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HARVARD UNIVERSITY
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LIBRARY
OF THE
MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY
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Zeitschrift
für
Naturwissenschaften.
Im Auftrage des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen
und Thüringen und unter Mitwirkung von
Geh. Bergrath Dunker, Prof. Dr. Freih. von Fritsch, Prof. Dr. Garcke,
Geh. Rath Prof. Dr. Knoblauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuckart,
Prof. Dr. E, Schmidt und Prof. Dr. Zopf
herausgegeben von
‘Dr. O9. Luedecke,
Professor an der Universität Halle.
65. Band.
(Fünfte Folge. Erster Band.)
Mit fünf Tafeln.
Halle - Saale.
C. E.M. Pfeffer (Robert Stricker).
18.
Inhalt des 63. Bandes.
Autorenregister.
Abhandlungen.
Dr. Leopold Böttger, Geschichtliche Darstellung unserer Kennt-
niss und Meinungen von den Korallenbauten
Geh. Bergrath E. Dunker in Halle, Ueber ein Vorkommen von
Krystallen in der Formation des Keupers :
Prof. Dr. A. Garcke, Wie viel Arten von Wissadula giebt es?
Georg Koenig , Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide aus den
Wurzeln“ "von Sanguinaria canadensis und Chelidonium
majus .
Prof. Dr. In Luedecke, "Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype
Dr. Hugo Naue aus Oranienbaum, Ueber Bau und Entwicklung
der Kiemen der Froschlarven mit Tafel I u. II .
Privatdocent Dr. Schmidt in Halle, Die Sum UnS des Blitz-
schlages auf verschiedene Baumarten .
Dr. Erwin Schulze, Verzeichniss der Siugethiere von Sachsen,
Anhalt, Braunschweig, Hannover und Thüringen . .
Dr. Wohltmannin Göttingen, Ein Beitrag zu den Muschelbergen,
Sambaquis, an der Ostküste Brasiliens. Mit Tafel IV u. V
Dr. E. Zache, Ueber den Verlauf und die Herausbildung der
diluvialen Moraene in den Ländern Teltow und Barnim-
Lebus. Mit Tafel I. 5 SPLE ATEN
II. Sächsisch-Thüringische Literatur.
Dr. F, Beyschlag, Die Erzlagerstätten von Kamsdorf {
Dr. J, G. Bornemann, Ueber den Buntsandstein in Deutsch-
land, seine Bedeutung für die Trias nebst Untersuchungen
über Sand und Sandsteinbildungen im Allgemeinen .
Dr. L. G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basal-
tischer Gesteine zwischen Gerstungen und Eisenach 8
Prof. Dr. H. Bücking, Mittheilungen über BEnpE sera leine der
Section Schmalkalden . .
Prof. Dr.. Bücking, Glaserit, Bloedit, "Kainit, “ Boraeit von
Douglashall .
Cesaro, Ueber das ditetragonale Prisma am Apophyliit von
St. Andreasberg . &
Prof. Dr. W. Dames, Anarosaurus pumilio nov. gen. nov. ‚spec.
— Cervus euryceros von Rixdorf bei Berlin 2 k
194
192
327
327
455
IV Inhalt.
P. Dietel, Die Uredineen bei Leipzig a
Geh. Ober-Bergrath E. Dunker, Temperaturbeobachtungen im
Bohrloch von Schladebach . £
P. Ehrmann, Zusammenstellung der Leipziger Schnecken
W. Frantzen in Meiningen, Untersuchungen über die Gliede-
rung des unteren Muschelkalks in Westfalen u. Hannover
W. Frantzen u. A.v.Koenen, Ueber die Gliederung des Wel-
lenkalks im mittleren und nordwestliehen Deutschland
Prof. Dr. K. von Fritsch, Die Tertiärformation Mittel-Deutsch-
lands. = AN
©. G. Friederich, Naturgeschichte der deutschen Vögel 69 u.
Dr. H. Keilhack in Berlin, Ueber einen Damhirsch aus dem
märkischen Diluvium bei Belzig . .
Dr. Koch in Berlin, Geologische Aufnahmen im N. 0. Theile
des Blattes Zellerfeld .
G. Lattermann in Berlin, Die Lautenthaler Soolquelle “und ihre
Absätze .
E. Liebe trau in Gotha, Beiträge zur "Kenntniss des” unteren
Muscheikalks bei Jena i
Dr. H. Loretz in Berlin, Der Zechstein in der Gegend von
Blankenburg und Königsee am Thüriugerwalde i
— Ueber einige Eruptivgesteine des Rothliegenden im 8.0.
Thüringer Walde A
— Ueber “das Vorkommen von Kersantit und Glimmerpor-
phyrit in derselben Gangspalte bei Unterneubrunn . ;
Prof. De K. A. Lossen, Geologische Aufnahmen im Brocken-
Massiv und bei Harzburg
Mügge und Müller, Ein neuer Orthoklaszwilling aus dem
Fichtelgebirge Be KO
Dr. Arth./Petry, Vies etations- Verhältnisse des Kyffhäuser-
gebirges . ... VEN. Me ER ER
Prof. Picard in Sondershausen, Ueber einige seltene Petre-
facten aus dem Muschelkalk } :
Prof. Dr. Reidemeister, Mineralogische Notizen
Ders., Eine mineralogische Wanderung durch den östlichen Harz
Dr. Rinne und Prof. Jannasch, Ueber Heulandit .
Carl Russ, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres TLu.
A. Sauer und N. V. Ussing, Ueber einfachen Mikroklin aus
dem Pegmatit von Gasern unterhalb Meissen .
Dr. R. Scheibe und Dr. Zimmermann in Berlin, Geognosie
der Gegend des Ilmthales zwischen Schneidemüllerskopf
und Ilmenau & NEE ANLE
Leop. Scheidt, Vögel unserer Heimath s
Hans Schillbach in Jena, Mikroskopische Untersuchung des
Wellenkalks bei Jena . .
Prof. Dr. Schreiber in Magdeburg, Glacialerscheinuingen in
Magdeburg .
— Die Bodenverhältnisse im Bereiche des Ringstrassen- und
Nordfront-Canals in Magdeburg ENG i
Der Grundwasserstand in Magdeburg . {
— Die Hafenanlage bei Neustadt-Magdeburg. .
— Die Bodenverbältnisse von Magdeburg-Neustadt und deren
un, auf die Bevölkerung. Mit einer geologischen
arten 2% ale
Dir. Dr. Schroeder, Unio Koesteri n. "sp. Y. Möckern
H. Schucht, Geologie des Ockerthals .
Dr. Erwin Schulze in Potsdam, Fauna piseium Germaniae .
Dr. H, Simroth, Privatdocent in nl ua von
Emys europaea . B er
. .
Inhalt.
V
Derselbe, Ueber Verbreitung des Sperlings .
M, Vollert, Der Braunkohlenbergbau., Festschrift zum IV,
Allgem. Bergmannstag in Halle a, S, .
Dr, Zimmermann, 6eologisches vom nördlichen Thüringer
Walde: Aufnahmen auf Blatt Crawinkel. . . 22...
III. Allgemeine Literatur.
Dr. C. Arnold, Repetitorium der Chemie . .
Bessel, Untersuchungen über die Länge des Sekundenpendels
Dr. Boas, Lehrbuch der Zoologie . SR
W. Büchner, Zwei Materien mit 5 Fundamentalgesetzen
Bütschli, Ueber den Bau der Bacterien und verwandter Orga-
nismen
Dr. E. )J. Doliarius, Janus, ein immerwährender Datumweiser
für alle Jahrhunderte 2
Dr. Bus. Dreher, Der Hypnotismus, seine Stellung zum Aber-
glauben und zur Wissenschaft.
Dr. Eb. Fraas, Geologie in kurzem Auszuge für Schulen und
zur Selbstbelehrung . :
Dr- A. B. Frank, Prof. an der Königl. "Landwirthschaftl. Hoch-
schule, Lehrbuch der Pflanzenphysiologie mit besonderer
Berücksichtigung der Culturpflanzen N
H. G. Francke, Die Kreuzotter etc. .
Pest, Dr. Anton Fritsch, Fauna der Gaskohle und Kalksteine
der Permformation Böhmens : ae 3
Gauss, Allgemeine Flächentheorie i
Gay -Lussae, Untersuchungen über das Ian
Detan. -Rath R. Göthe, Bericht der Königl. Lehr-Anstalt für
Obst- und Weinbau zu Geisenheim 1888/89 . . .
Prof. Dr. F. Götte, Entwickelung des Flussneunauges .
Prof. "Dr! Er: Goppelsdorfer, Ueber Capillar- Analyse
Prof. Dr. Siegmund Günther, Handbuch der mathematischen
Geoszaphien.. n- ı..
Dr. F. Hantschel, Botanischer "Wegweiser im Gebiete des.
nordböhmischen Exeursionseiubs . BT ANEENE
Hatschel, Lehrbuch der Zoologie 3
G. v. Hay ek, Handbuch der Zoologie . .
Prof. Dr. Melmhol tz, Ueber Erhaltung der Kraft
F. Hoeck, Die Nährpflanzen Mittel-Europas .
J. C. Houzeau u. A. Lancaster, Bibliographie söncrale de
Yastronomie . i BR RR, ö
Igelström, Pyrrhoarsenit
John, Bohrende Seeigel .
Dr. Fr. Katzer, Geologie Böhmens, ii "Abtheilung .
H. Kayser, Lehrbuch der Physik für Studirende F
Prof. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landeskunde .
Ludwig Klein, Vergleichende Untersuchungen über Morphologie
und Biologie der Fortpflanzung beider Gattungen Volvox
Dr. J. Klein, Elemente der forensisch-chemischen Analyse
L. Kny, Ueber Laubfärbungen . . } b
H. J. Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insekten . 78u.
Dr. M. Krass und Prof. Dr. Landois, Lehrbuch der Botanik
für den Unterricht in Gymnasien .
Curd Lasswitz, Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis
Newton. 2 Bände
Dr. S. Levy, Anleitung zur Darstellung organischer Präparate
Seite
197
184
323
380
441
vI Inhalt.
a
Liebenmann, Die Schimmelmycosen des menschlichen Ohres
Prof. Dr. Loew, Anleitung zu blüthenbiologischen Beobachtungen
Ferd. Maack, Zur Eirführung in das Studium des Hypnotismus
und thierischen Magnetismus . .
@, Marktanner-Turneretscher, Die Mikrophotesraphie als
Hilfsmittel naturwissenschaftlicher Forschung . Ä
— Die Hydroiden des k. k. naturhistorischen Hofmuseums
A. B. Meyer, Der Knochenentfettungsapparat des königlichen
zoologischen Museums zu Dresden ,
M. Mohler, Report of the Kansas State Board of Agriculture
Albert K.v. Müller- Hauenfels, Richtigstellung der in bisheriger
Fassung unrichtigen mechanischen Wärmetheorie und
Grundzüge einerallgemeinen Theorie der Aetherbewegungen
Prof. Julian Niedzwiedzki, Beitrag zur Salzformation von
Wieliezka und Bochnia .
Ober- Appellations- -Rath Dr, phil, C. Nöldecke in Celle, "Flora
des Fürstenthums Lüneburg
Heinrich Ohrt, Die grossherzoglichen Gärten und Parkanlagen
in Oldenburg 2 . ;
Prof. Ostwald, Classiker ‘der exacten Wissenschaften 203.
Dr. B. Plüss, Leitfaden der Naturgeschichte 3
Dr. H.D. Potonig, Die systematische Zugehörigkeit der Hölzer
vom Typus Araucarioxyion 1, d. palaeolithischen Formationen
Die Projectionskunst für Schulen, öffentl. Vorstellungen ete.
Otto von Rath, Ueber Fortpflanzung der Chilopoden j
Prof. Ira Rem 5 en, Grundzüge der theoretischen Chemie
Roscoe und Sch or lemmer, Ausführliches Lehrbuch II.
Th. Rümpler, Ilustrirtes Gartenbaulexikon
Prof. v.Sandberger, Uebersicht der Versteinerungen der Trias-
formation Unterfrankens : BR UNE
Carl Schaedler, Untersuchungen der Fette, Oele etc.
Dr. @. Schneidemühl, Thiermedieinische Vorträge
Dr. ar Schumann, Die Ameisenpflanzen.. h
A. Sprockhofft, Grundzüge der rn ä
Prof. Dr. G. Steinmann und Dr. . Doederlein, Elemente
der Palaeontologie
J. J. Thomson, Anwendung der Dynamik auf Physik u. Chemie
Dr. W. Ule, Die Tiefenverhältnisse der Masurischen Seeen . .
Prof. Dr. H. W. Vogel, Handbuch der Photographie. ]. Theil
Photochemie und Beschreibung der photographischen Che-
mikalien . .
J. G. Voigt, Die Geistesthätigkeit des Menschen und die me-
chanischen Bedingungen der bewussten Empfindungs-
äusserung auf Grund einer einheitlichen Weltanschauung
— Das Empfindungsprincip und die Entstehung des Lebens
auf Grund &ines einheitlichen Substanzbegriffs
H. Weber, Electrodynamik . .
Dr. M. Wilder mann, Jahrbuch der Naturwissenschaften 1889/90
Dr. Robert Wittmann, Bacterien und die Art ihrer Untersuchung
Dr. Otto Zacharias, 'Zur Kenntniss der niederen Thierwelt
des Riesengebirges ; RAN Da
Neu erschienene Werke Seite 81, 233, 361, 451.
Druckfehler: $. 51 vorletzte Zeile muss es heissen elliptisch
polarisirtes, nicht cir reular polarisirtes Licht, u. Seite 345 Haumfels.
statt Hannfeld.
N En Auftrage des A eehataen Vereins für Sachsen
; und en und unter N von
herausgegeben von
“Dr. o. Luedecke,
Professor an der Universität Halle,
v
53. Band.
«Fünfte Folge. Erster Band.)
Erstes Heft.
Ausgabe für Vereinsmitglieder.
08 Mit einer Tafel. &e-
Halle- Saale,
g n M. Pfeffer (Robert Stricken).
Inbhalc:
I. Abhandlungen.
Prof. Dr. O. Lwede: eke, Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype
Dr..E. er a Ueber, den Verlauf und die Herausbildung der
diluviälen Moraene in den Ländern Teltow und Barnim-
Lebus. : Mit Hafel IE a NEST 5
Mt Sächsisch -Thüringische Lean
Dr. F. Beyschlag, Die Erzlagerstätten von Kamsdorf
Dr. J. G. Bornemann, Ueber den Buntsandstein in Deutsch-
land, seine Bedeutung für die Trias nebst Untersuchungen
über Sand und Sandsteinbildungen im Allgememen 2
Prof. Dr. Bücking, Glaserit, Bloedit, Kainit, Boracit von
Douglashall . N 1
Geh. Ober-Bergrath E. Dunker, "Temperaturbeobaehtungen
‘ im Bohrloch von Schladebach . . . SER
C. G. Friederich, Naturgeschichte der deutschen Vöeel
De. -Arth. Petry; "Vegetations- Verhältnisse des
gebirges . . Re
Prof. Dr. Reidemeister, Mineraloeische Notizen i
— Eine mineralogische Wanderung durch den östlichen Harz.
Dr. Rinne und Prof. Jannasch, Ueber Heulandit . Ä
Carl Russ, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres
Prof Dr. Schreiber, Die Bodenverhältnisse im Bereiche des
Ringstrassen- und Nordfront-Canals in Magdeburg . . .
Derselbe, Der Grundwasserstand in Magdeburg NEE
n Die Hafenanlage bei Neustadt- Magdeburg .
Die Bodenverhältnisse von Magdeburg- Neustadt
und deren Einfluss auf die Bevölkerung. Mit
einer geologischen Rarte . N
Dir. Dr. Schroeder, Unio Koesteri n. sp. V. Möckern
”
II. Allgemeine Literatur.
Dr. H. G. Franeke, Die Kreuzotter ete.. . .
Prof. Dr. Fr, Goppelsdorfer, Ueber Capillar- ;
„DE. Pr. Katzer, Geologie Böhmens. I. Abtheilung
L. Kny, Ueber Laubfärbungen ;
H. J. Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insecten . .
Dr. M. Krass und Prof. Dr. Landois, Lehrbuch der Botanik
für den Unterricht in Gymnasien. :
Prof. Dr. Loew, Anleitung zu blüthenbiologischen Beobach-
tungen .
M. Mohler, Report "of the Kansas State "Board of Asrieulture
Dr. H. D.Poto nie, Die systematische Zugehörigkeit der Hölzer
vom Typus Araucarioxylon i. d. palaeolithischen Formationen
Die Projeetionskunst für Schulen, öffentl. Vorstellungen etc.
Dr. K. Schumann, Die Ameisenpflanzen a
Prof. Dr. G. Steinmann und Dr. L. Doederlein, Elemente
der Palaeontologie... . ;
Dr. W. Ule, Die Tiefenverhältnisse der Masunschen Seeen.
Dr. Rob. Wittmann, Bacterien und die Art ihrer Untersuchung
Neu erschienene Werke.
Seite
43
Sig:
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polarisirtes, nicht eircular polarisirtes Licht.
Ankündigung.
—HS—
Seit dem Jahre 1853 erscheint in Halle die Zeitschrift
für Naturwissenschaften”), deren Herausgabe vom jeweiligen
Vorstande des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und
Thüringen besorgt wird. In derselben ist seither eine grosse
Reihe wichtiger, die Naturgeschichte Mitteldeutschlands be-
treffender Abhandlungen veröffentlicht.
Gleich im ersten Bande finden sich höchst bemerkens-
werthe Abhandlungen: so die für die Meteorologie so wich-
tigen über die Luftelektricität und die Windrichtung bei Halle
und im mittleren Europa — auf dem Gebiete der Mineralogie
und Geologie: Bischof, Abbildungen der bei Bernburg vor-
kommenden Sigillaria Sternberg, Giebel, Entdeckung des
Ammonites Dux im Muschelkalke von Schraplau und Mit-
theilung über tertiüre Pflanzen von Bernburg, Ulrich, Voltait
vom Rammelsberge bei Goslar und Deike, Roggenstein bei
Bernburg — die Zoologie wird vertreten durch Gvedel,
Münter wmd Schmidt, welche über Anatomie der Wirbel-
thiere und Schnecken berichten — die Botanik durch Garcke
füber Malvaceen).
*) Zeitschrift für Naturwissenschaften. Im Auftrage
des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen in
Halle und unter Mitwirkung von Geh. Bergrath Dunker, Prof. Dr.
Freih. v. Fritsch, Prof. Dr. Garcke, Geh. Rath Prof. Dr. Knob-
lauch, Geh. Rath Prof. Dr. Leuckart, Prof. Dr. E. Schmidt und
Prof. Dr. Zopf. Herausgegeben von Prof. Dr. O0. Luedecke. Verlag
von C. E. M. Pfeffer (Robert Stricker) in Halle.
Vom 63. Bande an beträgt der Abonnementspreis jedes Bandes
von sechs Heften 12 Mark.
Zeitschrift für Naturwissenschaften.
N ver er
Neben diesen für die Naturgeschichte unseres mittel-
deutschen Vaterlandes bedeutsamen Original- Abhandlungen
brachte der Band eine Menge ausführlicher Auszüge und Be-
richte, die den Leser in der Naturgeschichte auf dem Laufen-
den erhielten.
Aehnlich ist der Inhalt der folgenden 61 Bände, welche
unter der sorglichen Redaktion der Professoren an der Univer-
sität Halle: Giebel, Heintz, Siewert, von Fritsch,
Schmidt, Knoblauch, Zopf und Luedecke erschienen
sind.
Ein ungeheures Material, auf dessen zahlreichen und ge-
diegenen Inhalt wir hier leider nicht näher eingehen können,
ist in dieser grossen Anzahl Bände niedergelegt, so dass die
Zeitschrift die
werthvollste Quelle für die Naturgeschichte
Mitteldeutschlands
darstellt, welche jedem Forscher zur Hand sein muss, wenn er
sich mit Erfolg auf dem Gebiete der Naturgeschichte bethä-
tigen will.
Vom 63. Bande ab besorgt Herr Prof. Dr. Luedecke die
Herausgabe, welchem es gelungen ist, neben den bewährten
Kräften, welche bisher die Redaktion unterstützten, eine Reihe
jüngerer akademischer Herren zur Mitwirkung heranzuziehen.
Enthielten die früheren Bände gleichzeitig die Sitzungs-
berichte des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und
Thüringen, welche für die Mitglieder dieses Vereins wichtig
sind, so werden dieselben künftig nicht weiter in der Zeit-
schrift erscheinen, vielmehr als selbstständiger Monatsbericht
herausgegeben werden. So wird es möglich sein für die
Referate über einheimische Naturgeschichte unter der Rubrik
Sächsisch- Thüringische Litteratur
einen grösseren Raum zu gewinnen und sämmtliche Er-
scheinungen — eingeschlossen die in Blättern zerstreuten
— welche Provinz Sachsen und Thüringen betreffen, aus-
führlich zu besprechen. Es bleibt somit der Leser stets
Verlag von (. E. HM. Pfeffer (Robert Stricker) in Halle - Saale.
Zeitschrift für Naturwissenschaften.
Ze TOO oT
orientirt und es gestaltet sich so die Zeitschrift zu einem
Organ, welches Vielen unentbehrlich werden wird. Bei
der grossen Bedeutung, die gerade Thüringen auf dem Gebiete
der Geschichte der Geologie und der Harz in der Entwicke-
lung der Mineralogie erlangt haben, dürfte diese wichtige
Quelle auch für weitere Kreise von höchstem Interesse sein.
Die Originalaufsätze, denen zur Illustration eine
Reihe von Tafeln beigegeben sind, erscheinen in der bisherigen
Weise weiter, neben diesen soll der Leser durch zahlreiche
Berichte auf dem Gebiete der allgemeinen Litteratur
unterrichtet werden; eine ausführliche Bibliographie der
neu erschienenen Bücher des In- und Auslandes wird den
Schluss bilden.
Die Zeitschrift für Naturwissenschaften erscheint jährlich
in 6 Heften, welche einen Band bilden. Der Preis eines
solchen Bandes beträgt 12 Mark.
Jede gute Buchhandlung des In- und Auslandes nimmt
Bestellungen entgegen; bei directer Einsendung des Betrages
bewirkt auch die Verlagsbuchhandlung directe Zusendung: der
erscheinenden Hefte.
Halle- Saale.
Redaktion und Verlag.
Unterzeichneter subseribirt hierdurch auf die
ı Zeitschrift für Naturwissenschaften. Band 63 und Folge.
(Verlag von C. E.M. Pfeffer — Robert Stricker —
in Halle-Saale.)
Ort und Datum: Name:
Ueber den Verlauf und die Herausbildung
der diluvialen Moräne in den Ländern Teltow und
Barnim -Lebus.
Mit einer Karte und einem Höhenprofil.
Von
Dr. E. Zache.
In einem früheren Aufsatze dieser Zeitschrift (Bd. 61
S. 39) habe ich den Südrand der neumärkischen Hochebene
beschrieben; die folgenden Zeilen sollen eine geologische
Darstellung der Plateaus bringen, welche den wesentlich-
sten Theil der Kreise Teltow, Ober-, Nieder- Barnim und
Lebus ausmachen.
Es handelt sich daher hier um ein Gebiet, das begrenzt
ist, im Norden von dem Thale des Finow-Canales, im
ganzen Westen von dem Thale der Havel, im Süden sowohl
von dem znsammenhängenden System von Niederungen,
welehe durch die Nuthe zur Havel und durch die Notte
zur Spree entwässern, als auch von dem unteren Theile
der Dahme in Verbindung mit der mittleren Spree und im
Nordosten endlich von dem breiten Thale der Oder; es
umfasst die Mitte der Mark und liegt zwischen 3051’
1900520152 0. E und 5215 ana a2 an Br
Die alte Bezeichnung „Land“ begreift nur die Hoch-
flächen, während die heutige Kreiseintheilung über diesel-
ben hinausreicht. Nach Berghaus!) beträgt die Grösse des
Landes Teltow 15 Quadratmeilen und die des Barnim-
Lebus 66 Quadratmeilen.
1) Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg. Berlin 1854.
Bd. I. S. 469 u. Bd. II. S. 161.
Zeitschrift f, Naturwiss, Bd, LXIII 1890, 1
2 E. Zache:
Da die grossen Geschiebe das erste waren, wodurch
die Aufmerksamkeit der alten Schriftsteller auf die Geo-
logie dieses Gebietes hingelenkt wurde, so habe ich zu-
nächst gesucht in der älteren Litteratur sichere Angaben
über den Steinreichthum zu finden. Wo eine bestimmte
Stelle angeführt ist, werde ich die Notiz in der Arbeit
selbst bringen; im allgemeinen kommen in Betracht: Leh-
mann): „Ich komme Berlin näher, ich finde auf den Fel-
dern da herum schöne Versteinerungen, besonders zeigen
die Leimgruben daselbst deren sehr viele, welche eine
schöne Politur annehmen.“ Borgstede?): „Es giebt bei uns
überall zerstreute Bruchstücke von Steinen von vielerlei
Gebirgsarten, welche durch die Fluten unter den Sand zu-
sammengeschwemmt sind. Wenn sie durch Regen und
Stürme vom Sande entblösst werden, findet man sie oft so
dicht und in solcher Menge beisammen, dass sie ganze
Flächen und tiefe Steinbrüche ausmachen.“ Schultz°):
„Wie in der Lüneburger Heide, so auch in den Marken
finden sich mehr in einzelnen Distrikten vorwaltend, z. B.
zwischen Leuenberg und Dannenberg auf der zweiten Hälite
des Weges von Berlin nach Freienwalde, bei Bucke unweit
Müncheberg, im Ganzen aber mehr gruppenweis als regel-
los zerstreut, äusserst zahlreich z. Th. ansehnliche Geschiebe
von Ur- und Uebergangsgebirgsarten am Tage.“
Wenn man mit diesen Angaben die heutigen Beobach-
tungen vergleicht, so darf man wohl annehmen, dass die
Geschiebe einst überali dort, wo sie gemäss der Inlandeis-
Theorie hingehören, sich auch faktisch gefunden haben wer-
den. Aus meiner Darstellung wird hervorgehen, dass
einzelne Stellen nach den Berichten älterer Leute besonders
reich an grossen Blöcken waren, während sie heute auch
dort schon zurücktreten. Soviel ist indessen wohl sicher,
dass man sus einem Fehlen der Steine, wenn nicht andere
1) J. G. Lehmann, Versuch einer Geschichte der Flötzgebirge.
Berlin 1756, 8, die Vorrede.
2) Borgstede, Statistisch -topographische Beschreibung der Chur-
mark Brandenburg, Berlin 1788 1. Theil S. 191.
3) Schultz, Beiträge zur Geognosie und Bergbaukunde. Berlin
1821.28. ME
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 3
Thatsachen dazukommen, keine Schlüsse ziehen darf, denn
überall hat in dieser Gegend durch die praktische Ver-
wendung dieses Materiales die Steinbestreuung abgenammen
resp. ist gänzlich verschwunden. Das ausgedehnte Chaussee-
netz erfordert noch heute zu seiner Erhaltung eine grosse
Menge von Geschieben, die am bequemsten durch Ablesen
von den benachbarten Feldern erhalten werden. Dazu
kommt, dass in der jüngsten Zeit durch den hoben Preis
der Ziegelsteine die Feldsteine d. h. die grossen Blöcke
ein begehrtes Baumaterial geworden sind. Man kann z.B.
wohl behaupten, dass es im Lande Barnim kaum eine Kirche
siebt, die nicht aus diesem Material hergestellt wäre, und
dass wohl die Hälfte aller Gebäude dort aus Feldsteinen
aufgeführt worden ist.
Die Grundlage für einen Theil meiner en bilden
natürlich die Aufnahmen der geologischen Landesanstalt
nebst den dazu gehörigen Erläuterungen. Die Kartierung
erstreckt sich bis 31° 30° ö. L. Ich führe diese Thatsache
hier an, weil ich es vermieden habe, in der Arbeit jedes-
mal auf die betreffende Section hinzuweisen, und weil ich
keine Geognosie dieses Theiles der Mark schreiben wollte,
so dass oft das Material mehrerer Sectionen zu einem be-
stimmten Abschnitt verarbeitet worden ist.
Das Land Teltow.
Der Teltow ist ein Plateau, das inselartig aus den
umgebenden Niederungen hervorragt. Keferstein!) sagt von
ihm: „Der nordwestliche Theil zeigt sich als viel flacher,
der Boden meist sandig, wenig fruchtbar, trägt viel Wald-
ung.“ Berghaus?) giebt eine Beschreibung desselben. Die
mittlere absolute Höhe ist 49 m, darüber hinaus ragen der
Schäferberg auf dem So Ipasclien Werder mit 102 m, er ist
der westlichste Punkt, während der eninnhlenber® mit
66 m bei Königs-Wusterhausen die östliche Spitze bildet.
1) Keferstein, Teutschland, geognost. u. geolog. dargestellt mit
Karten etc., Berlin 1821--28. Bd. V.S.4u.5.
2) Berghaus a. a. 0. Bd. I. S. 469.
1*
A E. Zacehe:
„Ueberhaupt,* schliesst Berghaus, „liegen die höchsten
Punkte fast ausschliesslich an den Rändern der Plateau-
Insel, so dass diese im Innern gleichsam eine Mulde bildet.“
Berendt!) kommt auf diese Erscheinung bei der Darstell-
ung der grossen Abschmelzrinnen zurück.
Am nördlichen Rande überragt nur der Kreuzberg mit
62 m die allgemeine Erhebung, am südlichen treten mehrere
hervorragende Höhen auf: der Weinberg 76m zwischen
Mittenwalde und Gr. Machnow, der Langeberg 63 m zwischen
Gr. Machuow und Rangsdorf, der Thyrowerberg 61 m, der
Wilmersdorferberg 76 m, letzterer ist allerdings durch eine
schmale Schlucht, in welcher die Geleise der Anhalter
Bahn gehen, vom Plateau getrennt. Den Westrand bilden
die Erhebungen des Grunewaldes, es sind an der Havel
der Murellenberg 65 m, der Havelberg 98 m, daneben sind
noch andere Höhen mit 70 und 71m am Rande angegeben.
Der Ostrand dagegen hat keine hervorragenden Punkte
aufzuweisen, er flacht sich vielmehr überall ganz allmählich
zum Spreethal ab. Ebenso unmerklich ist der Uebergang
vom Plateau zur Niederung in dem südwestlichen Rande
zwischen Kohlhasenbrück und Thyrow und ferner in dem
buchtenförmigen Einschnitt?), der von Thyrow über Löwen-
bruch, Gr. Beeren, Diedersdorf und Jühnsdorf den Südrand
unterbricht.
Das Plateau des Teltow darf deshalb auch nicht als
eine Mulde angesehen werden, um so viel weniger, da in
seinem Inneren ein Strich von Erhebungen auftritt, die mit
66, 62 und 54m von Britz über Mariendorf nach Steglitz
verlaufen und sich von bier nach allen Richtungen gleich-
mässig abdachen. Dabei wird allerdings der Havelrand
mit dem Grunewald durch seine Seeenkette isolirt, so dass
er infolgedessen nicht zum Plateau des Teltow gehört und
daher in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden wird.
Die bervorragenden Randpunkte sind die stehengebliebenen
Vorgebirge zwischen zwei benachbarten Abschmelzrinnen.
Solehe deutlichen Abschmelzrinnen sind vor allen die Reihe
1) Berendt, Geognostische Beschreibung der Umgegend von
Berlin. Berlin 1885, S. 23.
2) Berendt a. a. ©. S. 16.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 5
der Grunewaldseeen, ferner das Telte-Fliess mit dem Tel-
tow-See, das kurze Thal, welches sich von Glasow in den
Rangsdorfer See senkt, jene oben erwähnte Bucht und dann
noch mehrere kleinere Rinnen, welche zwischen Rangsdorf
und Königs- Wusterhausen zur Niederung führen. Die
grosse Ebenheit im Osten und Südwesten stammt daher, dass
die Abschmelzwasser überall in breitem Strome über den
Rand zum Thale fluteten. Bevor daher das grosse System
künstlicher Abflussgräben angelegt war, hatten namentlich
die Fluren von Marienfelde, Lichtenrade, Birkhoiz, Mahlow
von den regelmässigen periodischen Ueberschwemmungen
bei der Schneeschmelze und den Gewitterregen zu leiden.!)
Die Moränenlandschaft.
Schöaeberg, Wilmersdorf, Schmargendorf, Dahlem,
Steglitz, Mariendorf, Marienfelde, Lichtenrade, Gr. Zietken,
Wassmannsdorf, Schönefeld, Bohnsdorf, Rudow, Buckow,
Britz, Rixdorf, Tempelhof.
Dieser Abschnitt ist ungefähr 10 km lang und 5 km
breit. So eben das Tempelhofer Feld, der Uebungsplatz
der Berliner Garnison, ist, um so coupirter ist das Terrain
südlich der Verbindungsbahn in der Gegend zwischen Britz,
Tempelhof, Mariendorf und Steglitz. Es ist das Gebiet
der eigentlichen Moränenlandschäaft. Zwar sind die Thäler
und Hügel nicht so grossartig ausgebildet als es nordöst-
lich der Oder bei Schmarfendorf oder in der Uckermark bei
Golzow der Fall ist, dennoch documentiren der bunte
Wechsel von Berg und Thal, die zahlreichen eingestreuten
Pfühle, Seeen und Sölle deutlich die Bedeutung. Westlich
dicht neben Britz, sind auf einem Raume von 1 qkm 16
Pfühle auf der Sect. Tempelhof (1: 25000) eingezeichnet.
In der Villen-Colonie Steglitz besitzt fast eine jede Villa
in dem dazu gehörigen Garten einen kleinen Teich. Berendt?)
hat zuerst auf diese Erscheinung aufmerksam gemacht und
ihre allgemeine Bedeutung erkannt. Obgleich die meisten
1) Berghaus a. a. 0. Ba. I. S. 469 ff.
2) Berendt, Ueber Riesentüpfe und ihre allgemeine Verbreitung
in Norddeutschland. Zeitschr. d. deut. g. Ges. Bd. XXXII S. 56.
6 E. Zache:
Höhen 50 m nicht überschreiten, so finden sich doch im
westlichen Theile einige Punkte, welche bedeutendere
Maasse aufzuweisen haben, so der Schetzel-Berg 56 m, die
Rauhen Berge 61 m, die Steglitzer Fichten 62 m und end-
lich der westliche Vorsprung von Steglitz gegen den Grune-
wald 66 m.
Am deutlichsten erscheint dem geübten Auge die Be-
deutung der Landschaft bei einem Rundblick von den Steg-
litzer Fichten. Hier erkennt man den Gegensatz zwischen
diesem Abschnitt und der Umgebung, in jenem das durch-
brochene Gelände und nördlich und südlich davor gelagert
eine fast ebene Fläche.
In engem Zusammenhange damit steht auch die geo-
logische Bildung, es ist vornehmlich die Seet. Tempelhof
und diese wird charakterisirt durch die deekenartige Aus-
bildung des oberen Geschiebelehms. Dieser überlagert
regelmässig den unteren Sand, der überali am Nordrande
des Teltow als ein schmales Band zu Tage tritt, unter
diesem folgt der untere Geschiebelehm. In den Sandgruben
hinter Rixdorf befindet sich das klassische Profil: Zu oberst
oberer Geschiebelehm 2 m mächtig, darunter unterer Sand
8m mächtig und in der Sohle der Grube der untere Ge-
schiebelehm!). Südlich von Britz in einer Schlucht, die
von Buckow zum Thale führt, lagert der obere Geschiebe-
lehm direct auf dem unteren, ohne dass beide durch eine
Zwischenschicht von unterem Sande getrennt sind. Im
Westen verliert sich in der Linie Schmargendorf, Dahlem,
Zehlendorf der obere Geschiebelehm, so dass im Gebiete
des Grunewald allein der untere Sand herrscht. Nur im
nordöstlichen Theile desselben, dem Westendplateau, zeigt
der untere Sand sich bedeckt mit Geröll und Steinbestreu-
ung. In dem Spreethal tritt der untere Geschiebelelm inner-
halb von Charlottenburg als drei Inseln zu Tage. Die Ab-
schmelzwässer jener nordöstlichen Spitze des Grunewaldes
flossen nicht durch die Hauptseeenkette ab, sondern durch
eine selbständige Rinne, welche heute über den Teufels-
See, den Pech-See und die Saubucht zur Havel führt.
1) Penck, Die Geschiebeformation Norddeutschlands. Zeitschr.
d. deut. geci. Ges. Bd. XXX]. Jahrg. 1879.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 7
Die Geschiebe sind nicht sehr häufig, obwohl sie nir-
sends fehlen, auch die grossartigen Aufschlüsse bei Rix-
dorf liefern in ihrem oberen Geschiebelehm nur eine mässige
Quantität von Geschieben; auf dem Wege Rixdorf-Marien-
dorf und Mariendorf- Steglitz wurden bei dem Ausschachten
der Chausseen von den Arbeitern ab und zu auch grössere
Blöcke „ausgebuddelt“. Am Fusse der Rauhen Berge war
die Moränenlandschaft gut ausgebildet, es findet sich hier
auch eine reichlichere Steinbestreuung. Von der Oberfläche
sind die Geschiebe fast gänzlich verschwunden, sobald man
aber Gelegenheit hat, tiefere Aufschlüsse zu machen, als
die Pflugschaar, so kann man oft auf eine förmliche Stein-
paekung von kleinen Geschieben stossen, z. B. in dem Ab-
schnitt zwischen Schönefeld und Woltersdorf, wo der Ver-
‘ fasser dies bei dem Ausheben eines Schützengrabens beob-
achten konnte. Dies Lager wird auch von Klöden!)
erwähnt.
Wenn auch das eben beschriebene kurze Stück zwischen
Steglitz und Britz allein deutlich die Kriterien der Moränen-
landschaft trägt, so habe ich diesen Abschnitt doch soweit
zu erweitern gewagt, als die ununterbrocbene Bedeckung
des oberen Geschiebelehmes sich erstreckt. Nach Süden
und Westen verlieren sich die Kriterien der Moränenland-
schaft ganz allmählich; das Gelände wird ebener, es stellen
sich längere Schluchten ein, die Seeen treten mehr zurück,
auch die Ausbildung des Geschiebelehmes zeigt eine Ver-
änderung, aus dem sandigen Lehm wird allmählich ein
lehmiger Sand. Die Grenze ist nicht bestimmt festzustellen,
und je nach der Bodengestaltung schwankt die Ausbildung.
Die Abschmelzzone.
Sie umfasst den ganzen Rand des Teltow sowohl süd-
lich als auch westlich jenes Striches. Besonders gut er-
kennt man die Art und Weise der Wirkung der Abschmelz-
wasser in der Gestaltung des Südrandes; derselbe endet
in zwei grossen Zungen, von denen die eine die Thyrower
1) Klöden, Beiträge zur mineral. und geogn. Kenntniss der Mark
Brandenburg; in den Jahren 1827—1837. Stück I. S. 46 ff.
8 E. Zache:
Spitze bildet, während die andere in einem Hachen Bogen
von Rangsdorf über Mittenwalde nach Königs-W usterhausen
streicht; die erste, die schmalere, ist ein deutlich ausge-
sprochenes Vorgebirge mit steilem Abfall an seiner Spitze,
während die Ränder eingeebnet sind. Ganz ähnlich ist die
Spitze über Königs-Wusterhausen gebildet, nur ist der
Rand hier etwas zerrissener. Offenbar ist die Hauptmasse
der Absenmelzwasser zu beiden Seiten dieser Zungen herab-
gefiossen, so dass nur ein geringer Theil von ihnen für die
Spitze übrig blieb.
Es müssen die Randpunkte daher angesehen werden
als die stebengebliebenen Reste des überall eingeebneten
Plateaus, eine Erklärung, die auch durch die geologische
Zusammensetzung bewiesen wird.
Die Mächtigkeit des oberen Geschiebelehms nimmt nach
dem Rande zu ganz allmählich ab, und seine Ausbildung
wird dabei immer sandiger; die Karte kann hier nicht alle
denkbaren Umwandlungsprodukte des oberen Geschiebe-
lehmes vom deutlich ausgebildeten Lehm durch sandigen
Lehm und lehmigen Sand zur Steinbestreuung und zum
reinen Flugsand zur Ausbildung bringen, zwischen denen
dann gegen den Rand zu der untere Sand hinzukommt.
Am besten ist dieses Phänomen zwischen Sputendorf und
Schenkendorf zu studieren. Im auffallenden Gegensatz
dazu steht der wohlerhaltene Geschiebelehm im Thyrower
Berge, wo er in der Südspitze 4 m Mächtigkeit erreicht,
während weiter rückwärts nur noch seine Reste auf dem
unteren Sande erhalten sind.
Der untere Sand erscheint flächenhaft in der Stahns-
dorfer und Parforce- Heide, wo die Auszeichnung für Stein-
bestreuung oft fehlt, sonst tritt er derartig nur in
kleinen Partien auf, z. B. in der Damsdorfer Heide. Sein
charakteristisches Auftreten ist das bandartige unter dem
oberen Geschiebelehm, so zwischen Gr. Beuthen und Thy-
row; hier ist er wahrscheinlich in grosser Mächtigkeit vor-
handen, denn der untere Geschiebelehm fehlt in dem Profil
gänzlich, obwohl er in Thyrow erbohrt ist.
Nur an dem Ostrande nördlich von Königs-Wuster-
hausen tritt der untere Geschiebelebm in dem zerrissenen
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc, 9
Rande auf einer etwas längeren Strecke zu Tage, während
er sonst nur in kleinen Partien aber ziemlich häufig sich
zeigt z. B. bei Neu-Diedersdorf, am Siethener See, am
Teltower See, bei Heinersdorf, bei der Försterei Stein-
stücken.
Wichtig ist die Beobachtung, dass im unteren Sande
der Abschmelzzone sich Bänke von Geröll, Kies, Mergel-
sand, Thonmergel und unterem Geschiebelehm finden, oft
mehrere übereinander. So ergab eine Bohrung bei Mahlow
14 dem lehmigen Sand (Reste des oberen Geschiebelehmes),
darunter 6 m unteren Sand, dann 3 dem Mergelsand, dann
wieder 2m unteren Sand und darunter thonige Bildungen.
In der Sect. Lichtenrade werden in fast allen Gruben
2—5 dem starke Bänkchen von unterem Geschiebelehm an-
getroffen. Der diluviale Thonmergel findet sich nur als
dünne Bank in allen grossen Sand- und Kiesgruben z. B.
5 dem stark bei Neu-Diedersdort, solche Bänke treten auch
im unteren Geschiebelehm auf, wie bei Glasow, Selchow,
Wassmannsdorf. Dieser Thonmergel gehört einem höheren
Niveau an als der aus der Gegend von Glindow -Werder.
Wahnschaffe!) sagt von diesen geschichteten Bildungen,
dass es die secundären Schlemmprodukte der grossen
Grundmoräne des Inlandeises seien, weshalb sich auch für
dieselben kein bestimmtes Niveau auf grössere Erstreckungen
festhalten lässt.
Mit der oben angegebenen Grenze hat sich im Westen
der obere Geschiebelehm ganz allmählich verloren und es
tritt an seine Stelle der untere Sard, bedeckt mit Resten
desselben, eine Ausbildung, welche bis in die Rinne der
Grunewald-Seeen hinabreicht und westlich des Grunewald-
Sees, auf dem anderen Ufer noch ein Stück in die Höhe
steigt. Mithin erstrecken sich die Rückstände des oberen
Geschiebelehmes bis in die Rinne hinab, so dass diese wahr-
scheinlich schon vor der zweiten Eisbedeckung angedeutet
1) Wahnschaffe, Ueber das Vorkommen des geschiebefreien
Thones in den obersten Schichten des Unter-Diluviums der Umgegend
von Berlin, Jahrbuch der Königl. preuss. geologischen Landesanstalt
für 1831. S. 45.
10 RB. Zache:
war!). Die Rinne beginnt im Norden mit dem Halen-See,
während zwischen diesem und dem Lietzen-See die Wasser-
scheide zur höchsten Stelle des Grunewaldes nach Westen
läuft.
Das Land Barnim -Lebus.
Das Land Barnim-Lebus bildet einen von NW nach
SO verlaufenden 75 km langen Höhenrücken, der gegen
Finow, Havel und Spree eine flache und weite, gegen die
Oder dagegen eine kurze und steile Böschung besitzt. Am
höchsten erhebt sich der Rücken an seiner NW-Ecke, wo
auf der hohen Fläche über Freienwalde 153 m gefunden
wurden, nach SO dacht er sich allmählich ab, bewahrt
aber durchweg eine Höhe von S0—90 m. Genau senkrecht
zu seiner Längserstreckung bildet die Spalte des Rothen
Luches, des Schermützel-Sees und des Stobber von alters
her die Grenze zwischen Barnim und Lebus.
Das Land Barnim.
Man hat die physikalische Erscheinung, dass die Ab-
dachung zur Oder höher liest, als die zur Spree resp.
Havel, schon im 15. Jahrhundert beobachtet, indem man
damals das Land zuerst in einen hohen und niederen Bar-
nim gliederte, aus dem hohen Barnim ist heute der obere
geworden. Keferstein?) sagt vom Niederbarnimschen Kreise:
„nur der südliche Theil erhebt sich, wie bei Rüdersdorf,
der übrige ist flach, meist sandig, wenig fruchtbar und
trägt viel Waldungen‘“ und vom Oberbarnimschen: ‚er ist
in seinen südwestlichen Theilen wellig, erhöht, wo auch
die Braunkohlen-Formation in bedeutender Verbreitung
auftritt.“
Die Moränenlandschaft.
Freienwalde, Wölsickendorf, Steinbeck, Biesow, Hasel-
berg, Sternebeck, Harnekopf, Prötzel, Herzhorn, Mög-
1) Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltung im Gebiete
der baltischen Seeenplatte. Jahrb. d. kgl. pr. geo!. Landesanstalt für
1887. S. 150.
2) Keferstein, Teutschland ete. Bd. V. S. 416.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 11
lin, Reiehnow, Batzlow, Reichenberg, Prädikow, Ihlow,
Pritzhagen.
Die Hochfläche hebt sich mit scharfem Anstieg bei Freien-
walde aus dem Oderbruche heraus. Auf einer Linie von
8 km ist ein Höhenunterschied von 150 m vorhanden. Auf
der Strecke von Freienwalde bis Falkenberg bleibt der
Rand steil, nur wenige, aber dafür tiefe und steile Schluch-
ten führen von der Höhe zum Thale, zu den längsten ge-
hört diejenige, welche in der Freienwalder Brunnenstrasse
endet und diejenige, in welcher die Chaussee Freienwalde-
Berlin zur Höhe führt. Weiter nach SO sowohl als auch
nach NW ändert sich der Charakter des Randes bedeutend.
Schon bei Falkenberg hört allmählich die scharfe Ausbil-
dung auf, es treten regelmässige parallele Schluchten auf,
welche zwischen sich schmale Vorsprünge des Plateaus
stehen lassen.
Gegen Wriezen und südlich dieses Ortes ist die Form
des Randes eine besonders auffallende. Hinter Alt-Ranft
beginnt ein System von Schluchten, die in mannigfacher
Weise verzweigt sind, zum Theil sogar Stücke des Plateaus
inselartig abtrennen; vor allem aber flacht sich der Rand
immer mehr ab, so dass er hinter Wriezen vor dem eigent-
lichen Plateau eine niedrige Bank bildet, welche in einem
flachen Kreisbogen in dasselbe einschneidet. Auf dieser
untersten Stufe in dem Niveau von 59—69 m liegen die
Güter Landhof und Münchhof.!)
Hierüber erhebt sich eine zweite Stufe mit den Dörfern
Lüdersdorf, Schulzendorf und Frankenfelde. Die Höhe ist
hier sehr wechselnd und beträgt durchschnittlich 70—80 m;
die Grenze gegen Westen und Süden bildet die Biesdorfer
Heide, in der sich 127 m finden.
Die Plateauhöhe selber wird erst mit den oben ange-
führten Dörfern erreicht, auf derselben herrschen folgende
Zahlen: Haselberg 121 m, Harnekopf 110 m, Sternebeck
116 m, Herzhorn 102, Prötzel 113; in der Gegend Reich-
now, Ihlow, Reichenberg hat das Gelände sich bis auf
86—83 m gesenkt und erst der Krugberg weist wieder
130 m auf.
1) Berghaus a. a. O0. Bd. I. S. 161 ff.
12 E. Zache:
Oberhalb dieses terrassenförmigen Einschnittes in das
Plateau ist die Randbildung wieder die alte, sie beginnt
südlich von Wriezen, dort, wo der Rand sich schärfer
gegen Süden wendet und geht bis zur Mündung des Stobber.
Es sind Schluchten, welche in mässiger Weite im Plateau
entstehen und genau parallel mit einander zum Thale füh-
ren, die Kante ist eingeebnet und zeigt nirgends eine steile
Böschung. —
Mit Haselberg, Harnekopf und Herzhoru ist die Höhe
erreicht. Beim Vorwerk Räsow beginnt die oben erwähnte
Schlucht, in welcher der. Gesundbrunnen von Freienwalde
liegt. Dieser Abschnitt wird charakterisirt durch die zahl-
losen, einzelgelegenen, gänzlich abflusslosen Wasserbehälter;
es sind dies zum Theil grössere Seeen, wie der bei Harne-
kopf und der Sternebecker See, in überwiegender Mehrzahl
aber sog. Pfühle oder jene namenlosen aber doch so deut-
lich gekennzeichneten Bildungen, die Sölle.
Mit der Wasservertheilung in engem Zusammenhange
steht die Ausbildung des Geländes. Ein bunter Wechsel
von Berg und Thal, beide kurz und von jener eigenthüm-
lichen Form, welche es nirgends zu einer deutlichen Thal-
bildung kommen lassen kann. Die Erhöhungen sind flache
Kegel, welche mehr oder weniger dicht um einen Soll liegen,
Nicht immer ist der Soll vorhanden, oft ist er auch schon
durch die Thätigkeit des Menschen beseitigt.
Im Nordosten wird der Abschnitt begrenzt durch die
längste Rinnenbildung, welche bei Gersdorf ihren Anfang
nimmt und im Bötz-See bei Strausberg endigt. Westlich
dieser Rinne liegt ein Gebiet, das wir später zu beschreiben
haben werden, und das in vieler Hinsicht nicht minder
interessant ist, als das der eigentlichen Moräne. —
Die südliche Grenze ist sehr unregelmässig, besonders
in dem südwestlichen Theile, weil hier noch mehrere Rin-
nen aus demselben ihren Anfang nehmen. Erst zwischen
Prötzel, Prädikow, Grunow und Bollersdorf wird sie ganz
scharf durch das Bollersdorfer Fliess gebildet, welches von
NW nach SO in den Schermützel See abfliesst.
Der Abfall des Piateaus zum Thal des Stobber ist
hoch und steil, dabei sehr schluchtenreich, und erst gegen
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 13
den Ausgang zu wird er niedriger und etwas mehr ein-
geebnet.
Die herrschende geologische Bildung ist durchweg der
obere Geschiebelehm; er bildet den Boden der Sonnen-
burger Heide. Zahlreiche grosse Blöcke liegen in diesem
Walde zerstreut oder sind durch die Tagewässer in den
Abhängen und Schluchten freigespült worden. Der roman-
tische Baa - See liegt tief eingesenkt in einem Kessel, dessen
Wände aus oberem Geschiebelehm gebildet werden. Auf
der anderen Seite der Berlin-Freienwalder Chaussee än-
dern sich die Verhältnisse. In der Köthener Heide wird
die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes sandartig, und
es treten die Eigenschaften der Abschmelzzone auf. — Aber
auch die Ränder des Hammer-Thales und des Mühlen-
srundes zeigen nicht den oberen Geschiebelehm, sondern
das Tertiär in ihrer Oberfläche. Zum Theil ist es der
Septarienthon, der hier ganze Steilwände bildet, zum Theil
der Glimmersand. Ueberall aber finden sich die Spuren
der ehemaligen Bedeckung durch oberen Geschiebelehm,
indem zerstreut grosse Blöcke und kleinere Geschiebe in
den Schluchten und den Gehängen liegen. In der Nord-
spitze des Akazienberges und auf dem Nordostrücken des
Kaninchen - Berges liegt geschichteter gelber scharfer Kies
auf dem Tertiär. Auffallend ist, dass der senkrechte Ab-
fall des Marienberges gegen die Chaussee Freienwalde -
Falkenberg in seiner ganzen Böschung (8—10 m) bis zur
Thalsohle aus gelbem oberem Geschiebelehm besteht; es
ist der einzige unter den zahlreichen Aufschlüssen, die
hier gegen das Oderthal liegen, der das Diluvium zeigt,
alle übrigen sind im Tertiär vorhanden.
Die nordwestliche Aufhügeiung des Rückens zwischen
Wollenberg, Wölsickendorf und Steinbeck stellt eine zu-
sammenhängende ebene Fläche aus oberem Geschiebelehm
dar, derselbe erstreckt sich bis an die Rinne bei Leuen-
berg und bildet beide Ränder derselben; es ist ein Boden,
der in regenloser Zeit hart wie Fels ist. Die Steinbestreu-
ung ist zahlreich, grosse Blöcke fassen die Landstrasse ein.
Fischbach!) sagt von Steinbeck: „Unter den auf dem Felde
1) Fischbach, Statistisch-topographische Städtebeschreibung der
Mark Brandenburg, Berlin 1786. S. 356.
14 E. Zache:
befindlichen Steinen werden häufig ganz artige Petrefacten
gefunden“ und weiter „die Heide von Steinbeck besteht
durchweg aus alten Schedlingen und Steinhaufen“; auch in
allen umliegenden Heiden werden nach ihm derartige
Schedlinge und Steinhaufen angetroffen. Er erwähnt auch
den Blumenthal, von dem auch Beckmann!) und Klöden?)
berichten, dass noch im Jahre 1689 die Geschiebe dort
förmliche Mauern von Mannshöhe gebildet haben. Jetzt ist
davon nichts mehr vorhanden. Der Blumenthal hat durch
seinen schönen Buchenwald, durch einige abflusslose Seeen
und durch die Durchbildung der Moränenlandschaft eine
ähnliche Berühmtheit erlangt als Freienwalde. Der obere
Geschiebelehm ist hier schon von geringerer Mächtigkeit,
so dass an den Wegeeinschnitten gelegentlich der untere
Sand zum Vorschein kommt. Nördlich von Biesow liegen
in einer von NÖ nach SW erstreckten längeren Falte mit
steilen Rändern aus oberem Geschiebelehm eine Reihe ab-
flussloser Seeen. Zwei weitere, aber grössere, abflusslose
Seeen sind der Blumenthal-See und der Faule See. Der
erstere ist in seiner Nachbarschaft reich an grossen Ge-
schieben, die zum Theil an seinem Rande einen dichten
Kranz bilden, auch im Walde zerstreute Blöcke sind häufig.
