlungen, 
die in Pringsheims Jahrbüchern Band 20 und in den Be- 
richten der deutschen botanischen Gesellschaft Band 7 er- 
schienen sind. Während früher Volvox aureus, die kleinere 
Art, in den Vordergrund gestellt wurde, wird jetzt neben. 
dieser auf Volvox globator das Hauptgewicht gelegt und 
ein sehr reichhaltiges biologisches Untersuchungsmaterial zu- 
sammengestellt nach Localitäten, Formen, Jahreszeiten etc. 
Beide Arten werden in allen möglichen Stadien mit einander 
verglichen, um als Unterlage für allgemeine Schlüsse zu 
dienen. Manches, was nach den vorigen Arbeiten festzu- 
stehen schien, ist nach den erweiterten Untersuchungen zu 
modifieiren. Klein kommt zu der Ueberzeugung, dass einer 
fruchtbringenden experimentellen Behandlung in den Aqua-- 
rien des Laboratoriums eine möglichst umfängliche Be- 
obachtung der verschiedenen Bedingungen in der freien Natur- 
voranzugehen habe, um für exacte Fragestellung der Ver-- 
suche gesicherte, breite Basis zu gewinnen, ein Grundsatz, 
der nicht blos für Volvox zu gelten hat. Wenigstens kam. 
der Unterzeichnete bei Untersuchungen auf ganz anderem 
Gebiete (Nacktschnecken) zu genau demselben Schlusse, 
und man sollte wohl diese Regel allgemein möglichst be-- 


II. Allgemeine Literatur. SW 


herzigen. Die Probleme, die sich an Volvox knüpfen, sind 
naturgemäss ausserordentlich vielseitiger und weittragender 
Natur, Auseinandersetzung über die Bedeutung der Flagel- 
laten als nächstliegendes, solche über die geschlechtliche 
Fortpflanzung im Thier- und Pflanzenreiche überhaupt als 
allgemeinstes.. Und wir können die hohe Bedeutung des 
Volvox als eines besonders hervorragenden Untersuchungs- 
objeetes nicht besser charakterisiren als durch die trefflichen 
Worte des Verfassers: „Es bildet nunmehr den Grund- 
und Eckstein für eine biologische oder, wenn man will, 
physiologische Frage ersten Ranges die Frage nach der 
Geschlechtsdifferenz, und in Gesellschaft von Hydrodicetyon 
auch die Frage nach der sexuellen Fortpflanzung überhaupt 
im Gegensatz zur ungeschlechtlichen Vermehrung.“ Für 
die Einzelheiten (reproductive und Arbeits-Individuen, 
Biologie der Arbeitsgenossenschaft, Tod bei Volvox, 
Sphaerosiren, Parthenogonidien, Androgonidien, Gyro- 
gonidien ete.) muss auf den reichen Inhalt der Abhand- 
lung selbst verwiesen werden. 
Gohlis. Simroth. 


Frank, Dr., A. B., Professor an der Kgl. Landwirth- 
schaftlichen Hochschule zu Berlin. Lehrbuch der Pflanzen- 
physiologie mit besonderer Berücksichtigung der Kultur- 
pflanzen. Mit 52 Textabbildungen. Berlin. Verlag von 
Paul Parey. 1890. 


In neuerer Zeit sind in der Pflanzenphysiologie und 
besonders in der Ernährungslehre der Kulturpflanzen be- 
deutende Fortschritte zu verzeichnen, wozu der Verfasser 
des vorliegenden Werkes wesentlich beigetragen hat. Es 
ist daher auch zeitgemäss, die Ergebnisse zusammenzufassen 
und den gegenwärtigen Zustand der Pflanzenphysiologie 
darzustellen. Dies ist im vorliegenden Werke geschehen 
und zwar in einer Form, welche viel Anklang finden wird. 
Das Buch ist nieht zu umfangreich und nicht im trockenen 
Gelehrtentone geschrieben, was manche Kreise angenehm 
berühren wird. Es kann sowohl vom Anfänger wie von 
Studirenden als Lehrbuch benutzt werden. 


358 IL. Allgemeine Literatur. 


Nach einer Einleitung: Die Zellen als die alleinigen 
Elementarorgane der Pflanze, beginnt der erste Theil mit 
den physikalischen Eigenschaften und Erscheinungen der 
Pflanze, nämlich: Licht und Wärme in der Pflanze; die 
Molecularstruktur und die Imbibitionsfähigkeit der organi- 
sirten Gebilde; die Diosmose und der Turgor der Pflanzen- 
zellen; die Festigung der Pflanze; die Gewebespannungen; 
die organbildenden Kräfte. Im zweiten Theile wird der 
Stoffwechsel der Pflauze behandelt. In diesem Theile wer- 
den neben den Ausführungen über die zur Ernährung der 
Pflanze wichtigen Stoffe auch die Ergebnisse der neueren 
Forschungen auf diesem Gebiete erörtert. Ausserdem wer- 
den die für das Pflanzenwachsthum wichtigen Momente be- 
sprochen. — Der dritte Theil beschäftigt sich mit den ver- 
schiedenen Vermehrungsweisen der Pflanzen. — Das Buch 
kann besonders Gärtnern, Land- und Forstwirthen empfohlen 
werden. 


Halle a. S. Dr. Heyer. 


Nöldeke, C., Ober- Appellationsrath in Celle, Dr. phil. ete. 
Flora des Fürstenthums Lüneburg, des Herzogthums Lauen- 
burg und der freien Stadt Hamburg (ausschliesslich des 
Amtes Ritzebüttel). Celle. Verlag der Capaun-Karlowa- 
schen Buchhandlung. E. Spangenberg. 1890. 

In einer Flora pflegt man die Beschreibungen der in 
einem Gebiete vorkommenden Pflanzenarten in einer syste- 
matischen Reihenfolge aufzuführen, so dass sich der Sach- 
kundige bald zurechtfinden kann. Für den Anfänger ist 
gewöhnlich eine Anleitung zum Bestimmen der Pflanzen 
und ein Schlüssel beigegeben, so dass die Möglichkeit ge- 
geben ist, die Namen unbekannter Pflanzen zu ermitteln. 
Im vorliegenden Werke ist etwas anders verfahren: Vor 
dem speziellen Theile, in welchem die Beschreibungen der 
im Gebiete vorkommenden Arten nach dem natürlichen 
Systeme aufgeführt werden, ist dem Buche ein allgemeiner 
Theil vorausgeschickt, in welchem wichtige, auf die Flora 
Bezug habende Gegenstände erörtert werden, nämlich: Die 
Begrenzung des Gebietes. Allgemeine Charakteristik und 


]I. Allgemeine Literatur. 359 


die geognostischen Verhältnisse desselben. Die Gliederung 
des Gebietes nach den Vegetationsverhältnissen. Vegetation 
des Heidegebietes, der Aecker, des Waldes, des Alluvial- 
bodens etc. Die Salzvegetation.e Eingeführte fremde 
Pflanzen. Vegetationsgrenzen innerhalb des Gebietes. Ver- 
breitung einzelner Pflanzen innerhalb desselben. Diese 
Themata verleihen der Flora etwas anregenderes, als wenn 
nur die trockene Beschreibung der Arten erfolgt; das Buch 
bildet daher gewissermassen eine botanische Heimathskunde, 
weil es in vielerlei Hinsicht über die Vegetationsverhält- 
nisse des Gebietes Auskunft giebt. — Ueberflüssig wird es 
wohl Manchem erscheinen, dass jetzt in einem wissenschaft- 
lichen Werke noch zweierlei Maasse, Fuss und Meter, ge- 
braucht werden. Warum bei der Aufzählung merkwürdiger 
Bäume die Höhe, die Stammstärke und das Alter auch 
solcher erwähnt werden, die überhaupt nicht mehr vor- 
handen, sondern gefällt ete. sind, ist nicht recht einzusehen. 
Einige Druckfehler sind stehen geblieben, so steht bei Ur- 
tica dioica ein einjähriges Zeichen, bei Chelidonium majus 
und Aconitum Napellus gar keins. — Diese redaktionellen 
Ausstellungen setzen aber den Werth des Buches nicht 
herab. Für Botaniker, Land- und Forstwirthe ete. ist es 
entschieden eine werthvolle Erscheinung. 

Dr. Heyer. 


Ohrt, Heinrich, Grossherzoglicher Garten- Inspektor in 
Oldenburg. Die Grossherzoglichen Gärten und Parkan- 
lagen in Oldenburg. Dargestellt in Wort und Bild. Mit 
vielen Holzschnitten und landschaftlichen Vollbildern in 
Lichtdruck von Degode, Müller-Küämpf und W. 
Otto. Oldenburg und Leipzig, 1890. Schulze’sche Hof- 
Buchhandlung und Hof-Buchdruckerei. 


Am werthvollsten ist das vorliegende Werk jedenfalls 
für die Besucher der in ihm beschriebenen Garten- und 
Parkanlagen, weil es über deren Entstehung Auskunft 
giebt. Es finden sich darin aber auch Mittheilungen, die 
für weitere Kreise Interesse haben, da der Verfasser 33 
Jahre Leiter der von ihm beschriebenen Gärten ist und 


360 II. Allgemeine Literatur. 


ausserdem noch sieben Jahre mit seinem pensionirten Vor- 
gänger verkehrt hat, so dass seine Erinnerungen weit 
zurückreichen. Ferner ist auch das darauf bezügliche 
Aktenmaterial benützt worden. Ausser geschichtlichen Mit- 
theilungen enthält das Werk gärtnerische und ab und zu 
auch poetische. Es wird besonders hervorgehoben, dass 
die Vogelwelt in den dortigen Gartenanlagen eine sehr 
reiche ist. Es wird aber auch hinzugefügt, dass man die 
Vögel möglichst schützt. Das Buch ist dem Obst- und 
Gartenbau-Vereine zu Oldenburg gewidmet 
Dr. Heyer. 


Rümpler, Th., Generalsekretär des Gartenbau-Vereins in 
Erfurt. Illustrirtes Gartenbau-Lezikon. Zweite, 
neubearbeitete Auflage. Herausgegeben unter Mitwirkung 
von Gelehrten und bewährten Fachleuten. Mit etwa 1000 
Abbildungen im Text. Berlin. Verlag von Paul Parey, 1890. 

Von dem lieferungsweise erscheinenden Werke sind 
weiter No. 2—6 erschienen, welche bis zu dem Buchstaben 

G reichen und am Ende den Artikel „Gladiolus“ behandeln. 

Ihr Inhalt ist sehr vielseitig und möglichst erschöpfend be- 

handelt, so dass jeder, der mit dem Gartenbaue zu thun 

hat oder demselben nahe steht, über irgend einen darauf 
bezüglichen Gegenstand schnell Auskunft erhalten kann. 
Dr rleyier. 


Neu erschienene Werke. 


vun 


Allgemeines, 
Mathematik, Physik, Astronomie ete. 


Astrand, J. J. Hülfstafeln zur leichten und genauen Auflösung 
des Kepler’schen Problems. Mit einer Einleitung von H. Bruns. 
8%. X, 110 8. Leipzig, 1890. 

Battaglini, G. Elementi di calcolo infinitesimale. 8%. 260 pp. 
Napoli, 1890. 

Blochmann, Rht. Erste Anleitung zur qualitativen chemischen 
Analyse. 8° VI, V, 116 S. Nebst 3 Tab. Hartung, Königsberg 
i/Pr., 1890. 

Busch, F. Beobachtungen über die atmosphärische Polarisation. 
40. IIL.pp. Mit 11 Fig. im Text u. 1 Kurventaf. Ritter. Arns- 
berg, 1890. 

Döllen, W. Stern-Ephemeriden auf das Jahr 1890 zur Bestimmung 
von Zeit und Azimut mittelst des tragbaren Durchgangsinstruments 
im Verticale des Polarsterns. 8%. XLIV, 538. [Leipzig, Voss’ 
Sort.] St. Petersburg, 1890. 

Fernandez Dura, C. Nebulosa de Colön, segun observaciones 
hechas en ambos mundos. 8°. 284pp. Madrid 1890. 

Encyklopädie der Naturwissenschaften, herausgegeben von W. Förster, 
A. Kenngott, A. Ladenburg ete. I. Abth. 63. u. 64. Lfg. II. Abth. 
56. und 57. Lfg. III. Abth. 3, u. 4. Lig. 8°. Mit Textfig. Trewendt. 
Breslau 1890. 

Inhalt: 63. Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie 
und Ethnologie. 26. Lfg. VI. Bd. S. 257—384—64. Handbuch der 
Botanik. 26. Lfg. IV. Bd. S. 535—646. — II. 56 u.57. Handwörterb. 
der Chemie. 36. u. 37. Lfg. VIII. Bd. S. 1—272. — Handbuch der 
Physik. Herausgegeben von A. Winkelmann. 3. u. 4. Lfg. I. Bd. 
S. 241—496. 

Eschenhagen, M. Bestimmung der erdmagnetischen Elemente, an 
40 Stationen im nordwestlichen Deutschland ausgeführt im Auf- 
trage der kaiserl. Admiralität in den Jahren 1837 und 1888. 4%, 
III, 103 S. Mit 3 Karten. Mittler & Sohn. Berlin, 1890. 


362 Neu erschienene Werke. 


Gerard, E. Lecons sur l’electricite. 80%. IX, 558 pp. Tome I. 
Paris, 1890. 

v. Grumppenberg, C. Systema Geometrarum zonae temperatioris 
septentrionalis. III. Thl. [Aus: „Nova Acta der kaiserl. Leopoldinisch- 
Carolinischen deutschen Akademie der Naturforscher.*] 4°. 163pp. 
[S. 1888 Nr. 3219]. |Leipzig, Engelmann.] Halle, 18%. 

Hallier, E. Aesthetik der Natur. 8%. XII, 400 S. Mit Abbildgn. 
u.5 Taf. Enke. Stuttgart 1890. 

Jagnaux. Aide-Memoire du chimiste. 180%. 985pp. Paris, 1890. 

Jurisch, Kr. W. Die Verunreinigung der Gewässer. 40 VII, 
117 S. Gaertner. Berlin 1890. 

Kerz, Fd. Weitere Ausbildung der Laplace’schen Nebularhypothese. 
2. Nachtrag. |S. 1888 Nr. 4388.] 8%. V, 66 S. Spamer. Leipzig, 1890. 

v. Konkoly, Nie. Handbuch für Spectroscopiker im Cabinet und 
am Fernrohr, 8°. XVII, 568S, Mit 335 Holzschn. Knapp. Halle, 18%. 

van Laar, J. J. Leerboek der algebra. Deel I. 8°. 14, 216 S. 
Leiden, 1890. 

Lankester, E. R. The Advancement of Science. 8°. 390pp. 
London 1890. 

Lock, J. R. Elementary Statics. 12%. 294 S. London 1890. 

Lozano y Ponce de Leön, E. Elementos de fisica. 4%. XVI. 
816pp. Barcelona, 1890. 


Mills, J. Advanced Physiography. 8°. 300 pp. London, 1890. 

Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen und der Thiere. Her- 
ausgegeben von Jac. Moleschott. 8%. XIV. Bd. 5. Heft. S. 231—357. 
Mit 2 Taf. Roth. Giessen, 1890. 


Plassmann, J. Beobachtungen veränderlicher Sterne. I. u. II. Thl, 
80%. Bachem. Köln 1890, 

Preston, T. The Theory of Light. 8%. 466pp. London, 18%. 

van Rijekevorsel, E, and E. Engelenburg. Magnetic Survey 
of the Eastern Part of Brazil. 4°. 4, 166pp. Amsterdam, 18%. 

Schenck, E. Orologia solare universale a tempo medio. 8%. 65pp. 
Con 5 tav. Milano, 1890. 

Schröder, E. Vorlesungen über die Algebra der Logik [exakte 
Logik]. I.Bd. 8%. XII, 7178. Mit Fig. Teubner. Leipzig, 1890. 

Schwarz, H. A. Gesammelte mathematische Abhandlungen. 3°. 
2 Bde. XI, 338 S. Mit 67 Textfig. u. 4 Taf. und VIII, 3708. Mit 
26 Textfig. Springer. Berlin, 1890. 

Observations de Poulkova, publies par O. Struve. Vol. VIII. Cata- 
logues d’etoiles, detuits des observations publides dans les volumes 

_ VIetVI. 4°. II,52u.389pp. [Leipzig, Voss’ Sort.| St. Peters- 

_ bourg, 1889. 

Thomson, W. Mathematical and physical Papers. 8%. Vol. III. 
5l6pp. Cambridge, 189%. 

Thoulet, I. Oceanographie (Statique). 3%. X, 492 pp. Avec 103 
figures. Paris 1890. 


Neu erschienene Werke, 363 


Tondini de Quarenghi. Examen critique du choix du meridien 
initial de Jerusalem. 4° 40pp. Rouen, 1890. 

— — — Cadran de l’heure universelle 8° 32pp. Paris 1890. 

Vodusek, M. Grundzüge der theoretischen Astronomie. 80, VIII, 
377 8. Mit Fig. v. Kleinmayr & Bamberg. Laibach, 1890. 

Voss, A. Ueber die cogredienten Transformationen einer bilinearen 
Form in sich selbst. [Aus: „Abhandlungen der königl. bayerischen 
Akademie der Wissenschaften.“] 4%. 1228. Franz Verl. München, 1890. 

Watson, J. Nature and Wooderaft. 8° VI, 302pp. With Illustr. 
London, 1890, 

Wolf, Rdf. Handbuch der Astronomie, ihrer Geschichte und Lit- 
teratur. 8°. I. Halbbd. (Soll in 2 Bdn. erscheinen.) XVI, 3848. 
Mit Holzst. Schulthess. Zürich, 1890. 


Chemie. 


Handwörterbuch, neues, der Chemie. Auf Grundlage des von Liebig, 
Poggendorf und Wöhler, Kolbe und Fehling herausgegebenen Hand- 
wörterbuchs der reinen und angewandten Chemie und unter Mit- 
wirkung von Baumann, Bunsen, Fittig ete. bearbeitet und redigirt 
von Hm. v. Fehling. Fortgesetzt von C. Hell. 65.—67. Lfg. 8°. 
V. Bd. S. 1081—1352. Mit eingedr. Holzst. Vieweg & Sohn. Braun- 
schweig, 189. 

Bonnet, V. Preeis d’analyse mieroscopique des denr&es alimentaires. 
180. VIII, 200pp. Paris 1890. 

Church, A. H. The Chemistry of Paints and Painting. 5%. 330 pp. 
London, 1890. 


Mineralogie, Geologie ete. 

Blanckenhorn, Max. Beiträge zur Geologie Syriens: Die Ent- 
wickelung des Kreidesystems in Mittel- und Nord-Syrien mit be- 
sonderer Berücksichtigung der paläontologischen Verhältnisse, nebst 
einem Anhang über den jurassischen Glandarienkalk. 4°. IV, 
135 S. Mit 2 Textabbildgn.. 3 Tab. und 11 Lichtdr.-Taf. [Berlin, 
Friedländer & Sohn.] Cassel, 1890. 

Böhm, Alex und Alb. Oppel. Taschenbuch der mikroskopischen 
Technik. 80%. IV, 155 S. Oldenbourg. München, 1890. 

de Boury,E. Revision des scalidae miocenes et pliocenes de [Italie. 
80, 184pp. Con tav. Pisa, 1890 

Dona, J. D. Characteristicse of Volcanas, with Contributions and 
prineiples from the Hawaiian islands XVI, 400 pp. London 1890. 

v. Ettingshausen, Cst. Die fossile Flora von Schoenegg bei Wies 
in Steiermark. |Aus: „Denkschriften der königl. Akademie der 
Wissenschaften.“| 4°. 1. Thl. 52 S. Mit 4 Taf. Tempsky. Wien 18%. 

Goldschmidt, Vet. Index der Krystallformen der Mineralien. 8°, 
II. Bd. 6. u. 7, Heft. S. 335—542. Springer. Berlin, 1890. 

Hintze, C, Handbuch der Mineralogie. II. Bd. 2.Lfg. S. 161—320. 
Veit u. Co. Leipzig, 18%. 


364 Neu erschienene Werke. 


Hoernes, R. und M. Auinger. Die Gasteropoden der Meeres-Ab- 
lagerungen der 1. u. 2. miocänen Mediterran-Stufe in der Oester- 
reich - Ungarischen Monarchie. Fol. 6. Lfg. S. 233—282. Mit 6 
Steintaf. u. 6 Bl. Erklärgn. Hölder. Wien 1890. 

Sammlungen des geologischen Reichsmuseums in Leiden. Heraus- 
gegeben von K. Martin und A. Wichmann. II. Serie. Beiträge zur 
Geologie von niederländisch West-Indien und angrenzende Gebiete. 
8%. 3 Hefte. I. Bd. Bearbeitet von J. H. Kloos, J. Loire und 
M. M. Schepmann. V, 206 S. Mit 5 Taf. Leiden, 1377—89. 

Nathorst, A. G. Beiträge zur mesozoischen Flora Japan’s. [Aus: 
„Denkschriften der königl. Akademie der Wissenschaften.“] 4°, 
208. Mit 6 Taf. und 1 Karte. Tempsky. Wien, 1890. 

Oppenheim, P. Die Land- und Süsswasserschnecken der Vicen- 
tiner Eocänbildnngen. Eine paläontologisch-zoographische Studie. 
[Aus: „Denkschriften der königl. Akademie der Wissenschaften.“] 
40%. 338. Mit 5 Taf. Tempsky, Wien 1390. 


Zoologie. 

Altmann, Rch. Die Elementarorganismen und ihre Beziehung zu 
den Zellen. 8°. VII, 145 S. Mit 2 Abbildsn. im Text u. 21 Taf. 
Veit & Co. Leipzig, 1390. 

Backhouse, J. A Handbook of European Birds for the Use of Field 
Naturalists and Collectors. 8%. 340 pp. London, 18%. 

Bronn’s, H. G. Klassen und Ordnungen des Thierreichs, wissen- 
schaftlich dargestellt in Wort und Bild. Mit auf Stein gezeichneten 
Abbildungen, 8°. II. Bd. 3 Abth. Eehinodermen [Stachelhäuter|. 
Bearbeitet von H. Ludwig. 2.—6. Lfg. S. 49—176. Mit 8. Bl. Er- 
klärgn. — V. Bd. 2. Abth. Gliederfüssler: Arthropoda. Fortgesetzt 
von A. Gerstaecker. 25.—27. Lfg. S. 689—752, Mit 6 Bl. Er- 
klärgn. — VI, Bd. 3. Abth. Reptilien. Fortgesetzt von C.K. 
Hoffmann. 67. u. 68. Lfg. S. 2017—2064. Mit 4 Bl. Erklärgn. — 
VI. Bd. 4. Abth. Vögel: Aves. Fortgesetzt von Hs. Gadow. 28. 
bis 34. Lfg. S. 705—832. Mit 8 Bl. Erklärgn. C.F. Winter. Leip- 
zig 1890. 

Corsetti, A. La intelligenza degli animali bruti. 16%. 598 pp. 
Roma, 18%. 

Dixon, C. Annals of Birds Life. 8%. 340 pp. London, 1890. 

Durän y Loriga, J. J. Teoria elemental de las formas algebraicas. 
4°. 137pp. Sevilla 1889, 

Fritsch, Gst. Die electrischen Fische. II. Abth. Die Torpedineen. 
Fol. VI, 146 S. Mit 30 Holzschn. im Text u. 20 Taf. Veit & Co. 
Leipzig, 1890. 

Heller, K.M. Der Urbüffel von Celebes: Anoa depressicornis. 
[H. Smith.] [Abhandlungen und Berichte des königl. zoologischen 
und anthropologisch-ethnographischen Museums zu Dresden 1890/91. 
Nr. 2.] 40, 40 S. Mit 3 Lichtdr.-Taf, Friedländer & Sohn. Berlin, 1890 


Neu erschienene Werke. 365 


Klaussner, E. Mehrfachbildungen bei Wirbelthieren. 4%. II 
718. Mit 12 Taf. Rieger. München, 18%. 

Kirsch, Thdr. Coleopteren, gesammelt in den Jahren 1868—1877 
auf einer Reise durch Süd-Amerika von Alph. Stübel, bearbeitet 
von Th. K. Nebst Nekrolog auf Thdr. Kirsch von A. B. Meyer. 
[Abhandlungen und Berichte des königl. zoologischen und anthro- 
pologisch-ethnographischen Museums zu Dresden 1888/89. Nr. 4 u. 5.] 
40. 58 u.7 8. Mit 4 Farbendr.-Taf. u. 1 Portr. in Lichtdr. Fried- 
länder & Sohn. Berlin, 1890, 


Kobelt, W. Iconographie der schalentragenden europäischen Meeres- 
conchylien. 9. u. 10. Heft. 40%. II. Bd. S. 17-40. Mit 4 Taf. u. 
2 Doppeltaf. Fischer. Cassel, 1890. 


Lindemann, Ed. Photometrische Bestimmung der Grössenklassen 
der Bonner Durchmusterung. [Supplement II. aus: „Observations 
de Poulkova.“] 4°. III, 162 S. [Leipzig, Voss’ Sort.] St. Peters- 
burg, 1889. 

Maineri, B. E. Le conchiglie del Tosero e i Turchi al Ceriale. 
8%. 185pp. Roma, 1890. 

Michaelsen, W. Beschreibung der von Fr. Stuhlmann im Mündungs- 
gebiet des Sambesi gesammelten Terricolen. Anhang: 1. Diag- 
nosticierung einiger Terricolen aus Sansibar und dem gegenüber- 
liegenden Festlande. 2. Chylustaschen bei Eudriliden. [Aus: 
„Jahrbuch der hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten.“] 8°. 
830 S. Mit 4 Taf. Graefe. Hamburg, 1890. 


— — Oligochaeten des naturhistorischen Museums in Hamburg. [Aus: 
„Jahrbuch der hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten.*] 8°. 
II, 12 S. Gräfe. Hamburg, 1890. 

— — Die Lumbrieiden Norddeutschlands. [Aus: „Jahrbuch der ham- 
burgischen wissenschaftl. Anstalten.“] 8% 198. Gräfe Ham- 
burg, 1890. 

Martini und Chemnitz. Systematisches Conchilien-Cabinet. In 
Verbindung mit Philippi, Pfeiffer, Dunker etc. neu herausgegeben 
und vervollständigt von H. C. Küster, nach dessen Tode fortgesetzt 
von W. Kobelt. 4%. Sect. 121—123. 56 8. 8. 65-136 u. S. 61 
bis 170. Mit 20, 17 und 18 color. Steintaf. Bauer & Raspe. Nürn- 
berg, 18%. 

— — — Systematisches Conchylien-Cabinet. In Verbindung mit 
Philippi, Pfeiffer, Dunker ete. neu herausgegeben und vervoll- 
ständigt von H. C. Küster, nach dessen Tode fortgesetzt von W. 
Kobelt. 372.—376. Lfg. 40%, 1548. Mit 20 color. Steintaf. Bauer 
& Raspe. Nürnberg, 1890. 


Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel, zugleich ein 
Repertorium für Mittelmeerkunde. 8°, 1X. Bd. 3. Heft. S. 306 
bis 482. Mit 4 Taf. Friedländer & Sohn. Berlin 1890. 

Nehrling, H. Die rordamerikanische Vogelwelt. Unter künst- 
lerischer Mitwirkung von Rbt. Ridgway, A. Goering und Gst. Mützel. 


7 


366 Neu erschienene Werke. 


40%. 4.—6. Heft. 8. 145—288. Mit je 3 farb. Taf. [Leipzig, Brock- 
haus.] Milwaukee, 1890. 

Poulton. Colours et animals. London, 1890. 

Rossmaessler, E. A. Die Land- und Siüsswasser-Mollusken von 

. W. Kobelt. UI. Folge. IV, Bd. 5. u. 6. Lfg. Kneidel. Wies- 
baden 1890. 

Thiele, Js. Die abdominalen Sinnesorgane der Lamellibranchier. 
[Aus: „Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie.“] 8%. 8.47—59. 
Mit 1 Taf. [Berlin, Dames.] Leipzig, 189. 

Trounsart, E. L. La Geographie zoologique. 18%. 338pp. Avec 
63 figures dans le texte et 2 cartes. Paris 1890. 

Weber, Max. Zoologische Ergebnisse einer Reise in Niederländisch- 
Öst-Indien. 8%. 1. Heft. XII, 158 S. Mit 3 Karten, 13 Taf, und 
4 Zinkogr. Brill. Leiden, 189. 


Botanik. 


Bibliotheca botanica. Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete der 
Botanik. Herausgegeben von Chr. Luerssen und F. H. Haenlein. 
19. Heft. 1. Hälfte: G. Beck v. Mannagetta. Monographie der 
Gattung Orobranche. 4%. 8. 1—160. Fischer. Cassel, 18%. 

Cooke, M. C. Introduction to fresh Water Algae. 83°. 316 pp. 
London, 1890. 

Engler, A. und K. Prantl. Die natürlichen Pflanzenfamilien, nebst 
ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbesondere den Nutz- 
pflanzen, bearbeitet unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender 
Fachgelehrten. 80%. 38.—-43. Lfg. Mit Illustr. Subser.-Pr. & 1 .# 
50 13. Engelmann. Leipzig, 1890. 

Johan-Olsen, O0. Gjaering og gjaerings organismer. 8°. VIII, 
196 pp. Christiania, 1890. 


v. Lendenfeld, R. Gattung Stelleta. 40, 75S. Reimer. Berlin, 1890. 

Leuba, F. Die essbaren Schwämme und die giftigen Arten, mit 
welchen dieselben verwechselt werden können, Fol. 4.—7. Lfg. 
S. 21—52. Mit 10 Chromolith. Georg. Basel, 1890. 


v. Mannagetta, G. Beck. Monographia der Gattung Orobranche 
1. Hälfte. [Aus: „Bibliotheca botanica.“| 40. Fischer. Cassel, 1890. 

Nymann, C. F. Conspectus florae europaeae. Supplementum II. 
Pars. 2. Additamenta. Emendationes. Observationes. Commen- 
tarius. Index. 8%. IV u. S. 225—404. [Berlin, Friedländer & Sohn]. 
Örebo, 1890. 

Oborny. Flora von Mähren und Oesterreich-Schlesien (Gefässpflan- 
zen). 8°. 2. Bde. 1258 u. u. XXXIX S. Winiker. Brünn, 1890 

Pax, Fd. Allgemeine Morphologie der Pflanzen, mit besonderer Be- 
rücksichtigung der Blüthenmorphologie. 8°. X, 404 S. Mit 126 
in den Text gedr. Abbildgn. Enke. Stuttgart, 1890. 


Neu erschienene Werke. 367 


Praht, P. Kritische Flora von Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck, 
Bremen. 8°. I. Thl. 2. Heft. IX, 648. 129-345. Kiel. Uni- 
versitäts-Buchhälg., 1890. 

Rauwenhoff, N. W. P. De geslachtsgeneratie der Gleicheniacee£n. 
40, 2,54 S. Met 7 platen. Amsterdam, 1890. 

Handbuch der Botanik. Herausgegeben von A. Schenk. Unter Mit- 
wirkung von Detmer, Drude, Falkenberg etc. 80%. IV. Bd. VIII, 
751 S. Mit 217 eingedr. Holzsch. u.1 Taf, Trewendt. Bresiau, 1890. 

Stizenberger, E. Lichenaea Africana. Fasc, 1. 8%. 144pp. A. 
& J. Köppel. St. Gallen, 1890. 

Sorauer, P. Atlas der Pflanzenkrankheiten. 8%. 4. Folge. Taf. 
XXV— XXX]. S.19—26 Chromolith. in Fol. mit Text. Parey. 
Berlin, 1890. 

Watson, W., and W, Bean. Orchids. Their Culture and Manage- 
ment. 8°. 560 pp. Illustrated. London, 1890. 

Zopt, W. Die Pilze. 8% XII, 5008. Trewendt. Breslau, 1890. 


Verlag von €. E. M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle- Saale. 


Aretaeus, Des Kappadocier, auf uns gekommene Schriften. Aus dem 


Griechischen übersetzt von Prof. Dr. Mann. M 4— 
Bischof, F., Bergrath, Die Steinsalzwerke bei Stassfurt. 2. umge- 
arbeitete Auflage. Mit Abbildungen und 1 Karte. „ll 3.60 
Dreher, Dr. Eugen, Der Darwinismus und seine Consequenzen in 
wissenschaftlicher und sozialer Beziehung. A 2.25 


— Beiträge zu unserer modernen Atom- und Molekular- Theorie 
auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der 
Chemie. 2. Die Spektralanalyse. 5. Die Ursache der Phosphor- 
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei 
Spektren im Lichte. (Das eigentliche Lichtspektrum, das 
Wärmespektrum und das chemische Spektrum.) M 2.25 


— Beiträge zu einer exakten Psycho -Physiologie. 1. Ueber das 
Wesen der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension 
des Raumes. 3. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit. 
4. Studien am „Lebensrad“ behufs eines richtigen Verständ- 
nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der 


Farbenwahrnehmung. M 2.— 

— Ueber den Zusammenhang der Naturkräfte. AU 1.20 
Drossbach, M., Ueber Kraft und Bewegung im Hinblick auf die Licht- 
wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. U 2.40 


— Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Ge- 
schehens in der Welt. U 1.80 


Durdik, }., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der 
Welt auf Grundlage der positiven Ergebnisse der Philosophie 
und der Naturforschung. M 1.— 


Giebelhausen, San.-R. Dr., Der Berggeist. Ernste und heitere Mittheil- 
ungen aus Manfelds Vor- und Neuzeit in Volksmundart. 120 8. 


1 1,50 
— Die Trichinen-Gefahr. Ein frisches, ehrliches Wort in altmansf 

Weise, 88. M —,10 
— Eine mansfeldsche Stimme. U —,10 


Girard, Prof. Dr., Geologische Wanderungen. I. Wallis, Vivarais, 
Velay. 2. Auflage. Nebst Karten, Profilen und Ansichten. 
NM 3.— 


Grouven, Dr., Meteorologische Beobachtungen nebst Beobachtungen 
über die freiwillige Wasserverdunstung und über die Wärme 
des Bodens in verschiedenen Tiefen, angestellt im Jahre 1863 
zu Salzmünde auf der Versuchs-Station des landwirthschaftl. 
Central- Vereins der Provinz Sachsen. Mit 4 Tafeln. .4 1.— 


Köhler, Prof. Dr., Die lokale Anaesthesirung durch Saponin. Experi- 
mental.-pharmakolog. Studien. Mit 2 Tafeln (in qu. u. gr. I) 
AM 8. 


— Chemische Untersuchung über die fälschlich Hirnfette genannten 
Substanzen und ihre Zersetzungsproducte. Mit SUDDSN 

M 2. 
— Ueber Werth und Bedeutung des sauerstoffhaltigen Terpentin- 
öls für die Therapie der acuten Phosphorvergiftung. Nach 
klin. Beobacht. und physiolog.-chem. Experimenten. MN 1.60 


rof. Dr. Siegmund Günther, ande a mathematischen 
"Geographie . u er 
Er Bor ‘Dr. Helmholtz, Ueber Erh haltung der Krakl EEE 
-F. Hoeck, Die Nährpflanzen Mittel-Europas ... 2... ... 
SER Kayser, Lehrbuch der Physik für Studirende . ls 
PROF. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landeskunde . 
- Ludwig Klein, Vergleichende Untersuchungen über Morphologie 
a und Biologie. der Fortpflanzung beider Gattungen Volvox 
Curd Lasswitz, Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis 
Newton. 2 Bände .... 
Albert K.v.Müller- Hannfeld, Richtigstellung deri in bisheriger 
- Fassung unrichtigen mechanischen Wärmetheorie und 
Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Aetherbewegungen 
Prof. ‚Julian Niedzwiedzki, Beitrag zur re von 
Bir Wieliezka und Bochnia .. 
Ober-Appellations-Rath Dr. phil. C. Nöldecke in  Gelle, "Flora 
fir des Fürstentkums Lüneburg . . x 
Heinrich Ohrt, Die srossherzoglichen Gärten und Parkanlagen 
R in Oldenburs: NER, RS 
Prof. Ostwald, Classiker der exaeten Wissenschaften . . . 
Otto von Rath, Ueber Fortpflanzung der Chilopoden .. 
Th. Rümpler, Illustrirtes Gartenbaulexikon . „. . . ... 
Prof. v. Sandberger, Uebersicht der Versteinerungen der 
Triasformation Unterfrankens ... .. 0... ie 
A. Sprockhoff, Grundzüge der Physik . . 
GE u. Thomson, ne en De "auf 1 Plysik und 
u Chemie- . .. ; a 
‚H. Weber, Eleetrodynamik . i x 
EIER Otto Zach arias, Zur Kenntniss “der. niederen Thierwelt 
des De RE ER I SE 


‚Neu erschienene Worker N ran en 


U) 
£2 
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348 5 


Be 


'Vollert, Bergassessor, M., Der Braunkohlenbergbau im 'Oberbereamts- 


iederhuch. für Bers-. in Rükkenleuite, N, vom Berg- uni 
Hüttenmännischen Verein za Berlin. 5. Auflage. cart, Bee! 20 


Lufiblasen. Von Veratrinus Leuchtkäfer, ib Arzneigelahrtheit Doetor 
(Geh. Rath Dr. Flemming.) A Naturwissenschaft vor dem 
Richterstuhle der Ethik. 2. Ideen zur Diagnostik der Charla 
tanerie und Kryptiatrik. 3. Homöopathische Studien. .% 150 


Ochsenius, Bergingenieur C., Die Bildung der Steinsalzlager und ihrer 
Mutterl: ugensalze, unter specieller Berücksichtigune der Flötze 
von Douglashall in der 'Egeln’schen Mulde. Mit en 
und Karten. AM 6.— 


Pressense, Edm., Die Ursprünge. Zn Geschichte ns ‚Lösung des : 
Problems der Erkenntniss, der Kosinologie, der Anthropologie i 
und (es Ursprungs der Moral und der Religion. Deutsch von 
E. Fabarius. 2. Auflage.- el. 4,50 


Schellwien, Robert, Optische Häresien. N 
— Optische Häresien erste Folge und das Gesetz ‘der Polarität. 
4.2.6007 

Schröter, Dr., Die Gemüthsleiden, ihre rechtzeitige Erkennung und 
Behandlung. 0 


beziık Halle und in den angrenzenden Staaten. Nebst einer 
Uebersichtskarte von den Braunkohlen - Ablagerungen im Ober- 
bergamtsbezirk Halle. <a, 


Waldmann, Oberstabsarzt Dr., Die Behandlung der Tabes- Krankheiten “ | 
als Anhalt für Aerzte und Kr anke. 


‚Glafer’s. 


Tarden- Wörterbud 


für Botanifer und alfe Srennde der Botanik, 
Arphabetiiches Verzeichnis aller wichtigeren (über 5000) Pflanzen 
nebit Bejchreibung und Namenserflärung (griedh., lateinifch, Deutidh). 
Ziteratur. Spezialbotanik,_ 
500 &eiten Jtark, hübfcy gebunden 5 Zllark. 
Berlag von T. ©. Weigel Nachf., £ Seipig. 


Besondere Beilagen: „Taschenwörterbuch für Botaniker 
und alle Freunde der Botanik“, Verlag von T. ©. Weigel 
Nachf. (Chr. Herm. Tauchnitz) in Leipzig, sowie „Brehms 
Tierleben‘ in neuer Auflage. (Bibliographisehes” Institut 
in Leipzig.) 


Gebauer-Schwetschke’sche Buchäruckerei in Halle (Saale). 


en Tnieigen und unter e Mieyirkung von 


Pi 


Geh, Bergrath Dunker, Prof. Dr. Freib, von Fritsch, Prof. Dr. Garcke, 
‚Geh. Rath ‚Prof. Dr. Kuoblauch, -Geh. Rath Prof. Dr. Leuekart, 
Prof, Dr. E. Schmidt und a Dr. Zopf 


er a 
ee De 0. Be 
ED, & Professor an der Universität Halle, 


5 a = 3 vr 63. BB Br i 
Füntte Folge, Mrster Band.) 
4 en Heft. 


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/ Ausgabe für Vereinsmitglieder. 


N  Halle- Saale. ee 
ei a M. Pfeffer (Robert Stricken). ” I a 


ee 


Dale wii ne euryceros. von Ridort 
 Liebetrau, B., Beiträge zur Kenntnis a un | 
U RAyON, Jena. 3 Fe 
,  Loretz, Der Zechstein in der Gegend von Blankenburg und 
Rt Königsee . . 
' Müg sge und Müller, Ueber einen Orthoklas-Zwilling aus dem - 


‚Fichtelgebirge . . . BERG @ 
Sankr und Ussing, Einfächer Mikroklin von Meissen x + #27. 
‚Schillbach,H. ‚ Mikroskopische a des Wellenkalkes m 


‘von Jena . BE FE ER a ER AS 


Sur Allteeiweine Eileraliß , - 


ER aicche 'F., Botanischer Wegweiser im Gebiete des nord- ER 

» böhmischen Exeursions-Clubs . . . RETRO, 
KoiDe. Einführung in die Kenntniss der Insen RI AAER 
Levyy a Anleitung zur. Darstellung organischer Präparate RS A 
Marktanner- Turneretscher, Die Hydroiden desk. k. Hof- ; 


museums. . x RATE 
Derselbe, Die Mikropholographie als Hilfsmittel naturwissen- re 
i schaftlicher Forschung . 44 
Meyer, A. B., Der. Knochen-Engfettungs-Apparat des ı zool, EIAR: 
de Museums zu Dresden . . Kar a 
E Pluss, B., Leitfaden der Naturgeschichte & ee ee AO 
x Ä Vogel, Handbuch der Photographie. 1. . . AR 


er "Wildermann, Jahrbuch der Naturwissenschaften ET FAAOR 


Beiträge zur Kenntniss 
der Alkaloide aus den Wurzeln von Sanguinaria 
Canadensis und Chelidonium Majus. 


Von 
Georg Koenig 
aus Adorf in Waldeck. 


Vorliegende Arbeit, die auszuführen ich durch 
meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. 
E. Schmidt veranlasst wurde, verfolgt zunächst zwei Ziele. 
Einmal soll sie einen Beitrag liefern zur Kenntniss der 
Alkaloide, welehe überhaupt in den Wurzeln der beiden 
zur Gruppe der Papaverac&en gehörenden Pflanzen, des 
einheimischen Chelidonium Majus und der in Nordamerika 
wachsenden Sanguinaria Canadensis vorkommen; zum 
andern soll versucht werden, speciell weitere Daten über 
die Eigenschaften und das chemische Verhalten der schon 
mehrfach untersuchten Basen, das Sanguinarin und das 
Chelerythrin, aufzufinden, um hierdurch die widersprechen- 
den Angaben, welche gerade über diese Alkaloide in der 
Literatur vorliegen, zu erklären. 

Die jüngsten, das Sanguinarin und das Chelerythrin 
betreffenden, von Henschke!) ausgeführten vergleichenden 
Untersuchungen führten im Gegensatz zu der bis dahin 


1) A. Henschke, Inaug.-Dissert. Erlangen, und Zeitschrift für 
Naturwissenschaft. Bd. 60, S. 102. 


Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 24 


370 Georg Koenig: 


herrschenden Ansicht zu der Annahme, dass die genannten 
Alkaloide nicht identisch seien. Jedoch konnten diese 
Untersuchungen, wegen Mangel an Material, nicht zu einem 
entscheidenden Abschlusse gebracht werden. 

Aeltere Untersuchungen über das Sanguinarie liegen 
von Dana), Schiel?) und Naschold?) vor, wogegen ältere 
Angaben über das Chelerythrin sich in der Literatur be- 
sonders von Probst?) und Polex’), Dana®), Schiel?) und 
Wayne®°) finden. \ 

Endlich werde ich in Folgendem Gelegenheit haben, 
eine im verflossenen Jahre erschienene Arbeit von 
Fr. Selle?) über Papaveracöen-Alkaluide mehrfach zu 
erwähnen. 

Wie ich im Verlaufe dieser Arbeit zu zeigen hoffe, 
sind mit den Namen Sanguinarin und Chelerythrin bisher 
nur scheinbar bestimmte, in ihrer Eigenart charakterisirte 
Alkaloide belegt. In Wirklichkeit ist vielmehr die Be- 
zeichnung Sanguinarin bis zu dieser Zeit nur als ein 
Sammelname anzusehen für eine grössere Anzahl unter 
sich verschiedener Alkaloide, welche nebeneinander in 
der Sanguinariawurzel vorkommen. Dasselbe dürfte auch 
für das Chelerythrin der Chelidoniumwurzel gelten, da die 
bisher mit diesem Namen in der Literatur bezeichneten 
und als solches untersuchten Präparate ebenfalls nicht ein- 
heitlicher Natur gewesen zu sein, sondern aus Gemengen 
verschiedener Chelidonium - Basen bestanden zu haben 
scheinen. 


1) Magazin für Pharmacie 1828. 23. 125. 

2) Annal. d. Chem. und Pharmacie 43. 233. 

3) Journal für pract. Chem. 106. 385. Zeitschrift für Chemie 
1870. 19. 

4) Annal. d. Chemie u. Pharmacie 29. 123. und 31. 250. 

5) Archiv der Pharmacie 16. 77. 

6) Magazin für Pharmacie 1828. 23. 125. 

7) Journal f. pract. Chemie 67. 61. 

8) Vierteljahrsschrift f. pract. Chemie 6. 254. 

9) Fr. Selle. Inaug.-Dissert. Erlangen 1889 und Zeitschrift 
für Naturwissenschaften. Bd. 69 S. 269. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. rt 


Die Alkaloide aus der Wurzel der Sanguinaria 
Canadensis. 


A. Aus käuflichem Sanguinarin. 


Als erstes Ausgangsmaterial für meine Untersuchungen 
diente mir ein unter dem Namen „Sanguinarin“ von der 
Firma E. Merck in Darmstadt bezogenes Präparat, welches 
ein grau-weisses, amorphes Pulver darstellte. Letzteres er- 
weichte im Schmelzröhrehen bei 95°, um bei 150° voll- 
ständig zu schmelzen; von salzsäurehaltigem Wasser wurde 
dasselbe nur theilweise und zwar mit gelbbrauner Farbe 
gelöst. 

Um aus diesem Pulver die reine Base zu gewinnen, 
kochte ich dasselbe mit vorher entwässertem Aether aus, 
wobei ein erdiggrauer Antheil zurückblieb. Die hierdurch 
erzielte ätherische Lösung sättigte ich hierauf mit trocknem 
Salzsäuregas, wodurch ein voluminöser, grauer Niederschlag 
entstand, der sich nach einiger Zeit gelb färbte, um 
schliesslich, wahrscheinlich durch Wasseraufnahme aus der 
Luft, zu einer hochgelben Masse zusammenzufliessen. Nach 
dem Abgiessen des Aethers, dessen gelöste Antheile ich 
durch Abdestillation des Lösungsmittels wieder gewann, 
nahm ich das gebildete salzsaure Salz, behufs Trennung 
seiner Einzelbestandtheile, mit Alkohol auf und fügte starke 
Salzsäure im Ueberschuss zu. Letztere Lösung schied hier- 
durch ein nahezu weisses Salz aus. Durch gelindes Er- 
wärmen löste sich die mit auskrystallisirte, sehr unbe- 
deutende Menge gelbrother Nadeln leicht wieder auf, so 
dass ich jenes weisse Salz von dem Uebrigen leicht trennen, 
auf einem kleinen Filter sammeln, und mit Alkohol bis 
zur Entfärbung nachwaschen konnte. Von diesem weissen 
Salze schieden sich beim Stehen jener Lösung noch mehr- 
mals geringe Quantitäten aus, welche auf die gleiche 
Weise von der salzsauren Lösung der später etwas reich- 
licher auskrystallisirenden gelbrothen Nadeln getrennt 
wurden. 


Der vom Aether nicht aufgenommene Theil des Merck’- 
schen Robalkaloids löste sich bis auf einen braunen, ge- 
trocknet sich erdig anfühlenden Rückstand (indifferente 

24* 


372 Georg Koenig: 


Verunreinigung) in Chloroform auf, und zwar zu einer 
tiefbraunen Flüssigkeit, aus der ich nach einiger Zeit graue, 
anscheinend durch Farbstoff verunreinigte Warzen erhielt. 
In Alkohol gelöst, schieden sich letztere grösstentheils in 
bräunlich gefärbten Nadeln aus. Sowohl die aus dem 
Chloroform ausgeschiedenen Warzen, als auch die Base, 
welche ich aus den, aus der im Vorstehenden erwähnten 
alkoholischen Lösung erhaltenen, Krystallen abschied, 
schmolzen bei 204°, und stimmten dieselben auch in ihren 
sonstigen Eigenschaften mit dem von Selle!) als Alkaloid V. 
bezeichneten, mit dem Protopin und Macleyin identischen 
Alkaloide überein. Als ich daher aus der wässrigen Lösung 
jenes Salzes, welches ich zuvor durch mehrfache Um- 
krystallisation aus salzsäurehaltigem Wasser reinigte, durch 
Ammoniak die freie Base als käsig-weisse Fällung abschied, 
diese nach dem Trocknen in Chloroform löste und letztere 
Lösung nach Zusatz von Alkohol der Krystallisation über- 
liess, erzielte ich ebenfalls jene von Selle beschriebenen 
bei 204° schmelzenden Krystalle, gemengt mit Warzen von 
demselben Schmelzpunkte. 

Bemerkenswerth ist vielleicht noch, dass die amorphe, 
durch Ammoniak bewirkte Fällung, wenn sie etwas länger 
stehen bleibt, ehe sie vou der darüberstehenden Flüssig- 
keit getrennt wird, allmälig krystallinische Beschaffenheit 
annimmt. 

Die Menge des salzsauren Sanguinarins, welche sich 
selbst bei stärkerer Concentration der von dem Protopin 
getrennten Mutterlaugen abschied, war eine so geringe, 
dass ich hieraus nicht die für eine eingehendere Unter- 
suchung genügende Menge an freier Base erhalten konnte. 

Da das käufliche Sanguinarin einen sehr hohen Preis 
hat, so beschloss ich, mich auf dem allerdings mühsamen 
und umständlichen Wege der Selbstgewinnung in den Be- 
sitz eines hinreichenden Quantums dieser Base zu setzen. 

Der Gehalt des käuflichen Sanguinarins, welches also 
als ein stark verunreinigtes Gemisch vielleicht sämmtlicher, 
in der Wurzel von Sanguinaria Canadensis vorkommender 
Alkaloide anzusehen ist, an Protopin betrug etwa 15 °),. 


1) Selle. Inaugural-Dissert. pag. 41. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 373 


B. Alkaloidgewinnung aus der 
Wurzel und Charakterisirung der hierbei isolirten 
Basen. 


Zehn Kilo Sanguinariawurzel, die grösstentheils aus 
den harten, kurz breehenden Rhizomen und nur zum sehr 
geringen Theile aus deren dünnen Nebenwurzeln bestanden, 
wurden nach dem Trocknen in ein grobes Pulver ver- 
wandelt und fünfmal nach einander mit essigsäurehaltigem 
96 %,,igen Alkohol auf dem Dampfbade ausgekocht. 

Naschold, der nach der combinirten Methode von 
Dana und Probst arbeitete, benutzte zum Ausziehen der 
Wurzel säurefreien Alkohol; im Uebrigen habe ich mich 
bei der Darstellung des Rohalkaloids im Wesentlichen an 
die Angaben dieses Chemikers gehalten. 

Nach längerem Sieden des Alkohols und öfterem Um- 
schwenken des Kolbeninhaltes wurden die anfänglich tief- 
braunroth, später mehr gelb gefärbten Flüssigkeiten durch 
Abgiessen und Abpressen vom ausgezegenen Wurzelpulver 
getrennt. Die filtrirten Auszüge wurden hierauf durch 
Abdestilliren des Alkohols, sowie durch Eindampfen auf 
dem Dampfbade eingeengt und alsdann, zur Abscheidung 
des vom Alkohol mit aufgelösten Harzes, in heisses Wasser 
eingegossen, wodurch eine starke flockige Trübung ent- 
stand. Letztere verschwand nach eintägigem Stehen, in- 
dem sich dunkelrothbraune, zusammengeballte Harzmassen 
ausschieden. Das Gewicht dieses Ausscheidungsproduktes 
betrug etwa 500 Gramm = 5%, der Wurzel. 

Die von dem ausgeschiedenen Harze abfiltrirte Flüssig- 
keit wurde hierauf mit Ammoniakflüssigkeit bis zur schwach 
alkalischen Reaction versetzt, wodurch sich allmälig eine 
dunkel-fieischrotbe Fällung A von einem rothbraunen 
Liquor trennte. Der hierdurch gebildete gallertartige 
voluminöse Niederschlag wurde alsdann auf Filtern ge- 
sammelt und nach genügendem Abtropfen zwischen Leinen 
stark gepresst. 

Nachdem ich die ammoniakalischen Flüssigkeiten durch 
Eindampfen auf ein kleines Volumen gebracht, schüttelte ich 
dieselben, behufs Gewinnung von gelöst gebliebenen Basen, 


974 Georg Koenig: 


im Scheidetrichter zu wiederholten Malen mit Chloroform 
aus, welches hierbei zuerst eine dunkel-, später hellrothe 
Farbe annahm. Beim Abdestilliren des Chloroforms blieb 
ein braunrothes Harz zurück, welches auch nach dem 
Lösen in wenig Chloroform und freiwilligem Verdunsten- 
lassen des Lösungsmittels, gleichgültig ob letzteres ohne 
oder mit Zusatz von Alkohol geschah, sich wieder als. 
solches abschied. Ein besseres Resultat lieferte Essig- 
äther, welcher jenen Chloroformrückstand ebenfalls leicht 
löste. Durch freiwilliges Verdunstenlassen dieser Lösung 
und durch Weiterbehandlung derselben auf dem in Nach- 
stehendem angegebenen Wege erhielt ich zwei Alkaloide, 
welebe mit Salzsäure weisse Salze lieferten, von denen 
das eine mit dem Alkaloid III Selle’s, das andere mit dem 
Protopin Aehnlichkeit zeigte. 

Der gepresste Rohalkaloidniederschlag A wurde zu- 
nächst an der Luft von der Hauptmerge der anhaftenden 
Feuchtigkeit befreit und dann im Trockenschranke bei 
niederer Temperatur noch soweit getrocknet, dass er sich 
zerreiben liess. Zerrieben stellte das so gewonnene 
Rohalkaloid ein ehokoladenbraunes Pulver dar, das beim 
Zerstäuben die Schleimhäute der Nase und des Schlundes 
äusserst stark reizte. Sein Gewicht betrug 300 Gramm = 
3°/, der in Arbeit genommenen Wurzel. 

Dieses Rohalkaloid wurde behufs weiterer Reinigung 
nunmehr im Extraktionsapparate bis zur völligen Erschöpf- 
ung mit Aether ausgezogen, nachdem zuvor eine directe- 
Lösung desselben in Alkohol, Chloroform, Essigäther und 
Aether vergeblich versucht worden war. Nur durch Chloro- 
form erzielte ich hierbei eine fast vollständige Lösung, 
aus der jedoch keine Krystalle zu erhalten waren. Bei 
der durch Aether bewirkten Extraktion verblieb ein 
brauner, leicht zerreiblicher Rückstand (B), über dessen 
Weiterbehandlung ich weiter unten berichten werde. Nach 
dem Verdunsten des Aethers blieb eine weisslich graue, 
sich pulverig und in Krusten abscheidende Masse (C) zu- 
rück. Letztere war fast unlöslich in Alkobol; derselbe 
nahm nur einen grossen Theil der färbenden, harzigen 
Beimengungen auf. Aus dieser alkoholischen, tiefrothbraun 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 375 


gefärbten Flüssigkeit, die ich später mit den Mutterlaugen 
vereinigte, welche sich bei der Umkrystallisation des in 
Alkohol unlöslichen Theiles (C) des Alkaloidgemenges an- 
sammelten, war zunächst keine Kırystallisation zu erzielen. 
Daher verjagte ich den Alkohol, nahm das Zurück- 
bleibende mit essigsäurehaltigem Wasser auf und fällte 
die Lösung von Neuem mit Ammoniak. Die hierdurch be- 
wirkte hell-fleischfarben, getrocknet grau gefärbte Fällung 
(D) nahm ich schliesslich, behufs weiterer Reinigung, mit 
Chloroform auf und überliess die erzielte Lösung, nach 
Zusatz von ungefähr der gleichen Menge Alkohol, der 
Krystallisation. Es resultirten hierbei die für das Protopin 
eharakteristischen, wohl ausgebildeten kleinen Krystalle, 
eingestreut in eine, den Boden des Krystallisationsgefässes 
bedeekende Schicht eines grauen Krystallmehles. Der 
Schmelzpunkt dieses Krystallmehles lag ebenso, wie der der 
eingestreuten Kryställchen, bei ungefähr 203 %; beide Theile 
wurden von salzsäurehaltigem Wasser ohne Färbung gelöst. 
Aus der Mutterlauge erzielte ich keine derartigen Aus- 
scheidungen mehr; sondern es resultirten nur harzartige 
Massen, welche sich aus den verschiedenen gebräuchlichen 
Lösungsmitteln nur als unreine, von klebrigem Farbstoffe 
durchsetzte Warzen oder Krusten abschieden, von deren 
weiterer Verarbeitung ich daher verläufig Abstand nahm. 
Das, anscheinend aus Protopin bestehende, graue Krystall- 
mehl wurde zur Reinigung nach der Angabe Selle’s in 
schwefelsäurehaltigem Wasser gelöst und die erzielte 
dunkelbraun gefärbte Lösung mit etwas concentrirter 
Schwefelsäure versetzt. Nach längerem Stehenlassen schied 
sich in der That schwefelsaures Protopin in charakte- 
ristischen Warzen und Kıystallen ab, welche ich zunächst 
aus schwefelsäurehaltigem Wasser, schliesslich aus ver- 
dünntem Alkohol umkrystallisirte. 

Das durch Extraktion mit Aether gewonnene, durch 
Alkohcl von färbenden Beimengungen befreite, Alkaloid 
(C) versuchte ich zunächst aus Chloroform umzukrystallisiren, 
worin es sich als leicht löslich erwies. Nach Zusatz von 
Alkohol erhielt ich hieraus zwar zusammenhängende, dicht- 
gedrängte Warzen, welche jedoch zu harten Krystallkrusten 


376 Georg Koenig: 


von brauner und weisser Farbe vereinigt waren. Ein 
mechanisches Trennen der verschiedenfarbigen, aus 
verschiedenen Alkaloiden bestehenden Antheile dieser 
Masse erwies sich als unausführbar. Da jedoch 
eine Probe dieser Krystallmassen, nach dem Lösen 
derselben in Essigäther, bei der freiwilligen Verdunstung 
mehr Neigung zur Krystallisation zeigte, so versuchte ich 
hierdurch eine weitere Reinigung und Trennung der Einzel- 
bestandtheile herbeizuführen. Leztere gelang hierdurch je- 
doch nur zum Theil, da es sich nicht ermöglichen liess, 
eine vollständige Trennung der weiss- und rothbraun- 
gefärbten Krystallkrusten, die sich stets nebeneinander 
ausschieden, zu erreichen. So gut es ging, suchte ich da- 
her diese Scheidung zunächst auf mechanischem Wege zu 
bewirken. Dass ich es hierbei wirklich mit zwei ver- 
schiedenen Körpern zu thun hatte, zeigte sich sowohl durch 
die verschiedene Gestalt der Krystalle, als durch die ver- 
schiedenen Schmelzpunkte derselben. Die rothen Krystalle 
schmolzen bei etwa 180°, die weissen dagegen erst bei 
ungefähr 200°. 

Die bei der Extraktion mit Aether zurückgebliebene 
braune Masse (B) wurde, behufs Gewinnung weiterer Basen, 
nach dem Zerreiben wiederum mit Aether ausgezogen und 
hierdurch neben den, bei dem ersten Ausziehen erhaltenen, 
rothbraunen Warzen noch grössere Mengen eines in Essig- 
äther sehr leicht löslichen harzartigen Körpers (E) erhalten, 
in welchem ziemlich viel braune Krystalle, die bei etwa 
125° schmolzen, eingebettet waren. Bei der weiteren 
Reinigung dieser Ausscheidungen erzielte ich zunächst nur 
graue, pulverige, bei etwa 165° schmelzende, amorphe 
Massen, die nicht ganz von anhaftenden, harzartigen Be- 
standtheilen zu befreien waren. Auch bei der zweiten 
Extraktion mit Aether blieb ein dunkelbraun gefärbter 
Rückstand (F). Es gewinnt den Anschein, als ob in den 
aus Antheil (E) erhaltenen Produkten, neben verunreinigen- 
dem Farbstoff und Harz, noch eine, von den bisher aufge- 
fundenen verschiedene, Base enthalten ist, umsomehr, als 
sich diese, vorläufig nicht näher zu charakterisirenden 
Massen, in säurehaltigem Wasser mit rother Farbe lösten. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. ST 


Immerhin ist jedoch auch die Möglichkeit nicht ausge- 
schlossen, dass es sich hierbei auch nur um die im Nach- 
stehenden beschriebenen Basen handelt, deren abweichen- 
des Verhalten vielleicht nur durch beigemengte Verun- 
reinigungen bedingt wird. 

Weitere Versuche habe ich mit diesen Materialien zu- 
nächst nicht angestellt. — 

Zur vollständigen Trennung der zunächst nur durch 
Auslesen geschiedenen, aus Antheil (C) durch Extraktion 
mit Essigäther erhaltenen Alkaloide bediente ich mich der 
Umkrystallisation aus heissem Alkohol, in welchem beide 
Basen sich schwer lösten. Als erste Ausscheidung erhielt 
ich hierbei, nach dem Erkalten der Lösung, hellrothbraune 
Krystalle, die nur wenig von sehr lockeren, weissen, aus 
büschelig angeordneten Nadeln bestehenden Krystalldrusen 
durchsetzt waren. Dieser weisse Körper schied sich, da er 
leichter in Alkohol löslich ist, aus den Mutterlaugen in 
weissen, zu Schnüren gereihten, bisweilen auch in einzelnen 
Warzen aus. 

Durch häufig wiederholtes Umkrystallisiren vermochte 
ich diese beiden Körper im Wesentlichen zu trennen, ob- 
schon jedoch auch auf diesem Wege die Scheidung nicht 
quantitativ gelang. Die letzten Laugen enthielten daher 
schwer zu trennende Gemenge beider Alkaloide. Eine 
weitere Reinigung und zugleich vollständigere Trennung 
derselben erzielte ich durch schliessliche Umkrystallisation 
dieser Alkaloide aus Methylalkohol. Die Verschiedenheit 
dieser Basen trat hierbei immer mehr zu Tage. Es resul- 
tirte hierbei das zunächst braun, dann hellrosa gefärbte 
Alkaloid in Form eines aus feinen Nadeln bestehenden 
Krystallmehls, während das weisse Alkaloid bei dieser Be- 
handlung in weissen, einen Stich ins Gelbliche zeigenden 
Krystallen zur Abscheidung gelangte. 

Die Menge des speecifisch schwereren, röthlichen 
Alkaloids betrug an Gewicht etwa das Doppelte von dem 
der specifisch leichteren, weissen, dem Gewichte nach etwa 
23 Gramm betragenden Base. 

Vollständig rein erhielt ich jedoch diese beiden 
Alkaloide erst durch mehrfache Umkrystallisation derselben 


378 Georg Koenig; 


aus Essigäther. Hierbei zeigten sich die ersten Lösungen 
des sich bis dahin rosafarben ausscheidenden Alkaloids 
stark roth gefärbt; dagegen braun gefärbt bei der sich 
zuvor weiss abscheidenden Base. Schliesslich resultirten 
Jedoch in beiden Fällen schön blau fluoreseirende, völlig 
farblose Lösungen. 

Diese Fluorescenzerscheinungen traten intensiver auf 
bei dem ersteren Alkaloid, welches sich schliesslich in 
Krystallkrusten, die aus derben Einzelkrystallen bestanden, 
abschied; weniger hervortretend waren dieselben dagegen 
bei der zweiten weissen, in farblosen kleinen Nadeln aus- 
krystallisirenden Base. 

Die letzten, stark gefärbten Mutterlaugen enthielten 
auch jetzt noch Gemenge beider Basen. 

Sowohl das von Dana entdeckte und von ihm, Probst, 
Schiel und Naschold aus Radix Sanguinariae Canadensis 
dargestellte Alkaloid, als endlich auch die im Handel 
unter dem Namen Sanguinarin vorkommende, von Henschke- 
analysirte Base dürfte im Wesentlichen nur ein Gemenge: 
dieser beiden von mir getrennten Basen sein, vielleicht 
noch verunreinigt durch färbende Bestandtheile, Protopin 
und andere Alkaloide. Der niedrige Schmelzpunkt, die 
Farbe, die Eigenschaften, sowie die dunkelrothe Farbe der 
salz- und schwefelsauren Salze der bisher analysirten 
Präparate scheinen wenigstens entschieden für diese An- 
nahme zu sprechen. 