Von der Haselberger Feldmark schreibt Berghaus?): „sie
besteht aus kleinen Wölbungen und kleinen Thalsenkungen“
und von der von Harnekopf, dass sie aus sanften Hügeln
besteht und dass „der Mergei fast überall unter einer
1—2 Fuss starken Lehmschicht ansteht und 2 bis 10 Fuss
mächtig ist.‘
Das Gelände bewahrt auch in der Gegend von Prötzel
durchaus diesen Charakter; gerade hier finden sich zu
beiden Seiten «der Chaussee mehrere typische Sölle. Die
Landschaft zeigt einen bunten Wechsel von Berg und Thal,
die Berge haben die Form flacher abgestumpfter Kegel.
Silberschlag?) beschreibt dieses Gebiet folgendermassen:
1) Beckmann, Histor. Beschreibung der Chur- und Mark Bran-
denburg, Berlin 1751, I. Theil, S. 446.
2) Klöden a. a. OÖ. Stück II. S. 46.
3) Berghaus a. a. O. Bd. II. S. 161 und Bd. 1. S. 100.
4) Silberschlag, Geogenie oder Erklärung der mosaischen Iird-
erschaffung ete. Berlin 1789. Bd. I. S. 10.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 15
„Es sind wahre Krateres, nur nicht von Vulkanen, rings
um denselben lagen zunächst Steinklumpen, mehr denn
300 Ctr. schwer, diese waren wieder umringt mit Kiesel-
steinen, und immer folgten kleinere Steine auf grössere,
endlich verlor sich dieses Steintheater in gemeinen Sand;
und aller Orten, wo ich damals hingekommen bin, fand
ich diese Lagerung sowohl in den Feldern als in den
Wäldern.“
Die Anhäufung der Blöcke und Geschiebe in der Nähe
der Sölle ist kein Naturprozess, sondern stammt daher, dass
die Menschen der besseren Beackerung wegen die Steine
hierher zusammenschafften, weil sie durch den Soll ohne-
dies Störung in der regelmässigen Beackerung erfuhren.
Aber sie ist ein historisches Beispiel, wie sehr die Steine
durch die menschliche Betriebsamkeit abgenommen haben,
denn heute sind wohl die Sölle noch vorbanden, aber die
Steine sind zum grössten Theil gänzlich verschwunden oder
doch auf einige wenige grosse Blöcke zusammengeschrumpft,
diese Reste sind aber alsdann grau vor Alter. An einigen
Punkten liegen die Geschiebe auch auf den Kuppen.
Das Vorwerk Herzhorn bezeichnet ungefähr die Höhe
des Rückens, die Chaussee fällt von hier sowohl nach
Wriezen zu als auch nach Prötzel. Es ist in der Nachbar-
schaft dieses Vorwerks eine Braunkohlengrube im Betriebe,
auf der ich Aufschlüsse über das Diluvium erhalten habe.
Dasselbe besteht hier aus 3m oberen Geschiebelehm unter-
lagert von 6,5 m unteren Sand, darunter folgt der Form-
sand mit den Flötzen, von denen das erste fehlt. Auch
bei dem Dorfe Sternebeck ') hat man durch Bohrungen die
Braunkohle nachgewiesen, ebenso nordwestlich von Hasel-
berg. An letzterem Orte?) wurde das Tertiär an einigen
Punkten unter ca. 11 m sandigem Lehm, und an einem
anderen wurde folgende Reihenfolge im Diluvium gefunden:
zu oberst 6 m Sand und Lehm, darunter 0,5 m unterer
1) Plettner, Die Braunkohle in der Mark Brandenburg. Berlin
1852. S. 156.
2) Nach gütigen Angaben des Herrn Berginspector Mielecke zu
Freienwalde a. O.
16 E. Zache:
Sand und darunter 5 m Lehm mit einer Einlagerung von
12 em Sand.
Hier beginnt das eigenthümliche terrassenförmige Ab-
fallen, welches durch den Verlauf der Chaussee besonders
gut zur Anschauung kommt. Geologisch verhalten sich die
Terrassen folgendermassen: Während die oberste Terrasse
überall aus gutem lehmigen oberen Geschiebelehm besteht,
zeigt die mittelste Stufe wohl noch überall den oberen Ge-
schiebelehm aber vorwiegend schon in sandiger Ausbildung;
an den Abhängen der grossen Schluchten, die hier ihren
Anfang nehmen und in ihren Sohlen selbst, herrscht schon
vollständig der Sand, solche Schluchten sind z. B. der
Upstall südlich von Schulzendorf bis Vevay. Steinbestreu-
ung ist überall vorhanden, eifrig wird aber an ihrer Be-
seitigung gearbeitet, denn es finden sich überall auf den
Feldern Pyramiden aus kleinen Geschieben, die dann ab-
gefahren werden. Es fehlen die abflusslosen Seeen und
die Sölle; die ausgesprochen höckerartige Form des Ge-
ländes ist gänzlich verschwunden, dafür haben sich hier
die langgezogenen Thäler und die deutlich ausgeprägten
Schluchten, begleitet von flachen Wällen, herausbilden
können.
Die unterste Stufe, hinter Wriezen, ist ganz einge-
ebnet, der Boden ist unterer Sand mit zahlreicher Stein-
bestreuung. Der untere Sand zeigt eine scharfe Ausbildung
und ist sehr mächtig. Einige Gruben bei Wriezen haben
ihn 8—10 m tief aufgeschlossen. Dieselbe Mächtigkeit lehrt
auch eine Muthung auf Braunkohle, welehe dicht hinter
den letzten Häusern von Wriezen gegen Freienwalde zu
gemacht worden ist.
Die Aenderung in der Form des Randes südöstlich des
Upstall habe ich schon oben angedeutet. Thaer!) charak-
terisirt den Boden des Gutes Möglin, der sich bis in das
OÖderbruch hinabsenkt, folgendermassen: ‚Was ich aber
nicht bemerkte, waren die im guten Acker liegenden
Schrindstellen, die sich bei feuchter Witterung nicht be-
1) Thaer, Die Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin. Ber-
lin 1815. S. 11.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 17
merklich machen, aber bei trockner um so mehr hervor-
treten. Es giebt in dieser Gegend sehr wenige Fluren,
die davon frei sind, der Untergrund, wovon sie herrühren,
wechselt zu mannigfaltig.“ Diese Erscheinung rührt weniger
vom Untergrunde her als vielmehr von der Oberfläche,
denn durch das mehr oder weniger tiefe Wegwaschen des
oberen Geschiebelehms hier am Rande, werden die Wurzeln
an verschiedenen Stellen verschieden schnell auf den un-
teren Sand kommen. Auch über den Steinreichthum macht
er eine Bemerkung!); er hatte zwei heichnower wüstge-
wordene Bauernhöfe erworben, deren „Land voll war von
stossen und kleinen Steinen, deren gänzliche Entfernung
noch mehrere Jahre erfordern wird.‘
Weiter nach dem Inneren zu herrscht wieder der obere
Geschiebelehm, und die Form des Geländes trägt ganz den
Charakter der Moränenlandschaft. Zwischen Batzlow, Rei-
chenberg und Ringenwalde sind auf einem Raume von
2,5 akm auf der Karte (1:50000) 40 Depressionen einge-
zeichnet. Es findet sich auch hier keine grössere Rinne,
welche zum Thale führt, dafür ist der ganze Rand mehr
oder minder sandig ausgebildet, ganz in der Weise, wie
Thaer es für Möglin beschreibt. Im Pritzhagener Busch ist
der Geschiebelehm ein festerer, das "Terrain ist hier sehr
durch Schluchten und Einschnitte zerrissen, und doch reicht
der obere Geschiebelehm bis in ihre Tiefen hinab. An dem
Abfall zur Pritzhagener Mühle findet sich in einem Bruche
dicht unter der Oberfläche der scharfe untere Sand, wäh-
rend die Wegeeinschnitte bis zum Thale aus oberem Ge-
schiebelehm bestehen. Das Hinabsteigen des Geschiebe-
lehmes an den Gehängen bis ins Thal ist auch unter-
halb der Mühle zu beobachten. Dieser, der nördliche
Abhang des Stobber-Thales, ist steil, die Kante in der
Regel scharf, während der gegenüberliegende, der bedeu-
tend niedriger ist, vollständig eingeebnet ist. — Erst gegen
den Ausgang zum Öderbruch werden beide Thalränder
gleich hoch und flachen sich ab.
1) Thaer a. a. 0. S. 181.
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIII 1890. 2
18 E. Zache:
Abschmelzzone.
Wir haben schon kurz eines Abschnittes Erwähnung
gethan, welcher nach W hin, über den Gamengrund weg,
den Beginn der Abdachung des Rückens gegen Finow und
Havel darstellt. Es ist die Gegend zwischen Heckelbers,
Gersdorf, Sydow - Grünthal, Tempelfelde, Wilmersdorf,
Schönfeld, Beiersdorf, Freudenberg und Brunow. Das
Terrain ist 80—90 m hoch, es stellt eine vollkommen ebene
Fläche mit leiser Neigung gegen Nord, West und Süd dar.
Auch dieser Strich wird dadurch charakterisirt, dass er
nicht durch eine Abschmelzrinne durchbrochen wird; in-
dessen erlauben die Einebnung des Bodens, die geringe
Mächtigkeit des oberen Geschiebelehmes, in dem schon
einzelne grössere Gebiete unteren Sandes auftreten z. B.
nördlich Tempelfelde, es nicht mehr, ihn zur eigentlichen
Moräne hinzuzurechnen. Der obere Geschiebelehm zeigt
durchweg schon eine sandige Ausbildung, nur wenn er in
Erhebungen etwas mächtiger wird, z. B. in dem Wind-
mühlen-Berge westlich von Sydow, dann ist seine Be-
schaffenheit eine fettere. An der angeführten Stelle war
ein Aufschluss, in dem der obere Geschiebelehm an einigen
Stellen 3 m mächtig war, während er in geringer Entier-
nung davon nur wenige Decimeter erreichte. Unter dem-
selben lagerte Kies und Sand in mannigfachen Nestern und
Strahlen. Auf dem Acker von Tempelfelde wurden eifrig
Steine „gebuddelt“, und es herrscht der Feldstein als Bau-
material vor.
An der Grenze dieses Abschnittes entstehen die Rinnen,
welche zu den drei Hauptthälern hinabführen; es sind: das
Nonnenfliess bei Tuchen, das Finowfliess in der Gegend
von Rüdnitz, die Parke nördlich von Bernau und das
Stienitzfliess südlich von Schönfeld.
Die Abdachung gegen das Thal der Finow ist die
kürzeste, sie wird begrenzt im Osten von der Berlin-Freien-
walder-Chaussee, im Süden von der Linie: Gersdorf,
Klobbicke, Sydow, Biesenthal, Prenden. Bei Dannenberg
ist der Boden noch oberer Geschiebelehm, wenn auch in
sandiger Ausbildung. Er muss ehemals sehr reich an Ge-
schieben gewesen sein, denn heute ist die Steinbestreuung
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 19
noch gut, und am Wege sind zahlreiche grosse Blöcke
niedergelegt oder die kleineren Geschiebe zu Haufen zu-
sammengetragen. Öestlich von Dannenberg wurde beim
Chauseebau das liegende Flötz der Braunkohle gefunden,
es stand frei zu Tage, während es in der Nachbarschaft,
im Formsand eingebettet, vom Diluvium bedeckt wird.
Am Rande zwischen Falkenberg und Hohen-Finow durch-
bricht an mehreren Stellen der tertiäre Sand das Diluvium.
Vor Hohen-Finow liegt der untere Geschiebelehm direkt
auf dem Flötz. Nördlich der Linie Gersdorf- Trampe ist
der obere Geschiebelehm nur noch inselartig auf dem un-
teren Sande vorhanden, denn dieser bildet, mit Dünenzügen
bedeckt, den Boden der zusammenhängenden Forsten süd-
lich der Finow. In dem Uebergangsstreifen, bis zur Höhe
von Spechthausen, trifft man noch die Steinbestreuung und
die übrigen Reste des oberen Geschiebelehmes; darüber hinaus
herrscht direkt der untere Sand. Der Rand zur Finow bis
Eberswalde ist überall von der typischen Form, je mehr
er sich dem letzteren Orte nähert, desto weniger ausge-
waschen zeigt er sich und desto niedriger wird er, er be-
steht dann gänzlich aus oberem Geschiebelehm. Erst kurz
vor Eberswalde gehen die Einschnitte der Eisenbahn durch
unteren Sand, der alsdann bei Eberswalde das breite alte
Bett der Finow ausmacht. Der Bahnhof von Eberswalde
und der grösste Theil des neuen Stadttheiles sind im unteren
Sande angelegt.
Das Thal der Finow zwischen Eberswalde und Schöp-
furth ist der Sitz einer grossartigen Ziegelfabrikation, es
wird unterdiluvialer Thon verarbeitet, welcher unter dem
unteren Sande, wenige Meter über dem Spiegel der Finow
angetroffen wird. Dieses Vorkommen lehrt, dass hier zur
Interglazialzeit eine abgeschlossene Mulde bestanden haben
muss.
Merkwürdig ist die Ausbildung der begleitenden Ränder
dieser grossen Rinne; während der südliche Rand vollständig
eingeebnet ist, bildet der nördliche hinter Lichtenberg einen
scharfen von W nach OÖ sich erstreckenden Absturz, so
dass zwischen dem Thal und dem südlichen Uckermärkischen
Plateau eine Höhendifferenz von 24m entsteht. Das Ucker-
20 E. Zache:
märkische Plateau setzt sogleich am Rande mit oberem
Geschiebelehm ein.
Der untere Sand des Finowthales zeigt verschiedene
Ausbildung, in der Regel ist es ein scharfer bis kiesiger
Sand, in der Gegend von Steinfurth findet sich Steinbe-
streuung, während er an anderer Stelle Anlass zur Dünen-
bildung gegeben hat.
Die heutigen Entwässerungsadern in der Randzone
fliessen genau parallel zu einander und münden in einem
Abstande von 11 km in den Finow-Canal. Es sind die
Schwärze, die in ihrem oberen Lauf von W nach OÖ fliesst
und die Finow, letztere entwässert den Liepnitz-See und
eine Reihe kleinerer Seeen. Der Wasserspiegel des Liepnitz-
Sees liest 51 m hoch und der des Samith-Sees 33 m.
Eine dritte Rinne, ebenfalls rechtwinklig zur Hauptrinne,
entsteht aus einer Reihe kleinerer Seeen, in deren Mitte der
Mittel-Prenden mit 34m Höhe liest. Die ganze Fläche
der Königlich Biesenthalschen Forst liegt nur circa 40 m
über NN.
Die Wasserscheide zwischen der Havel und der Finow
geht zwischen dem Liepnitz-See und dem Wandlitz-See
hindurch, so dass die drei heiligen Pfühle abflusslos auf
der Wasserscheide zu liegen kommen. Gerade die Um-
gebung der Wasserscheide zeichnet sich durch eine kompli-
zirte und scharfe Rinnenbildung aus, so sind die Ufer des
Liepnitz-Sees 10 m hoch und fallen steil ein, ohne dass
Schluchten hinabführen.
Auf der Abdachung gegen die Havel treten uns ganz
ähnliche Erscheinungen entgegen, es sind hier ebenfalls
zwei Rinnen vorhanden, die Briese und das Hermsdorfer
Fliess, welche in einem Abstande von 11 km, die eine
direkt in die Havel und die andere in den Tegeler See
mündet. Das Quellgebiet beider liegt nahe der Woasser-
scheide; das Hermsdorfer Fliess entspringt nördlich Basdorf
und die Niederungen bei Basdorf sind durch einen Graben
mit dem Wandlitz-See verbunden.
Es ist in der Fortsetzung der Wasserscheide in dem
Winkel zwischen Finow-Canal und Havel bis zur Bloss-
legung des unteren Geschiebelehmes gekommen. Er bildet
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 21
in dem Alluvium zwischen Finow und Havel zahlreiche
breite Rücken z. B. in der Gegend von Zehlendorf und
Klosterfeld und wurde bisher durch Bohrungen nirgends
durchsunken, dazwischen stehen auch noch oberer Geschiebe-
lehm, unterer Sand, der bei Zehlendorf jedoch ohne Stein-
bestreuung ist, und Thalsand an.
Südöstlieh der Linie Stolzenhagen - Wensickendorf be-
ginnt der untere Sand, er erreicht allmählich eine Mächtig-
keit von 1Y, bis 2!1/, m. Der obere Geschiebelehm ist
hier überall noch durch die Steinbestreuung angedeutet,
und zwar erstreckt sieh diese nach Westen noch bis zur
Chaussee Wandlitz-Mühlenbeck, so dass in dem schmalen
Rande bis zur Havel nur der untere Sand ausgebildet ist.
Besonders grosse Blöcke finden sich vereinzelt in der
Wensickendorfer Heide. Am Ufer des Wandlitz-Sees
lagerte in früheren Zeiten ein auffallend grosser Block, der
es durch diese Eigenschaft zu einer Berühmtheit gebracht
hatte. ')
Nach Osten erstreekt sich der untere Sand ungefähr
bis an die Geleise der Berlin-Stettiner Eisenbahn; es ist
hier dieselbe Erscheinung in Bezug auf die Auswaschung
des oberen Diluviums wie am Rande des Teltow, die Karte
giebt neun Formen derselben an.
Merkwürdig in diesem Abschnitte ist, dass ungefähr
auf der Hälfte zwischen der Einmündung der Briese und
des Hermsdorfer Fliesses am Rande ein Vorsprung aus
oberem Geschiebelehm und zwar in vorzüglicher Erhaltung
stehen geblieben ist. Mit dem Aufhören der Biesel- Heide,
die sich hier als ein schmaler Streifen Dünensand einge-
schoben hat, beginnt nach Westen zu ganz allmählich der
Boden lehmiger zu werden und das Terrain zu steigen. so
dass am Rande 60 m Höhe erreicht werden. Bei Vorwerk
Zerndorf fängt der thonige Gehalt an vorzuherrschen. Die
Oberfläche nimmt allmählich den Charakter der Moränen-
landschaft an, es finden sich einige gut ausgebildete Sölle,
dazu kommen kurze Thäler und kuppige Hügel, kurz die
1) v. Ledebour: Die heidnischen Alterthümer des Regierungs-
bezirkes Potsdam, Berlin 1852. S. 33.
22 E. Zache:
Einebnung fehlt gänzlich. Bei Stolpe selber ist die Aus-
bildung des oberen Geschiebelehmes am besten, er steht
hier am Rande in zwei grossen Gruben an, in denen er
ohne Zwischenschicht von Sand direkt auf dem unteren
Geschiebelehm lagert. Der Geschiebereichthum, sowohl in
den Brüchen als auf den Feldern, ist sehr gering.
Während das Thal der Briese 10 m breit und flach
aber dech scharf eingerissen ist, fliesst der Hermsdorfer
Fliess im Grunde eines weitausgewaschenen — bei Lübars
700 m breiten Thales, das von auffallenden Hüzeln be-
gleitet wird. Es sind dies am südlichen Rande die Arken-
berge 70m, die Mühlenberge 66 m, die Rollberge 63 m,
welche die Wasserscheide gegen die Panke bilden.
Öftenbar ist die Herausbildung der Briese zu einer
Zeit erfolgt, als die Einebnung schon bis zu einem gewissen
Grade beendet war, jedenfalls war das Hermsdorfer Fliess
schon durch die grössere Wassermenge ausgewaschen. Die
Briese ist nur ein einfacher Abflusskanal des Wandlitzer
Sees, während das Hermsdorfer Fliess zeigt, in welcher
Richtung hauptsächlich die Abschmelzung vor sich gegangen
sein muss. Es wird daher hier die Richtung der Gletscher-
bäche vornehmlich eine zweifache gewesen sein, einmal
eine nordwestliche gegen das Kreuzbruch bin, und dann
eine südwestliche gegen den Tegeler See auf Spandar.
In der letzten Richtung war aber die Masse des Wassers
derart, dass sie ein eigenes Bett schuf und zwar so tief,
dass es für die spätere grosse Abflussrinne der Havel hier
richtungsbestimmend wurde. Durch die strahlenförmige
Vertheilung der Schmelzwässer erklärt sich allein das
Stekenbleiben des Vorgebirges aus intaktem oberen Ge-
schiebelehm bei Stolpe.
Hieran schliesst sich, durchweg scharf nach Südwesten
geneigt, der grösste Abschmelzrand, der gegen die Spree.
Was zunächst den Abschnitt bis zur grossen Nordsüd-
rinne anbelangt, so sind hier die wichtigsten Rinnen: die
Panke, die Wuhle, der Zochen-Graben, das Neuenhagener
Fliess und das Fredersdorfer Fliess. Die Vertheilung über
den Rand ist aber keine gleichmässige; die Wuhle bildet
ungefähr die Mitte, so dass die drei letzten sich fast genau
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 23
in die östliche Hälfte theilen, während die westliche keine
namhafte Rinne beherbergt, es entsteht hier ein Dreieck
zwischen der Wuhle und der Panke, mit Weissensee als
Mittelpunkt und dem Plateaurand in der Hochstadt von
Berlin als Basis, das dadurch einige Aehnlichkeit mit dem
Vorgebirge bei Stolpe erlangt hat. —
Es ist hier nicht nöthig, Zahlen anzuführen, da das
Profil durch diesen Strich läuft und daher am besten das
ungemein gleichmässige Fallen beweist.
Der schmale Streif zwischen Hermsdorfer Fliess und
Panke besteht aus oberem Geschiebelehm, dieser beginnt
im Norden bei Buchhorst und geht bis zum Rande bei
Rosenthal. Im Osten schiebt sich noch westlich der Panke
von Norden her eine Zunge unteren Sandes und Alluviums
in der Buch’schen Heide ein, so dass nur die Umgebung
von Blankenfelde und das Gebiet zwischen Woltersdorf und
Schönwalde-Schönerlinde übrig bleibt. Dieser obere Ge-
schiebelehm ist allerdings ebenfalls von den Abschmelz-
wässern überfluthet worden, so dass er nur als ein sandiger
Lehm an der Oberfläche erhalten ist und von kleinen Allu-
vialrinnen durchzogen ist.
Erst östlich der Eisenbahn tritt der obere Geschiebe-
lehm als herrschendes Gebilde der Oberfläche auf, seine
Farbe ist in der Gegend von Börnicke ein helles Gelbbraun
und seine Ausbildungsform ein lehmiger Sand. Ich habe
keine Aufsehlüsse gefunden, die ihn ganz durchteufen,
dennoch kann er nicht sehr mächtig sein, wenn dieser
Sehluss aus der Vegetation erlaubt ist. In dem Parke von
Börnicke gedeihen in erster Linie Akazien und Schwarz-
pappeln, während andere Laubhölzer gänzlich zurücktreten.
Charakteristisch in ihm ist der Reichthum an Geschieben,
die Wege Birkholz-Börnicke und Schwanebeck -Birkholz
sind garnirt mit grossen Blöcken, und auf den Feldern
fehlen die kleinen Steine ebenfalls nicht. Auch Klöden !)
führt an: ‚dass sich zwischen Bernau und Werneuchen,
bei dem Dorfe Börnicke ein reiches und bedeutendes Ge-
schiebelager auf eine ansehnliche Strecke hin fortsetzt“.
1) Klöden a. a. 0. Stück IL. S. 46.
24 E. Zache:
Auf den Feldern wechselt die Steinbestreuung mannigfach,
da hier in der jüngsten Zeit sehr viele Chausseen gebaut
worden sind.
Vereinzelt wird hier nur noch der untere Sand ange-
troffen. In der Regel sind es kleine Hügel, in denen er,
allerdings seltener, zu Tage tritt, in der Regel liegt er
unter einer dünnen Decke von oberem Geschiebelehm; in
den Steuer- und Gehren-Bergen bildet er grössere Flächen.
Südlich des Dorfes Birkholz tritt er in einigen Aufschlüssen
in grandiger Ausbildung auf.
Das Terrain nähert sich durch seine Ebenheit schon
mehr dem nördlich vorgelagerten Sammelgebiet; nach Süden
indessen nimmt es einen ausgesprochen welligen Charakter
an. Die Gegend zwischen Lindenberg-Birkholz und Löhme
einerseits und Malchow, Ahrensfelde, Mehrow andererseits
wird gekennzeichnet durch einen Horizont, an dem ein
beständiges Auf- und Absteigen von sanften Linien statthat,
während nur ab und zu ein isolirter Kegel dasteht, welcher
dann in der Regel das trigonometrische Signal trägt.
Auch die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes ist
eine andere geworden; er hat eine hellgraue Farbe mit
einem Stich ins Weisse, ein Zeichen eines grösseren Sand-
sehaltes, so dass in diesem Striche während einer kurzen
Zeit jedenfalls ein Hin- und Herfluthen der Gletscherwässer
ohne eine bestimmte Bahn stattgefunden hat. Die Steine
fehlen nirgends auf dem Acker, wenn es auch nur ganz
gelegentlich zu einer förmlichen Steinbestreuung kommt,
wie neben dem Fliessgraben nordöstlich von Lindenberg.
Die Ziegeleien sind sämmtlich im oberen Geschiebelehm
angelegt und fördern in den Gruben ab und zu auch grössere
Blöcke zu Tage.
Dieser Streif der Abschmelzzone hält ungefähr die
Mitte zwischen einer ausgeprägten Moränenlandschaft und
dem voliständig eingeebneten Randgebiet; dies gilt sowohl
in Bezug auf die äussere Configuration als auch in Bezug
auf die Constitution des oberen Geschiebelehmes.
Die Gegend von Werneuchen besteht fast nur aus oberem
Geschiebelehm, selbst der obere Sand fehlt bier, sie gehört
zu den fruchtbarsten des Barnim; ähnlich verhält es sich
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 25
noch mit dem Boden des südlich gelegenen Alt-Landsberg,
obgleich das Neuenhagener Fliess hier schon in den unteren
Sand einschneidet, so wird es rechts und links noch von
zwei grossen zusammenhängenden Flächen oberen Geschiebe-
lehmes eingefasst. Nach Osten verliert sich der obere Ge-
schiebelehm, es tritt der untere Sand mit Geschiebesand
auf als ein breiter Strich parallel mit der grossen Nordsüd-
rinne bis zum Rande des Hauptthales hinab. Auch dieses
Randgebiet zeichnet sich dureh grosse Ebenheit aus.
Ganz dasselbe gilt von der Abflachung gegen die Spree.
Der ganze Rand südlich der grossen Chaussee Berlin - Küstrin
bildet eine vollkommen nach Süden abfallende Ebene; diesen
Charakter bewahrt das Gelände bis zum Bahnhof Strausberg.
Die oben aufgeführten Rinnen und die kleinen, welche
keinen Namen führen, sind sehr flache, ganz allmählich
einfallende Vertiefungen, das Fredersdorfer Fliess zeigt
sogar nicht die geringste Spur einer Rinne, es fliesst auf
der Oberfläche in einem breiten Wiesenstreifen. Erst gegen
Norden wird bei allen die Rinnenbildung eine ausge-
sprochene.
Am Rande zeigt der obere Geschiebelehm die gewöhn-
liche sandige Ausbildung. Nur gleieh nördlich von Berlin
in der Gegend des städtischen Centralviehhofes und des
Humboldthaines scheint er eine fettere Consistenz zu haben.
Er lagert hier in der Regel ohne eine Trennung von unterem
Sand auf dem unteren Geschiebelehm, letzterer tritt in dem
Thale der Panke in grösseren Flächen zu Tage, ferner
geringer unter dem Kirchhofe von Alt-Landsberg und in
dem Thale des Fredersdorfer Fliesses bei Petershagen, in
den letzten drei Fällen in Begleitung des unteren Sandes.
Ausser in den Rinnen findet sich der untere Sand
noch in einigen kleinen isolirten Punkten, z. B. in dem
Rücken südlich der Falkenberger Heide.
Charakteristisch für dieses Dreieck nordöstlich von
Berlin (Weissensee, Hohen-Schönhausen) ist neben der
guten Ausbildung des oberen Geschiebelehmes auch der
- grosse Reichthum an Söllen, Pfühlen und anderen Wasser-
behältern. Auf der Karte von Berendt!) ist auch diese
1) Berendt a. a. 0. Tafel VII.
26 E, Zache:
Gegend berücksichtigt. Durch beide Eigenschaften dürfte
es als ein von den Gletscherwässern mehr verschontes Vor-
gebirge aufgefasst werden; um so mehr, da diese Stelle
am weitesten von dem Ursprungsgebiet der Rinnen ent-
fernt ist.
Den Abschluss des Barnim nach Osten bildet ein
schmaler Strich, der besonders durch Spuren strömenden
Wassers ausgezeichnet ist. Es ist das Stück zwischen der
grossen Nordsüdrinne und dem Stobber-Löcknitzthal.
Es laufen hier eine Anzahl Rinnen parallel zu einander
nach Süden, von denen die westliche die längste ist, sie
beginnt mit dem See bei Neu-Gersdorf und verläuft in der
Nordsüdriehtung mit einer geringen Abweichung gegen
West in dem langen Gamen-Grunde über den Langen-,
Mittel- und Gamen-See zum Kessel-, Fänger- und Bötz-
See. Am See bei Neu-Gersdorf sind die Ufer nicht sehr
hoch und steil, südlieh von Leuenberg, im Langen See
dagegen fallen sie fast senkrecht ein; der Gamen-See bei
Köthen ist 31 m tief und der Lange See und Gamen-See
bei Leuenberg 25m. Diese Rinne erwähnt auch Fischbach),
indem er sagt, dass „diese Tiefe von Alters ein Kanal ge-
wesen sei, wodurch die Oder mit der Spree verbunden
war“,
Weiter nach Süden nehmen die Seeen zwar an Öber-
fläche zu, an Tiefe aber ab, obgleich die Rinnenform noch
ausgesprochen bleibt: so ist der Fänger-See nur 6 m tief
und 49 ha gross, der Bötz-See 14 m tief und 96 ha gross. ?)
Am Bötz-See finden sich schon ganz flache Ufer.
Parallel zu dieser Rinne in einem Abstande von 4 km
läuft eine zweite, welche im südlichen Blumenthal beginnt
und durch den Latt-See, Herren- und Bauern-See mit dem
Straussee in Verbindung stelıt, der benachbarte Ihland-See
ist nach Süden hin abflusslos, steht aber nach Norden hin
mit dieser Kette in Verbindung. Die Form der Rinne ist
durchaus die gleiche, nur dass der Straussee noch von
verhältnissmässig hohen und steilen Ufern eingerasst wird,
1) Fischbach a. a. 0. S. 356.
2) V. d. Borne: Die Fischereiverhältnisse d. deutschen Reiches
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 27
er ist ebenfalls nur 16 m tief und hat 140 ha Oberfläche.
Er nimmt noch eine zweite bedeutend kleinere Rinne auf,
weiche westlich von der Chaussee Wriezen- Strausberg mit
dieser parallel läuft. Der Straussee ist heute abflusslos,
es führt aber am Südende des Sees um den Marienberg
herum eine Schlucht zum Bötz-See, die wahrscheinlich als
Fortsetzung der Rinne angesehen werden darf. Ueberhaupt
ist die Terrainbildung an dieser Stelle für ein eomplizirtes
Zusammenströmen von Wasser sehr günstig. Ein Soll,
welcher in der Gabel der Chausseen zum Bahnhof Straus-
berg und nach Alt-Landsberg liegt, ist noch heute das
Reservoir für die Tagewässer. Es muss daher die Ent-
wässerung beider Rinnen von Bötz-See aus stattgefunden
haben. Das heutige Fredersdorfer Fliess ist aber nicht
als die Ableitungsrinne anzusehen, denn es ist kaum merk-
lich in das Plateau eingeschnitten. Wie die ganze Terrain-
bildung lehrt, wird wahrscheinlich von hier aus ein breites
Ueberfiuthen zum Stienitzsee und zum Rande hin stattgefunden
haben, als deren letzte Spur in der Eggersdorfer Forst noch
eine Rinne zum Stienitz-See erhalten ist, welche über
Egsersdorf auf das heutige Fliess führt. Es ist hier die
merkwürdige Erscheinung zu verzeichnen, dass das Mühlen-
Fliess zwischen der Neuen Mühle und der Busch-Müble
von SO nach NW fliesst.
Auf der Ostseite von Strausberg, dieht neben der
Stadt entsteht in den Wiesen ein Wasser, welches in einem
Wiesenthal mit hohen und steilen Rändern durch den
Herren-See in den Stienitz-See fällt; in diesen mündet von
Norden her noch ein zweites, mit dem ersten vollständig
paralleles Thal, so dass zwischen beiden eine Landzunge
stehen bleibt. Die Nordseite des Stienitz-Sees ist auch
dadurch auffällig, dass durch den kleinen Stienitz-See und
die Depression mit dem Dorfe Hennickendorf eine diluviale
Insel im Alluvium hergestellt wird; kurz, der Nordrand des
Stienitz-Sees verräth deutlich die Spuren von bedeutenden
Mengen strömenden Wassers.
Eine Reihe von Seeen aus der Gegend von Ruhlsdorf
und Garzau werden durch das Mühlevfliess zum Elsen-See
entwässert.
28 E. Zache:
Nach Osten findet das Rinnensystem durch die grosse
1 km breite und 10 km lange Einsattlung des Rothen
Luches seine Grenze. Dasselbe entsteht bei Wüste Sievers-
dorf und streicht in südwestlicher Richtung bis in die
Gegend von Kagel, wo es sich allmählich verliert. Es ist
auch dadurch merkwürdig, dass es die in der Mark aller-
dings nicht allzu seltene Erscheinung zeigt, dass auf seiner
Scheitellläche die Quellen zweier Bäche dicht nebeneinander
liegen, welche verschiedenen grossen Flusssystemen ange-
hören. Die Rinne wird durch den Müller- und Werl-See
fortgesetzt, während die Löcknitz nur ein sekundärer Ab-
Huss ist.
Dieses Stück der Abschmelzzone bildet eine merkwür-
dige Ausnahme gegenüber den bisher betrachteten, während
diese als Dreiecke anzusehen waren, deren Basis am Rande
und deren Spitzen in der Hochfläche lagen, ist es hier um-
gekehrt: als Basis muss ungefähr ein Stück der Chaussee
Tiefensee -Prötzel- Müncheberg von 15 km Länge und als
endliche Spitze der Dämeritz angesehen werden. Unter
diesem Gesichtspunkt wird die einzige Art der Herausbil-
dung vollständig verständlieb. Und nicht nur die äussere
Form der Rinnen sondern auch die geologische Zusammen-
setzung des Boders ist dadurch begründet. Doch nicht
blos das hierdurch bedingte Zusammenströmen ist es ge-
wesen, welches gerade hier die tiefen Rinnen ausgehöhlt
hat; das Gefälle jeder Rinne kommt als zweiter Faktor
dazu, wie die Höhe der Wasserspiegel lehrt. In der läng-
sten Rinne hat der Kessel-See 66 m, der Bötz-See 61 m,
der Straussee 64 m Höhe, während der Stienitzsee 36 m
und der Kalksee 35 m hoch liegen. Es ist also auf der
kurzen Strecke von 6 km zwischen Straussee und Stienitz-
see eine Differenz in der Wasserhöhe von 23 m vorhanden.
Indessen soll nun die geologische Betrachtung eben-
falls zeigen, wie bedeutend dieser Abschnitt unter dem Ein-
fluss strömenden Wassers gestanden hat.
Dort, wo, wie im Rinnensystem oberhalb des Stienitz-
Sees, die Wasserbewegung und die Wassermenge besonders
grosse waren, ist der obere Geschiebelehm nicht vertreten.
Die Oberfläche der Landzunge und die Einschnitte der
u er ae
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 29
Ostbahn in dieselbe zeigen nur den unteren Sand in gran-
diger und kiesiger Ausbildung, in derselben Weise setzt
sich die Bildung fort rings um Strausberg und in dem
Strich zwischen den beiden parallelen Hauptrinnen, also
auf der Feldmark von Eggersdorf und in der Strausberger
Stadtforst.
Nach Norden ändert sich die geologische Bildung
etwas. In der Gegend von Wilkendorf (107 m) wechselt
der untere Sand mit Inseln von oberem Geschiebelehm,
oder, wo er nicht selbst mehr vorhanden ist, da findet sich
doch eine zahlreiche Steinbestreuung.
Merkwürdig ist, dass in dem Ihland-See der obere
Geschiebelehm mit seinen Blöcken bis zum Seespiegel
herabreicht, während in dem Langen See und seinen steilen
Ufern scharfer unterer Sand zu Tage tritt. Südlich von
Prötzel in der kgl. Kahnsdorfer Heide herrscht der untere
Sand, nur in den höher gelegenen Gebieten bei Kloster-
dorf (117 m) ist der obere Geschiebelehm erhalten. Hier
sind in früherer Zeit dicht unter der Oberfläche Blöcke ge-
sraben worden, die dann so dicht lagen, dass sie von
weitem den Eindruck einer weidenden Herde von Schafen
gemacht haben sollen. Von Klosterdorf bemerkt Klöden !),
dass man bei einem Brunnenbau 30 Fuss Lehm durchsun-
ken habe und dann auf einen schwarzen Kohlenletten mit
Braunkohlenresten getroffen sei, darunter folgte bis 70
Fuss Tiefe reiner grober Kiessand, den er zum Tertiär
rechnet.
Auch der Boden von Grunow und von Ernsthof
(80—90 m) ist ein sandiger oberer Geschiebelehm mit zahl-
reicher Steinbestreuung, die grossen Blöcke sind an den
Weg geschafft oder markieren die Grenze. Die Gegend
von Hohenstein unterscheidet sich keute wenig von ihrer
Umgebung, höchstens zeichnet sie sich durch etwas grössere
Coupirtheit aus, in früherer Zeit soll nach dem Bericht
eines Einheimischen der Steinreichthum so gewaltig gewesen
sein, dass die Leute häuserhohe Haufen von Steinen auf-
gethürmt hatten, um dadurch einiges Ackerland zu ge-
1) Klöden a. a. O., Stück II. S. 35.
30 E. Zache:
winnen. Jetzt sind die Steine zu Wagen fortgeschafft
worden. Jedenfalls bietet der Name ebenfalls einen Hin-
weis. Auf der Feldmark von Strausberg soll in der Tiefe
oft eine förmliche Steinpackung vorhanden sein.
An der nördlichen Grenze der Abschmelzzone setzt sich
der obere Geschiebelehm fort bis an den Spiegel des Scher-
mützel-Sees, gegen Bollersdorf hin in etwas fetterer Aus-
bildung und mit guter Steinbestreuung. Er ist an dem
Westabhange des Schermützel-Sees in dem Steilufer und
in den Schluchten bis in den See hinab überall zu beob-
achten; die Tagewässer haben grosse Blöcke freigespült,
und an haldenförmigen Absätzen ist der Boden oft mit
kleinen Geschieben gepflastert. Der obere Geschiebelehm
bedeckt in den natürlichen Aufschlüssen überall den tertiä-
ren Glimmersand!). Es ist dies ebenfalls ein Zeichen,
dass die Spalte bei Buckow schon zur Tertiärzeit entstan-
den war und bestätigt die Theorie Wahnschafes auch für
diesen Theil des Balticums. ?)
Auf diesem scharfen Vorsprung mit einer Höhe von
90 m ist bei Bollersdorf das Diluvium zum Zweck der
Braunkohlengewinnung durchteuft. In der Grube Willen-
bücher sind folgende Schichten durchteuft: 3,5 m oberer
Geschiebelehm, 1m unterer Sand und m unterer Ge-
schiebelehm, dann folgte der Formsand und 600 m nord-
westlich hiervon: 3,5 m oberer Geschiebelebm, 7 m unterer
Geschiebelehm und 26m unterer Sand, darunter folgte
direct das erste Flötz.?)
Am Südrande des Schermützel- Sees baut eine Ziegelei
Septarienthon ab, über welchem auch der obere Geschiebe-
lehm lagert.
Durch die Einschnitte der Ostbahn am Westrande des
Rothen Luches wurde ein Profil erhalten, das von Könen !)
folgendermassen angiebt: rothbrauner zersetzter unterer Ge-
1) Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltung etc.
2) Girard a. a. 0. S. 1%.
3) Nach freundlichen Angaben des Herrn Obersteiger Schülke.
4) v. Könen: Ueber einige Aufschlüsse im Diluvium südlich und
östlich von Berlin. Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. Bd. XVII.
1866. S. 58.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 31
schiebelehm 4 Fuss, graubrauner fester unterer Geschiebe-
lehm 8 Fuss, magerer desgl. 5 Fuss, feiner Sand 5 Fuss,
gelber Schluff 1—2 Fuss, schwach kiesiger Sand 12 bis 15
Fuss stand in der Sohle an. Weiter in das Plateau hinein
führen die Eisenbahneinschnitte durch den unteren Sand.
Interessant ist, dass Fischbach!) einige Notizen über die
Oertlichkeiten hier bringt; in der Regel sagt er von dem
Boden der Dörfer nur: „Boden mittelmässig, oder Boden
sandig, Roggen Hauptprodukt“; von Prädikow, Hohenstein
und Ruhlsdorf dagegen führt er ausdrücklich an, dass die
'Feldmarken steinreich sind.
Erst gegen Herzfelde und Rüdersdorf wird der Boden
ein sandiger oberer Geschiebelehm mit Steinbestreuung.
Ueber den Ziegeleigruben von Herzfelde ist er im Durch-
schnitt 2—3 m mächtig, gegen den Stienitz-See verliert er
sich, und es lagert hier über dem Diluvial-Thon der untere
Sand bedeckt mit wechselnden Mengen von Grand; wo in
Herzfelde unter dem oberen Geschiebelehm der untere
Sand auftritt, ist er immer sehr feinkörnig ausgebildet.
Der Kraniehberg, der stehengebliebene Vorsprung des
Plateaus mit 77 m, ist in seinen Gehängen aus unterem
Sande aufgebaut, so dass erst, wie schon angedeutet, bei
Col. Hortwinkel der obere Geschiebelehm auftritt. Der
Plateaurand zwischen Schönebeck und Woltersdosf ist un-
terer Sand, bedeckt mit den mannigfachen Derivaten des
oberen Geschiebelehmes.
Das Land Lebus.
Das Plateau des Lebus ist eine Hochfläche, welche in
ihren allgemeinen Erhebungen S0—90 m erreicht; es bildet
dadurch einen merkwürdigen Gegensatz zum Barnim, dass
es nicht eine zusammenhängende Fläche bildet, sondern,
dass es durch zwei tief eingeschnittene Thäler in drei Ab-
schnitte getheilt wird, Abschnitte, welche ihrer geologischen
Ausbildung nach zu schliessen, schon vor der Ablagerung
des oberen Geschiebelehmes durch jene Rinnen angedeutet
1) Fischbach a. a. O. S. 466.
32 E. Zache.:
waren. Keferstein!) charakterisirt den Kreis Lebus als
„ein erhöhtes Geestland, das zum preussischen Höhenzuge
gehört, wellig, meist sandig, nicht unbedeutende Waldungen,
die Braunkohlenformation kommt an mehreren Punkten
zwischen Müncheberg und Frankfurt zu Tage, wie bei
Petershagen und Bossen.“
Der umfangreichste unter jenen drei Abschnitten ist
die hohe Fläche um Müncheberg; sie wird im Osten be-
grenzt durch die Nord-Südrinne, welche von Georgenthal
über Falkenhagen, Comt. Lietzen, Diedersdorf, Ober- und
Nieder-Görlsdorf in die Bucht des Oderbruches südlich von
Neu-Hardenberg mündet, ihre südliche Fortsetzung bildet
der Madlitzer Mühlenteich und der Petershagener See. Die
höchste Erhebung liest südlich von Müncheberg mit 95 m,
es wird diese Höhe bis Gölsdorf beibehalten, und von hier
beginnt nach Süden eine allmähliche Abdachung, doch nur
soweit, dass der Rand neben dem Trebuser See noch 74 m
über NN aufweist. Nach Westen geht der Hang zum
Rothen Luch und fiacht sich bis auf 64,54 und 40 m ab.
Nördlich der Ostbahn beginnt die Abdachung gegen den
Stobber, sie ist sehr unregelmässig und durch zahlreiche
zum Theil tiefe und steilrandige Seeen durchbrochen, so
dass die Höhen zwischen 60 und 70 m liegen. Nach Osten
werden bis zur Rinne Höhe von SO m beibehalten und nach
Siiden mit Heinersdorf und Tempelfelde flacht sich das
Terrain zu einem Halbkreise ab, der im Westen von Buch-
holz, im Osten von Arensdorf begrenzt wird und in seinem
Inneren 60 m hoch liegt, während nach Süden gegen den
Abhang zur Spree 57 m erreicht werden.
Die besten Aufschlüsse über das Diluvium erhält man
auch hier, dort wo es zum Zwecke der Braunkohlengewinn-
ung bis auf das Tertiär durchsunken ist. Das ist ungefähr
in dem Centrum dieses Abschnittes in den Gruben Waldeck,
es wird dort aus folgenden Schichten aufgebaut ?):
4,00 m oberer Geschiebelehm,
2,15 „ scharfer Sand (unterer Sand),
1) Keferstein a. a. O. Bd. V. S. 341.
2) Gemäss den freundlichen Angaben des Herrn Obersteiger Hake.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 33
3,50 m weicher Sand
20,00 „ scharfer „
Ein zweiter Aufschluss in kurzer Entfernung von dem ersten
zeigte folgende Zusammensetzung:
5,75 m oberer Geschiebelehm (Lehm mit Steinen),
40,58 „ scharfer Sand (unterer Sand),
0,54 „ schwarzer Letten,
24,52 „ unterer Geschiebelehm (grauer sandiger Thon mit
Steinen).
39,88 „ scharfer Sand.
Der obere Geschiebelehm ist die herrschende Bodenart
der Höhe, seiner Ausbildung verdankt die Gegend ihre
charakteristischen Eigenschaften.
Das Gelände stellt sich dar als eine weite Ebene,
welche von flachen und wellenförmigen Hügeln durchzogen
wird. Die Unterschiede in den Erhebungen schwanken nur
um wenige Meter zwischen 80 und 90. Einen guten Ueber-
blick über das Terrain erhält man von der Chaussee Münche-
berg - Heinersdorf, dieselbe führt über die Erhöhungen
S4—88 m hin. Von hier aus blickt man in südwestlieher
Richtung in eine flache Depression mit zahllosen Pfühlen,
von denen keiner die für einen Soll charakteristische Form
besitzt. Der Strich zwischen Behlendorf, Marxdorf und
Diedersdorf zeigt ein etwas koupiertes Terrain. Der obere
Geschiebelehm trägt durchweg Steinbestreuung, er wechselt
hier etwas in seiner mehr oder weniger fetten Ausbildung,
indem er gelegentlich eine sandige Constitution an der
Oberfläche zeigt. Im Süden hört er in der Gegend von
Tempelfelde und Heinersdorf auf, um einer ausgesprochenen
Sandbildung Platz zu machen. Durchweg gut ausgebildet
ist er zwischen Jahnsfelde und Marxdorf, er bildet hier
einen hellbraunen Lelmboden mit Steinbestreuung und er-
streckt sich bis in die Rinne hinab, so dass nirgends der
untere Sand dieselbe begleitet und nur dort ansteht, wo
die Tagewässer Schluchten ausgehöhlt haben. Dadurch ist
natürlich nicht ausgeschlossen, dass der Geschiebelehm der -
Gehänge nicht gelegentlich eine sandige Beschaffenheit er-
hält. Zwischen Arensdorf und Falkenhagen gewinnt eine
Ziegelei einen Thon, der unter zwei Spaten Amann direkt
Zeitschrift f. Naturwiss, Ba LXIII 1830.
(unterer Sand).
34 E. Zache:
ansteht, es ist ein blaugrauer fetter Thon, er lagert in einer
flachen Mulde, deren Ränder einen guten Geschiebelehm
zeigen, in dem die Steine nicht fehlen.
Der Steinreichthum des oberen Geschiebelehmes verräth
sich schon in dem Baumaterial; die Ortschaften Marxdorf,
Behlendorf und Heinersdorf haben für ihre Gebäude (Kir-
chen und Scheunen) vor allem die Geschiebe verwandt.
In dem Laubwalde zwischen dem Heinersdorfer See und
dem Krummen See lagern grosse Blöcke, und die Ein-
schnitte des Weges führen durch oberen Geschiebelehm.
Der Steinberg östlich von Heinersdorf zeigt gute Steinbe-
streuung. Auf den Kleeschlägen westlich neben Behlendorf
sind die kleinen Geschiebe zu einzelnen Pyramiden aufge-
häuft. Dort, wo die Steine zurücktreten, sind sie durch
Ablesen entfernt. Von der Strecke Müncheberg- Fürsten-
walde erwähnt Klöden!) unter den Geschieben einen rothen
Sandstein, von dem ich aber keine Reste mehr gefun-
den habe.
Der Abschmelzrand nach Westen beginnt mit dem Wege
Müncheberg-Fürstenwalde; der Abhang ist vollständig eben.
Der obere Geschiebelehm nimmt ganz allmählich eine
immer sandigere Form an, so dass von ihm in der
Hangelsberger Heide nur die Grand- und Geröllbestreuung
auf dem unteren Sande übrig bleibt.
Aehnlich ist die Abdachuxg nach Osten über Buchholz,
während auf dem Wege Gölsdorf-Buchholz noch guter
oberer Geschiebelehm ansteht, wird er weiter südlich und
östlich immer sandiger. Steine sind noch vorhanden. Auch
diese Zunge ist ein Vorgebirge, das mit seinem südlichen
Rande scharf neben dem Trebuser See endigt, in seinen
östlichen und westlichen Abhängen aber eingeebnet ist.
Der Kreisausschnitt südlich Tempelfelde - Heinersdorf
ist das Sammelgebiet für die Abschmelzwasser des ganzen
nördlich davon gelagerten Höhenzuges geworden, er ist
dadurch vollständig eingeebnet und versandet worden. Die
Grenzen zwischen oberem Sand und unterem Sand sind hier
sehr schwer festzustellen. Nirgends ist die Steinbestreuung,
1) Klöden a. a. O. Stück V. 8. 35.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 35
wenn sie überhaupt vorhanden ist, sehr deutlich. In dem
Tempelberger Walde liegen einige Blöcke, westlich dieses
Waldes hat der sandige Boden stellenweise eine schwarz-
braune Farbe, als ob hier eine sumpfige Wiese in Acker-
land umgewandelt worden wäre. In einer grossen Sand-
grube westlich von Hasenfelde wird scharfer gelber unterer
Sand gewonner, ebenso in einer solchen westlich von
Arensdorf, in beiden begann der Sand direkt unter der
Oberfläche.
Oestlich von Arensdorf mit der Höhe 77m und dem
ausgesprochenen oberen Geschiebelehm ist der Rand der
Hochebene wieder erreicht. — Ueber Arensdorf bringt
Beckmann !) eine Notiz, welche gleich hier eingefügt werden
mag: „Anno 1713 lagen auf dem Felde vier Kreise von
Steinen, davon zwei wegen der eingesunkenen und ver-
worfenen Steine schon ziemlich unkennbar, zwei aber noch
ganz kennbar. Zwischen und um diesen Kreisen hat eine
grosse Menge Steine gelegen, als ob ein Gebäude daselbst
gestanden.“
Am ausgesprochensten ist indessen der Charakter der
Abschmelzzone in dem Theile nördlich der Ostbahn bis in
das Thal des Stobber ausgebildet. Die Landschaft erhält
durch die zahlreichen eingestrenten Seeen einen sehr durch-
brochenen Charakter, dazwischen liegen die unregel-
mässigen, aber immer abgeflachten und deutliche Spuren
der Einebnung zeigende Kuppen. Namentlich ausgezeich-
net durch grosse Coupiertheit ist der Strich zwischen der
Ostbahn und dem Schermützel-See. Es ist hier die grösste
Anzahl kleiner Seeen angehäuft, und der Boden besteht
aus unterem Sande mit grossartiger Steinbestreuung.?)
Neben der Chaussee Dahmsdorf-Prötzel 2 km nördlich
des Bahnhofes zeigt ein Aufschluss von der Oberfläche an
den scharfen unteren Sand, an einigen Stellen festgebacken
wie Sandstein, dazwischen wieder Sandstrahlen von weichem
Sand und Nester von Geröll. Es herrschen die Feuerstein-
geschiebe vor. Ein ganz ähnliches Vorkommen beschreibt
1) Beckmannn a. a. O. I. Th. S. 365.
2) v. Könen a. a. 0.
36 E. Zache:
Klöden!) in einer Kiesgrube auf dem Kahlenberge bei
Müncheberg.
In der Landenge zwischen dem Rothen Luch und dem
Schermützel-See bildet ein feiner unterer Sand ohne Stein-
bestreuung den Boden. Kurz vor Buckow steht oberer
Geschiebelehm in den Wegeeinschnitten zu Tage; das Rothe
Luch selber trägt auf seiner Oberfläche eine 3—4 m starke
Torfschicht, welehe auf feinem unteren Sande ruht. Die
Gegend um Münchehofe ist sandig, es wechselt hier oberer
und unterer Sand; auch bei Obersdorf herrscht schon eine
sandige Ausbildung des oberen Geschiebelehmes.
Wie schon angedeutet, zeigen die Uferränder des
Stobber-Thales unterhalb der Pritzhagener Mühle einen
merkwürdigen Gegensatz; sowohl in ihrer Oberflächengestal-
tung als auch in ihrer geologischen Durchbildung. Wäh-
rend das nordwestliche Ufer durchweg steil einfällt, einen
scharf ausgeprägten Rand besitzt und bis zu seiner Basis
aus oberem Geschiebelehm besteht, zeigt das gegenüber-
liegende deutlich die Wirkung der Abschmelzwasser: sein
Rand ist rund, in zahlreiche flache Kuppen und Schluchten
ausgewaschen, welche sich in mannigfachen Verzweigungen
weit in den Hang hineinziehen; der allgemeine Absturz
zum Tbal ist daher ein ganz allmählicher, so dass er
zwischen der Pritzhagener Mühle und der Eichendorfer
Mühle überall die Beackerung zulässt.