Der nach dem abermaligen Ausziehen mit Aether ver- 
bliebene Rückstand (F) des Rohalkaloids konnte direkt 
weder aus Chloroform, noch aus Alkohol und Essigäther 
zur Krystallisation gebracht werden. Diese drei Lösungs- 
mittel lösten zwar die braune Masse zum Theil auf, 
schieden dieselbe aber beim Verdunsten nur harzig oder 
pulverig wieder ab. Am reichlichsten löste sich dieselbe 
in Chloroform. Versuchsweise leitete ich in letztere 
Lösung trocknes Salzsäuregas ein und erhielt hierdurch 
rothgelbe Nadeln, die nach dem Lösen mit Ammoniak eine 
fleischfarbene Fällung gaben. Letztere schied sich jedoch 
sowohl aus Chloroform, als auch aus Essigäther nur wieder 
im amorphen Zustande ab. Ich nahm desshalb den ge 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 379 


sammten Rückstand noch einmal mit essigsäurehaltigem 
Wasser auf, behandelte die durch Ammoniak entstandene 
röthliche Fällung in der früheren Weise mit Aether und 
erhielt hierbei eine nicht unerhebliche Menge eines 
Alkaloids, welches dem bei der ersten Extraktion ge- 
wonnenen Rohalkaloide (C) im Aussehen und in den 
Eigenschaften sehr ähnlich war. Letzteres wurde daher 
in derselben Weise, wie jenes, weiter verarbeitet. Der 
Rückstand G, welcher bei dieser letzten Behandlung mit 
Aether verblieb, wurde später auf Chelidonin untersucht. 
In der Arbeit von Henschke !) findet sich eine Notiz über 
eine Vermuthung Weppens, dass in der Sanguinariawurzel 
Chelidonin enthalten sei. Veranlasst durch diese Angabe, 
die in Rücksicht auf das gleichzeitige Vorkommen ver- 
schiedener, sich sehr nahestehender Basen in Chelidonium 
Majus und in Sanguinaria canadensis eine gewisse Wahr- 
scheinlichkeit besass, nahm ich bei der ganzen Arbeit be- 
sondere Rücksicht auf das eventuelle Vorhandensein 
jener Base. 


Da Chelidonin in dem ätherischen Auszuge der Roh- 
alkaloide nicht zu finden war, so konnte, wenn es überhaupt 
vorhanden war, es nur noch in dem vom Aether nicht ge- 
lösten Antheile G oder in dem, beim Eingiessen der essig- 
säurehaltigen alkoholischen Auszüge in Wasser abgesonderten 
Harze enthalten sein. 


Den nach dem Ausziehen mit Aether verbliebenen Rück- 
stand G kochte ich, entsprechend der von Henschke ange- 
gseberen Darstellungsweise des Chelidonins, mit schwefel- 
säurebaltigem 96 °/,igen Alkohol aus, wodurch er fast voll- 
ständig zu einer tief-braunrothen Flüssigkeit gelöst wurde. 


Von der filtrirten Lösung destillirte ich den Alkohol, 
nach dem Zusatz von etwas Wasser, ab, nahm das Zurück- 
bleibende mit schwefelsäurehaltigem Wasser auf, filtrirte 
von den ausgeschiedenen Harzmassen ab und versetzte die 
Flüssigkeit mit rauchender Salzsäure. Es entstand hier- 
durch ein dunkelrother Niederschlag, der auf einem Filter 


1) Inaugural-Dissert. pag. 5. 


380 Georg Koenig: 


gesammelt, hierauf in Wasser gelöst und diese Lösung 
durch Ammoniak gefällt wurde. 

Die violettroth gefärbte Fällung schüttelte ich zur 
Entfernung des noch vorhandenen Sanguinarins zu wieder- 
holten Malen mit Aether aus. Letzterer löste, ausser einem 
grün-blau fluoreseirenden Harze, nur geringe Mengen eines 
aus Essigäther in farblosen Nadeln krystallisirenden, mit 
Salzsäure sich roth färbenden, bei 208° schmelzenden 
Alkaloides. 

Das vom Aether nicht Aufgenommene schüttelte ich, 
um eventuell vorhandenes Chelidonin zu lösen, mit Chloro- 
form aus. 

Den beim Verdunsten des Chloroforms bleibenden 
geringen harzigen Rückstand nahm ich alsdann mit 
schwefelsäurehaltigem Wasser auf und versetzte die von 
dem ausgeschiedenen Harze abfiltrirte Lösung mit rauchen- 
der Salzsäure. 

Hierdurch schieden sich nur rothe Nadeln eines in 
säurefreiem Wasser sehr leicht löslichen Salzes aus; da- 
segen resultirte kein farbloses, schwer lösliches, salzsaures 
Chelidonin. In gleicher Weise verfuhr ich mit einer 
kleinen Menge der harzartigen Massen. Auch hierin fand 
ich jedoch kein Chelidonin. Aether nahm beim Aus- 
schütteln der durch Ammoniak bewirkten Fällung nur 
ziemlich beträchtliche Mengen des bei etwa 200 ° schmelzen- 
den, gelbe Salze gebenden Alkaloids auf. Da das Cheli- 
donin, wenn es überhaupt in der verarbeiteten Sanguinaria- 
wurzel vorhanden war, es jedenfalls, wegen der leichten 
Löslichkeit seines essigsauren Salzes in Alkohol, in den 
aus der Wurzel bewirkten Auszügen hätte angetroffen 
werden müssen, muss ich nach obigen negativen Resul- 
taten annehmen, dass in der Wurzel von Sanguinaria 
Canadensis kein Chelidonin vorkommt. 

Zur besseren Uebersicht und zum leichteren Verständ- 
niss des Nachfolgenden möchte ich hier zunächst die für 
die in der Sanguinariawurzel aufgefundenen Basen ge- 
wählten Bezeichnungen vorausschicken: 

I. Chelerythrin, für das röthliche, in derben Krystallen 
krystallisirende, mit Säuren gelbe Salze liefernde 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. sl 


Alkaloid; und zwar werde ich diese Base mit 
S.-Chelerytbrin bezeichnen zum Unterschiede von der 
mit ihr identischen, später zu beschreibenden Chelido- 
niumbase, die ich als Ch.-Chelerythrin kennzeichnen 
werde. 

U. Sanguinarin, für die Base, welche sich aus der 
Essigätherlösung in weissen Krystallen ausscheidet 
und mit Säuern rothe Salze liefert. 

II. Homochelidonin, für das aus den ammoniakalischen 
Alkaloidmutterlaugen gewonnene, mit Säuren leicht 
lösliche, farblose Salze gebende Alkaloid. 

IV. Protopin, für das mehrfach untersuchte Alkaloid ver- 
schiedener Provenienz, welches sich bald in Warzen, 
bald in farblosen Krystallen vom Sp. 207 ° ausscheidet. 


S.-Chelerythrin. 

Das wiederholt aus Essigäther umkrystallisirte Alkaloid 
bestand aus kleinen, zu Krusten vereinigten, rhomboedrischen 
Krystallen, die eine blass-röthliche Farbe zeigten. Zerrieben 
stellten sie ein weisses, bei 203 ° schmelzendes Pulver dar. 
Dieses Alkaloid erlitt bei 100 bis 105° keinen Gewichts- 
Verlust, ja sogar bei einer Temperatur von 150° trat keine 
Gewichtsabnahme ein. Die zerriebene Substanz bedeckte 
sich hierbei jedoch mit einer gelben Schicht, eine Ver- 
änderung, die auch eintritt, wenn das Alkaloid längere 
Zeit in offenen Gefässen mit der Luft in Berührung bleibt. 

Diese Gelbfärbung beruht vermuthlich auf der Bildung 
von Salzen des S.-Chelerythrins, da die Base von Säuren 
mit hochgelber Farbe gelöst wird. Aus letzteren Lösungen 
krystallisiren die entsprechenden Salze bei Säureüberschuss 
und mässiger Concentration in leuchtend gelben, feinen 
Nadeln aus, welche leicht löslich in säure-freiem Wasser 
und Alkohol, unlöslich dagegen in Aether sind. Aus diesen 
Salzlösungen wird die Base durch Ammoniak käsig weiss 
gefällt. Das freie Alkaloid ist löslich in Chloroform, 
Alkohol, Aether, Essigäther, Aceton und Methylalkohol. 
Diese Lösungen zeigen sämmtlich blaue Fluorescenz. 

Da man bisher mit dem Namen Chelerythrin, wie ich 
bereits zu bemerken Gelegenheit hatte, nur ein Gemenge 


382 Georg Koenig: 


von zwei oder mehreren Alkaloiden bezeichnete, die von 
mir mit dem Namen S.-Chelerythrin bezeichnete Base jedoch 
als ein einheitlicher Körper angesehen werden muss, So 
scheint es mir überflüssig zu sein, die bisher in der 
Literatur zu findenden, das Chelerythrin betreffenden Daten 
den Eigenschaften gegenüber zu stellen, welche ich bei der 
von mir in der Sanguinariawurzel gefundenen Base beob- 
achtete.. Bemerkenswerth scheint mir nur, dass die von 
Schiel für die freie Base gefundenen Analysenwerthe mit 
den von mir ermittelten nicht im Widerspruche stehen; 
jedoch entspricht die von Schiel für das Chelerythrin auf- 
gestellte, von Limpricht!) nach den neuen Atomzahlen auf 
C;g H,; NO, umgerechnete Formel, welehe auch durch 
Henschke eine vorläufige Bestätigung fand, nicht den von 
mir für die Salze dieser Base gefundenen Werthen. 

Schiel fand bei der Analyse des bei 105 ° getrockneten 
Chelerythrins 


C = 70,349, 
H= 521% 
N= 507%. 


Die vom Verfasser von der zerriebenen, bei 150° ge- 
trockneten Base ausgeführten Elementaranalysen lieferten 
folgerde Resultate: 

I. 0,1933 Gramm der Base gaben bei der Verbrennung 
mit Kupferoxyd und vorgelegter redueirter Kupfer- 
spirale 0,4982 Gramm CO, = 70,28 %, C und 0,0976 
Gramm H,O = 5,61°%, H. 

1. 0,1860 Gramm gaben unter den gleichen Bedingungen 
0,481 Gramm CO, = 70,52%, C und 0,0976 Gramm 
E02 5,82%), H. 

1II. 0,1890 Gramm lieferten 0,4838 Gramm CO, = 70,41 

0%, C und 0,0979 Gramm H,0 = 5,74%, H. 

IV. 0,2070 Gramm gaben 0,5534 Gramm (0, = 70,27%, 

C und 0,1034 Gramm H,0 = 5,55% H. 


V. 0,2580 Gramm gaben nach Kjeldahl 0,0105 Gramm 
Stickstoff (7,5 cem !/, Normal-Salzsäure, Lacmoid 
als Indicator) — 4,07%, N. 


1) Limpricht, Lehrb. der org. Chemie. S. 1197. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 383 


Gefunden: 
IL M. I. IV. V. 
C 70,28. 70,52. 70,41. 70,27. — 
H# 75,01: 5,82. 5,74. 5,05. —_ 
N — — — _ 4,07. 
Während diese Werthe nicht auf die Formel Cor 
H;,,;, NO, stimmen, von welcher sich die Salze des 
Alkaloids ableiten lassen, stehen dieselben im Einklange 
mit dieser Formel, wenn derselben ein Molekül Aethyl- 
alkohol zugerechnet wird. 


Berechnet für: 


C, H,, NO, O5; H;ı NO, + C, H, OH 
C= 72,62%, C= 70239, 
H= 4899, I 2,08 
N= 40%, aa 


Dass die Chelerythrinkrystalle in der That Aethyl- 
alkohol enthalten, ergab sich auf folgende Weise: Nach 
dem Lösen des Alkaloids in salzsäurehaltigem Wasser 
wurde die Lösung der Destillation unterworfen und in dem 
spirituös riechenden Destillate das Vorhandensein des 
Aethylalkohols durch die Jodoformreaetion erkannt. Zur 
Ausführung derselben wurde das Destillat mit etwas Natron- 
lauge versetzt und nach dem Zusatz von Jodjodkalium- 
lösung bis zur Gelbfärbung erwärmt. Die Bildung von 
Jodoform liess sich alsbald durch den Geruch erkennen; 
nach mehrstündigem Stehenlassen setzte sich auch Jodo- 
form in gelben Krystallflitterchen ab. 

Es scheint der Alkohol sehr fest an das Alkaloid ge- 
bunden zu sein, da bei 150° noch keine Verflüchtigung zu 
constatiren war. Im Verbrennungsrohr konnte ich erst bei 
beginnendem Schmelzen des Körpers als Verbrennungs- 
produkt Wasser wahrnehmen. 

Das Verhalten der Base gegen allgemeine Alkaloid- 
Reagentien war folgendes: 

Concentrirte Schwefelsäure: färbt gelb mit einem Stich 
ins Grüne, später schmutzig gelb. 

Conce. Salpetersäure: Bei der ersten Berührung hoch- 
gelb, schnell in ein dunkles Gelbbraun übergehend. 


334 Georg Koenig: 

Erdmanns Reagens: färbt gelb, ohne dass Lösung 
eintritt. 

Fröhdes Reagens: färbt zunächst gelb, eine Färbung, 
die bald über dunkelolivengrün in chlorophyligrün über- 
geht, um schliesslich schmutzig dunkelgelb zu werden. 

Vanadinschwefelsäure: färbt violettroth, welches all- 
mälig über dunkelbordeauxroth in braunroth übergeht. 

Bei diesen Reactionen, wie auch bei den folgenden, 
wurde die Substanz in sehr geringer Menge mit einem: 
Tropfen des betreffenden Reagens’ über einem weissen 
Untergrunde auf einem Uhrglase verrieben. 

Das zu gleicher Zeit, neben dem S.-Chelerythrin, den- 
selben Reactionen unterworfene Ch.-Chelerythrin zeigte ge- 
nau dasselbe Verhalten. 

Zur weiteren Charakterisirung des S.-Chelerythrins 
stellte ich von demselben das Platin- und das Golddoppel- 
salz dar, sowie das Hydrochlorid. 


S.-Chelerythrin-Goldchlorid. 
€) 477.010... ErCeLe Aw ol. 


Das S.-Chelerythrin-Goldchlorid stellte ich dar durck 
Fällen der wässrigen Lösung der salzsauren Base mit 
überschüssigem Goldehlorid, wodurch sich die Verbindung 
in amorphen, braungefärbten Flocken abschied. Dieselbe 
wurde auf einem Filterplättehen abgesogen, ausgewaschen 
und nach dem Trocknen aus Alkohol umkrystallisirt, dem 
noch einige Tropfen Goldehloridlösung und Salzsäure zu- 
gesetzt waren. Das Salz löste sich nur schwer in Alkohol 
und krystallisirtte beim Erkalten der heiss gesättigten 
Lösung in langen, glänzend braunen, in Wasser unlös- 
lichen Nadeln aus. 

Dieses Salz enthielt kein Krystallwasser, gab daher 
beim Trocknen bei 100° nur unbedeutende Mengen 
bygroscopischer Feuchtigkeit ab. Im Schmelzröhrchen 
schmolz das Salz bei 233° (uncorr.), unter Vergrösserung 
seines Volumens und Aufschäumen. 

Die von dem bei 100° getrockneten Salze ausge- 
führten Elementaranalysen ergaben Folgendes: 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 385 


I. 0,1060 Gramm hinterliessen beim direkten Glühen im 
Tiegel bis zum constanten Gewicht 0,0304 Gramm 
Gold = 28,67%, Au. 

H. 0,1632 Gramm des Golddoppelsalzes lieferten bei der 
Verbrennung mit Bleichromat und vorgelegter redu- 
eirter Kupferspirale 0,2234 Gramm CO, = 37,33%, C 
und 0,035 Gramm H,O = 2,38%, H; das im Schiff- 
chen zurückgebliebene Gold wog 0,0466 Gramm = 
28,55 %o- 

II. 0,1644 Gramm des Salzes gaben bei der in gleicher 
Weise ausgeführten Elementaranalyse 0,225 Gramm 
€05 — 32.320 © und 0,056 Gramm 1,0) — 


2,43%, H. 
Gefunden: 
I. 11. II. 
Go 37,33 37,32 
H — 2,33 2,43 


Au 28,67 28,55 _ 
Berechnet für: 
C,, H;, NO,.. H Cl. Au Cl,. 
C 


—r 96,12 
He2— 292462 
Au 92859 


Sonderbarer Weise stimmt der von Naschold gefundene 
Goldgehalt seines Sanguinarin-Golddoppelsalzes gut mit 
den von mir gefundenen Werthen überein, obschon er 
seine Analysen von einem jedenfalls nicht einheitlichen 
Präparate ausführte. 

Naschold fand: 
IL u. IH. 1% V. 
C 36,234 1,26 — — — 
Er 22296 20T — —_ — 
Au 28,69 28,33 23,62 28,64 28,54. 


S.-Chelerythrin Platinchlorid 
(EIER ENOSEIACHH PR Chr 
Zur Darstellung des Platindoppelsalzes des S.- 
Chelerythrins ging ich aus von dem salzsauren Salze der 
Base. Die wässrige, schwach mit Salzsäure angesäuerte 
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 25 


386 Georg Koenig: 


Lösung desselben versetzte ich mit Platinchloridlösung bis 
zur vollkommenen Ausfällung. 

Auf einem Filter gesammelt, und nach dem Aus- 
waschen zwischen Filtrirpapier lufttroeken gemacht, zeigte 
sich das Salz bestehend aus feinen, leuchtend goldgelben, 
aneinanderhaftenden Nädelchen, die bei 100° nichts an 
Gewicht verloren, also wasserfrei waren. 

Die von dem Salze ausgeführten Analysen führten zu 
folgenden Resultaten: 

I. 0,1692 Gramm hinterliessen beim direeten Glühen im 
Porzellantiegel bis zum constanten Gewicht 0,030 
Gramm Platinmetall = 17,73 |, Pt. 

II. 0,1456 Gramm lieferten bei einer in gleicher Weise 
ausgeführten Bestimmung 0,0256 Gramm Platin = 
San, ak 

III. 0,1884 Gramm, mit Bleichromat und vorgelegter redu- 
cirter Kupferspirale verbrannt, gaben 0,3170 Gramm 

CO, = 45,88 %/, C und 0,0458 Gramm H,0 =2,70 °%/, H. 


Gefunden: 
I. II. II. 
C— — 45,88 
H — — 2,70 


Jen. IL7 0) 17,58 en: 
Berechnet für: 
(Cy; H,, NO, H Cl), Pt Cl, 


C = 45,67%), 
H = 3,26%, 
Pt = 17,62 9), 


Auch Schiel, Naschold und Henschke stellten die 
Platindoppelsalze der von ihnen untersuchten Sanguinaria- 
Alkaloide dar. Die von diesen Chemikern sefundenen 
Analysenresultate weichen jedoch wesentlich von den von 
mir ermittelten ab, und zwar sowohl von denen des S.- 
Chelerythrins, als auch des Sanguinarins. 


Salzsaures S.-Chelerythrin. 
HE NOFEOL 
Das salzsaure S.-Chelerythrin darzustellen, löste ich 
das zerriebene Alkaloid in der Wärme in salzsäurehaltigem 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 387 
Wasser. Aus der filtrirten, gelben, mit etwas concentrirter 
Salzsäure versetzten Lösung schied sich das Salz in dünnen, 
glänzenden, eitronengelben Nadeln aus, die, vereinigt zu 
einer schwammig lockeren Krystallmasse, die ganze Flüssig- 
keit erfüllten. 

Das auf einem Filter gesammelte und durch Absaugen 
von der Flüssigkeit getrennte Salz wurde zwecks Um- 
krystallisation wieder in wenig Wasser gelöst. 

Die aus dieser Lösung erhaltenen Krystalle wurden, 
um alle Mutterlauge zu entfernen, auf dem Filter erst mit 
Alkohol, dann mit Aether bis zum farblosen Ablaufen des- 
selben nachgewaschen und schliesslich zwischen Filtrirpapier 
getrocknet. 

Das Salz löst sich leicht in säurefreiem Alkohol und 
Wasser, nicht in Aether, schwer in säurehaltigem Alkobol 
und Wasser. Der Staub des zerriebenen Salzes wirkt 
heftig reizend auf die Schleimhäute der Nase und des 
Rachens. 

Ich habe sowohl das aus wässriger Lösung erhaltene, 
als das aus Alkohol umkrystallisirte Salz analysirt; beide 
Salze zeigen dasselbe Aussehen und Verhalten; sie unter- 
scheiden sich jedoch durch den verschiedenen Krystall- 
wassergehalt. Beide Salze verlieren ihren Wassergebalt 
über Schwefelsäure sehr langsam. Leicht findet die Ab- 
gabe desselben statt im Luftbade bei 100°; jedoch ent- 
weicht hierbei gleichzeitig Salzsäure. Diese Zersetzung 
des Salzes, verbunden mit einem Gewichtsverlust bis zu 
25,20 °/,, bei dem aus Wasser erhaltenen, bis zu 16,5 '/, 
bei dem aus Alkohol umkrystallisirten, macht sich auch 
dadurch bemerkbar, dass die Farbe des Salzes, welche 
bei dem Krystallwasserverlust heller und matter wird, 
schliesslich in ein schmutziges Grau übergeht. Die so ver- 
änderte Verbindung löst sich dann nicht mehr in Wasser, 
selbst auf Zusatz von Säure, vollständig auf. 


a) Aus wässriger Lösung krystallisirtes Salz. 
Chr Hira NO E61 75782570. 
Zur Ausführung der Analysen trocknete ich das Salz 
zunächst über Schwefelsäure und brachte es dann im 


205 


388 George Koenig: 


Trockenschranke bei einer 90° nicht übersteigenden 

Temperatur zum constanten Gewicht. 

I. 0,3732 Gramm des zerriebenen Salzes verloren unter 
diesen Bedingungen 0,07464 Gramm = 20,00 %- 

D. 0,2168 Gramm verloren unter gleichen Bedingungen 
0,0433 Gramm = 20,20 %g- 

II. Eine von dem nicht getrockneten Salze, in gewöhn- 
licher Weise durch Fällen mit Silbernitrat in salpeter- 
saurer Lösung, ausgeführte Chlorbestimmung ergab 
Folgendes: 0,1402 Gramm des Salzes lieferten 0,0416 
Gramm AgCl = 0,01029 Gramm Cl = 7,33%, €. 
Die Fällung geschah, der Schwerlöslichkeit des eben- 

falls gelbgefärbten salpetersauren Salzes halber, in heisser 

Lösung. Hierbei gelang es nur durch langanhaltendes 

Auswaschen mit heissem Wasser, das salpetersaure Salz 

völlig zu entfernen. 


- Gefunden: 
I. 1. Il. 
H, O0 20,00 20,20 — 
Cl — — 7,33. 


Berechnet für: 
65, Hr. NO25H CH 571,0. 
52052192120), 
Ye ein 
Eine von dem, unter den angegebenen Vorsichtsmass- 
regeln getrockneten, Salze ausgeführte Verbrennung mit 
Bleichromat und vorgelegter reducirter Kupferspirale ergab. 
Folgendes: 
0,1894 Gramm des Salzes lieferten 0,4572 Gramm CO, 
— 65,83%, € und 0,0818 Gramm H, 0 =479%, H. © 


b) Aus Alkohol umkrystallisirtes Salz. 
Cy, Hır NO, HCI + 4 H30. 

Zur Wasserbestimmung wurde auch dieses Salz erst 
über Schwefelsäure getrocknet und dann bis zum constant- 
bleibenden Gewicht im Trockenschrank einer 90%, nicht 
überschreitenden Temperatur ausgesetzt. 

I. 0,259 Gramm des Salzes verloren hierbei an Gewicht 

0,0417 Gramm = 16,10 %. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etec. 389 


I. Eine von dem nicht getrockneten Salze ausgeführte 

Chlorbestimmung ergab folgendes Resultat: 

0,4082 Gramm gaben 0,126 Gramm Ag Cl = 0,03117 
Gramm Cl = 7,63 %, Cl. 

Diese Bestimmung führte ich in der Weise aus, dass 
ich das Salz mit einer hinreichenden Menge zerriebenen 
Silbernitrats in einem Becherglase der Einwirkung von 
etwa 15 cem chlorfreier, rauchender Salpetersäure aussetzte. 
Die zuerst dunkelrothbraune Flüssigkeit wurde nach mehr- 
stündigem Erhitzen unter Bildung von Chlorsilber blassgelb. 
Nach dem Verdünnen mit destillirtem Wasser und Absetzen- 
lassen des gebildeten Chlorsilbers wurde letzteres in üb- 
licher Weise zur Wägung gebracht. 


Gefunden: 
1“ 1% 
H,O 16,10 — 
Cl — 7,63. 


Berechnet für: 
Ciz, H,, NO, HCl + 4 H,O 
H,0=315,80.%, 
0 Eine 
Eine von dem getrockneten Salze ausgeführte Elementar- 
analyse ergab folgende Werthe: 
0,233 Gramm des Salzes lieferten mit Bleichromat und 
vorgelegter redueirter Spirale verbrannt 0,5618 Gramm 
CO, = 65,75%, € und 0;102 Gramm H, 0 =4,86°%%, H 


Gefunden: 
a) Salz aus wässr. Lsg. b) aus Alkohol kryst. 
U 65,83 65,79 
H 4,79 4,86. 


Berechnet für: 
04 HNOSHTE 
@r 65.0.0, 
H—, 63%: 


Chelidonium Chelerythrin. 
Das Chelerythrin kommt in dem Schöllkraut in so ge- 
ringer Menge vor, dass bisher eine Reingewinnung dieses 
Alkaloides aus der leichtzugänglichen Pflanze, obwohl 


390 Georg Koenig: 


solche mehrfach, z. B. von Probst und später von Henschke, 
versucht wurde, nicht gelang. Die von diesen Forschern 
erhaltenen amorphen Basen entbehrten daher des einheit- 
lichen, für eine exacte Untersuchung sichere Anhaltspunkte 
bietenden Charakters. 

Als ein dankbareres Ausgangsmaterial stand mir durch 
die gütige Vermittelung des Herrn Professor Dr. E. Schmidt 
ein von E. Merck in Darmstadt stammendes, grau-gelbes 
Pulver zur Verfügung, das sich als Rückstand bei der Dar- 
stellung von Chelidonium-Basen angesammelt hatte. 

Das mit kleinen Stückehen und Krusten, sowie Filtrir- 
papierresten untermischte Pulver war von bitterem Ge- 
schmack, und es erregte sein Staub beim Zerreiben Niesen 
und heftiges Kratzen im Schlunde. | 

Das gleichmässig gemischte Rohalkaloid erwies sich 
unvollständig löslich in Alkohol, Chloroform, Essigäther, 
Aether, sowie in mit Schwefelsäure und mit Salzsäure an- 
gesäuertem Wasser und ebensolchem Alkohol. 

Ich kochte desshalb die zerriebene Masse zunächst mit 
96 %/,igem Alkohol zu wiederholten Malen aus, bis sich 
derselbe nicht mehr gelb färbte. Dabei blieb ein erdiger, 
grau gefärbter Rückstand (B). Da beim Verdunsten des 
alkoholischen Auszuges (A) nur krystallinische, graue 
Krusten zurück blieben, versetzte ich denselben mit Salz- 
säure, wodurch ich ein die ganze Flüssigkeit durchsetzen- 
des Haufwerk zarter, glänzendgelber Krystalle, durchsetzt 
von kleinen dunkelgelben Knötchen und kurzen roth- 
braunen Nadeln, erhielt. 

Den Rückstand (B) löste ich direct in salzsäure- 
haltigem Alkohol, welcher sich hierbei dunkel rothgelb 
färbte unter Zurücklassung kleiner Mengen von Verun- 
reinigungen. Nach dem Erkalten dieser heiss bewerk- 
stelligten Lösung schieden sich ebenfalls gelbe, die ganze 
Flüssigkeit schwammig erfüllende Krystallmassen aus, die 
durch Absaugen von der Mutterlauge getrennt wurden und 
alsdann dasselbe Aussehen, wie die aus Antheil (A) ge- 
wonnenen, zeigten. Aus den concentrirten Mutterlaugen, 
sowohl von den aus Antheil (A) als auch den aus Lösung 
(B) gewonnenen Krystallen, erhielt ich noch weitere 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 391 
Mengen jener salzsauren Salze. Schliesslich schieden sich 
aus den rothbraun gefärbten Laugen dunkle Harzmassen 
aus, die sich wohl in salzsäurehaltigem Alkohol lösten, 
daraus aber nicht krystallisirt zu erhalten waren. Die 
Behandlung der aus den beiden Lösungen (A und B) er- 
haltenen, in ihrem Aussehen gleichen Krystallisationen 
blieb in der Folge dieselbe. Zunächst versuchte ich 
mechanisch, namentlich durch Anwendung gelinder Wärme, 
wodurch die, die Hauptmenge ausmachenden, gelben 
Nadeln leichter gelöst wurden, eine Trennung der drei 
verschieden aussehenden Krystallisationen herbeizuführen. 
Es gelang dies jedoch nur unvollkommen. Hierbei gewann 
es zudem den Anschein, als ob jene gelben, knötchen- 
förmigen Abscheidungen nur eine Modification der gelben 
meist strahlig angeordneten, gleich den Hyphen eines 
Pilzgewebes die ganze Flüssigkeit gallertig erfüllenden 
Nadeln seien. 

Schliesslich erhielt ich einen sehr kleinen Theil der 
kurzen, braunen Nadeln ziemlich frei von den gelbgefärbten 
Salzen, während als Hauptmenge die gelben nadeligen 
Krystalle frei von jenen erbalten wurden. 

Aus den Salzen stellte ich die Basen dar durch Lösen 
derselben in wenig salzsäurehaltigem Wasser und Versetzen 
dieser Lösungen mit Ammoniak. Während die aus den 
gelben Nadeln erhaltene Fällung weisslich grau gefärbt 
war, zeigten die aus den beiden anderen Salzen resul- 
tirenden geringen Niederschläge in der Färbung einen 
violetten Schein. Diese Fällungen wurden auf Filtern ge- 
sammelt, mit Wasser ausgewaschen und gut bedeckt bei 
niedriger Temperatur getrocknet. Ein sorgfältiges Bedecken 
war nöthig, da andernfalls an der Luft durch Salzbildung 
eine Gelbfärbung eintrat. 

Die getrockneten Basen wurden alsdann in Chloroform 
gelöst (was sehr leicht mit dunkelbrauner Farbe von 
Statten ging), diese Lösung mit etwa der gleichen Menge 
Alkohol versetzt und zur Krystallisation bei Seite gestellt. 

Durch den Alkoholzusatz nahmen die Lösungen eine 
bedeutend hellere, schön rotbe Färbung an; zugleich trat 
eine lebhafte blaue Fluorescenz auf und zwar besonders 


392 Georg Koenig: 


dann, wenn sich der Alkohol nur erst mit einem kleinen 
Theile der Chloroformlösung gemischt hatte und zum 
grössten Theil über letzterer geschichtet war. Nachdem 
die Hauptmenge des Chloroforms durch freiwilliges Ver- 
dunsten aus der Flüssigkeit entfernt war, schieden sich 
dünnblättrige, braune Rhombo&der aus, und zwar aus allen 
drei Lösungen von demselben Aussehen und demselben 
bei ungefähr 192° liegenden Schmelzpunkte. Ich ver- 
muthete daher, dass in den drei Salzen verschiedenen 
Aussehens nur verschiedene Formen desselben Körpers 
vorlagen, vereinigte desshalb die Krystallisationen und 
versuchte durch häufige Umkrystallisation aus verschiedenen 
Lösungsmitteln ihre weitere Reinigung. Auf diesem Wege, 
der mit grossen Materialverlusten verbunden war, gelangte 
ich jedoch nicht zu dem gewünschten Ziele. Aus diesem 
Grunde löste ich die nur noch hellbraun gefärbten 
Krystalle in salzsäurehaltigem Wasser und fällte das 
Alkaloid von Neuem mit Ammoniak. Der voluminöse 
Niederschlag wurde nach dem Trocknen wieder in Chloro- 
form gelöst und nach dem Zusatz von Alkohol der 
Krystallisation überlassen. Bei dieser Krystallisation, 
welche in Folge von etwas zu starker Concentration, 
unter Zurücklassung von nur sehr wenig Mutterlauge, 
durch die ganze Masse stattfand, bemerkte ich neben den 
nun rosa gefärbten Rhombo&dern eine sehr geringe Menge 
weisser, seidenglänzender, dicht zusammenhängender feiner 
Nadeln. 

Durch Abspülen trennte ich diese Nadeln, so gut es 
ging, von der Mutterlauge und von den derben Krystallen, 
welche nach nochmaliger Umkrystallisation gut ausgebildet, 
schön rosa gefärbt, bervorgingen und bei 196 bis 200° 
schmolzen. Diese Nadeln waren nicht luftbeständig, viel- 
mehr wurden sie, selbst in verschlossenen Gefässen, un- 
durchsichtig und bedeckten sich mit einer weissen, all- 
mälig schwach gelb werdenden Schicht. 

Leider glückte es mir nicht, jene weissen Nadeln aus 
der abgegossenen Mutterlauge, in der ich sie, nach der 
Bestimmung des bei etwa 200° liegenden Schmelzpunktes, 
behufs Umkrystallisation wieder gelöst, noch einmal zu 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 395 
erhalten, um weitere Reactionen damit zu machen. 
Den gefundenen Schmelzpunkt kann ich nicht als 
massgebend ansehen, da die Krystalle nicht ganz frei von 
braunfärbender Substanz waren; derselbe liegt für den 
reinen Körper jedenfalls höber, so dass eine Identität 
dieses in weissen Nadeln Krystallisirenden Alkaloids mit 
dem aus der Sanguinariawurzel erhaltenen bei 211° 
schmelzenden Sanguinarin nicht ausgeschlossen scheint. 

Dass auch in dem Schöllkraut neben dem, gelbe Salze 
gebenden, Chelidonium-Chelerythrin noch ein zweites, der 
aus der Sanguinariawurzel isolirten Base, dem Sanguinarin, 
ähnliches Alkaloid vorkommt, gebt daraus hervor, dass 
ich, wie bereits erwähnt, ein rothbraunes, in kurzen Nadeln 
krystallisirendes Salz neben den gelben Krystallen des 
Chelerythrinhydrochlorids zu beobachten Gelegenheit 
hatte. Allerdings gelang es mir nicht, dieses Salz in ge- 
nügender Reinheit und in hinreichender Menge zu isoliren, 
um daraus jene Base gewinnen und dieselbe charakteri- 
siren zu können. 

Selle!) erwähnt ebenfalls das Vorkommen eines 
rothen Salzes neben einem gelben in den salzsauren 
Alkaloidlösungen der Wurzel von Stylophoron diphyllum, 
vermuthet jedoch darin nur verschiedene Modificationen 
eines und desselben Salzes. Nach meinen Beobachtungen 
erscheint es als wahrscheinlich, dass diese Verbindungen 
Salze zweier verschiedener Basen, vielleicht des Chelery- 
thrins und Sanguinarins sind, die nebeneinander auch in 
der Wurzel von Sanguinaria Canadensis vorkommen. 

Die noch gefärbten Chelerythrin-Krystalle wurden, be- 
hufs weiterer Reinigung, einer Umkrystallisation aus Essig- 
äther unterworfen, der dieselben mit kirschrother Farbe 
und mit starker blauer Fluorescenzerscheinung löste. 
Nach mehrmaliger Umkrystallisation war die Farbe der 
Krystalle nur noch blass rosa; ihr Schmelzpunkt lag bei 
203%. Die röthliche Farbe ist vermutblich dem Alkaloid 
nicht eigenthümlich, sondern rührt wahrscheinlich von sehr 
geringen Spuren schwer zu beseitigender Verunreinigungen 


1) Inaug.-Dissert., Erlangen, pag. 11. 


394 Georg Koenig: 

her; da ich jedoch weiteren Materialverlust thunlichst ver- 
meiden musste, um zur näheren Charakterisirung der Base 
hinreichendes Material zu behalten, nahm ich von weiteren 
Versuchen, das Alkaloid vollständig farblos zu erhalten, 
Abstand. 

Die aus Essigäther erhaltenen rhombo&drischen Krystalle 
waren luftbeständig und im Aussehen völlig gleich denen 
des S.-Chelerythrins. Mit Säuern giebt das Alkaloid eigelbe 
Salze. Dieses Verhalten allein zeigt schon, dass ich es 
mit einem andern Körper zu thun hatte, als dem bisher 
für Chelerythrin gehaltenen, der von Säuern mit orange- 
rother Farbe aufgenommen wurde. 


Gleich dem S.-Chelerythrin löst sich das Alkaloid mit 
blauer Fluorescenz in Aether, Alkohol, Chloroform, Aceton 
und Essigäther; ebenso wie jenes Alkaloid wird das Ch.- 
Chelerythrin durch Alkalien und Ammoniak aus der inten- 
siv gelben Lösung seiner Salze flockig weiss gefällt. 

Die Uebereinstimmung des Ch.-Chelerythrins mit dem 
S.-Chelerythrin geht ferner, ausser aus den durch die 
Analysen ermittelten Daten, aus dem ganz gleichen Ver- 
halten der beiden Basen gegen Alkaloidreagentien hervor. 
Das S.- und das Ch.-Chelerythrin zeigten, neben einander 
beobachtet, übereinstimmend die unter Sang.-Chelerythrin 
angegebenen Reactionen. 

Bei 100° verlor das Alkaloid nichts an Gewicht. 


Die von der freien Base ausgeführten Elementar- 
analysen ergaben folgende mit den Analysenresultaten 
des S.-Chelerythrins übereinstimmende Werthe. 


I. 0,2564 Gramm gaben bei der Verbrennung mit Kupfer- 
oxyd und vorgelegter redueirter Spirale 0,660 Gramm 
CO, = 70,20%, -€E und 0,1354 Gramm 'H, 0 = 
5,86. °/, H. 

ll. 0,1735 Gramm lieferten unter denselben Bedingungen 
0,4483 Gramm (CO, = 70,33%/, C und 0,0892 Gramm 
H, 0 =57005°H. 


1) Probst, Annal. d. Chem. u. Pharm. 29.221 u. 31.252. 
Henschke, Inaug.-Dissert. pag. 31. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 395 


Ill. 0,2254 Gramm der Base gaben nach der Methode 
von Kjeldahl 0,009282 Gramm Stickstoff (6,6 cem !/ıo 
Normal-Salzsäure, Lacmoid als Indieator) = 4,11%, N. 


Gefunden: 
II. 1. Ill. 
C 70,20 70,33 — 
H475350 520 — 
N — — ab ll. 


Berechnet für: 
Ca H,, NO, + C,H, OH. 
0710,25 
ER 9,8537 
N 350495: 


Ch.-Chelerythrin Goldchlorid. 
OH EI ENOR TEC AU CN 

Zur Herstellung dieses Golddoppelsalzes versetzte ich 
die filtrirte, schwach saure Lösung des salzsauren Ch.- 
Chelerythrins so lange mit einer Lösung von Goldchlorid, 
als eine Vermehrung des voluminösen gelbbraunen Nieder- 
schlages zu bemerken war. Dieser wurde nach dem Ab- 
setzen durch Absaugen von der Flüssigkeit getrennt, nach 
dem Auswaschen mit Wasser zwischen Filtrirpapier ge- 
trocknet und behufs Umkrystallisation in Alkohol gelöst. 
Aus der filtrirten Lösung, die sich, gleich der des 
S. - Chelerythringoldsalzes, nur schwer bewerkstelligen 
liess, schieden sich, nach dem Hinzufügen je einer geringen 
Menge von Goldchlorid und Salzsäure, bald feine braune 
Nadeln aus. 

Das Salz stellte sich beim Trocknen bei 100° als 
wasserfrei heraus und verhielt sich im Schmelzröhrehen 
völlig gleich dem aus S.-Chelerythrin dargestellten Gold- 
salze, mit welcher Verbindung es überhaupt in allen Eigen- 
schaften übereinstimmte. 

Durch die Analysen des Doppelsalzes erhielt ich 
folgende Daten: 

I. 0,1648 Gramm der bei 100° getrockneten Verbindung 
lieferten beim direkten Glühen im Porzellantiegel 

0,0470 Gramm Gold = 28,51%, Au. 


396 Georg Koenig: 


II. 0,1542 Gramm gaben bei derselben Behandlung 
0,0441 Gramm Gold = 28,60 !/, Au. 

1ll. 0,1466 Gramm gaben bei der in gleicher Weise aus- 
geführten Bestimmung 0,0418 Gold = 28,52, Au. 

IV. 0,1794 Gramm lieferten bei der Verbrennung mit 
Bleichromat und vorgelegter reducirter Kupferspirale 
0,2442 Gramm (CO, = 37,12 °/, C und 0,0416 Gramm 
5072.50, HE 


Gefunden: 
il, BL II. IV. 
e == — — 37,12 
a — — DT 


Au 28,51 28,60 28,52 Bes 
Berechnet für: 
C,, H,, NO,. HCl. Au. Cl;. 


C = 36,72%], 
H = 2820), 
Au = 58,59 9], 


Ch.-Chelerythrin Platinchlorid. 
(Ca; H,, NO, HC], Pt C1.. 


Zur Darstellung dieses Salzes löste ich eine ent- 
sprechende Menge des zerriebenen Alkaloids in salzsäure- 
haltigem Wasser und versetzte die filtrirte dunkelgelbe 
Lösung bis zur gänzlichen Fällung mit Platinchloridlösung. 
Der sich langsam absetzende, voluminöse Niederschlag war 
von schön eitronengelber Farbe. Abgesogen, mit wenig 
salzsäurehaltigem, darauf mit reinem Wasser nachgewaschen, 
zeigte sich das zwischen Fliesspapier lufttrocken erhaltene 
Salz aus feinen, gelben, leicht anhaftenden Nädelchen be- 
stehend. Im Luftbade war bei 100° keine Gewichtsab- 
nahme zu constatiren; das Salz war also wasserfrei. Auch 
diese Verbindung stimmte in ihrem sonstigen Verhalten 
mit dem S.-Chelerythrin-Platinchlorid vollkommen überein. 

Die Analysen ergaben Folgendes: 

I. 0,1586 Gramm des Salzes hinterliessen beim Glühen 
im Porzellantiegel bis zum constanten Gewicht 0,0282 
Gramm Platin = 17,78 |, Pt. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete, 397 


II. 0,1236 Gramm, in derselben Weise behandelt, liessen 
zurück 0,0218 Gramm metallisches Platin = 
17,63. Et: 

III. 0,1572 Gramm, mit Bleichromat und vorgelegter 
reducirter Kupferspirale verbrannt, gaben 0,2650 
Gramm CO, = 45,97 °/, € und 0,0456 Gramm H,0 = 
322, H. 

Das im Schiffehen verbleibende Platin wog 
0,0282 Gramm = 17,93 %), Pt. 

IV. Das Resultat einer ebenso ausgeführten Verbrennung 
war folgendes: 0,2402 Gramm gaben 0,4042 Gramm 
CO, = 45,89%), C; 0,0688 Gramm H,0 =3,18°/, H 
und 0,0424 Gramm Platin = 17,65 °|, Pt. 


Gefunden: 
I. 112 0324.18. IV. 
CE — —_ 45,97 45,89 
H — — 322 318 


Pt 17,78 17,63 17,93 17,6. 
Berechnet für: 
(EC, Hi, NO, H O)), Pt Ci. 
0 1902. 
Hr 326%), 
Bi — 10.0629. 

Die im Vorstehenden niedergelegten Analysenresultate 
des Chelerythrins und seiner Verbindungen rechtfertigen 
die Annahme der Identität des in der Sanguinaria vor- 
kommenden Alkaloides mit dem aus Chelidonium isolirten. 

Das physikalische Verhalten der freien Base, die 
Uebereinstimmung der besonders charakteristischen Gold- 
und Platindoppelverbindungen, sowie der salzsauren Salze 
sprechen für die bisher höchst zweifelhafte Identität beider 
Basen: 

Es liegen die Schmelzpunkte sowohl der freien Basen 
als auch die ihrer Golddoppelsalze vollkommen bei der 
gleichen Temperatur; es zeigt sich völlig gleiches Ver- 
halten gegen Lösungsmittel. 

Endlich findet die Identität beider Basen ihren Aus- 
druck in denselben Veränderungen, welche beide durch die 
allgemeinen Alkaloidreagentien erleiden. 


398 Georg Koenig: 


Sanguinarin. 

Während man bisher, wie bereits erwähnt, unter 
Sanguinarin ein Gemenge von sämmtlichen Basen, welche 
in der Sanguinariawurzel vorkommen, verstand, ist die 
unter diesem Namen im Nachstehenden beschriebene Base 
von einheitlicher Natur. Es dürfte gerade diesem Alkaloid 
der Name Sanguinarin zuzusprechen sein, da die Eigen- 
schaft desselben, mit Säuern rothe Salze zu bilden, die 
dunkelrothe Farbe der Sanguinariawurzel bedingt und 
somit auch wohl Veranlassung zu dem Namen „Blutwurz“ 
gewesen ist. 


Das Sanguinarin, welcbes in geringerer Menge in der 
Sanguinariawurzel vorkommt, als das S.-Chelerythrin, 
krystallisirt aus Essigäther in weissen, meist büschelig 
sruppirten Nadeln, deren Schmelzpunkt bei 211° liegt. 
Aus Chloroform und aus Alkohol scheidet sich das 
Sanguinarin in weissen Warzen aus; es ist ferner ebenso 
wie das S.-Chelerythrin löslich in Methylalkohol, Aceton 
und Aether, ein Umstand, der die Trennung dieser neben 
einander vorkommenden Alkaloide ausserordentlich er- 
schwer. An der Luft ist das Sanguinarin wenig be- 
ständig, indem es sich bei Berührung mit derselben unter 
Salzbildung schnell mit einer rothen Schicht überzieht. 
Bei 109° bleibt es in seinem Gewicht constant, trotzdem 
auch in diesen Krystallen eine Verbindung der Base mit 
Alkohol vorzuliegen scheint. 


Durch Behandeln mit salpetersäurehaltigem Wasser 
in die Lösung des entsprechenden Salzes übergeführt, 
gingen bei der Destillation dieser Salzlösung deutlich 
durch die Jodoformreaction erkennbare Mengen von 
Aethylalkohol über. 


Die für die freie Base gefundenen Werthe stimmen 
daher auch nur mit der aus den Analysenresultaten der 
Verbindungen des Sanguinarins abgeleiteten Formel, uuter 
Zurechnung eines halben Moleküls Aethylalkohol, überein, 
während dieselben mit der direkt aus der Zusammen- 
setzung der Verbindungen sich ergebenden Formel, C;, 
H,; NO,, nicht im Einklange stehen. Diese Formel unter- 


Beitröge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 399 


scheidet sich von der des Chelerythrins durch einen Minder- 

gehalt von CH,, ein Umstand, der beide Körper in Er- 

wägung ihrer Aehnlichkeit in dem Gesammtverhalten als 

Glieder einer homologen Reihe ansehen lässt. 

Die Analysen der freien Base ergaben folgende 

Resultate: 

I. 0,2086 Gramm der Base lieferten bei der Ver- 
brennung mit Kupferoxyd und vorgelegter redueirter 
Kupferspirale 0,538 Gramm CO, = 70,33 9], und 0,0914 
Gramm H,0 = 4,86 °J, H. 

II. 0,1673 Gramm gaben bei der in gleicher Weise aus- 
seführten Analyse 0,4318 Gramm CO, = 70,18%, © 
und: 0:0712 Gramm H, 0 471.0, HL 

III. 0,3673 Gramm gaben nach der Methode von Kjeldahl 
0,01456 Gramm Stickstoff, (verbraucht 10,40 cem !/o 
Normal-Salzsäure, Lacmoid als Indicator) = 3,96 °/, N. 


Gefunden: 
I. 1 II. 
C 70,33 70,18 E= 
6 4,11 — 


H 
N — 3,96 
Berechnet für: 


CE NO, C,H. ON. 


C = 70,789], 
H= 5,05 0, 
N= 3,93, 


Das Verhalten desSanguinarins gegen Alkaloidreagentien 
ist Folgendes: 

Conc. Schwefelsäure: Löst dunkelrothgelb. 

Cone. Salpetersäure: Löst mit braungelber Farbe. 

Erdmanns Reagens: Färbt schön orangeroth, eine 
Farbe, die ziemlich lange beständig ist, später jedoch 
unter Trübwerden der Lösung in scharlachroth übergeht. 

Fröhdes Reagens: Färbt dunkelbraungelb, dann roth- 
gelb, schliesslich in eine schmutzig braune Färbung über- 
gehend. 

Vanadinschwefelsäure: Färbt zunächst schön dunkel- 
grün, welche Farbe über violett schnell in bordeauxroth 
übergeht und schliesslich braun wird. 


400 Georg Koenig: 


Sanguinarin Goldchlorid. 
C’» Hs NO,. HCl. Au C].. 

Um dieses Doppelsalz darzustellen, löste ich das 
Alkaloid in salzsäurehaltigem Wasser und versetzte diese 
Lösung bis zur vollständigen Ausfällung mit Goldchlorid- 
chlorwasserstofflösung. Sofort entstand ein braunrother,, 
flockiger, schwerer Niederschlag, der sich schnell zu Boden 
setzte. Nach dem Absaugen desselben auf einem Filter- 
plättehen und dem Nachwaschen mit wenig Salzsäure und 
goldehloridhaltigem, darauf mit reinem Wasser, trocknete 
ich das Salz zwischen Fliesspapier. Im lufttrocknen Zu- 
stande war die Farbe des Salzes dunkelzinnoberroth. 

Eine Umkrystallisation des Doppelsalzes aus Alkohol 
oder Wasser erwies sich als unausführbar, da dasselbe von 
Wasser überhaupt nicht, von Alkohol nur in sehr geringer 
Menge gelöst wurde. 

Aus der alkoholischen Lösung schied sich die Ver- 
bindung wieder amorph ab, und zwar von gleichem Aus- 
sehen, wie das direkt gefällte Salz; beide Salze erwiesen 
sich als wasserfrei, da beim Trocknen bei 100° in beiden 
Fällen keine Gewichtsabnahme zu constatiren war. Auch 
im Goldgehalt stimmte das direkt gefällte Sanguinaringold- 
doppelsalz mit dem aus alkoholischer Lösung erhaltenen 
im Wesentlichen überein. 

Die Analysen der bei 100° getrockneten Verbindung 
führten zu folgenden Daten: 

I. 0,1674 Gramm des aus alkoholischer Lösung erhaltenen 
Salzes hinterliessen beim Glühen im Porzellantiegel 
bis zum constanten Gewicht 0,0494 Gold = 29,51 °/, Au. 

Die übrigen Bestimmungen wurden von dem aus. 
wässriger salzsaurer Lösung der Base seAllign Salze 
ausgeführt. 


ll. 0,2446 Gramm gaben beim direkten Glühen 0,072 
Gramm Gold 29,43 °/, Au. 

Il. 0,1484 Gramm des Doppelsalzes gaben bei der Ver- 
brennung mit Bleichromat und vorgelegter redu- 
eirter Kupferspirale 0,1988 Gramm CO, = 36,55%, C 
und 0,028 Gramm H,O = 2,09%, H 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 401 


IV. 0,1778 Gramm des Salzes lieferten bei der Elementar- 
analyse 0,2368 Gramm CO, = 36,32 °/, C und 0,0304 
Gramm „0731,39, H: 

Das im Schiffehen verbliebene Gold wog 0,0526 Gramm 

— 29,58%), Au. 


Gefunden: 
I. II. III. IV. 
CE — — 36,53 36,32 
H — = 2,09 1,89 
Au 29,51 29,43 — 29,58. 


Berechnet für: 
CC. H,,; NO,. HCI Au Cl.. 


e2 9520 
17 — 238 
Au 2918. 


Sanguinarin Platinchlorid. 
(Can His NO, ERC), Pt Cr 

Zur Gewinnung des Platindoppelsalzes setzte ich zu der 
erwärmten salzsauren Lösung der Base so lange von einer 
Platinchloridcehlorwasserstofflösung, als noch eine Ver- 
mehrung des dadurch bewirkten Niederschlages zu be- 
merken war. Die sich nach völliger Ausfällung in amor- 
phen, dunkelgelben Flocken schnell zu Boden setzende 
Verbindung wurde auf einem Filter gesammelt, mit salz- 
säure- und platinchloridhaltigem, dann mit reinem Wasser 
nachgewaschen und schliesslich zwischen Fliesspapier ge- 
trocknet. 

Im lufttrocknen Zustande war das Salz, welches sich 
unter der Loupe als amorph herausstellte, von dunkel- 
gelber Farbe. 

Bei 100° getrocknet betrug die Gewichtsabnahme: 

I. Von 0,1796 Gramm des Salzes 0,0018 Gramm = 


1,006: 

II. Von 0,2116 Gramm des Salzes 0,0010 Gramm = 
0,47 95. 

Il. Von 0,222 Gramm des Salzes 0,0010 Gramm = 
0,45 9],. | 


Zeitschrift f£. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 26 


402 Georg Koenig: 


Es war hierbei keine äussere Veränderung des Salzes 
wahrzunehmen, und ist diese Gewichtsabnahme wohl nur 
auf anhaftende hygroscopische Feuchtigkeit zurückzu- 
führen: 

Eine Platinbestimmung ergab Folgendes: 

I. 0,1773 Gramm des bei 100° bis zum constanten Ge- 
wicht getrockneten Salzes hinterliessen beim direkten 
Glühen bis zum constanten Gewicht 0,0327 Gramm = 
18,39%, Pt. 

Zwei mit Bleichromat und vorgelegter reduecirter 
Kupferspirale ausgeführte Verbrennungen lieferten von dem 
bei 100° getrockneten Doppelsalze folgende Resultate: 

II. 0,2106 Gramm gaben 0,3468 Gramm CO, = 44,91 %, 
C und 0,0504 Gramm H,0=2,65°%, H; das zurück- 
gebliebene Platin wog 0,0388 Gramm = 18,42 °/,- 

Ill. 0,221 Gramm gaben 0,3646 Gramm CO, = 44,99%, 
C und 0,051 Gramm H,O = 2,56 °/, H, sowie 0,0414 
Gramm Platin = 18,73 %/, Pt. 


Gefunden: 
l. 1. II. 
CE — 44,91 44,99 
H — 2,65 2,56 


Pt 18,39 18,42 18,73. 


Berechnet für: 
(C,, H,;, NO, HCl), Pt Cl.. 


C = 446301, 
H= 2,97%, 
Pt = 18,08 9),. 


Salzsaures Sanguinarin. 
C’. H, NO,. HC. 


Um das salzsaure Sanguinarin darzustellen, erwärmte 
ich die freie Base bis zur vollkommenen Lösung derselben 
mit salzsäurehaltigem Wasser. Aus der blutrothen, mit 
concentrirter Salzsäure versetzten Lösung schied sich das 
Salz in prächtig rothen, etwa 1 ccm langen, dünnen 
Nadeln aus, die, durch Absaugen von der Mutterlauge ge- 
trennt und zwischen Fliesspapier getrocknet, einen seiden- 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 403 


artigen Glanz zeigten. Beim Trocknen bei 100° verloren 
diese Nadeln bis zu 23%, ihres Gewichts. 
Berechnet für: 
Ca, H,; NO, HC +5H3;,0. 
H,0 = 19,58 %- 

Wenn dieser, der wahrscheinlichen Zusammensetzung 
des Salzes entsprechende Werth so erheblich bei den aus- 
geführten Wasserbestimmungen überschritten wurde, so liegt 
der Grund in einem gleichzeitigen Verlust an Salzsäure 
und der dadurch bedingten Zersetzung des Salzes. Letztere 
machte sich sowohl durch den Uebergang der leuchtend 
rothen Farbe in eine mattbraune, als auch dadurch be- 
merkbar, dass sich das Salz nach dem Trocknen, gleich 
dem S.-Chelerythrinhydrochlorid, nicht mehr in Wasser 
oder Alkohol löste, was vorher mit Leichtigkeit der Fall 
war. Ferner spricht für die Annahme eines Verlustes an 
Salzsäure bei 100° der Umstand, dass die von dem jener 
Temperatur ausgesetzten Salze ausgeführten Chlorbe- 
stimmungen bedeutend zu niedrig ausfielen. 

Zur Analyse verwendete ich daher das aus Alkohol 
umkrystallisirte, sich aus diesem Lösungsmittel mehr derb 
und ziegelroth ausscheidende Salz, im lufttrockenen, eben- 
falls Krystallwasser enthaltenden Zustande. Denn auch 
das aus Alkohol umkrystallisirte salzsaure Sanguinarin zer- 
setzt sich beim Trocknen (Verlust 9,60, bezüglich 10,33 %), 
unter Veränderung der Farbe und Chlorwasserstoffverlust. 

Eine durch Zersetzen des mit zerriebenem Silbernitrat 
vermischten Salzes durch rauchende Salpetersäure ausge- 
führte Chlorbestimmung gab folgendes Resultat: 

I. 0,1210 Gramm des Salzes gaben 0,0422 Gramm Chlor- 
silber, entsprechend einen Gehalt von 8,62 °, Chlor. 
EineVerbrennung des Salzes führte zu folgendenWerthen. 

I. 0,1616 Gramm gaben 0,3512 Gramm CO, = 59,27%, 

© und 0,069 Gramm H, 0 = 4,178, H. 


Gefunden: 

1. 106 
— | 
H — 4,78 
Cl 8,62 _—_ 


404 Georg Koenig: 


Berechnet für: 
Ca. H, NO, HCl + 2H;0. 


€ =59,8%, 
H. = .4.030,, 
di —- 859% 
H,0= 8,879;,. 


Bei der Verbrennung wurde die rothe Farbe des 
Salzes zunächst heller und ging über grau fast in weiss 
über; erst dann trat Schmelzen und schliesslich Verkohlen 
der Substanz ein. Es scheint also beim Erhitzen eine 
vollkommene Regeneration des freien Alkaloides unter Ab- 
gabe der Säure stattzufinden. 

Durch Ammoniak wird die wässrige Lösung des salz- 
sauren Sanguinarins farblos unter Abscheidung weisser 
Flocken der freien Base. 


Salpetersaures Sanguinarin, 
CB, NO, EEN®, 

Zur Darstellung des salpetersauren Sanguinarins ver- 
theilte ich die zerriebene Base in heissem Wasser und 
setzte der Flüssigkeit unter Erwärmen so viel Salpetersäure 
zu, als zur Neutralisation nöthig war. Aus der heiss- 
filtrirten und hierauf mit überschüssiger Salpetersäure ver- 
setzten, tiefrothen Lösung schieden sich nach dem Er- 
kalten derselben rothe Nadeln aus, die, von der Mutter- 
lauge getrennt, behufs Umkrystallisation in heissem Alkohol 
gelöst wurden. Aus dieser Lösung schied sich das Salz 
in kurzen, leuchtend rothen Nädelchen aus, die auf einem 
Filter nach dem Ablaufen der Flüssigkeit mit Aether bis 
zum farblosen Abfliessen desselben nachgewaschen wurden. 

Die zwischen Fliesspapier lufttrocken erhaltenen 
Krystalle verloren bei 100° etwa 6,5°, an Gewicht. Da- 
bei ging jedoch die rothe Farbe ebenfalls in Braun über, 
was auf eine Zersetzung auch dieses Salzes unter Säure- 
abgabe schliessen liess. Desshalb führte ich zwei Elementar- 
analysen, deren Resultate hier folgen, von der luft- 
trockenen Verbindung aus. 

I. 0,151 Gramm des Salzes gaben bei der Verbrennung 
mit Bleichromat und vorgelegter redueirter Kupfer- 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 405 


spirale 0,3226 Gramm CO, = 58,26%), C und 0,0592 
Gramm H,O = 4,55 °/, H. 

I. Eine ebenso ausgeführte Verbrennung ergab von 
0,1922 Gramm des Salzes 0,4102 Gramm 00, = 
58,20, C und 0,0748 Gramm H,O = 4,52 °/, H. 


Gefunden: 

IL 11. 
C 5826 58,20 
al 2,8) 4,32 


Berechnet für: 

Ca, H;; NO, HNO, + H3,0. 
O2 og, 
He) 2,540, 
H,0= 434]. 

Aus der wässrigen sowohl, als aus der alkoholischen 
Mutterlauge des Salzes waren durch Eindampfen keine 
weiteren Krystallisationen mehr zu erhalten; es schien da- 
bei, unter Abscheidung von weissen Flocken und von einem 
rothen warzigen Körper, eine Zersetzung einzutreten. 


Homochelidonin. 


Durch Umkrystallisation des harzähnlichen Rück- 
standes, welcher aus den eingedampften, ammoniakalischen 
Mutterlaugen durch Ausschütteln mit Chloroform gewonnen 
war, aus Essigäther erhielt ich eine ziemlich grosse Menge 
weisser, nadelförmiger, bei 156° schmelzender Krystalle, 
die sich in Salzsäure leicht und farblos auflösten. Der 
Schmelzpunkt dieser Krystalle, die Löslichkeit der Base 
in der ammoniakalischen Flüssigkeit, sowie auch das 
sonstige Verhalten derselben legte die Vermuthung nahe, 
dass dieses Alkaloid dem von Selle!) aus Chelidonium 
Majus gewonnenen 8 Homochelidonin verwandt sei. 

Durch wiederholte Umkrystallisation aus Essigäther mit 
geringem Alkoholzusatz verwandelten sich diese Nadeln in 
grosse, gut ausgebildete, rhombo&drische Krystalle, die sich 
jedoch im Schmelzröhrehen nur zum Theil bei 158° ver- 


1) Selle, Inaug.-Dissert. pag. 23. 


406 Georg Koenig: 


flüssigten, während ein kleiner Theil derselben erst bei 
170° schmolz. 


Die bei der Umkrystallisation obiger Base verbliebenen 
Mutterlaugen brachte ich durch Verdunstenlassen des 
Lösungsmittels zur Trockne und löste hierauf den Rück- 
stand, im Verein mit den gelblich gefärbten letzten An- 
theilen der Krystallisation, behufs weiterer Reinigung, in 
salzsäurehaltigem Wasser auf und übersättigte diese Lösung 
mit Ammoniak, wodurch eine weisse käsige Fällung ent- 
stand. Die hierdurch wieder freigemachte Base nahm ich 
alsdann durch Ausschütteln mit Chloroform auf. Den nach 
dem Verdunsten des Chloroforms bleibenden Rückstand 
löste ich darauf in Essigäther, wodurch ich, neben farblosen 
Nadeln, die sich bei weiterer Umkrystallisation, wie oben, 
in tafelförmige (rhomboädrische) Krystalle verwandelten, 
eine relativ grosse Menge weisser Warzen von Protopin 
erhielt. Letztere trennte ich mechanisch von den nadel- 
förmigen Krystallen, löste sie in Chloroform und erhielt 
aus dieser Lösung, nach Zusatz von wenig Alkohol, wenig 
gefärbte nadelförmige, strahlig gruppirte, bei 198° bis 203° 
schmelzende Krystalle. Ueber die Weiterbehandlung dieser 
Krystalle werde ich unter „Protopin“ berichten. 


In den Mutterlaugen dieser Krystalle blieb das aus. 
Chloroform nicht krystallisirende Alkaloid zurück. Ob- 
schon der Schmelzpunkt jener rhomboädrischen Krystalle, 
wie bemerkt, nicht scharf war, schritt ich, bewogen durch 
die einheitliche Ausbildung derselben, zu einer näheren 
Charakterisirung, umsomehr, als diese Base gegen concen- 
trirte Schwefelsäure und Salpetersäure, sowie Fröhdes. 
Reagens dasselbe Verhalten zeigte, wie das von Selle dar- 
sestellte # Homochelidonin. 

Von letzterer Base stand mir durch die Freundlichkeit 
des Herrn Apotheker Dr. Fr. Selle eine grössere Menge zum 
Vergleich zur Verfügung. 