Er besteht allein aus unterem Sande, der manchmal
Steinbestreuung zeigt; in einer Grube zwischen Hermsdorf
und Eichendorfer Mühle findet man ihn bis an die Ober-
fläche in scharfer Ausbildung, während dicht daneben der
Weg durch den oberen Geschiebelehm gelegt worden ist.
Erst südlich Hermsdorf hört dieser Wechsel in der Aus-
bildung auf, und der obere Geschiebelehm bildet allein die
Oberfläche, allein immer noch wechselnd in bald mehr
lebmiger, bald mehr sandiger Ausbildung, je nach der
Form der Oberfläche, und erst zwischen Trebnitz- Jahns-
felde-Müncheberg nimmt er eine gleichförmige Beschaffen-
heit an mit reicblicher Steinbestreuung. Lehrreich sind die
1) Klöden a. a. O. Stück V. S. 34.
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 37
Profile, welche v. Könen!) aus den Bahneinschnitten der
kgl. Ostbahn beschrieben hat. Danach setzt sich die Sand-
facies bis Alt-Rosentlal am Rande fort, der untere Sand
der Abschmelzzone wird überall von unterem Geschiebe-
lehm unterlagert. Am Ostrande des Rothen Luches be-
schreibt er folgende Lagerung: kiesiger Sand 15 Fuss,
darunter graublauer unterer Geschiebethon 12 Fuss, darun-
ter feiner weisser Sand. Die Einebnung nach dem Bruche
ist eine fast vollständige; zwischen der Seeenkette des
Dolgen-, Kessel- und Lettin-Sees einerseits und dem
Stobber andererseits ist ein schmaler niedriger Rücken von
feinem unteren Sande stehen geblieben, so dass der Kloster-
See und der Kietzer See, zwischen denen das Dorf Alt-
Friedland sich angesiedelt hat, die Fortsetzung dieser
beiden angedeuteten Abflussrinnen sind, obgleich beide
schon im Bruche liegen.
Ueber die Böschung des Plateaus gegen die Oder und
Spree haben wir durch das Projekt eines Oder-Spree -
Canales interessante Daten erhalten.) Die Scheitelfläche
des Rothen Luches liegt 49 m über NN des Amsterdamer
Pegels, die Wegeüberführung bei Wüste-Sieversdorf 47 m,
der Weg über den Birkenbach (zwischen Eichendorfer Mühle
und Hermsdorf) 456 m, der Rand südlich der Dammmiühle
11 m und das Terrain am Südende des Kloster-Sees 6,5 m.
Auf der südlichen Abdachung liegt das Amtsbruch an dem
Wege Zinndorf-Kienbaum 43 m, der niedrigste Wasser-
stand des Werl- und Peetz-Sees beträgt 32 m und die
Terrainhöhe bei Erkner 35 m. Die Steigungen sollten über-
wunden werden: gegen die Spree durch eine 10 m hohe
hydraulische Hebung bei Kagel und gegen die Oder durch
eine geneigte Ebene von 1,22 km Basis und 33 m Hebung
bei der Dammmühle. Es darf uns daher nicht Wunder
nehmen, wenn wir bei einem solchen Gefälle vor diesen
Spalten zwei grosse Seeen antreffen. Der Anfang mit
diesen Seeen wurde aber wahrscheinlich schon gemacht,
1) v. Könen a.a 0.
2) Der Oder-Spree-Kanal mit seinen Abzweigungen nach
Schwedt, Darlegung und Motivirung u. 3. w. Im Auftrage des Mini-
sters der Öffentlichen Arbeiten. Berlin 1880. 4°.
38 E. Zache:
als sich der Plateaurand noch bis bierher erstreckte, denn
verfolgt man die Linie des Plateaurandes Freienwalde-
Wriezen nach SO weiter, so trifft sie genau auf die Nord-
spitze des Vorgebirges von Seelow und geht nördlich jener
beiden Seeen vorbei. Hierfür würde auch die Ausbildung
des Bodens sprechen, denn ausserhalb jener Linie treffen
wir erst den thonigen fetten Bruchboden, während inner-
halb derselben ein scharfer Sand den Boden bildet.
Es gilt nun, den östlichen Streifen des Lebus, von der
Spalte bis zum Rande des Oderbruches zu betrachten.
Auch dieser wird noch durch ein kurzes Querthal in zwei
ungleiche Theile zerschnitten; dasselbe beginnt im Gr.
Treplin-See 3 km südöstlich der Wasserscheide der ersten
grossen Spalte und verläuft in nordöstlicher Richtung durch
den See von Hohen-Jesar auf den Zeschdorfer See. Hier-
mit erreicht der Spalt sein Ende, und es fliesst aus dem
See unter rechtem Winkel ein Bach über Schönfliess und
Wüst-Kunersdorf zum Oderthal. Der Einschnitt dieses
Baches ist zuerst gering, er vertieft und erweitert sich aber
bis Wüst-Kunersdorf zu einer tiefen und breiten Kluft.
Dieser Rinne nach Norden vorgelagert ist das schmale
Randgebiet zwischen Seelow und Lebus, in welches hinein
bei Malnow ein tiefer Busen ausgehöhlt ist, so dass das
Vorgebirge von Reitwein einen 1O km langen Vorsprung
nach NO bildet. Der Hang zum Oderbruch ist schroff, ob-
gleich der Rand zwischen Seelow und Reitwein eingeebnet
ist, geben die Schluchten doch selten weit in die Hochfläche
hinein, die eine durchschnittliche Höhe von 70 m behält.
Deutlichere und schärfer ausgeprägte Schluchten werden in
dem Winkel bei Malnow getroffen, bis endlich über Reit-
wein das Vorgebirge scharf und fast senkrecht in das Oder-
bruch fällt.
Die Fortsetzung nach Süden läuft über Wuhden, Cles-
sin, Lebus und Frankfurt in einem flachen, gegen Osten
offenen Bogen bis Brieskow. Die Böschung ist steil, die
Schluchten gehen selten bis zur Thalsohle hinab, da sie
auf den längsten Strecken durch einen steilen Absturz
unterbrochen werden. Die Form und Ausbildung des Rand-
absturzes ist ähnlich der an der unteren Oder zwischen
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne ete. 39
Raduhn , Nieder-Saathen und Nieder - Kränich, sie deuten
darauf, dass auch hier die unterspülten Wände eingestürzt
sind. Sehr gut ist der Rand bei Lebus zu studiren. Der
Ort ist förmlich in die Hochfläche hineingegraben. Von
dem Amtsgarten aus ist der Absturz gegen die Oder fast
senkrecht, ebenso an einigen Stellen unterhalb Lebus. Es
führen hier zwei tief eingeschnittene steile und sehr kurze
Schluchten von der Hochfläche zur Niederung hinab.
In dem ganzen Randgebiet ist das Gelände eine Ebene,
auf welche einzelne Hügel in nicht allzu grosser Zahl auf-
gesetzt sind. Es fehlen die Sölle und der bunte Wechsel
von kurzen Kuppen und runden Thälern. Die Ausbildung
der Moränenlandschaft ist hier eine einförmigere.
Der Boden ist dagegen guter, fruchtbarer oberer Ge-
schiebelehm; die grossen Dörfer Dolgelin, Libbenichen liegen
dicht am Rande, es fehlt eine Abschmelzzone gänzlich und
nur ab und zu ist der Sand in den Randschluchten aus-
gebildet. Die Wand oberhalb und unterhalb von Lebus,
die hier vollständig unbewachsen ist, zeigt den hellgelben
oberen Geschiebelebm und zwar ohne Geschiebe. Obgleich
die Aufschlüsse bis an den Oderspiegel hinabgehen, kann
ich doch nicht mit Sicherheit sagen, dass ich an der Basis
derselben den unteren Geschiebelehm wahrgenommen hätte.
Allerdings hatte der Lehm an einzelnen Stellen in den tie-
feren Theilen des Profils wohl eine dunklere Farbe, doch liess
sich die Erscheinung nicht weit genug verfolgen und sicher
abgrenzen. Das Zurücktreten der Steine auf der Hochfläche
muss konstatirt werden, die kleinen fehlen wohl nirgends
gänzlich, doch habe ich die grossen Blöcke namentlich
auch an den Wegen vollständig vermisst.
Die Seeen östlich neben Falkenhagen sind tief einge-
schnitten, der obere Geschiebelehm steht neben dem Dorfe
Falkenhagen in dem Abstieg zum See 2m hoch an. In
der Nachbarschaft ist der Boden sandiger, zahlreiche
Schluchten führen zum See hinab. In der Falkenhagener
Heide lagern einige Blöcke, die flachen Wegeeinschnitte
führen durch oberen Geschiebelehm, ich fand hier unter
demselben an einer Stelle zu Tage tretend den tertiären
E. Zache:
Glimmersand. Girard!) führt an, dass in dem Thale von
Treplin nach Hohen-Jesar an den Gehängen die Kohle mit
dem Formsande unter einer Bedeckung von gelbem Sand
mit Geschieben an vielen Stellen zu Tage steht; offenbar
ist der gelbe Sand verwitterter oberer Geschiebelebm. In
der Gegend des Neuen Vorwerks und von Petershagen ist
die Steinbestreuung reichlicher. An beiden Ufern des
grossen Treplin- Sees steht der obere Geschiebelehm bis an
den Seespiegel hinab zu Tage, unter ihm wird Septarien-
thon für zwei Ziegeleien gewonnen.
In den Karlsgruben bei Petershagen östlich des Treplin-
Sees ist man schon nach 14 m gelben scharfen Diluvial-
Sand auf tertiären Quarzsand gestossen, dieser steht auch
unweit der Grube neben der Chaussee Petershagen -Treplin
im Walde zu Tage.
Das Abflussthal des Zeschdorfer Sees ist überall bis
in die Sohle aus oberem Geschiebelehm gebildet, sowohl,
wo es flach ist, wie bei Schönfliess, als auch gegen den
Ausgang zu, wo die Chaussee Lebus- Frankfurt mit einem
hohen Damm durch dasselbe hindurchführt. Etwas sandiger
ist die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes westlich
der Linie Treplin-Schönfliess gegen die grossen Seeen hin.
Ueberhaupt ist der Geschiebelehm zu beiden Seiten der
grossen Chaussee, also mehr gegen den Rand hin am besten
erhalten.
Der südöstliebe Zipfel von Lebus erhält sich auf der
Höhe von SO—95 m, ja er erreicht in der Gegend von
Lichtenberg 111 m. Das ungefähre Centrum dieser Fläche
ist ebenfalls wieder eine Braunkohlengrube, nämlich die
von Cliestow. Girard?) beschreibt die Oberfläche folgender-
massen, sie sei aus grauem geschiebereichen Lehm und
Sand gebildet, die im Durchschnitt 25 Fuss Mächtigkeit
haben mögen. In der That schwankt die Decke des Tertiärs,
die nur aus oberem Geschiebelehm gebildet wird, über den
Gruben bei Cliestow zwischen 2 und 8 m. Berghaus?) sagt:
„die Gegend von Cliestow ist höckrig, in kurzen Absätzen
1, @irard ara. 02 82220
2) Girard a. a. 0, 8.22%
3) Berghaus a. a..0. Bd. II. S. 151 &.
0%
0 yo
OEL, ;
ER
HRG mW
a U a N
a a Ta EN
-000052:, oreofoyg
Ueber den Verlauf und die Herausbildung der Moräne etc. 41
steigend und fallend unter etwas steiler Böschung, mit
vielen und zwar grossen Geschieben bedeckt, welche der
Mehrzahl nach dem Basalte anzugehören scheinen.“ Damit
ist der Charakter der Moränenlandschaft angedeutet, der
hier noch einmal zienilich gut ausgeprägt ist, obgleich auch
hier die Sölle fehlen. Das Fehlen der Sölle und anderer
abflusslosen Wasserbehälter in dem östlichen Theile von
Lebus hat seinen Grund wahrscheinlich darin, dass dem
Gletscherwasser durch die vorhandenen Rinnen schon der
Weg vorgezeichnet war, so führen z. B. von Rosengarten
mehrere Schluchten zur Niederung hinab. Der Rand süd-
lich Lebus zeigt, gerade in der Mitte des Bogens eine
weniger steile Böschung, er ist mehr eingeebnet und nähert
sich mehr dem herrschenden Typus, während er südlich
von Frankfurt wieder eine steile Wand bildet.
Die Einebnung des Vorsprunges ist nach den übrigen
freien Seiten, also gegen die Spree hin, eine vollständige.
Die Ausbildung des oberen Geschiebelehmes ist durch-
weg eine mehr sandige, nur in den höchsten Stellen zwischen
Lichtenberg und Markendorf ist er fetter. Geschiebe sind
vorhanden, das Vorwerk zwischen Lichtenberg und Rosen-
garten und die Ruine eines alten Thurmes vor Lichtenberg
sprechen dafür. Beckmann!) führt aus der Gegend von
Boosen und Lichtenberg mehrere sogenannte Näpfehensteine
an. Gegen den Rand geht der obere Sand unmerklich in
den Thalsand der Niederung über, so dass nur noch ab
und zu Zungen von oberem Geschiebelehm erhalten sind.
Die Eisenbahn Cottbus-Frankfurt schneidet in der
Gegend von Tzschetzschnow tiefer in den unteren Sand ein,
und gerade der Abstieg gegen Frankfurt ist wegen seiner
zahlreichen Schluchten arg versandet, so dass es südöstlich
von Tzschetzschnow zu Dünenbildungen kommt.
1) Beckmann a. a. 0. Theil I. S. 370.
Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype.
Von
Prof. Dr. Otto Luedecke
in
Halle (Saale).
Als isopleomorphe Gruppe der Mesotype bezeichne ich
die Gesammtheit der Mineralien Natrolith, Skolezit und
Mesolith; schon Haüy vereinigte unter diesem Namen die ge-
nannten Minerale und den Apophyllit (Mesotype epointee
Fig. 175 Tafel 58 seines Atlas vom Traite de mineralogie
I. Auflage, Paris 1801). Der berühmte Chemiker Fuchs, ein
Schüler Haüy’s, trennte von dem Mesotype den Apophyllit
als besondere Mineral-Gattung ab; auch den Rest der übrig
bleibenden Gattung Mesotype löste er in 3 Mineralgattungen
auf; er wies zuerst nach, dass der Natrolith vor dem Löth-
rohr ruhig zu einem farblosen Glase schmelze und nicht wie
der Skolezit sich krümme: durch sorgfältige Analysen zeigte
er Sodann, dass im Skolezit Kalk neben geringen Spuren von
Alkali vorhanden sei, während der Natrolith (Werner) eben
nur letzteres (Na) enthalte. In einer folgenden Publication
weist er sodann den Versuch Haüy’s, seine Untersuchung
als unbegründet darzustellen, im Verein mit Gehler zurück
und trennt von. der Haüyschen Mesotypgattung noch den
Mesolith, weleher sowohl Natrium als Calcium enthält, ab.
Auch letztere Gattung ist wohlbegründet, wie spätere
chemische Untersuchungen von Sartorius von Waltershausen,
Breidenstein, Berzelius, Heddle, How, Thomson, Riegel,
Marsh, E. Schmid und Luedecke bewiesen haben.
Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 43
Da der Mesolith sowohl Natrium als Caleium enthält,
so meinte Fuchs, dass er „mitten inne“ zwischen Natrolith
(Werner) und Skolezit (Fuchs) stehe; er weist ferner darauf
bin, „dass diese Mischung, wie aus den von ihm angege-
benen quantitativen Verhältnissen der Bestandtheile zu er-
sehen ist, sehr gut mit den Gesetzen der bestimmten Mengen-
verhältnisse übereinstimme“, und „dass der Wassergehalt sich
nach dem Natron und Kalk richte, während das Thonerde-
silieat eonstant bleibt.“ Von chemischen Gesichtspunkten
ausgehend, hatte also Fuchs bereits die drei Species als
solehe vollkommen richtig erkannt. Die Form hielt er bei
allen dreien für übereinstimmend.
Erst Haidinger maass die Gestalten des Natroliths aus
der Auvergne und publieirte sein Ergebniss in der eng-
lischen Ausgabe der Mineralogie von Mohs; hatte derselbe
gefunden, dass der Natrolith dem rhombischen Krystall-
system zuzuzählen sei, so wies bald der berühmte G.
Rose an den Krystallen des Skolezits von Island nach,
dass derselbe dem monosymmetrischen Systeme zuge-
rechnet werden müsse. Aus Rose’s Messungen berechnet
sich das Axenverhältniss a:b :e = 0,9729 : 1: 0,3390,
& = 89° 5,4‘; an dem gleichen Materiale, welches Rose zu
seinen Messungen benutzte, fand der Autora:b:c= 0,9769: 1:
0,3439, # = 89° 30,3‘ und die Flächen: g 110 &P, b 010
«Po, —o 111 —P, o 111 P, p 131 —3P3, p 331 —3P;
die Krystalle sind grösstentheils Zwillinge nach «Po 100;
auf dem Klinopinakoid stossen an dieser Zwillingsgrenze
feine Streifen unter 24—26° zusammen.
Die Auslöschungen in 010 machen mit einander einen
Winkel von ca. 34°; in den beiden Zwillingshälften sind
von verschiedenen Autoren die Neigungen dieser Auslösch-
ungen gegen die Verticalaxe verschieden gefunden worden.
Neuerlich haben Wyrouboff und Flink gezeigt, dass bei
gut ausgebildeten Krystallen und wohl orientirten Schliffen
sowie gut eingestellten Instrumenten, die Auslöschung sym-
metrisch zur Zwillingsnaht 17,4° beträgt. Anormale Aus-
bildung der Kıystalle oder schlecht orientirte Präparate
mögen jene von der Symmetrielage abweichenden Resultate
44 ©. Luedecke:
früherer Forscher, Luedecke, Zepharovich und Schmidt
hervorgerufen haben.
Nachdem der Autor behauptet hatte, dass sein auf
Grund der an den Rose’schen Krystallen angestellten Mess-
ungen angenommenes Axenverhältniss das genauere sei,
weil die Uebereinstimmung der aus letzteren berechneten
Winkel und der gemessenen eine grössere sei als bei Rose,
welcher nur wenige Winkel gemessen hat, unterwarf
V. v. Zepharovich die Krystalle von Island einer genauen
Messune und tand a: b: ec - 095321... 0>345929, _
89° 0‘ 26“; dies ist also eine nähere Uebereinstimmung mit
dem Axensystem Luedecke’s als mit dem von G. Rose.
Neuestens hat nun Gust, Flink in Stockholm diese Verhält-
nisse einer abermaligen Revision unterzogen und aus den
Fundamental-Winkeln
11021107 2832737705;
114 0111, 235246
100 : 101 = 70 das Axenverhältniss
2:b.c — 0,9764: 1: 0.3434, 9 89 47%.
gefunden; der Unterschied gegen die früheren liegt hier
im Winkel $; Flink’s Werth liegt bezeichnender Weise in
der Mitte zwischen den von Luedecke und v. Zepharovich
gefundenen Zahlen. Fiink beobachtete als die häufigsten
Flächen an seinem prächtigen Materiale 110 «Pund 111 —P;
die Prismenflächen sind immer eben und glänzend, nur selten
durch Streifung parallel 111, welche durch 40.40.1 nach
v. Zepharovich hervorgerufen wird, entstellt; (alle Krystalle
stammten vom Theigarhorn bei Berufjord auf Island, wie
Herr Flink durch eigene Begehungen auf dieser Insel fest-
stellte.) Neben der Streifung finden sich auf 111 noch Aetz-
hügel. Die Fläche 111 ist immer glänzend, manchmal uneben
und in zwei um 51‘ von einander abstehende Flächen ge-
tbeilt; die Symmetrieebene 010 findet sich auch an zahlreichen
Krystallen; über dieselbe verläuft die Zwillingsgrenze; die
auf den beiden Theilen von 010 sich findende federartige
Streifung verläuft nicht symmetrisch zu 100, sondern un-
symmetrisch; seltener als diese Flächen ist d 101 und noch
seltener 011.
Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 45
Es sind am isländischen Skolezit folgende Flächen
sicher durch Flink bestimmt worden. a = «Po 100,
b fo 010, m «P.110, 1 ©P2.210, n «P5 510%),
krabat Art, d--Poor10l, 0 Bee
x —4P 441*, z — 3, P 332%, y —'2/,P 12.12.5*%, v
—3P 331, p—3$3 131, q — "/,P’J, 474*, eP Ill, r 5P 551*;
ferner als Prärosionsflächen, also nicht primäre Krystall-
Hächen: & — 3P°|, 15.12.5, & —- 'h RI, 672, y — "ERBE;
Io ler 920, ehr, ol:
Winkel.
IL
Gemessen F. Ber. Fl.
10 3 0, = 20 a 880 37,5°
2002 nA 45 41,2
: 100 = 44 18,8 44 18,8
(tt : 111 = 35 46 35 46
: 00 = @ On 2
10 = le Bi id 88
101 : 010 = 9 003 90 00
: 100 = 69 59,8 70 00
110163. 92,6 8 28
u 36, 015 36 01,4
ul mul = 35 Zu 36 47,6
IL
al: ee 204 70 18,8
ie = 33 501 33599
: 010 = 54 55 54 50,6
lonstarn 233 5 An 5 45,5
biat22:331, A 95 A012
15. 18.5: — 4 59 5. 0
12% 15.4: — 6 08 5
AI]: = 9 «28 6 475
121279.. = 60 6 05,6
3a eile (8 13 08,8
* Die besternten Ziffern sind neu am Skolezit.
46 O0. Luedecke:
Il.
Gemessen F. Ber. Fl.
131.:70107 4520256, 45° 56,0‘
al, 22062099. 26 10,8
101 2A2703 44 04
40.47 1017 29 DIOR
An einfachen Krystallen:
5D1 : 551 = 80 55 80 56,3
: 010 = 49 33,5 49 31,8
Soll 210595 22 Ol
:10=2 1 2105
120 : 010 = 27 09,5 > 004
: 110 = 18 32 18 341
20:10 = 18 11 8.78
510 : 110 = 33 37 33 40
40:10 = 15 16 15 20,8
Die Krystalle unter I. sind Combinationen von 010. 110
111 und 111; die unter II. haben neben den obenerwähn-
ten Flächen noch 101, 331, &« 15.12.5, 8672, y 15.18.5,
012.15.4, x 441, y 12.12.5, z 332; die zuletzt genann-
ten Flächen sind schmal und umgeben 331 kranzförmig; an-
dere Krystalle zeigen ähnliche Combinationen aber ohne
dass 351 von den eben angezogenen Flächen umgeben
wird; unter III. stehen Messungen, welche sich auf die Com-
bination 110, 010, 101, 131, 331, 111, 474 beziehen. Die
Combination an den einfachen Krystallen umschloss die
Flächen 110, 010, 111, 551, 111, 331, 131 und 101, 120,
210, 510, 470.
Flink machte Dünnschliffe nach dem Ortbopinakoide
100 und fand, dass die Symmetrieaxe die Axe der kleinsten
Elastieität ist; da sie den stumpfen optischen Axenwinkel hal-
birt, ist das Mineral optisch negativ. Ferner machte er einen
auf der Axe c senkrecht stehenden Schliff aus einem ein-
fachen Krystalle und zeigte, dass die Maxima der Aus-
löschungen vollkommen mit der monoklinen Symmetrie
übereinstimmen.
Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 47
Schon früher hatte Des Cloizeaux festgestellt, dass der
Mesolith im triklinen Krystallsystem krystallisire und zwar
sind die scheinbar einfachen Krystalle der Combination 110,
110, 111, 111,111, 111 Zwillinge nach 010 mit den Flächen
110, 110, 111, 111. Man kannte also nun die Thatsache:
es giebt rhombisch krystallisirende Natrolithe (Werner),
monokline Skolezite (Fuchs) und trikline Mesolithe
(Fuchs — Des Cloizeaux).
Im Jahre 1360 hatte Heinrich Credner unter den Mine-
ralien der Pflasterkaute bei Eisenach auch Skolezit aufge-
führt; durch Ankauf seiner Sammlung gelangte sein Ori-
ginal-Material in das Museum der Universität Halle-S.;
der Autor untersuchte dieses näher und fand, dass das
Mineral neben Caleium auch Natrium enthielt:
Procente Elemente Quotient Atome
Si0, = 43,83 20,45 0,73 5
ALO, = 2904 15,85 0,56 a
Ca = 7,8 5,60 0,14 1
Na,0 = 7,80 5,80 0,25 2
H0 = 15 18 1,3 10
woraus also die Formel Na,CaAl,Si,0;;, + 5H,0 folgt; es
lag also ein typischer Mesolith vor.
Die optische Untersuchung ergab, dass vollkommen
einfache Krystalle vorlagen, welche auf den Säulenflächen
eine Auslöschung von 4° zeigen; dieselbe liegt in beiden
110 und 110 symmetrisch und entgegengesetzt, eine Lage,
welche auch von v. Lasaulx an andern einfachen Meso-
lithen nach einer mündlichen Mittheilung beobachtet wurde.
Die Krystalle sind sehr dünn und stellen Combinationen
von »P 110 mit “Pl, 15.14.0 mit 111 —P und IilP
dar. Aus den Messungen 111:1il = 34° 22,7, 111: 111
— 38%62° und 111: 111 = 52047: folet das Axenver-
haltnıss ar We, — VODARSE203315,,8.— 85. 57,8.
Berechnet Gemessen
212,0 a ee en 89° 20° Ldk.
Schon früher hatte E. Schmid in Jena Mesolithkrystalle
kennen gelehrt, welche nach der Formel
48 O0. Luedecke:
[ Na?A12Si°010 + 2H,O
|2CaAl2Si°0!! + 3H,0
zusammengesetzt waren.
Die Original-Krystalle E. Schmids zeigten sich eben-
falls als vollkommen einfache Individuen, bei welchen das
Maximum der Auslöschung in 010 um 8—9° nach oben
hinten im spitzen Winkel & liegt; Schliffe parallel 100
zeigen die dem monosymmetrischen Charakter ent-
sprechende gerade Auslöschung.
Die Krystalle zeigten nach den Untersuchungen des
Autors die Combination
—o 111 —P, o Ill P, g 110 »P, b 010 Po.
G, 15.14.0 »P!#l,,; aus den Winkeln:
111°: 111. 340 10221191 9112 03002218 ungg Lie
111 = 51° 14,8 folgt das Axenverhältniss
abe. c — 0,9023:21270.3226. 8. — 30.253504
Berechnet Gem.
172.010 — 78 1 a
111°: 010 Eh) „ 73 14,3
13.214.013. 9 0 882408 88 50
ER yE 38 35
13 ,..1422.0,:2010 — .452.393,6 45 34
Um dieses Axenverhältniss des Mesolith dem des Sko-
lezit von Flink a :b :c = 0,9764 :1: 0,3454, & = 89° 18,
ähnlicher zu machen, macht Groth »P!!/,; zu oP und so
erhält man dann a: b : ce = 0,9777 : 1: 0,3226, 6 — 87° 53,6.1)
Die Pyramiden + P verwandeln sich dann in Brachy-
pyramiden.
Durch diese Untersuchung ist also nachgewiesen, dass
es monokline Mesolithe giebt, eine Thatsache, welche bis
zur Veröffentlichung der Arbeit des Autors über Mesolith
und Skolezit?) in der Wissenschaft unbekannt war.
1) S. 145 bei Groth: Tabellarische Uebersicht der Mineralien
III. Auflage, oben soll es heissen: dass die Symmetrieebene bei den
monosymmetrischen Natrolithen den spitzen, bei dem Skolezit den
stumpfen Säulen-, nicht Axenwinkel halbirt.
2) Neues Jahrbuch f. Mineralogie, Geol. u. Pal. 1881. II. S. 1.
Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 49
Nahm man hierzu noch das, was schon längst bekannt
war, dass es nämlich typische rhombische Natrolithe giebt,
wie solche besonders durch die Messungen von Haidinger,
Maskelyne und von Lang, vom Rath, Zepharovich, Brögger
und Palla, sowie durch die optischen Untersuchungen von
Brögger, Palla und dem Autor nachgewiesen worden sind;
dabei hatte der Autor und v. Lasaulx bereits darauf hin-
gewiesen, dass gewisse Natrolithe von Salesel, Aetna
und Aussig auf 110 schiefe Auslöschung zeigen, also wahr-
scheinlich dem monoklinen Systeme angehören.
Neuerdings hat Brögger neben sehr reichflächigen
rhombischen Krystallen mit dem Axenverhältniss a:b:c
— 0,9819:1:0,3535 und den Flächen »P» 010, «Px
100, OP 001, &P 110, «P2 120, «P%/;, 590, »P”|, 740,
&P6 610, Po 011, 3Po 031, 3Po 301, P 111, 2P 221,
3P 331, 5P 551, 3P3 131, 9P3 391, 36P's/, 34.36.1,
323 ll nl, 1, aloe al
auch monosymmetrische Krystalle auf den südnorwegischen
Syenitpegmatitgängen aufgefunden. Das Axenverhältniss
derselbenrist ab: e& — 1,0165: 170,5599, 9.837354 52%;
es sollen an denselben ähnliche Flächen wie an den rbom-
bischen vorkommen. Da die Angaben von diesem Autor
sich immer bewahrheitet haben, so müssen wir wohl an-
nehmen, dass auch seine optischen Untersuchungen, welche die
monosymmetrische Symmetrie ergeben haben, sich bestätigen
werden, und wir dürfen daher wohl mit Fug und Recht an-
nehmen, dass es wirklich monosymmetrische Natrolithe,
auf welche der Autor schon vor 9 Jahren hingewiesen hatte,
giebt.
Neben den monoklinen Skoleziten von Island und Kan-
dallah fand der Autor damals Skolezit vom schattigen
Wichel, bei weichem die Elastieitätsaxen nicht mehr in der
Symmetrieebene lagen, welche also dem triklinen System
zugerechnet werden mussten; in gleicher Weise hatte Des-
Cloizeaux schon früher trikline Mesolithe aufgefunden,
welche in jeder Beziehung den triklinen Skoleziten ent-
sprachen.
An den Krystallen vom schattigen Wichel wurden zu-
erst die Kanten gemessen, dieselben durch farbige Zeichen
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXTIT. 1890. =
50 O0. Luedecke:
so bezeichnet, dass man sie jederzeit wieder herausfinden
konnte und dann an den gemessenen Krystallen in den
Richtungen der Pinakoide Schliffe gemacht, welche zeigten,
dass die Auslöschungen nicht mit der eventuellen mono-
symmetrischen Symmetrie in Uebereinstimmung gebracht
werden konnten, und dass daher die Annahme des asym-
metrischen Systems angezeigt war. Im vorderen rechten
oberen Octanten waren die Axenwinkel « = 38° 30,1‘,
ß = 9° 41,3‘, y = 39° 49,2‘ und die Axenlängen a:b:
ce = 0,9712 : 1: 0,3576.
Herr C. Schmidt hat die Untersuchungen an diesem
Vorkommen wiederholt und gefunden, dass in Schliffen
parallel 100 die Auslöschung vollständig parallel der
Verticalaxe ist, also vollständig der monosymmetrischen
Symmetrie entspricht ; in Schliffen senkrecht zur Auslöschung
in 010 und zu dieser Fläche fand er geringe Auslöschungs-
schiefen in dem in 3 Felder getheilten Schliffe; er schliesst
daraus, dass die Skolezite vom schattigen Wichel dem
monosymmetrischen Systeme angehören.
Von den Skoleziten vom Etzlithale und dem Viescher
Gletscher!) zeigt er dasselbe. Nun behauptet er, dass auch
meine Krystalle bei richtiger Behandlung das gleiche zeigen
würden; dem gegenüber kann ich nur meine Beobachtungen
aufrecht erhalten; wenn unser beiderseitiges Material ver-
schiedenes erkennen liess — was sich besonders darin zeigt,
dass nicht 100 wie bei den monoklinen Skoleziten, sondern
010 Zwillingsebene ist, und dass die Ebenen der optischen
Axen nicht bloss nach oben divergiren, sondern dass sie
gleichzeitig in der Richtung der Ebene 100 auseinander
klaffen; es ist also die Lage der optischen Constanten eine
ganz andere als bei den von S. untersuchten Skoleziten —
so hängt dies eben damit zusammen — nicht wie der Herr
1) Auch von den Färoer habe ich Abweichungen von der mono-
klinen Symmetrie beschrieben; Herr Schmidt wirft mir vor „diese
Fundortsangabe scheint nicht correct zu sein“; es sollen insbeson-
dere das Material nicht aus der Sammlung Bergmann, sondern aus
der Coll. Klapproth stammen. Herr Websky hat eigenhändig das
mir übergebene Material etiquettirt und stehen diese Etiquetten jedem
zur Einsicht offen.
Die isopleomorphe Gruppe der Mesotype. 51
Schmidt schliesst, dass ich mich geirrt, — sondern dass es
eben an demselben Fundorte Skolezite von verschiedener
optischer Structur giebt; übrigens zeigten ja auch $’s.
Präparate!) in den zur verticalen Rlastieitätsaxe senkrechten
Schliffen Abweichungen von der normalen monosymmetrischen
Symmetrie. Flink hat darauf hingewiesen, dass S.’s Auffassung
derPenetrationszwillinge am Skolezit von Island etc. durchaus
irrig ist, dass die Zwillingsbildung und Feldertheil-
ung in Schliffen senkrecht zur Verticalaxe vielfach zwei
ganz verschiedene Erscheinungen sind, von denen die
letztere wohl erst secundären Einflüssen zu verdanken ist.?)
Nachdem Flink dies ziemlich sicher nachgewiesen hat,
bleibt es allerdings fraglich, wie weit die Abweichungen
von der monoklinen Symmetrie überhaupt noch als maass-
gsebend betrachtet werden dürfen. Experimentelle Unter-
suchungen der Schliffe in heissen Wasserdämpfen, bei er-
höhter Temperatur etc. liegen überhaupt noch nicht vor.
Schon früher hatte Des Cloizeaux Krystalle von trikli-
nem Mesolith erkannt, welche ganz ähnliche optische Erschein-
ungen wie die vom Autor beobachteten triklinen nach 010
verzwillingten Skolezite zeigten. Auch die für trikline
Zwillinge so charakteristische geometrische Erscheinung,
dass wenn man die beiden Pyramidenflächen 111 und 111
auf dem Goniometer einstellt, die zugehörigen 110 und 110
nicht in derselben Zone erscheinen, hat Des Cloizeaux
bereits treffend hervorgehoben; auch bei den Skoleziten ist
dies der Fall; im monosymmetrischen System kommen der-
artige grössere Abweichungen wie hier kaum, kleinere
nur selten vor; auch diese geometrische Erscheinung
würde sehr für das trikline System sprechen.
Jedenfalls weist auch diese Analogie zwischen den
triklinen Skoleziten und Mesolithen oder — falls man die
1) An einfachen Krystallen von Island kommt dieses nicht vor.
2) Wyrouboff hat bereits die mehr merkwürdige als richtige An-
sicht S.’s zurückgewiesen, dass wenn man zwei Lämellen von einem
Mineral aufeinander legt, ohne dass die Elastieitätsaxen coindieiren,
eine intermediaere Auslöschung entstehe. W. weist darauf hin,
‚dass vielmehr dann, wie schon längst bekannt, circular polarisirtes
Licht entstehe.
A*
52 0. Luedecke:
optischen Abweichungen von der monoklinen Symmetrie
nur als solche auffassen will — die anormalen Skolezite
und Mesolithe ebenfalls auf die Isopleomorphie dieser Kör-
per hin.
Was die chemische Abweichung der Formel der
Skolezite von der der Natrolithe anbelangt, so nimmt Groth
gegenwärtig an, dass auch beim Skolezit wie beim Natro-
lith nur zwei Krystallwasser vorhanden sind, während er
das dritte Molekül als Constitutionswasser betrachtet.
Natrolith (SiO,)?Al(AlO)Na? + 2H,0
Skolezit (SiO,)3alAl(OH)2Ca + 2H,0O
N SiO;)?Al(AI(AIO)Na? + 2H,0O
Mel ne + 24,0.)
Rhombische Mesotype.
Natrolithe Skolezite Mesolithe
Aro, Salesel, — Galactit von
Auvergne. Bishoptown
ar: be: Ce, —
0,9786 : 1: 0,3536 =
südnorwegische
0,9819: 1:0,3935.
Monokline Mesotype.
von den südnorweg- Island, Pflasterkaute,
ischen Syenit-Peg- Kandallab Island
matitgängen etc.
ae D.C — 2020 = abc —
1,0165 :1 : 0,3599 0,9764:1:0,3434& 0,9777 :1:0,3226
£ 89° 54,9 0. SO TT“ ß 86° 54.
Trikline Mesotype.
= vom schattigen Vorkommen nach
Wichel ete. Des-Cloizeaux.
Man kennt also jetzt eine hinreichende Anzahl Glieder
dieser Körper, welche uns zu dem Schlusse veranlasst, dass
die Natrolithe, Skolezite und Mesolithe eine wohlbegründete
isopleomorphe Gruppe bilden wie die Augite und Horn-
blenden ete., eine Ansicht, welche der Autor bereits 1881
ausgesprochen und begründet hatte.
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Tobler: Annal. d. Chim. et d. Pharm. 91. 229.
Uig Phil. Mag. IV. Ser. 13. Bd. p. 53.
Vauquelin: Journal des mines. No. 14. p. 87. Analyse des
Sartorius v. Waltershausen: Vulcan. Gestein. 267.
Wiser: Neues Jahrb. 1860. p. 786: Skolezit v. Viescher Gletscher.
Wyrouboff: Kritik Schmidt’s Bull. d. soc. fr. de Min. IX. 266.
v. Zepharovich: Z. f. Kıryst. VIII. 577. Sk. v. Island, 9. 308.
v. Zillerthal.
Zippe: Mineralogie von Mohs. Il. Ausgabe. S. 60.
Mineralogisches Institut zu Halle-S.
J. Sächsisch - Thüringische Literatur.
Bücking, Glaserit, Bloedit, Kainit, Boracit von Douglas-
hall bei Westeregeln. Zeitschrift für Krystallographie.
1889. XV. 561.
Glaserit hat sich im Bloeditgestein zwischen dem
Kainit und Steinsalz zu Douglashall gefunden; das spec.
Gewicht war gleich 2,650—2,656 (in Methylenjodid bestimmt),
die Härte 21/,—3; Spaltbarkeit noch 1010; die Krystalle
sind rhombo£&drisch-hexagonal theils einfache, theils Zwil-
linge, wie sie früher von v. Rath in Pogg. Ann. 1373.
Ergzbd. 6. 359 beschrieben sind. Das Axenverhältniss a: e
ist gleich 1:1,2879 (vergl. Mitscherlich, Pogg. Ann. 1343.
88. S. 468). Es treten in Combination e x (1012) !/, R,
e 0001 OR, m 1010 «R, & z (0112) — '!; R, r x 10I1L R,
«r’ x O11I1.—R,n x 1120 oP2, g%x 0114 —1/,R. Manche
Krystalle zeigen von mee‘c begrenzt scheinbar rhom-
bisebe Formen; dem rhombischen System nähern sich die
Krystalle auch noch durch die aragonitähnliche Zwillings-
bildung nach ©P; es sind diektafelige (nach 0001) Combi-
nationen von 0001 . 1010, x 0112, # 1012. Sie zeigen deut-
lich das Interferenz - Kreuz optisch einaxiger Krystalle.
(Vergl. hierüber Mallard, Bull. soc. france. d. Min. 5. 226,
Wyrouboff ebd. 2. 100). Die Doppelbreehung ist negativ
(vergl. Schrauf, Sitzber. d. Wien. Ak. 40. 598 u. Journ. f.
prakt. Chem. 1861. 83. S. 11); ® = 1,4907, & 1,4995 für
Natriumlicht. Die chemische Zusammensetzung entsprach
z. Th. der Formel 5K,SO,, 2Na,SO, z. Th.3K,SO,, Na,SO, ;
die ersteren entsprechen den von Penny (Journ. f. prakt,
58 I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
Chem. 67. 216) und Mitscherlich untersuchten piatten Kry-
stallen aus der Kelplauge.
Bloedit mit vorigen zusammen vorkommend: 121,
021, 117, 110° 210, 120. 11 211..301, 10 7eizene:
(z. Th. 50 ><40><20 mm Grösse).
Kainit. In der Kieseritregion von Douglashall findet
sich ein Lager von derbem Kainit, in welchem sich auch
viele 3—4 mm grosse Krystalle finden: 001, 010, 100,
111, 111, 201, 110, 980; die Analyse zeigt, dass
auch diese Krystalle der Formel MgSO,, KCl, 3H,0 ent-
sprechen.
Boracit findet sich regelmässig zu Douglashall im
Carnallit; 1885 fand man kleine gelbliche, 1887 prachtvolle
wasserhelle bis lichtgrüne Krystalle. Würfel 100, Rhom-
bendodecaäder 110 und Tetraäder « 111 begrenzen die
letzteren; daneben seltener: die Pyramidenwürfel 013, 014,
0.1.11,0.1. 12; auch das Pyramidentetraäder x 211, und
die Dectoiddodecaäder x 144, 2188, 1.16.16 kommen vor.
Die grüne Farbe dieser merkwürdigen Krystalle ist
durch einen Gehalt von 7,9°/, Eisenoxydul bedingt.
Halle a. S. Luedecke.
Rinne und Jannasch, Ueber Heulandit, besonders den
von St. Andreasberg, Neues Jahrbuch f. Min. 1837. I. 25.
Die Krystallform dieses Minerals (H, Ca Al,Si,0,,+5H,0
Jannasch) wurde theils als monoklin, theils als triklin von
verschiedenen Autoren aufgefasst; die optischen Unter-
suchungen von Des Cloizeaux (Man. d. Min. I. 1862. 425.),
Mallard (nouv. recherche s. 1. proprietes optiques des cri-
staux 1867. 136) und W. Klein (Zeitschr. f. Krystallographie
IX. S. 38) stimmen im wesentlichen mit der monoklinen Sym-
metrie überein. Später hatten allerdings C. Klein und Tenne
Feldertheilung an Blättehen parallel 010 wahrgenommen;
Verfasser hat nun diese Erscheinung näher studirt. Dünne
Blättchen parallel der genannten Fläche zeigten einheitliche
Auslöschung und zwar lag dieselbe nicht ungefähr parallel
001, sondern bildete damit im stumpfen Winkel # ca. 34°, bei
anderen (Viesch) 6°, bei denen von Bernfjord 8° und von Fassa
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 3%,
®
32°. Anders verhält sich schon das zweite von demselben
Krystall abgespaltene Blättchen; der innere Theil zeigt
noch dieselbe Erscheinung wie das zuerst besprochene Blätt-
chen, aber die Randpartie ist in Felder derart getheilt,
dass an jede äussere Fläche sich ein Feld mit verschieden
gerichteter Auslöschung anschliesst, eine Erscheinung, welche
also ohne Weiteres darauf hinweist, dass diese optische That-
sache in Verbindung mit der äusseren Form zu bringen ist.
Machte in dem an 001 sich anschliessenden Felde die Aus-
löschung mit 001 25° mit der Axe a, so machte sie in dem
an100sich anschliessenden 50° mit derselben Linie. Aehnliche
Erscheinungen zeigen Andreasberger Heulandite. Nimmt
man Spaltblättchen, welche noch weiter der Mitte zu ent-
nommen sind, so verschwindet das mittlere Feld allmählich,
und die gesondert auslöschenden Randfelder breiten sich
bis zur Mitte aus; nimmt man die Spaltblättchen, welche
010 allmählich näher rücken, so nimmt man in symmetrisch
zur Symmetrieebene gelegenen Platten dasselbe wahr wie
an den schon beobachteten Platten nach O1O zu.
AnAndreasbergerKrystallen beobachtet man, dass
die Grenzlinien der Blättchen parallel zu den Kanten 010:100
und 010 : hol verlaufen; man glaubt dann Durchkreuzungs-
zwillinge nach 100 vor sich zu sehen.
Auch Platten nach 100, 001 und 101, welche wegen
der vollkommenen Spaltbarkeit nach 010 schwieriger her-
zustellen waren, wurden von Krystallen vom Berufjord,
Andreasberg und Viesch angefertigt und wunderbarer Weise
zeigten dieselben alle die von der monoklinen Symmetrie
erforderte Auslöschung ganz normal parallel der Orthodia-
gonale b. „Es ist mithin an dem monoklinen Charakter
der Krystalle nicht zu zweifeln.“
Im convergenten Lichte zeigt sich, trotzdem die optische
Mittellinie senkrecht zu 010 in allen Theilen ist, eine
Verschiedenheit des optischen Axenwinkels in verschiedenen
Theilen der Platte; derselbe verändert sich auch mit der
Temperatur; bei 100 ist er OPund bei noch höherer Temperatur
gehen die optischen Axen in einer Ebene senkrecht zur ersten
Richtung auseinander. Kittetman die so erhitzten Plattensoein,
dass wasserhaltige Luft nicht dazu kann, so bleibt der Zustand
60 Sächsisch - Thüringische Literatur.
der Platte auch nach der Abkühlung erhalten, ein Beweis,
dass die Wärme die Aenderung allein nicht hervorbringt-
Bringt man die Blättchen in kochendes Wasser, so bleiben
die optischen Verhältnisse der Platte unverändert; es ist
also nur das entweichende Krystallwasser, mit welchem die
optische Aenderung in Beziehung steht. Erwärmt man die
Platten in Oel, so beobachtet man dasselbe wie in der
Luft. Schon Des Cloizeaux hatte am H. eine leichte Deut-
ung der optischen Axenebene wahrgenommen. Rinne fin-
det, dass in allen Theilen desselben eine Drehung so statt-
findet, dass bei 150° die verschiedene Richtung der optischen
Axenebene in den sonst verschieden orientirten Platten-
theilen von 010 dieselbe wird. Erhitzt man die Platte
weiter, so findet kein weiteres Wandern der Auslöschungen
statt, sondern sie sind constant geworden; und die
Differenzirung aller Felder hat aufgehört, die Platte löscht
einheitlich aus.
Diese Auslöschung liegt bei Krystallen von Island und
Viesch parallel zur Kante (010 : 221), bei Krystallen von
Andreasberg dagegen parallel (001:010), wenn man das Axen-
verhältniss a:b: ce = 0,4035:1: 0,47788, 8 = 63 '40'zu Grunde
legt und also die gewöhnliche Combination als M 010, N 100,
T 001, P 101, z 221 auffasst. Die beiden Kanten (010: 221)
und (001 :010) stehen beinahe senkrecht zu einander.
Diese merkwürdige Verschiedenheit zwischen dem Andreas-
berger H. und den übrigen liess eine chemische Verschie-
denheit vermuthen, welche Jannasch durch eine genaue
Analyse auch bestätigt: es fand sich hier nicht wie sonst
0,5%, SrO neben 7%, CaO, sondern 3,62 SrO neben
4,25 CaO. (Vergl. S. 61.)
Auch die Temperatur von 150° entspricht nach Jan-
nasch genau dem Verlust von 2 Molekülen Wasser. Bei
150° hat also der einheitliche auslöschende [parallel der Kante
(001 :001)] H. nur noch 3 Krystallwasser und ist aus dem
monoklinen in das rhombische System übergegangen. So
interessant auch diese Thatsache ist, so können wir hier
mit der Erklärung des Autors nicht vollkommen überein-
stimmen. Er hat gezeigt, dass die andern H. von Island
und Viesch bei 150° parallel der Kante (010: 221) einheit-
Sächsisch- Thüringische Literatur. 61
lich auslöschen ; beide Richtungen der Auslöschungen in
den beiden Varietäteh liegen also nicht gleich, sondern
haben eine verschiedene Lage in den geometrisch gleichen
Krystallen, woraus also im allgemeinen nicht geschlossen
werden darf, dass beide Varietäten rhombisch seien. Ob
letzterer Schluss auch noch richtig wäre, selbst wenn bei
allen Varietäten die Auslösehung parallel der Vertikalaxe
wäre, will uns ebenfalls noch einigermassen zweifelhaft er-
scheinen. Selbst wenn nachgewiesen ist, dass die Aus-
löschung eines Minerals symmetrisch zur monoklinen Sym-
metrieebene und in dieser parallel der Vertikalaxe sei,
ist dasselbe noch nicht dem rhombischen System zuzu-
rechnen, ehe nicht nachgewiesen ist, dass die Vertheilung
der übrigen Constanten in geometrischer und optischer Be-
ziehung der rhombischen Symmetrie entspricht. Wenn nur
nachgewiesen ist, dass die Auslöschung parallel der Verti-
kalaxe ist, so genügt dies durchaus nicht, um die rhom-
bische Symmetrie zu erweisen; denn die Vertikalaxe ist
nicht eine durch die monokline Symmetrie bedingte Linie,
sondern nur eine Richtung innerhalb der Symmetrieebene,
welche vom Autor angenommen wird, welche also nicht
wie im hexagonalen, tetragonalen etc. Systeme durch die
Gesammtsymmetrie des Krystalls ohne Weiteres gegeben
ist. Ehe also nicht nachgewiesen ist, dass diese Richtung
Symmetrieaxe in optischer und geometrischer Beziehung
ist, hält Referent den Beweis dafür, dass bei 150° der H.
rhombisch sei, für noch nicht sicher erbracht. Mit sorg-
fältig ausgelesenem Material von Andreasberg, welches
durch Eintauchen in Cadmiumborwolframiat und durch
optische Untersuchung rein erhalten wurde, hat Prof. Jan-
nasch Analysen ausgeführt, welche ergaben:
Andreasberg Fassathai Teigarhorn
Si0, = 5611 56,10 60,07 58,43
No Son a en 16,44
F,0;, = Spuren Spuren 0,62 —
e20 7, —2,,4.25 4,27 4,89 7,00
SEO 17.23.62 3,65 1,60 0,35
MsO = Spuren Spuren — —
62 I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
Andreasberg Fassathal Teigarhorn
K,öO = 0,36 0,18 0,44 0,21
N23,0 = 3,49 3,14 2,36 1,40
S;0O = Spuren Spuren Spuren Spuren
H,0°° = 16,19 16,37 15,89 16,45
101,09 100,95 100,€2 100,28
Halle a. S. Luedecke.
Beyschlag, F., Die Erzlagerstätten der Umgebung von
Kamsdorf in Thüringen. Jahrbuch d. geolog. Landes-
Anstalt 1888. S. 329.
An derHand älterer Publikationen und Manuscripte sowie
eigener Beobachtungen giebt der Autor eine Zusammenstellung
der Lagerungsverhältnisse und Erzvorkommen von Kamsdorf
in Thüringen , wofür ihm die geologischen Interessenten dank-
bar sein müssen. Nach einer Literatur-Uebersicht folgt die Be-
schreibung der Schichtenfolge, Gesteinsbeschaffenheit und
des Baues der Lagerstätte.
Das älteste in Betracht kommende Gebirgsglied ist der
Culm, „das rothe Gebirge‘ der Bergleute; er stellt einen
Wechsel von gröberen und feineren Grauwacken mit san-
digen und z. Th. glimmerreichen Schiefern dar; schwache
Röthelschichten wurden früher bei Tauschnitz ausgebeutet;
nach oben zu ist der Culm ausgebleicht- ‚weisses Gebirge“.
Auf den unteren klippigen Culmschichten liegt die Zech-
steinformation söhlig auf. Unten als Conglomerate, welche
stellenweise als Sanderze kupferführend sind. Da wo
Rückenspalten dieses sog. Weissliegende durchsetzen, fin-
den sich reichere Anhäufungen von Kupferkies, Fahlerz,
Kupferlasur, Malachit, Kobaltblüthe, Pharmacolit, Speiss-
kobalt und schwarzem Erdkobalt.
Darauffolgt das Zechsteineonglomerat mit dem Mutterflötz
0,7—1 m aus aschgrauem Kalke mit abgerollten Grauwacken-
und Thonschieferbrocken bestehend, gewöhnlich in 2 Flötze
getheilt und Erzknoten führend. Nun kommt das Kupfer-
schieferflötz mit 10—15°/, Bitumen und geringem Erzgehbalt;
nur da, wo Lagerungsstörungen auftreten, ist es reicher an _
Kupferkies, Silber-haltigem Fahlerz, Kupferglanz, Bleiglanz,
Kupferlasur, Malachit, Erdkobalt ete.; darüber folgt 5—8 m
I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 63
mächtiger parallelopipedisch zerklüfteter Kalk, ‚das Horn-
flötz“, sodann das obere Schieferflötz 0,15—0,30 m und end-
lich 3—3,5 m Kalk mit Mergellagern.
Die mittlere Abtheilung des Zechsteins besteht aus
einer 30 m mächtigen Dolomitbildung; in der Nachbarschaft
der Rücken ist sie in Eisenerze umgewandelt; die obere
Abtheilung der Zechsteinformation sind der Plattendolomit
und die Letten mit Gyps, welche dann vom Buntsandstein
bedeckt werden.
Die Erzablagerung geschah nun auf Gängen (Verwer-
fer) und Lagern in unmittelbarer Nähe der Gänge.
Die Kamsdorfer Gänge stellen ein System von Spalten
dar, welche im allgemeinen von W—O streichen und unter
50—80° NO fallen; es sind kleine Stufen, durch deren
Vermittelung das Niedersinken des triadischen Vorlandes
gegen die älteren eulmischen und devonischen Horste sich
allmählich vollzieht. Wenn man von S nach N im Kams-
dorfer Erzdistrikt über die Schichten hingeht, so nimmt in
dieser Richtung die Zahl der Gänge ab, aber ihre Be-
deutungals Verwerfer und Erzführer nimmt zu. Die
Sprunghöhe der Verwerfung wechselt sowohl zwischen den
einzelnen Gängen als an demselben Gange zwischen 0,2
und 50m; die hangenden Schichten pflegen sich an der Sprung-
höhe hinabzuziehen; die Spalten durchqueren alle Glieder des
Zechsteins und gehen erzleer im Culm weiter. Den Verlauf
der Gänge kann man an der Terrassen - und Grabenbildung
der Oberfläche z. Th. erkennen. Der Verfasser schildert
nun die Art der Verwerfungen näher: man findet einfache
Sprünge, Flexuren ete. Auf die Eintheilung der einzelnen
Ganggruppen können wir nicht näher eingehen und muss
auf das Original im Jahrbuch d. königl. preuss. Landes-An-
stalt 1833 verwiesen werden.