Die aus der Sanguinariawurzel gewonnenen Krystalle 
des fraglichen Alkaloides verwitterten schon bei gewöhn- 
licher Temperatur; sie verloren beim Trocknen bei 100° 
11,6 %/,, bezüglich 10,74%), ihres Gewichtes, 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 407 


I. 0,1982 Gramm der zerriebenen Krystalle verloren, bei 
100° his zum constanten Gewicht getrocknet, 0,023 
Gramm = 11,60 °],- 

II. 0,186 Gramm verloren unter denselben Bedingungen 
0,02 Gramm = 10,75 °J,. 

Die Differenz im Resultate dieser beiden Bestimmungen 
erklärt sich dadurch, dass die letzteren 0,186 Gramm einer 
Probe entnommen wurden, die nach der ersten Bestimmung 
einige Tage aufbewahrt worden waren; es hatte somit auch 
in dem mit Kork verschlossenen Aufbewahrungsgefässe 
eine Gewichtsabnahme stattgefunden. Zwei von den bei 
100% getrockneten Krystallen ausgeführte Verbrennungen 
lieferten folgende Resultate. 

I. 0,166 Gramm gaben mit Bleichromat und vorgelegter 
reducirter Spirale verbrannt 0,415 Gramm CO, = 
68,18 %/, C und 0,0906 Gramm H, O = 6,06 °/, H. 

I. 0,1752 Gramm gaben bei der ebenso ausgeführten 

Verbrennung 0,442 Gramm CO, = 68,80 °/, C und 

0,0958 Gramm H, O = 6,07 /, H. 


Gefunden: 

I; II. 
C 68,18 68,80 
H 6,06 6,07. 


Die von Selle für das # Homochelidonin aufgestellte 
Formel: 

C,; Hz, NO, verlangt: 

& — 68,66%, 
Han: 

Veranlast durch das Verhalten des Sanguinaria- 
Alkaloids im Schmelzröhrchen, nahm ich eine nochmalige 
Reinigung desselben vor, um eventuell vorbandenes Proto- 
pin zur Abscheidung zu bringen. Zu diesem Zweck ver- 
setzte ich diese salzsaure Lösung der Base mit starker 
Salzsäure. Es schieden sich jedoch hierdurch, trotz der 
starken Concentration der Lösung, nur seidenglänzende, 
sehr lockere, strahlig zusammenhängende Krystalle aus, 
wogegen keinerlei Warzen oder derbere Krystalle, wie sie 
für das salzsaure Protopin charakteristisch sind, beobachtet 
werden konnten. Ich verdünnte desshalb die stark saure 


408 Georg Koenig: 


Lösung mit viel Wasser (das ausgeschiedene Salz löste sich 
sehr leicht) und übersättigte diese Lösung mit Ammoniak, 
wodurch nur vorübergehend eine Fällung entstand, die 
sich in einem Ueberschusse des Fällungsmittels wieder 
auflöste. Aus letzterer Lösung extrahirte ich das Alkaloid 
durch Ausschütteln mit Choroform und löste den beim Ver- 
dunsten desselben verbleibenden Rückstand in Essigäther. 
Aus diesem Lösungsmittel schieden sich, ebenso wie früher, 
grosse wasserhelle, sehr gut ausgebildete Krystalle ab. 


Der Trockenverlust dieser Krystalle betrug bei 100° 

11,54 bezüglich 11,64 °/,. 

I. 0,1798 Gramm des zerriebenen Alkaloids verloren, 
bei 100° bis zum constanten Gewicht getrocknet, 
0,0204 Gramm = 11,34 °],. 

Il. 0,529 Gramm verloren unter denselben Umständen 
0,0616 Gramm = 11,64 °],. 


Zwei von der bei 100° getrockneten Base mit 
Bleichromat und vorgelegter redueirter Spirale aus- 
geführte Verbrennungen führten zu folgenden Resul- 
taten: 

Ill. 0,1526 Gramm gaben 0,5846 Gramm CO, = 68,73 %/, 
C und 0,0846 Gramm H,O = 6,16 °/, H. 

IV. 0,1458 Gramm des Alkaloids lieferten 0,3654 Gramm 
CO, = 68,35 °/,C und 0,0782 Gramm H, 0 =5,%°/, H. 


Gefunden: 
l DE II. IV. 
C 68,18 68,80 63,75 68,35 
H 6,06 6,07 6,16 »,95: 


Berechnet für: 
C5, Hy NO;. 
C = 68,66 'o 
Ei = 72m: 

Eine von der nicht getrockneten, kurz vor der Ver- 
brennung zerriebenen Base ausgeführte Elementaranalyse 
gab leider keine Auskunft über die Natur des Körpers, 
welcher das Verwittern, sowie vermuthlich auch die Form 
der Krystalle bedingt. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete, 409 
Vielleicht erklären sich diese Erscheinungen durch 
einen Gehalt der Krystalle an Essigäther, dessen Anwesen- 
heit sich bei der Destillation der mit salzsäurehaltigem 
Wasser bewirkten Lösung der Alkaloidkrystalle ergab. 
Das unter sorgfältiger Kühlung resultirende Destillat zeigte, 
besonders in dem, getrennt von dem Uebrigen aufge- 
fangenen, ersten Antheile, deutlichen Essigäthergeruch. 

Wie die für die getrocknete Base gefundenen Analysen- 
werthe in Uebereinstimmung mit der Formel C, H;, NO; 
sind, so stellte sich obiges Sanguinaria-Alkaloid auch in 
seinem Verhalten gegen Alkaloidreagentien dem $# Homo- 
chelidonin völlig zur Seite. 

Das Alkaloid zeigte, in Substanz gleichzeitig neben 
dem # Homochelidonin behandelt, folgende, vollständig mit 
diesem übereinstimmende Reactionen. 

Cone. Schwefelsäure: Zunächst farblos, dann schön 
violett, welche Farbe vom Rande aus verschwindend in 
ein blasses Gelbbraun überging. 

Salpetersäure: Farblos, dann gelb. 

Fröhdes Reagens: Aus tiefbraunroth über blauviolett in 
dunkelblau übergehend, eine Farbe, die vom Rande her 
erst moosgrün, dann gelb wurde. 

Vanadinschwefelsäure: Aus rothviolett in ein ziemlich 
beständiges indigoblau übergehend, das sich später in 
blaugrün und endlich vom Rande aus in hellbraun ver- 
wandelte. 

Erdmanns Reagens: Ueber blassgelb schnell in ein 
längere Zeit beständiges rothviolett übergehend, das später 
eine schmutzig violette und schliesslich eine schmutziggelbe 
Färbung annahm. 

Der Schmelzpunkt des Sanguinaria-Alkaloids, welches 
ich wegen seiner Aehnlichkeit und theilweisen Ueberein- 
stimmung mit dem # Homochelidonin vorläufig mit der 
Bezeichnung 7 Homochelidonin belegen will, lag nach der 
zweiten Umkrystallisation scharf bei 169°, wenn getrocknet; 
nicht getrocknet fand bei 159% Zusammensintern statt, 
völliges Schmelzen jedoch erst bei 169°. 

Aus der Mutterlauge der letzten Umkrystallisation des 
7 Homochelidonins erhielt ich eine sehr kleine Menge 


410 Georg Koenig: 


büschelig angeordneter, seidenglänzender Nadeln, deren 
Schmelzpunkt entsprechend dem des 8 Homochelidonins, 
welches ich neben jenem im Schmelzröhrchen beobachtete, 
bei 159 Jag. 

Das Verhalten dieser Krystalle gegen Alkaloid- 
reagentien, welches ich neben dem des # und des 7 Homo- 
ebelidonins einer Beobachtung unterwarf, war ebenfalls 
demselben entsprechend, so dass auch 8 Homochelidonin 
in geringer Menge in der Sanguinariawurzel vorzukommen 
scheint. 

Um weitere Anhaltspunkte für den Vergleich des 
y Homochelidonins mit dem # Homochelidonin zu erhalten, 
unterwarf ich die mir von Herrn Apotheker Fr. Selle 
freundlichst zur Verfügung gestellte Menge letzterer Base 
einer Umkrystallisation aus Essigäther, dem ein geringer 
Zusatz von Alkohol gemacht wurde, behandelte dieselbe 
also in der gleichen Weise wie das 7 Homochelidonin. 

Aus der anfänglich ein fein krystallinisches Pulver 
darstellenden Base erhielt ich durch diese Art der Um- 
krystallisation, neben sehr geringen Mengen eines warzigen 
Körpers, grosse tafelförmige Krystalle, die in ihrem Aus- 
sehen völlig mit denen des Sanguinaria-Alkaloides über- 
einstimmten, deren Schmelzpunkt jedoch um 10° niedriger, 
nämlich bei 159° lag. 

Eine weitere Verschiedenheit beider Alkaloide bestand 
darin, dass eine bei 100° ausgeführte Verlustbestimmung 
negativ ausfiel. Die zerriebenen Krystalle des 8 Homo- 
chelidonins verloren, im Wägerohr mehrmals einer Tempe- 
ratur von 100° ausgesetzt, durchaus nichts an Gewicht. 
Dieselben zeigten nach dem Troeknen noch denselben 
Schmelzpunkt wie zuvor, ebenso hatten die Krystall- 
fragmente, unter der Loupe betrachtet, nach dem Trocknen 
nicht das Aussehen eines verwitterten Salzes, wie es bei 
den 7 Homochelidonin-Krystallen der Fall war. 


 Homochelidonin Platinchlorid. 
Un: weiteres Material zum Vergleich des y Homo- 
chelidonins mit dem # Homochelidonin zu gewinnen, stellte 
ich aus einer kleinen Menge ersteren Alkaloids das Platin- 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 411 
doppelsalz in der Weise dar, dass ich die salzsaure Lösung 
desselben so lange mit Platinchloridlösung versetzte, als 
noch ein Niederschlag entstand. 

Der hierdurch erhaltene hellgelbe Niederschlag stellte 
nach dem Auswaschen, Absaugen der Flüssigkeit und 
Trocknen zwischen Fliesspapier ein blassgelbes Pulver dar. 
Zur Ausführung einer Elementaranalyse reichte die darge- 
stellte Menge leider nicht aus, ich musste mich desshalb 
mit der Ermittelung des Wassergehaltes begnügen. 

0,1338 Gramm des luftrocknen Salzes verloren, bei 
100° bis zum constanten Gewicht getrocknet, 0,0058 Gramm 
—A 33.00: 

Es stimmt dieser Werth gut überein mit dem, welchen 
die von Selle angenommene Formel des # Homochelidonin- 
platinchlorids verlangt. 

(O5, H,, NO,;,: HCl, Pt Cl, + 3 H,O. 
H,0=450%). 

Der Platingehalt berechnet sich für diese Formel 
(wasserfreies Salz) zu 17,00 °/,; auch diese Zahl entspricht 
der von mir gefundenen: 17,03 °/, Pt. 

Wegen Mangel an Material war es mir leider nicht 
möglich, weitere Versuche mit diesem Alkaloid anzu- 
stellen. 


Protopin. 


Als Ausgangsmaterial für die nachstehenden an dem 
Protopin gemachten Studien diente mir: 

1) Ein von der Firma E. Merck in Darmstadt stammendes, 
mir durch Herrn Professor Dr. E. Schmidt freundlichst 
übermitteltes Chelidonium-Rohalkaloid. 

2) Eine kleine Menge freier Base, die ich aus dem 
von E. Merck, Darmstadt, bezogenen Sanguinarin dar- 
stellte. 

3) Das von mir aus der Wurzel von Sanguinaria 
Canadensis, auf oben angegebenem Wege, dargestellte 
Protopin. 

4) Eine geringe Menge, unter der Bezeichnung „ge- 
fälltes Protopin“, von E. Merck bezogener, aus Opium dar- 
gestellter freier Base. 


412 Georg Koenig: 


u — 


5) Amorphes, von Fr. Selle aus Chelidonium Majus 
gewonnenes Protopingoldchlorid. 


1) Protopin aus Merck’schem Rohalkaloid. 


Das mir zur Verarbeitung vorliegende Material be- 
stand aus grauen bröcklichen, amorphen Massen. 

Das durch Zerreiben gewonnene Pulver war fast un- 
löslich in salzsäure-, schwefelsäure- und essigsäurehaltigem 
Wasser und Alkohol; ebenso wurde es nicht ohne Rück- 
stand von Chloroform, Essigäther, Petroläther und Schwefel- 
äther aufgenommen. 

Die Reinigung dieses Rohalkaloids gelang durch Be- 
handeln desselben mit Alkohol, und zwar zunächst ohne, 
dann mit Zusatz von Salzsäure. Der in salzsäurefreiem 
Alkohol mit gelblicher Farbe lösliche Theil der Base gab, 
auf Zusatz von concentrirter Salzsäure, ein sich schnell 
zu Boden setzendes weisses Krystallmehl. Die nach einiger 
Zeit davon getrennten Mutterlaugen lieferten beim Ein- 
dampfen noch weitere Mengen desselben Salzes. Zuletzt 
schied sich aus den dunkel gefärbten Laugen eine braun- 
schwarze, harzähnliche Masse ab, die löslich in Chloroform 
und Alkohol, unlöslich dagegen in angesäuertem Wasser 
war; beim Verdunsten des Lösungsmittels blieb sie nur 
amorph zurück. 

Um aus dem durch mehrfache Umkrystallisation ge- 
reinigten, salzsauren Salz die freie Base abzuscheiden, löste 
ich dasselbe in viel siedendem Wasser auf und fällte aus 
dieser Lösung das Alkaloid durch Ammoniak aus. Es 
resultirte hierdurch eine weisse, sich käsig zusammen- 
ballende Fällung, die sich nach dem Trocknen leicht in 
Chloroform mit gelber Farbe löste. 

Nach Zusatz von Alkohol schieden sich aus dieser 
Lösung in reichlichem Maasse nur wenig gefärbte, bei 
136° schmelzende, tafelförmige, dem Schmelzpunkte, sowie 
dem übrigen Verhalten nach aus Chelidonin bestehende 
Krystalle aus. 

Der bei der Behandlung des gepulverten Rohalkaloids 
mit säurefreiem Alkohol zurückgebliebene Antheil wurde 
nunmehr mit heissem, salzsäurehaltigem Weingeist auf- 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 415 


— 


nommen. Bis auf unbedeutende Verunreinigungen ging 
hierbei Alles mit gelber Farbe in Lösung. Nach dem Er- 
kalten schied sich aus letzterer Flüssigkeit ebenfalls ein 
weisses Krystallmehl aus, welches jedoch leichter, als das 
salzsaure Chelidonin, in säurefreiem Alkohol und Wasser 
löslich war. 


Auch dieses Salz wurde nach dem Umkrystallisiren 
in salzsaurer wässriger Lösung durch Ammoniak zerlegt. 
Die freie Base, welche sich mit gelblicher Farbe in Chloro- 
form löste, krystallisirte, nach Zusatz von Alkohol, aus 
dieser Lösung zum Theil in farblosen Krystallen, zum 
Theil aber auch in weissen, in der Mitte vertieften Warzen 
aus. Der Schmelzpunkt beider Ausscheidungen lag bei 
204°; beide waren daher wohl nur als verschiedene Formen 
des haare anzusehen, für welches Selle “ Schmelz- 
punkt bei 205° mel 


Aus den letzten Mutterlaugen des Chelidonins erhielt 
ich ebenfalls noch eine kleine Menge Protopin, welches 
ich, im Verein mit obigem Alkaloide, in der Weise einer 
weiteren Reinigung unterwarf, dass ich die Lösung des- 
selber in Chloroform mit Alkohol versetzte und dann der 
freiwilligen Verdunstung überliess. Aus diesen Lösungen 
schieden sich stets Krystalle und Warzen neben einander 
aus. Die leicht zerreiblichen Krystalle waren von rhom- 
bo@drischer Gestalt, völlig durchsichtig, mit scharfen Kanten, 
und zeigten dieselben nur einen er schwachen Stich ins 
Gelbliche. Die sehr harten, weissen Warzen schieden sich 
besonders am Rande der Lösung aus, und zwar einzeln, 
zu Krusten vereint, oder gleich Schnüren aneinanderge- 
reiht. Aus Chloroform allein scheidet sich das Protopin 
zum grössten Theil als harzähnliche, gelb durchscheinende 
Masse aus. Aus Alkohol allein, in dem sich das Protopin 
schwer löst, ebenso aus Essigäther, mit und ohne Zusatz 
von Alkohol, sowie aus Aceton krystallisirt das Alkaloid 
ebenfalls nicht in einheitlicher Form. Stets resultirten 
Warzen und Krystalle, die allerdings im Schmelzpunkte 
und in den Reactionen scharf übereinstimmten, nebenein- 
ander. Bei 100° verlor das Alkaloid nichts an Gewicht. 


414 Georg Kocnig: 


Die von der freien Base (Warzen sowohl als Krystalle) 

ausgeführten Elementaranalysen ergaben folgende Werthe: 

I. 0,1846 Gramm des bei 100° getrockneten Alkaloids 

gaben, mit vorgelegter redueirter Kupferspirale ver- 

brannt, 0,4642 Gramm CO, = 68,58 °/, C und 0,0888 
Gramm H,O = 5,34 °/, H. 

II. Eine in gleicher Weise von 0,171 Gramm der Base 

ausgeführte Verbrennung lieferte 0,4279 Gramm CO, 

—= 68,240), C und 0,0796 Gramm H,0 —=5,16 °[, H. 

Il. 0,2152 Gramm gaben bei der Verbrennung 0,5394 

Gramm CO, = 68,36 °/), C und 0,1036 Gramm H, 0 = 


5,34%, H. 
Gefunden: 
I. II. II. 
C 68,58 68,24 68,36 
H 5,34 SH 5,34. 


Es stimmen diese Werthe mit denen für die von Selle 
angenommene Formel Ca, H,s NO, nicht besonders 
überein. 

Diese verlangt: 

Er 6.38.0% 
Hi 29,38%: 

Während ich höhere Zahlen für den Kohlenstoff fand, 
bleiben die für den Wasserstoff gefundenen hinter den be- 
rechneten Werthen zurück. 

In besserer Uebereinstimmung sind dagegen die Er- 
gebnisse der Analysen der freien Base, namentlich betreffs 
des Wasserstoffs, mit der Formel C;, H;; NO,, der auch 
die von mir analysirten Verbindungen des Protopins zu 
entsprechen scheinen: 


Ca H;,: NO, 
C = 68,37 1], 
H= 4849]. 


Protopin-Platinchlorid. 

Zur Darstellung dieses Platindoppelsalzes löste ich 
einen Theil der Protopinkrystalle in salzsäurehaltigem 
Wasser und setzte dann zu der filtrirten heissen Lösung 
soviel Platinchloridlösung, als zur vollständigen Ausfällung 


Beiträge znr Kernntniss der Alkaloide ete. 415 
nöthig war. Das Salz schied sich zunächst in gleichmässig 
hellgelben Flocken aus, die jedoch nach dem Erkalten 
und zwölfstündigem Stehen krystallinische Beschaffenheit 
annahmen. 

Auf einem Filterplättchen abgesogen und bis zum farb- 
losen Ablaufen der Waschflüssigkeit mit salzsäurehaltigem, 
später mit reinem Wasser nachgewaschen, wurde das Salz 
auf einer Thonplatte zwischen Fliesspapier getrocknet und 
alsdann als gleichmässiges lockeres, hellgelbes, nicht an- 
haftendes Pulver zur Bestimmung verwendet. 

Bei 100° bis 105° verlor das Salz an Gewicht, das 
erst nach häufig wiederholtem Trocknen constant wurde. 


I. 0,1718 Gramm der lufttrocknen Substanz verloren beim 
Trocknen bei 100° bis zum constanten Gewicht 
0,0094 Gramm = 5,47 °|y. 

I. 0,2426 Gramm verloren unter den gleichen Be- 
dingungen 0,0131 Gramm = 5,39 %],. 

II. 0,1717 Gramm verioren 0,0099 Gramm = 5,76 %),. 

IV. 0,2169 Gramm verloren 0,0125 Gramm = 5,76 °),. 


Gefunden: 
1. 1. II. IV. 
H,0. 5,47 5,39 5,76 5,76. 


Berechnet für: 
(Co Hı, NO, HC, Pt Cl, + 3 H,0. 
H,0=463 '. 
Die Elementaranalyse des bei 100° getrockneten Salzes 
führte zu folgenden Zahlen: 

I. 0,1363 Gramm des Salzes gaben bei der Verbrennung 
mit Bleiehromat und vorgelegter redueirter Kupfer- 
spirale 0,2158 Gramm (CO, = 43,17%, C und 0,0416 
Gramm H,0=3,393% H- 

II. 0,1618 Gramm lieferten bei der Verbrennung 0,2554 
Gramm CO, = 43,04 °{, C und 0,0506 Gramm H,O 
—= 3,47 °/, H. 

Beim direkten Glühen im Tiegel bis zum con- 
stanten Gewicht hinterliessen 
II. 0,1624 Gramm des bei 100° getrockneten Salzes 
0,028 Gramm Platinmetall = 17,24 °/, Pt. 


416 Georg Koenig: 


IV. 0,2295 Gramm gaben 0,0398 Gramm Platin = 17,34 /,. 
V. 0,450 Gramm hinterliessen 0,0774 Gramm Pt = 


10208: 
VI. 0,2044 Gramm gaben 0,0352 Gramm Pt = 17,22 °,. 
Gefunden: 
I. II. III. IV. V. AR 
C 43,17 43,04 — — — — 
H 3,39 3,47 — — — —— 
PL — — 17,24 17,34 17.200 1022 


Berechnet für: 
(Ca Hı, NO, HC, Pt Ü, 
C=4318°%, 
Hr 7 923%% 
Bi 1490 e 


Protopin-Geldehlorid 
a) aus Chelidonium-Protopin. 


Das Protopin- Golddoppelsalz erhielt ich durch Fällen 
der salzsauren Lösung der Base mit überschüssiger Gold- 
chloridlösung. Es fiel dasselbe als flockiger hellbrauner 
Niederschlag aus, der nach dem Absetzenlassen und Ab- 
saugen zwischen Filtrirpapier getrocknet wurde. Obwohl 
sich eine Lösung des Salzes in Alkohol erzielen liess, 
waren jedoch ausgebildete Krystalle nicht aus derselben zu 
erhalten. 

Ich verwendete desshalb zunächst das lufttrockne, hell- 
rothbraune amorphe Salz direkt zur Bestimmung und er- 
bielt dabei folgende Daten: 

Der Schmelzpunkt des Salzes lag bei 182%. Beim 
Trocknen bei 100° verlor das Doppelsalz nur Spuren von 
Feuchtigkeit (0,47 bis 0,48 %,). 

I. Beim Glühen im Porzellantiegel bis zum constanten 
Gewicht hinterliessen 0,1682 Gramm der bei 100° 
getrockneten Verbindung 0,0486 Gramm Gold = 
28,89 90. 

II. 0,244 Gramm lieferten, in derselben Weise behandelt, 
0,07 Gramm Gold = 28,68 PJ,. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 417 


Gefunden: 
1E 11R 
Au 28,89 28,68. 


Da die gefundenen Werthe gegenüber den Ergebnissen 
der Platinbestimmungen zu hoch erschienen, eine Um- 
krystallisation aus Alkohol aber nicht zur sicheren Rein- 
darstellung zu führen schien, so versuchte ich eine 
Reinigung des Salzes auf folgende Weise: Ich löste das 
Salz in möglichst wenig Alkohol auf und fällte dasselbe 
aus dieser Lösung durch Zusatz von viel Wasser wieder 
aus. Hierbei trat jedoch schon nach kurzer Zeit eine 
starke Reduction zu metallischem Gold ein. Desshalb ver- 
setzte ich das in der Flüssigkeit suspendirte Salz mit 
Schwefelwasserstoff, filtrirte vom Schwefelgold ab, verjagte 
aus dem Filtrate den überschüssigen Schwefelwasserstoff 
durch Erwärmen und fällte aus der abermals filtrirten 
Lösung die Base von Neuem mit Goldehloridlösung. Diese 
Fällung, welche von etwas dunklerer Farbe war, als die 
direkt erhaltene, behandelte ich in der oben angegebenen 
Weise. 

0,2346 Gramm dieses Salzes gaben, nach dem Trocknen, 
bei 100°, im Porzellantiegel bis zum constanten Gewicht 
geglüht 0,067 Gramm Gold = 28,55 %. 


b) Aus Sanguinaria-Protopin. 

Auch aus den bei 202° schmelzenden Warzen stellte 
ich in obiger Weise durch Fällung eine geringe Menge 
des Golddoppelsalzes dar; dasselbe war von demselben 
Aussehen, wie das aus dem Chelidonium-Protopin ge- 
wonnene Salz und zeigte auch denselben, bei 182° liegen- 
den Schmelzpunkt. 

Bei 100 bis 105° verlor das lufttrockne Salz 1,15 %/,, 
ein Verlust, der wohl auf anhaftender Feuchtigkeit beruht 
haben dürfte. 

0,1026 Gramm dieses bei 100° getrockneten Doppel- 
salzes hinterliessen beim Glühen im Tiegel bis zum con- 
stanten Gewicht 0,0292 Gramm Gold = 23,46°/,. 


Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1590. 27 


418 Georg Koenig: 


c) Aus Chelidonium-Protopin dargestelltes 
Doppelsalz. 

Weitere Bestimmungen hatte ich . Gelegenheit auszu- 
führen mit einer kleinen Menge des amorphen Golddoppel- 
salzes, welches von Selle aus seinem Alkaloid V (Protopin) 
des Chelidonium Majus dargestellt, und mir von demselben 
in entgegenkommender Weise überlassen wurde. 

Auch dieses Präparat war von rothbrauner Farbe. 

Da ein nochmaliger Versuch, die Löslichkeit des Salzes 
in Alkohol zur weiteren Reinigung desselben zu benutzen, 
besser auszufallen schien, als die früheren mit nur sehr 
geringen Mengen des Doppelsalzes ausgeführten, so löste 
ich die ganze etwa 0,75 Gramm hetragende Menge dieses 
Doppelsalzes in Alkohol und überliess die Lösung nach 
Zusatz von etwas Goldchloridlösung und einiger Tropfen 
Salzsäure der Ausscheidung. 

Dieselbe erfolgte nach längerem Stehenlassen in 
kleinen, dunkelbraunen Warzen, welche an den Wandungen 
und auf dem Boden des Gefässes festsassen. Der Schmelz- 
punkt dieser völlig wasserfreien Krystalle lag bei 193°. 

Die Analyse derselben ergab Folgendes: 


I. 0,2584 Gramm, mit Bleichromat und vorgelegter 
reducirter Kupferspirale verbrannt, gaben an CO;: 
0,331 Gramm —= 34,94 °/, €, an H,O: 0,0722 Gramm 
— 34100, EL: 

Das im Schiffehen zurückgebliebene Gold wog 
0,0736 Gramm = 28,48 °/,. 

H. 0,1986 Gramm des in gleicher Weise verbrannten 
Doppelsalzes gaben 0,2522 Gramm CO, = 34,63 |, C 
und 0,0552 Gramm H, 0 =3,09 %/, H. 

Tl. 0,1426 Gramm des Salzes wurden im Porzellantiegel 
bis zum constanten Gewicht geglüht und hinterliessen 
0,0406 Gramm Gold = 28,47 °/,. 

Gefunden: 
IE u. I. 
GC 34,94 34,63 — 
HH 310 3,09 —_ 
Au 23,48 — 28,47. 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 419 


Berechnet für: 
CH Hr, NO,HC!. Aut, 
C 


ISA 
4 0260 
Au = 28,42. 


Salzsaures Protopin. 


Zur Darstellung des salzsauren Protopins löste ich die 
zerriebenen Krystalle der freien Base in salzsäurehaltigem 
Wasser unter Erwärmen auf. Aus der filtrirten Lösung 
schieden sich nach Zusatz von concentrirter Salzsäure 
feine, sternförmig gruppirte Nadeln aus, die sich nach 
längerer Zeit in rhombo&drische, derbe, den Boden des 
Becherglases als Kruste bedeckende Krystalle umsetzten. 


Auch Selle beobachtete die Thatsache, dass das salz- 
saure Protopin in zwei Formen krystallisirt; er vermutbet 
die Bildung eines wasserhaltigen Salzes neben der von ihm 
zur Bestimmung verwandten derb krystallinischen wasser- 
freien Verbindung. Auch die von mir analysirten, später 
aus alkoholischer Lösung erhaltenen, nadeligen Krystalle 
erwiesen sich als wasserfrei: 

0,3374 Gramm davon verloren, bei 100° bis zum 
constanten Gewicht getrocknet, nur 0,0024 Gramm = 0,71 °|,. 

Allerdings hatten die anfänglich durchsichtigen 
Krystalle schon beim Befreien von anhaftender Feuchtig- 
keit ihre Durchsichtigkeit verloren. 


Wegen Mangel an Material konnte ich leider nicht zu 
sichern, diese Erscheinungen erklärenden Resultaten kommen. 
Vielleicht hängt aber der bei der Elementaranalyse zu 
hoch gefundene Wasserstoffgehalt damit zusammen. 


Da die aus wässriger Lösung des Salzes erhaltene 
Krystallisation noch schwach gelb gefärbt war, auch eine 
nochmalige Umkrystallisation aus Wasser zu keiner grösseren 
Reinheit führte, versuchte ich letztere aus alkoholischer 
Lösung zu erreichen. 

96 iger Alkohol löste das Salz, wenn auch schwer, 
auf; leichter ging die Lösung von Statten, als ich dem 
Alkohol etwas Wasser zusetzte. Aus letzterer Lösung 


277 


420 Geore Koenis: 


krystallisirte das Salz in feinen, vollkommen farblosen 
Nadeln, die zu lockeren Sternen gruppirt waren. 

Ich lasse bier das Ergebniss zweier Verbrennungen 
folgen, welche von dem bei 100° bis zum constanten Ge- 
wicht getrockneten Salze ausgeführt wurden. 

I. 0,1723 Gramm des Salzes gaben, mit Bleichromat 
und vorgelegter redueirter Kupferspirale verbrannt, 
0,3926 Gramm CO, = 61,96 °|, € und 0,0934 Gramm 
15,0 0600%, DH: 

I. 0,1620 Gramm gaben unter gleichen Bedingungen 
0,3668 Gramm CO, = 61,75), C und 0,0844 Gramm 
3,0 = 5,28. H- 


Gefunden: 

ı% 1I. 
C 61,96 61,75 
H 6,00 5,78. 


Berechnet für: 
C9 Hr NO, HCl. 
= 61,93 Yh 


sin ke 
I 
> 

{ep} 

in 


2) Aus käuflichem Sanguinarin dargestelltes 
Protopin. 

Das Vorkommen des Protopins, dieser, wie es scheint, 
in den Papaveraceen nicht seltenen, aber stets in sehr ge- 
ringer Menge sich findenden Base, ist durch die vor- und 
nachstehenden Untersuchungen auch in der Sanguinaria- 
wurzel als constatirt zu betrachten. 

Sowohl das aus dem käuflichen Sanguinaria-Rohal- 
kaloid, als auch das direct von mir aus der Wurzel dar- 
gestellte Alkaloid, auf dessen Aehnlichkeit und wahrschein- 
liche Identität mit dem Protopin ich im Vorstehenden öfter 
hingewiesen habe, stellt sich dieser Base in allen ihren 
Eigenschaften völlig zur Seite. Sowohl die Analysen der 
freien Base, als die der aus derselben dargestellten Ver- 
bindungen stehen mit denen, welche vom Chelidonium- 
Protopin und seinen Verbindungen ausgeführt wurden, im 
Einklange; ebenso stimmten die Reactionen, welche ich 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 421 


nebeneinander mit Protopin beider Provenienz ausführte, 
völlig mit einander überein. 

Schwefelsäure: Färbt blauviolett, welche Farbe über 
rothviolett in schmutzig violett übergeht, dann grün und 
schliesslich gelb wird. 

‚Salpetersäure: Färbt gelb. 

Erdmanns Reagens: Färbt gelb, schön blauviolett, 
schmutzig violett, grün, zuletzt gelb; alle Uebergänge 
wenig beständig. 

Fröhdes Reagens: Sofort prächtig dunkelblauviolett, 
vom Rande aus grün, dann gelb. 


Vanadinschwefelsäure: Ueber rothviolett in ein ziem- 
lich beständiges Azurblau übergehend. 


Nachdem ich das aus käuflichkem Sanguinarin ge- 
wonnene Protopin durch Ueberführen in das salzsaure 
Salz und Umkrystallisiren desselben aus alkoholischer 
Lösung genügend gereinigt hatte, löste ich die wieder ab- 
geschiedene freie Base in Chloroform. Nach Zusatz von 
Alkohol erhielt ich aus dieser Lösung das Alkaloid in den 
farblosen, tafelförmigen, für das Protopin charakteristischen 
Krystallen, denen nur wenige weisse Warzen beigemengt 
waren, die gleich jenen bei 204° schmolzen. Aus Aceton, 
worin sich die Base ziemlich schwer löste, schieden sich 
ebenfalls, neben wenigen Warzen, sehr gut ausgebildete, 
farblose Krystalle aus, die jedoch octaedrische Form hatten, 
und deren Schmeizpurkt bei 207° "lag; ebenso hoch 
schmolzen nun auch die gleichzeitig erhaltenen Warzen. 
Für das reine Alkaloid scheint dieser Schmelzpunkt (207°) 
der richtige zu sein, denn auch das, aus der Sanguinaria- 
wurzel dargestellte Protopin schmolz nach vielfachem Um- 
krystallisiren, aus Aceton und aus Alkohol, ebenfalls bei 
2079. 

Eine Verbrennung der zerriebenen, aus Aceton er- 
haltenen, und ber’ 100° ohne Verlust getrockneten Krystalle 
ergab, ausgeführt mit Kupferoxyd und vorgelegter redueirter 
Kupferspirale, Folgendes: 

0,2096 Gramm lieferten 0,5212 Gramm CO, = 67,819, 
und 0,096 Gramm H, 0 = 5,08 9], H. 


422 Georg Koenig: 


Gefunden: 
Een 
HR == 5,030R. 


3) Protopin, dargestellt aus Radix Sanguinariae 
Canadensis, 

Das in der von mir verarbeiteten Sanguinariawurzel 
enthaltene Protopin fand sich zum Theil in der Rohalkaloid- 
fällung, welche durch Ammoniak aus den essigsauren 
Auszügen der Wurzel erhalten wurde, zum Theil neben - 
dem y Homochelidonin, gelöst in den ammoniakalischen 
Filtraten. 

Die Art und Weise, wie es mir in beiden Fällen ge- 
lang, das Protopin zu isoliren, habe ich bereits in dem 
Abschnitt über das Darstellungsverfahren der anderen 
Sanguinaria-Alkaloide beschrieben. 

Um das Protopin rein zu erhalten, verfährt man am 
besten in der Weise, dass man die in das salzsaure, oder 
schwefelsaure Salz übergeführte Base zunächst in dieser 
Verbindungsform einer wiederholten Umkrystallisation aus 
verdünntem Alkohol unterwirft und dann das, aus diesen 
Salzlösungen durch Ammoniak wieder gefällte Alkaloid in 
die bei 207° schmelzenden Warzen oder Krystalle überzu- 
führen versucht. 

Zu diesem Zwecke kann man sich eines Gemisches 
aus Chloroform und Alkohol, des Alkohols allein, des 
Essigäthers, oder auch des Acetons bedienen. In allen 
diesen Flüssigkeiten ist das Protopin löslich, die Krystalli- 
sationsfähigkeit ist jedoch eine sehr wechselnde, und, wie 
es scheint, von Zufälligkeiten abhängige. 

So war z. B. das aus der Sanguinariawurzel darge- 
. stellte Protopin aus Chloroform mit Alkohol und aus Essig- 
äther nur in Warzen, nicht in Krystallen, zu erhalten. 
Aus Aceton schieden sich drei kleine Krystalle aus, die 
mit den aus Merck’schem Sanguinarin, durch Umkrystalli- 
siren aus Aceton gewonnenen Protopinkrystallen im Aus- 
sehen völlig übereinstimmten und auch ebenso wie jene 
bei 207° schmolzen. Das übrige, warzig ausgeschiedene, 
bei 202° schmelzende Alkaloid war, selbst durch mehr- 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 425 


faches Wiederauflösen in Aceton, aus diesem Lösungs- 
mittel nicht in der gedachten Krystallform zu erhalten. 
Schliesslich führte hier die mehrmalige Lösung desselben in 
Alkohol zum gewünschten Ziele; aus letzterem erhielt ich 
eine grössere Anzahl gut ausgebildeter, rhombo&edrischer, 
bei 207° schmelzender Krystalle, neben Warzen von 
demselben Schmelzpunkt. Analysirt habe ich von dem, 
aus der Sanguinariawurzel gewonnenen Protopin die aus 
Essigäther erhaltenen, völlig weissen, bei 202° schmelzen- 
den Warzen; hierbei erhielt ich folgende Daten: 

I. 0,2150 Gramm der bei 100° ohne Verlust getrockneten 
Base gaben bei der Verbrennung mit Kupferoxyd und 
vorgelegter reducirter Kupferspirale 0,5541 Gramm 
CO, = 67,75 °/, C und 0,100 Gramm H, OÖ = 5,16 °/, H. 

II. Eine von 0,2802 Gramm in derselben Weise ausge- 
führte Elementaranalyse gab 0,6978 Gramm (CO, — 
67,920), C und 0,1320 Gramm H,O =5,23°[, H. 

Gefunden: 
I. II. Ill. (aus Sang. Merck) 
C 67,75 dar oe 
ERS 5,28 5,08. 
Berechnet für: 


Ca, Hır NO, 
C = 68,37 97, 
H nn 4.84 Yıas 


Herr Professor Dr. Hans Meyer hatte die Liebens- 
würdigkeit, das von mir aus der Sanguinariawurzel isolirte 
Protopin neben solchem anderen Herkommens auf seine 
physiologischen Wirkungen zu prüfen, und theilt darüber 
Folgendes mit: 

Das Protopin unterscheidet sich in seiner physiologischen 
Wirkung von den übrigen im Chelidonium vorkommenden 
Alkaloiden sehr wesentlich: Frösche werden durch 5 bis 
6 Milligramm Protopin vollkommen zgelähmt, wobei jedoch 
die Centren willkürlicher Bewegungen und der Empfind- 
ungen und Reflexe erst in letzter Instanz in Betracht 
kommen, vielmehr ist es einerseits das Rückenmark, 
andrerseits die motorischen Nervenendigungen und auch 


424 Georg Koenig: 


die Muskelsubstanz selbst, welche von der Paralyse be- 
troffen werden. 

Ein mit Protopin vergifteter Froschmuskel antwortet auf 
Reizung mit dem indueirten Strom nicht, wie normal, mit 
Tetarus, sondern mit klonischen, zum Theil fibrillären 
Zuckungen. 

Auf Säugethiere gleicht die Protopinwirkung nahezu 
vollständig der des Camphers, nur ist dieselbe sehr viel 
stärker: schon 2 bis 4 Centigramm rufen an Katzen und 
Kaninchen ausserordentlich heftige, oft stundenlang sich 
periodisch wiederholende, epileptische Krämpfe hervor, 
nach deren Aufbören die Thiere sich vollkommen erholen 
können. Auch die Veränderungen der Athmung und des 
Kreislaufs sind dieselben, wie bei der Camphervergiftung. 

An Fröschen ruft bekanntlich Campher, sowie das 
Protopin ebenfalls, nur Lähmung des Rückenmarks und der 
motorischen Nervenendigungen hervor, sodass die pharma- 
kologische Aehnlichkeit beider Gifte eine sehr auffallende 
ist; nur die direet muskellähmende Wirkung des Protopins 
bildet ein unterscheidendes Merkmal. 


4) Von E. Merck, Darmstadt, bezogenes, aus Opium 
gsewonnenes Protopin. 

Dieses, ein krystallinisches, weisses Pulver darstellende 
Präparat, das bei 198° zu einem braunen Liquidum zu- 
sammenschmolz, löste ich, behufs Reingewinnung der Base, 
in Aceton. Dabei blieb ein geringer weisser, ebenfalls 
krystallinischer Rückstand. Aus der Lösung schied sich 
das Alkaloid in weissen, bei 202° schmelzenden Warzen 
aus, die sich gegen allgemeine Alkaloidreagentien in der 
unter „Sanguinaria-Protopin“ angegebenen Weise verhielten. 

Aus der von den Warzen abgeflossenen Mutterlauge 
schieden sich feine, seidenglänzende, bei 156° schmelzende, 
vermuthlich aus Homochelidonin bestehende Nadeln aus, 
deren jedoch so wenige waren, dass ihre Menge zu einer 
näheren Charakterisirung nicht ausreichte. Eine Um- 
krystallisation des aus Aceton ausgeschiedenen Alkaloids 
aus Alkohol führte zu Warzen, welche bei 205° schmolzen. 
Leider gelang es mir nicht, den höheren Schmelzpunkt 


Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 425 


(207°) zu erreichen, da die mir zur Verfügung stehende 
Menge der Base zu weiteren Reinigungsversuchen eine zu 
geringe war. Es ist jedoch anzunehmen, dass durch ge- 
nügende Reinigung auch das aus dem Opium gewonnene 
Protopin in ein, dem der Sanguinariawurzel, sowie dem 
Chelidonium entstammenden, gleiches Produkt überführt 
werden kann. Ebenso kann es nach dem Gesammtver- 
halten der Protopine verschiedenen Ursprungs nicht zweifel- 
haft sein, dass die aus Chelidonium Majus, Sanguinaria 
Canadensis und aus Opium isolirten Protopine identisch 
sind. 


Eine Zusammenfassung der hauptsächlichsten Resultate 
dieser Arbeit möge den Schluss derselben bilden: 


Die medieinische Anwendung der Sanguinariawurzel, 
sowie ihre Wirkung auf den Organismus beruht nicht, wie 
man bisher annahm, auf dem Vorhandensein nur eines 
Alkaloides; es kommt darin vielmehr eine grössere Anzahl 
verschiedener Alkaloide vor, von denen einige mit den 
aus der Chelidoniumwurzel isolirten identisch sind. 


In verhältnissmässig grosser Menge enthält die 
Sanguinariawurzel das mit Säuern eitronengelbe Salze 
gebende Chelerythrin; in etwas geringerer Menge das mit 
Säuern rothgefärbte Salze liefernde Sanguinarin, zwei zwar 
verschiedene Basen, die jedoch in ihrem Gesammtverhalten 
gewisser Analogien nicht entbehren. Diese, wie die Eigen- 
schaft, mit Säure gefärbte Salze zu geben, und die Eigen- 
thümlichkeit beider Basen, im freien Zustande mit einem 
Gehalt an Alkohol zu krystallisiren, sind darauf zurück zu 
führen, dass das Chelerythrin (C5s, H,; NO,) und das 
Sanguinarin (Cs, H,,; NO,) als Glieder einer homologen 
Reihe aufzufassen sind. 

Das Sanguinarin des Handels ist ein, Verunreinigungen 
enthaltendes, Gemenge sämmtlicher Sanguinaria - Alkaloide. 


Das Chelerythrin der Sanguinariawurzel ist identisch 
mit dem Chelerythrin des Chelidonium Majus; anderseits 
scheint auch in dem Saite dieser Pflanze Sanguinarin in 
geringer Menge enthalten zu sein. 


426 Georg Koenig: Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 


Ausser den genannten Alkaloiden enthält die San- 
guinariawurzel y-Homochelidonin, eine Base, welche dem 
im Chelidonium vorkommenden $-Homochelidonin sehr nahe 
steht, sowie endlich Protopin. Dieser Base scheint, nach 
den diesbezüglichen Untersuchungen, nunmehr die Formel 
C;, Hır NO, zuzukommen; und zwar sowohl dieser in der 
Sanguinariawurzel vorkommenden Base, als dem aus dem 
Sehöllkraut und dem Opium isolirten Protopin. 

Es gelang mir, die Identität dieser Protopine ver- 
schiedener Provenienz nachzuweisen. Um über die in der 
Sanguinariawurzel gefundenen Alkaloide nach den für die- 
selben gefundenen Formeln einen Ueberblick zu gewähren 
und gleichzeitig ihre Vergleichung mit der Zusammen- 
setzung der von Selle untersuchten Chelidoniumbasen zu 
erleichtern, sowie, um den Zusammenhang zwischen den 
Formeln der Sanguinariaalkaloide mit denen der Cheli- 
doniumbasen zur Anschauung zu bringen, lasse ich nach- 
stehend eine Zusammenstellung dieser Formeln folgen: 


Chelidonin Co Hıs NO; 
&-Homochelidonn Cs, Hs, NO, } Selle 
6- n Ca H;, no, | 

U n Ca, H;, NO, 
Chelerythrin EC, HT-NO, ; 
Sanguinarin DO HENO, en 


Protopin ey Ei NO; 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


Mäügge und Müller, Ein neuer Orthoklaszwilling aus dem 
Fichtelgebirge. Zeitschrift für Krystallographie 17. $. #55 
bis 486 und Neues Jahrbuch für Mineralogie. Bd. I. 
$. 85. 1890. | 

Müller beschrieb in der Zeitschrift für Krystallographie 
einen Orthoklaszwilling, bei welchem die Basis O0l bei- 
den Individuen gemeinsam ist, während am ersten die 
gleichnamigen Enden der Klinoaxen unter 127°49‘ zu ein- 
ander geneigt sind, sind es am zweiten die ungleichnamigen; 
sie sind bei Vorwalten von 001 nach der Klinoaxe gestreckt. 

Aus diesen Verhältnissen folgt nach Müller als Zwillings- 

fläche 863 für den ersten Fall. Mügge deutet diesen Zwil- 

ling dagegen als: Zwilling nach der Zwillingsaxe 430 : 001; 

er ist nach der Halbirungsebene des stumpfen Winkels der 

Klinopinakoide symmetrisch. Die Kante 430:001 ist nach 

der Rechnung zu der Klinodiagonale unter 63° 51,5‘ ge- 

neigt; die Messung ergab 63° 54,5‘. Bei der zweiten Ver- 
wachsung wird die Zwillingsaxe die Kante 130 : 001; die 

Neigung dieser Kante zu der Klinodiagonale berechnet sich 

zu 26° 59,5‘; die Messung ergab 26°%5,5‘. Beide Zwillings- 

axen bilden mit einander einen Winkel von 90° 59,8%. 
Halle a. S. Luedecke. 


A. Sauer und N. V. Ussing, Ueber einfachen Mikroklin 
aus dem Pegmatit von Gasern unterhalb Meissen, Zeitschrift 
für .Krystallographie. Bd. 18. $. (192—208). 

In der Nähe von Meissen wird das grosse Lausitzer 

Granitterritorium durch die Thäler der Elbe, Triebisch 


428 I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 


u. a. so erschlossen, dass man die Gesteine sehr genau 
studiren kann. A. Sauer verdankt man eine sehr genaue 
Beschreibung dieser Gegend und eine von der geologischen 
Landes - Anstalt in Sachsen herausgegebene wundervolle 
Karte (vergl. nächstes Heft). 

Im Syenitgranit des Gasernthales bei Meissen bei den 
sogenannten Klosterhäusern finden sich typische Mikro- 
klinperthite als pegmatitische Hohlraumausfüllungen. Auf 
001 beobachtet man schon mit blossem Auge Albitschnüre, 
in Schliffen auf 001 zeigt er sich aber vollkommen frei 
von Gitterstructur und ist stets — von Albitschnüren ab- 
gesehen — vollkommen homogen. Das Maximum der 
Auslöschung auf O0L ist zur Trace von 010 15—16° und 
auf 010 zur Trace von 001 5°; also vollkommen dem ent- 
sprechend, was man vom Mikroklin angiebt. 

Die Analyse ergab Kieselsäure 65,33, Thonerde 19,09, 
Kali 13,50 und Natron 2,42, Kalk Spur. Mit Hülfe von 
Methylenjodid wurden wenigstens die gröberen Albit- 
partikeln entfernt; dennoch sind, wie die Analyse zeigt, 
noch 21°, Albit beigemengt. 

Neben grossen einfachen Krystallen zeigt er auch 
Bavenöer-Zwillinge. 


Ussing stellt fest, dass Des Cloizeaux 
001 : 010 —= 89° 18°’—89° 46° 890 44° 
110,001 167.092; 630 22° 
14102010. 261.0, 087 1t. 60) 58° 


Aus den Angaben Des Cloizeaux’s berechnete der 
Autor sodann die Neigung der Ebenen der Rlastieitätsaxen 
zu den geometrischen Hauptschnitten unter der Annahme 
von 001 :010 = 90°, welche die Werthe unter I ergaben; 
die Lage der Ebenen der Elastieitätsaxen für Natriumlicht 
stellte Ussing sodann durch Versuche und Rechnungen fest, 
vergl. unter 1. 

IL; tl. 
(DEOERODN 540 8305 
2010, 106.822 210610, 01% 
(a2 = 102 al 
A007 - 7.900 309, 0 92 


I 


I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 429 


(ab) 2001 =], 0 799 48° 

: 010 zu 170 48 

001 : (01 IHR 
Mit Hülfe von Platten senkrecht zur Mittellinie und 
parallel den optischen Hauptschnitten (b c), (a 6) und 
parallel der optischen Axenebene fand er mit dem Axen- 
winkelapparate und dem Babinet’schen Compensator die 

Breehungsexponenten für Natriumlicht 
“« —= 1,5224 


I 


| 


und den Axenwinkel 


Halle a. S. Luedecke. 


Liebetrau, E., in Gotha, Beiträge zur Kenntniss des unteren 
Muschelkalk:s bei Jena. Zeitschrift d. deutsch. geolog. Ge- 
sellschaft. 8. 717. 1889. 

Die Kalksteine des unteren Muschelkalks bestehen aus 
Caleit, Cölestin, Eisenkies, Thon, Quarz und Glimmer, 
seltenere accessorische Mineralien sind Zirkon, Rutil, Brookit 
und Turmalin. Was die Bezeichnung der Structur angeht, 
so folgt er darin Lang und nennt anisomer solche massige 
Kalksteine, in welchen die Caleitindividuen zweierlei Korn- 
grössen besitzen; unter diesen unterscheidet er wieder drei 
Abtheilungen: wenn makromere und mikromere Caleitindi- 
viduen im Gleichgewicht ausgebildet sind, so hat man 
anisomere Structur im vollen Sinne des Worts; wiegen 
mikromere Caleite vor, so hat man porphyrische Structur, 
überwiegen dagegen makromere, so nähern sich diese 
Kalksteine schon den isomeren Kalken, bei welchen eine 
gleiche Korngrösse der Kalkspathindividuen beobachtet 
wird; ebenso stellt sich isomere Structur ein, wenn sie nur 
aus mikromeren Caleitindividuen aufgebaut sind. Die 
mikromeren Körner sollen 0,01 mm Durchmesser, dagegen 
die makromeren 0,04 mm haben. Die porphyrische Varie- 
tät der anisomeren Structurvarietät verdankt gewöhnlich 
secundären Einwirkungen ihre Entstehung. 


430 I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 


Der massigen Structur steht die Parallel-Structur 
gegenüber, welche aber niemals das zeigt, was Pfaff 
früher abgebildet hat, nämlich, dass die Kalkspathkörner ihrer 
grössten Ausdehnung nach sich parallel an einander lagern. 
Nur eine lagenweise Verschiedenheit der Körner lässt sich 
erkennen; auch Petrefacteneinlagerungen und local zonen- 
artig angehäufte Uebergemengtheile (Glimmer) rufen die 
Parallelstructur hervor. Die letztere geht besonders in 
den „untersten ebenen Kalkschiefern“ dadurch, dass grosse 
Kalkspäthe von Glimmerhüllen eingehüllt werden, in 
Flaser- oder Augenstruetur über. 

Lagenweise Structer wird besonders den obersten 
Lagen der unteren ebenen Kalkschiefer E. Schmids durch 
Einlagerung von Eisenverbindungen (Ferrit und Eisen- 
Carbonat), welche auch Foraminiferen einschliessen, ertheilt; 
diese Kalksteine haben hier auch meistens typische Oolith- 
struetur. Nodosaria und Cornuspira bilden neben Kalk- 
spathkörnern und anderen organischen Bruchstücken den 
Mittelpunkt der Oolithkörner. Daneben finden sich Kalk- 
spathaggregate, umschlossen von einer Hülle feinkörnigen 
Caleits und Pseudooolithe (Bornemann). 

Die Gesteine des unteren Wellenkalks, die Wellen- 
kalke, zeigen richtungslose isomere Structur, welche nicht 
primär ist, nur die festeren zeigen anisomere Struetur, 
welehe mit Foraminiferenführung verbunden ist. 

Schmitzenartig eingelagerte Thonmasse macht sie flasrig, 
manche sind eisenkiesreich ; Zirkon findet sich mehr in den 
unteren Schichten, als in den oberen. 

Lumachelle bestehen aus einer Grundmasse und den 
in dieser angehäuften organischen Resten; die Grundmasse 
ist bald isomer, bald anisomer. Brachiopoden-, Lamelli- 
brauchiaten-, Gasteropoden-, Crinoiden- und Foraminiferen- 
reste wurden sehr häufig constatirt; besonders merkwürdig 
ist in diesen Schichten der grosse Reichthum an Cölestin 
und die geringe Verbreitung verschleppter Mineralien. 

Die genaue Untersuchung der Gerölle in den conglome- 
ratischen Kalksteinen ergab, dass wirklich typische Ge- 
rölle vorlagen; die Abstammung derselben ist zweifelhaft; 
die hauptsächliehsten Conglomeratbildungen finden sich 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 431 


zwischen der oberen und unteren Terebratelbank. Von 
organischen Resten fanden sich Encriniten und Foramini- 
feren. 

Der Hauptantheil dieser Schichten kommt klastischen 
Elementen zu, denen die Gerölle und wahrscheinlich der 
kleinkörnige Kalkspath angehören; ihm schliessen sich die 
organischen Reste als zweiter Bestandtheil an, während 
Inerustationskränze und die Gerölle einen primären 
chemischen Absatz repräsentirten, dem ein Theil des 
krystallinen Cäments noch beizufügen ist, obgleich die 
Hauptmasse desselben aus einer secundären Zersetzung 
resultirt. 

Was die ausführlichen mikroskopischen Details und die 
Tabelle anbetrifft, muss auf das Original verwiesen werden. 


Halle a. S. Luedecke. 


Schillbach, Hans, aus Jena, Mikroskopische Untersuchung 
des Wellenkalks bei Jena, Inauguraldissertation. Jena 1890. 

Eine geschichtliche Einleitung bildet den Eingang der 
Arbeit; hier werden die Ansichten Quenstedts, v. Strom- 
becks, Ecks, Knops, Bornemanns und Franzens 
über die Bildung der Hohlräume des Schaumkalks mitge- 
theilt; dann folgt die makroskopische Beschreibung des 
Materials vom Schneckenberge. Im Schwabhäuser Grund 
wird der Schaumkalk überlagert von dünnschichtigem 
Wellenkalk; die oberste Lage des ersteren ist 30 cm 
mächtig, in welcher man 5 Lagen übereinander unter- 
scheiden kann; die unterste und stärkste zeichnet sich 
durch ihren Reichthum an Crinoiden Stielgliedern und 
Bruchstücken von Lamellibranchiaten aus; diese Schicht 
keilt sich aber bald aus. Unter derselben beginnt die 
Hauptmasse des Schaumkalks 2,5 m mächtig. Sie zeigt 
bis zur Mitte reichende, von oben nach unten an Deutlich- 
keit zunehmende discordante Parallelstruetur. Der 
untere Theil wird von massigem fossilarmen Kalke ge- 
bildet. Auf der andern Seite des Schneckenbergs wird der 
Schaumkalk von kleinen Verwerfungen durchsetzt. Er be- 


432 I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


ginnt mit einer 12 em mächtigen Schicht reinen Schaum- 
kalks, welche sich mitten im Bruche auskeilt. Darunter 
folgt eine Stylolithenschicht von !/;—3 cm, die mit dem 
sich auskeilenden Schaumkalk ebenfalls verschwindet; 
darunter folgt die Hauptmasse desselben 1,23 m mit deut- 
licher discordanter Parallelstructur. 

In der untersten 40 em mächtigen Bank finden sich 
neben dem Schaumkalk noch Einlagerungen, welche den- 
selben in drei Theile zerlegen. Zu oberst findet sich 
10 em mächtig reiner Kalkspath mit Muschelbruchstücken 
und Conglomeraten, welche einem mergeligen, schiefrigen 
Gestein von dunkelblaugrauer Farbe angehören; dieselben 
sind an ihrer Oberfläche gekritzt. Die mittlere und untere 
Partie führen Muscheln. Die Präparate wurden durch 
Kochen in Canadabalsam in der bekannten Weise her- 
gestellt. 

Die dichte Wellenkalkmasse des Hangenden vom 
Schaumkalk im Schwabhäuser Grund zeigt deutlich in 
feinkörnig krystallinischer Grundmasse von Kalkspath viele 
mikroskopisch kleine Gerölle von eckiger, z. Th. langge- 
streekter ellipsoidischer Form; daneben treten grössere 
Kalkspathkörner mit Zwillingslamellen, welche von opaken 
Rändern umgeben sind, auf; ob sie Rollkörner oder Aus- 
füllung von Hohlräumen sind, bleibt ungewiss. 

Die Schliffe des Schaumkalks zeigen ebenfalls eine 
feinkörnig krystallinische Grundmasse, in welcher fast nur 
echte oolithische Gebilde und Hohlräume sich befinden. 
Die Kerne der concentrisch strabligen Oolithe werden z. Th. 
von Foraminiferen, z. Th. von Kalkspathkörnern gebildet. 
Helle und dunkle Zonen umschliessen die Kerne in mannig- 
facher Anzahl und mehr oder weniger trübem Aussehen; 
eine dunkle Zone schliesst stets das Oolithkorn gegen die 
Grundmasse ab. 

Vielfach ist der Inhalt des Oolithkorns durch hellere 
seeundäre Kalkmasse ersetzt. In den hohlen ausge- 
laugten Oolithen sitzen auf dem Rande der Höblung Kalk- 
spathkrystalle, deren Form z. Th. 3R ist. Neben den 
eigentlichen Oolithen finden sich Kalkspath - Aggregate, 
welche sich im Gegensatz zu diesen von der Grundmasse 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 433 


nur wenig abheben. Vielfach finden sich in den Oolithen 
Eisenoxydverbindnngen abgelagert. Alle Oolithe, Caleit- 
aggregate etc. liegen regellos nebeneinander. Der 
mieroscopische Charakter der darunterfolgenden Schaum- 
kalkschicht mit discordanter Parallelstruetur ist ganz 
anders: die oolithischen Gebilde verschwinden voll- 
kommen. Rundliche Calcitaggregate, z. Th. von einer 
trüben dünnen Hülle umgeben, und kleine kugelige Gerölle 
treten auf in heller Grundmasse. Beide Formen bilden mit 
thonigen Flocken dunkler gefärbter Grundmasse dunkle 
Streifen; die helleren Partieen bestehen aus reiner Caleit- 
grundmasse und hohlen Caleitkränzen mit zarter dunkler 
Hülle. Die unterste Schaumkalkschicht besteht aus fein- 
körniger Caleitgrundmasse. Ueberall umschliesst die 
Schaumkalkgrundmasse Eisenglanz und gelb und braun 
durehscheinende Klümpchen und Blättchen von Bitumen, 
wie schon Bornemann zeigte; auch S. hat dieses durch 
Analyse nachgewiesen. (Dieselbe zeigte auch, dass der 
Schaumkalk nur 2°, Magnesia enthielt.) Daneben finden 
sich Thon und Quarzkrystalle; letztere waren abgerollt 
und zeigten Flüssigkeitseinschlüsse und Glaukonit; daneben 
birgt die Grundmasse auch Glimmer; Zirkon, Rutil, Anatas 
und Turmalin, wie sie die Wellenkalke von Jena nach 
Liebetrau führen, wurden vollständig vermisst. Dagegen 
fand sich auch hier Cölestin. 

Die Präparate von der ONOÖ-Seite des Schneckenbergs 
sind selbst da, wo sie von den dunklen Streifen durch- 
schnitten werden, viel klarer, als die vorigen. Die Poren 
erscheinen als kugelige oder langgestreckte Hohlräume, 
welche durch einen dunklen Rand gegen die Calcitgrund- 
masse abgegrenzt sind; z. Th. sind sie von einem Kranze 
farbloser oder gelbgefärbter Caleitindividuen umgeben. 
Vereinzelt neben den Hol:lräumen treten auch rundliche, 
trübe Aggregate von Kalkspathkryställchen auf, welche da, 
wo der Uebergang in die dunkle Zone erfolgt, an Zahl zu- 
nehmen, um in der Mitte derselben das Maximum zu er- 
reichen. Wodurch eigentlich die Trübung und dunkle 
Farbe hervorgebracht wird, hat der Autor nieht ausfindig 
semacht; er schreibt sie feinst vertheilten Thonpartikelchen 

Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 28 


434 I. Sächsiseh-Thüringische Literatur. 


zu. Alle Präparate der 1,25 m mächtigen Bank zeigten 
dasselbe. 

Mit der untersten 40 em mächtigen Schicht ändert 
sich der Habitus vollständig. Die Conglomerate werden 
hier vollständig umschlossen von dichtgedrängt stehenden 
Kalkspathkrystallen, welche in einer Grundmasse von 
grossen Kalkspathen liegen der Art, dass die Gerölle sich 
leicht von der Grundmasse trennen lassen. 


Die Conglomerate sind sehr feinkörnig aus kleinsten 
Kalkspathen aufgebaut und zeigen am Rande vielfach 
Rillen, welche vom Transport herrühren; andere sind durch 
den Transport vollkommen zerquetscht. 


In den beiden unteren Theilen gewinnt der Schaum- 
kalk wieder die Oberhand; bis auf die Conglomeratführung 
ist die Grundmasse auch hier überall dieselbe gleichmässig 
feinkörnige mit den gleichen stets wiederkehrenden Ein- 
schlüssen von gelb und braun durchscheinenden Blättehen 
und Klümpehen, kleinen Quarzkörnchen, Glimmerblättchen, 
Foraminiferen und anderen accessorischen Mineralien. 
Der Unterschied der beiden Schaumkalke liegt in dem 
Führen der echten Oolithe im einen und deren Fehlen im 
andern Falle. 


Die petrographische Beschaffenheit, die Aggregatbe- 
schaffenheit des einen und die gleichartige Beschaffenheit 
des andern fordern eine verschiedene Bildungsweise; be- 
rücksichtigt man, dass Conglomeratbildung in der Höhe der 
Wirkung der Wellen eintritt, und gleichmässige Bildung 
nur in der Tiefe stattfindet, so muss das eine Gestein in 
der Tiefe, das andere in einer geringeren Tiefe bis 100 m 
unter Mitwirkung der brandenden Welle gebildet sein. Die 
Conglomerate wurden durch einen Erguss in das Meer ge- 
bracht und in der Nähe der Küste wieder abgesetzt. Die 
discordante Parallelstructur weist auf Strandbildung, die 
Streifen der Caleitmasse, welche abwechselnd volle 
Aggregate und Hohlräume umschliesst, auf intermittirende 
Bildung: Ebbe und Fluth. 


Verfasser schildert nun die Bildung der Kalkspath- 
aggregate, der Oolithe ete., sowie die Wiederauflösung der 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 435 


Aggregate, wodurch die Hohlräume des Schaumkalks ent- 
standen, während die Thonumbüllung der Oolithe die Auf- 
lösung derselben verhinderte. Die Lösung muss noch im 
Meere geschehen sein und während der Ablagerung noch 
angedauert haben. 

Die aus dem Innern der Caleitaggregate entnommene 
Kalkspathlösung wurde z. Th. als Füllsel-, als Grundmasse 
wieder abgesetzt, was den festen Zusammenhang der 
Oolithe mit der Grundmasse erklärt. 


Halle a. S. Luedecke. 


Dames, W., Cervus euryceros von Rixdorf bei Berlin, 
Zeitschrift der deutsch. geolog. Gesellschaft. S. 171. 1890. 


In dem Intergiacialsande unmittelbar über dem 
unteren Geschiebemergel von Rixdorf bei Berlin hat der 
Kiesgrubenbesitzer Körner einen Schädel von Cervus 
euryceros (Megaceros hibernieus Owen) aufgefunden und 
dem naturhistorischen Museum in Berlin vermacht. Das 
Objekt ist recht gut erhalten: 

Oceipital-, Parietal- und Frontalregion ist vorhanden, 
Nasalia und Maxillae fehlen. Rosenstöcke und Geweihreste 
sind bis auf 400 mm erhalten. Neben diesem Stücke be- 
sitzt das Museum für Naturkunde noch mehrere andere 
bereits früher von W. Dames erwähnte Bruchstücke. 


Halle a. S. Luedecke. 


Loretz, H.. Dr., in Berlin, Der Zechstein in der Gegend 
von Blankenburg und Königsee am T’hüringerwalde. Jahr- 
buch der kgl. preuss. geologischen Landes- Anstalt. 8. 221 
bis 245. 1889. 