Die Ausfüllung der Spalten ist eine sehr wechselnde:
silberhaltige Fahlerze, silberleerer Kupferkies, Ziegelerz,
Malachit und Kupferlasur: die Erzführung bleibt im Ganzen
auf denjenigen Theil der Gangspalte, welcher zwischen
den durch die Verwerfung verschobenen und von ein-
ander entfernten Theilen des Weissliegenden und Eisen-
64 1. Sächsisch- Thüringische Literatur.
kalks (mittl. Zechst.) liegt, beschränkt; sie ist nicht
aushaltend, sondern vielfach durch leere Spalten unter-
brochen, am Erz reichsten sind die Gänge zwischen den
beiden gegen einander verschobenen Theilen des Kupfer-
schieferflötzes; bei den Flexuren tritt der Erzreichthum be-
sonders am Mittelschenkel hervor. Neben den Kupfererzen
haben sich am rothen Berge auch Kobalt- und Nickelerze
gefunden; mit der Hauptgangart von Schwerspath treten
Kalkspath und Bitterspath auf.
Die Mineralien der Gänge sind die folgenden: Antimon-
und Arsenfahlerz (1528 auf dem Himmelfahrt-Bergmännischen
Hoffnungs-Gange 15 cm mächtig doch nur auf 40 qm), Kupfer-
kies aus dem Johannisgang bei Gosswitz (15 m><
40><14 m), Bleiglanz, Eisenkies, Schwerspath, Siderit,
Rothnickelkies, Arsennickel, Speisskobalt, Nickelantimon-
glanz, Haarkies, Kupferglanz, Antimonglanz, Malachit,
Rothkupfererz, Kupfermanganerz und andere Zersetzungs-
produkte des Kupferkieses, Kobaltblüthe, Symplesit, Erd-
kobalt (schwarzer), Brauneisen, Pyrolusit, Wad, Kupfer,
Silber, Arsen, Wismuth, Kalkspatı, Perlspatk, Aragonit,
Barytocaleit, Asphalt und Gyps. Die Erze sind in drei Ni-
veaus vertheilt. Im Culm, Weissliegenden und Mutterflötz,
kommen mit Schwerspatı, Braunspath und Kalkspath
hauptsächlich Fahlerz, Kupferkies, Rothnickelkiesund Speiss-
kobalt vor; im mittleren Erzniveau d. h. im verschobenen
Theile des Kupferschiefers und dem untersten Zechsteinkalk
lagern: silberreiche Fahlerze, Kupfererze und gelber Erd-
kobalt, Kobalt und Nickelblüthe, Pharmacolith und Symplesit;
im obersten Erzniveau d. h. im Zechsteinkalk und Dolomit,
des mittleren Zechsteins: Erdkobalt, Kupferlasur, Malachit,
Kupfergrün und Brauneisen.
Dem Alter nach folgen sich vom Aeltesten zum Jüng-
sten: 1. Siderit, Fahlerz, Kupferkies, Bleiganz, 2. Schwer-
spath und Siderit, Kobalt und nickelhaltige Kiese,
Bitterspath, Caleit, Aragonit und die Zersetzungsproducte
der Kupfer-, Kobalt- und Nickelerze, 3. Metalle und Gyps.
Längs der Spalten sind im unteren und mittleren Zechstein
die Kalke und Dolomite in Eisenstein (z. Th. in Spath-
eisenstein) umgewandelt.
1. Sächsisch- Thüringische Literatur. 65
Besonders hervortretend sind das untere und obere
Eisensteinflütz; das untere hat immer den oberen bitumi-
nösen Mergelschiefer zum Hangenden, das obere liegt im
Dolomit der mittleren Formations- Abtheilung. Die
beiden Flötze verhalten sich ganz verschieden. Der Spath-
eisenstein ist in der Nähe der Spalten am grobkörnigsten
und wird weiter davon entfernt immer feinkörniger; viel-
fach ist derselbe in Brauneisen verwandelt; hier und
da hat man auch Kupfererzmittel im Eisenstein gefunden.
Die Entstehung der Gänge steht mit der grossen im
N. und S. des Thüringerwaldes verlaufenden Hauptver-
werfung von tertiärem Alter in Beziehung; ebenso wie bei
Schweina und Richelsdorf sich die grosse Verwerfung in
viele kleine wenig mächtigere zersplittert, um sich sehliess-
lich ganz zu verlieren und einer schliesslichen eoneordanten
Auflagerung der Trias auf dem Zechstein Platz macht, so
ist es auch hier.
Die Gangfüllung ist durch Auslaugung des Nebengesteins
entstanden. Zum Schluss verbreitet sich der Verfasser über
Gewinnung und Statistik des Gebietes. Besonders möchten
wir unsere Leser auf die kartographischen Beilagen auf-
merksam machen; die eine Karte stellt den Verlauf der
Gänge und die Lager auf einer geognostisch colorirten Karte
1:25000, deren Aufnahme man der preusisschen Landes-
Aufnahme verdankt, dar; während die andere Profile (1:600)
(1:800) ete. durch die Lager und Spalten bringt.
Halle a. S. Luedecke.
Schreiber, Prof. Dr. A., Die Bodenverhältnisse im Bereiche
des Ringstrassen- und Nordfront-Kanals in Magdeburg.
Jahresberichtund Abhandlungen desnaturwissenschaftlichen
Vereins in M. 1588, S. 73.
Verfasser, schildert die Verbreitung des Culms, des Roth-
liegenden des Grünsands und des Diluviums in dem oben
angegebenen Raume.
Derselbe, der Grundwasserstand in Magdeburg und
seiner Umgebung ebd. S. 83.
Verfasser schildert an der Hand genauer Aufnahmen
den Stand des Grundwassers in Magdeburg und kommt zu
Zeitschritt f, Naturwiss. Bd, LXIII, 1890. 5
66 I. Thüringisch- Sächsische Literatur.
dem Ergebniss, dass aus allen von ihm gesammelten That-
sachen folgt, dass für den Stand des Grundwassers einer
Gegend nicht allein deren Höhenlage, sondern zugleich
die im Untergrunde anstehenden Erdschichten und Thal-
einschnitte bestimmend sind.
Derselbe, die Hafenanlage bei Neustadt-Magdeburg,
ebd. S. 91.
Im Gebiete der Culmgrauwacke hat man in M. drei
Höhenrücken zu unterscheiden, welche wahrscheinlich unter-
irdisch zusammenhängen. Der erste im Norden der Altstadt
setzt sich in den Steinbrüchen der Steinkuhlenstrasse, Olven-
stedts und an den felsigen Ufern der Olve Beverbei Gr. Ottmers-
leben und Doenstedt fort; der zweite Höhenzug, welcher in
den Steinbrüchken bei Magdeburg - Neustadt beginnt,
setzt sich in Ebendorf, Dahlenwarsleben, Hundisburg und
Nenhaldensleben fort; am dritten liegt der neue Hafen,
derselbe geht nach Barleben und Vahldorf weiter.
Halle a. S. Luedecke.
Schreiber, Prof. Dr., in Magdeburg, die Bodenverhält-
nisse von Magdeburg-Neustadt und deren Einfluss auf die
Bevölkerung mit einer geologischen Karte. Jahrbücher
und Abhandl. des naturwissenschaftl. Ver. in Magde-
burs, 1837, 8. 1.
Magdeburg-Neustadt steht auf einer Mulde von Culm-
grauwacke, deren Inneres ausgefüllt wird durch tertiären
thonigen Grünsand; auf diesen folgt eine diluviale Cong-
lomeratschicht, deren Bindemittel Eisenoxydhydrat ist, darauf
kommt eine 7—13 m starke diluviale Thonschicht, welche
wieder von Lehm, Sand und Kies überdeckt wird. Die
Thonschichten von M.-N. waren so undurchlässig und auch
der Abfluss der Abwässer ein so geringer, dass dadurch
das gesammte Grundwasser verdorben wurde, und die
Sterblichkeit hier die höchste überhaupt bekannte Ziffer
erreichte. Seit man nun eine Wasserleitung anlegte, welche
das Wasser anderwärts herbezog und die Stadt canalisirte,
fiel sofort die Sterblichkeitsziffer bedeutend. Auf der Karte
ist die Verbreitung der Formationen dargestellt.
Halle a. S. Luedecke.
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 67
Reidemeister, Prof. Dr. O., Mineralogische Notizen,
Jahresber. und Abhandlungen des naturwissenschaftlichen
Vereins in Magdeburg. 1887. 8. 71.
Verfasser weist nach, dass die sogenannten Pseudomor-
phosen von Kalkspath nach Gaylusit nicht Pseudomor-
phosen nach diesem Minerale sein können, wie dies auch
E. S. Dana in seiner Schrift über den Thinolit dargethan hat;
das Mineral, nach welchem der kohlensaure Kalk hier
pseudomorph ist, ist demnach noch unbekannt; die Fund-
stücke der Pseudomorphosen liess sich an Ort und Stelle
nicht mehr feststellen. Sodann bespricht er die Kupfer-
schiefergruben bei Obersdorf, die Gypsschlotten und endlich
erwähnt er ein neues Vorkommen von Wavellit — wohl
selten am Harze — vom Auersberg bei Stolberg.
Halle a. S. Luedecke.
Reidemeister, eine mineralogische Wanderung durch den
östlichen Harz. Jahresber. und Abhandlung des natur-
wissenschaftl. Vereins in Magdeburg. 1837. 8. 57.
Der Verfasser hat die Minerallagerstätten des öst-
lichen Harzes aufgesucht und die gemachten Funde auf-
gezählt; so hat er den Zinnober und das Amalgam im Silber-
bach bei Wieda, die Mangangruben bei Ilfeld, die Gruben
bei Stolberg, am Auersberg, an dessen güldenem Altar
„ein mir bekannter Steiger“ Goldkörnchen ausgewaschen
hat, besichtigt; auch Wolfsberg, Neudorf, Strassberg, Harz-
serode und Tilkerode, wo er auf den alten Halden wirk-
lich noch Selenverbindungen aufgefunden hat, besuchte er.
Derselbe, Mineralogische Notizen (aus Magdeburg) ebd.
Eine ganz interessante Aufzählung von Mineralien, welche
in denSammlungen der Herren Joh. Brunner, Gustav Schmidt,
O. Reidemeister und derG@uericke-Realschule aufgestellt wird;
allen Interessenten sei dieselbe bestens empfohlen; der Referent
kann aus eigenes Erfahrung mittheilen, dass selbst der Fach-
mann nicht unbefriedigt die mit grosser Liberalität ge-
zeigten Sammlungen verlassen wird.
Halle a. S. Luedecke.
J. G. Bornemann, Ueber den Buntsandstein in
Deutschland, seine Bedeutung für die Trias nebst Unter-
Hr
68 1. Sächsisch- Thüringische Literatur.
suchungen über Sand und Sandsteinbildungen im Allge-
meinen mit 3 Tafeln und 3 Abbildungen im Text. Jena,
Fischer.
Unser Verein hat als thüringisch - sächsischer die
Pflicht, Veröffentlichungen, welche das Vereinsgebiet be-
treffen, zu besprechen. Darum gehen wir an dieser
Stelle auf J. G. Bornemann’s Aufsatz im Jahrbuche der
geologischen Landesanstalt über den Muschelkalk und auf
die obige Schrift ein.
Der Verfasser theilt zwar in der letztgenannten Schrift
sehr beachtenswerthe Beobachtungen mit. Seine Wahr-
nehmungen über Sandsteinbildungen der Gegenwart bei
‚Piseinas auf Sardinien, seine Erfahrungen über die Zerstör-
ungskraft der brandenden Wellen, seine Untersuchungen
der Fährtenplatten von Harras bei Hildburghausen und
ihre Einzelheiten sind sehr lehrreich. Indess verknüpft er
diese Darstellungen mit Zusammenstellungen eigener und
fremder Angabe von sehr ungleichem Werthe, hat manche
der aufgenommenen Literaturangaben nicht richtig verstan-
den und gelangt so zu Trugschlüssen, die das Ergebniss
vieler mühsamer und gewissenhafter Beobachtungen über
die Lagerungsfolge unserer Flötzgebirgsglieder umstossen
sollen.
Halle a. S. v. Fritsch.
E. Dunker, Temperaturbeobachtungen im Bohrloch zu
Schladebach bei Merseburg.
Das tiefste Bohrloch der Erde, welches durch die
preussischen Bohringenieure bei Merseburg niedergebracht
worden ist, durchteuft das Diluvium, den Buntsand-
stein, den Zechstein, das Rothliegende, die Steinkohlenfor-
mation (jedoch ohne Kohle) und erreicht das Oberdevon.
Es hatte das Bohrloch auf 584 m Länge eine
Weite von 120 mm, auf 104m „ h
De Nodar. ;
nn ln »
5 „ 50 „ ,‚von1376 m an hatte es nur noch
die Weite von 48 mm.
I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 69
Aus den sehr sorfältigen Beobachtungen des Autors
folgt, dass für eine Zunahme der Tiefe von 35,7 m die
Wärmezunahme 1°C beträgt — also ein ganz ähnliches
Resultat wie es derselbe Autor bei dem bekannten Bohr-
loche von Sperenberg (hier stieg bei einer Tiefenzunahme
von 33,7 m die Wärme ebenfalls um 1°C) gefunden hat.
(N. Jahrbuch £. Mineralogie 1889 I S. 29.
Halle a. S. Luedecke.
C. G. Friderich, Naturgeschichte der deutschen
Vögel, einschliesslich der sämmtlichen Vogel-
arten Mitteleuropas. 4. Auflage. Stuttgart, Verlag
von Julius Hoffmann.
Hier liegt ein Buch vor, das wir unseren Mitgliedern, gerade
im Interesse der Kenntniss und Beobachtung des heimischen
Thierlebens — dringend empfehlen müssen. Die Firma ist ja
bekannt durch die Gediegenheit, mit der sie Bücher bringt,
welche strenge Wissenschaftlichkeit mit bester Popularisirung
zu gediegenemNutzen des Praktikers, Sammilers und Naturlieb-
habers verbinden; es sei nur an Berge’s Schmetterlinge, an
Calwer’sKäfererinnert. Wirhaben ebennichts Aehnliches und
alle Anleitungenfür die Jugend, für die Naturfreundeete. stelien
entweder Auszüge aus jenen dar oder lehnen sich doch in
irgend einer Weise daran an. Vollständigkeit für das
Studium der Heimath, so weit es nicht den speciellen
Zoologen vom Fach obliegt, wird doch nur in diesen in
ihrer Weise klassischen Werken geboten, die in unserem
Volke die allerweiteste Verbeitung verdienen. Friderich’s
Buch, das uns in den ersten vier Lieferungen vorliegt, ist
in dieser Neubearbeitung ausgezeichnet im Stande, die
vielen Bestrebungen zum Schutze der Vogelwelt, die sich
in dem gerade bei uns blühenden Vereine, in massenhaften
Artikeln der Tagespresse, in der Beschäftigung der Par-
lamente mit gesetzlicher Regelung etc. etc. kundgeben, zu
unterstützen oder, wenn wir so wollen, überhaupt zu fun-
diren. Jeder kundige weiss, wie rathlos er sehr vielen
Vögeln in der verschiedenen Tracht (nach Alter, Geschlecht
und Jahreszeit) als Anfänger gegenüberstand. Naturgemäss
hat er sich dabei zunächst an die lebhaftere Färbung der
Männchen zu halten und von ihnen aus dann, nach dem
70 I, Sächsisch- Thüringische Literatur.
Zusammenleben, Betragen etc. die unscheinbaren Jungen
und Weibchen kennen zu lernen. Aber das ist und bleibt
immer sehr schwierig, ohne einen genügenden Anhalt in
Abbildungen. Dieser wird zunächst hier auf das Treff-
lichste geboten. Jeder Lieferung (es sollen 24 erscheinen)
sind zwei Tafeln beigegeben mit etwa 7—10 farbigen
Vogelbildern, so dass im Ganzen über vier hundert zu er-
warten sind. Bei so starken Unterschieden in der Tracht
der Geschlechter, wie sie die Enten zeigen, sind auch
Pärchen abgebildet. Dass die Farben hier und da (z. B.
bei der Bartmeise) ein wenig grell ausfallen, ist einmal
ohne Aufwendung ausserordentlicher Mittel kaum zu um-
gehen, sodann aber durchaus kein Fehler. Einmal müssten
bei stärkerer Auflage manche Abzüge sonst zu matt aus-
fallen; und zweitens ist es gerade für den ersten Blick viel
besser, die Merkmale des Colorits fallen zu sehr in die
Augen als zu wenig. Von diesem Gesichtspunkte aus sind
die reizenden Tafeln nur lobenswerth. Naturgemäss ist die
Grösse reducirt, aber auf jeder Tafel gleichmässig, so dass
die Thiere, die sich auf einmal dem Auge darbieten, in
riehtigen gegenseitigen Verhältnissen sich zeigen. Selbst-
verständlich sind die grösseren, (von denen eine Tafel mit
Falken und eine mit Enten beigefügt sind) stärker verklei-
nert als die Sänger; eine einheitliche Reduction wäre
Unsinn.
Der Text verdient dieselbe Anerkennung. Bei der un-
heimlichen Synonymik, die leider das System der Vogel-
welt beherrscht, folgt bei jeder Art auf die Aufzählung der
anderen Namen die ganze Liste der wissenschaftlichen Be-
zeichnungen, was schliesslich ein unfangreiches Register
erfordern wird, um den vollen Nutzen zu bringen. Eben-
so wie diese speciell wissenschaftliche Finesse ist die aus-
führliche Beschreibung in kleinem Druck gegeben, das
Hauptgewicht der ganzen Schilderung aber auf die Biologie
gelegt. Geographische Verbreitung, Lebensweise, Betragen
während der Brutzeit, Liebesspiele, Brutgeschäft, Nestbau,
Nahrung, geistige Eigenthümlichkeiten, das sind die Punkte;
die mit Recht den meisten Raum einnehmen. Benehmen in
der Gefangenschaft, Ernährung, Fangmethode, Krankheiten,
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 71
alle diese Fragen werden ausführlich in Betracht gezogen,
die Heilung der Krankheiten soll einen besondern Abschnitt
erhalten. Der Gesang wird billigerweise möglichst ver deut-
licht, da sich die vorliegenden Lieferungen nur mit Sängern
abgeben. Die Schilderungen mögen sich etwa an Brehm’s Mus-
ter anlehnen, nur systematischerund auf die einheimischen be-
schränkt. Um von der Umfänglichkeit einen Begriff zu geben,
sei erwähnt, dass auf die Nachtigall, die den Anfang macht,
ein Bogen kommt, auf das Rothkehlehen weiterhin ein Viertel.
Format Gross-Oktav, etwa wie Brehm. Wie sehr auch die
seltneren Gäste berücksichtigt sind, zeigen nicht weniger
als acht fremde Drosselm, Turdus mollissimus, dauma,
obseurus, pallidus, ruficollis, fuseatus, Naumanni und sibiri-
cus, die sämmtlich beschrieben und von denen drei sogar
ıit abgebildet sind. Der Preis von 1 Mk. pro Lieferung
von 2 oder 3 Bogen und 2 bunten Tafeln muss angesichts
der Ausstattung als sehr niedrig bezeichnet werden. Möge
das Werk sich möglichst viel Eingang verschaffen zu Nutz
und Frommen der Vogelwelt und noch mehr der Naturliebe
und Naturkunde!
Gohlis - Leipzig. | Simroth.
Carl Russ, Das heimische Naturleben im
Kreislauf des Jahres. Ein Jahrbuch der Natur.
Berlin. R. Oppenheim. Lieferung 1; 0,80 Mk.
Ein eigenthümliches, vielseitigesUnternehmen, das fürjeder-
mann, derim Freien zu thunhat, ein Rathgeber werden will, für
Landwirthe, Gärtner, Landpastoren und -lehrer, Jäger und
Förster, Jagdliebhaber und Fischereiberechtigte, alle Na-
turfreunde schlechthin. Wasalles darin zu finden ist, zeigt
am besten eine Inhaltsübersicht dieser Lieferung, die auf
45 $. den Januar behandelt (die letzten 3 gehören dem
Februar). Thierleben, schlafend und wachend, Pflanzenleben,
Jagd, Forstwirthschaft, Fischfang, Fischzucht, Austern- und
Meermuschelfang, Landwirthschaft, Blumengärtnerei, Ge-
müsegarten, Obstgarten, Hausthiere, Stubenvögel, Bienen-
stand, Vogelschutz, Futterplätze, Gesundheitspflege, Haus-
wirthschaft, — germanisch-mythologische Beziehungen,
Tagesnamen, nach den Geburtstagen hervorragender For-
scher und Erfinder (1—14); soweit eine allgemeine Schil-
7) I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
derung. Dann ein zweiter Abschnitt ähnlicher Inhalts,
aber als Aufzählung der einschlägigen Species, nach ihrem
Verhalten geordnet; für die Praxis sind die Regeln zu-
Sammengestellt, die man sonst in einzelnen Handbüchern
zerstreut suchen muss (15—37). Der Schluss ist de? Him-
melskunde und Meteorologie gewidmet. Wir haben es also
mit einer Sammlung von Angaben zu thun, die bestimmt
erscheint, an Stelie vieler speciellen Rathgeber eine ge-
schlossene Uebersicht zu bieten und so, wie des Verfassers
viele bekannte Bücher, sich sicherlich eines guten Absatzes
erfreuen wird. Denn wer vieles bringt, wird allen etwas
bringen. Den Monaten entsprechend sind 12 Lieferungen be-
absichtigt.
Gohlis- Leipzig. Simroth.
R. Schröder, Unio Koesteri spec. nov. von Möckern
bei Magdeburg. Schriften des naturw. Vereins d. Harzes
Les IV. >>
Neue Muschel zu Ehren des Sanitätsrath Köster in
Naumburg benannt.
Petry, Arthur, Dr.. phil. Die Vegetationsverhält-
nisse des Kyffhäuser-Gebirges. Inaugural-Dissertation der
philosophischen Fakultät der vereinigten Friedrichs-Uni-
versität Halle - Wittenberg vorgelegt. Halle a. 5. 1889.
Verlag von Tausch & Grosse.
In einem einleitenden Abschnitte werden die Grenzen
des behandelten Gebietes besprochen. Das Kyffhäuser-Ge-
birge, zwischen 51° 22! und 51° 26! Br. sowie 10° 56! und
11° 13! L. gelegen, gehört fast ganz dem unterherrschaft-
lichen Theile des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt an
und bildet einen der nördlichsten von jenen Höhenzügen,
welche zwischen Harz und Thüringer Wald meist in west-
nordwestlicher Richtung verlaufen. Seine Grenzen sind auf
drei Seiten durchaus scharfe und wenn man die einen ge-
nau zu verfolgenden Grenzlinien zu Grunde legt, so ergiebt
sich ein Areal von 75,3 qkm. Nachdem der Aufbau des
Gebirges in geoznostischer Beziehung ete. erörtert ist, wird
in einem folgenden Abschnitte die floristische Literatur des
Kyffhäusergebirges erwähnt.
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 713
Die Zusammensetzung der Vegetation. Die im Gebiete
vorkommenden Arten werden aufgeführt und es ergeben
sich daraus 918 Arten Gefässpflanzen, wovon jedoch dem
Kytfhäuser-Gebirge selbst nur 359 zukommen.
Der Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der
Pflanzen wird eingehend und umfassend erörtert, sowohl
in Bezug auf die verschiedenen Formationen, wie auch in
chemischer und physikalischer Hinsicht. Es wird die be-
reits viel erörterte Frage geprüft, ob das chemische oder
das physikalische Verhalten des Bodens entscheidend für
das Vorkommen bestimmter Pflanzenarten sei. Die Salzflora
ist in dem in Rede stehenden Gebiet eine reiche, denn von
sämmtlichen in Mitteldeutschland vorkommenden Arten
fehlen blos sieben. Für Kalkpflanzen ist ein Verzeichniss
von 150 soleher Arten aufgestellt, die im Kyffhäuser-Ge-
birge nur auf Boden mit ansehnlichem Kalkgehalt vorkom-
men. In einem andern Verzeichnisse von 45 Arten werden
solche aufgeführt, die nur auf kalkarmem, kieselreichen
Boden auftreten.
Die pflanzengeographische Stellung der Kyffhäuser-
Flora, die verschiedenen Faktoren, wie Klima, Boden
u. 8. w., welche die Zusammensetzung der Flora bedingen,
werden dem Gebiete entsprechend erörtert und führen den
Verfasser unter anderem zu dem Ergebnisse, dass das Kyff-
häuser-Gebirge ausgezeichnet ist durch eine grosse Zahl
seltener Pflanzen überhaupt, dass ferner aber auch der
Grad der floristischen Verwandtschaft mit den einzelnen
Gebieten ausserordentlich verschieden ist, indem sehr viele
Arten dem Westen und namentlich Nordwesten Deutsch-
lands fehlen, während umgekehrt keines der verglichenen
Länder eine solche Uebereinstimmung zeigt wie das süd-
östlich gelegene Böhmen. — Den botanisirenden Besuchern
des Kyffhäuser-Gebirges bietet das Werk manche werth-
volle Anhaltspunkte, um so mehr, da jetzt unter den bota-
nischen Disciplinen diese Richtung etwas vernachlässigt wird.
Halle a. S. leer
Il. Allgemeine Literatur.
Ule, W., Die Tiefenverhältnisse der Masurischen Seen.
Berlin, A. W. Schade’s Buchdruckerei.
Die vorliegende Habilitationsschrift schliesst sich ihrer
Absicht nach der Arbeit des Verfahrens über die Mans-
felder Seen an; er versucht, auf Grund orographischer
und geologischer Forschungen ein Bild zu geben über
den jetzigen Bestand und die Bildung dieser auch land-
schaftlich schönen Seen. Er schliesst:
„Die grossen orographischen Züge des Landes sind
wahrscheinlich durch die jüngstzeitlichen tektonischen Vor-
gänge in der Erdkruste hervorgebracht worden; unabhängig
davon haben dann die von N. vordrängenden Gletscher
durch Aufschüttung und Ausräumung die grossen Boden-
senken des Landes geschaffen, allmählig erweitert und ver-
tieit; vorwiegend aber hat die erodirende Kraft der Schmelz-
wässer, welche in verhältnissmässig geringen Massen, doch
während langer Zeit in häufig wechselnden Strombetten zur
Wirkung kamen, dem Boden die jetzige Gestalt gegeben,
wobei die liegengebliebenen Eisschollen und das wahr-
scheinlich noch in dem Gletscher eingegrabene Gesteins-
material zur Vervielfältigung der Oberflächenformen bei-
trug, und ausserdem auch einige durch grössere Neigung
des Bodens entstehende Wasserfälle in die sonst ebene
Thalung tiefere Löcher eingruben.“
Halle a. S. Luedecke.
II. Allgemeine Literatur, 75
Die Projeetionskunst für Schulen, Familien und
öffentliche Vorstellungen, nebst einer Anleitung zum
Malen auf Glas und Beschreibung optischer, magnetischer,
chemischer und electrischer Versuche. IX. vermehrte
Aufiage mit 119 Abbildungen, Düsseldorf, Ed. Liesegang’s
Verlag 1889.
Allen, welche sich für das Projieiren von Bildern, Ex-
perimenten ete. interessiren, können wir vorliegendes Bü-
chelchen empfehlen; dass dasselbe im Publikum Anklang
gefunden hat, ergiebt sich von selbst, da es bereits die
neunte Auflage erlebt. Der Verfasser bespricht in sach-
semässer Weise das practische Verfahren in verschiedenen
Fällen, ohne sich auf irgend welche theoretische Deduetionen
einzulassen. Er ordnet den Stoff in folgende Kapitel: 1.
die verschiedenen Lichtquellen, 2. das optische System des
Apparates, 3. Laternen mit Oelbeleuchtung, 4. Sciopticon,
5. Kalklieht, 6. Wasserstoffbereitung dazu, 7. das Kalk-
licht im Seiopticon, 8. die Projectionsbilder, 9. Malen von
Glasbildern mit Wasserfarben, 10. dasselbe mit Diaphan-
farben, 11. Experimente physikalischer und chemischer
Natur im Apparat gezeigt, 12. Ueber den dabei gehaltenen
Vortrag. Einer besonderen Empfehlung bedarf das zweck-
mässig ausgestattete Buch nicht.
Halle a. S. Euledecke.
Katzer, Geologie Böhmens. 2. Abtheilung (Bogen
21—41). Prag. Verlag von Isidor Taussig.
Auf die erste Abtheilung dieser verdienstvollen Zu-
sammenstellung der Geologie Böhmens haben wir bereits
hingewiesen (diese Zeitschrift Bd. 62 S. 366). In dieser
zweiten Abtheilung wird noch das krystallinische Gebirge
behandelt und zwar zuerst das eigentliche Erzgebirge; er
theilt dieses archaeische Schiefergebirge in folgende Ab-
theilungen ein: 1. Granulit, 2. Hauptgneiss, 3. Glimmer-
schiefergneiss und dichten Gneiss, 4. Muscovitgneiss, 5-
Glimmerschisfer, 6. Plattener, Taubenfelser, Goldenhöbler
Hornblendeschiefer und Phyllit, 7. Lauterbacher Serieit-
schiefer, 3. Dachschiefer von Kirchberg. Nach Laube ge-
76 II. Allgemeine Literatur.
hören 1 und 2 der bojischen Gneissformation Gümbels, 3
und 4 der hercynischen Gneissformation an, 5. gehört der
Glimmerschieferformation und die übrigen der Phyllitfor-
mation an. Daran schliesst er die Betrachtung ähnlicher
Formationen im Lausitzer und Ieschkengebirge, im Iser-
gebirge, Riesengebirge, Adlergebirge, Eisengebirge, Saarer
Gebirge und im mittelböhmischen Urschiefergebirge.
Ueberall folst in den einzelnen Kapiteln, auf eine
Schilderung der allgemeinen orographischen Verhältnisse,
eine genaue Beschreibung der einzelnen Formationsglieder,
deren Bestandmassen und der Erzführung; daran schliessen
sich Schilderung von z. Th. Originalprofilen (mittelböh-
mischen Urschiefergebirge) und Lagerungsverhältnissen, zu
deren Illustration eine grosse Anzahl von Karten und Pro-
filen reprodueirt werden.
Die Schilderung des mittelböhmischen Urschiefergebirges
stützt sich zum grossen Theil auf Forschungen, welche
der Autor hier selbstständig durchgeführt hat und welche
z. Th. hier zum ersten Male gegeben werden.
Das anfangs auf 40 Bogen veranschlagte Werk dehnt
sich weiter aus und wird die letzte Abtheilung im Som-
mer dieses Jahres erscheinen. Möchte das gutausge-
stattete Werk recht bald vollständig vor uns liegen.
Halle a. S. Luedecke.
G. Steinmann und L. Doederlein, Elemente der
Paleeontologie. Mit 1030 Figuren im Text. 843 pp. Leip-
zis 1390. Engelmann.
Das vorliegende Werk sollte eine „kurze Zusammen-
fassung des Wissenswerthen aus dem Gesammtgebiete der
Versteinerungskunde“ geben, etwa wie Credner’s vortreff-
liche Elemente der Geologie. Im Laufe des Fortschreitens
haben die Verfasser jedoch den Plan geändert: sie haben
die Phytopalaeontologie ganz bei Seite gelassen, weil un-
terdessen zwei Werke erschienen sind, welche dieses Ge-
biet behandeln (Solms - Laubach, Einleitung in die Palaeo-
phylologie, vergl. diese Zeitschrift Bd. 60 S. 491, und
Schenk, Phytopalaeontologie). Trotzdem umfasst das Werk
53 Bogen, obgleich aus der ungeheuren Masse von Stoff
II. Allgemeine Literatur. 77T
nur das absolut Nothwendigste ausgewählt worden ist.
Nach einer Einleitung, in welcher die Begrenzung und
die Ziele der Palaeontologie dargelegt werden, die Un-
vollständigkeit der überlieferten Reste auseinandergesetzt,
der Erhaltungs-Zustand der thierischen und pflanzlichen
Fossilien besprochen, das Alter und Vorkommen geschildert
wird, und endlich syncehronistische Tabellen gegeben wer-
den, geht der Verfasser zur Eintheilung des Stoffes über.
Er theilt den Stoff in 10 Kreise: I. Protozoa, II. Spongia,
III. Coelenterata, IV. Vermes, V. Echinodermata, VI. Mollus-
coidea, VII. Mollusca, VIII. Arthropoda, IX. Tunrieata,
X. Vertebrata.
Bei jedem einzelnen Kreise wird zuerst eine allge-
meine Beschreibung mit guten Abbildungen gegeben, die
für Beschreibung der einzelnen Dinge nothwendigen Fach-
ausdrücke erklärt und eine Eintheilung in den betreffenden
Unterordnungen gegeben. Bei letzteren finden wir eine
Aufzählung der vorhandenen Literatur.
Bei den Wirbellssen ist im Allgemeinen von stammes-
geschichtlichen Beziehungen abgesehen, nur bei den Ce-
phalopoden ist eine solche gegeben; dagegen ist dieselbe
bei den Wirbelthieren in den Vordergrund geschoben; be-
sonders in Betracht gezogen sind deswegen auch die reich-
haltigen amerikanischen Forschungen über diesen Gegenstand,
Die Beschreibungen sind durch eine grosse Reihe vor-
züglicher von K. Scharfenberger in Strassburg ausgeführter
Holzschnitte (z. Th. Originale) erläutert.
Umfasst das Buch auch nicht die gesammte Palaeonto-
logie, so dürfte es wohl gegenwärtig dasjenige von den
vorhandenen Lehrbüchern sein, welches sich am besten zum
Zwecke des Selbststudiums eignet, indem es die rechte
Mitte hält zwischen dem voluminösen Zittel und dem allzu
kurzen Haas; allen Studirenden und sonstigen Freunden der
fossilen Thierwelt sei das vorzüglich ausgestattete Buch
bestens empfohlen.
Halle a. S. Luedecke.
Potonie, H. D. Die systematische Zugehörigkeit der ver-
steinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxylon) in den pa-
78 II. Allgemeine Literatur.
läolithischen Formationen. Mit 1 Tafel. Separat-Abdruck
aus der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“. Allge-
meinverständliche naturwissenschaftliche Abhandlungen.
Heft 7. Berlin 1889. Verlag von HermannRiemann.
Früher glaubte man, erörtert Verfasser, dass die häufig
als Steinkerne vorkommenden, jetzt als Markkörper von
Cordaiten-Stämmen erkannten Artisien ganzen Stamm-
stüicken entsprächen und hielt demgemäss ihre die Ober-
fläche charakterisirenden und in Wirklichkeit also den
Markdiaphragmen entsprechenden Querfurchen für die An-
heftungsstellen von Blättern. Auch die Tylodendron-Petre-
fakten sind nun — wie Verfasser an verkieselten, also
mikroskopisch untersuchten Stücken nachgewiesen hat —
keineswegs, wie bisher angenommen wurde, ganze, resp,
entrindete Stammstücke, sondern ebenfalls nur Markkörper,
die jedoch nach allem, wodurch sie sich auszeichnen, auf
ihre systematische Zugehörigkeit zu den Araukarien also
auf echte Koniferen weisen.
Verfasser glaubt nachgewiesen zu haben, dass uns die
bisherigen Kenntnisse bis auf weiteres zu der Annahme
nöthigen, dass die Wälder der Schichten, in denen Tyloden-
dron bis jetzt gefunden worden ist: also der oberen Stein-
kohlenformation und des Perm, in der That von Arau-
karien-ähnlichen, quirlig verzweigten Koniferen geschmückt
wurden. — Nach den Ausführungen des Verfassers hätten
wir die beiden Gymnospermen- Gattungen:
1. Cordaites.
Holz=Araucaroxylon v. TypusA. Brandlingii (-Cordaioxylon).
Mark=Artisia.
Belaubung=Blätter von Monoeotylen-Typus, für welche der
Name Cordaites ursprünglich allein geschaffen war.
2. Araucarites.
Holz=Araucarioxylon vom Typus A. Rhodeanus.
Mark= (soweit dasselbe besonders gross ist und sich erhal-
ten zeigt) Tylodendron.
Belaubung=Walchia?
Halle a. S. Heyer.
H.J. Kolbe, Einführungin d. Kenntniss d. Insekten.
Berlin. Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung.
II. Allgemeine Literatur. 79
DasBuchsollnacheinander berücksichtigen :die Anlehnung
an die übrige Thierwelt, die Uebersicht über die äussere und
innere Beschaffenheit des Körpers, die Lebensverhältnisse,
den Einfluss der umgebenden Natur, die Entwickelung, die
geographische Verbreitung, die Lebensbedingungen (wie sind
diese von den Lebensverhältnissen und dem Einfluss der
umgebenden Natur zu trennen?), Geistesleben, Krankheiten,
Nutzen und Schaden; Uebersicht über die Literatur, prak-
tische Winke für die Bestimmung, Aufbewahrung der Kerfe,
für die Herstellung von anatomischen Präparaten; berech-
net ist es auf 6—8 Lieferungen & 1Mk. Die beiden ersten
Lieferungen setzen mit der Zelllehre ein; es folgt Einthei-
lung der Thiere, Eintheilung der Arthropoden. Die Beschrei-
bung des Körperbaues beginnt mit der Haut und beschäf-
tigt sich namentlich mit den Schuppenbildungen und Secre-
ten; dann wird ausführlich die Färbung besprochen, Farb-
stoffe, Einfluss der atmosphärischen Feuchtigkeit, der Tem-
peratur, des Lichtes, der Nahrung; Melanismus, Albinismus,
die farbigen Zeichnungen etc. Der Verfasser schwankt
wohl etwas hin und her betrefis des Grades von Populari-
sirung, mit der er seine Stoffe behandeln soll. Das ist ja
eine schwierige Frage. Aber man braucht doch deshalb
noch nicht Zellflüssigkeit für Protoplasma mit seiner Gerüst-
struktur zu setzen, wenn man nachher z.B. bei den Farb-
stoffen alle die chemischen Ausdrücke anwendet, die
Krukenberg eingeführt hat. Man sollte nicht zu ängstlich
sein darin. Indess wer auch mit der Art der Darstellung
nicht immer ganz einverstanden sein sollte, wird doch die
grosse Solidität, mit der alles Neue und und Interessante
auf dem so wichtigen Gebiete der Färbung zusammenge-
bracht ist, in hohem Masse anerkennen müssen. Er findet
hier eine Summe der wichtigsten Einzelbeobachtungen, die er
sich selber nicht leicht aus der weit zerstreuten Literatur
zusammenholen könnte. Und zum genaueren Studium ist
die Literatur gewissenhaft verzeichnet. Die Schätze des
Berliner Museums sind herangezogen. Namentlich der
ersten Lieferung sind eine Menge von Holzschnitten mit-
gegeben, manche im Lapidarstyl gehalten.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
110) II. Allgemeine Literatur.
—_
Dr. Robert Wittmann, Die Bakterien und die Art
ihrer Untersuchung. Allgemein-verständl. naturw. Ab-
handlungen. Heft 6. 1 Mark.
Dieser Abdruck aus der naturw. Wochenschrift (mit 8
Holzschnitten) ist jedenfalls ein sehr guter Griff. Das erste
Kapitel giebt eine Uebersicht über die Formen und Lebens-
bedingungen der Bakterien, Abiogenesis und einschlägige
Fragen, das zweite längere behandelt die Untersuchungs-
methoden, die Züchtung auf verschiedenen Nährböden, die
Prüfung von Luft, Wasser und Boden. Die einfachen
klaren Abbildungen erleichtern das Verständniss ungemein
Es könnte kaum ein zeitgemässeres Thema gewählt und
klarer behandelt werden.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
Dr 32 6 Mrancke, Die Kreuwzotter Natuuer
schichteund Fangderselben. MitbesondererBe-
rücksichtigungder Bisswunden-Behandlung, ge-
mein-verständlichdargestellt. Dresden. Hofverlag
R. von Grumbkow.
Trotz der früheren Lenz’schen Bemühungen hat
die Kreuzotter höchstens in Thüringen abgenommen,
Unglücksfälle sind noch häufig genug. Die Behörden
haben sich neuerlich verschiedentlich veranlasst ge-
sehen, Fangprämien zu zahlen, um die Vertilgung des
fürchterlichsten Thieres, das wir in Deutschland haben,
möglichst zu befördern. Diese Bestrebungen will das vor-
liegende Werkchen unterstützen. Es ist dazu vortrefflich
geeignet. Die Darstellung ist klar und deutlich und wird
durch die guten Abbildungen, namentlich zwei der farbigen
von Lenz, wesentlich gefördert. Neben der Ringelnatter
hätte wohl auch die Haselnatter einen Holzschnitt verdient,
doch sind die Beschreibungen auch hinreichend. Möchten
die Kreise, an die sich das Büchlein wendet, Gemeindebe-
hörden, Lehrer u. s. w., es nicht unbeachtet lassen. Wer
irgendwie der Frage praktisch näher treten will, findet
gute und reiche Belehrung.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
II. Allgemeine Literatur. 81
Sehumann, K. Dr., Kustos am Königl. botanischen
Museum in Berlin. Die Ameisenpflanzen. Mit einer Tafel.
Heft 83 der Sammlung gemeinverständlicher wissenschaft-
licher Vorträge, begründet von Rud. Virchow und Fr.
von Holtzendorf, herausgegeben von Rud. Virchow,
Hamburg. Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J.
F. Richter) 1889.
Es ist schon länger bekannt, dass Ameisen für Bäume
insofern nützlich sein können, dass sie diese vor Raupen
schützen, während die Bäume von den Ameisen fleissig
besucht oder auch bewohnt werden. Es besteht hier also
ein Zusammenleben, welches für die Existenz beider Theile
vortheilhaft ist. Man hat aber Pflanzen entdeckt, bei wel-
chen dieses Zusammenleben eine hohe Ausbildung erlangt
hat, so. dass man bei diesen zu der Ansicht gelangt ist,
sie hätten sich den sie bewohnenden Ameisen angepasst.
In Mittelamerika werden die hohlen Stammglieder der
Ceeropien von drei verschiedenen Ameisenarten bewohnt,
im Süden von Brasilien wird in den Bäumen nur eine ein-
zige Art, die Azteca instabilis Sm., gefunden. Kommt man
dem Baume mit Vorsicht nahe, so sieht man die Thierchen
auf dem Stamme und auf den Blättern emsig umherlaufen,
eine besonders grosse Zahl macht sich aber nicht gerade
auffällig bemerkbar. Ganz anders aber wird das Bild,
wenn der Stamm unsanft berührt, oder gar umgeschlagen
wird. Dann stürzen aus allen Oeffnungen ungemessene
Sehaaren in grösster Wuth heraus und werfen sich auf den
Friedensstörer, den sie höchst empfindlich durch äusserst
schmerzhafte Bisse zu belästigen wissen.
Zur Besiedelung junger Pflanzen dringt ein trächtiges
Weibchen bis zu einer bestimmten Stelle vor, durchbeisst
diese und dringt dann in das Innere des hohlen Stamm-
stückes ein, wo es seine Eier ablegt. Die durchbissene
Stelle verwächst wieder, d. h. es bilden sich Wucherungen
und besonders reichlich nach innen, die hier blumenkohl-
ähnliche Gestalt annehmen und die der eingesperrten Ge-
fangenen hinreichend Nahrung bieten. Nachdem die
Ameisen ausgeschlüpft und herangewachsen sind, durch-
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIIT. 1890. 6
82 II. Allgemeine Literatur,
brechen sie diese Stelle, um in’s Freie zu gelangen. In
einem andern Falle hat man beohachtet, dass Ameisen die
von ihnen bewohnten Bäume vor Insekten schützen,
welche die Blätter zerstören und in noch einem andern
nimmt man an, dass die bewohnte Pflanze sogar Gebilde
hervorbringt, welche den Ameisen als Nahrung dienen, so
dass diese auf der bewohnten Pflanze sesshaft gemacht
werden. — Das Werkchen behandelt den Gegenstand in
gemeinverständlicher Weise.
Halle a. S. Heyer.
Kny, L., Ueber Laubfärbungen. Mit 7 Holzschnitten.
Sonderabdruck aus der „Naturwissenschaftlichen Wochen-
schrift“. Berlin 1889. Verlag von Ferd. Dümnler.
In dem 23 Seiten starken Werkchen werden die
verschiedenen Faktoren besprochen, welche die verschiedene
Färbung des Laubes veranlassen. Das Grün des in den
Blättern vorhandenen Chlorophylis kann eine Abschwächung
durch die Beschaffenheit der Epidermis erleiden, was
z.B. bei älteren Blättern vorkommt. Es kann auch ganz ver-
deekt werden, wenn sich unter der Epidermis Hohlräume
befinden, welche das Licht spiegeln, so dass diese Stellen
weiss oder anders gefärbt erscheinen. Andere Färbungen
werden hervorgebracht durch das Zurücktreten oder das
Fehlen des Chlorophylis, duch Ueberdeckung desselben von
einem andern Farbstoffe, durch Umwandlung des Chloro-
phylis wie bei der herbstlichen Färbung der Blätter, durch
eigenthümliche Beschaffenheit der Blattoberfläche oder der Epi-
dermis, welche verschiedene Lichtwirkungen hervorbringt,
durch Behaarung ete. — Das Werkchen behandelt den Gegen-
stand nach den verschiedenen Richtungen hin sehr eingehend.
Halle a. S. Heyer.
M. Mohler, Secretary, Topeka Kansas. Report of the
Kansas State Board of Agriculture, for the quarter
meeting November 31. 1859. Containing population and
area of field crops, population by counties.and eities,
crops and live-stock statistics. Together with report of the
state sugar inspector, papers on miscellaneous subjects,
meteorologieal information, etc. Topeka 18%.
1I. Allgemeine Literatur. 83
Ausser den verschiedenen statistischen Mittheilungen
über die Zunahme der Bevölkerung etc. wird über die Zu-
nahme und Weiterentwickelung des Ackerbaues in Kansas
berichtet. In diesem Staate giebt es noch ausgedehnte
Ebenen, welche aber theilweise der regenarmen Zone an-
sehören, wo der Ackerbau schwierig ist. Man ist aber
trotzdem bestrebt, mit der Kultur immer weiter nach
Westen vorzudringen. Der Bericht enthält ferner einige
wissenschaftliche auf Ackerbau Bezug habende Abhand-
lungen. So über Brandpilze auf Gerste und Hafer. Ueber
die Zucker-Industrie. Neben der Zuckermoorhirse hat man
es auch mit der Zuckerrübe versucht. Zu diesem Zwecke
hat man sich einen Zuckerrübentechniker aus Deutschland
kommen lassen, der auch Samen mitgebracht hat und den
Anbau der Rüben leitet. Eine andere Abhandlung berichtet
über Mästungsversuche, die an der landwirthschaftlichen
Akademie in Manhattan mit Schweinen und mit verschie-
denen Futtermitteln angestellt wurden. Die dazu verwen-
deten Thiere wurden später geschlachtet und genau nach
ihrem Fett- und Fleischansatze etc. untersucht. Auch die
verschiedene Festigkeit der Knochen wurde ermittelt. Die
Versuche wurden übrigens ganz zu Ende geführt, denn das
Fleisch der verschiedenen Versuchsthiere wurde auch in
verschiedener Weise zubereitet probeweise gegessen.
Halle a. 8. Dr. Heyer.
Goppelsdorfer, Friedrich, Prof. Dr., Ueber Capil-
lar-Analyse und ihre verschiedenen Anwendungen sowie
über das Emporsteigen der Farbstoffe in den Pflanzen.
Separat -Abdruck aus den Mittheilungen der Section für
chemische Gewerbe des K. K. technischen Gewerbe-Muse-
ums. Hierzu von demselben Verfasser:
Beilagen zu der vorstehend genannten Arbeit: Ueber
Capillar-Analyse etc. Gewidmet dem Naturwissenschaft-
lichen Vereine zu Mühlhausen i. E. Mühlhausen i. E.
Verlag von Wenz und Peters. 1889.
Der Verfasser hat sich schon seit dem Jahre 1861 mit
Capillaritäts-Erscheinungen beschäftigt und hat in dieser
Richtung ausgedehnte Untersuchungen mit Farbstoffen an-
6*
84 II. Allgsmeine Literatur
gestellt. Angeregt wurde er durch Schönbein’s Versuche,
welche gezeigt hatten, dass mit wenigen Ausnahmen das
Wasser den in ihm gelösten Substanzen auf capillarem
Wege mehr oder weniger schnell vorauseilt. Ausserdem
hatten sie bewiesen, dass die verschiedenen in Wasser ge-
lösten Körper ein ungleich grosses Wanderungsvermögen
in porösen Medien, wie z. B. in ungeleimtem Papier,
besitzen.
Verfasser fing nun damit an, Streifen von weissem
schwedischem Filtrirpapier in die wässrigen, alkoholischen,
ätherischen oder sonstigen Lösungen der Farbstoffe und
ihrer Gemische, bei gewöhnlicher Temperatur, einige Milli-
meter weit hinein zu hängen. Gleich Anfaugs fiel die
grosse Wanderungsfäbigkeit der Pikrinsäure auf, welche
überall an der die andern Farbstoffe überragenden gelben
Zone zu erkennen war. Taucht man einen Filtrirpapier-
streifen in eine mit einem CUnreumafarbstoffe vermischte
Pikrinsäurelösung, so steigt jeder Farbstoff für sich in die
Höhe. Es entstehen drei Zonen, eine obere, nur Wasser
enthaltende, eine mittlere, welche die Pikrinsäure enthält
und eine dritte untere von curcumagelbem Aussehen. Die
beiden Farbstoffe sind durch diese Capillarität wirklich ge-
trennt, denn wenn man den Streifen in verdünnte Kali-
lösung taucht, so verschwindet die Pikrinsäureschicht,
während die Cureumaschicht gebräunt wird. Ganz genau
sind die Farbstoffe hierbei allerdings nicht getrennt, denn
wenn man die unterste curcumagelbe Schicht abschneidet,
in Alkohol aufiöst und dann ein neues Papier wie vorher
eintaucht, so entstehen wieder drei Zonen, oben ist Alkohol,
unten Cureumafarbstoff und in der Mitte schwach Pikrin-
säure Aehnlich verhält es sich mit anderen Mischungen.
Beim Wiederauflösen der einzelnen Zonen und beim Wie-
derholen des Capillarversuches kann man schliesslich die
einzelnen Farbstoffe scharf von einander trennen und dann
auf jeden einzeinen die bekannten physikalischen und che-
mischen Reactionen anstellen. Aus diesem Grunde hat.
Verfasser diesem Verfahren die Bezeichnung „Capillarana-
lyse“ beigelegt.
II. Allgemeine Literatur. 35
Die Vorrichtung zum Eintauchen der Papierstreifen
besteht aus einem verstellbaren Stativ, an welchem ein
Glasstab horizontal angebracht ist. An diesen werden die
Papierstreifen oben mit Klammern, wie sie zum Aufhängen
der Wäsche gebraucht werden, befestigt, während ihr
unteres Ende in die zu analysirende Flüssigkeit taucht.
Da freie Säuren und Basen in wässrigen Lösungen
ein verschiedenes Capillarverhalten zeigen, so können die
Capillarpapierstreifen auch bei der anorganischen Analyse
verwendet werden. Ausser den längst bekannten Erkenn-
uugsmitteln für Säuren und Basen können auch die in
neuerer Zeit aufgefundenen Reagentien benutzt werden,
indem man z. B. präparirte Papierstreifen verwendet.
In der organischen und besonders in der Farbenchemie
kann die Capillaranalyse ebenfalls Anwendung finden. So
geben die Lösungen der Alkaloide und ihrer Salze ziemlieh
hoch gelegene Zonen. Die des Strychnins giebt mit con-
centrirter Schwefelsäure und etwas Kalium bichromat eine
prachtvoll violettblaue, die des Brucins beim Betupfen eine
schöne rothe Färbung ete. Ganz besonders eignet sich
aber die Capillaranalyse für die Untersuchung der Farb-
stoffe, für die Prüfung derselben auf ihre Reinheit und für
die Untersuchung selbst complieirter Farbstoffgemische.
Wie gross die Empfindlichkeit der Capillaranalyse ist, geht
aus verschiedenen Versuchen hervor. In einem Falle wurde
eine Lösung hergestellt, welche in einem Liter nur
0,000,04687 g Diamantfuchsin enthielt. Es wurden davon
in 5 Trinkgläser je 40 em? gefüllt und in diese Streifen
von Filtrirpapier, Baumwollenzeug, Leinenzeug, Woilzeug
und Seidenzeug einige Millimeter tief eingetaucht. Das
Aufsteigen des Farbstoffes in diesen Stoffen ergab Zonen
in der Höhe von 4,5 cm beim Papier, im Seidenstreifen
von 5,7; im Leinenstreifen von 3,8; im Wollstreifen von
3,5 em hohe, während im Baumwollenzeuge nur ein schwach
rosenrotber, ungefähr ebenso hoher Schein zu bemerken
war. Andere Versuche mit noch verdünnteren Lösungen
gaben ähnliche Resultate.
Die Capillaranalyse konnte auch in der. hygienischen,
der sanitätspolizeilichen und der gerichtiichen Chemie an-
86 li. Allgemeine Literatur.
gewendet werden. So wurden z. B. bei Bier und Wein
Fälschungen nachgewiesen. In der pathologischen Chemie
wurde die Capillaranalyse ebenfalls angewendet. So bei
der Untersuchung der Galle und des llarnes.
Schliesslich wird dem Vorkommen von Farbstoffen in
Pflanzen eine grosse Aufmerksamkeit zugewendet. Durch
die Capillaranalyse ist es möglich, die in den Pflanzen vor-
kommenden einzelnen Farbstoffe zu isoliren. Aus den be-
treffenden zerkleinerten Pflanzentheilen werden die Farb-
stoffe mit passenden Lösungen ausgezogen und dann mit
Papierstreifen analysirtt. In einem weiteren Abschnitte
werden Ergebnisse aus den Untersuchungen über das Em-
porsteigen von Farbstoffen in den Pflanzen mitgetheilt
Dieseiben haben ergeben, dass die geprüften Farbstoffe
sich hinsichtlich ihres Emporsteigens in den Pflanzen sehr,
verschieden verhalten.