Vorliegende Schilderung schliesst sich westlich eng an 

die von den Camsdorfer Erzlagerstätten (dieser Band S. 62) 

an; östlich findet er eine Fortsetzung in dem Zechsteine 

von Ilmenau. 
285 


436 I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 

Auf den Schichtköpfen des Cambriums lagert er dis- 
cordant auf und wird concordant vom Buntsandstein über- 
lagert. 

Im unteren Zechstein finden wir hier zu unterst 
das Zechstein-Conglomerat (Weissliegendes), welches 
aus mehr oder weniger abgerundeten oder scharfkantigen 
Bruchstücken von phyllitischen Schiefern, Qnarzit, Quarz 
und (seltener) graphitoidischem Quarzit besteht, und welche 
durch ein dolomitisch kalkiges Bindemittel verkittet wer- 
den; wo letzteres fehlt, stellt sich die Schicht als ein loses. 
Blockhaufwerk dar. Einsprenglinge von Malachit, Kupfer- 
lasur und Schwerspathadern finden sich auch hier wie sonst 
überall; dieselben setzen auch noch in das Grundgebirge 
fort; die Mächtigkeit des Conglomerats beträgt einige Meter. 
Hauptfundstellen auf Blatt Schwarzburg sind: Weg von 
Watzdorf nach Böhlscheiben (1100‘), Cordobang, Schwarz- 
burger Fasarerie, Bechstädt; weiter verbreitet ist es auf 
Blatt Königsee, wo es meist als ein dolomitisch kalkiger 
Sandstein, der Schieferbruchstücke einschliesst, erscheint: 
beim Dorfe Aschau, am Querlingsberg und bei Garsitz, am 
langen Berge bei Pennewitz; an letzterem Orte wurde auch 
eine Verkieselung des Conglomerates beobachtet. 

Ueber dieser Schicht folgt sodann der Kupfer- 
schiefer, eine Ueberlagerung, welche besonders schön am 
Fahrweg von Lichte nach Unterschöblingen bei Königsee 
zu sehen war. 

Lingula Credneri Gein., Pygopterus Humboldti Ag., 
Ullmannia Bronni Goepp., kleine Fischreste und Kupfererz. 
fanden sich hier im Kupferschiefer. Zwischen letzterem und 
dem Z.-Conglomerat findet sich hier ebenso wie in einem 
Hohlweg S. O. v. Lichte und bei Garsitz eine Kalkbank, 
welche ihrer Lage nach dem „Muttertlötz“ von Cams- 
dorf entspricht; S.-O. v. Lichte führt dasselbe Bleiglanz. 
Auch bei Allendorf, Aschau, Unterschöblingen und Penne- 
witz haben alte Bergbauversuche das Kupferschieferflötz. 
nachgewiesen. 

Auf Blatt Schwarzburg war es weniger weit verbreitet: 
so S. und S.-O. von Beulwitz, bei Watzdorf im Rinnthal, 
wo Kupferkies, Fahlerz, Kupferlasur, Kupfergrün, Speiss- 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 437 


kobalt, Kalkspath, Schwerspath und Eisenspath auf 
Rücken verkamen. Alle diese Vorkommen haben sich 
als unabbauwürdig erwiesen. 

Nunfolgtder eigentliche Zechstein,ein dichter, oben 
plattiger, durch Zerfall diekerer Lagen meist dünnplattiger 
Kalkstein, welche z. Th. durch mergelige Lagen von erdi- 
gem Bruch mit Glimmerblättchen verbunden sind. Bei 
Watzdorf und Böhlscheiben fanden sich darin Foraminiferen 
und Bracliopoden (Camarophoria, Strophalosia) und Bryozoen 
(Acanthocladia). S.-O. von der Henkertskuppe haben solche 
Schichten eine Mächtigkeit von 6—10O m und gehen bald in 
Rauhwacke über. Auch am Eierberg bei Garsitz, bei Penne- 
witz und zwischen Königsee und dem Spitzberg s. von 
Königsee und zwischen Lichte und Aschau finden sich 
diese Zechsteinschichten. 

Etwas anders ist diese Schicht am steilen Rande 
des Rinnthals bei der Kirche von Königsee entwickelt. Un- 
mittelbar auf dem cambrischen Schiefer liegt eine klotzige, 
grosslöchrige Kalkmasse mit Productus horridus, Orthis, 
Strophalosia, Spirifer, Stenopora uud Acanthocladia; er 
entspricht im östlichen Thüringen den auf Culmklippen 
aufgesetzten Brachiopodenkalken des unteren Zechsteins 
von Liebe. 


An vielen Stellen zeigt sich der Zechstein sehr reducirt, so 
am Wege von Allendorf nach der Schwarzburger Fasanerie. 
In der Gegend von Watzdorf, Leutnitz, Cordobang, Böhl- 
scheiben und Bechstädt findet man stellenweise den mittleren 
Zechstein direkt auf den cambrischen Schiefern liegend, 
so dass also der untere Zechstein nicht zur Entwickelung 
gelangt ist; daneben finden sich dann wieder Punkte, wo 
er vollständig normal auftritt. Wahrscheinlich haben einzelne 
Klippen des Grundgebirgs bei der Bildung des unteren 
Zechsteins das Meer des letzteren überragt und sind so von 
Absätzen derselben verschont geblieben, während erst das 
Meer des mittleren Zechsteins die Klippen überdeckte und 
auf ihnen Absätze niederschlug. 


Nach oben hin zur Rauhwacke ist an vielen Stellen 
die Grenze schwer zu ziehen, so z. B. vom Ostrande des 


438 I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 


Blattes Schwarzburg nach Beulwitz hin. N.-W. von Böhl- 
scheiben in der Richtung nach der Henkertskuppe findet 
sich im unteren Zechstein fein- bis grobkörniges eisen- 
reiches Carbonat in Schaalen und derben Massen mit 
Braureisen, welche Massen früher abgebaut worden sind. 

Der mittlere Zechstein, Rauhwacke und Haupt- 
dolomit, zeigt eine gewisse Veränderlichkeit; in seiner 
Hauptmasse ist er Rauhwacke, die aus einem krystallinischen 
mitunter grobkörnigen, dabei porösen und löcherigen Kalk- 
stein bezw. Dolomit besteht: orographisch zeichnet er sich 
durch die Steilheit seiner Formen aus; so tritt er zwischen 
Watzdorf, Böhlscheiben, Cordobang, Leutnitz, im Rinnthal, 
bei Allendorf, am Spitzberg, Querlingberg, Eierberg und 
Garsitz bei Königsee auf. Am Eierberg, Querlingberg und 
Spitzberg beginnt der mittlere Zechstein mit einem weissen 
dichten, feinkrystallischen, in dieke Bänke geschichteten 
Kalkstein, auf welchen ohne Grenze die eigentliche Rauh- 
wacke folgt. Von Königsee bis Aschau schrumpft der 
mittlere Zechstein zu einer dünnen Bank Rauhwacke, welche 
an manchen Stellen an Schaumkalk erinnert, zusammen. 
Bei Watzdorf schliesst er Schieferbruchstücke ein. An- 
näherung an die Riffgesteine findet nur in schwachem 
Maasse statt; insbesondere liegen die Fenestellen nicht wie 
im echten Riffgestein nach einer Richtung, sondern in be- 
liebiger Richtung. 

Die Mächtigkeit steigt bis 60 m. An Versteinerungen 
erwähnte Geinitz: Turbo helicinus Schloth. spec. vom 
Öttenbiel, Fröbitz und Watzdorf; Pleurophorus costatut 
Brown. spec. von Fröbitz; Avicula speluncaria Schloth. 
vom Ottenbiel; Gervilla ceratophaga Schloth. sp. von eben- 
da; Gervilla antiqua Mün. von Leutnitz und Fröbitz; Tere- 
bratula elongata Schloth. vom Ottenbiel; Spirifer eristatus 
Schloth. von ebenda; Stropholosia excavata Gein. vom Otten- 
biel und Watzdorf; Fenestella retiformis Schloth. spec. 
vom Öttenbiel; Acanthocladia anceps Schloth. spec. von 
ebenda; Loretz fand Camaraphoria Schlotheimi vom Eich- 
berg und Acanthocladia dubia von Watzdorf. 

Auch Gesteine, welche den von Zimmermann auf dem 
Blatte Crawinkel (vergl. diese Zeitschr. S. 324) beschriebenen 


I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 439 
Quarziten sehr ähnlich sehen, hat der Autor am Rabenhügel 
bei Allendorf, nach Schwarzburg zu, aufgefunden. Eine 
starke Verkieselung von anstehendem weissen Zechstein- 
kalk unweit jener Stelle, wo die Blöcke sich finden, wiess 
der Verfasser durch mikroskopische Untersuchung nach. 

Es folgen nun im oberen Zechstein die bunten 
Letten, welche 12.m mächtige Gypsmassen führen, bei 
Dörnfeld und Königsee. Auch dolomitische Knollen finden 
sich hie und da eingelagert. Bei Bechstädt und ö. von 
Tripstein findet eine direkte Auflagerung des unteren 
Lettens auf dem Schiefer statt. 

Der obere Zechstein-Kalk und -Dolomit ist typisch 
ausgebildet; er ist dicht, spröde, kaum porös, dunkel, auch 
grau im frischen, gelblich im verwitterten Zustande. Bei 
Fröbitz, Quittelsdorf und Watzdorf kommt der Platten- 
dolomit als Zellenkalk und Dolomit ausgebildet vor. Auch 
hier sind an manchen Stellen die Dolomite vollkommen 
verkieselt. Die Stufe der oberen Zechsteinletten ist 
wenig mächtig entwickelt. 

Bei Bechstädt, Köditz, Horba finden sich mehrere 
Spalten in NO. SW. Richtung; andere bei Allendorf, gegen 
Quittelsdorf hin, ziehen quer dagegen; die grosse Flexur 
im N. des Thüringer Waldes zerschlägt sich hier in eine 
Reihe kleiner Spalten, Spältchen und Verbiegungen; 
während mit der grossen Flexur dort ein Steilabfall des 
Gebirgs in Beziehung steht, findet hier ein allmähliges 
Aufsteigen des Gebirgs statt. Im Allgemeinen scheint sich 
auch hier die Schwerspathführung auf die NO./SW. gehen- 
den Spalten zu beschränken. 


Halle a. S. Luedecke. 


II. Allgemeine Literatur. 


Wildermann, M., Dr, Jahrbuch der Naturwissenschaften 
1859/90 mit 37 in den Text gedruckten Holzschnitten. 
Herdersche Buchhandlung. Freiburg i. Br. 


Auch in diesem Jahre ist das von uns in seinen 
früheren Bänden besprochene Jahrbuch wieder erschienen. 
Auf dem Gebiete der Physik und des Handels und Ver- 
kehrs berichtet der Herausgeber selbst über die neu er- 
schienenen Erfahrungen und Entdeckungen, über das Ge- 
biet der Chemie referirt Herr Dr. Klingemann, über die 
angewandte Mechanik Herr Dr. G. van Muyden, über die 
Astronomie Herr Dr. J. Franz, über die Meteorologie die 
Herreu Dr. Pernter und Dr. Trabert, über die Botanik 
Herr Dr. ©. E. R. Zimmermann, über Forst- und Land- 
wirthschaft Herr F. Schuster, über die Zoologie und 
Mineralogie Herr Dr. F. Westhoff, über die Gesundheits- 
pflege Herr Dr. Schmitz, über Anthropologie und Urge- 
schichte Herr Dr. Jac. Scheuffgen und über Länder- und 
Völkerkunde Herr Professor Behr. In allen Gebieten ist 
mit vielem Geschick das Hauptsächlichste und Interessan- 
teste herausgegriffen. Die Abbildungen sind vollkommen 
zweckentsprechend und gut ausgeführt. 

Halle a. S. Luedecke. 


Plüss, B., Dr., Leitfaden der Naturgeschichte; V. ver- 
besserte Auflage mit vielen Abbildungen. Herdersche Buch- 
handlung. Freiburg i. Br. 


lI. Allgemeine Literatur. 441 


Seit 1879 hat das vorliegende Werk 5 Auflagen er- 
lebt, erfreut sich also in den betreffenden Kreisen einer 
immer mehr zunehmenden Anerkennung. Verfasser giebt 
genaue Beschreibung von charakteristischen Thieren 
und Pflanzen, an die er dann ähnliche anschliesst. 
Von einer weiter gehenden Systematik ist Abstand ge- 
nommen. Die Abbildungen entsprechen vollkommen dem 
Zwecke des Buches. Wenn wir einen Wunsch äussern 
dürften, so ist es der, dass bei den Erklärungen der 
Krystallformen der an den Flächen angeschriebene Buch- 
stabe bei den Flächennamen wiederholt werden möchte, 
wodurch die Brauchbarkeit jedenfalls erhöht würde. 


Halle a. S. Luedecke. 


Levy, 8., Dr., Anleitung zur Darstellung organischer 
Präparate. 2. Auflage. VII. und 170 Seiten. Ferd. 
Enke, Stuttgart. 

Wenn das Gebiet der organischen Chemie bereits so- 
weit durchgearbeitet wäre, dass wir allgemein giltige, ge- 
naue Methoden für die qualitative und quantitative Analyse 
der Kohlenstoffverbindungen besässen, so läge es überaus 
nahe, diese Methoden zu einem analytischen Gange zu- 
sammenzufassen. In kürzester Zeit würden dann im Buch- 
handel ungefähr ebensoviele einander überaus ähnliche 
Tabellen für organische Analyse erscheinen, als es Unter- 
richtslaboratorien im deutschen Reiche giebt, und in jedem 
dieser Laboratorien begännen dann die Praktikanten auch 
im „organischen Saal‘ ihre Studien damit, sich an der 
Hand einer solchen Tabelle mit mehr oder weniger Glück 
durch ein halbes Hundert qualitativer Analysen durchzu- 
arbeiten, deren letzte ein mit geradezu diabolischem Scharf- 
sinn zusammengestelltes Gemisch von primären, secundären 
und tertiären, isomeren, polymeren und homologen, ge- 
sättigten und ungesättigten, fetten und aromatischen Alko- 
holen, Säuren, Aldebyden, Ketonen, Phenolen, Aethern und 
Estern sein müsste. 


442 1I. Allgemeine Literatur. 


Einstweilen befindet sich aber auch in dieser Beziehung, 
um mich der Worte eines bekannten Forschers zu be- 
dienen, die Chemie, wenigstens diejenige der Kohlenstoff- 
verbindungen, noch ‚im Zustande der Kindheit“, was für 
den werdenden Organiker den Vortheil hat, dass er ohne 
viel graue Theorie und öden Schematismus gleich an den 
weitverzweigten Baum, aus dem das organische Leben 
spriesst, herangeführt wird, um sich ein paar Dutzend 
seiner schönen, in Form und Farbe mannigfaltigen Früchte 
eigenhändig herabzuholen. Wie er das nun am besten an- 
fängt, so dass weder er selbst noch die Früchte seiner 
Arbeit dabei zu Schaden kommen, lehrt ihn Dr. S. Levy 
in seiner vor 3!/, Jabren erschienenen „Anleitung“, welche 
nunmehr in zweiter Auflage vorliegt. 

Die erste Auflage von Levy’s „Anleitung zur Dar- 
stellung organischer Präparate“ ist, trotzdem ihr ein gleich- 
zeitig erschienenes, noch kürzer gehaltenes Werkchen des- 
selben Titels aus der Feder eines sehr berühmten Chemikers 
Coneurrenz machte, mit grossem Beifall in den Labora- 
torien aufgenommen worden, sodass ein erneutes Lob an 
dieser Stelle überflüssig erscheint. Es wird also genügen, 
hier zu bemerken, dass die soeben erschienene zweite Auf- 
lage an vielen Stellen die feilende Hand des Autors zeigt. 
Auch sind eine Anzahl interessanter Präparate neu hinzu- 
gefügt, einige weniger belehrende dafür gestrichen. 

An den Methoden bleibt allerdings noch mancherlei 
zu bessern. Wer z. B. jemals Bromäthyl aus Bromkalium 
oder Bromnatrium mit wasserhaltiger Aethylschwefelsäure 
dargestellt hat, kehrt nie mehr zu der unbequemen Phos- 
phormethode (S. 1) zurück, die ein arsenhaltiges, für medi- 
einische Zwecke ganz unbrauchbares Produkt liefert. — 
Bei der Darstellung von Lävulinsäure (S. 61) lässt sich 
das sehr lästige Ausschütteln mit Aether vermeiden, indem 
man die Lävulinsäurelösung eindampft und direkt im 
Vakuum destillirt. — Auch die für Valerolakton (S. 64) 
gegebene Vorschrift ist nicht zweckmässig, Nimmt man 
nur den fünfzigsten Theil der von Levy vorgeschriebenen 
Wassermenge, verwendet ein 10-procentiges Natrium- 
amalgam und fügt von Zeit zu Zeit, wenn die Einwirkung 


BE ind. 


ll. Allgemeine Literatur. 443 


des Amalgams aufhört, der concentrirten Lauge etwas ver- 
dünnte Schwefelsäure zu, so gelangt man weit bequemer 
zum Ziel, verbraucht viel weniger Natrium und kann die 
Methode ohne weiteres auch in grösserem Massstabe aus- 
führen. — Die Umsetzung des Benzylchlorids mit Kupfer- 
nitrat (S. 115) verläuft so wenig glatt, dass sie sich nicht 
als Uebungsbeispiel eignet. — Die Seite 140 neu aufge- 
nommene Gattermann’sche Kupferpulvermethode ist — ganz 
abgesehen von dem damit verbundenen kolossalen Salz- 
säureaufwand — nur eine Verschlechterung des vorzüg- 
lichen Verfahrens von Sandmeyer, welches durchschnittlich 
Ausbeuten von 90 %/, liefert. 


Halle a. S. Dr. H. Erdmann. 


Vogel, H. W., Prof. Dr., Handbuch der Photographie. 
I. Theil Photochemie und Beschreibung der photo- 
graphischen Chemikalien; vierte gänzlich umgearbeitete 
und vermehrte Auflage. Rob. Oppenheim. Berlin. 


Der ungeheure Fortschritt, welcher auf dem Gebiete 
der Photograpbie in den letzten 12 Jahren gemacht ist, 
rechtfertigt es, wenn aus der Feder des um die Photo- 
graphie hochverdienten Vorstehers des photochemischen 
Laboratoriums der königlich technischen Hochschule in 
Berlin eine neue (4.) Auflage seines Handbuchs der Photo- 
graphie unternommen wird. 


Ein viertel Jahrhundert hat der Collodiumprocess fast 
allein in dieser Wissenschaft geherrscht; gegenwärtig ist 
derselbe wohl an die Seite gedrängt durch das ihn an 
Empfindlichkeit, Bequemlichkeit und Haltbarkeit weit über- 
bietende Gelatineverfahren. Die erleichterte Ausübung des 
Verfahrens hat demselben in allen Kreisen Liebhaber zuge- 
führt; allen Zweigen der Naturwissenschaft, der Kunst ete. ist 
diese Art der Aufnahme unentbehrlich geworden. Aber nicht 
nur in alle diese Kreise ist diese Kunst nach und nach einge- 
drungen, sondern das Wesen derselben hat sich auch bedeutend 


444 II. Allgemeine Literatur. 


vertieft, indem durch die Physiker und Chemiker das Studium 
dieser Wissenschaft mächtig gefördert wurde. 

Um diesen vermehrten Stoff aufzunehmen, hat der 
Verfasser das Werk stark erweitert; dasselbe wird in 
seiner 4. Auflage in 4 Theilen erscheinen, von welchen 
der erste, „Die photographische Chemie“, vor uns liegt; die 
andern werden den Umfang von 22 Bogen, mit 2 Helio- 
graphien, 2 Photogravuren, 2 Eisenbildern, 2 Autotypieen, 
1 Glasdruck, 1 Farbentafel mit Copie auf farbenempfind- 
licher und gewöhnlicher Platte, 2 Landschaftsbildern einer 
Spectraltafel im Lichtdruck, 1 Farbendruck, 9 Lichthoch- 
drucken und 22 Holzschnitten im Text nicht erreichen. 
Der 2. wird die Optik, der 3. die Praxis und der 4. die 
Aesthetik der Photographie bringen. 

Der vorliegende Band ist in 3 Capitel eingetheilt, 
von welchen das erste die physikalische Wirkung, das 
zweite die chemische Wirkung des Lichts und das dritte 
die Beschreibung der photograpbischen Chemikalien be- 
handelt. 

In welcher Weise diese Wissenschaft an Umfang ge- 
wonnen hat, zeigt so recht die Zunahme des Umfangs 
dieses Theils des Werks: er ist von 8!/, auf 22 Bogen an- 
gewachsen. Was die Art der Ausführung anlangt, so braucht 
an dieser Stelle darüber kaum ein Wort verloren zu werden; 
der Name des Autors, welcher so Bedeutendes auf diesem 
Gebiete geleistet hat, genügt, um zu wissen, dass er nur 
das Beste von dem ausgewählt hat, was seine Wissenschaft 
in dem letzten Decenniunn Grosses hervorgebracht hat. 
Die Ausstattung ist wundervoll. 


Halle a. S. Luedecke. 


Marktanner-Turneretscher,@., Die Mikrophotographie 
als Hilfsmittel naturwissenschaftlicher Forschung mit 195 
Abbildungen im Text und 2 Tafeln. W. Knapp. Halle a. S. 


Bereits zu Anfang dieses Jahrhunderts machten Davy 
und Reede Versuche, Bilder des Mikroskops mit Hülfe der 
Sonnenstrahlen zu fixiren, doch erst Donne gelang dies, 


II. Allgemeine Literatur. 445 
nachdem Daguerre sein Verfahren veröffentlicht hatte 
Im Vereine mit Foucault gab 1845 derselbe einen Atlas 
du cours de microscopie, execute d’apres nature au 
microscope daguerrotype heraus. 

Nachdem das Verfahren D.’s durch das Collodiumver- 
fahren verdrängt war, beschäftigten sich Nachet, Bertsch, 
Moitessier, Mayer, Rood von Troy, Gerlach, Hodyson, 
Shadbolt und Wenham mit unserem Gegenstande. Eine 
Zusammenfassung des Bekannten brachte 1883 B. Bennecke’s 
Buch „Die Photographie als Hilfsmittel mikroskopischer 
Forschung“. 

Seitdem das bequeme Gelatine - Verfahren bekannt 
wurde, hat sich die Mikrophotographie einen ungleich 
weiteren Kreis von Forschern zu erwerben gewusst. 

Das vorliegende Werk hat nun den Zweck, den Ge- 
lehrten in mögliehst wenig Zeit in die Mikrophotographie 
einzuführen; die Mikroskope und sonstige Nebenapparate 
sind als bekannt vorausgesetzt, und sind diese Apparate 
nur dann näher beschrieben, wenn das mikrophotographische 
Verfahren eine etwas modifieirtte Art der Anwendung 
nöthig machte. Besonders hat es der Verfasser denjenigen 
Forschern, welche ungern von ein Mal gewohnten und gut 
befundenen Methoden abgehen, bequem gemacht, indem er 
diejenigen Verfahren, durch welche in solchen Fällen mög- 
lichst gute Bilder erzielt werden, angegeben hat. 

Auch ein Capitel über die Herstellung der Brom- 
silbergelatineplatten hat der Autor für nöthig gefunden auf- 
zunehmen, weil bei grossen Serien die Selbstherstellung 
billiger ist. Bei Herstellung der für die Ausführung und 
Entwicklung nothwendigen Lösungen hat der Verfasser ge- 
naue Recepte angegeben, da hierfür gewöhnlich bedeutend 
kleinere Mengen als für gewöhnliche Photographieen ge- 
nügen. In allen sonstigen Beziehungen beruft er sich auf 
das Handbuch der Photographie von Eder. 


Nach einer Einleitung über Anwendung und Vortheile 
der Mikrophotograpbie theilt er den Stoff in folgende Ab- 
schnitte ein: 1) der mikrophotographische Apparat und seine 
Anwendung, 2) die pliotographische Praxis und 3) Ver- 


446 II. Allgemeine Literatur. 


zeichniss der in der photographischen Praxis häufiger vor- 
kommenden Fehler und deren Abhilfe. 

Das Buch ist klar geschrieben, die Abbildungen klar 
ausgeführt und dürfte vollkommen seinem Zweck als Hilfs- 
buch des Naturwissenschaftlers entsprechen. 


Halle a. S. Luedecke. 


Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insekten. Ferd. 
Dümmler, Berlin. 

Von diesem früher besprochenen Buche liegt die vierte 
Lieferung vor. Sie behandelt die Fühler, ihre Stellung, 
ihre Theile, Ringelung, Form, Gliederzahl, die geschlecht- 
lieben Unterschiede, Schwankungen in der Gliederzahl, 
Bekleidung, Haltung in der Ruhe, Larvenfühler, das After- 
glied bei Käferlarven, und die Mundtheile, bypognathe 
und prognathe Insekten, die einzelnen Theile bis zur Be- 
deutung der Taster und den Saugorgan der Wanzen. Die 
Holzschnitte sind so zahlreich als gut. Ueberhaupt scheint 
das Werk beim Fortschritte in die Einzelheiten stetig zu 
gewinnen, ein grosser Vorzug. 

Gohlis. Simroth. 


Meyer, A. B., Der Knochenentfettungsapparat des könig- 
lichen zoologischen Museums zu Dresden. Stengel und 
Markert. Dresden 1890. 

An dem Apparat, wie er weiter an dem genannten 
Museum im Gebrauch war, sind vom Verfasser inzwischen 
Verbesserungen angebracht worden. Mit diesen wird er 
an der Hand einer ausführlichen Tafel geschildert. Er ist 
jetzt auch für ganz grosse Knochen eingerichtet. Institute, 
die ihn nötbig haben, erhalten ihn für 600 Mark bei Aug. 
Kühnseher und Söhne in Dresden. 


Gohlis. Sımroth. 


Marktanner - Turneretscher, G., Die Hydroiden des 
k. k. naturhistorischen Hofmuseums. Mit 5 lithographirten 


II. Allgemeine Literatur. 447 


Tafeln. Aus den Annalen des k. k. naturhistorischen Hof- 
museums. Bd. V. 91 S. Alfred Hölder. Wien 1890. 


Die Schätze dieses Museums sind so reich, als die Be- 
arbeitung und Ausnutzung anerkannt trefflich. Die vor- 
liegende Abhandlung ist eine rein systematische. Sie hat 
keinen allgemeinen Theil, aber sie enthält ein ausführliches 
Literaturverzeichnis von 109 Arbeiten aus den Jahren 1766 
bis 1888, und zeichnet sich durch grosse Gründlichkeit in der 
Beschreibung der Gattungen, Arten und Varietäten, Angabe 
der Fundorte, Schlüssel zum Bestimmen der Genera inner- 
halb der Sektionen aus, kurz durch jene mühsame Solidi- 
tät, die dem Systematiker von höchstem Nutzen ist. Die 
bekanntesten Species sind kurz angeführt, alles Abweichende 
ist mit ausführlicher Sorgfalt behandelt. Eine Anzahl 
Gattungen, noch mehr Arten und Varietäten sind neu. Die 
Unterordnung der Hydrocorallien ist noch weggelassen, da 
sie einer späteren Bearbeitung aufgespart bleiben soll. 
Hoffentlich wird sie dem Systematiker gleich gute Dienste 
leisten, wie die vorliegende. Ueber das Detail müssen die 
Speecialisten entscheiden. 


Gohlis. Simroth. 


Hantschel, F.. Dr., Botanischer Wegweiser im Gebiete des 
nordböhmischen Excursionsclubs. Künstner. Leipa. 


Die Grundlage der vorliegenden Arbeit bilden: Der 
zwischen 1867 und 1881 erschienene mustergiltige 
„Prodromus der Flora von Böhmen“ von dem Prager Uni- 
versitätsprofessor Dr. Lud. Celakovsky und die seitdem 
alljährlich von demselben ausgezeichneten Verfasser ver- 
öffentlichten neuen „Resultate der botanischen Durch- 
forschung Böhmens“. Nur in wenigen Fällen wurde von 
der hierin angewandten systematischen Nomenclatur abge- 
wichen. 

Als Beihilfe dienten, ausser eigenen Beobachtungen 
und Mittheilungen von befreundeter Seite, eine Reihe von 
Druckschriften, wie: Prof. Willkomm’s ‚„Schulflora‘‘, Prof. 
Lorinser’s „Botanisches Exceursionsbuch“, Prof. Wurm’s Auf- 


448 II. Allgemeine Literatur. 
satz im Leipaer-Oberrealschul Programm vom Jahre 1889, 
desselben Verfassers ‚„Kummergebirge“, Dir. Watzel’s 
Programm- Aufsätze aus den Jahren 1874 und 1877, die 
„Mittheilungen des Nordböhmischen Exeursions-Clubs“, unter- 
‚ schiedliche Orts- und Bezirkskunden u. a. m. Das Gebiet, 
welches die vorliegende Arbeit behandelt, umfasst das nörd- 
liche Böhmen zwischen dem Elbestrom im Westen, dem 
Jeschkengebirge im Osten, der Landesgrenze im Norden 
und der Sprachgrenze im Süden mit einem Flächenraume 
von 265483 Quadratkilometern (oder 46 Quadratmeilen). 
Darüber hinaus wurden nur solche unmittelbar anstossende 
Oertlichkeiten mit einbezogen, die sich nicht mathematisch 
genau abgrenzen lassen; wie es insbesondere im Elbthale 
und längs der Sprachgrenze mit den Umgebungen von 
Tetschen-Bodenbach, Aussig, Lobositz-Theresienstadt, Weg- 
städtel, Widim, Weisswasser und B. Aicha der Fall ist. 
Dieses Gebiet gehört — nach Prof. Celakovsky — 
zu den in botanischer Beziehung am besten untersuchten 
in Böhmen. Die Mannigfaltigkeit der hier vorkommenden 
Bodenarten, ihre physikalische und chemische Verschieden- 
artigkeit, besonders der Sandboden zeigt in der Vegetation 
manches Eigenthümliche, die ungleiche hypsometrische 
Ausbildung des Terrains, die verschiedene Vertheilung der 
Regenmengen und der Bodenwässer (bier dürften wohl die 
schönsten, natürlichsten Wiesen in Böhmen gefunden 
werden) führen eine ebenso grosse Mannigfaltigkeit und 
Reichhaltigkeit der Vegetation mit sich, so dass sich da- 
selbst — abgesehen natürlich von den Allerweltspflanzen, 
die in jedem Klima gedeihen — die Form der wärme- 
liebenden Pflanzen, die der Landschaft einen südlichen 
Charakter geben, eben so schön und reichlich entwickelt 
findet, im Elbthale besonders von Libach bis Aussig, wie 
Jene Pflanzenform, deren Verbreitung durch einen geringeren 
Grad von Wärme und durch grössere Feuchtigkeit ge- 
regelt wird, die der Teiche und Moorgründe vor Allem 
(so gehören beispielsweise die Hirschberger Sümpfe nach 
Mächtigkeit und Pflanzenreichthum zu den ausgezeichnetsten 
im inneren Böhmen), wie endlich die eigentliche Gebirgs- 
formation auf dem Urgebirge des Jeschkenrückens und auf 


Il. Allgemeine Literatur, 449 


den über das ganze Gebiet verstreuten hohen und feuchten 
basaltischen und phonolithischen Bergkuppen. 

Als Resultat der Arbeit ergeben sich derzeit für das 
bezeichnete Gebiet 44 verborgen blühende (Kryptogamen) 
und 1599 offenblühende (Phanerogamen), also im Ganzen 
1645 Stengelpflanzen, wobei die Varietäten nicht in 
Rechnung gebracht sind. 

Es ist dies eine verhältnissmässig sehr hohe Zahl, wenn 
man bedenkt, dass für das gesammte, 51 950,73 Quadrat- 
kilometer (oder 943 !/;, Quadratmeilen) messende Kron- 
!and Böhmen bis nun beiläufig 1900 Pflanzenformen sicher- 
gestellt sind. Der Leser wird unter den aufgezählten 
Pflanzen auf gar manche Seltenheit stossen, insbesondere 
auf Pflanzen, die im übrigen Böhmen entweder gar nicht 
mehr (12) oder nur äusserst selten (52) vorkommen, ja 
sogar auf solche (2), die sowohl dem übrigen Böhmen, wie 
auch allen Nachbarländern fehlen. Ich habe diese be- 
sonderen Seltenheiten in einem Anhange zusammengestellt. 