In den „Beilagen“ sind die Ergebnisse aus den Ca-
pillaranalysen von 67 Pflanzenarten mitgetheilt. Die Un-
tersuchung nach dem Vorkommen von Farbstoffen erstreckte
sich auf Wurzel, Stengel, Blätter, Knospen und Blütben
Dann folgen Mittheilungen über das Vorkommen von Farb-
stoffen in den Wurzeln von 24 verschiedenen Pflanzenarten.
Schliesslich folgt die Aufzählung der Farbenveränderungen,
welche die alkoholischen Auszüge der verschiedenartigsten
Organe von 220 Pflanzeuarten durch Zusatz von Ammoniak,
Aetzkalilösung, Salzsäure und Schwefelsäure erlitten. Den
Schluss bilden Untersuchungsergebnisse über die Steighöhe
von Farbstoffen in Baumwolle, Seide, ete. — Auf die zahl-
reichen Untersuchungen näher einzugehen, würde hier zu
weit führen; es muss deshalh auf das Original ver-
wiesen werden.
Halle a. S.
Loew, E. Prof. Dr., Anleitung zu blüthenbiologischen
Beobacktungen. Separat-Abdruck aus der „Naturwissen-
schaftlichen Wochenschrift”. Allgemein verständliche natur-
wissenschaftliehe Abhandlungen. Heft 4. Berlin 1889.
Verlag von Hermann Riemann.
Ueber die mannigfaltigen Beziehungen der Insekten zu
den Blumen sind von verschiedenen Forschern, wie H,
Heyer.
II. Allgemeine Literatur. 87
Müller, Darwin, Sprengel, Hildebrand u. a. einge-
hende Untersuchungen angestellt worden. Es muss dabei
vielerlei Beachtung finden. Manche Insektenarten vermitteln
die Befruchtung der Pflanzen, indem sie den Blüthenstaub
von einer auf die andere übertragen; bei andern Insekten-
arten ist dies nicht der Fall. Wenn man derartige Be-
ziehungen für eine Pflanzenart ermitteln will, so müssen
deren Blüthen zunächst studirt werden; ihre Form und die
ihrer einzelnen Theile etc. Dann werden die verschiedenen
Insektenarten beobachtet, welche die Blumen besuchen.
Wesentlich sind ferner die Form und die Grösse der Or-
gane der Besucher u. s. w. Das vorliegende Heft erläu-
tert in dieser Beziehung alle wesentlichen Momente, so dass
es bei der Anstellung von blüthenbiologischen Beobach-
tungen als Leitfaden dienen kann.
Halle a. S. Dr. Heyer.
Lehrbuch für den Unterricht in der Botanik für Gym-
nasien, Realgymnasien und andere höhere Lehranstalten
bearbeitet von Dr. M. Krass, Kgl. Seminardireetor und
Dr. Landois, Prof. d. Zoologie. Zweite verbesserte Auf-
lage. Freiburg im Breisgau 1890. Herdersche Verlags-
buchhandlung.
Vorliegendes Werk stimmt in seiner Anlage überein
mit einem Werke derselben Verfasser: Das Pflanzenreich
in Wort und Bild für den Schulunterricht. Da ich letzteres
in Band XI unserer Zeitschrift pag. 470 näher besprochen
habe, genügtes, die wichtigsten Punkte zu erwähnen. Die
Systematik steht im Vordergrunde und nimmt mit einer
sehr ausführlichen und instructiven Beschreibung und mit
zahlreichen analytischen Zeichnungen der wichtigsten
Pflanzen aus den einzelnen Familien den grössten Theil des
Buches ein. Technische und biologische Bemerkungen
tragen zur Lebendigkeit der Darstellung bei. Die anato-
mischen und physiologischen Thatsachen sind allerdings et-
was willkürlich in die Beschreibung bestimmter Pflanzen
eingefügt. Dem systematischen Theil folgen eine Anzahl
kleinerer Kapitel, von denen eine kurze Pflanzengeographie,
eine Geschichte der Botanik und Bestimmungstabellen nach
dem Linne’schen System besonders hervorgehoben sein mögen.
Schober.
Neu erschienene Werke.
AH FETT
Allgemeines,
Mathematik, Meteorologie, Physik ete.
Ball, Rbt. S. Theoretische Mechanik starrer Systeme.
Herausgegeben von H. Gravelius. Mit 2 Tafeln. Berlin
1889. G. Reimer.
Bischof, Ign. Ueber das Geöid. Mit 1 Fig.-Taf.
München 1839. Kaiser.
Buchheister. Ueber das Bergsteigen. Ebd.
Bühler. 2 Materien mit 3 Fundamental - Gesetzen,
Stuttgart, Kohlhammer.
Cayley, A. Collected matbematical Papers. Vol,
I and IH. 4° London 1889 u. 18%.
Dirichlets, G. Lej., Werke. Herausgegeben auf Ver-
anlassung der königl. preussischen Akademie der Wissen-
schaften von L. Kronecker (2 Bde.). I. Bd. Mit Bildn. in
Photogr. Berlin 1889 G. Reimer.
Dreyer-Berlin, R. v. Mayer über die Erhaltung der
Energie 1389. Berlin, Gebr. Paetel.
Ferrei, W. A. Popular Treatise on the Winds. Lon-
don 1889.
Fritz, Hm. Die wichtigsten periodischen Er-
scheinungen der Meteorologie und Kosmologie. (Aus:
„Internationale wissenschaftliche Bibliothek.“) Mit 10 Ab-
bildungen u. 1 Tafel. 8%. Leipzig 1889, Brockhaus.
Gore, J. EE The Scenery of the Heavens. 8°.
312 pp. London 1890.
Grützmacher. Vorsteher der Wetterwarte der Magde-
burgischen Zeitung. Ueber die mittlere Jahres-Temperatur
von M. und die Unveränderlichkeit der mittleren Temperatur
der Erdoberfläche im Allgemeinen, während der letzten
Neu erschienene Werke. 89
2 Jahrtausende, Jahresbericht und Abhandlungen des
naturw. Vereins in Magdeburg. 1887.
Guillemin, A. Le Magnetisme et l’electrieite.
I. Phenomenes magnetiques et eleetriques. VIII, 272 pp.
18%. Paris 1839.
*=y, Helmholtz. Handbuch der physiolog. Optik. L. Vos,
Leipzig.
*Helmholtz, R. v. Licht und Wärme-Strahlung ver-
brennender Gase. Gekrönte Preisschrift. Berlin. Leopold
Simion 1890.
Hertzer. Die Bewölkung des Brockens als Grundlage
einer Witterungskunde 1853—1832 von Prof. Hertzer in
Wernigerode, Schriften des naturw. Vereins des Harzes in
WSV. 18895538.
Hochheim, Prof. Dr. Realgymnasiallehrer in Branden-
burg. Die geometrische Reihe zweiterOrdnung. II Th. Ebd.
Hopkins, &. M. Experimental Science, elementary,
practical and experimental Physics. Illustrated. 8°.
London 1889.
Julius, Dr. N. Licht- und Wärmestrahlung verbrannter
Gase. Gekrönte Preisschrift. Berlin 1890. Leopold Simion.
Klimpert, Reh. Lehrbuch .der allgemeinen Physik
(die Grundbegriffe und Grundsätze der Physik). 8°. Stutt-
gart 1889. Maier.
Königsberger, L. Lehrbuch der Theorie der Diffe-
rentialgleichungen mit 1 unabhängigen Variabeln. 8".
Leipzig 1889. Teubner.
* Lasswitz, K. Geschichte der Atomistik vom Mittel-
alter bis Newton. I. Bd. und II. Die Erneuernng der Korpus-
kulartheorie. 8%. Hamburg 1890. Voss.
Longridge, J. A. Internal Ballisties. London 18839. 8°
®y, Miller Hauenfels. Richtigstellung der mechanischen
Wärmetheorie.. Wien, Manz’sche Hof- und Universitäts-
Verlagsbuchhandlung.
*Ostwald, W. Klassiker der exacten Wissenschaften.
No. 2—6. Leipzig, W. Engelmann.
*) Die besternten Werke wurden der Redaktion eingeliefert.
90 Neu erschienene Werke.
*Pahde, A. Ed. Vogel, der Afrikaforscher. Hamburg,
Verlagsanstalt (vormals Richter.)
Picatoste, F. Elementos de historia natural. 4°.
301 pp. Madrid 1889.
Pritchard, ©. Occasional Toughts of an Astronomer
in Nature and Revelation. 8%. 266 pp. London 1889.
*Die Projectionskunst. Düsseldorf, Liesgang’s Verlag-
Publicationen des astrophysikalischen Observa-
toriums zu Potsdam. Nr. 24. VI. Bds. 4. Stück. Pots-
dam, 1889. 4%. 140 pp. Leipzig, Engelmann.
* Rosenberger, Geschichte der Physik Ill. Braunschweig,
Vieweg und Sohn 189%.
*Sasse. Erhaltung der Empfindungslunge. Berlin.
E. Grosser. ;
*Schlegel. Ueber die 4. dimensionalen Raum. Berlin,
Riemann.
Schram, Rbt. Reductionstafeln für den Oppolzer-
schen Finsterniss-Canon zum Uebergang auf die Ginzel-
schen emipirischen Correctionen. (Aus: „Denkschriften
der königl. Akademie der Wissenschaften.) 4°. 72 pp.
Wien 1889. Tempsky.
Shuler, N. S. Aspects of the Earth. 8°. With Illustr.
New-York 1839.
* Schubert. Das Rechnen an den Fingern und Maschinen.
Berlin, Riemann.
* Thomson. Anwendung der Dynamik auf Physik und
Chemie. Leipzig, Verlag von G. Engel.
*Yogt. Die Geistesthätigkeit des Menschen. Leipzig,
Schmidt.
*Vogt. Entstehen und Vergehen der Welt ebenda.
*Weber, H. Electrodynamik. Braunschweig, Vieweg
und Sohn 189.
Weiler, A Neue Behandlung der Parallelprojeetionen
und der Axonometrie. VI, 210 pp. Mit 109 Fig. 8°.
Leipzig 1889, Teubner.
Weyrauch, Jac. J. Der Entdecker des Prineips von der
Erhaltung der Energie. 8%. 75 pp. Stuttgart 1890. Witt-
wer's Verl.
Neu erschienene Werke 91
Yalk, Fr. Lectures on the Errors of Refraction
and their Correction with Glasses. With Ilustr. 8%.
London 1889.
Chemie.
"Arnold. Repetitorium der Chemie. Hamburg, Leo-
pold Voss.
Beckmann, W. Experimentelle Untersuchungen über
den Finfluss des kohlensauren und eitronensauren Natron
auf die Ausscheidung der Alkalien. Dorpat 1889, Karow.
*Klein, J. Elemente der forensisch-chemischen Analyse.
Hamburg, L. Voss Verlag.
* Kobert. Historische pharmakalogische Studien. Halle-S.,
Tausch u. Grosse.
*Köller, Th, Präparatenkunde. Handbuch zur Dar-
stellung der chemischen Körper. Wien, Hartleben’s Verlag.
*Montada. Katechismus der Desinfection. Berlin,
Heuser’s Verlag.
*Roscoe u. Schorlemmer. Ausführliches Lehrbuch der
Chemie. II. Bd., 2. verm. Aufl. 2. Abthlg. d. 2. Bds.
Braunschweig, Vieweg u. Sohn.
*Schorlemmer, C. Lehrbuch der Kohlenstoffverbindungen,
3. Aufl., II. Hälfte II. Abth. Ebd.
* Steffen, W. Lehrbuch der reinen und technischen
Chemie. Anorganische Experimental-Chemie. I. Bd.: Die
Metalloide 8°. XVI, 816 pp. Mit vielen in den Text
gedr. Fig. Stuttgart, 1839. Maier.
Mineralogie ete.
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Anstalt (ehem. Richter).
Holzapfel, EE Die Mollusken der Aachener Kreide.
II. Abth.: Lamellibranchiata. (Aus: „Palaeontographica.“)
4°. 130 pp. Mit 22 Taf. u. 22 Bl. Erklärungen. Stuttgart,
1889. Schweizerbart.
Austaut, Jul. L. Les Parnassiens de la faune palearc-
tique. Mit 32 farb. Taf. Leipzig, 1889. Heyne.
02 Neu erschienene Werke.
Rossmässier, E. A. Iconographie der Land- und
Süsswasser-Mollusken mit vorzüglicher Berücksichtigung der
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Schwarze Ausgabe. Mit 10 Steintafeln. 8%. p. 41—8.
Wiesbaden, 1889. Kreidel.
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neuen Sivatheriiden aus dem Knochenfelde von Maragha.
(Aus: „Denkschriften der königl. Akademie der Wissen-
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delle prealpi venete. 4°. 12 pp. Con 2tav. Venezia, 1839.
Zoologie.
Bibliotheca zoologica I. Verzeichniss der Schriften
über Zoologie, welche in den periodischen Werken ent-
halten und vom Jahre 1861—1880 selbständig erschienen
sind. Bearbeitet von O. Taschenberg. 7. Lfg. Leipzig,
1588. Engelmann.
Beard, J. B. Morphological studies. Vol. I (Aus
Quaterly Journal of mikroscopical Science und „Zoologische
Jahrbücher.“ Mit 13 Taf. Jena, 1889. Fischer.
- Neu erschienene Werke. 093
Berlese, A. Acari, myriapoda et scorpiones hujusque
in Italia reperta. Fac. 54—56. Padowa 1890.
Bramson K. L. Die Tagfalter (Rhopalocera) Europa’s
und des Kaukasus. (Kiew, 1889.) Mit 1 Taf. Berlin,
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Woodeuts. 8%. London, 1890.
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der Insekten und insbesondere der Museiden. (Aus: „Denk-
schriften der königl. Akademie der Wissenschaften.‘“) 4°.
58 pp. Mit 10 color. Tafeln und 12 Textfig. Wien, 1889.
Tempsky.
d’Hamonville.. La Vie des oiseaux. Avec 13 planches.
18°. 399 pp. Paris, 1890.
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Wien, Gerold & Sohn.
*Maack, Z. Einführung in das Studium des Hypnotis-
mus u. thier. Magnetismus. Berlin, Heuser’s Verlag.
Nehrling, H. Die nord-amerikanische Vogelwelt.
Unter künstlerischer Mitwirkung von Rbt. Ridgway, A.
Goering und Gst. Mütze. 1.—3. Heft. Leipzig, 1889.
4°. 144 pp. Mit 9 farb. Taf. Brockhaus.
Oates, E.W. Birds. Vol. L. 8°. London 1390.
Saunders, H. An illustrated Manual of British Birds.
8°. 786 pp. With Illustr. London 1889.
Trimen, R. and I. H. Bowker. South African Butter-
flies. 3 vols. 8%. London, 1889.
*Vogt.. Das Empfindungsprineip (und die Entstehung
des Lebens. I u. II. Leipzig, O. Gottwald.
94 Neu erschienene Werke.
Botanik.
Beck v. Mannagetta, G. Flora von Südbosnien und der
angrenzenden Hercegovina. II.—IV. Theil. (Aus „Annalen
des k. k. naturhistorischen Hofmuseums.‘) Wien, 189%.
Hölder.
Forcke, H. Nachträge zu Sporleders Verzeichniss der
in der Grafschaft Wernigerode und nächster Umgebung
wildwachsenden Phanerogamen und Gefäss-Kryptogamen,
Schriften des naturwissenschaftlichen Vereins des Harzes.
1889. IV. 46.
Frank, Be und A. Tschirch. Wandtafeln für den
Unterricht in der Pflanzenphysiologie an landwirthschaft-
lichen und verwandten Lehranstalten. I. Abth. 5°. 11 pp.
10 Farbendr.-Taf. in Fol. mit Text. Berlin, 1889. Parey.
Hinz, Rch. Ueber den mechanischen Bau des
Blattrandes mit Berücksichtigung einiger Anpassungs-
erscheinungen zur Verminderung der localen Verdunstung.
(Aus: „Nova Acta der kaiserl. Leop.-Carol. deutschen
Akademie der Naturforscher.‘‘) Halle, 1389. 4°. 124 pp.
Mit 3 Taf. Leipzig, Engelmann.
*Mayr. Die Waldungen von Nord-America, ihre Holz-
arten etc. Rieger’sche Universitäts-Buchhandlung, München.
Schübeler, F. C. Viridarium Norvegieum. Norges
Vextrige. Ill. Bd. Christiania, 1839. 4°. 679 pp. S. 1888.
*Schumann. Die Ameisenpflanzen mit 1 Tafel. Ham-
burg, Verlagsanstalt, vorm. Richter.
Wagner, Hm. Flora des unteren Lahnthals, mit
besonderer Berücksichtigung der näheren Umgebung von
Ems. Zugleich mit einer Anleitung zum Bestimmen der
darin beschriebenen Gattungen und Arten. 2 Tle. 8.
VIII, 42 u. VIII, 191 pp. Mit 11 Taf. Ems, 1339, Sommer-
Verlag von C. E. M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle- Saale.
Aretaeus, Des Kappadocier, auf uns gekommene Schriften. Aus dem
Griechischen übersetzt von Prof. Dr. Mann. M L.—
Bischof, F., Bergrath, Die Steinsalzwerke bei Stassfurt. 2. umge-
arbeitete Auflage. Mit Abbildungen und 1 Karte. AM 3.60
Dreher, Dr. Eugen, Der Darwinismus und seine Consequenzen in
wissenschaftlicher und sozialer Beziehung. A 2.28
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auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der
Chemie. 2. Die Spektralanalyse. 3. Die Ursache der Phosphor-
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei
Spektren im Lichte. (Das eigentliche Lichtspektrum, das
Wärmespektrum und das chemische Spektrum). AM 2.25
— Beiträge zu einer exakten Psycho -Physiologie. 1. Ueber das
Wesen der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension
des Raumes. 5. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit.
4, Studien am „Lebensrad“ behufs eines richtigen Verständ-
nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der
Farbenwahrnehmung. M 2.—
— Ueber den Zusammenhang der Naturkräfte. MA 1.20
Drossbach, M., Ueber Kraft und Bewegung im Hinblick auf die Licht-
wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. M 2.40
— Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Ge-
schehens in der Welt. A 1.80
Durdik, J., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der
Welt auf Grundlage der positiven Ergebnisse der Philosophie
und der Naturforschung. A 1.—
Giebelhausen, San.-R. Dr., Der Berggeist. Ernste und heitere Mittheil-
ungen aus Manfelds Vor- und Neuzeit in Volksmundart. 120 S.
A 1,50
— Die Trichinen-Gefahr. Ein frisches, ehrliches Wort in altmansf.
Weise 8. MH —,10
— Eine mansfeldsche Stimme. AM —,10
Girard, Prof. Dr., Geologische Wanderungen. I. Wallis, Vivarais,
Velay. 2. Auflage. Nebst Karten, Profilen und Ansichten.
M 3.—
Grouven, Dr., Meteorologische Beobachtungen nebst Beobachtungen
über die freiwillige Wasserverdunstung und über die Wärme
des Bodens in verschiedenen Tiefen, angestellt im Jahre 1863
zu Salzmünde auf der Versuchs-Station des landwirthschaftl.
Central- Vereins der Provinz Sachsen. Mit 4 Tafeln. .2 1.—
Köhler, Prof. Dr., Die lokale Anaesthesirung durch Saponin. Experi-
mental.-pharmakolog. Studien. Mit 2 Tafeln (in qu. u. gr. fol.)
M 3.25
— Chemische Untersuchung über die fälschlich Hirnfette genannten
Substanzen und ihre Zersetzungsproducte. Mit Abbildungen.
MN 2.40
— Ueber Werth und Bedeutung des sauerstoffhaltigen Terpentin-
öls für die Therapie der acuten Phosphorvergiftung. Nach
klin. Beobacht. und physiolog.-chem. Experimenten. “U 1.60
Verlag von €. E. M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle-Saale.
Liederbuch für Berg- und Hüttenleute. Herausgegeben vom Berg- und
Hüttenmännischen Verein zu Berlin. 5. Auflage. cart. .Z 1.20
Luftblasen. Von Veratrinus Leuchtkäfer, der Arzneigelahrtheit Doctor.
(Geh. Rath Dr. Flemming.) 1. Naturwissenschaft vor dem
Riechterstuhle der Ethik. 2. Ideen zur Diagnostik der Charla-
tanerie und Kryptiatrik. 3. Homöopathische Studien. ./ 1.50
Ochsenius, Bergingenieur C., Die Bildung der Steinsalzlager und ihrer
Mutterlaugensalze unter specieller Berücksichtisnng der Flötze
von Douglashall in der Egeln’schen Mulde. Mit Abbildungen
und Karten. A 6.—
Pressense, Edm., Die Ursprünge. Zur Geschichte und Lösung des
Problems der Erkenntniss, der Kosmologie, der Anthropologie
und des Ursprungs der Moral und der Religion. Deutsch von
EP. Fabarius. 2. Auflage. A 4,50
Scheliwien, Robert, Optische Häresien. M 2.50
— Optische Häresien erste Folge-und das Gesetz der Polarität.
AM 2.60
Schröter, Dr., Die Gemüthsleiden, ihre rechtzeitige Erkennung und
Behandlung. Al 2.50
Vollert, Bergassessor, M., Der Braunkoblenbergbau im Oberbergamts-
bezirk Halle und in den angrenzenden Staaten. Nebst einer
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bergamtsbezirk Halle. MT.—
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herausgegeben von
©, Burdecke
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Zweites und drittes Heft.
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Ausgabe f
Far
‚=@ Mit zwei Tafeln &<-
Halle- Saale.
C. E. = Pfeffer (Robert er
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v7
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Geh. Bergrath E. Dunker in Halle, Ueber ein Vorkommen von
Prof. Dr. K. v. Fritsch, Die Tertiärformation Mittel-Deutsch-
Inhalt
I. Abhandlungen.
Krystallen in der Formation des Keupers . .
Prof. Dr. A. Gareke, Wie viel Arten von Wissadulä siebt es?
Dr. Hugo Naue aus Oranienbaum, Ueber Bau und Entwicklung
der Kiemen der Froschlarven mit Tafel I u. MI .. 2
Dr. Erwin Schulze, Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen,
Anhalt, Braunschweig, Hannover und Thüringen . . . -
II. Sächsisch-Thüringische Lneralue:
Dr. m G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basal-
tischer Gesteine zwischen Gerstungen und Eisenach . .
Prof. Dr. H. Bücking, Mittheilungen über a der
Section Schmalkalden . . . ae AR EEE ;
P. Dietel, Die Uredineen bei Leipzig. i ER
P. Ehrmann, Zusammenstellung der Leipziger Schnecken . .
W. Frantzen in Meiningen, Untersuehungen über die Gliede-
rung des unteren Muschelkalks in Westfalen u. Hannover
W. Frantzen u. A. v. Koenen, Ueber die Gliederung des Wel-
lenkalks im mittleren und nordwestlichen Deutschland .
‚lands ... 2
Dr. H. Keilh ack in "Berlin, "Ueber einen Damhirsch aus en
märkischen Diluyium bei Belzig.. . . a
G. Lattermann in Berlin, Die Lautenthaler Soolquelle und ihre
Absätze . .
Dr. H.Loretz in Berlin, Ueber einige Eruptivgesteine des Roth-
liegenden im S. 0. Thüringer Walde . . . Er: x
Derselbe, Ueber das Vorkommen von Kersantit und a
porphyrit in derselben Gangspalte bei Unterneubrunn . . .
Dr. R. Scheibe und Dr.‘Zimmermann in Berlin, Geognosie
der Gegend des Ilmthals zwischen Schneidemüllerskopf ML.
Ilmenau 5 BR I
Dr. Erwin Schulze in Pot sdam, Fauna piseium Germaniae. .
Dr. H. Simroth, Privatdocent in Leipzig, Nersenle von
Emys europaea Sn 5 :
Derselbe, Ueber Verbreitung des. Sperlines ig
M. Vollert, Der: Braunkohlenbergbau. Festschrift zum ans
Allgem. eanes in Halle DS A ERNENIRABE
. . .
eo. .
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt,
Braunschweig, Hannover und Thüringen.
Von
Dr. Erwin Schulze,
Im Nachstehenden gebe ich eine Zusammenstellung der
‚in der Literatur zerstreuten Angaben über das Vorkommen
der Säugethiere im Gebiete nebst den mir von den Herren
_W. Ebeling in Magdeburg, O. Goldfuss in Halle, V. von
Koch in Braunschweig, W. Schlüter in Halle und Ed.
Schmidt in Magdeburg mitgetheilten und meinen eigenen
‚Beobachtungen.
Literatur.
Anmerk. Die Berichte des naturwissenschaftlichen Vereins
‘des Harzes für die Jahre 1840—1846 sind nach der zweiten, im Zu-
sammenhange abgedruckten Auflage, Wernigerode 1856, eitirt.
1703 Behrens, G. H., Hercynia curiosa. Nordhausen. 4. [168—170: „Von
denen bey Stiege und Hertzberg gelegenen Wolffs-Gärten.“]
1790 Stübner, J. Chr., Denkwürdigkeiten des Fürstenthums Blanken-
burg und Stiftsamts Walkenried. 2. Theil, welcher die Natur-
geschichte des Landes enthält. Wernigerode. 8. [77—103:
von jagdbaren Thieren und Raubthieren; 125: von nagenden
und wühlenden Thieren.]
1819 Dehne, J. F. A., Spaziergang von Leipzig nach dem Harze.
Quedlinburg. 8. [54: Fledermäuse in der Bielshöhle; 71— 73:
Luchs.]
1821 Körte, W., Urstierschädel aus der Torfgräberei zu Frose. Archiv
für die neuesten Entdeckungen aus der Urwelt, herausgegeben
von Ballenstedt und Krüger, Quedlinburg, 3, 326—331. Mit
Abbildung.
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 7
98 Dr. Erwin Schulze:
1823 Hoffmann, F., Geognostische Beschreibung des Herzogthums Magde-
burg. Berlin. 8. [132: „Reste von Elenthieren und Ochsen
sind im Torfe von Aschersleben gefunden.“]
1829 v. Meyerink, über eine Biberkolonie im Forstreviere Grüneberg,
magdeburger Regierungsbezirks. Vh. Ges. ntf. Fr. Berlin,
Band 1.
1834 Zimmermann, Chr., Das Harzgebirge in besonderer Beziehung auf
Natur- und Gewerbskunde geschildert. Darmstadt. 8. [1, 220—
223: Säugethiere; 269—271: Haar-Wild.]
1835 Mehlis ap. Schreber, Säugethiere [Hypudaeus hercynicus = Ar-
vicola glareolus].
1840 Keyserling, A. und Blasius, H., Die Wirbelthiere Europas. Braun-
schweig. 8.
1841 Rimrod, Säugethiere in der Grafschaft Mansfeld und dem Ober-
herzogthume Anhalt-Bernburg. Ber. naturw. V. Harz 184041,
p. 8 u. 9 [35 sp.).
1842 Rimrod, Nest von Myoxus muscardinus zwischen jungen Hasel-
zweigen bei Quenstedt. Ber. ntw. V. Harz 1841/42, p. 18.
Rimrod, Hörner und Stirnbein von Bos primigenius, bei Quenstedt
gefunden. Ber. ntw. V. Harz 1841/42, p. 18.
Saxesen, W., Ber. ntw. V. Harz 1841/42. p. 19 [9 sp. vom west-
lichen Harze].
1851 Kohlmann, weisse Talpa europaea bei Schafstedt. J.-Ber. ntw. V.
Halle 1850, p. 10.
Lenz, H. O., Gemeinnützige Naturgeschichte. 1. Säugethiere.
3. Aufl. Gotha. ®.
1857 Blasius, H., Naturgeschichte der Säugethiere Deutschlands.
Braunschweig. 8.
Schlüter, Vespertilio murinus, auritus, noctula bei Halle. Zeitsch.
Ntw. 10, 550.
1858 Rimrod, Ueber Myoxus nitela, glis, avellanarius. Zs. Ntw. 11, 183.
1860—1865 Veltheim, H. v., Uebersicht des in den herzogl. Braun-
schweigischen Jagden erlegten Wildes. Vh, harz. Forst-YV.
1859—1864.
1862 Möbius, Biber an der Unterelbe. Zool. Gart. 3, 89I—%.
1863—1863 Braun, Zusammenstellung des in den herzogl. Anhaltischen
Harzforsten erlegten Wildes sowie der daselbst erbeuteten
Raubthiere. Vh. harz. Forst-V. 1862—1867.
1866 Giebel, Cervus elaphus im Torflager bei Nachterstedt. Zs. Ntw.
28, 37.
Giebel, C., Die im zoologischen Museum der Universität Halle
aufgestellten Säugethiere. Zs. Ntw. 28, 93—134.
1867 Giebel, monströses Reh bei Sangerhausen. Zs. Ntw. 29, 503—504.
1868 Giebel, Knochen von Cervus elaphus bei Naumburg. Zs. Ntw.
32, 537.
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 99
1868—1877 Dommes, Uebersicht des in den administrirten herrschaft-
lichen Jagden der sämmtlichen Braunschweigischen Oberforste
erlegten. Wildes. Vh. harz. Forst-V. 1867—1875.
1570 Jacobs, E., Bärenjagd von Ilsenburg aus, 1573; Bär bei Ilsenburg,
1613. Zs. Harzv. Gesch. 3,65.
Jacobs, E., Bärenjagd und -Hatz in der Grafschaft Wernigerode
1573. 5. 10. Zs. Harzv. Gesch. 3, 260—263.
1870—1873 Bieler, Nachweisung über die Jagdresultate aus der Graf-
schaft Stolberg-Rossla. Vh. harz. Forst-V. 1869—1872.
18571 Jacobs, E., Bären am Brocken um 1656. Zs. Harzv. Gesch. 4, 140.
1872 Altum, B., Forstzoologie, Säugethiere. Berlin. 8.
Taschenberg, Fuchs mit monströsem Schädel auf der Rabeninsel
bei Halle. Zs. Ntw. 39, 110.
1873 Geitel, Myoxus nitela Sb. im Schimmerwalde. Vh. harz. Forst-V.,
1872, p. 46.
1374 Jacobs, E., Wolfsjagd bei Veckenstedt 1540. Zs. Harzv. Gesch.
sl
1375 Giebel, Rehschädel im Magen einer Hirsch-Kuh. Zs. Ntw. 45, 354.
1576 Beling, Fledermaus (? Vespertilio noctula Sb.) um die Mitte des
Tages im Freien. Zool. Gart. 17, 261.
1877 Krause, G., Wölfe in Anhalt. Mitth. V. Anh. Gesch. 1,650—652.
Biber zwischen Griebo und Koswig. Zool. Gart. 18, 404,
1573 Nehring, Zs. Ntw. 51, 385: „In den Torfmooren von Alvesse und
Köchingen sw. von Braunschweig sind zahlreiche Reste vom
Elen, Bos primigenius, Wildschwein, Pferd neben neolithischen
Steinäxten zum Vorscheine gekommen.“
Zahmes Reh bei Goslar. Zool. Gart. 19, 332.
1879 Irmisch, Albino von Hypudaeus amphibius. Zs. Ntw. 52, 115.
Härter, Hausratte häufig in Körner bei Mühlhausen. Zs. Ntw.
52, 463.
Nehring, Hermelin mit 9 Jungen bei Wolfenbüttel. 73. Ntw.
52, 486.
Nehring, A., Zum Zahnsystem der Myoxinen. Zs. Ntw. 52, 736—
740 [M. glis an der Asse].
Biber in der Elbe bei Wittenberg. Zool. Gart. 20, 127.
1830 Thomas, F., Ueber das Vorkommen von Mus rattus [in Körner]
in Thüringen. Zs. Ntw. 53, 419—424.
Grotrian, H., über einen Schädel von Ursus arctos aus dem Moor-
sande von Kalvörde. Z. D. G. G. 32, 658.
1351 Ludwig, Mus rattus in Greiz. Zs. Ntw. 54, 207.
1883 Grotrian, H., Ueber einen zu Kalvörde im Moorsande aufgefundenen
Schädel von Ursus aretos L.3. J.-Ber. V. Ntw. Braunschweig
123—125.
Scheffler, L. ap. Steinhoff, R., Der Regenstein. Blankenburg.
kl. 8. [94: am Regensteine: Reh, Hase, Kaninchen, Dachs,
Fuchs, wilde Katze, Iltis, Steinmarder, Baummarder, Wiesel,
Haselmaus.] =
7 k
100 Dr. Erwin Schulze:
1883 Müller, Jagdergebnisse der gräflich Stolberg-Wernigerödischen
Jagdreviere. Vh. harz. Forst-V. 1883.
1885 Pohlig, H., Vorläufige Mittheilungen über das Plistocaen, insbe-
nündere, Thüringens. Zs. Ntw. 58, 258—276.
1887 Schulze, E., Sorex alpinus am Brocken. Zs. Ntw. 60, 187.
Abkürzungen der Namen von Gewährsmännern.
Altum. Ebeling. Rimrod.
Bieler. Giebel. Scheffler.
Blasius. Gold fuss. Schlüter.
Braun. Koch, V. v. Schmidt.
Dommes,. Müller. Schulze.
Veltheim. Zimmermann.
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 101
Artiodactyla.
1. Cervus dama L. Dambirsch.
In Wäldern; verwildert. Bei Kalvörde Y; Letzlinger
Haide E; Mosigkauer Haide; im Harze bei Ballenstedt Sz;
bei Rudolstadt sSü.
2. Cervus capreolus L. Reh.
In Wäldern. Solling, Hils V; Harly, Bärenköpfe, Asse,
Elm, Querumer Holz, Buchhorst X; Hakel Sz; Regenstein
Sf; Harz überall; Dölauer Haide Gf; Rudolstadt sü.
3. Cervus elaphus L. Hirsch.
In grösseren Waldungen. Solling V; Deister, Dröm-
ling A; Elm A, E; Lapwald Y; Hohes Holz, Kolbitzer
Haide E; Gr. Kühnauer Forst, Mosigkauer Haide, Törten-
sche Aue, Zeitzer Forst; Rudolstadt Sö; Harz überall.
Cervus alces L. Elen.
„Reste von Elenthieren sind im Torf von Aschersleben
gefunden worden.“ Hoffmann, Geogn. Beschr. Herzogthum
Magdeburg 132; 1823.
„In den Torfmooren von Alvesse und Köchingen sw.
von Braunschweig sind Reste vom Elen neben neolithischen
Streitäxten zum Vorscheine gekommen.“ Nehring Zs. Ntw.
51, 385; 1878.
f Bos primigenius Boj.
„Bisweilen werden beim 'Torfstechen in den untern
Schichten des Gaterslebenschen Sees Thierknochen und
Köpfe mit Hörnern, ausgezeichnet durch ihre Grösse, an-
getroffen. Sie gehören dem jetzt ausgestorbenen Urstier
an.“ Krüger Arch. Urw. 3, 314; 1821.
102 Dr. Erwin Schulze:
Körte W., Urstierschädel aus der Torfgräberei zu Frose.
Arch. Urw. 3,326—331; 1821. Mit Abbildung.
„Rimrod legte die Hörner und ein Stück Stirnbein von
Bos primigenius, bei Quenstedt gefunden, vor.“ Ber. ntw.
V. Harz 1841,42. 2. Aufl. S. 18; 1856.
„In den Torfmooren von Alvesse und Köchingen sw.
von Braunschweig sind Reste von Bos primigenius neben
neolithischen Steinäxten zum Vorscheine gekommen.“
Nehring Zs. Ntw. 51, 385; 1878.
„Bos primigenius, Torf Hassleben (Jena, Gotha, Ana-
tomie Jena etc.), Ilmbett Mellingen (Anatomie Jena), Leine-
bett Göttingen (ibid. zool. Mus.), Unstrutbett Mühlhausen
(ibid.).“ Pohlig Zs. Ntw. 58, 273; 1885.
Aus Torf von Veltenhof bei Braunschweig (Naturh.
Museum, Braunschweig) X.
4. Sus scrofa L. Schwein.
In feuchten Wäldern. Solling Y; Hohes Holz, Letz-
linger Haide E; Wülpener Forst, Mosigkauer Haide; Harz;
Rudolstadt Sü.
Rodentia.
5. Lepus cuniculus L. Kaninchen.
In hügeligen Gegenden mit lockerem Boden, besonders
im Gebiete des Lösses und Quadersandsteines. Bei Braun-
schweig, Asse, Pavelsches Holz X; bei Magdeburg E; Gr.
Wanzleben, Rogätz, Dannigkow bei Gommern, Adersleben
bei Wegeleben Sm; Lutter a. B. Y; Ilsenburg, Hasserode
M; Regenstein Sf; bei Quedlinburg, Ballenstedt $Sz; bei
Welbsleben, Harkerode, Walbek AR; an den Mansfelder
Seen, Halle (Stadtgottesacker, Peissnitz) S2; Questenberg,
Breitungen, Uftrungen Bi; Kyffhäuser E; Rudolstadt Sü.
6. Lepus timidus L. Hase.
In Feldern und Wäldern; allgemein verbreitet.
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt et. 108
7. Castor fiver L. Biber.
An der Elbe von Aken bis Kreuzhorst bei Magdeburg,
besonders bei Steckby, Breitenhagen, Saalhorn, auch in der
alten Elbe von Pretzin bis Kalenberge Sm.
8. Arvicola subterraneus Sel.
Auf Wiesen, Feldern. Braunschweig DZ.
9. Arvicola arvalis Cp. Feidmaus.
Auf Feldern, Wiesen. Braunschweig X; Magdeburg
E; Quedlinburg $z; Aschersleben Sö; Harz Bl; Halle GB;
Rudolstadt Sü.
10. Arvicola campestris Bl.
Im Jahre 1843 auf bebautem Lande an einem Wald-
rande in der Nähe von Braunschweig gefangen Bl.
11. Arvicola agrestis Bl. Erdmanus.
Unter Gebüsch, in Wäldern, an Waldrändern, an Grä-
ben, auf Dämmen, nur in der Nähe von Wasser. Bei
Braunschweig häufig B7/; Schladen in Hannover X.
12. Arvicola amphibius Desm. Wasserratte, Reitmaus.
An Gewässern, auch auf trockenen Feldern. Braun-
schweig an der Oker häufig, Schladen in Hannover X;
Magdeburg E; Quedlinburg Sz; Aschersleben, Halle, Ru-
dolstadt Süö; im Jahre 1828 in grosser Menge auf den
Wiesen und in den Gärten des Oberharzes Z.
13. Arvicola glareolus Bl. Waldwühlmaus.
In Wäldern. Bei Braunschweig gemein B/; Aschers-
leben Sö; am Bruchberge nicht selten Z; viele Ex. in den
letzten verkrüppelten Fichtenwäldern unmittelbar am Fusse
des Brockens gefangen B/; Rudolstadt Süö; Burgliebenau
Gf; bei Göttingen Pallas t. Bl; bei Schnepfenthal binnen
3 Jahren etwa 60 Stück gefangen Lenz.
104 ‚ Dr. Erwin Schulze:
14. Mus minuius P. Zwergmaus.
In Feldern, Wiesen, Gebüschen. Bei Braunschweig in
grosser Menge Bi.
15. Mus agrarius P. Brandmaus.
Auf Aeckern. Im Hannöverschen, Braunschweigischen
BI; Magdeburg E; Aschersleben Sö; Halle Gd; Rudol-
stadt Sü.
16. Mus silvaticus L. Waldmaus.
In Wäldern, Gärten, Häusern. Braunschweig z. B.
bei Riddagshausen X; Magdeburg E; Quedlinburg Sz;
Aschersleben Süö; Halle Gb; am ganzen Harze Z; am Harze
bis zum Brocken B/; Rudolstadt Sü.
17. Mus musculus L. Hausmaus.
In Häusern. Schladen, Braunschweig X; Magdeburg
E; Quedlinburg, Ballenstedt Sz; Aschersleben, Halle, Ru-
dolstadt Si.
18. Mus rattus L. Hausratte.
In Gebäuden. Körner bei Mühlhausen, häufig Härter ;
Schwarzburger Schloss bei Rudolstadt Sü; Greiz Ludwig.
19. Mus decumanus P. Wanderratte.
In Häusern, Gossen, an langsam fliessenden Gewässern.
Schladen, Braunschweig X; in Braunschweig ist sie nach
Zimmermann im Jahre 1780 schon häufig gewesen Bl;
Magdeburg E; Quedlinburg, Ballenstedt Sz; Aschersleben
Sü; am Oberharze häufig in den Gebäuden Z; erst seit
1785 bei Quenstedt einheimisch, wo auf einmal eine starke
Kolonie derselben sich vor hiesigem Orte unter einer Wei-
denanpflanzung zeigte, und hat seit etwa 30 Jahren die
Hausratte vertrieben A 1841; Halle @d; Rudolstadt Sü.
20. Cricetus frumentariuss P. Hamster.
Auf Aeckern. Osterwiek, Hornburs, Schladen, Lieben-
burg, fehlt in der näheren Umgebung der Stadt Braun-
schweig X; in der Magdeburger Börde häufig E; Quedlin-
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 105
burger Feldmark $z; bei Aschersleben sehr gemein sSü;
Halle Gd; am südlichen Harzrande, z. B. bei Lauterberg
häufig, bei der Festenburg in der Nähe von Zellerfeld ein-
mal gefangen Z; am Harze ist vor mehreren Jahren ein
einzelner Hamster, ungefähr 3000 Fuss hoch, auf der Höhe
des Wormberges gefunden worden B/ 1857; in der Gothaer
Flur in manchen Jahren in Unzahl Lenz.
21. Myoxus avellanarius Desm. Haselmaus.
In Gebüschen. Hohes Holz, Huy, Hakel, Lauterberg,
Kyffhäuser, Hainleite #; am Ober- und Vorharze Z; bei
Braunrode und Stangerode R; am Harze wiederholt noch
in Höhen von mehr als 2000 Fuss gefunden Bl; Mansfeld
Gb; Lindenbusch bei Dölau, Höllenthal bei Kösen Gf.
22. Myoxus glis Sb. Billich.
In Wäldern, besonders Eichen- und Buchenwäldern.
An der Asse Nehring; am Vorharze bei Herzberg, Lauter-
berg Z; bei Schielo R; im Harze zuweilen bis in die
Tannenregion hinauf B/; Rudolstadt Sü.
23. Myoxus nitela Sb. Gartenschläfer.
In Wäldern. Bei Kammschlaeken und Klausthal ge-
fangen Z; bei Stangerode, Friedrichsrode, Ballenstedt R;
im Harze stellenweise häufig, bis in die Tannenregion Bl;
Schimmerwald Geitel; Rudolstadt Sü; Schnepfenthal Zexz.
24. Sciurus vulgaris L. Eichhorn.
In Wäldern. Braunschweig, Harly, Bärenköpfe, Schla-
den X; Hohes Holz E; bei Altenhausen, Emden, Flech-
tingen, Hasselburg, Neuhaldensleben Sm; am ganzen Harze
Z, Sz; Kyffhäuser, Haiuleite Z; Burgliebenau bei Halle
Sü; Thüringer Wald Lenz.
106 Dr. Erwin Schulze:
Insectivora.
25. Sorex fodiens P. Wasserspitzmaus.
An wasserreichen Orten. Magdeburg E; am Harze bis
unter den Brocken Bl; Rudolstadt Sü; bei Schnepfenthal
nicht selten Lenz.
26. Sorex alpinus Schinz. Alpenspitzmaus.
Am Brocken S%.
27. Sorex vulgaris L.. Waldspitzmaus.
Magdeburg E; Aschersleben Söü; am Brocken $2;
Halle Gd, Sü; Rudolstadt Süö; bei Schnepfenthal binnen 3
Jahren etwa 250 gefangen Lenz.
28. Sorex pygmaeus P. Zwergspitzmaus.
In Wäldern. In Braunschweig B/; bei Magdeburg
Nathusius ap. Lenz, E; Rudolstadt Sü; bei Schnepfenthal
binnen 3 Jahren etwa 27 Ex., meist an nördlichen Berg-
abhängen, eins in einem Hause 4 Treppen hoch, gefangen
Lenz.
29. Sorex araneus Sb. Hausspitzmaus.
In Gärten, Häusern. Magdeburg EZ; Quedlinburg,
Ballenstedt Sz; Aschersleben Sö; Klausthal Z; Quenstedt
R; Halle G6, Sü; Rudolstadt Sü; Schnepfenthal Zexz.
30. Sorex leucodus Herm. Feldspitzmaus.
In offenen Gegenden. Bei Braunschweig B/; Magde-
burg E; Halle Gd; Aschersleben, Rudolstadt S&@; bei
Schnepfenthal innerhalb 3 Jahren etwa 40 gefangen Lenz.
31. Talpa europaea L. Maulwurt.
In humosem Boden. Schladen, Braunschweig, Oster-
wiek X; Magdeburg E; Quedlinburg, Ballenstedt $z;
Aschersleben Süö: Halle Gb, Sz; Rudolstadt sSü.
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt et. 107
32. Erinaceus europaeus L. Igel.
In Wäldern, Gebüschen. Schladen, Braunschweig,
Schauen, Blankenburg X; Magdeburg E; Quedlinburg Sz;
Aschersleben Sü; einzeln am Oberharze, häufiger am Vor-
harze Z; Alexisbad, Ballenstedt Sz; Halle G@d, Sü; Rudol-
stadt Sü.
Garnivora.
T Ursus arctos L. Bär.
Jacobs, E., Zs. Hzv. Gesch. 3, 65; 1870: Bärenjagd von
Ilsenburg aus, 1573; Bär bei Ilsenburg 1613. — 3, 260—
263; 1870: Bärenjagd in der Grafschaft Wernigerode 1573
Mai 10. — 4, 140; 1871: Bären am Brocken um 1656.
„Die Bären wurden erst im Anfange des jetzigen Jahr-
hunderts in unsern Waldungen völlig ausgerottet.“ Stübner
Denkwk. Fürstenth. Blankenburg 2, 361; 1790.
Ein Schädel ist im Moorsande zu Kalvörde, Eckzähne
sind auf der Höhe des grossen Burgberges bei Harzburg
gefunden. Grotrian Z. D. G. G. 32, 658; 1880 und 3. J.-Ber.
V. Ntw. Braunschweig 123. 125; 1883.
Auf dem thüringer Walde ist der letzte Bär in der
Mitte des 18. Jahrhunderts in der Nähe der Katzhütte er-
legt worden, der letzte im Herzogthume Gotha auf dem
wintersteiner Reviere im Jahre 1686. Lenz, Säugethiere
109; 1851.
T Gulo borealis Nils.
Nach Zimmermann bei Heimstedt angetroffen Bl.
39. Meles vulgaris Desm. Dachs.
In Wäldern. Bärenköpfe bei Liebenburg, Querumer
Holz, Kennel bei Richmond X; Regenstein Sf; Steinholz
Sz; Hohes Holz, Herrenkrugwiesen, Biederitzer Busch, Pa-
penberg bei Neuhaldensleben Z; bei Altenhausen, Hassel-
burg, Flechtingen, Emden, Rogätz, Herrenholz bei Wolmir-
stedt $m; im Harze überall; bei Bitterfeld, Rudolstadt sü.
108 Dr. Erwin Schulze:
34. Lutra vulgaris Erxl. Fischotter.
An Flüssen und Teichen. An der Weser bei Holz-
minden häufig, an der Oker bei Braunschweig X; Eime D;
an der Ohre von Neuhaldensleben bis Rogätz, an der Elbe
bei Heinrichsberg Sm; an der Saale, Elster Sö; am Ober-
harze bei Klausthal Z; Blankenburg, Walkenried D; Gün-
tersberge, Harzgerode Br; Breitungen, Alter Stolberg Bi;
Nordhausen, Rudolstadt Sü.
35. Mustela lutreola L. Nerz.
Zu Ende des 18. Jahrhunderts einzeln an der Leine
bei Göttingen Bechstein t. Bl; im Winter 1852 ist ein Nörz
am Harze in der Grafschaft Stolberg gefangen B7; 1858 (%)
wurde bei Braunschweig ein Ex. erbeutet A.
36. Mustela vulgaris Br. Wiesel.
Schladen, Braunschweig, Schauen X; Magdeburg E;
Regenstein Sf; Blankenburg, Quedlinburg Sz; Aschersleben
Sü; Tilkerode, Neudorf, Harzgerode, Güntersberge, Ballen-
stedt, Zehling, Gernrode Br; Halle @d, Sü; Rudolstadt Sü.
37. Mustela erminea L. Hermelin.
Braunschweig X; Wolfenbüttel Nehring; Magdeburg E;
Heinrichsberg, Rogätz, Altenhausen Sm; Quedlinburg 2;
Aschersleben, Halle, Rudolstadt Sü.
38. Mustela putoria L. Iltis.
Schladen, Braunschweig X; Seesen, Wendhausen V;
Magdeburg E; Regenstein Sf; Quedlinburg 82; Walken-
ried, Blankenburg D; Güntersberge, Harzgerode, Neudorf,
Gernrode, Ballenstedt, Zehling Dr; Alter Stolberg Bi;
Aschersleben, Halle, Nordhausen, Rudolstadt Sä.
39. Mustela foina Br. Steinmarder.
In Gebäuden, Felsen. Braunschweig X; Magdeburg
E; Regenstein Sf; Halle, Nordhausen, Rudolstadt Sü.
40. Mustela martes Br. Baummarder.
In Wäldern. Kolbitzer Haide £; Forsten bei Barby,
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt etc. 109
Hasselburg, Emden, Rogätz Sm; Regenstein Sf; nn
Nordhausen, Rudolstadt sü.
41. Canis vulpes L. Fuchs.
In Wäldern, Steinbrüchen, Gebüschen. Allgemein ver-
breitet.
„Jetzt ist er in Folge einer wuthähnlichen Krankheit,
welche 1826 sehr viele Füchse getödtet hat, nicht mehr sehr
häufig. Die Krankheit äusserte sich damals durch das
tolldreiste Benehmen der Thiere. Sie fielen Hunde, Pferde,
ja Menschen an, gingen in die Orte und wurden häufig todt
selbst mitten auf den Wegen gefunden. Die so gestorbenen
Füchse waren fast alle räudig und in ihren Eingeweiden
fand man eine sehr grosse Menge von Würmern, nament-
lich Bandwürmer.“ Zimmermann Harzgebirge 1, 271; 1834.
Vgl. Franceque, Die Seuche unter den Füchsen und andern
Raubthieren in den Jahren 1823—1826. Frankfurt 1827. 8.
r Canis lupus L.. Wolf.
Jacobs, E., Wolfsjagd bei Veckenstedt 1540. Zs. Harzv.
Gesch. 7, 31; 1874.
Krause, G., Wölfe in Anhalt. Mitth. V. Anh. Gesch.
1; 650-652; 1877.
Im Jahre 1702 wurden bei Stiege noch 24 Wölfe ge-
fangen: Behrens, Hereynia curiosa 168— 170; 1703: „Von
denen bey Stiege und Hertzberg gelegenen Woltts-Gärten.“
„Die Wölfe wurden erst in der Mitte des jetzigen Jahr-
hunderts in unsern Waldungen völlig ausgerottet.“ Stübner,
Denkwk. Fürstenthum Blankenburg 2, 361; 17%.
„Wölfe sind noch bis zu den letzten Jahren bisweilen
im Innern von Deutschland, sogar bis ins Braunschweigische
und Hannöversche hinein, angetroffen worden.“ DBlasius,
Säuget. Deutschl. 182; 1857.
42. Felis catus L. Wildkatze.
Im Harze nicht selten, von dort aus weit umbherstrei-
fend, z. B. Bärenköpfe bei Liebenburg X; Hofjagdgehege
bei Braunschweig V; Regenstein S$f; Steinholz Sz; Zehling
Br; Flechtinger, Emdener, Hasselburger Forst Sm; Ram-
110 Dr. Erwin Schulze:
stedter Holz E. — Auf dem thüringer Walde wird von Zeit
zu Zeit noch eine erlegt Lenz.
r Felis Iynx L. Luchs.
Je ein männlicher Luchs ward am 24. März 1817 am
Rennekenberge bei Ilsenburg und am 17. März 1818 am
Teufelsberge bei Lautenthal erlegt. Zimmermann, Harzge-
birge 1, 270; 1834. Dehne, Spaziergang von Leipzig nach
dem Harze 71—73; 1319. Blasius, Säugethiere Deutschl.
176; 1857.
„In den Jahren 1773, 1788, 1789, 1796 wurden auf
dem gothaischen Antheile des thüringer Waldes 5 Luchse
erlegt.“ Lenz, Säugethiere 338. 339; 1851.
Chiroptera.
43. Vespertilio dasyeneme Boie. Teichfledermaus.
In der Nähe grosser Wasserflächen, niedrig über der
Wasserfläche fliegend. Braunschweig Bl.
44. Vespertilio daubentonii Leis. Weasserfledermaus.
In der Nähe des Wassers, unmittelbar über der Wasser-
fläche fliegend. Magdeburg E; bei Klausthal, Lerbach,
Okerhütte u. a. a. O. sehr häufig Z; am Harze bis zu 2000
Fuss Gebirgshöhe Bl; Hermannshöhle X; Quedlinburg ‚$;
Halle 62.
45. Vespertilio mystacinus Leisl. Bartfledermaus.
Bei Lerbach Z; noch auf der Höhe des Harzes Bl.
46. Vespertilio nattereri Kuhl.
Magdeburg E; Lerbach Z; Halle G°.
47. Vespertilio murinus Sb.
Magdeburg Z; Quedlinburg 2; Lerbach, Klausthal Z;
Quenstedt %; Hermannshöhle X; Aschersleben, Halle, Ru-
dolstadt Sü.
Verzeichniss der Säugethiere von Sachsen, Anhalt ete. 111
48. Vespertilio bechsteinii Leisl.
Magdeburg E; bei Lerbach einmal gefangen Z; Halle G2.
49. Vespertilio serotinus Sb.
Magdeburg EZ; bei Klausthal Z; am Harze kaum bis
2000 Fuss B!; Aschersleben Süö; Halle G5, Sü; Rudol-
stadt Sü. N
50. Vespertilio borealis Nils.
Oberharz Bl.
51. Vespertilio discolor Natt.
Klausthal, Lerbach Z; am Harze bis zu einer Berg-
höhe von drittehalbtausend Fuss Bl; Halle Gd; Rudol-
stadt Sü.
52. Vespertilio pipistrellus Sb.
Braunschweig X; Magdeburg E; Altenau Z; Halle G;
Aschersleben, gemein bei Rudolstadt Sü.
53. Vespertilio nathusii K. Bl.
Braunschweig, Harzstädte, Halle Bi.
54. Vespertilio leisleri Kuhl.
Zu Klausthal in den Häusern Z; an der Rosstrappe
schwirrte sie in 12—15 Individuen umher 4; Halle Gb.
55. Vespertilio noctula Sb.
Magdeburg E; Seesen, Herzberg Z; Halle @d, Sü;
Aschersleben, gemein bei Rudolstadt Sü.
56. Vespertilio barbastellus Sb.
Magdeburg E; Lerbach, Elbingerode Z; am Harze bis
zu den höchsten bewohnten Punkten nicht selten Bl; Halle
Gb; Aschersleben, Rudolstadt Si.
57. Vespertilio auritus L.
Braunschweig X; Magdeburg E; Quedlinburg $z; Ler-
bach, Rothehütte Z; Quenstedt R; Halle G@d, Sü; Aschers-
leben, Rudolstadt sSü.
112 Dr. Erwin Schulze: Verzeichniss der Säugethiere ete.
58. Rhinolophus hipposiderus Leach.
Quedlinburg Sz; bei Lerbach und Grund in alten Eisen-
steinsgruben häufig Z; gemein bei Rudolstadt Sü.
59. Rhinolophus ferrum equinum Leach.
In den Höhlen am südlichen Harzrande selten B7.
Wie viel Arten von Wissadula giebt es?
Von A. Garcke.
Als Medikus!) im Jahre 1787 nebst einigen anderen
Gattungen auch Wissadula nach der Fruchtform von Sida
abschied, war ihm nur eine Art bekannt, welche er
W. zeylanica nannte. Obgleich die Gattung vom Autor
sorgfältig und ausführlich beschrieben war, blieb sie doch
fast ein halbes Jahrhundert unbeachtet, selbst Kunth ?),
der genaue Kenner der Malvaceen, erwähnt sie in einer
kleinen Abhandlung vom Jahre 1822 gar nicht, bis zuerst
Presl3) wieder darauf aufmerksam machte und zu den er-
wähnten vier Arten (W. spicata, excelsior, scabra, hirsuta)
fügte, von denen die beiden ersten unter dem Namen Sida
schon länger bekannt waren. Ausserdem bemerkt Presl
ausdrücklich, dass auch S. periplocifolia und wahrschein-
lich auch S. hernandioides zu dieser Gattung gehören. Es
ist daher nicht statthaft, für erstere Thwaites®) als Autor
zu citieren, wie dies gewöhnlich geschieht. Linne beschrieb
diese Planze nämlich in der Flora zeylanica°) vom Jahre
1747 und ebenso in der ersten Auflage seiner Species plan-
tarum vom Jahre 1753 vortrefflich, fügte aber später eine
aus Amerika stammende, in diese Nähe gehörige, durch
1) Künstl. Geschlechter der Malven-Familie pag. 25.
2) Malvaceae, Büttneriaceae, Tiliaceae. Paris 1822.
3) Reliqu. Haenk. II pag. 117 u. folg.
4) Enum. pag. 27.
5) pag 114 Nr. 251: „folia cordata, sed valde producta in
acumen longissimum, integerrima.‘
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIII. 1890. 8
114 A. Garcke:
Plumier!) bekannt gewordene Art als Varietät?) hinzu,
welche nachher wieder als besondere Species geschieden
wurde. Da aber sowohl Linne als auch Medikus die zu-
erst von Dillenius°) unter dem Namen Abutilon periplocae
acutioris folio, fructu stellato beschriebene Pflanze im
Sinne haben und ausdrücklich dessen sehr instructive Ab-
bildung eitieren, so muss folgerecht der Linne’sche bezw.
Dilleniussche Name erhalten bleiben.
Nach Presl wird die Gattung Wissadula zwar von
Endlicher!) als solche anerkannt, dessenungeachtet aber
in den Localfloren und Sammelwerken meist noch unter
Sida oder Abutilon aufgeführt. Erst in neuerer Zeit, nach-
dem auch Bentham und Hooker°) sie als eigene Gattung
angenommen, erscheint sie in den nach diesen Autoren ge-
ordneten Floren und Zusammenstellungen in der Regel als
selbständige Gattung.
Bentham und Hooker geben die Arten auf fünf,
Masters®) später auf fünf bis sechs an, welche in Asien,
Afrika, im tropischen Amerika und in Mexiko vorkommen
und damit stimmen auch Durand’) und in neuester Zeit
Boerlage®) überein.
Wie wir gesehen, kannte Presl bereits fünf Arten aus
dieser Gattung, zu denen durch Turczaninow?) zwei
(W. symnostachya und Jamesonii) hinzukamen, welche aber
von Triana und Planchon !°) mit Recht wieder mit W. spicata
vereinigt werden. An dieser Stelle sind vier in Neu-Granada
vorkommende Arten dieser Gattung verzeichnet, nämlich
W. zeylanica, excelsior, nudiflora(Abutilon nudiflorum Sweet)
und spicata, mithin ist die Zahl der bereits bekannten um
1) Spec. 2 Ic. 3.
2) Spec. plant. Edit. 2 tom. 2 pag. 962.
3) Hortus Eltham. pag. 4 tab. 3.
4) Gener. plant. pag. 986 Nr. 5295.
5) Gener. plant. I pag. 204.
6) Flora of Brit. Ind. I pag. 325.
7) Index Gener. Phanerog. pag. 39.
8) Flora van Nederl. Indie I pag. 112.
9) Bulletin des natural. de Moscou 1858 pag. 202.
10) Prodr. Florae Novo-Granat. pag. 188.
Wie viel Arten von Wissadula giebt es? 31113,
eine vermehrt, so dass damals im ganzen 6 Arten als sicher
zu dieser Gattung gehörig nachgewiesen waren, wie dies
auch die Angaben von Bentham und Hooker bestätigen.
Zwar trifft man verschiedene andere Namen aus dieser
Gattung, so insbesondere W. rostrata Planchon zuerst in
Hooker's Niger Flora vom Jahre 1849 und später von
Maxwell Masters bei Oliver!) und bei Hooker fil. (l. e.),
doch sieht man aus den beigefügten Synonymen deutlich,
dass eben W. periploeifolia allein oder zugleich mit einer
verwandten Art gemeint ist.
Hier ist aber noch zu bemerken, dass Bentham und
Hooker (l. e.) zu den fünf oder sechs Arten dieser Gattung
auch Sida divergens Bth. rechnen, welche Grisebach2) zu
der besonderen Section Wissada von Sida erhebt, die ge-
wissermassen zwischen den Gattungen Sida und Wissadula
die Mitte hält. Diese würde demnach die siebente Art
ausmachen. Sehen wir uns jedoch in der Litteratur um,
so treffen wir eine grössere Zahl von Arten, welche hier-
her gerechnet werden müssen. Mit sicherem Takte führt
schon De Candolle°) bei Sida in der ersten Unterabtheilung
der dritten Sektion (Abutilon Kth.) neun Arten (Sida peri-
plocifolia, S. ferruginea, S. excelsior Cav., S. hernandioides
L’Herit., S. Luciana D. C., S. spieiflora D. C. (Abutilon
spicatum H. B. K.), S. Lechenaultiana D. C., S. nudiflora
L’HBerit. mit dem Synonymon S. stellata Cav. und S. poly-
antha Schldl.) auf, welche sämmtlich zu Wissadula gehören,
obwohl wir sie nicht alle als selbständige Arten anerkennen.
Nach diesem Vorgange hätte man erwarten sollen, dass in
den folgenden systematischen Werken eine gleiche oder
ähnliche Reihenfolge angenommen sein würde, doch ist dem
nicht so. In der zunächst erschienenen Aufzählung aller
damals bekannten Pflanzen von Sprengel‘) vom Jahre 1826
finden sich unter Nr. 30 Sida ferruginea D. C. (Abutilon
ferrug. H. B. K.), später unter Nr. 69 S. nudiflora L’Herit.
1) Flora of trop. Africa I pag. 182.
2) Flora Brit. W. Ind. pag. 77.
3) Prodr. syst. nat. I pag. 467.
4) Syst. veget. III pag. 112 und folgende.
&n
116 A. Garcke:
mit den Synonymen S. stellata und excelsior Cav.,
S. Luciana D. C., S. polyantha Schldl.? und unter Nr. 70
S. periplocifolia mit dem fraglichen Synonym S. Lechenaul-
tiana D. C.? und erst nach 4 Seiten unter Nr. 110
S. hernandioides L’Herit. und nach abermaliger Unter-
brechung unter Nr. 158 S. spieiflora mit dem bekannten
Synonym Abutilon spicatum H. B. K. Einen besseren An-
schluss an De Candolle selien wir bei G. Don'), bei welchem
diese Arten unter Abutilon stehen, mit der zwar übel an-
gebrachten, aber entschuldbaren Einschiebung von A.
sundaicum Don für Sida sundaica Blume?), welche der
Autor selbst mit S. Luciana und Lechenaultiana vergleicht,
zwischen A. Lucianum und spieatum und der richtigen
Einfügung der inzwischen von St. Hilaire aus Brasilien be-
kannt gemachten Arten A. patens und parviflorum zwischen
A. spieatum und A. Lechenaultianum, wobei man sich nur
wundern muss, dass die dritte gleichfalls hierher gehörige
Art, A. leucanthemum, welche bei St. Hilaire neben den
erwähnten steht, hier durch zehn Arten davon getrennt ist.
Dieselbe Reihenfolge treffen wir auch bei D. Dietrich ®)
an, nur mit dem Unterschiede, dass hier die beiden
Gattungen Sida und Abutilon wieder vereinigt sind und
in den Namen einige Unrichtigkeiten vorkommen, so steht
S. Hermanniae statt S. hernandioides und S. sundaica Spr.
statt Blume, während Sprengel!) den Namen in S. sundensis
umänderte. Ist übrigens die von Hasskarl5) gegebene aus-
führliche Diagnose und Beschreibung richtig, so gehört diese
Pflanze gar nicht zur Gattung Wissadula, sondern zu Abutilon,
wie sie denn auch mit A.tubulosum Hook. und A. polyandrum
Weght. und Arn., zweien unzweifelhaft zu Abutilon gehörigen
Arten, verglichen wird. Damit stimmt auch Miquel ®)
überein.
1) Gener. syst. of Sard. I pag. 50.
2) Bijdragen pag. 78.
3) Syn. plant. IV pag. 851.
4) Syst. veget. IV 2 pag. 259.
5) Retzia I pag. 130.
6) Flor. Ind. batav. I 2. pag. 143.
Wie viel Arten von Wissadula giebt es? IR
In der erwähnten Niger Flora von Hooker findet sich
bei W. rostrata unter den Synonymen auch Abutilon parvi-
florum St. Hilaire, welche nicht zu verwechseln ist mit
einer unter diesem Namen von Martius ausgegebenen
Pflanze. Letztere weicht wegen der steifen, einfachen, ab-
stehenden Haare am Stengel, an den Aesten, den Blatt-
und Blütenstielen von allen anderen bedeutend ab und ist
in Folge dieses auffallenden Merkmals unter den nahe-
stehenden am leichtesten zu erkennen. Von Presl wurde
sie nach einer von Lhotzky in Brasilien gesammelten Pflanze
als W. hirsuta beschrieben, wie dies von Hooker richtig
bemerkt ist. Sie war aber dort schon früher von Salzmann,
später von Luschnath gesammelt und von Klotzsch'!) als
Abutilon erinitum bestimmt.
Der Speciesname rostrata ist von Planchon vorange-
stellt, weil Schumacher und Thonning?) neben vielen
anderen unhaltbaren Arten aus Guinea auch eine S. rostrata
veröffentlichten. Zu dieser wird aber von Hooker (l. c.)
auch Abutilon laxiflorum Guillem. und Perrott.?) und als
bekannteste, in den Sammlungen häufigste Sida sive
Wissadula heterosperma Hochst. gestellt.
Im tropischen Afrika ist diese Pflanze an vielen Orten
gefunden, Masters sagt aber selbst, dass sie auch in West-
Indien, Brasilien und vielleicht auch in Ost-Indien vor-
komme. Kann man sich mit dieser Angabe der geo-
graphischen Verbreitung der Pflanze einverstanden erklären,
so muss auch eine andere, viel früher publieirte Art,
S. hernandioides L’Herit.*), dazu gerechnet werden und
diesem Namen würde dann das Prioritätsrecht zukommen.
Sechs Jahre nach L’Heritier machte ausserdem Cavanilles
in seiner monographischen Bearbeitung der Malvaceen Sida
excelsior®) bekannt, welche nach Presl’s Vorgange theils
als besondere Art von Wissadula angesehen, theils zugleich
1) Linnaea XIV (1840) pag. 301.
2) Beskr. af Guin. Pl. pag. 306.
3) Fiora Senegamb. I. pag. 66.
4) Nov. stirp. pag. 121 tab. 58.
5) Diss. I pag. 27 tab. 5 fig. 3.
118 A. Garcke:
mit Sida hernandioides L’Herit. zu Abutilon periplocifolium
gestellt wurde, wie dies Grisebach (l. c.) gethan hat. Es
ist nun nicht zu leugnen, dass beide im ganzen Habitus
eine grosse Aehnlichkeit besitzen und wohl mit Recht ver-
einigt werden, wenn auch die Früchte von S. hernandioides
meist kleiner, kugeliger und in der Regel weniger lang
geschnäbelt sind. Uebrigens wollen wir noch hervorheben,
dass Presl zwar S. periploeifolia und S. excelsior getrennt
wissen wollte, letztere auch mit besonderer Diagnose ver-
sah und den von Cavanilles gegebenen Namen als
Synonymon hinzusetzte, in Wirklichkeit aber nur die von
Haenke gesammelte typische S. periplocifolia vor sich hatte
und unter dem Namen Wissadula excelsior ausgab. Eber-
so gehören die auf Tafel 69 unter a—n gegebenen Figuren
nicht zu W. excelsior, sondern zu W. periplocifolia.
Die von De Candolle als zweite Varietät (#. caribaea)
zu Sida periplocifolia gezogene, in Jamaica einheimische
Pflanze wird jetzt wohl allgemein als mit Wissadula rostrata
zufammenfallend angesehen, dagegen möchten wir die als
fragliche dritte Varietät angeführte (y.? peruviana) als mit
S. nudiflora L’Herit. identisch betrachten. Der Linne’sche
Name periplocifolia würde demnach nur der ersten Varietät
(@. zeylanica) verbleiben und die Pflanze als selbständige
Art aufzufassen sein.
Als nächste Verwandte von Sida periplocifolia finden
wir nun bei De Candolle S. ferruginea angereiht, von
Kunth als Abutilon ferrugineum beschrieben, von welcher
der Autor aber selbst sagt, dass sie der S. periplocifolia
sehr ähnlich sei, wobei es ohne Ansicht eines Originals
allerdings fraglich bleibt, weleher De Candolle’schen Varie-
tät sie zugeschrieben werden soll. Fast möchte man aber
nach der Kunth’schen Schlussbemerkung zu der Vermuthung
gelangen, dass man es hier in der That mit der echten
S. periplocifolia L. zu thun habe, worauf auch der Species-
name deutet, denn die rostbraune Farbe tritt bei keiner
anderen Art so deutlich hervor, als bei dieser. Aehn-
lich verhält es sich mit der von De Candolle als Sida
Lechenaultiana eingeführten Art, die er aus dem botanischen
Garten zu Calcutta erhalten hatte, welche wahrscheinlich
Wie viel Arten von Wissadula giebt es? 119
noch jetzt als Unkraut dort vorkommt, wenigstens führt sie
Masters in Hookers Flora!) als solche auf. Was wir aus
dieser Queile unter verschiedenen Namen, aber mit der
von Masters gegebenen Diagnose und Beschreibung über-
einstimmend sahen, schien uns von W. hernandioides nicht
verschieden zu sein. Ebenso verdient Sida Luciana D. C.
blos wegen des gedrungenen Blütenstandes nicht von dieser
getrennt zu werden. So bleibt denn von den in diese
Verwandtschaft gehörigen, von De Candolle aufgezählten
Arten nur Sida polyantha Schldl.2), eine früher im Berliner
botanischen Garten gezogene Pflanze, übrig, von welcher
gesagt wird, dass sie der S. nudiflora sehr ähnlich sei, aber
eine kleinere Blumenkrone besitze. Dieses Merkmals wegen
möchten wir sie aber eher zu S. hernandioides ziehen, da
der blattlose Blütenstand, zwar schon von L’Heritier als
besonders wichtiges Kennzeichen für S. nudiflora hervorge-
hoben, bei den verwandten Arten ebentialls vorkommt,
während die grosse Blüte für letztere sehr bezeichnend ist.
Die Pflanze ist übrigens nicht mit Sida polyandra Roxb.
oder, wie sie auch genannt wird, S. persica Burm.°’) zu
verwechseln, wie dies von Masters (l. c.) geschehen ist,
welcher die Roxburgh’sche Pflanze als Abutilon polyandrum
Schldl. aufführt. An dieser von Masters für A. polyandrum
mit Unrecht eitierten Stelle!) findet sich auch eine vielleicht
nur einmal im Berliner botanischen Garten cultivierte mit
kurzer Diagnose als Sida contracta Link eingeführte Art
aus Madagaskar, welche mit S. nudiflora verglichen wird,
aber nur ohne Blüte und Frucht bekannt war und deshalb
besser unbenannt geblieben wäre.
Unter den von St. Hilaire°) publicierten Arten der
Gattung Abutilon treffen wir ausser dem erwähnten
A. parviflorum noch A. patens und leucanthemum als in
diesen Kreis gehörig an. Beide sind vom Autor ausführ-
lieh beschrieben und da erstere auch von anderen Reisenden
1) Flora of Brit. Ind. I pag. 325.
2) Link Enumeratio Plant. Hort. Berol. II pag. 204.
3) Flora Indica pag. 148 tab. 47 fig. 1.
4) Link Enumerat. |. c.
5) Flora Brasil. merid. Vol. I pag. 196 sq.
120 A. Garcke:
in Brasilien gesammelt wurde, so ist sie zur Genüge be-
kannt. Die Blätter sind länglich, nur kurz bespitzt und
meist mit stumpfer Spitze, niemals mit so langer Spitze
als bei W. laxiflora, am Grunde abgerundet oder stumpf,
kaum einmal schwach herzförmig und die dunkelgrüne
Oberseite bildet einen lebhaften Contrast mit der hellen
Unterseite. Abutilon leucanthemum St. Hil. soll sich zwar
durch weisse Blüten unterscheiden, doch kommen solche
auch bei A. parviflorum vor und beide möchten wir nicht
von W. hernandioides getrennt wissen.
Die Abgrenzung mancher Arten ist in dieser Gattung
ausserordentlich schwierig, häufig sind die unbedeutendsten
Merkmale, bisweilen sogar nur Alterszustände oder Ver-
kümmerungen zur Aufstellung von Arten benutzt worden,
woher es denn kommt, dass einige Species eine reiche
Synonymie besitzen. Da der Fruchtbau bei allen Arten
übereinstimmt, so hat man hin und wieder in der längeren
oder kürzeren Schnäbelung oder Zuspitzung der Klappen
Unterschiede finden wollen, obgleich dieselbe oft an ein
und demselben Exemplar variiert. Aehnlich verhält es sich
mit der Form der Blätter, welche, da sie fast alle ganz-
randig oder nur sebr fein gezähnelt sind, ohnehin wenig
Anhalt zur Unterscheidung bieten; wichtiger und beachtens-
werter ist bei ihnen das Verhältniss der Länge zur Breite.
So ist zu bewundern, dass bei De Candolle (l. ec.) gegen
das sonst im ganzen Werke befolgte Prinzip, verwandte
Formen möglichst auseinanderzubalten und als eigene Arten
anzusehen, unter Sida periploeifolia drei Varietäten vereinigt
sind, welche, wie wir gesehen haben, unstreitig ebenso vielen
Arten angehören.
Am besten unterschieden sind, wie schon oben bemerkt,
W. spieata wegen des stets einfachen ährenförmigen Blüten-
standes und der breiten, oft kreisförmigen, bisweilen fast
nierenförmigen, plötzlich lang und schmal zugespitzten Blätter,
W. periplocifolia, wenn man darunter eben nur W. zeylanica
Medik. versteht, mit den abgestutzten oder sehr schwach
berzförmigen, dreieckig-länglichen mittleren und oberen
Blättern, welche oft dreimal länger als breit sind und
Wie viel Arten ven Wissadula giebt es? 121
W. hirsuta Presl wegen der einfachen, abstehenden Be-
haarung.
Am meisten schwankt die Blattform bei Sida hernan-
dioides, excelsior, rostrata, laxiflora und parviflora, welche
aber sonst in ihrer ganzen Tracht einander so täuschend
ähnlich sind, dass es wohl am besten ist, sie als zu einer
Art gehörig zu betrachten.
Selbst Wissadula nudiflora, im normalen Zustande durch
kleinere, fast kreisrunde Blätter und mehr als doppelt
grössere Blüten zu unterscheiden, ist bisweilen schwer
von W. bernandioides zu trennen.
Während W.scabra Presl im Habitus von allen übrigen
Arten dieser Gattung sehr abweicht, stimmt eine andere,
bisher stets zu Abutilon gestellte Art weit mehr mit den
echten Wissadula-Arten überein, wir meinen A. holosericeum
Scheele !).
Da der Autor ungeachtet der ausführlichen Diagnose
und Beschreibung die Verwandtschaft der neu beschriebenen
Art verschweigt und nicht einmal die Section angiebt, in
welehe sie zu stellen ist, was in einer so artenreichen
Gattung wie Abutilon wohl hätte erwartet werden dürfen,
auch die eigenthümliche Einschnürung der Karpelle und die
Lage der Samen unerwähnt lässt, so wird man kaum auf
die Vermuthung kommen, dass man es hier mit einer
Wissadula zu thun habe. Dies erfährt man selbst von
Asa Gray nicht, dessen A. velutinum?) mit A. holosericeum
identisch ist, aber die von beiden Autoren ausgegebenen
Pflanzen lassen keinen Zweifel über die richtige Stellung
der Art. Eher könnte man Bedenken tragen, Abutilon
mueronulatum A. Gray?) mit angeblich 4—5 Samen hier-
her zu bringen, wenn nicht der überaus sorgfältige Autor
selbst die Art später?) zur Gattung Wissadula gestellt hätte,
wie dies auch von Sereno Watson5) anerkannt wird.
1) Linnaea Vol. XXI (1848) S. 471.
2) Gener. fl. Amer. Vol. II pag. 67 et 230 tab 125.
3) Proc. Amer. Acad. V. 175.
4) In Emory Report. U. St. Part II pag. 39.
5) Biographical Index pag. 144.
122 A. Garcke:
Am verbreitetsten von diesen sind W. periplocifolia
und hernandioides, da sie in allen Tropenländern gefunden
wurden, W. nudiflora und spicata sind auf Südamerika,
W. divergens auf Südamerika und die Antillen, W. patens
und hirsuta auf Brasilien beschränkt, während W. scabra,
holosericea und mucronulata nur in Nordamerika (Mexico,
Texas u. s. w.) vorkommen.
Der besseren Uebersicht wegen lassen wir nun die
Arten mit ihren Synonymen in chronologischer Reihe
folgen.
Wissadula Medik.
1. W. periplocifolia Presl Relig. Haenk. II. pag. 117
(1831—36), Thwaites Erum. pag. 27 (1854).
Sida periplocifolia L. Spec. plant. ed. 1. pag. 684
(1753), ed. 2. Vol. IH. pag. 962 (1763).
Abutilon periplocifolium Sweet Hort. Brit. ed. 2.
pag. 64 (1830).
Wissadula zeylanica Medik. Künstl. Geschlechter
der Malven-Familie S. 25 (1787).
Abutilon ferrugineum H. B. K. Nov. gen. americ.
V, pag. 271? (1821)
Sida ferruginea DC. Prodr. I. pag. 468? (1824).
2. W. hernandioides.
Sida hernandioides L’Herit. Stirp. nov. fasc. V. pag.
121 t. 58 (17855).
Sida excelsior Cav. Diss. I. pag. 27 t.5 fig. 3
(1790).
Sida polyantha Schldl. in Link Enum. horti berol.
II. pag. 204 (1822).
Sida contracta Lk. 1. ce. (1822).
Sida Luciana DC. Prodr. I. pag. 468 (1324).
Sida Lechenaultiana DC. 1. ce. (1824).
Sida rostrata Schum. et Thonn. Beskr. af Guin.
plant. pag. 306 (1827).
Abutilon parviflorum St. Hil. Flor. Brasil. merid. I.
pag. 201 (1827).
Abutilon leucanthemum St. Hil. 1. ce. pag. 200
(1827).
SW.
Wie viel Arten von Wissadula giebt es?- 123
Abutilon hernandioides Sweet Hort. Brit. ed. 2 pag
64 (1830).
Abutilon polyanthum Sweet 1. c. (1830).
Abutilon contractum Sweet 1. c. (1830).
Abutilon Lueianum Sweet 1. e. (1830).
Abutilon Lechenaultianum Sweet 1. c. (1830).
Abutilon excelsior (sie!) G. Don Gener. syst. I. pag.
500 (1831).
Sida stellata G. Don 1. e. pag. 499 (nec Cav.) sec.
Hook. Niger Flor. pag. 229.
Abutilon laxiflorum Guill. et Perr. Flor. Seneg.
I. pag. 66 (1831—33).
Wissadula hernandioides? et W. excelsior Presl 1. c.
Wissadula rostrata Planch. in Hook. Niger Flora
pag. 229 (18349).
Abutilon verbascoides Turez. Bull. Mosc. 1858 pag.
202 (ex Triana et Planch. Ann. se. nat. IV.
Ser. (1862) pag. 187.)
Wissadula Lechenaultiana Masters in Hook. Flor.
of Brit. Ind. I. pag. 325 (1874).
Sida heterosperma Hochst. mss. in plant. Kotschyan.
Wissadula heterosperma Hochst. mss. in plant.
Schimper.
. nudiflora.
Sida nudiflora L’Herit. Stirp. nov. fasc. V. pag.
123 tab. 59 (1785).
Sida stellata Cav. diss. I. pag. 27 tab. 5 fig. 4
(1790).
Abutilon nudiflorum Sweet 1. e. (1830).
. spicata Presl Reliq. Haenk. II. pag. 117 (1831—36).
Abutilon spicatum H. B. K. Nov. gen. americ. V.
pag. 271 (1821).
Sida spiciflora DC. Prodr. I. pag. 468 (1324).
Wissadula gymnostachya et W. Jamesonii Turezan.
in Bull. Soc. imp. nat. Mosc. 1358 pag. 202.
patens.
Abutilon patens St. Hil. Flor. Brasil. merid. I. pag.
200 (1827).
124 A. Garcke: Wie viel Arten von Wissadula giebt es?
6. W.
T..N0WL.
saw.
SO WWE
10. W.
hirsuta Presl ]. ce.
Abutilon parviflorum Martins hb. flor. Brasil.
(nec. St. Hil.)
Abutilon erinitum Klotzsch in Linnaea vol. XIV.
(1840) pag. 501.
scabra Presl 1. c.
holosericea.
Abutilon holosericeum Scheele in Linnaea vol. XXI.
(1845) pag. 471.
Abutilon velutinum Asa Gray Gener. flor. Americ.
II. pag. 67 et 230 tab. 125.
mucronulata Asa Gray in Emory Report U. St. Part.
II. pag. 39 (1858).
Abutilon mueronulatum Asa Gray Proc. Americ.
Academ. V. pag. 175.
divergens Bth. et Hovk. gen. plant. 'I. pag. 204
(1862).
Sida divergens Bth. Bot. of Belch. voy. of the
Sulphur pag. 69 (1844).
Ueber ein Vorkommen von Krystallen in der
Formation des Keupers.
Von E. Dunker, Geheimer Bergrath a. D. in Halle a. S.
Unter Weserthal im engeren Sinne wird das schöne
breite Thal verstanden, welches sich von Hameln bis
Vlotho erstreckt. In dem oberen Theile des im Süden des
Thales auftretenden und im Ganzen nach Norden ein-
fallenden Keupers zeichnet sich besonders eine, vielfach
für den Ackerbau benutzte Schicht grauen Mergels durch
ein, schon von Hausmann beschriebenes, !) Vorkommen
von Krystallen aus.
Sie enthält zunächst in grosser Menge ringsum ausge-
bildete, durch Zersetzung zu Brauneisenstein gewordene
Krystalle von Schwefelkies.
Die vorkommenden Gestaltensind O2 und »02. 0»,
2 2
theils einfach, theils in den bekannten Durchkreuzungs-
Zwillingen. Zu Hohenrode bei Rinteln fand ich darin als
Seltenheit auch kleine, sehr regelmässig ausgebildete
Vetaöder, deren Fundort in Folge der Anlegung eines
Fahrweges nicht mehr zugänglich ist.
In einer tiefer liegenden röthlichen Mergelschicht
kommen ebenfalls die zersetzten Kiese vor, aber nur in
Würfeln. Anders gestaltete, unansehnliche Krystalle in
einer höherliegenden Mergelschicht beim Dorfe Friedrichshöhe
nach Osten haben zwar eine dünne graue Haut, sind
darunter aber unzersetzt.
1) Uebersicht der jüngeren Flötzgebilde im Flussgebiete der
Weser. 1824. S. 265 u. w.
126 E. Dunker:
Ausser den Kiesen enthält die Schicht des grauen
Mergels hohle kugelförmige, sphäroidische oder unregel-
mässige Massen von krystallinischem Kalke, deren fast stets
vorhandene Hohlräume mit Bergkrystallen und daneben
oft auch mit einigen Kalkspathkrystallen besetzt sind. Die
Bergkrystalle sind in der Regel von grosser Klarheit —
sogenannte Schaumburger oder Lippische Diamanten, —
im Durchschnitt zwar nicht gross, aber nach Hausmann
zuweilen die Grösse von einem Zoll und wohl noch da-
rüber erreichend.
Man wird sich dies Vorkommen so erklären können,
dass im Mergel, als er noch weich war, durch Zersetzung
Gase und dadurch Hohlräume entstanden. In diese gelangte
dann Kalklösung, aber in den meisten Fällen nur so lange,
dass der abgelagerte krystallinische Kalk noch einen
grösseren oder kleineren Hohlraum übrig liess, in welchem
durch zugeführte Kieselsäurelösung die Bergkrystalle und
neben ihnen durch weitere Zuführung von Kalklösung auch
einige Kalkspathkrystalle entstanden.
Bei Vlotho erstreckt sich der Keuper auch auf das
rechte Weserufer. Hier fand ich vor langer Zeit an der
senkrechten Wand einesMergelbruchs, dass der krystallinische
Kalk eine zusammenhängende Schicht bildete, unterbrochen
von Höhlungen, die kleine Bergkrystalle enthielten. Diese
Schicht zog sich wie ein etwa 1S Centimeter breites Band
wohl 6 Meter lang an der Mergelwand hin, was durch die
vielen blitzenden Bergkrystalle sehr schön aussah. Der
Fortbetrieb der Bruchs hat dies beseitigt, es kommen aber
daselbst an anderen Stellen die Krystalle in sehr kleinen
Drusen noch vor.
Das Vorkommen der Bergkrystalle erstreckt sich von
Hohenrode nach Süden bis zu dem hochliegenden Dorfe
Goldbeck, nach Westen bis Vlotho und in dem dazwischen
liegenden Theile des Fürstenthums Lippe-Detmold. So
ist dadurch eine Art von Krystallflötz gebildet, das mehr
als eine Quadratmeile umfassen wird.
Es scheint mir wünschenswerth, dies interessante Vor-
kommen für Mineraliensammlungen zugänglicher zu machen,
als es bisher gewesen ist, nicht sowohl zur Beschaffung
Ueber ein Vorkommen von Krystallen etc. LT
einzelner Krystalle, als ihrer, die Art des Vorkommens
zeigenden Drusen.
Bei ihrer weiten Verbreitung kann es scheinen, sie
seien ohne Weiteres in erwünschter Beschaffenheit zu er-
langen. So einfach ist es aber nicht. Zunächst muss doch
die Mergelschicht blosgelegt sein. Im Weserthale tritt das
nur ein, wenn sich ein Thal nach Süden in den Keuper
erstreckt.
Das ist nur bei dem Dorfe Hohenrode der Fall und
das Vorkommen würde von da nach Osten noch weiter zu
beobachten sein, wenn es da nicht an einem solchen Thal-
einschnitte fehlte.
Ist ein Mergelbruch lange nicht benutzt worden, so
können weitläuftige Aufräumungsarbeiten erforderlich sein.
Am besten ist es, man kommt, wenn Mergel gebrochen
worden ist und im Bruche noch die hohlen, die Krystalle
enthaltenden Massen liegen, die man nur aufzuschlagen
braucht. So fand ich es in Hohenrode und von da stammen
auch die von mir gesammelten Drusen. Kommt man später,
so können sie schon als Strassenbaumaterial zerkleinert sein.
Das Sammeln ist daher am sichersten und bequemsten,
wenn man am Orte des Vorkommens oder in dessen Nähe
wohnt. Das ist, weil die besten Arten des Vorkommens
mehr oder weniger bei Dörfern liegen, bei den in denselben
wohnenden Schullehrern der Fall, die sich also besonders
gut zu Sammlern eignen. Die gesammelten Drusen würden
an Mineralien-Handlungen, Privat- und Öffentliche Samm-
lungen, die grösseren namentlich an die letzteren verkauft
werden können. Ich selbst würde eine schöne Druse gern
erwerben, weil ich zwar die Kiese in grosser Menge besitze,
mir aber das, was ich an Drusen gesammelt habe, bis auf
ein kleines Stück, in nicht erklärter Weise abhanden ge-
kommen ist. Zur Darstellung des Vorkommens würden
auch gute Exemplare der Kiese gehören.
Als Fundorte der Bergkrystalle giebt Hausmann an
den hohen Ash bei Bösingfelde, Langenholzhausen im
Lippischen und Uffeln bei Vlotho. Hierzu kommt noch
Hobenrode. Der Fundort zu Uffeln ist der schon erwähnte
128 E. Dunker: Ueber ein Vorkommen von Krystallen etc.
auf dem rechten Weserufer und jetzt wahrscheinlich nur
noch wenig brauchbar.
Der hohe Ash zeigt nach meiner Beobachtung das
Vorkommen nicht anstehend, sondern als sogenannten
Diamantacker, das heisst, auf dem Ausgehenden liegt ein
Acker, in den die Krysalle gelangt sind, was so aussieht,
als ob man Glasstücke darauf ausgestreut hätte.
Der frühere, nicht mehr zugängliche Fundort in Hohen-
rode wird sich durch einen anderen ersetzen lassen. Es
befindet sich nämlich etwas weiter nach Süden am Wald-
rande ein Lehmgraben, in dem die Kinder Krystalle, die
vom Ausgehenden herabgeschwemmt sein müssen, schon
seit langer Zeit gefunden haben und noch finden. Räumt
man also von da am Abhange nach oben in gerader
Richtung das trockene Laub und etwas Erde fort, so wird
man die anstehenden Krystalle erreichen. In dem Lehm-
graben sollen auch früher Krystalle gesammelt sein, um sie
als Schmuck für das Hoftheater zu Kassel zu benutzen.
Wahrscheinlich ist auch das Dorf Goldbeck, das unge-
fähr eben so hoch liegen wird, wie die Fundstelle auf dem
hohen Ash, ein guter Fundort.
Ich begab mich daher früher auf den Weg dahin und
war schon bis zur Försterei in Nösingfeld gekommer,
deren Vorstand mich nach Goldbeck begleiten wollte. Da trat
aber ein so starker Regen ein, dass ich umkehren musste.
Zwischen Nösingfeld und Goldbeck befinden sich nach
dem betreffenden Blatte des topographischen Atlasses von
Kurhessen Hohlwege oder tief eingeschnittene Fahrwege.
Ihre genaue Untersuchung ist erforderlich, weil durch sie
das Vorkommen aufgedeckt sein kann. Hiermit steht in
Uebereinstimmung, dass Herr Bornemann zu Rinteln in dem
auf der Linie Hohenrode-Goldbeck liegenden Rintelnschen
Hagen in einem Fahrwege eine Hohlkugel von mittlerer
Grösse mit sehr schönen Krystallen gefunden hat. Da nun
auch der Fundort Hohenrode ein guter ist, so bat man
Aussicht, auf der Linie Hohenrode-Goldbeck da, wo das
Vorkommen hinreichend aufgeschlossen, oder seine Auf-
schliessung niebt zu schwierig ist, schöne Krystalle zu finden.
Ueber Bau und Entwicklung der Kiemen der
Froschlarven.
Von Hugo Naue aus Oranienbaum in Anhalt.
Mit Tafel I. u. II.
Einleitung.
Der mächtigste und am meisten treibende Faktor in
der Entwicklung der Thiere ist das Prinzip der Arbeits-
theilung. In Folge dieses Prinzipes lokalisiren sich die
einzelnen Thätigkeiten ; es entstehen an bestimmten Orten
des thierischen Körpers den einzelnen Funktionen genau
angepasste Organe. In sehr deutlicher und klarer Weise
sehen wir dies Prinzip bei der Athmungsthätigkeit in An-
wendung gebracht. Das Thier braucht zur Erhaltung seiner
Lebensthätigkeit den Sauerstoff. Um diesen zu erhalten
und in sich aufzunehmen, dient ihm im frühesten Jugend-
alter, und bei gewissen Thierarten die ganze Lebenszeit
hindurch die gesammte Körperoberfläche. Sobald jedoch
die Lebensthätigkeit der Thiere eine grössere wird, genügt
die Athmung, resp. Zufuhr des Sauerstoffs durch die Körper-
oberfläche nicht mehr, sondern es bilden sich einzelne
Organe, welche dies Amt übernehmen. Je grösser und ent-
wickelter nun das Thier ist, um so mehr Sauerstoff gebraucht
es zu seiner Erhaltung und um so komplizirter sind die
Athmungsorgane gebaut.
Beschränken wir uns auf den Kreis der Wirbelthiere,
so sehen wir, dass hauptsächlich zwei Organe es sind, welche
dazu dienen, den Sauerstoff aus dem umgebenden Medium
aufzunehmen und in das Blut überzuführen. Es sind dies
die Lungen, welche die Bestimmung haben, den Sauerstoff
aus der atmosphärischen Luft aufzunehmen und welche
Zeitschrift £. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. I
130 Hugo Naue:
somit hauptsächlich den Landthieren eigen sind und zweitens
die Kiemen, welche den Sauerstoff aus dem Wasser ziehen
und deshalb den wasserbewohnenden! Thieren zugehören.
Verfolgen wir den Entwicklungsgang der Thiere, so
finden wir, dass nicht alle sich sofort aus dem Ei zu dem
definitiven Thiere entwickeln, sondern dass sie oft auch
nach der Geburt noch einer Reihe von Metamorphosen
unterworfen sind, die eine verschiedene Lebensweise: be-
dingen, dass z. B. Individuen, welche später fast nur auf
dem Lande leben, im Jugendzustande Wasserbewohner sind.
Den verschiedenen, während ihrer Lebenszeit sie um-
sebenden Medien angemessen, müssen auch die Athmungs-
organe verschiedene sein. Eins der schlagendsten Beispiele
hierfür bietet der Frosch. Bei ihm haben wir im ersten
Jugendstadium nur Athmung durch die Körperhaut. In der
weiteren Entwicklung bilden sich Kiemen, deren das Thier
zweierlei Art hat, nämlich einfachere äussere und im späteren
Larvenstadium zusammengesetzte innere, denn dasselbe ist
im Larvenzustande ein Wasserbewohner. Bei der Meta-
morphose in das definitive Thier verschwinden diese, während
sich gegen Ende des Larvenzustandes schon Lungen ge-
bildet haben, welche alsbald in Funktion treten.
Ein so bekanntes und weitverbreitetes Thier der Frosch
nun auch ist, so sind dennoch seine jugendlichen Respirations-
Organe weder in histologischer noch entwicklungsgeschicht-
licher Hinsicht genauer untersucht, und schulde ich daher
meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geheimen Hofrath Pro-
fessor Dr. Leuckart den grössten Dank, dass er mich auf
dieses Thema aufmerksam machte und mich später, während
der Untersuchungen, durch seine reiche Erfahrung freund-
lichst unterstützte.
Litteratur.
Die Beschreibungen über die Kiemen der Batrachier
beschränken sich zum grossen Theile nur auf Untersuch-
ungen makroskopischer Art, sowohl in anatomischer als
entwicklungsgeschichtlicher Beziehung. Erst einige der
neueren Forscher haben auch die Histologie derselben in
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 151
Berücksichtigung gezogen. Die ältesten Werke, welche ich
benutzt habe, stammen aus dem Jahre 1326. Es sind zwei
Abhandlungen von Rusconi und E. Huschke.
Der erstere schreibt in seiner Arbeit: „Developpement
de la grenouille commune depuis le moment de sa
naissance jusqu’a son etat parfait“ im 1. Bande pag. 12
und 47, dass man ungefähr 52 Stunden nach der Geburt
die äussern Kiemen in Gestalt einer Hervorragung zu beiden
Seiten des Kopfes bemerkt. Der Kopf hat sich in diesem
Stadium schon ausgebildet und der Schwanz schon in die
Länge gezogen. Er verfolgt dann genau die Entwicklung
der äussern Kiemen bis zu deren Verschwinden. Bei der
Untersuchung der innern Kiemen beschränkt er sich haupt-
sächlich auf den Verlauf der Blutgefässe, während die
Anatomie nur wenig Beachtung gefunden hat. Bemerkens-
werth ist, dass er eine bei vielen späteren Autoren vermisste
eingehendere Beschreibung der später zu beschreibenden sieb-
artigen Gebilde liefert, und sich auch über ihre physiologische
Bedeutung richtig ausspricht, indem er sagt: Leur usage
a ce que je crois est de retenir dans la cavit& de la bouche
les corpuscules que le tetard avele avec leau, qui ä la
langue pourroient obstruer le canal branchial s’ils n’&taient
pas rejetes ainsi d’apres cette supposition j’ai eru devoir les
designer par le nom de filtres.
Die zweite Abhandlung aus demselben Jahre ist die
von E. Huschke: „Ueber die Umbildung des Darmkanals
und der Kiemen der Froschquappen“. Der Verfasser be-
schreibt darin hauptsächlich das Verschwinden der innern
Kiemen und kommt zuletzt zu dem Schlusse, dass aus ihnen
die Schilddrüse sich bildet.
Werthvolle Aufzeichnungen über den anatomischen Bau
der Froschkieme liefert Rathke in seinen: „Anatomisch-
philosophischen Untersuehungen über den Kiemenapparat
und das Zungenbein der Wirbelthiere“.
Die Abhandlung stammt aus dem Jahre 1532. Merk-
würdigerweise bringt er über die siebartigen Gebilde keine
Bemerkung, während er sonst die anatomischen Verhältnisse
eingehend beschreibt und sich sowohl über die äusseren
Kiemen, als auch über die inneren verbreitet, und sogar der
9*
132 Hugo Naue:
Entwicklung der Opercularfalte einige Zeilen widmet. Sehr
interessant sind auch seine Aufzeichnungen über das
Schwinden der inneren Kiemen, sowie über deren Verbleib.
Auf einige Punkte, in denen ich mit seinen Angaben
nicht übereinstimme, werde ich im Laufe der Abhandlung
zurückkommen.
Einen weiteren Beitrag zur Kenntniss der Kiemen
liefert uns eine Abhandlung vom Jahre 1834 aus der
Feder des französischen Gelehrten Duges: „Recherches sur
l’osteologie et la myologie des Batraciens a leurs differents
äges“. Der Verfasser giebt darin eine Darstellung der
Entstehung und des Verschwindens der äusseren Kiemen
und macht Angaben über den Bau der inneren, speciell,
wie der Titel besagt, über die Muskulatur und den Knochen-
bau derselben.
Zehn Jahre später liessen Prevost et Lebert eine Be-
schreibung der Kiemen unter dem Titel: „Sur la formation
des organes de la eirculation et du sang dans les Batraciens“
erscheinen. Nach einer kurzen Beschreibung der Entstehung
und des Baues der Kiemen verbreiten sie sich eingehender
über den Inhalt derselben im ersten Stadium, sowie über
die Bildung der Blutgefässe.
Die erste genauere Beschreibung der Kiemen finde ich
in einer Arbeit aus dem Jahre 1882 von E. V. Boas: „Ueber
den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien“.
Der Verfasser giebt darin eine kurze aber genaue Schilder-
ung der anatomischen Verhältnisse, sowohl der Kiemen, als
auch der siebartigen Gebilde, welche sich auch auf den
histologischen Bau erstreckt. Vornehmlich aber beschreibt
derselbe den Verlauf der Blutgefässe in den Kiemen und
den siebartigen Gebilden der ausgebildeten Larve. Am
Scehlusse seiner Abhandlung bespricht er noch gewisse Ver-
änderungen, die während des Uebergangsstadiums der Larve
zum definitiven Thiere, dem Frosche, sich bemerkbar
machen.
In einer zweiten Abhandlung :: „Beiträge zur Angiologie
der Amphibien“, aus dem Jahre 1883, bestreitet Boas ganz
entschieden die Annahme E. Huschke’s, dass die Carotiden-
drüse aus den Kiemen entstände. Er stellt vielmehr die
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 135
Behauptung auf, dass dieselbe durch Aussackungen der
früheren Kiemenarterien und der Carotis externa ihren Ur-
sprung nehme.
Die Arbeit des Engländers Thomas Aleock: „On the
development of the common frog‘“‘, aus dem Jahre 1884,
beschränkt sich lediglich auf Angaben über die Zeit, in der
die einzelnen Organe entstehen, ohne indessen weiter auf
dieselben einzugehen.
Zwei weitere Abhandlungen über die Kiemen sind die
im Jahre 1838 erschienenen Schriften von F. Maurer: „Die
Kiemen und ihre Gefässe bei anuren und urodelen Am-
phibien und die Umbildung der beiden ersten Arterienbogen
bei Teleostiern“ in C. Gegenbauers morphologischem Jahr-
buch, und von F. E. Schulze: „Ueber die inneren Kiemen
der Batrachierlarven“, aus den Abhandlungen der Königlich
preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Der Verfasser der ersten Schrift bezieht sich, wie er
in seiner historischen Uebersicht sagt, zunächst auf die
Arbeiten von Boas. Er ergänzt dieselben in Bezug auf die
erste Entwicklung der Kiemengefässe bei den Amphibien
überhaupt, sowie speciell den Anurenlarven.
Von der Arbeit des zweiten Verfassers ist bis jetzt nur der
erste Theil erschienen und zwar zu einer Zeit, in der meine
eigenen Untersuchungen schon dem Abschluss nahe waren.
In diesem ersten Theile aber ist von den Kiemen über-
haupt noch nicht die Rede. Derselbe behandelt nur das
Epithel der Lippen und der Mund-, Kachen- und Kiemen-
höhle.
Aus demselben Jahre stammt schliesslich auch eine
Abhandlung von P. Jordan : „Die Entwicklung der vorderen
Extremität der Anuren Batrachier“.
Der Verfasser liefert in derselben eine genaue Be-
schreibung des Baues und der Entwicklung des Kiemen-
deckels und des die beiden Kiemenhöhlen verbindenden
Kanals.
134 Hugo Naue:
Untersuchungsmaterial.
Der leichten Beschaffung und der Menge des Materials
wegen habe ich meine Untersuchungen zumeist an Larven
von Rana temporaria und esculenta vorgenommen. Zu
Untersuchungen unter dem Mikroskope sowohl in topo-
graphischer als histologischer Hinsicht habe ich nur oben-
genannte beide Arten benutzt, während ich bei macros-
kopischen Untersuchungen vielfach auch die Larven von
Pelobates fuscus, welche in der Umgegend von Leipzig
nicht selten vorkommen, zu Hilfe genommen habe, nachdem
ich mich durch Vergleichung derselben mit den vorher er-
wähnten Arten überzeugt hatte, dass ausser der Differenz
in der Grösse, welche allerdings beträchtlich ist, zumal da
von mir nur überwinterte Larven benutzt wurden, andere
Unterschiede, im Bau der Kiemen wenigstens, nicht vor-
handen sind. Larven anderer Froscharten standen mir
nicht zur Verfügung.
Untersuchungsmethoden.
Die Konservirung der zu untersuchenden Objekte habe
ich auf zweierlei Weise vorgenommen:
1) durch Behandlung mit Chromsäure,
2) durch Uebertragung in Sublimat.
Bei letzterer Methode verfuhr ich so, dass ich die
Thiere in konzentrirte Sublimatlösung brachte, welche vor-
her auf ca. 45°C. erwärmt war. In derselben wurden sie
binnen weniger Sekunden abgetötet. Bis zum Erkalten der
Lösung, also ca. !/, Stunde verblieben sie darin. Hierauf
wurde das Sublimat mit Wasser, oder wenn es schneller
gehen sollte, mit Jodalkohol ausgewaschen. Die auf diese
Weise behandelten Objekte wurden dann zunächst in 30 ‘
Alkohol gebracht, später in 70 bis 96 °/, Alkohol gehärtet
und schliesslich in ca. 90 °/, übertragen.
Auch in kaltem Sublimat versuchte ich einige Thiere
zu konserviren, doch zeigte sich dabei der Uebelstand,
dass Verzerrungen der Organe auftraten, die sie zu Unter-
suchungen untauglich machten.
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 135
Ein Versuch, die Thiere, bevor sie in kaltes Sublimat
gebracht wurden, durch Öurare in die Muskelstarre zu ver-
setzen und sie auf diese Weise zu Bewegungen und Ver-
zerrungen unfähig zu machen, zeigte günstige Resultate.
Die in Chromsäure konservirten Objekte konnte ich
leider zu mikroskopischen Präparaten fast gar nicht ge-
brauchen, da keines der von mir angewendeten Tinktions-
mittel die Objekte färbte. Infolgedessen sah ich mich ge-
nöthigt, mich bei denselben auf makroskopische Unter-
suchungen zu beschränken.
Als Färbemittel benutzte ich Pierocarmin, saures Carmin
und Haematoxylin. Bei ersterer Färbemethode erhielt ich
sehr schöne Gesammtbilder, während sich Haematoxylin
mehr zur histologischen Untersuchung geeignet zeigte.
Um den Verlauf der Blutgefässe besser erkennen zu
können , machte ich Versuche mit Injektionen. Zur ersten
Injektion benutzte ich salpetersaures Silber, doch entsprach
der Erfolg den daran geknüpften Erwartungen in nur sehr
seringem Maasse.
Ein zweiter Versuch mit ammoniakarmer Carminlösung,
wozu der besseren Neutralisation wegen etwas Salz hinzu-
gesetzt war, misslang vollständig.
Um so besser gelang mir aber ein dritter Versuch, den
ich anstellte. Ich benutzte dazu die feinste chinesische
Tusche, welche ich mit dem Finger abrieb.
Auch hier setzte ich der besseren Neutralisirung halber
etwas Salz hinzu. Der Erfolg war, wie schon gesagt, ein
ganz vorzüglicher.
Die Injektion selbst nahm ich auf folgende Weise vor.
Nachdem das Thier durch Curare in die Muskelstarre ver-
setzt war, legte ich das Herz frei. Sodann nahm ich das
ganze Tbier aus dem Wasser, in dem es bisher gewesen
war, um die Injektion im Trockenen auszuführen, damit
nicht die Tusche durch das Wasser wieder ausgespült werde.
Nachdem dies geschehen, stiess ich eine in eine feine Spitze
ausgezogene Glasröhre in das Herz ein und liess langsam
die Injektionsmasse in dasselbe hineinlaufen. Da durch
die feine Glasspitze das Herz nur sehr wenig verletzt wurde,
arbeitete es noch längere Zeit weiter und pumpte selbst die
136 Hugo Naue:
schwarze Masse in die Blutgefässe und von da in die
Kiemen. Sofort nach geschehener Injektion wurde das
Objekt zur Härtung sowohl der Gewebe, als besonders auch
der Tusche in absoluten Alkohol gebracht. Versuche, mit
einer Pravaez-Spitze die Injektion auszuführen, misslangen,
denn bevor das Lumen des Röhrchens in das Herz einge-
treten war, drang die schräge Spitze schon an der anderen
Seite des Herzens wieder heraus, wodurch dies so zerstört
wurde, dass es sofort aufhörte zu funktioniren.
Um die topographischen Verhältnisse festzustellen,
arbeitete ich theils mit unbewaffnetem Auge, theils mit der
Loupe. Zur Untersuchung mit dem Mikroskope dagegen
fertigte ich theils einzelne Schnitte, theils Schnittserien von
ganzen Larvenköpfen oder Kiemenkörben resp. von einzelnen
Kiemenbögen an. Auch einzelne Kiemenbäumchen habe
ich geschnitten. Die Stärke der Schnitte betrug, je nach
dem Zwecke, zu dem ich sie anfertigte, !/;—!/,, mm.
Dem Thema entsprechend, zerfällt die ganze Abhand-
lung in zwei Haupttheile:
1) Bau des Kiemenapparates,
2) Entwicklung desselben.
Bevor ich jedoch zu dem ersten Theile selbst übergehe,
mögen einige Worte über die Lage des Apparates im Körper
des Thieres vorangehen.,
Topographie des Kiemenapparätes.
Nach Entfernung der Oberhaut des Körpers und des
darunter liegenden Bindegewebes an der Bauchseite trifit
man auf eine zweite dünne Haut, unter der man die Kiemen
deutlich hervorschimmern sieht. Dieselbe ist, wie später
gezeigt werden wird, die innere Auskleidung des Kiemen-
deckels und begrenzt die Kiemenhöhle, als deren Wand
nach innen.
Die Haut erstreckt sich von der Brust und Rumpf
trennenden Wand, an die sie angewachsen ist, bis zu den
Zungenbeinhörnern vor, mit denen sie zum Theil vermittels
Bindegewebes zusammenhängt, wogegen sie mit dem Zungen-
beine unmittelbar verbunden ist. Im der Mitte tritt sie etwas
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 137
zurück und heftet sich an den Perikardialsack an. An
den äusseren Seiten ist diese Haut an die Knorpelplatten
der Kiemenbögen angewachsen. Mit dem hinteren Rande
nimmt sie Theil an der Bildung eines Kanales, welcher
beide Kiemenhöhlen mit einander verbindet und welcher in
einen auf der linken Seite des Thieres liegenden Aus-
führungsgang, Athemloch, auch Kiemenloch oder Spiraculum
genannt, ausmündet. Dieser Kanal mitsammt dem Athem-
loche dient dazu, das Wasser beider Kiemenhöhlen nach
aussen abzuleiten.