Weiters habe ich in einem eigenen Abschnitte die 
mir bekannten selteneren Gewächse einer Anzahl (45) 
touristisch bemerkenswerther Oertlichkeiten zusammenge- 
stellt; ich biete damit den von Jahr zu Jahr sich mehren- 
den Besuchern unseres nordböhmischen Berglandes Gelegen- 
heit, einen Hauptreiz desselben kennen zu lernen und die 
Schönheiten der sie umgebenden Natur in vervielfachtem 
Maasse zu geniessen. Im Texte habe ich bei jeder Pflanze 
nicht nur die Blüthezeit angegeben, sondern auch ersicht- 
lich gemacht, ob sie zu den Cultur-, Arznei- oder Gift- 
pflanzen gehört. Eine Zählung ergiebt, dass wir 222, und 
zwar lauter offenblübende Culturpflanzen, 59 ebenfalls 
lauter offenblühende Giftpflanzen und 328 Arzneipflanzen be- 
sitzen, von welch letzteren 5 verborgen und 320 offen blühen. 

Von den Giftpflanzen gehören 10 zu den cultivirten, 
49 zu den wildwachsenden; von den Arzneipflanzen, d. i. 
von solchen Pflanzen, die heutigen Tages in irgend einer 
Weise in den Apotheken zu Heilzwecken in Verwendung 
stehen, also mit Ausschluss ganz veralteter Volksmittel, 
sind 33 eultivirt, sämmtlich offenblühend und 245 wild- 
wachsend. 


Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 29 


450 ll. Allvemeine Literatur. 


Wie man sieht, ist das Buch für einen möglichst 
grossen Leserkreis und auch für den Gebrauch in Schulen 
berechnet. Möchte es nur auch allerseits die gehoffte 
wohlwollende Aufnahme finden und weder dem vielver- 
dienten Nordböhmischen Excursions- Club, unter dessen 
Flagge es in die Oeffentlichkeit hinaussegelt, noch dem 
Verleger, welcher sich eine gediegene Ausstattung ange- 
legen sein liess, noch endlich dem Verfasser, welcher sein 
möglichstes Können daran gesetzt hat, Unehre eintragen! 


Dr. Hantschel. 


Neu erschienene Werke. 


una 


Allgemeines. 


Mathematik, Physik, Astronomie ete. 


Baule, Ant. Lehrbuch der Vermessungskunde. 8°. X, 404 pp. 
Mit 244 Fig. Teubner. Leipzig 189%. 

Czermak, P. Ein Beitrag zur Construction der Niveaulinien. (Aus: 
„Sitzungsberichte der königl. Academie der Wissenschaften.*) 80 
10 pp. Mit 1 Taf. und 3 Fig. Tempsky. Wien 1890. 

Dufailly, J. Problemes de physique 3%. 79 pp. Avec figures. 
Paris 1890. i 

Elster, J., und H. Geitel. Beobachtungen, betr. die elektrische 
Natur der atmosphärischen Niederschläge. (Aus: „Sitzungsberichte 
der königl. Akademie der Wissenschaften.*) 8%. 30 pp. Mit 3 Tat. 
Tempsky. Wien 1890. 

Forsyth, A. R. Theory of differential Equations. 8%. 340 pp. Part 
1. Cambridge 13%. 

Fortin, A. Le Magnetisme atmospherigue ou prevision du temps 
ecinque ou six jours & Tavance par les agitations de l’aiguille du 
magnetometre. 18. XXXV, 300 pp. Paris 13%. 

Hayward, R.B. The Elements of solid Geometry. 8%. 142 pp. 
London 189%. 

Januschke, Hs. Die Gesetze des Oberflächendruckes und der Ober- 
flächenspannung in elementarer Darstellung. 8%. 52 pp. Buchholz 
& Diebel. Troppau 18%. 

Irueste, J. A. Lecciones de matematicas. 4%. 317 pp. Tomo I 
Granada 1890. 

Kaiser, H., und C. Runge. Ueber die Spectren der Elemente, 3. 
Abschn. (Aus: „Abhandlungen der königl. preussischen Akademie 
der Wissenschaften.*) 4%. 66pp. Mit 1 Taf. G. Reimer. Berlin 13%. 

Krug, Ant. Theorie der Derivationen. (Aus: „Denkschriften der 
königl. Akademie der Wissenschaften.) 4%. 30 pp. Tempsky. 
Wien 1890. 

Lecher, E. Eine Studie über elektrische Resonanzerscheinungen. 
(Aus: „Sitzungsberichte der königl. Akademie der Wissenschatfen.‘“) 
8, 22 pp. Mit 3 Textfig. Tempsky. Wien 189. 


29* 


452 Neu erschienene Werke, 


Lietke, Arth. Ueber die Flächen, für welche eine Krümmungscen- 
tralfläche ein Kegel zweiten Grades ist. 8%. 36 pp. Mit 1 Tafel. 
Koch. Königsberg i/Pr. 1890. 

Mathieu, E. Theorie de l’elastieit& des corps solides. 4%. VIH, 
219. pp. 1lre partie. Paris 1890. 

Neuhauss, Rech. Lehrbuch der Mikrophotographie. 8%. XI, 272pp. 
Mit 61 Abbildgn. in Holzschn., 4 Autotyp., 2 Taf. in Lichtdr. und 
1 Photograv. H. Bruhn, Braunschweig 1890. 

Poincare, H. Electrieite et optique. 1. Les tlı&ories de Maxwell 
et la theorie electromngnetique de la iumiere. 80%. XIX, 314 pp. 
Paris 1390. 

Puiseux, P. Lecons de einematique. Mecanismes, Hydrostatique, 
Hydrodynamique. 5%. VII, 339 pp. Paris 1890. 

Ris, F. Zur Geschichte des internationalen Maass- und Gewichts- 
bureaus und der neuen Prototype des Meters und des Kilogramm». 
(Aus: „Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern.“) 
80, 46 pp. Wyss. Bern 1890. 

Schmitz-Dumont. Lichtäther und elektrische Welle. Eine Weiter- 
führung der Maxwell’schen Mediumtheorie. 8°. 23 pp. Mit 2 Fig.- 
Taf. Höckner, Sep.-Cto. Dresden 139. 

Schotten, H. Inhalö und Methode des p!animetrischen Unterrichts. 
Eine vergleichende Planimetrie. 3%. IV, 370pp. Teubner. Leip- 
zig 185%. 

Towne, G. Traite d’astronomie pratique pour tous. 16%. VI, 450 
pp. Avec 30 figures dans le texte et une carte celeste. Paris 
189. 

Wanklyn, J. A., and W. J. Cooper. Air Analysis. 8%. 90 pp. 
London 13%. 


Chemie. 


Boye, H. Ueber die Bildung von Farbstoffen aus Tetrahydrochino- 
lin. 8%. 45pp. Fues. Tübingen 189%. 

Elbs, K. Die synthetischen Darstellungsmethoden der Kohlenstoffi- 
Verbindungen. II. Bd. 8%. 1. Abthlg. 178 pp. Barth. Leipzig 
1890, 

Fremy. Encyclopedie chimique. X.: Applications de chimie orga- 
nique. Gelatines et colles par P. Charpentier. 50%. 141 pp. Avec 
figures. Paris 1890. R 

Jago, W. Inorgavic Chemistry, theoretical and practical. 5°. 464 
pp. London 139). 

Kobbe, K. Ueber das Atomgewicht des Rhodiums. 8%. 35 pp. Fues. 
Tübingen 1390. 

Mai, Jul. Vademecum der Chemie. Repetitorium der anorganischen, 
organischen und analytischen Chemie. Bearbeitet für Studierende, 
denen die Chemie als Hülfswissenschaft dient, speciell für Medi- 


Neu erschienene Werke. 453 


einer, Thierärzte und Schüler höherer Lehranstalten. 8%. VI, 127 
pp. Bensheimer’s Verl. Mannheim 1890. 

Meyer, L. Theoretische Chemie, VIII. 

Paal, ©. Furfuran-, Thiophen- und Pyrol-Synthesen aus Diketonen 
und y-Ketonsäuren. 8%. VI, 179 pp. (Leipzig, Fock.) Würzburg 
1890. 

Spehr, P. Pharmacognostisch-chemische Untersuchung der Ephedra 
monostachia. Karow 8% 59 pp. Dorpat 18%. 


Mineralogie, Geologie ete. 


Angermann, Kl. Naphtaquellen in den Karpaten. Eine geologisch- 
tektonische Studie. 8%. 73pp. Jaslo 1890. 

Boulangier, C. Origines de la Mediterranee. 8%. XII, 217 pp. 
Avec 7 planches. Paris 1890. 

de Buen, 0. Tratado elemental de geologia 40%. XVI, 392pp. Con 
10 lam., fototipogr. y numeros grabados, Barcelona 1890. 

Dreyer, F. Morphologische Radiolarienstudien. 2. Heft. Die Tri- 
poli von Caltanisetta (Steinbruch Gessolungo) auf Sieilien. (Aus: 
„Jenaer Zeitschrift für Naturwissenschaften.“) 8%. VII, 79pp. Mit 
6 lith. Taf. Fischer. Jena 1890. 

v. Ettingshausen, Cst, und Fr. Krasan. Untersuchungen über 
Ontogenie und Phylogenie der Pflanzen auf paläontologischer Grund- 
lage. (Aus: „Denkschriften der königl. Akademie der Wissen- 
schaften.“) 40%. 36 pp. in Naturselbstdr. und 1 Textfig. Tempsky. 
Wien 1890. 

Gagel, Ct. Die Brachiopoden der cambrischen und silurischen Ge- 
schiebe im Diluvium der Provinz Ost- und Westpreussen. 40. 7I pp. 
W. Koch. Königsberg i/Pr. 1890. 

Liebisch, Th. Physikalische Krystallographie. Velt & Co. Leipzig 
VII. 1890. 

Panpecki, J. F. Die Trilobiten-Fauna der ost- und westpreussi- 
schen Diluvialgeschiebe. 4%. 97 pp. Koch. Königsberg i/Pr. 1890. 
Tausch v. Gloeckelsthurn, Lp. Zur Kenntniss der Fauna der 
grauen Kalke. (Aus: „Abhandlungen der k.k. geologischen Reichs- 
anstalt.“) 40%. 42pp. Mit Abbildgn., 9 lith. Taf. und 9 Bl. Tafel- 

erklärgn. Hölder. Wien 189. 

'Toula, Fr. Geologische Untersuchungen im centralen Balkan. III. 
Petrographischer Theil. (Aus: „Denkschriften der königl. Akade- 
mie der Wissenschaften.“) 40. 58pp. Mit 3 Lichtdr.-Taf. Tempsky. 
Wien 189. 

'Tschermak, G. Die Chloritgruppe. I. Thl. (Aus: „Sitzungsberichte 
der königl. Akademie der Wissenschaften.) 8% 94pp. Mit 5 Taf. 
und 22 Textfig. Tempsky. Wien 1890. 


454 Neu erschienene Werke. 


Zoologie, 


Bertkau, Ph. Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen im Ge- 
biete der Entomologie während des Jahres 1889 8%. 318 pp. Nico- 
lai’s Verl. Berlin 1890. 

Blanford, T. Fauna of British India, including Ceylon and Burma, 
Reptilia and Batrachia. 8%. London 1890. 

Carus, Jul. Vct. Prodromus faunae mediterraneae, sive descriptio 
animalium maris mediterranei incolarum, quam comparata silya re- 
rum quatenus innotuit, adiectis loeis et nominibus vulgaribus eorum- 
que auctoribus in commodum Zoologorum ceongessit J. V. C. Vol. 
II. pars. 2. Mollusca. Cephalopoda. Tunicata. 8%. p. 273—4%. 
Schweizerbart. Stuttgart 1890. 

Foveau de Courmelles. Les Facultes mentales des animaux. 180, 
VII, 352 pp. Aveec 31 figures. Paris 1890, 

v. Gumppenberg, C. Systema Geometrarum zonae temperatioris 
septentrionalis. Systematische Bearbeitung der Spanner der nörd- 
lichen gemässigten Zone. IV. Thl. (Aus: „Nova Acta der kaiserl. 
Leopold.-Carolinischen deutschen Akademie der Naturforscher.‘‘) 49. 
112pp. (Leipzig, Engelwann.) Halle 1890. 

Handlirsch, Ant. Monographie der mit Nysson und Bembex ver- 
wandten Grabwespen. V. (Aus: „Sitzungsberichte der königl. Aka- 
demie der Wissenschaften.‘“) 8°. 90 pp. Mit 1 Taf. Tempsky. 

Keller, F. C. Ornis Carinthiae. Die Vögel Kärntens. Verzeichniss 
der bis jetzt in Kärnten beobachteten Vögel, nebst Bemerkungen 
über deren Zug, Lebensweise, locale Eigenthümlichkeiten ete. etc. 
Herausgegeben vom naturhistorischen Landesmuseum von Kärnten. 
8, V. 332pp. v. Kleinmayer. Klagenfurt 1890. 

Pfeffer, G. Ueber einen Dimorphismus bei den Weibchen der Por- 
tuniden. (Aus: „Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen 
Anstalten.“) $%, 8pp. Mit 2 Taf. Graefe. Hamburg 1890. 

— — Die Bezeichnungen für die höheren systematischen Katego- 
rien in der Zoologie. (Aus: „Jahrbuch der Hamburgischen wissen- 
schaftlichen Anstalten.“) 8% 1O0pp. Graefe. Hamburg 1890. 

Pleske, T. Ornithographia rossica. Die Vogelfauna des Russischen 
Reiches. I. Band. 3. Lfg. Hypolais und Lusciniola. (Russisch 
und Deutsch.) 4%. XIX.—XXXII. u. p. 321—431. Mit Abbildgn. 
(Leipzig, Voss’ Sort.) St, Petersburg 1390. 

Rawitz, Bh. Der Mantelrand der Acephalen. Il. Thl. Aracea. 
Mytilacea. Unionacea. (Aus: „Jenaer Zeitschrift für Naturwissen- 
schaft.“) 8%. 83pp. Mit 4 Taf u. 3 Abbildgn. im Text. Fischer. 
Jena 1890. 

Sars, G. 0. An Aceout of the Constacea of Norway, with short 
Descriptions and Figures of all the Species. Vol I. Part 1 and 2. 
8%. p. 1—44, plates 1—16. Christiania 189. 

Taschenberg, 0. Bibliotheca zoologiea II. Verzeichniss der Schriften 
über Zoologie, welche in den periodischen Werken enthalten und 


Neu erschienene Werke. 455 


vom Jahre 1861 bis 1880 selbständig erschienen sind, 8. Lfg. 80, 
1lI. Bd. p. 2291—2610, Engelmann. Leipzig 1890. 

Thonson, C. G. Opuscula entomologica. Fasc. XIV. 8%. p. 1441 
bis 1534. Möller. Lund 1890. 

Batemann, G.C. Fresh Water Aquaria, their Construction, Arran- 
gement and Management. 8%. 316pp. London 1890. 


Botanik. 


Bellair, @. A. Les Arbres fritiers. 18°. XVI, 318 pp. Avec 132 
figures. Paris 1890. 

Boerlage, J. G. Handleiding tot de kennis der flora van Neder- 
landsch Indie. Deel I. 2. stuk. Fasc. XLIIL—XLVI 8. 4, p. 
45—52, 313—703. Leiden 1890. 

Coues, E. Handbook of Field and General Ornithology. 8. 330 pp- 
London 1890. 

Fischer, Hg. Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Pollen- 
körner. 8%. 72pp. Mit 3 Taf. Kern’s Verl. Breslau 1890, 

Fischer, Ed. Untersuchungen zur vergleichenden Entwicklungs- 
geschichte und Systematik der Phalloiden. (Aus: „Denkschriften 
der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft.“) 4°. III, 105 pp. 
Mit 6 Taf. u. mehreren Holzschn. Georg. Basel 1890. 

Frank, B. Ueber die Pilzsymbiose der Leguminosen. (Aus: „Land- 
wirthschaftliche Jahrbücher‘) 8%. 118 pp. Mit 12 Taf, Parey. 
Berlin 1839. 

Hesse, Rdf. Die Hypogaeen Deutschlands. Natur- und Entwicke-- 
lungsgeschichte, sowie Anatomie und Morphologie der in Deutsch- 
land vorkommenden Trüffeln und der diesen verwandten Organis- 
men, nebst praktischen Anleitungen bezüglich deren Gewinnung 
und Verwendung. 1. Lfg. 4%. p. 1—16. Mit 1 Tab. u. 2 farb. 
Taf. Hofstetter. Halle a/S. 1890. 

Soll in ca. 7 Lieferungen erscheinen. 

Kug, L. Botanische Wandtafeln. In Farbendruck auf Carton 69,35 
em hoch. Paul Parey. Berlin 1890. 

Migula, W. Wandtafeln für Bakterienkunde. 10 Tafeln 69/85 cm. 
Paul Parey. Berlin 1890. 

Luerssen, Chr. und F. H. Haenlein. Bibliotheca botanica. Ab- 
handlungen aus dem @Gesammtgebiete der Botanik. 19. Heft. 
2. Hälfte. 20. Heft. 4°. Fischer. Cassel, 1890. 

Inhalt: 19. 2. Monographie der Gattung Orobranche von G. 
Beck v. Mannagetta. VII. u. p. 161—275. Mit 4 farb. Taf. u. 3 
farb. Karten. — 20. Die Entwickelung der Blüthe und des Blüthen- 
standes bei einigen Arten der Gruppe Ambrosieae und Stellung 
der letzteren im System. Von S. Rostowzew. III, 23 pp. Mit 
are 

Pfeffer, W. Ueber Aufnahme und Ausgabe ungelöster Körper. II. 
Zur Kenntniss der Plasmahaut und der Vacuolen, nebst Bemerk- 


456 Neu erschienene Werke. 


ungen über den Aggregatzustand des Protoplasmas und über osmo- 
tische Vorgänge. (Aus: „Abhandlungen der königl. sächsischen 
Gesellschaft der Wissenschaften.*) 8. 198 pp. Mit 2 Taf. und 1 
Holzschn. Hirzel. Leipzig 1890. 

Rostowzew, S. Die Entwickeiung der Blüthe und des Blüthen- 
standes bei einigen Arten der Gruppe Ambrosieae und Stellung der 
letzteren im System, (Aus: „Bibliotheca botanica.“) 80. 23 pp. 
Mit 7 Taf. Fischer. Cassel 189. 

Studer, jun., B. Beiträge zur Kenntniss der schweizerischen Pilze. 
a) Wallis. Mit einem Nachtrag von Ed. Fischer. (Aus: „Mittheil- 
ungen der naturforschenden Gesellschaft zu Bern.*) 8%. 13pp. Mit 
2 Taf. Wyss. Bern 1890. 

Westermaier, M. M. A. N. Zur Embryologie der Phanerogamen, 
insbesondere über die sogenannten Antipoden. (Aus: Noya Acta 
der kaiserl. Leopold.-Carolinisch deutschen Akademie der Natur- 
forscher.“) 4%. 39 pp. Mit 3 Taf. (Leipzig, Engelmann.) Halle 
1890. 


Sachregister 
zu Band 63. 


A. — Aufsatz; B. — Bericht; R. = Referat; E. = Erwähnung. 


A. 


Abschmelzzone A. T. 

Albit R. 321. 

Alkaloide von Sanguinaria cana- 
densis und Chelidonium 
majus A. 369. 

Amalgam im Silberbach b. Wieda 
R. 67. 

Ameisenpflanzen R. 31. 

Ammonites Dux R. 325. 

Anarosaurus pumilio R. 327. 

Andalusit B. 319. 

Andreasberger, Granit B. 318. 

— Heulandit R. 59.. 

Anomalacardia antiquitata R. 306. 


Antimon- und Arsenfahlerz auf 


dem Himmelfahrt - Berg- 
männischen Hoffnungs- 
Gange R. 64. 
Apophyllit von St. Andreasberg 
R. 327. 
Aquitanien R. 352. 
Araucarioxylon R. 7 
Araucarites R. 78. 
Atomistik R. 330. 
Ausit B. 317. 


r- 


[E 


B 


Bakterien R. 80. 

Basalte R. 194. 

Bau der Bacterien R. 213. 

Beobachtungen, blüthen- 
biologische R. 86. 


Bergkrystalle bei Bösingfelde, 
Langenholzhausen, Lippi- 
schen und Uffeln bei Vlotho 
R. 124. 

— in Lippe-Detmold R. 126. 
Bibliographie generale de l’astro- 

nomie R. 213. 

Biotit R. 321. 

Blitzschlag auf verschiedene Baum- 
arten R. 313. 

Bloedit von Douglashallb.Western- 
egeln R. 57. 

3ogueicer Schichten R. 350. 

Boraeit zu Douglashall R. 53. 

Botanik für Gymnasien R. 37. 

Botanischer Wegweiser R. 447. 

Biaunkohlenbergbau R. 184. 

— bildung, subhercynische, R. 

182. 

— von Bornstedt R. 133. 
Brockengranit B. 318. 
Brocken-Massiv R. 317. 
Buntsandstein von Deutschland 

R. 67. 


Ü 


Capillar-Analyse R. 83. 
Cardium muricatum R. 306. 
Ceratites antecedens E. 325, 
-— Buchii R. 326. 
— nodosus R. 326. 
Cervus euryceros von Rixdorf 
R. 435. 
Chelidonium Chelerythrin B. 339. 
Chelerythrin B. 380. 
S. - Chelerythrin - Goldehlorid 
B. 384. 


458 


Sachregister. 


S. - Chelerythrin - Platinchlorid 
B. 385. 
— salzsaures B. 386. 
Chelidonium - Chelerythrin - Gold- 
chlorid B. 39. 
— — Platinchlorid B. 3%. 
Chemie, Ausführliches Lehrbuch | 
der, R. 206. 
Chilopoden R. 355. 
Columbia livia R. 328. 
Conchorhynchus gammae R. 325. 
Cordaites R. 78. 
Culmgrauwacke R. 66. 
— Kieselschiefer R. 322. 
— Thonschiefer R. 322. 
Cyrenenschichten R. 352. 


D 


Damhirsch aus dem Diluvium 
»=1'95: 
Darstellung organischer Präparate 
R. 441 


Datumweiser, immerwährender, 
R. 346. 

Diorit B. 319. 

Dosinia concentrica R. 306. 

Dynamik auf Physik, Anwendung 
der, R. 343. 


BR. 


Eckergneiss B. 320. 

Eiche R. 313, 314. 

Eisenkalk R. 64. 

Eleetrodynamik R. 342. 

Elemente der forensisch chemi- 
schen Analyse R. 206. 

Emys europaea bei Leipzig 
Sl97 


Entstehung des Lebens R. 200. 
Entwicklung der Kiemen der 
Froschlarven A. 129. 

Epidot R. 321. 

Erhaltung der Kraft R. 336. 

Eruptivgesteine d. Rothliegenden 
im 8.-0. Thüringer Walde 
R. 189. 

Erzlagerstätten von Kamsdorf 


oe 


F. 


Fauna piscium Germaniae R. 1%. 
Feldstein R. 326. 

Fette, Oele, Wachsarten R. 210. 
Flächentheorie, allgemeine, R. 338. 


Flora von Lüneburg R. 358. 
Fluorit R. 321. 
Filussneunaugen R. 215. 

— spath R. 323. 


Franz-Joseph-Schacht R. 353. 


6. 
Gabbro B. 319. 
Gartenbau-Lexikon R. 360. 
Garten- und Parkanlagen in Olden- 
burg R. 359. 
Gaskohle, Fauna der, R. 211. 
Geographie, mathematische, 
R. 334. 
Geognosie des Ilmthales R. 187. 
Geologie R. 354. 
— Böhmens R. 75. 
— von Crawinkei R. 323. 
— des Ockerthals R. 327. 
— des Thüringer Waldes R. 323. 
— von Zellerfeld B. 321. 
Glacialerscheinungen in Magde- 
burg R. 326. 
— schrammen R. 326 
Glaserit von Douglashali R. 57. 
Gliederung des WellenkalksR. 184. 
Glimmerporphyrit R. 190. 
Granat R. 322. 
Granitgänge in Gabbro R. 317. 
Grünsalz R. 351, 
— sand, tertiärer, R. 66. 
Grundlagen der Atomtheorie 
R2203. 
— züge der theoretischen 
Chemie R. 205. 


H. 
Hafenanlage bei Neustadt- Magde- 
burg R. 66. 


Harz, östlicher, R. 67. 

Heulandit R. 58. 

Homochelidonin B. 381, 405. 

y - Homochelidonin - Platinchlorid 
B. 410. 

Hydroiden R. 446. 

Hypnotismus, Einführung in das 
Studium des, R. 199, 


I. 


Iisensteingranit B. 318. 
Indianer in St. Catharina 
Insekten R. 732. 

lod R. 203. 


R. 310. 


Sachregister. 


K 
Kalkspath R. 323. 
Kamsdorfer Gänge R. 63. 
Kainit in der Kieseritregion von 
Douglashall R. 58. 
Kenntniss der Insekten R. 446. 
Kersantit R. 19%. 

— und Glimmerporphyrit in 
derselben Gangspalte bei 
Unterneubrunn R. 191. 

Klassiker der exacten Wissen- 
schaften R. 355. 

Knochenentfettungsapparat R. 
446. 


Korallen A. 241. 

Kreuzotter R. 50. 

Kupferkies auf dem Johannisgang 
E. 64 


Kyfthäuser-Flora Ion Tel 


L. 


Landes- und Volkskunde R. 348. 

Land Barnim B. 10. 

Laubfärbungen R. 32. 

Lautenthaler Soolquelle R. 177. 

Lebus R. 31. 

Lehrbuch der Physik R. 340. 

Leitfaden der Naturgeschichte 
R. 440. 

Limulus Decheni R. 182. 

Literaturverzeichniss der Frösche 
1% ar 


M, 


Magdeburger und Stettiner Sande 


Malakolith R. 317, 322. 

Masurische Seen R. 74. 

Meeresmuschellager bei Egeln 
R. 182. 


— oberoligocänes, R. 185. 

Melaphyr R. 1%. 

Mesolith R. 47. 

Mesotype A. 42. 

Mikrophotographie R. 444. 

Mikroklin, einfacher, R. 427. 

Mikroskopische Untersuchung des 
Wellenkalks bei Jena R, 
431. 

Molekulartheorie, 
zur, R. 203 

Moräne, diluviale, in Teltow und 
Barnim-Lebus A. 1. 


Abhandlungen 


Muschelberge a. d. Ostküste Bra- | 


siliens R. 305. 


459 


| Muschelkalk R. 325. 


— Gliederung des unteren, 
R. 186. 
— unterer, bei Jena, R. 429. 
— von Sondershausen R. 325. 
Muscovit E. 321. 


N, 
Nährpflanzen R. 348. 
Natrolith R. 43. 
Naturleben, heimisches, R. 329. 
— im Kreislauf des Jahres R. 
zal: 
Naturwissenschaften, Jahrbuch 
der, R. 440. 
Nautilus bidorsatus E. 325. 
— imperialis E. 183. 
Nordfront-Kanal in Magdeburg R. 
63. 


0. 


Obst- und Weinbau R. 229. 
Oligoklas E. 321. 
Oolithbänke R. 185. 
Orthoklaszwilling aus dem Fichtel- 
gebirge R. 427. 

Orthoklas B. 321. 
Oryptogramma brasiliana R. 306. 
Östrea parasitica E. 306. 

— rostrata E. 306. 

— virginica E. 306. 


P. 


Paläontologie, Elemente der, R. 
76, 

Pappel, italienische, R. 313. 

Pflanzenphysiologie R. 367. 

Pholdomya Weisii E. 183. 

Photographie, Handbuch der, R. 
443 


Physik R. 339. 
Pıiattendolomit R. 324. 
Posidonienschiefer R. 322. 
Porphyr R. 323 
Produetus horridus E. 324. 
Projecetionskunst R. 75. 
Protopin R. 381, 411. 
—- -Goldehlorid B. 416. 
— -Platinchlorid B. 414 
— salzsaures B. 419. 


| Pyrrhoarsenit R. 210. 


460 


Q. 
Quarzporphyr R. 189. 


R. 


Repetitorium der Chemie R. 207. 
Report of the Kansas State Board 
of Agrieulture R. 32. 
Rothnickelkies E. 64. 

Rhät R. 325. 


Ss, 


Salzformationen von Wieliczka 
und Bochnia R. 349. 
Sambaquis an der Ostküste Bra- 

siliens R. 305. 
Sand von Rajsko R. 349. 
Sanguinarin B. 371, 381. 
Sanguinaria Canadensis A. 371. 
Sanguinarin-Goldehlorid B. 400. 
— Platinchlorid B. 401. 
— salpetersaures B. 404 
— salzsaures B. 402. 
Säugethiere von Sachsen, Anhalt, 
Braunschweig, Hannover 
und Thüringen A. 97. 
Schimmelmycosen R. 226. 
Schaumkalk-Horizont R. 185. 
Schwefelkies R. 125. 
— -vorkommen von Swoszowice 
327349: 
Schwerspath R. 323. 
Seeigel, bohrende, R. 224. 
Sulmıon Länge des, R. 


Septarien oder Rupelthon R. 183. 
Sequoia Contsiae E. 182. 
Skolezit R. 43. 
Spiriferensandstein R, 322. 
Spiza-Salz R. 351. 

Szybiker-Salz R. 351. 


T. 


Teltow A. 3. 

"Temperaturbeobachtungen im 
Bohrloch zu Schladebach 
R. 68. 


Sachregister. 


Tephrit R. 19. 

Terebratelbank R. 185. 

Tertiärformation Mittel-Deutsch- 
lands R. 180, 
medicinische Vorträge R. 
223: 

Thierwelt des Riesengebirges R. 


Thinrolith E. 67. 

Triasformationen Unterfrankens 
R. 354. 

Turmalin R. 321. B. 317. 


U. 


Unio Koesteri R. 72. 
Uredineen bei Leipzig R. 1%. 


V. 
Vegetations - Verhältnisse des 
Kyfhäusser-Gebirges R.72. 

Verbreitung des Sperlings R. 197. 
Vögel R. 327. 

— deutsche R. 328. 
Vogelarten Mitteleuropas R. 69. 
Volvoxstudien R. 356. 


W. 
Wavellit E. 617. 
Wärmetheorie R, 34. 
Weide R. 314. 
Weissliegendes R. 62. 
Weilenlehre, Anwendung auf den 

Lauf des Blutes R. 203. 

Wellenkalk bei Osnabrück R, 186. 
Wieliezka R. 350. 
Wissadula A. 112. 


2. 


Zechstein von Blankenburg R. 455. 
— -formation R. 324. 

Zinnober von Wieda R. 67. 

Zoisit R. 322 

Zoologie, Lehrbuch der, R. 220. 
223721. 

Zusammenstellung der Leipziger 
Schnecken R. 193. 


Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei in Halle (Saale). 


Verlag von C. E..M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle- Saale. { 


‘Aretaeus, Des Kappadoecier, auf ung gekommene Schriften. Aus Ach $ 


Griechischen übersetzt von Prof. Dr. Mann, AM 4.— 
Bischof, F., Bergrath, Die Steinsalzwerke bei Stassfurt. 2. umge- 


arbeitete Auflage. Mit Abbildungen und 1 Karte!‘ u 3.60 < > 
Dreher, Dr. Eugen, Der Darwinismius und seine Consequenzen in 


wissenscha“tlicher und sozialer Beziehung. AM 2.25 
— Beiträge-zu unserer modernen Atom- und Molekular- Theorie 
auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der 
Chemie, 2. Die Spektralanalyse. 3. Die Ursache der Phosphor- 
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei 
Spektren im Lichte. (Das eigentliche. Lichtspekt trum, das 


Wärmespektrum und das chemische Spektrum.) HM: 2259° 


— Beiträge zu einer exakten Psycho-Physiologie. 1. Ueber das 


Wesen ‚der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension 


des Raumes. 3. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit. 
4. Studien am „Lebensrad“ behufs eines richtigen Verständ- 


nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der * 


- Farbenwahrnehmung. MM 2.— 

— Ueber den Zusammenhang der Naturkräfte, a HM 120° 
Drossbach, M., Ueber Kraft und Bewegung im Hinblick auf die Licht- 
wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. MU 2.40 
— Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Ge- 
schehens in der Welt. > = 441.80 


Durdik, J., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der 
Welt auf Grundlage der positiven. Ergebnisse der Philosophie 
und der Naturforschung. > 421. — 

Giebelhausen, San.-R. Dr., Der Berggeist. Einste und heitere Mittheil- 
ungen aus Manfelds Vor- und Neuzeit in Volksmundart. '120 S. 


1,50. 


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