Die Kiemen selbst nehmen den grössten Theil des
hinteren Kopfes ein (Fig. 1).
Sie liegen von vorn nach hinten divergirend, auf den
Seiten, sodass zwischen ihnen noch Platz genug vorbanden
ist für die Einlagerung des Herzens (Fig. 1), welches die
Blutgefässe nach den Kiemen entsendet.
Hinter den Kiemen liegen die Vorderextremitäten,
welche von der Kiemenhöhlenwand vollständig einge-
schlossen sind und sogar noch den hinteren Theil der
Kiemen bedecken.
Auf den Seiten bildet die Körperoberhaut die Grenze,
während als Abschluss des hier in Frage kommenden Theils
des Kopfes nach vorn der musculus subhyoideus (Fig. 1)
dient, ein starkes muskulöses Band, welches zwischen den
Zungenbeinhörnern ausgespannt ist.
Um die Lage der Kiemen von der dorsalen Seite her
bestimmen zu können, müssen wir den Theil des Kopfes,
welcher iiber der Mundhöhle liegt, entfernen, ebenso auch
einen Theil der Wirbelsäule. Auch bier ist der Anblick
des Apparates zunächst noch durch Häute verhüllt. Von
hinten nach vorn erstreckt sich eine Haut über die Kiemen-
körbe hinweg bis ca. zur Mitte derselben. Dieselbe ist an
ihrem vorderen Rande gelappt oder zerrissen. Schulze
nennt sie die hintere Kiemendeckplatte. Ebenso ist der
mit ihr zusammenstossende hintere Rand des Velums ge-
lappt. Beide Ränder stehen nahe an einander, sodass
zwischen ihnen nur eine verhältnissmässig schmale Spalt-
öffnung zum Durchfliessen des Wassers bleibt.
Das Velum selbst ist eine, über das Zungenbein ge-
138 Hugo Naue:
legte, mit hakenförmigen Fortsätzen ausgestattete feste
Haut. Unter ihr befinden sich noch kleine häutige Gebilde,
welche zwischen den Fortsätzen der Kiemenbögen, von denen
später noch die Rede sein wird, ausgespannt sind. Erst
nach Ablösung aller dieser Decken kommt der Kiemen-
apparat selbst zum Vorschein, welcher auf dieser Seite, also
nach oben hin, eigenthümliche siebartige Gebilde trägt.
I. Bau des Kiemenapparates.
Allgemeines über den Kiemenapparat.
Nachdem im Vorstehenden die Lage und Umhüllung
des Kiemenapparates beschrieben ist, bleibt noch Einiges
über den Bau desselben im Allgemeinen zu sagen.
Der ganze ausgebildete Apparat besteht im Wesentlichen
aus zwei Theilen:
A. Den Hilfs- und Schutzapparaten,
a) aus den sowohl die Kiemen, als die filter-
artigen Gebilde tragenden Knorpelbögen,
b) den filterartigen Gebilden,
c) der Kiemenhöhlenwand und dem Verbindungs-
kanal,
d) den Muskeln.
B. Dem respiratorischen Theile, den eigentlichen
Kiemen und den Blutgefässen.
Die Anzahl der Kiemenbögen beträgt vier. Dieselben
tragen auf der nach unten liegenden gewölbten Seite die
Kiemen, während die filterartigen Schutzgebilde auf der
konkaven Seite sitzen und nach oben sehen. Die Kiemen-
bögen haben Spalten zwischen sich, durch welche das
Wasser, nachdem es die filterartigen Gebilde passirt hat,
zu dem respiratorischen Theile des Apparates gelangt.
Der Anzahl der Kiemenbögen entsprechend, sind am
Kiemenkorbe drei solcher Spalten vorhanden. Zwischen
dem 1. und 4. Bogen einerseits und der die Kiemenhöhle
begrenzenden Wand andererseits befinden sich keine Spalten.
Die betreffenden Gebilde sind ziemlich fest mit einander
verwachsen, wie dies schon bei der topographischen Be-
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 139
schreibung gesagt ist. Die Spalten selbst sind, der Länge
der Kiemenbögen angemessen, verschieden lang und zwar
so, dass die beiden auf den Seiten, also die zwischen dem
1. und 2. und zwischen dem 3. und 4. Bogen befindlichen,
kleiner sind, als die zwischen dem 2. und 3. Bogen.
Vermittelst der vier Kiemenbögen ist der ganze Apparat
am Zungenbeine befestigt, während die Kiemenbögen selbst
auch noch untereinander eng verbunden sind.
A. Die Hilfs- und Schutzapparate.
a. Die Kiemenbösgen.
1. Verbindung der Kiemenbögen mit dem Zungenbeine und untereinander.
Zur genaueren Untersuchung dieser beiden Verbind-
ungen, von denen ich die erstere, also die der Kiemen-
bögen mit dem Zungenbeine zunächst in Betracht ziehen
will, müssen die Bögen von allen den Anhängen, die sie
tragen, also sowohl den Kiemenbäumchen, sammt den sie
versorgenden Blutgefässen, als auch den siebartigen Ge-
bilden, sorgfältig befreit werden. Auf der oberen Seite
muss das die Verbindungsstelle bedeckende Velum abge-
hoben werden.
Infolge der von vorn nach hinten stark divergirenden
Richtung der Kiemenkörbe liegen dieselben fast quer im
Kopfe und dadurch erscheint der nach aussen liegende
Kiemenbogen als der erste, während der dem Herzen am
nächsten liegende den vierten darstellt. Was nun die Ver-
bindung mit dem Zungenbeine betrifft, so ist dieselbe bei
den drei hinteren Bögen die gleiche, während der erste
eine Ausnahme hier macht.
Der 2., 3. und 4. Bogen ist dem Zungenbeine durch
Bindegewebe angeheftet, beim ersten dagegen ist der
Knorpel fest mit demjenigen des Zungenbeines verwachsen,
sodass keine Unterbrechung des Knorpels stattfindet und
auch sonst kein Anzeichen vorhanden ist, welches auf die
Verbindungsstelle hindeutet. Eine Bestätigung dieser zu-
nächst auf makroskopische Untersuchung gestützten An-
nahme findet sich auf Schnitten. Bei einem horizontal
140 f Hugo Naue:
durch den Kopf geführten Schnitte sieht man deutlich, dass
ein ununterbrochener Knorpelstrang, von der Mitte des
Zungenbeines ausgehend, in den ersten Kiemenbogen über-
führt und diesen dadurch unbeweglich mit dem Zungen-
beine verbindet. (Fig. 2.)
Die Zeichnungen von Rathke und Goette lassen ihn,
ebenso wie die übrigen Bögen, dem Zungenbeine angeheftet
erscheinen, doch erweist sich dies, wenigstens für die aus-
gebildeten Larven, als irrthümlich.
Wie die auf den ersten zunächst folgenden zwei Bogen
in ihrem ganzen Baue eine grosse Aehnlichkeit mit einander
besitzen, so ist auch ihre Verbindung mit dem Zungenbeine
eine gleiche. Bevor ich jedoch zur Beschreibung dieser
Verbindung selbst übergehen kann, ist es nöthig, eine Be-
merkung über den Bau der beiden Kiemenbögen voraus-
zuschicken. Die Bögen liegen mit ihrer konvexen Seite
nach unten, machen aber am vorderen Ende eine sehr
scharfe Biegung und senden nach oben hin einen starken
breiten Fortsatz aus, welcher sich plötzlich verengt und
in ein langes rundes Gebilde ausläuft. An dem Punkte
nun, wo der Knorpel so plötzlich sich verschmälert, sind
die Bögen durch Bindegewebe an das Zungenbein ange-
heftet. Die Anheftungsstellen selbst kann man nur von
oben sehen, da Ausläufer der Bögen an der unteren Seite
dieselben verdecken. Bei der Beschreibung der einzelnen
Bögen werde ich auf die Verbindungen nochmals zurück-
kommen. Der 4. Bogen ist mit der ganzen Breite seines
vorderen Endes dem Zungenbeine durch Bindegewebe an-
geheftet.
Ferner sind die Kiemenbögen auch noch untereinander
verbunden und zwar in verschiedener Weise. An dem dem
Zungenbeine zugekehrten Ende findet sich eine direkte
Verbindung der Bögen nur zwischen dem 2. und 3. Bogen,
während der 1. und 4. weder untereinander, noch mit den
ihnen zunächst liegenden verbunden sind, abgesehen natür-
lieh davon, dass sie durch Muskeln und Bindegewebe zu-
sammenhängen. Der 2. und 3. Bogen aber sind dadurch
mit einander verbunden, dass die Fortsätze, welche beide
nach vorn an der unteren Seite ausschieken, und welche,
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 141
wie schon gesagt, die Anheftungsstellen an das Zungenbein
verdecken, fest mit einander verwachsen sind. Der Nach-
weis dieser Verbindung ist mit Leichtigkeit auf mikros-
kopischem Wege zu führen. Ein Schnitt durch die Fortsätze
in der Längsrichtung derselben zeigt ein gleichmässiges
knorpeliges Gewebe, welches, ohne durch Bindegewebe
oder sonst wie unterbrochen zu sein, ein zusammenhängen-
des Ganzes darstellt. (Fig. 4.) Ich hebe diesen Um-
stand ausdrücklich hervor, weil ich durch die Feststellung
desselben in Widerspruch trete zu der Annahme sämmt-
licher Forscher, welche über diesen Gegenstand geschrieben,
resp. Zeichnungen darüber geliefert haben, besonders auch
zu Rathkes Zeichnung des Kiemenkorbes in seinen ana-
tomisch-philosophischen Untersuchungen über den Bau des
Wirbelthierkörpers. Derselbe lässt alle 4 Bögen getrennt
am Zungenbeine endigen, ebenso Götte in seiner Entwick-
lungsgeschichte der Unke. Dieser Punkt ist um so auf-
fallender, als man schon mit unbewaffnetem Auge die Ver-
bindung erkennen kann und ein einigermassen günstiger
Schnitt jeden Zweifel darüber hebt. Ein Einwurf, dass die
von Rathke gezeichneten Objekte verschieden seien an
Alter und Grösse, von den von mir untersuchten, wird da-
durch hinfällig, dass erstens die Zeichnung Rathkes die
Verhältnisse einer ausgebildeten Larve mit schon vollständig
entwickelten Vorderbeinen zeigt und dass zweitens die Ver-
wacksung schon in jungen Stadien vorhanden ist.
Bei manchen der von mir untersuchten Objekte hatte
es sogar den Anschein, als ob auch der erste und zweite
Bogen mit einander verbunden wären.
Eine nähere Untersuchung belehrte mich jedoch bald,
dass dieselben in der Nähe der Anheftungsstelle an das
Zungenbein zwar sehr dicht an einander liegen, aber durch-
aus nicht mit einander verwachsen sind. Der 4. Bogen
ist vollständig abgesondert von den übrigen angeheftet.
An dem hinteren Ende dagegen sind alle vier Bögen
fest mit einander verbunden und zwar durch direkte Ver-
wachsung. (Fig. 3.) Die Verbindungsstelle bildet ein
breites Band, welches auf der ventralen Seite hinter der
Kiemenspalte des 3. und 4. Bogens einen kleinen Fortsatz
142 Hugo Nanue:
aussendet. Von der dorsalen Seite erscheint das Gebilde
als Fortsetzung des an dieser Seite einmündenden 5. Bogens.
Der ganze Verbindungsknorpel sieht aus, als ob er nur
Fortsetzung des 1. Knorpelbogens wäre, mit welcher der
2. und 3. Bogen verwachsen sind, während derselbe hinter
der Stelle, wo sich die Kiemenspalte des 3. und 4. Bogens
befindet, mit dem 4. Bogen zusammentriftt. Wenigstens
dürfte dies in jüngeren Stadien der Fall sein, da an der
betreffenden Stelle sich eine sich scharf markirende Unter-
breehung befindet, wie man auf Schnitten sieht, während
auf Schnitten durch ältere Stadien dieselbe fast ganz ver-
schwunden ist. Hinter jedem Bogen ausser dem 4. befinden
sich kleine Löcher im Knorpel zum Durchtritt der von dem
Filterapparat kommenden Gefässe. Das hinter dem 2. Bogen
befindliche ist das grösste.
2. Die einzelnen Kiemenbögen.
Im Gegensatze zu den meisten anderen Kiemen tragen-
den Thieren, deren Bögen aus mehreren Segmenten be-
stehen, welche die Zahl vier erreichen können, sind die
Bögen bei den Anuren nur aus einem einzigen Stücke ge-
bildet. Dies findet seine Erklärung darin, dass die Bögen
aus elastischem Knorpel bestehen und nicht genöthigt sind
bedeutende Lageveränderungen einzugehen. Die beiden
mittleren Bögen sind einander ziemlich ähnlich, während
der 1. und 4. sowohl von diesen, als auch untereinander
vollständig verschieden sind.
Vom Zungenbeine aus geht der erste Bogen als ein
starker runder Stab nach hinten zu. Diese Gestalt behält
er aber nicht seiner ganzen Länge nach, sondern verändert
dieselbe sehr bald. Ungefähr an der Stelle, wo die Spitze
des Zungenbeinbogens den Kiemenbogen überragt, wird er
plötzlich zu einer dünnen breiten Platte. An der Ueber-
sangsstelle befindet sich eine kleine Knickung. Der vordere
starke Theil des Bogens hat in der Mitte der Unterseite
eine schwache Rinne, resp. er ist an der Unterseite abge-
plattet.
In der Mitte zwischen der ersten Knickung und dem
Punkte, wo der Bogen zuerst mit dem Zungenbeine in Be-
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 143
rübrung kommt, befindet sich eine zweite sehr schwache
Knickung, entsprechend der starken Biegung beim 2. und
3. Bogen. Ueber dieser befindet sich ein kleiner Höcker.
In der Mitte zwischen diesem letzteren und dem Berührungs-
punkte mit dem Zungenbeine sitzt ein nach oben und hinten
gehender Fortsatz dem Bogen auf. Ungefähr von der Mitte
an geht der letztere also als breite dünne Platte weiter
nach hinten. Die Ränder derselben haben sich nach innen
eingeschlagen, während sich der übrige Theil nach aussen,
also nach der Kiemenhöhlenwand hin bauchig vorwölbt.
Am unteren Rande befinden sich Ausläufer der Platte,
welche als Stützen der filterartigen Gebilde dienen, während
dieselben am oberen Rande fehlen. Die Bilder, welche
die Schnittpräparate liefern, entsprechen den hier ge-
schilderten Verhältnissen.
Auf einem Querschnitte durch den hinteren Theil sehen
wir den Bogen als schmalen langen Knorpelstreifen, dessen
Breite ziemlich gleichmässig ist.
Die ganze Platte ist stark gekrümmt. Am vorderen
Theile dagegen erscheint derselbe als ein rundes Gebilde
resp. dreieckiges mit abgestumpften Kanten.
Der zweite Kiemenbogen ist ein gekrümmter runder
Stab. An seiner Unterseite befindet sich eine rinnenartige
Vertiefung für die Blutgefässe. Dieselbe tritt besonders am
hinteren Ende deutlich hervor, da an dieser Stelle der
Rand des Knorpels förmlich gerollt ist. Zu beiden Seiten
des Knorpels sind kleine Ausläufer zum Tragen der filter-
artigen Gebilde, doch stehen dieselben an Grösse weit
hinter denen des ersten Bogens zurück. Am vorderen Ende
macht der Bogen eine starke Biegung nach oben, bildet an
der Unterseite, der Krümmung gegenüber, ein Höckerchen
und sendet von diesem aus einen schmalen Fortsatz nach
vorn und zwar in schiefer Richtung nach dem Zungenbeine
zu, welches derselbe aber nicht erreicht, denn kurz vor
demselben macht er eine Biegung nach oben und hinten,
um dann allmälig wieder etwas vorzugehen, sadass an
dieser Stelle eine tiefe Einbuchtung entsteht. Unter diesem
Fortsatze hinweg und durch die Einbuchtung hindurch
steigt ein den respiratorischen Theil des Apparates ver-
144 Hugo Naue:
sorgendes Blutgefäss empor. An dieser Einbuchtung ist
der Knorpel ziemlich schmal, doch verbreitert er sich bald
und geht dann nach oben. Mit dieser breiten Fläche und
zwar am Ende derselben, inserirt sich der Bogen am
Zungenbeine. Nachdem dies geschehen, wird der Knorpel
plötzlich wieder schmaler, macht eine zweite Biegung und
sendet noch einen dünnen langen und runden Fortsatz
aus, dessen Richtung nach oben und hinten geht. Ein
Querschnitt durch den Bogen zeigt ebenfalls, dass derselbe
eine länglich rundliche Form hat, mit einer nach seitwärts
und unten hin verlaufenden Spitze ; letztere ist der Längs-
schnitt eines die filterartigen Gebilde tragenden Ausläufers.
(Fig. 5.) Da, wo ein Blutgefäss dem Bogen aufliegt, also
an der Unterseite, erscheint derselbe, wenn keine Rinne
vorhanden ist, platt gedrückt. In der Regel ist dies übrigens
nur an den Fortsätzen bemerkbar, da das Blutgefäss auf
dem eigentlichen Bogen nur sehr wenig aufliegt.
Wie schon bemerkt, ist der 3. Bogen dem 2. ziemlich
ähnlich gebaut. Er hat ebenfalls das Aussehen eines etwas
gekrümmten runden Stabes, mit einer Furche auf der unteren
Seite, in welcher ein Blutgefäss liegt. An den Seiten be-
finden sich Ausläufer, welche die filterartigen Gebilde
tragen; die Anzahl der ersteren ist an verschiedenen Ob-
jJekten verschieden. An seinem vorderen Ende macht der-
selbe eine starke Biegung nach oben. Dieser Biegung
gegenüber, an der unteren Seite, befindet sich ein kleiner
Höcker, von welchem an der Knorpel in schräger Richtung
nach dem Zungenbeine zugeht, ohne indessen mit diesem
in Berührung zu kommen.
Hier bildet der Bogen auf dieselbe Weise wie der 2.
eine Einbuchtung, an welcher er schmal ist, worauf er sich
verbreitert bis zur Insertionsstelle an das Zungenbein. Von
hier geht ebenfalls ein Fortsatz nach hinten und oben.
Auf dem Querschnitt stellt sich der Bogen als ein
ovales Gebilde dar wie der zweite, doch ist er bedeutend
stärker als dieser. Bei makroskopischer Untersuchung war
die Anzahl der seitlichen Ausläufer nicht genau festzustellen,
während ein Längsschnitt durch den Bogen parallel dem
Rande deutlich zeigt, dass sich über jeder Reihe der filter-
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 145
artigen Gebilde ein Fortsatz befindet, dass demnach die
Anzahl derselben gleich ist der Anzahl der Reiben des
Filtrirapparates. Am Ausgangspunkte eines jeden der
letzteren sieht man runde Ablagerungen von Knorpelzellen;
es sind dies die Fortsätze im Querschnitte.
Am einfachsten gebaut ist der 4. Bogen. Es ist eine
einfache dünne Knorpelplatte, ungefähr von der Gestalt
eines $. Diese Form wird zum Theil dadurch bedingt, dass
die Platte gebogen ist, indem die Ränder sich dem Innern
der Kiemenhöhle zuneigen, während der Bogen nach aussen,
in diesem Falle also gegen das Herz hin, gebaucht ist.
Nach den Enden zu wird die Platte schmaler und zwar
besonders gegen den vorderen Theil hin, wo sie nur un-
gefähr den 4. Theil ihrer mittleren Breite hat. Am hinteren
Theile behält sie ungefähr die Hälfte der mittleren Breite.
Auf dem Querschnitt zeigt sich der Bogen als ein langer
schmaler gekrümmter Knorpelstreifen, dessen Länge unge-
fähr das 6—Sfache seiner grössten Breite beträgt; der Bogen
ist in der Mitte am breitesten und wird nach den Rändern
hin schmaler. (Fig. 5).
In histologischer Beziehung sind alle Bögen gleichmässig
gebaut. Sie bestehen aus hyalinem Knorpel und dem diesen
umgebenden Perichondrium. Auf einem Schnitte erscheinen
die Knorpelzellen im Allgemeinen in der Mitte des Bogens
von polyädrischer Gestalt und von ziemlich bedeutender
Grösse. An dem äusseren Rande dagegen sind sie be-
deutend kleiner und auf der nach aussen gehenden Seite
abgerundet. In schöner Weise macht sich hier die Ein-
kapselung verschiedener Zellgenerationen bemerkbar.
So habe ich öfters gesehen, dass in einer grossen
Kapsel S—10 einzelner Knorpelzellen sich befinden und
zwar augenscheinlich von verschiedenem Alter. Die
einzelnen Zellen im Innern sind durch schwächere Scheide-
wände getrennt, während der Rand der sie umschliessenden
Kapsel sehr stark ist.
Ausser durch das Perichondrium sind aber die Knorpel-
stäbe noch von einer Haut umschlossen, welche den ganzen
Apparat überzieht und auf welche ich später genauer zu
sprechen komme.
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 10
146 Hugo Naue:
b. Die filterartigen Gebilde.
Wie schon bei der Litteraturangabe bemerkt wurde,
lieferte erst Boas eine genauere Beschreibung dieser Ge-
bilde. Er schildert sie wie folgt: „Man denke sich, dass
der dünne bindegewebige Ueberzug (bei der Salamander-
larve) sehr stark wuchert, sodass schliesslich eine ziemlich
breite Platte von dem genannten Rande auswächst. Man
denke sich ferner, dass die genannten knorpelartigen Fort-
sätze, die aber gar nicht aus Knorpel bestehen, in ent-
sprechender Weise auswachsen, sodass sie schliesslich an
der genannten Platte querverlaufende Wälle bilden. Der
freie Rand dieser Wälle ist ferner ganz breit und stösst
an die benachbarten, während ihre Anheftungsstellen
schmaler sind, sodass, wie man begreift, zwischen den
Wällen Kanäle laufen. Aber dieser breite Rand ist viel-
fach von beiden Seiten eingeschnitten, sodass die ganze
Fläche, die die breiten Ränder der Wälle an einer Seite
eines Kiemenbogens bilden, fast wie ein Sieb durchbrochen
ist, doch so, dass statt der Löcher feingeschlängelte Spalten
sich finden. Man könnte auch sagen, dass schmale Wälle
vorhanden sind, von deren Seiten nahe am freien Rande
vielfach verästelte Auswüchse ausgehen, die zusammen eine
Fläche bilden. Die Wälle werden übrigens gegen den
freien Rand der sie tragenden Platte zu allmälig niedriger;
es treten hier auch kleine supplementäre Wälle auf, die
die Zwischenräume zwischen den zum "Theil auch schmaler
werdenden Wällen ausfüllen. Die Wälle finden sich in
einer Reihe am 1. und 4., in zwei am 2. und 3. Kiemen-
bogen.
Die äusseren Siebwälle, so wollen wir sie nennen,
greifen alternirend zwischen die entsprechenden der be-
nachbarten Reihen des angrenzenden Kiemenbogens ein.
Es wird übrigens aus der Beschreibung klar werden, dass
durch diesen ganzen Apparat ein Kanalsystem gebildet wird,
das mit dem Raume der Mundhöhle nur durch feinste Oeff-
nungen in Verbindung steht, während die Kanäle weit offen
in die Kiemenhöhle münden. Wenn man eine Kaulquappe
im Wasser betrachtet, so sieht man, wie sie ununterbrochen
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 147
Wasser schluckt und wie der Boden der Mundhöhle un-
unterbrochen auf und ab in steter Bewegung ist. Das
Wasser wird so durch den Mund getrieben, durch den so-
eben geschilderten Apparat filtrirt und über die Kiemen
geleitet. Die grosse Bedeutung dieses Apparates in der
Oekonomie des Thieres liest an der Hand; es wäre lebens-
gefährlich, wenn feste Gegenstände in die engen Kiemen-
höhlen mit dem kleinen Ausgang, zwischen die feinhäutigen
zarten Kiemenbüschel gerathen könnten. Solches ist obiger
Einrichtung gemäss ganz ausgeschlossen.
Meine eigenen Beobachtungen stimmen im Wesentlichen
mit denen von Boas überein, doch habe ich noch Einiges
hinzuzufügen. Es erscheint mir übrigens die Bezeichnung
„Wall“ von Boas nicht glücklich gewählt, es dürfte viel-
mehr der Ausdruck „Falte“ treffender sein, denn die soge-
nannten Wälle sind ja in der That nichts weiter als
Faltelungen der bindewebigen Platte, welche beim 2. und
3. Bogen auf beiden Seiten der Platte vorhanden sind, beim
1. und 4. Bogen dagegen nur auf einer Seite, da die Platte
mit der anderen Seite dem Knorpel fest ansitzt.
Eine Zählung der einzelnen Falten ergab bei einem
mittleren Bogen, dessen Enden ca. 5 mm von einander ent-
fernt waren, die Anzahl von 15 grossen Falten, d. h. von
solchen, welche vom unteren Ende, also vom Kiemenbogen,
bis zum oberen Ende der Platte laufen. Da nun aber am
oberen Ende die Falten niedriger und schmaler werden,
das Lumen eines Kanals ist am unteren Ende ca. 10—15
Mal so gross als am oberen Ausgangspunkte, so würden
ziemlich grosse Lücken entstehen, wenn nicht kleinere
Falten (von Boas supplementäre genannt) aufträten.
Dieser supplementären Falten können bis zu S zwischen
den grossen auftreten. Oft sind diese Falten auch von
ganz beträchtlicher Grösse, ungefähr von der Hälfte der
grossen Falten, daneben finden sich aber auch so minimale,
dass man zur Lupe greifen muss, um sie überhaupt zu
sehen. An dem unteren Ende der Platte sind sie nicht
vorhanden. Am 4. Kiemenbogen fand ich neben 12 Haupt-
falten ebenfalls noch supplementäre.
10*
148 Hugo Naue:
In vielen Fällen machen die Hauptfalten, wie ich das
an allen vier Bögen beobachtet habe, Biegungen, sodass
sie ungefähr von der Mitte der Platte aus in schräger
Richtung nach oben gehen, um Platz für die supplementären
Falten zu schaffen. Es ist schon oben gesagt, dass die
Supplementfalten oft sehr lang werden. Ihrer Länge ent-
sprechend werden sie auch sehr breit und man findet oft,
dass sie die Hautfalten an den oberen Enden an Grösse
bedeutend überragen. Letztere werden nämlich mehrfach
ganz plötzlich sehr schmal, sobald ihnen eine Supplement-
falte entgegentritt. Ferner kommen auch Fälle vor, in
denen sich Haupt- und Supplementfalte verbinden oder eine
Hauptfalte sich in zwei Theile spaltet. Die beiden mittleren
Platten haben ungefähr die gleiche Gestalt. Sie sind zwischen
den Kiemenbögen ausgespannt, doch wachsen sie beide noch
über das Niveau ihrer Anheftungspunkte mit dem mittleren
Theile hinaus, sodass ihr oberer Rand eine wellenartige
Linie bildet. Der oberste Kamm derselben legt sich jedoch
nach der Seite um und zwar nach innen. Die Platten
bieten dadurch dem hereinströmenden Wasser eine breite
Fläche und verhindern, da sie gerade unter dem Spalte
liegen, durch den das Wasser eintritt, dass gröbere Gegen-
stände in das Innere der oberen Kiemenhöhle eintreten.
Die äusseren Platten überragen ihre stützenden Knorpel
nur um ein Geringes und nur der 4. Bogen trägt die
Gebilde so gross, dass sie sich umlegen wie die des 2. und
3. Bogens, wenn auch in viel geringerem Masse. Am unteren
Ende sind die Platten mit den auf ihnen sitzenden Falten
breiter als der Kiemenbogen (Fig. 5), sodass dieselben
vollständig die zwischen den Bögen befindlichen Spalten
schliessen und das Wasser nur durch die Kanäle in die
untere Kiemenhöhle gelangen kann. Die Länge der
Hauptfalten wächst und nimmt ab mit der Krümmung des
Kiemenbogens, denn da der obere Rand der Platte ausser
in der Mitte, wo er sich ein wenig erhebt, eine ziemlich
gerade Linie zwischen den Enden der Knorpelbögen bildet,
so müssen die mittleren Falten nothgedrungen bedeutend
länger sein, als die am Anfang oder Ende der Knorpel-
bögen sitzenden. Diese filterartigen Gebilde finden sich
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 149
über den ganzen oberhalb der Kiemenbögen gelegenen
Theil des Kiemenapparates verbreitet. Es tragen also nicht
nur die Bögen solche Falten, sondern dieselben bedecken
ebenso auch den Verbindungsknorpel der Bögen am hinteren
Ende, wogegen sie am vorderen Ende fehlen, doch treten
dafür an dieser Stelle die Gebilde der einzelnen Bögen so
nahe an einander, dass an ein Durchschlüpfen irgend
welchen Gegenstandes nicht zu denken ist.
Auf einem quer zu einem der mittleren Kiemenbögen
selesten Schnitte bieten die Gebilde folgendes Bild. Vom
Knorpel ausgehend und direkt über diesem ein Blutgefäss
umschliessend, verläuft ein sich scharf markirender Strang
vom Bindegewebe nach der Spitze des ganzen Gebildes;
es ist dies die Platte im Querschnitte. In derselben ist
auf manchen Schnitten ein Blutgefäss zu sehen, welches
von dem direkt über dem Knorpel liegenden ausgeht und
bis zur Spitze verläuft (Fig. 5). Unterwegs sendet es Aeste
für die Falten ab. Von den Falten sind theils nur
die äusseren Wülste, welche vielfach verzweigt erscheinen,
zu bemerken, theils auch die Falten selbst.
Die histologischen Verhältnisse des Filterapparates
bieten sich bei einem Stadium mittlerer Entwicklung
folgendermassen. Das ganze Gewebe ist fibrilläres Binde-
sewebe und zwar in verschiedenen Stadien der Entwick-
lung. An der Basis sind noch die embryonalen Mesoderm-
zellen in der Fibrillenbildung begriffen, während am oberen
Ende sich die letzteren schon vollständig ausgebildet vor-
finden. Dazwischen sind auch alle Mittelstufen vertreten,
denn während die Zellen an der Basis von ovaler Form
sind, sehen wir sie in allen Abstufungen bis zu einem langen
schmalen, an den Enden in lange Spitzen auslaufenden
Gebilde sich gestalten. Der ganze Apparat wird bedeckt
von einem Epithel, welches dem Ektoderm angehört. Es
besteht aus einer doppelten Zelllage, deren einzelne Zellen
eine länglich runde Gestalt mit abgeplatteten Enden haben.
An den äusseren Wänden der Falten findet eine Anhäufung
von grossen runden Zellen statt, wahrscheinlich um gegen
das auffallende Wasser eine stärkere Schutzwand zu bilden.
(Fig. 6.)
150 Hugo Naue:
Eine fernere Modifikation des Gewebes anı äusseren
Rande fand ich in einem älteren Stadium. Es zeigte sich
hier eine ganz charakteristische Anhäufung von Zellen, so
dass das Gewebe fast dem Knorpel ähnelte.
Physiologisch dürfte der soeben beschriebene Filter-
apparat mehrere Funktionen zu erfüllen haben. Die erste
derselben würde darin bestehen, dass er einen Schutz für die
Kiemen und den Ausführungskanal bildet. Schon Boas hat
ausgeführt, dass es in der That lebensgefährlich für die
Thiere sein würde, wenn grössere feste Gegenstände in die
Kiemenhöhle eindringen könnten, da dieselben durch den
Abflusskanal nicht fortgeführt werden könnten. Es läge
somit die Möglichkeit nahe, dass sie die zarten dünnhäutigen
Kiemen verletzten und dadurch die Larve schwer schädigten.
Ferner verhindert der Apparat, dass der Futtersoff, welchen
das Thier zugleich mit dem Wasser aufnimmt, durch die
Kiemenspalten mit abfliesst. Sie entsprechen in dieser Be-
ziehung den zahnartigen Bildungen am Kiemenskelett der
Fische, wie auch in gewissem Sinne den Barten der
Balaeniden. Drittens bilden sie gewissermassen ein Wasser-
reservoir für die Kiemen, wodurch dem Thiere ermöglicht
wird, auch längere Zeit ausserhalb des Wassers zuzubringen.
Analoge Organe finden wir auch bei den Fischen, z. B.
in dem aus feinsten Knochenlamellen bestehenden Wasser-
zellensystem der Labyrinthobranchien und in der Kiemen-
schnecke der Clupeiden. Aehnliche Verrichtung haben auch
die in einer Verlängerung der Kiemenhöhle liegenden von
' einem respiratorischen Gefässnetz überkleideten, dendritisch
verzweigten Fortsätze der Kiemenbögen von Heterobranchus
und Clarias.
Auf keinen Fall aber sind dieselben, wie dies Götte
behauptet, Kiemen. Diese Deutung der Gebilde ist schon
von Boas mit Recht als irrthümlich zurückgewiesen. Götte
fertigt in seinem umfangreichen und sonst verdienstvollen
Werke: „Die Entwicklungsgeschichte der Unke“, diese
Gebilde sehr kurz ab. Trotzdem aber stellt er mit grosser
Bestimmtheit die Behauptung auf, sie seien Kiemen und
zwar Innenkiemen, im Gegensatz zu den an der Unterseite
der Kiemenbögen befindlichen Gebilden, welche er ebenso,
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 151
wie die zuerst an den Seiten des Kopfes nach aussen auf-
tretenden Kiemen, als äussere bezeichnet. Die einzelnen
Gebilde selbst schildert er als gegen die äusseren Spalten
rechtwinklig auslaufende zarte Leistchen, aus deren Kanten
kleine kolbige und verzweigte Blättchen hervorsprossen.
Bei einer flüchtigen Betrachtung mögen die Gebilde aller-
dings als Leistehen erscheinen, doch sieht man bei nur
einigermassen genauer Untersuchung, dass diese Leistchen
keine selbständigen Gebilde sind, sondern Ausläufer einer
sie tragenden kindegewebigen Platte. Ferner sagt er:
„Diese Leistehen, welche mit ihren Auswüchsen die Ober-
fläche der inneren Kiemenhöble ansehnlich vergrössern,
finde ich mit Blut gefüllt und kann sie daher nur für einen
respiratorischen Apparat halten.“ Der Ausspruch, dass er
diese Leistehen mit Blut gefüllt gefunden hat, kann nur
auf einen Irrthum zurückzuführen sein. Es lässt sich nicht
leugnen, dass Blut in diesen Gebilden ist, doch kann von
einem Angefülltsein derselben mit Blut keine Rede sein,
denn die Blutgefässe, welche die Gebilde durchziehen, sind
im Verhältniss zu der sie umgebenden Bindegewebeschicht
so klein, dass sie nur ungefähr den 4. oder 5. Theil der-
selben betragen. Sie können nur eine nutritive Bedeutung
haben, denn ein Blutgefäss, welches von einer so dicken
Schicht fast knorpelartigen Bindegewebes umgeben ist, kann
unmöglich zu respiratorischen Zwecken dienen. Im Jugend-
zustande hat es freilich den Anschein, als ob auch diese
Gebilde an der Respirationsthätigkeit theilzunehmen im
Stande wären, doch sind um diese Zeit die Gewebe über-
haupt noch nicht so weit differenzirt, als dass jedes Organ
bereits die ihm zugewiesene Funktion angetreten habe.
c. Die Kiemenhöhlenwand und der Ver-
bindungscanal.
Die Kiemenhöhlenwand umschliesst die untern Kiemen-
höhlen als zarte dünnwandige Membran. Dieselbe hat sich
im ausgebildeten Zustande von der Oberhaut, mit der sie
durch subepitheliales Bindegewebe zusammenhing, voll-
ständig abgelöst, und kann infolgedessen leicht frei gelegt
werden, ohne dass sie verletzt wird. Sie erstreckt sich,
152 Hugo Naue:
wie schon bei der Topographie des Kiemenapparates an-
gegeben wurde, von der Kopf und Rumpf trennenden
Scheidewand bis zum Zungenbein, an das sie sich inserirt.
In der Mitte tritt sie zurück und verwächst mit dem Peri-
kardiaisack. Auf diese Weise bildet sie zwei Höhlen,
welche durch einen engen Kanal, dessen Entstehung später
gezeigt werden wird, verbunden sind.
An den Seiten ist sie mit den Knorpelplatten des
1. Bogens verwachsen, ebenso z. T. auch mit dem 4. Bogen
jeder Seite. An den Verwachsungstellen mit den letzteren
ist die Membran reich mit Muskelfasern versehen, doch ist
nicht anzunehmen, dass dieselben ihr eigenthümlich sind,
indem sie vielmehr zu den grössern Kiemenmuskeln ge-
hören. Der histologische Bau ist ein sehr einfacher. Die
Membran besteht aus einer zweischichtigen Zelllage, deren
Zellkerne eine langgestreckte, an den Polen abgerundete
Gestalt haben. Obenstehende Angaben zeigen, dass die
Membran höchst einfach gebaut ist, und deshalb ist es
nicht ersichtlich, was Huschke veranlasst hat, von der Wand
als von einer blasenartig gewölbten Haut, die diekere und
dünnere Stellen habe und faserig und an manchen Stellen
wie zerrissen aussehe, zu sprechen.
In Betreff des beide Kiemenhöhlen verbindenden
Kanals ist mir aufgefallen, dass er ausser von Götte und
später von Jordan bei den ältern Forschern kaum erwähnt
wird. Es mag daran wohl seine Lage direkt unter der
Oberhaut Schuld tragen. Ich selbst wenigstens habe an
mir die Erfahrung gemacht, dass er beim Freilegen
der Kiemen, besonders anfangs, leicht mit fortgenommen
wurde. Sein Verlauf lässt sich am besten auf einem hori-
zontal durch den Kopf gelegten Längsschnitte (Fig. 7) ver-
folgen. Derselbe wird von beiden Kiemenhöhlen zu gleichen
Theilen gebildet (die Figur zeigt nur eine Seite), denn beide
bilden nach unten, hinten und innen gerichtete Aus-
buehtungen, deren verengerte Enden in der Mitte ineinander
übergehen. Demgemäss ist das Lumen des Kanals am
Eingangspunkte ein sehr weites. Nach der Mitte zu aber
verengt es sich mehr und mehr, sodass beim Zusammen-
treffen beider Enden nur ein verhältnissmässig schmaler
Kanal vorhanden ist.
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 153
Der histologische Bau seiner Wände ist dem der
Kiemenhöhlenwände vollständig gleich. Wie diese bestehen
die Kanalwände aus einer zweischichtigen Zelllage. Die
Kerne der Zellen sind, wie diese selbst, langgestreckt.
Auf der vorderen Seite befinden sich Ablagerungen von
Pigment.
d. Die Muskeln.
Der letzte Nebenapparat der Kiemen ist das System
der Muskeln. Indessen habe ich auf eine genauere Be-
schreibung und Untersuchung derselben verzichtet, da mir
deren Verhältnisse noch in keiner Weise genügend gesichtet
erscheinen. Ausserdem hat fast jeder Autor, welcher die-
selben erwähnt, eine besondere Nomenklatur eingeführt,
wodurch die Verhältnisse noch besonders unklar werden. Um
diese letzteren einigermassen klarzulegen, würde eine be-
sondere Arbeit nothwendig werden, zu umfangreich, um in
den Rahmen vorliegender Abhandlung zu passen.
B. Verlauf der Blutgefässe und Bau der Kiemen.
Wie die übrigen bisher beschriebenen Organe so ge-
schildert sind, wie sie sich im ausgebildeten Zustande vor-
ünden, so mag auch der Verlauf der Blutgefässe und der
Bau der inneren Kiemen zunächst nur im völlig ausge-
bildeten Zustande beschrieben werden, ohne Berücksichtigung
der im Laufe der Entwickelung vorkommenden Veränder-
ungen, sowohl derjenigen, welche vor dem ausgebildeten
Zustande stattfinden, wie auch derjenigen, welche mit dem
Schwinden der Kiemen Hand in Hand gehen. Dieselben
werden im entwicklungsgeschichtlichen Theile mit abge-
handelt werden.
Das Herz entsendet zunächst nach vorn ein etwas ge-
krümmtes starkes Blutgefäss, die aorta adscendens mit dem
Aortenbulbus an der Wurzel. Nach kurzem Verlaufe theilt
diese sich, und zwar sobald sie bis zum Zungenbein vor-
gerückt ist, in symmetrischer Weise, sodass sowohl nach dem
rechten wie nach dem linken Kiemenkorbe je drei Gefässe,
die Aortenbögen, gehen, welche den Kiemen das Blut zu-
führen.
154 Hugo Naue:
Der an der Theilungsstelle der aorta adscendens dem
Zungenbeine am nächsten liegende Zweig stellt die erste
Kiemenarterie dar und versorgt den 1. Kiemenbogen, der
diesem folgende den 2. Kiemenbogen. Beide liegen anfangs
so eng aneinander, dass sie äusserlich wie ein Gefäss er-
scheinen, und erst ein Schnitt zeigt, dass beide schon vom
Theilungspunkte an durch eine Scheidewand getrennt sind.
Bevor das 3. Gefäss zu seinem Bogen gelangt, theilt es
sich in zwei Theile, deren einer zum 3. Bogen geht, während
der andere dem 4. Bogen das Blut zuführt. Somit erhalten
alle vier Kiemenbögen ihr Blut auf dem kürzesten Wege
vom Herzen. Sämmtliche vier Arterien lagern den Knor-
pelbögen in deren ganzer Länge auf, und senden während
ihres Verlaufes nach und nach Zweige in die Kiemen-
bäumchen. An dem hintern Ende jedes Bogens endet die
Arterie in einem Kiemenbäumchen, in welchem sie sich
kapillär auflöst, wie dies auch die gesammten von ihr in die
Kiemenbäumchen abgesandten Zweige thun.
Auf jedem Kiemenbogen verläuft neben der Arterie
noch ein zweites Gefäss, die Kiemenvene, welche wie die
Arterie nach und nach Ausläufer in die Kiemenbäumchen
entsendet, welche sich dort ebenfalls kapillär auflösen.
Von diesen beiden verjüngt sich die erstere nach hinten
zu, während die letztere nach derselben Richtung hin
stärker wird. Beide verlaufen eng nebeneinander, und
treten am hintern Ende des Bogens so dicht zusammen,
dass diese Lageverhältnisse mehrere Autoren zu der irrigen
Annahme geführt haben, dass beide Gefässe an dieser Stelle
in Kommunikation ständen, was aber, wie auch Boas schon
nachgewiesen hat, in keiner Weise der Fall ist. Am vordern
Ende, und wie schon gesagt im ausgebildeten Zustande
der Kiemen, zu einer Zeit, wo auch die arteria pulmonalis
noch nicht in Action getreten ist, hat es allerdings äusserlich
den Anschein, als ob beide Gefässe direkt mit einander in
Verbindung ständen, da Arterie und Vene aus demselben
Stammgefässe hervorgehen. Ein Schnitt durch die Theilungs-
stelle indessen lehrt, dass beide durch eine starke Scheide-
wand getrennt sind, und dass auf diese Weise jede
Kommunikation ausgeschlossen ist, trotzdem, wie sich bei
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 155
der entwicklungsgeschichtlichen Schilderung zeigen wird,
beide ursprünglich nicht getrennt waren und auch später
Stammgefäss und Vene wieder mit einander in Verbindung
treten.
Infolge des Umstandes, dass zwischen Arterie und Vene
eine direkte Verbindung in keiner Weise stattfindet, muss
alles vom Herzen nach dem Körper strömende Blut den
Weg durch die Kapillaren nehmen, wodurch der grosse
Vortheil sich ergiebt, dass alles Blut oxydirt wird.
Die Vene des 1. Bogens ist zwar am vorderen Ende
desselben auch eng mit der Arterie verbunden, findet hier
jedoch keinen Abschluss wie die übrigen drei, sondern
setzt sich in die carotis, welehe nach dem Kopfe verläuft,
fort. Kurz nachdem die Venen die Kiemenbögen ver-
lassen haben, vereinigen sie sich an der basis cranii zu der
Aorta descendens, und zwar in der Weise, dass die drei
ersten ziemlich getrennt von einander münden, während
die 3. und 4. sich vorher vereinigen, um dann gemeinsam
zu münden. Bevor die 4. Vene sich mit der 3. vereinigt,
entsendet sie noch einen Zweig, die spätere arteria pulmo-
nalis. Ein sehr anschauliches Bild über die Lage der
Blutgefässe giebt ein dureh die Mitte des Korbes gehender
Querschnitt. Ungefähr der Mitte des Bogens aufgelagert,
sieht man ein grosses Blutgefäss, welches starke Ausläufer
in die Kiemen entsendet, während näher an der Spitze des
Knorpels ein schwächeres Gefäss liegt. Das erstere ist die
Vene, das letztere die Arterie, neben welcher ein starker
Muskel, welcher sie über den ganzen Bogen begleitet, hin-
zieht. Auf dem Schnitte sieht man auch, dass beide Ge-
fässe dem Knorpel nicht direkt aufgelagert sind, sondern
dass nur die Vene ihm eng anliegt, während die Arterie
weiter nach unten hängt, sodass sie den Knorpel nicht be-
rührt. Diese Verhältnisse zeigen die drei ersten Bögen,
während der 4. nur ein Gefäss zeigt, da er zu weit vorn
getroffen ist. Auf einem durch die Mitte des 4. Bogens
gelegten Querschnitte dagegen sieht man drei Gefässe dicht
neben einander liegen, deren eines die Arterie ist, welche
auf diesem Bogen jedoch nicht von einem Muskel begleitet
wird. Das 2. Gefäss ist die Vene und das 3., dem 3.
156 Hugo Naue:
Kiemenbogen zunächst liegende, ein den Filterapparat ver-
sorgendes Gefäss.
Ausser den bisher beschriebenen zur Athmung in Be-
ziehung stehenden Gefässen finden sich im Apparate noch
andere nur zu Ernährungszwecken dienende Gefässe. Es
sind dies die Arterien und Venen des Filtrirapparates.
Der Ursprung derselben von den Kiemenarterien ist ein
verschiedener, da die Verhältnisse am 1. und 2. Bogen
komplizirt, am 3. und 4. dagegen einfach sind.
Ein von der Arterie des 2. Bogens kommendes Gefäss
führt sowohl dem Filtrirapparate des 1. als auch dem des
2. Bogens Blut zu. Ausserdem aber erhält von diesem aus
auch das Velum Arterien. Nach kurzem Verlaufe theilt sich
das aus der 2. Arterie entsprungene Gefäss in zwei Theile,
von denen der eine die für das Filter des 2. Bogens be-
stimmte Arterie ist. Der andere Theil spaltet sich bald dar-
auf wieder in drei Theile, von denen zwei zum Velum
sehen, während der 3. die Arterie des Filtrirapparates
vom 1. Bogen darstellt. Für den Apparat des 3. Bogens
geht von der 3. Kiemenarterie ein Gefäss ab, und ebenso
erhält der Apparat des 4. Bogens seine Arterie von der 4.
Kiemenarterie durch ein kurzes Gefäss, das sich bald
in zwei Aeste spaltet, weiche die Arterien des Apparates
darstellen.
Die Vene des Filters des 1. Bogens verläuft nach dem
Kopfe zu, während die Venen des 2. und 3. Bogens zu
einer am Rande des Velums verlaufenden Vene gehen.
Diese sendet ein Gefäss ab, welches in den linken ductus
Cuvieri führt, und unterwegs noch das Gefäss vom Filter
des 4. Bogens aufnimmt. Die Vene des Filterapparats am
rechten 4. Bogen mündet nach Boas in den rechten ductus
Cuvieri.
Ueber die Gefässe im Allgemeinen lässt sich noch
sagen, dass ihre Wandungen sämmtlich sehr reich pig-
mentirt sind.
Nachdem ich im Vorstehenden den Verlauf der Blut-
sefässe geschildert, komme ich zur Beschreibung der
Kiemengebilde selbst. Dieselben werden von der Körper-
bekleidung gebildet, welche auch, wie bemerkt, den Knorpel
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven, 157
und die siebartigen Gebilde überzieht. Sie haben die Ge-
stalt von Bäumchen, deren Hauptstamm sich bis zur Spitze
erstreckt, während nach allen Seiten hin eine reiche Ver-
zweigung stattfindet. (Figur 8a und b.) Dieselbe beginnt
eine kurze Strecke über dem Bogen, sodass der Stamm
frei ist. Jeder Bogen trägt zwei Reihen Kiemen, also auch
der 4. Bogen, und nicht, wie dies meistens behauptet wird,
nur eine. Bei der Beschreibung des Athmungsprozesses
werde ich darauf zurückkommen. Die Kiemenbäumchen
sind aber nach Anzahl und Grösse sehr verschieden über
die Bögen vertheilt. Vor allen Dingen sind die Kiemen
des 4. Bogens sowohl der Anzahl als der Grösse nach be-
deutend geringer, als die der drei übrigen Bögen, denn
während ich am 4. Bogen ca. 9 dieser Bäumchen zählte,
belief sich die Anzahl der auf den mittleren Bögen in
jeder Reihe stehenden auf ca. 16 und demnach 32 auf den
sanzen Bogen, also auf das vierfache derer des 4. Bogens.
Ebenso hat auch der 1. Bogen bedeutend weniger Kiemen
aufzuweisen als die beiden mittleren. Auch in der Grösse
der einzelnen Bäumchen macht sich ein auffallender Unter-
schied bemerkbar, denn während die Kiemen der mittleren
Bögen schöne grosse und gut ausgebildete Bäumchen sind,
erscheinen die der beiden äussern Bögen verkrüppelt und
klein.
Hauptsächlich ist das beim 4. Bogen der Fall, welcher
nur ganz minimale Anhänge trägt. Auch auf den einzelnen
Bogen sind die Kiemenbäumchen sehr verschieden an Grösse.
Die grössten derselben befinden sich in der Mitte, während
sie nach den Enden hin kleiner werden. Abgesehen von
einigen Krümmungen, die ihr Stamm gelegentlich zeigt,
stehen sie ziemlich senkrecht auf dem Knorpelbogen. Da
nun die Knorpelplatte und mit ihr die derselben anliegen-
den Blutgefässe stark gekrümmt sind, so ergiebt sich dar-
aus, dass die Bäumchen nach verschiedenen Richtungen
hinstreben. Während die mittelsten demgemäss in gerader
Richtung nach unten geben, haben die am Vorderende
des Bogens sitzenden Kiemen eine Richtung nach vorn.
Ebenso streben die hinten ausgehenden nach dem Leibe
zu. Letzteres macht sich indessen nur weniger bemerkbar,
158 Hugo Naue:
da die Biegung des Bogens am hintern Ende nur sehr
schwach ist. Die zwischen der Mitte und den Enden
sitzenden Bäumchen gehen dann in der Richtung der Dia-
gonale eines Rechtecks, dessen eine Seite der Radius eines
Halbkreises ist, welcher nach der Mitte des letzteren führt
d. h. senkrecht zu einer horizontal durch den Mittelpunkt
eines Kreises gelegten Linie steht, und dessen andere Seite
den Halbkreis im Schnittpunkt mit dem Radius tangirt.
Die andern Seiten des gedachten Rechtecks ergeben
sich aus der Parallelität je zweier Seiten eines solchen.
Die Kiemenbäumchen der beiden mittleren Bögen stehen
am regelmässigsten, sodass die einzelnen Bäumchen je
zweier Reihen desselben Bogens einander genau gegen-
überstehen.
Der histologische Bau der Kiemen ist sehr einfach.
Dieselben bestehen aus der sie bekleidenden Epidermis,
welche ich schon früher beschrieben habe, den Blutgefäss-
wandungen und dem, zwischen diesen beiden liegenden,
spezifischen Bindegewebe. Fragen wir nun, wie die Cireu-
lation des Blutes vor sich geht.
Wir hatten gesehen, dass sich auf jedem Knorpelbogen
eine Arterie und eine Vene befanden, welche beide in
durchaus keiner direkten Communikation stehen. Auf
jedem Bogen befanden sich ferner zwei Reihen Kiemen-
bäumchen, in deren jedem zwei von den grössern abge-
zweigte kleinere Gefässe emporstiegen, sich weiter ver-
zweigten und sich kapillar auflösten, und auf diese Weise
eine Kommunikation, und zwar die einzige, zwischen
Arterie und Vene herstellten. Es geht also Blut vom
Herzen in die Kiemenarterien und tritt von diesen durch
die Kapillaren, wo es oxydirt wird, in die Venen über,
welche es dem Körper zuführen.
Claus sehreibt zwar in seinem Lehrbuche der Zoologie:
„Der 4. Gefässbogen steht zur Kiemenathmung in keiner
Beziehung und führt direkt in die Aortenwurzel.*
Indessen ist aus der oben gegebenen Beschreibung
leicht ersichtlich, dass auch der 4. Bogen sich an der
Kiemenathmung betheiligt, wenn auch in bedeutend ge-
ringerem Masse als die drei andern.
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 159
I ET Pen Er STERNE EEE EEE
Auch Boas lässt den 4. Bogen nur eine Reihe Kiemen
tragen, und erkennt ihm dadurch die Respirationsfähig-
keit zu einem grossen Theile ab, und Balfour schreibt in
seinem Handbuch der vergleichenden Embryologie, dass
nicht nur der 4., sondern auch der 1. Bogen nur eine Reihe
Kiemen trägt, sodass nach ihm nur der 2. und 3. Bogen
an der Athmungsthätigkeit theilnehmen, was indessen durch
die von mir gefundenen Thatsachen widerlegt wird.
II. Entwicklung des KiemenaPpPparätes.
Im ersten Haupttheil vorliegender Abhandlung ist der
Bau des Kiemenapparates im ausgebildeten Zustande ge-
schildert worden. Der 2. Theil soll im Abriss zeigen, wie
die einzelnen Gebilde entstanden sind, soll also die Ent-
wicklung derselben kurz vor Augen führen.
Derselbe zerfällt in vier Abschnitte, da ich mich ver-
anlasst gesehen habe, die Entwicklung der Gefässe in
einem besondern Abschnitte zu behandeln.
a. Entwicklung und Bau der äussern Kiemen.
b. Entwicklung des innern Kiemenapparates.
e. Entwicklung des Gefässsystems der äussern und
innern Kiemen.
d. Entwicklung der Kiemenhöhlenwand und des Ver-
bindungskanals.
a. Entwicklung und Bau der äussern Kiemen.
Wie ich schon in der Einleitung gesagt habe, finden
sich beim Frosch in seinen verschiedenen Entwicklungs-
stadien sämmtliche Athmungsarten, welche überhaupt bei
den Vertebraten existiren, vor und zwar:
1. Die Athmung durch die gesammte Körperoberfläche,
2. Die Athmung durch die Kiemen,
3. Die Athmung durch die Lungen.
Die 2. Art ist nun hier wieder durch zwei Formen ver-
treten, denn zuerst bilden sich einfach gebaute äussere
Kiemen, welche indessen bald durch komplizirter gebaute
innere ersetzt werden. Um die Entwicklung des Respi-
rationsapparates vollständig überblicken zu können, müssen
‚wir daber auch jene zuerst in Funktion getretenen äussern
Kiemen in Berücksichtigung ziehen, und das um so mehr,
160 Hugo Naue:
da ihre Entwicklung in innigem Zusammenhange mit der-
Jenigen der innern Kiemen steht. Diese äussern Kiemen
haben, bevor noch das Thier das Ei verlassen hat, schon
eine ziemlich bedeutende Entwicklung erlangt, sodass sie
sofort in Funktion treten können, sobald die Larve ausge-
schlüpft ist. Bei meinen Untersuchungen über die erste
Entwicklung der äussern Kiemen benutzte ich zunächst als
jüngstes Stadium einen noch nicht der Eihülle entschlüpften
Embryo von ca. 4mm Länge. Auf dieser Altersstufe zeigt
sich bereits der Kopf von dem Rumpfe durch eine Ein-
schnürung abgegrenzt. Unmittelbar an dieser Grenzlinie
tritt nach dem oralen Pole des Thieres zu eine kleine
Hervorragung der äussern Körperbedeckung auf.
Es ist dies die erste Andeutung der äussern Kieme,
über deren Zusammenhang mit dem Visceralapparate bei
der Entwickelung des innern Kiemenapparates gehandelt
werden wird. Die Hervorragungen liegen zu beiden Seiten
des Kopfes und in derselben vertikalen Ebene, wie die
beiden Saugnäpfe, welche sich an der ventralen Seite des
Körpers befinden. Auf einem Querschnitte erscheinen die
Kiemen als einfache Ausbuchtungen, an denen die Epidermis
von dem darunter liegenden Gewebe vorgedrängt ist. Wie
gewöhnlich ist die Epidermis reicb pigmentirt. Das Herz
hat noch eine einfach schlauchförmige Gestalt und die
Aortenbögen haben sich eben erst angelegt, doch haben sie
noch keine scharf markirten Wandungen aufzuweisen.
Ein wenig älteres Stadium zeigt die Anlage, wie in Figur
9) wiedergegeben ist. Die Erhöhung resp. Ausbuchtung,
als welche man sie auf dem Schnitte sieht, fängt schon an
sich gegen die übrige Körperoberfläche abzuschnüren.
Die Wandungen der Gefässe treten deutlicher hervor,
während das übrige Gewebe noch nicht differenzirt ist.
Bei einem ca. um einen Tag älteren Individuum zeigte
sich schon eine bedeutendere Veränderung. Der eine
Höcker an jeder Seite des Kopfes ist nicht mehr allein;
es haben sich ihm noch zwei andere hinzugesellt, die An-
lagen der 2. und 3. Kieme. Hinter der ersten Ausbuchtung
ist, auf dem horizontalen Längsschnitt gesehen, eine zweite
Ausbuchtung entstanden, während die erstere an Grösse,
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 161
bedeutend zugenommen hat. Der späteren Entstehung ge-
mäss ist diese 2. Ausbuchtung oder der 2. Höcker, als
welcher er auf der Körperoberfläche erscheint, bedeutend
kleiner als der erste, und zwar ist er kaum mehr als halb
so gross. Dicht hinter diesem 2. Höcker macht sich auch
schon ein dritter bemerkbar. Derselbe ist jedoch noch sehr
minimal, sodass auf einem Längsschnitte die Contour nur
ein wenig gewellt erscheint. E. Huschke und mit ihm die
meisten andern Forscher lassen die 2. und 3. Kiemen da-
durch entstehen, dass sie den Höcker sich theilen lassen.
Mit Hilfe der Schnittmethode lässt sich indessen der Nach-
weis liefern, dass jede Kieme für sich allein und selbständig
entsteht, entsprechend ihrer spätern Stellung auf den Vis-
ceralbögen. Es ist der eine also nicht nur ein Theil des
andern. Ausserdem, dass noch zwei neue Höcker hinter
dem ersten entstanden sind, hat dieser auch seine Gestalt
wesentlich verändert. Er hat die Form der einfachen Her-
vorragung verloren, und sich an der Ursprungsstelle be-
deutend eingeschnürt, sodass er mehr wie ein Kolben aus-
sieht. Auch fängt er an sich zu verzweigen. Dies ge-
schieht dadurch, dass die Haut sich am hintern Rande,
aber auch nur an diesem, einschnürt, und auf diese Weise die
ursprüngliche einfache Hervorragung in zwei Lappen theilt.
Bei einer 11 mm langen Larve waren die äussern
Kiemen vollständig entwickelt und zeigten folgende Ver-
hältnisse. Der erste Höcker hatte sich zu einem langen
hohlen Gebilde ausgezogen, welches nach hinten Zweige
versendet; Anhänge, welche sich in der oben beschriebenen
Weise gebildet haben.
Die Anzahl dieser Zweige beträgt in der Regel sieben.
Die an der Spitze liegenden sind vor ziemlich bedeutender
Grösse, sodass sie den Hauptstamm an Länge fast er-
reichen. Nach dem Anheftungspunkte zu werden sie be-
deutend kleiner. Die Zweige ramifiziren sich nicht weiter,
obwohl E. Huschke dies behauptet. Dieselben Verhältnisse
wie am ersten finden sich am zweiten Kiemenanhange.
Der 3. Höcker dagegen ist sowohl an Grösse, wie auch an
Ramifizirung bedeutend zurückgeblieben. Sein Hauptstamm
ist klein und schickt nur wenige Ausläufer nach
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIIT. 1890. 11
162 Hugo Naue:
hinten, welche sich auch durchaus nicht weiter verzweigen.
Auch der innere Bau der Kiemen hat sich inzwischen
weiter entwickelt, doch ist derselbe ein sehr einfacher.
Im Wesentlichen besteht die Kieme aus zwei Blutgefässen
und einer beide umgebenden Hüllhaut, welche die einfache
Fortsetzung der allgemeinen Körperhaut ist und als solche
reich mit Pigment versehen ist (Fig. 11). Zwischen dieser
Haut und den Blutgefässen befindet sich eine spärliche
Menge von Bindegewebe, welche als Stütze dient. Milne
Edwards macht in seinen Lecons sur la physiologie et
l’anatomie comparee de l’homme et des oiseaux Tome II Lecon
XIII die Angabe, dass die feinhäutige Umhüllung mit
Flimmer -Cilien besetzt sei, doch konnte ich meiner-
seits von denselben nichts bemerken. Wenn die Kiemen
eben ihre höchste Entwicklung erreicht haben, dann beginnt
die Haut vor ihnen zu wuchern. Sie entsendet eine Falte,
die sogenannte Opercularfalte nach hinten, welche die vor-
erwähnte Einschnürung überdeckt und bei diesem Vorgange
auch die äussern Kiemen mit umschliesst. Ich werde später
auf diese Verhältnisse noch genauer zurückkommen, wie
auch die Verhältnisse der Blutgefässe im dritten Abschnitte
eingehendere Berücksichtigung finden werden.
b. Entwicklung des innern Kiemenapparates.
In innigem Zusammenhange mit den äussern Kiemen
steht die Entwicklung des innern Kiemenapparates, welcher
sich noch vor dem Entstehen der ersteren anlegt. Die
erste darauf bezügliche Differenzirung findet schon in
einem sehr frühen Stadium statt und zwar, wie bemerkt,
bevor noch die äussern Kiemen sich gebildet haben. Um
diese Zeit bemerkt man ein paar wulstartige quere Hervor-
treibungen als die erste Anlage der Visceralbögen, welche
die Rudimente der äussern Kiemen tragen. Es gilt dies
wenigstens für die drei letzten Bögen, an die nach vorn
zu noch einige weitere ähnliche Wülste sich anschliessen,
die uns hier jedoch als Anlagen des Kieferbogens und des
Zungenbeinbogens nicht weiter interessiren. Die Bögen
werden durch Falten abgegrenzt, die, soweit sie die Kiemen-
bögen begrenzen, allmählich nach innen in die Rachenhöhle
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 163
hindurchbrechen. Die erste dieser letztern liegt zwischen
dem Zungenbeinbogen und dem 1. Kiemenbogen, während
die 2. von dem 1. und 2. Kiemenbogen, und die 3. von
dem 2. und 3. Bogen gebildet wird. Die beiden letzten
stellen also später die 1. und 2. Kiemenspalte dar.
Für den 4. Kiemenbogen ist die Anlage noch nicht
vorhanden, sodass die 3. Kiemenspalte einstweilen noch
fehlt. Die drei letzten Visceralbögen entsprechen den drei
äussern Kiemenanhängen. Die Richtung der Visceraispalten
ist eine verschiedene, denn während die zwei mittlern
senkrecht zur Medianlinie stehen, ist die erste etwas schräg
nach vorn, die 4. dagegen schräg nach hinten gerichtet.
Das nächste von mir untersuchte Objekt zeigte sich
schon bedeutend weiter entwickelt. Die Visceralspalten
zwischen dem 1. und 2. und 2. und 3. Kiemenbogen, oder
kürzer die 3. und 4. Visceralspalte sind zum Durchbruch
gekommen. Das Durchbrechen selbst geschieht in der
Weise, dass sowohl vom Schlunde her zwischen den Bögen
eine faltenartige Aussackung sich bildet als auch zwischen
den einzelnen äussern Kiemenanlagen die Epidermis immer
tiefer sich einsenkt, und auf diese Weise den von innen
nach aussen strebenden Falten entgegenkommt, wie dies
die starken Pigmentablagerungen beweisen, welche fast bis
zur Hälfte der Spalten in das Innere des Körpers hinein-
reichen. Die Spalte zwischen dem Zungenbeinbogen und
dem 1. Kiemenbogen ist nahe daran ebenfalls durchzu-
brechen, während der 4. Kiemenbogen auch jetzt noch
nicht angelegt ist. Als Aussackungen des Schlundes sind
die Visceralspalten ectodermatischen Ursprungs, während
zwischen ihnen natürlich ein Mesodermgewebe sich befindet.
Die Bildung der Opereularfalte hat noch nicht begonnen,
auch haben sich die innern Kiemen d. h. der speciell re-
spiratorische Theil des Apparates noch nicht angelegt, wohl
aber führen auf den Kiemenbögen bereits zwei Blutgefässe
nach den äussern Kiemen. Bei einem etwas weiter ent-
wickelten Objekte hatte sich die Opvereularfalte ungefähr
um !/; ihrer Gesammtlänge entwickelt. Der Kiemenbogen-
knorpel war in Bildung begriffen, es sind ihm auch schon
die zwei nach den äussern Kiemen führenden Blutgefässe
11%
164 Hugo Naue:
aufgelagertt. Um diese Zeit haben sich auch bereits die
innern Kiemen gebildet. Sie sitzen auf den Gefässen in
Form von einfach cylindrischen Anhängen mit Gefäss-
schlingen im Innern. Fig. 12 zeigt ein Totalpräparat eines
der mittleren Bögen, mitsammt den unmittelbar daran
sitzenden äussern Kiemen. In der Mitte des Präparats
läuft als heller Streifen der Knorpel als Stütze des Ganzen
hin. Auf diesem erkennt man die Blutgefässe und die
innern Kiemen. Am hintern Ende des Bogens sitzen die
hier noch mächtig entwickelten äussern Kiemen direkt
dem Knorpelbogen auf, genau so wie die innern Kiemen.
An der Unterseite, im Thierkörper selbst würde es aber die
obere Seite sein, befinden sich die einstweilen freilich erst
unvollständig entwickelten filterartigen Gebilde. Sie ent-
stehen als Wucherungen des Bindegewebes, dem sie zunächst
in ganzer Länge mit dem vorderen Rande verbunden sind,
trotzdem sie schon anfangen, sich an den Seiten einzu-
schnüren und die ersten Andeutungen der wallartigen Er-
höhungen zu bilden. Auch der 4. Kiemenbogen ist
jetzt angelegt. In dem Stadium, welches die letzte Zeich-
nung darstellt (Fig. 13), ist der Kiemendeckel vollständig
ausgebildet. Die äussern Kiemen sind verschwunden, d.h.
sie sind in die durch die Opereularfalte gebildete Kiemen-
höhle eingeschlossen, wo sie dann obliteriren. Der Kiemen-
bogenknorpel hat sich mehr und mehr entwickelt, und an
den siebartigen Gebilden sind die Einbuchtungen so tief
geworden, dass zwischen ihnen nur noch eine dünne Platte
hinzieht. Die auf dieser Platte sitzenden wallartigen Ge-
bilde fangen an sich mehr und mehr zu verzweigen, resp.
sich zu falten, sodass sie fast schon die Gestalt wie bei
der ausgebildeten Larve besitzen. Ebenso haben auch die
innern Kiemen begonnen sich mehr und mehr zu verzweigen
und sich der ausgebildeten Gestalt zu nähern. Schon
nach kurzer Zeit haben sie den fertigen Zustand des
Kiemenapparates erlangt, in dem sie bis gegen das Ende
der Larvenperiode verharren, bis die Lungen anfangen in
Thätigkeit zu treten, worauf sie dann verschwinden. Wenn
das Thier äusserlich den Habitus des ausgewachsenen
Frosches angenommen hat, aber noch mit Schwanz, so be-
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 165
ginnen die Kiemen zugleich mit letzterem zu verschwinden,
indem sie anfangen einzuschrumpfen. Mit dem beginnen-
den Verfalle der Kiemen schwindet auch die Scheidewand,
wie im folgenden Abschnitte gezeigt wird, welche Arterie
und Vene am vorderen Ende trennte.
Bei jungen Fröschen mit zur Hälfte geschwundenem
Schwanze sind die Kiemen noch weiter geschrumpft, doch
bestehen sie noch aus deutlich unterscheidbaren Büscheln,
während bei einem Frosche mit vollständig geschwundenem
Schwanze nur ganz geringe Rudimente vorhanden sind.
c. Entwicklung des Gefässsystems der äussern
und innern Kiemen.
Infolge des innigen Zusammenhanges der Entwicklung
des Blutgefässapparates der äussern und innern Kiemen,
welcher eine gesonderte Abhandlung beider unzulässig
erscheinen lässt, habe ich mich veranlasst gesehen, dieselbe
in einem besonderen Abschnitte zu behandeln.
Ueber die Entwicklung der Kiemengefässe existiren
bereits eine Reihe von Abhandlungen, welche die diesbe-
züglichen Verhältnisse berücksichtigen. Vor allem ist es
die Arbeit von F. Maurer: „Die Kiemen und ihre Gefässe
bei anuren und urodelen Amphibien und die Umbildungen
der beiden ersten Arterienbogen bei Teleostiern“, welche
eine sehr genaue und eingehende Darstellung derselben
giebt. Ich habe mich nicht darauf einlassen können,
meine Beobachtungen auf alle in dieser Beziehung noth-
wendigen Einzelheiten auszudehnen; was ich aber an
hierher gehörigen Befunden zu verzeichnen gehabt habe,
deckt sich fast vollständig mit den Untersuchungsresultaten
von F. Maurer. Ich kann mich deshalb, wie ich glaube,
mit einem kurzen Resume begnügen und verweise, was die
nähern Details anbetrifft, auf die Maurer’sche Arbeit.
Die Entwieklungsvorgänge der Gefässe gestalten sich
kurz wie folgt. Zu einer Zeit, wo von den äussern
Kiemen noch nichts zu bemerken ist, sich aber bereits
durch den Durchbruch der hintern Sehlundfalten, die auf
den Hyoidbogen folgenden drei Visceralbögen gesondert
haben, entwickelt sich nacheinander, von vorn nach hinten, in
166 Hugo Naue:
jedem derselben zunächst ein einfacher primärer Gefässbogen,
welcher ventralwärts mit der Herzanlage in Verbindung
tritt, dorsalwärts aber später in die aorta descendens
übergeht. Die Entwicklung geschieht in der Weise, dass
sich im embryonalen Bindegewebe (Mesoderm) Gewebslücken
bilden, welche durch Zusammenfliessen allmählich einen
kontinuirlichen Kanal bilden. Sobald die äussern Kiemen
auftreten, buchtet sich an dieser Stelle der primäre Gefäss-
bogen aus, sodass derselbe dann aus zwei deutlichen
Schenkeln, einem dorsalen und einem ventralen besteht.
Der dorsale Schenkel geht im weitern Verlaufe der Ent-
wieklung so gut wie keine Differenzirungen mehr ein, alle
weitern Komplikationen des Kiemengefässsystems finden am
ventralen Schenkel statt. Es bildet sich von der Wurzel
des primären Gefässbogens aus ein zweites Gefäss, welches
parallel und hinter dem primären bis in die äussere Kieme
verläuft, wo es in den einzelnen Kiemenzotten Schlingen
bildet, um dann medianwärts als ziemlich horizontal ver-
laufendes Gefäss zurückzuführen, und ungefähr an dem
Winkel, den die beiden Schenkel des primären Gefässes
bilden, in dasselbe zu münden. „Dieseszweitesekundäre Gefäss
ist die einzige Kiemenarterie der Froschlarve. Der ventrale
Schenkel des primären Gefässes ist niemals Kiemenarterie.“
Er ist vielmehr nur für kurze Zeit eine direkte Ver-
bindung des primären Gefässbogens, oder was dasselbe
ist, der Kiemenvene. Nach F. Maurer wird diese Ver-
bindung durch Reduktion, welche sich auf den ganzen
Schenkel erstreckt, aber keine vollständige und nur vorüber-
gehende ist, an der Wurzel gelöst. Ich bin indessen etwas
anderer Ansicht. Ich glaube, dass es weniger Rückbildung
ist, welche das Stromgebiet des primären Gefässes von dem
des sekundären abtrennt, als vielmehr eine Neubildung.
Es entwickelt sich eine Scheidewand, sodass das primäre
Gefäss von der gemeinschaftlichen Wurzel abgetrennt wird.
Indem die Entwicklung dann immer weiter fortschreitet,
bilden sich die ersten Anlagen der innern Kiemen. Die
Kiemenarterie sendet nämlich Gefässsprossen zu dem jetzt
abgetrennten ventralen Schenkel des primären Bogens,
welche später die Gefässschlingen der innern Kiemen re-
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 167
präsentiren. Um diese Zeit hat die Kiemenarterie eine
distale und eine proximale Hälfte, von welchen die letztere
die innern Kiemen, die erstere die äussern Kiemen vas-
eularisirt.. Das Blut der innerr Kieme wird durch die
innere Kiemenvene, d. i. den ventralen Schenkel des pri-
mären Gefässbogens abgeführt, das Blut der äussern
Kiemen durch die äussere Kiemenvene, d. h. ebenfalls
einem Stück des primären Gefässbogens. Der dorsale
Schenkel bildet jetzt die vena branchialis communis.
Schwinden dann später die äussern Kiemen, so geht auch
der distale Theil der Kiemenarterie und die äussere Kiemen-
vene zu Grunde. Die vena branchialis communis wird
die direkte Fortsetzung der innern Kiemenvene resp. sie
stellt die innere Kiemenvene dar. Dieses Stadium stellt
den ausgebildeten Zustand der Kiemen, wie er früher in
einem besondern Abschnitte geschildert worden ist, dar.
Bei dem Uebergange aus dem Larvenstadium schwinden
indessen auch die innern Kiemen. Mit dem Schwunde
derselben tritt dann die Kiemenvene oder mit andern
Worten der primäre Gefässbogen wieder mit der Kiemen-
arterienwurzel in Verbindung, d. h. die Scheidewand, welche
sich gebildet hatte zwischen Arterie und Vene, kommt
wieder in Wegfall. Die Kiemenarterie selbst obliterirt all-
mählich und der primäre Gefässbogen geht schliesslich in
den definitiven Arterienbogen über.
Der erwachsene Frosch hat indessen nur drei Arterien-
bogen und es fragt sich nun, welches von den vier Gefässen
verschwunden ist. Es ist das, wie Boas nachgewiesen hat,
der 3. Arterienbogen, welcher beim definitiven Thiere voll-
ständig obliterirt ist.
d. Entwicklung der Kiemenhöhlenwand
und des Verbindungskanals.
Im vorigen Abschnitte musste ich öfters der die äussern
Kiemen nach und nach überdeckenden Opercularfalte oder
des Kiemendeckels Erwähnung thun. Auch bei der Be-
schreibung des ausgebildeten Apparates hatte ich öfters die
Existenz einer Kiemenhöhlenwand hervorgehoben, eines
Gebildes, das dieser Operkularfalte seinen Ursprung verdankt.
168 Huso Naue:
Es erübrigt mir nun, die Entwicklung derselben zugleich
mit der des Kiemendeckels zu schildern.
In der Litteratur findet sich die Entwicklung des
Kiemendeckels bei vielen Forschern nur in sehr kurzen
Umrissen dargestellt.
Ausführlicheres darüber findet sich bei Rathke, welcher
eine ziemlich eingehende Darstellung giebt. Aber erst in
neuester Zeit hat Jordan in seiner „Entwicklung der vordern
Extremität der Anuren Batrachier“ eine genaue Be-
schreibung geliefert; Letzterer hat aber insofern eine Lücke
gelassen, als er nicht angiebt, von wo resp. von welchem
Knorpel aus die Falte ihren Ursprung nimmt. Er lässt es
unentschieden, ob Rathke und Götte Recht haben, welche
sie am Zungenbeinbogen festsitzen lassen, oder von Bär,
welcher das os quadratum als Ursprungsstelle bezeichnet.
Meinen eigenen Beobachtungen gemäss kann es sich, wenn
überhaupt von Festsitzen an einem Knorpel geredet werden
soll, nur um die Zungenbeinbögen handeln.
Uebrigens ist auch die Bemerkung Jordans, dass zur
Zeit der Kiemendeckelbildung die Skelettbildung noch wenig
distinkt sei, nicht als richtig anzuerkennen. Vielmehr hat
sich in dem Stadium, wo der Kiemendeckel anfängt sich
zu entwickeln, das Skelett schon zur Genüge ausgebildet,
um eine Entscheidung über die einzelnen Skeletttheile zuzu-
lassen. Bereits bei der Entwicklung des innern Kiemen-
apparates ist von mir bemerkt, dass der Knorpel sich schon
angelegt hat, sobald nur die erste Anlage der äussern
Kiemen sich zeigt, dass also dann, wenn die Opercularfalte
anfängt sich zu entwickeln, d. h. zu der Zeit, wo die
äussern Kiemen ihre höchste Entwicklung erreicht haben,
auch die Knorpelbildung schon bedeutende Fortschritte ge-
macht haben muss, und die einzelnen Theile des Skeletts
sehr wohl zu unterscheiden sind.
Wie eben gesagt, beginnt die Entwicklung der Oper-
cularfalte, sobald die äussern Kiemen ihre grösste Ent-
wicklung erlangt haben, und auch die innern Kiemen schon
bestehen, wenn gleich noch nicht in der reichen Verzweigung
des ausgebildeten Apparates. Auch die Visceralspalten sind
bereits nach aussen durchgebrochen, d. h. die einzelnen
Ueber Bau u. Entwieklung der Kiemen der Froschlarven. 169
Kiemenbogen haben sich von einander gesondert. Bei einem
Objekte, welches ausgebildete äussere Kiemen hat, befindet
sich hinter diesen und quer über die ganze Ventralseite
gehend eine tiefe Einschnürung, welche den Kopf vom
Rumpfe scheidet, und nach welcher hin auch die Visceral-
spalten durchbrechen. In der ganzen Länge dieser Ein-
schnürung, und somit über die ganze Breite der Ventral-
seite hin, beginnt nun die Körperoberhaut hinten am Kopfe
zu wuchern und in eine Hautfalte auszuwachsen, welche
die ganze Einschnürung und mit ihr die äussern Kiemen
überdacht, sodass dieselben auf diese Weise in eine Höhle
zu liegen kommen. Die Falte entspringt also nicht an einem
Skeletttheile.
Das Wachsthum der Falten ist aber nicht gleichmässig,
sondern der mittlere Theil derselben wächst schneller wie
die Seiten, wodurch es bedingt ist, dass die Falte zuerst
in der Mitte die Einschnürung überdacht, während die
beiden Seiten noch offen bleiben. Wenn dieser mittlere
Theil etwas mehr als die Hälfte der Einschnürung ver-
deckt, beginnt auch von der dem Bauche zu gelegenen
hintern Wand der Einschnürung ein wallartiges Gebilde
sich zu erheben. Dasselbe befindet sich jedoch nicht am
Rande, wie die vordere Falte, sondern ist zurückgerückt.
Dieses letztere Gebilde erreicht jedoch nur eine sehr geringe
Höhe im Verhältniss des vordern Randes, auch hat es
nicht die Breite desselben, sondern ist ungefähr so breit,
wie der mittlere Theil der vordern Falte. Diese beiden
Theile wachsen auch, da sie zuerst zusammenstossen, zuerst
zusammen.
Durch diese Art des Wachsthums der vorderen Falte
bleiben vorläufig auf jeder Seite des Körpers noch zwei
Oefinungen, aus denen die äussern Kiemen nach aussen
und hinten hervorragen. Wenn aber später der mittlere
Theil der vorderen Falte mit dem hintern Rande des
Pericardialsackes verwächst, dann wird die ursprüngliche
Höhle in zwei getheilt. Fast zu gleicher Zeit mit dem
eben beschriebenen Querwalle ensteht auch an dem hintern
Rande der Einschnürung ein zweites Gebilde, welches
ebenso wie das des vordern Randes aus einer Hautfalte
170 Hugo Naue:
besteht, die nach vorn hin wächst, dem Querwalle parallel,
aber viel niedriger bleibt als der Querwall.e. Zwischen
diesem Querwalle und der hintern Randfalte entsteht also,
da sie parallel auf derselben Fläche nebeneinander hin-
laufen, eine Rinne. Nach dem Zusammentreffen mit dem
Querwalle wächst aber die vordere Hautfalte noch weiter,
bis sie mit der Erhöhung des hintern Randes zusammen-
trifft. Sie schliesst jetzt dadurch, dass sie sowohl mit dem
vordern Rande des Querwalles, als auch mit dem der
hintern Randerhöhung sich vereinigt, die von Querwall und
Randerhöhung gebildete Rinne vollständig ab, sodass da-
durch ein Kanal entsteht. Da nun aber der Querwall nicht
über die ganze hintere Einschnürungswand sich erstreckt,
sondern nur dem mittleren Theile desselben aufsitzt, so
geht natürlich auch der Kanal nicht über die ganze hintere
Fläche. Er ist vielmehr nur das Verbindungsglied zwischen
den beiden durch die Verwachsung der vordern Hautfalte mit
dem Pericardialsack gebildeten Höhlen, dureh welchen beide
mit einander kommuniziren.
Wir hatten gesehen, dass dadurch, dass die vordere
Hautfalte an den Seiten langsamer sich entwickelte, anfangs
zwei Oeffnungen geblieben waren, und zwar an jeder Seite
eine, durch welche die äussern Kiemen, wenigstens zum
Theil noch, hervorragten. Im weiteren Verlaufe der Ent-
wicklung werden auch diese beiden Oeffnungen geschlossen
in der Weise, dass die der rechten Seite sich einfach durch
Zusammenwachsen der sich entgegenstrebenden Hautränder
schliesst. Auf der linken Seite dagegen tritt noch eine
Modification ein. Dort wächst nämlich der eine Theil nicht
mit der entgegenkommenden hinteren Hautfalte zusammen,
sondern gleitet noch ein Stück auf der Körperoberfläche hin,
nur an den Hauträndern mit dieser verwachsend, während
der hintere Rand frei bleibt; es entsteht dadurch ebenfalls
ein Kanal, welcher mit der linken Kiemenhöhle in direktem
Zusammenhange steht, mit der rechten dagegen nur durch
den oben geschilderten Kanal verbunden ist. Durch ihn
fliesst das gebrauchte Wasser aus beiden Kiemenhöhlen ab.
Er heisst deshalb auch Athemloch, Kiemenloch oder Spira-
culum. Figur 13 zeigt dasselbe im Längsschnitte, wie die
Ueber Bau u. Entwieklung der Kiemen der Froschlarven. 17i
Hautfalte auf der Körperoberfläche hingleitet. Die Kiemen,
welche vorher noch durch die seitlichen Oeffnungen heraus-
gesehen hatten, sind nun vollständig in die Höhle ein-
geschlossen. Natürlich verschwanden zuerst die der rechten
Seite von der Körperoberfläche, da die Oefinung dieser
Seite sich zuerst schliesst, während die der linken Seite
geöffnet bleibt und dadurch den äusseren Kiemen noch
längere Zeit den Durchtritt gestattet. Nicht bei allen
Anuren - Batrachiern jedoch befindet sich das Spiraculum
auf der linken Körperseite. Bei mehreren Arten befindet es
sich in der Mitte des Bauches, wo es von einem von jeder
Kiemenhöhle kommenden Kanale gebildet wird. Pontallie
und Lambotte haben es zuerst gesehen und beschrieben,
während Götte das Verdienst zukommt, zuerst auf eine
Rigenthümlichkeit in der Stellung des Hautafters zum Athem-
loche aufmerksam gemacht zu haben. Danach korrespondiren
jene beiden insofern mit einander, dass, wenn das Athemloch
in der Mitte liegt, auch der Hautafter in der Medianlinie
sich befindet; liegt das Athemloch dagegen auf der linken
Seite, so findet eine Verschiebung des Afters an die rechte
Seite der ventralen Schwanzwurzelflosse statt. Nach Hoff-
mann-Bronn, Klassen des Thierreichs, Bd. 6, Amphibien,
liegt das Spiraculum bei den Larven von Bufo, Hyla, Rana
und Pelobates auf der linken Seite des Körpers, bei den
Larven von Alytes, Bombinator und Pelodytes dagegen in der
Mittellinie. Dementsprechend musste bei den ersteren also
eine Verschiebung des Afters an die rechte Seite der
ventralen Schwanzwurzelflosse stattfinden. Mehrere fran-
zösische Gelehrte, unter diesen Blanchard und Boulenger;
haben diese Eigenthümlichkeit der Stellung von After und
Kiemenloch dazu benutzt, die betreffenden Amphibien in
Levogyrinides und Mediogyrinides einzutheilen und in die
Systematik einzureihen.
Mit der Bildung des Kiemendeckels ist auch die der
Kiemenhöhlenwand erfolgt. Der Kiemendeckel besteht aus
drei Schichten, der zweischichtigen Körperoberhaut, dem
darunter gelegenen subepithelialen Bindegewebe (Götte) und
zu innerst einer zweischichtigen zarten Epidermis. Diese
letztere sondert sich, nachdem der Process der Kiemendeckel-
172 Hugo Naue:
bildung vollendet ist, mehr und mehr von der Körperober-
haut, mit der sie nur durch das subepitheliale Bindegewebe
zusammenhing, ab und bildet dann die Wände der Kiemen-
höhlen.
Der Lauf des Wassers, aus welchem das Thier den zur
Athmung nöthigen Sauerstoff zieht, ist also folgender: Aus
dem Schlunde gelangt das Wasser durch die siebartigen
Gebilde und die Kiemenspalten in die Kiemenhöhlen, wo es
die Kiemen umspült. Nachdem diese hier den Sauerstoff in
sich aufgenommen haben, fliesst es ab und zwar aus der
linken Kiemenhöhle durch das Spiraculum direkt, während
das der rechten Höhle vorher erst noch den Kommunikations-
kanal zu passiren hat, bevor es ebenfalls durch das Spira-
culum abfliessen kann, zu welchem hin es in der Rinne
geführt wird.
Eine besondere Muskulatur, wie Duges anführt, besitzt
der Kiemendeckel nicht.
Zum Schlusse sei es mir noch gestattet, meinem Freunde
und Studiengenossen Herrn Schöbel meinen Dank für die
Ausführung der Zeichnungen auch an dieser Stelle aus-
zusprechen.
Litteraturverzeichniss.
1. Steinheim, Die Entwickelung der Frösche. Hamburg
1820.
2. Huschke, E., Ueber die Umbildung des Darmkanals
und der Kiemen der Froschquappen, in Isis v. Oken,
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3. Rusconi, Developpement de la grenouille commune,
Paris 1826.
4. Baer, v., Geschichte des Froschembryo, in Burdach:
die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Leipzig,
1828 II.
5. Rathke, H., Anatomisch -philosophische Untersuchungen
über den Kiemenapparat und das Zungenbein der
Wirbelthiere. Riga und Dorpat 1832.
6. Duges, Recherches sur l’osteologie et la myologie
des Batraciens & leurs differents äges; presentees &
Vacademie royale des sciences. Paris 1834.
10.
18.
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Batraciens anoures; in: Memoires couronndes et memoires
des savants etrangers, publies par l’academie royale
des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique
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Batraciens; in: Annales des sciences naturelles,
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Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissen-
schaften, Hamburg 1846.
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phys. sur le developpement du foetus et en part sur
l’evolution embryonnale des oiseaux et des Batraciens;
in: Memoires presentees par divers savants a l’academie
des sciences de institut national de France. Paris 1851.
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Wirbelthiere. Berlin 1855.
. Milne-Edwards, Lecons sur la physiologie et l’anatomie
comparee de l’homme et des oiseaux. Paris 1857.
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zum Erscheinen der äusseren Kiemen; in: Sitzungs-
berichte der math.-naturw. Klasse. Wien 1860 XXXIX.
. Ecker, A., Die Anatomie des Frosches, Braunschweig
1864.
. Ecker, A., Jcones physiologicae. 1851—59.
. Golubew, A., Beiträge zur Kenntniss des Baues und der
Entwickelungsgeschichte der Kapillargefässe des Frosches
in: Archiv für mikrosk. Anatomie von M. Schultze 1869,
Bambecke, v., Recherches sur le developpement du
Pelobate brun; in: Me&moires couronndes et me&moires
des savants etrangers, publies par l’acad&mie royale des
sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique.
Bruxelles 1867—1870 tome XXXIV.
174 Hugo Naue:
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20. Goette, A., Die Entwiekelungsgeschichte der Unke
(Bombinator igneus). Leipzig 1875.
21. Lataste, Sur la position de la fente branchiale chez le
tetard du Bombinator igneus, im: Journal Zsologique
tome VI 1877.
22. Balfour, Handbuch der vergl. Embryologie. Jena 1831.
23. Boas, E. V. Ueber den conus arteriosus und die
Arterienbogen der Amphibien, in: Gegenbauer, morpho-
logisches Jahrbuch, Band 7, Leipzig 1882.
24. Boas, E. V. Beiträge zur Angiologie der Amphibien,
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25. Leydig, Die anuren Batrachier der deutschen Fauna.
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26. Claus, Lehrbuch der Zoologie, Marburg und Leipzig 1883.
27. Alcock, Th. On the development of common frog, in:
Memoirs of Manchester Literary and Philosopbical Society
III ser. VIII vol. London 1884.
28. Wiedersheim, R., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie
der Wirbelthiere, Jena 1884.
29. Boulenger, Note sur la position de l’orifice anal chez les
tetards des Batraciens d’Europe aus Bulletin Soe. Zool.
France, tome XI.
30. His, Anatomie menschlicher Embryonen Ill. Zur Geschichte
der Organe. Leipzig 1885.
3l. Barfurth, der Hunger als förderndes Prineip in der Natur,
in: Archiv für mikrosk. Anatomie 1887. XXIX.
32. Maurer, F. Die Kiemen und ihre Gefässe bei anuren
und urodelen Amphibien und die Umbildung der beiden
ersten Arterienbogen bei Teleostiern, in: Gegenbauer
morphologisches Jahrbuch, Band XIV, Leipzig 1888.
33. Jordan, Die Entwickelung der vorderen Extremität der
Anuren-Batrachier. Dissertation, Leipzig 1888.
34. Schulze, F. E. Ueber die inneren Kiemen der Batrachier-
larve, aus: Abhandlungen der Königlich preussischen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1888.
Ueber Bau u. Entwicklung der Kiemen der Froschlarven. 175
Erklärung der Abbildungen.
Sämmtliche Zeichnungen sind mit der Oberhäuserschen
camera lucida, ohne Berücksichtigung der durch die Con-
servirung entstandenen Schrumpfungen, verfertigt.
Figur 1. Kopf einer ausgebildeten Larve, von der
ventralen Seite geöffnet. Vom linken Kiemenkorbe sind die
Kiemen und Blutgefässe entfernt; Totalansicht. o Mund;
msh muse. subhyoideus; zb Zungenbeinbogen; ce Herz;
kb,—kb, 1-4 Kiemenbogen; k,—ks; 1—3 Kiemenspalte:;
k Kiemen; vk Verbindung der beiden mittleren Bögen am
vorderen Ende; vk Verbindungsknorpel der gesammten
4 Bögen am hinteren Ende; kbf Kiemenbögenfortsätze.
Figur 2. Längsschnitt durch das Zungenbein und den
1. Bogen. z Zungenbein; f Filter; sonst wie in Figur 1.
Verere5b us
Figur 3. Längsschnitt durch den Verbindungsknorpel
der 4 Bögen am hinteren Ende. vk Verbindungsknorpel;
f Filter; g Gefäss; Vergr. 55:1.
Figur 4 Längsschnitt durch die vorderen Fortsätze
des 2. und 3. Bogens. vk Verbindungsknorpel; f Filter;
a,—a, Arterien des 1.—4. Bogens; Vergr. 55:1.
Figur 5. Querschnitt durch einen Kiemenkorb. a,—a,
1—4 Arterie; v—v, 1—4 Vene; m Muskel; e Epithel;
fg Gefäss des Filters; sonst wie in Figur 1.
Figur 6. Längsschnitt durch ein Stück des Filter-
apparates. za Zellanhäufung am äusseren Rande; e Epithel;
b Bindegewebe; md mesodermale Zellen; Vergr. 200:1.
Figur 7. Querschnitt durch den Kopf einer Larve, um
die Kiemenhöhlenwand und den Verbindungskanal zu zeigen.
kh Kiemenhöhle; khw Kiemenhöhlenwand; ve Verbindungs-
kanal; ep Epidermis, sonst wie in Figur 5. Vergr. 55:1.
Figur 8a. Schematische Zeichnung des Blutgefässver-
laufs in den Kiemen. a Arterie; v Vene; ka von der Arterie
in die Kiemen gehendes Gefäss; kv von der Vene in die
Kiemen gehendes Gefäss.
Figur Sb. Querschnitt durch einen mittleren Kiemen-
bogen, um die Gefässvertheilung zu veranschaulichen. ka
von der Arterie in die Kieme gehendes Gefäss; kv von der
176 Hugo Naue: Ueber Bau und Entwicklung der Kiemen ete.
Vene in die Kieme gehendes Gefäss; ke Kiemenkapillaren.
(Die Kapillaren der Deutlichkeit wegen ohne Blutkörperchen.)
Figur 9. Querschnitt durch ein junges Stadium. ak
äussere Kieme; a Arterie; ep Epidermis; Vergr. 120:1.
Figur 10. Längsschnitt durch ein etwas älteres Stadium.
ak,—ak; 1—3 äussere Kieme; a,—a, 1—3 Arterie; Vergr.
120:%.
Figur 11. Längsschnitt durch ein Stadium, bei dem
die äusseren Kiemen vollständig entwickelt sind (konstruirt).
ak äussere Kieme; k innere Kieme; o Opercularfalte; kb
Kiemenbogen; g Gefäss; sh Schlund; akg äusseres Kiemen-
gefäss. v8,— v8, 2—5 Visceralspalte.
Figur 12. Totalpräparat eines inneren Kiemenbogens
mit darauf sitzender äusserer Kieme. Bezeichnungen wie
in Figur 11. Vergr. 30:1.
Figur 13. Längsschnitt durch ein jüngeres Stadium,
das dem ausgebildeten Zustande nahe ist. sp Spiraculum;
o Opercularfalte; hf hintere Falte; sonst wie in Figur 5.
Vergr. 20:1.
— ne ——
Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 63 Doppeltafel 2
KIN ARISSRRIN Berlin AV.
Me
1%
Dr
R
EEE TNERTNN
I. Sächsisch -Thüringische Literatur.
Lattermann, @., in Berlin, Die Lautenthaler Soolquelle
und ihre Absätze, Jahrbuch der k. preussischen geologischen
Landes- Anstalt 1888 (erschienen 1890).
Ein kleiner Nebengang des Lautenthals-Glücker Ganges
ist der Leopolder Gang; auf diesem wurde 370 m unter
Tage vor 30 Jahren eine Soolquelle angefahren. Die
Pumpenröhren, welche das Quellwasser zu passiren hatte,
zeigten einen festen Absatz, dessen chemische Zusammen-
setzung folgende war:
Schwefelsaurer Baryt 94,3%
a Strontian 1,6 „
Ri Kalk Ok
Eienoxyd 0,5 „
Wasser Se
Der Leopolder Gang hat ein Streichen von 9,2 h und
ein Fallen von 55° S., er ist 40 m vom Hauptgange ent-
fernt und beide schaaren sich nach Osten zu. Die Mineral-
Combination der beiden Gänge: 1) Aelterer Kalkspath,
2) Quarz, 3) Bleiglanz und Quarz, 4) Blende und Kupfer-
kies weisen Schwerspath nicht auf; derselbe fehlt vielmehr
gerade östlich der Innerste auf diesen Gängen. Dagegen
tritt der Kalkspath in der Quell führenden Schicht auf;
das Hangende des Ganges bilden Culmgrauwacken und
Thonschiefer; im Liegenden dagegen hat der Gang als
Verwerfer die Schichten bis zum Oberdevon in das
gleiche Niveau gerückt. Die Hauptquelle liefert in der
Minute 40 1 oder 57600 1 per Tag; 180 m vom ersten
Quell findet sich ein zweiter Quellpunkt, welcher 1 ] pro
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIIT. 1890. 12
178 I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
Minute liefert. Anfangs am Quellort ist die Soole ganz
klar, sie beginnt erst 50 m vom Quellort, nachdem sie sich mit
anderen Grubenwassern gemischt hat, trüb zu werden und an
ihrer Oberfläche talgähnliche, vollkommen krystallinische Ab-
sätze zu bilden. Diese sind‘ bis zu mehreren Centimetern
dick und bestehen aus Schwerspath ; in den Leitungsröhren
haben sich in 3—5 Jahren 2000 Kilogr. dieses Minerals
gebildet. Die Ueberzüge der zweiten Quelle erinnern an
Karlsbader Strudelstein. In den Jahren 1836/87 hatte sich
die 13. Strecke mit Soole gefüllt und es hatte sich die
Streckensoole mit einer 1—2 dem. hohen Schicht eines
grauweissen Schwerspathschlammes bedeckt. Von Gasen
enthält die Soole wahrscheinlich nur Stickstoff und zwar
0,5 em? im Liter.
Die Analysen der Soole ergaben und zwar 1. von der
Hauptquelle und 2. von der zweiten Quelle im Liter:
erste: zweite:
N
KELLER
Chlorbarium 0,314lgr. 0,318 8770,21 97er.
Chlorstrontium 0,854 „ 0,899 „ 0,859 „
Chlorealeumır 105092, 1020221029055
Chlormagnesium 3,219 „ 4,60 „ 93275 „
Chlornatrium 67,555 „ 68,168 ,„ 64,076 „
Chlorkalium 0,3597, OA58 012 033702,
Beide Quellen lieferten dasselbe Resultat, gehören
also zusammen; eine solche Zusammensetzung einer Soole
war bis jetzt unbekannt. Verfasser vergleicht die Grull-
quelle zu Recklinghausen, die Kreuznacher Elisabethquelle,
die Bibraer Eisen- und Schwesternquelle, das Pyrmonter
Wasser, die Elisabethquelle zu Homburg und das Emser
Krähnchen in Bezug auf die beiden selteneren alkalischen
Erden mit der neuen Quelle. Die Analyse der Grubenwasser
liefert das Resultat, dass auch sie Soolen sind, welche
jedoch Schwefelsäure enthalten. Hierauf beruht der durch
Vermischung der Soole und der letzteren entstehende Nieder-
schlag von Schwerspath.
Aus weiteren Analysen der Mischung ging hervor, dass
in der Mischung auch schwefelsaurer Baryt in gelöster Form
Sächsisch - Thüringische Literatur. 11708)
vorhanden war und dass mit der Zufuhr der Schwefelsäure,
welche jedoch niemals in dem Grade vorhanden war, um
alles Baryum, Strontium etc. zu fällen, der Gehalt an ge-
lösten schwefelsauren Strontium wächst.
Die Farbe des gebildeten Schwerspathes ist bald rein weiss,
bald rothbraun, er ist moosartig zu Stalactiten vereinigt. Das
Mikroskop lehrt, dass die kleinen keulenartig aussehenden
Schwerspathkrystalle die Combination 010, 101 oder 010,
110, 011 nach Naumann darstellen, wo also 010 und 101 Spalt-
formen sind. Analysen des weissen Baryts I, des rost-
braunen II und des B.—schlammes III ergaben:
I II TI
Baryterde 55,69 55,08 50,66
Strontianerde 6,79 487 7,08
Kalkerde — 0,81 020,85
Eisenoxyd 0297752.5377.0:69
Chlornatrium — 0,36 —
Schwefelsäure 34,22 33,65 33,26
Kieselsäure 0.16, ,.0,20772:50
Orsan, Subst, Spur, 04152019
Wasser 1,012 701.290, ,135
Weitere Versuche des Verfassers beweisen, dass die
Soole einmal die Reaction zwischen Baryumsalz und
der Schwefelsäure verzögern und anderntheils, dass sie
einen Theil des schwefelsauren Baryts in Lösung erhalten
kann, endlich, dass die verschiedene Verdünnung der
Lösungen von bedeutendem Einfluss auf die Ausscheidung
des Baryts ist. Schon in der unvermischten Soole ist
schwefelsaures Baryum in Lösung vorhanden, doch durch‘
die vorhandenen chemischen Reagentien nicht nachweis-
bar; seine Anwesenheit geht aber aus der Bildung von
kleinen Stalactiten von Schwerspath in der Soole hervor.
Die Herkunft der Quelle ist unsicher, doch setzt sich
der Lautenthals - Glücker Hauptzug wahrscheinlich nach
Seesen in die Zechsteinformation fort und entnimmt
dieser die Salze der Quelle.
Halle a. S. Luedecke.
12*
180 I. Sächsisch- Thüringische Literatur.
v. Fritsch, K., Die Tertiärformation Müttel- Deutschlands;
aus Vollert, Der Braunkohlenbergbau, Festschrift zur
Feier des 4. allgemeinen Bergmannstages in Halle a. S.
C. E. M. Pfeffer (Rob. Stricker) 1889.
Die Tertiärformation des mittleren Nord-Deutschland
ist ausgezeichnet dadurch vor dem Vorkommen derselben
Formation in der Lausitz, Böhmen, Franken, der Rhön
und Hessen, dass vulkanische Gebirgsmassen und sonstige
feste sedimentare Schichten fehlen; nur der Braunkohlen-
quarzit „Knollenstein“ bildet hier und da aushaltende
Bänke. Die losen Sande, Thone und mulmige Braunkohlen
wiegen vor und die Lagerung der Gebirgsschichten ist im
allgemeinen eine söhlige. Im Osten der Mark finden sich
Aufrichtungen, Zerreissungen, Verwerfungen der Schichten.
Vielfach, besonders am Harze und bei Halle a. S. zeigt
sich, dass die Ablagerung in horizontalen Schichten nach
Einebnung der gefalteten älteren Straten stattgefunden
hat; vielfach findet man die Braunkohlenschichten in
Thälern der älteren Gebirgsschichten liegen. Die Ab-
wesenheit von Brocken der darunterliegenden Massen und
die auf weite Strecken hin sich gleich bleibende Beschaffen-
heit der tertiären Schichten lässt die Annahme gerechtfertigt
erscheinen, dass ein allgemein wirkendes Agens die Trümmer
der anstehenden Gebirge entfernt und auf weite Strecken
hin in gleichmässiger Weise dieselben Tertiärschichten ge-
bildet hat.
Es widerspricht dies besonders der Bildung derselben
an Ort und Stelle und, dass durch langsame Hebungen
und Senkungen Meeresablagerungen zwischen die Landab-
lagerungen eingeschoben worden seien.
Letzterem widerspricht, dass die Meeresablagerungen
sich innigst an die Thone, Sande etc. anschliessen; auch
müsste sich der Untergrund in seinen verschiedenen
Varietäten: als Kalkstein — Sandstein — Rothliegendes
ete. vielmehr bei der Bildung der Landbildungen geltend
gemacht haben, als man dies beobachtet; so müsste ein
Sumpfgebiet mit Kalksteinunterlage Travertinbildungen
bervorgerufen haben, welche uns die organischen Reste in
Sächsisch- Thüringische Literatur. 181
vorzüglicher Weise überliefert hätten; dieselben fehlen aber
gänzlich.
Die Hebung und Senkung müssten erkennbare
Spuren ihrer Thätigkeit zurückgelassen haben, welche
durchaus vermisst werden. Dann müssten auch die Sande
und Thone Reste von Sumpf- und Wasserpflanzen enthalten;
dieselben werden aber dort vermisst, ebenso wie sie in den
Braunkohlen nur ganz sporadisch sind.
Die Bildung aus Wassernüssen sind ganz zu verwerfen,
denn in den unteroligocänen Hauptablagerungen werden die-
selben vermisst; sie finden sich nur in den jüngeren
Schichten.
Der Verfasser erklärt die Ablagerungen als Meeres-
ablagerungen durch die Annahme, dass damals ein Meer,
welches 400 Meter hoch Norddeutschland überdeckte, die-
selben abgesetzt habe. Diese Bildungsart würde es auch
erklärlich finden lassen, dass die auf der damaligen Ober-
fläche des Bodens befindlichen losen Massen durch das ein-
dringende Wasser Anfangs vollständig ausgebaggert worden
sind und so dieselben sich nicht mehr an einer Schicht-
bildung innerhalb unseres Gebietes betheiligen konnten.
Die gleichartige Beschaffenheit derselben Schichten an
so weit auseinanderliegenden Stellen wie Blankenhain und
Halle a. S. erklärt sich hierdurch auch in genügender
Weise.
Hierzu kommt, dass die ziemlich mächtigen Braunkohlen-
flötze selbst eine solche Structur zeigen, wie sie sich nur
bei einer Sonderung der Gemengtheile nach dem specifischen
Gewichte bilden konnten.
Noch bis vor kurzem glaubte man, dass alle Braun-
kohlenschichten dieses Gebietes ein unteroligocänes
Alter besässen; neuere Untersuchungen von Behrend,
H. Credner und dem Verfasser haben jedoch gezeigt, dass
dieses im Allgemeinen nicht zutreffend ist. Für die Gegend
von Halle a. S. trifft dies zu, weil hier der mitteloligocäne
Septarienthon die Flötze bedeckt, während bei Egeln,
Latdorf, Aschersleben, Atzendorf und Helmstedt die Haupt-
masse derselben mit versteinerungsreichen unteroligocänen
sandig thonigen Sehichten in Verbindung stehen. Später
182 I. Sächsisch- Thüringische Literatur.
wiesen Zaddach für die Braunkohle der Mark, Kosmann
für die am Flemming, H. Credner für die von Leipzig,
Behrend für weitere Vorkommen nach, dass dieselbe jünger
sei als der mitteloligocäne Septarienthon.
Verfasser gelangt unter gleichmässiger Berücksichtigung
paläontologischer Verhältnisse und eigener Be-
obachtungen über Lagerungsverhältnisse zu folgen-
der Eintheilung der tertiären Schichten.
Erste Stufe der älteren subhereynischen Braun-
kohlenbildung; hierher gehören die Flötze zwischen Magdeburg
und dem Harze, die von Halle a. S., Cöthen und Weissen-
fels. Die Flötze werden von Sanden, Quarziten, Quarz-
kiesen, Thonen ete. begleitet; es existirt ein Unter- und
Oberflötz, von welchem das erstere gewöhnlich das
mächtigere ist; nach oben zu gehen sie öfter in Schweel-
kohle über; das Oberflötz ist weniger mächtig, reicher an
Schwefelkies, Alaunen und alaunhaltigen Thonen. Bei
Lützkendorf ist das Unterflötz 70 Meter, bei Nachterstedt
50 Meter mächtig. An Thierresten finden sich hier der
Limulus Decheni und Insecten, von Pflanzen Sequoia
Couttsiae Hr., Sabal major Ung. sp., Stereulia labrusca Ung..,
Apocynophyllum neriifolium Hr., und Dryophyllum Dewal-
quei Sap. u. a.; hierbei hebt der Verfasser besonders her-
vor, dass diese Gewächse lederartige grüne Blätter besassen,
und dass eine nicht geringe Anzahl derselben in anderen
Gegenden characteristisch als für Eocän gelten.
Auf der „schwarzen Minna“ und dem ‚Segen Gottes-
Schachte“ bei Eisleben hat man eine reiche Flora aufge-
funden, welche sogar Anklänge an die Kreideflora hat; es
ist bis jetzt leider noch nicht ganz ausgemacht, ob diese
Flora dieser ersten Stufe beigezählt werden darf oder ob
dieselbe älter ist, als diese. Bei Egeln erscheint im
Hangenden der Braunkohle ein sandig glaukonitisches
Meeresmuschellager, welches für unteroligocän gilt; auch
bei Helmstedt, Magdeburg und Aschersleben sind mannig-
fache Thierreste dieser Stufe gefunden worden; besonders
reich war früher Latdorf bei Bernburg: Nummulina germanica
Born., Trochoseris helianthoides Röm., Cidaris anhaltina
Gieb., zahlreiche Bryozoön, Tbecidium mediteraneum
I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 183
und Lattorfense. Von Weichthieren ca. 900: Nautilus
imperialis, Pholdomya Weissii Goldf., Cypricardia praelonga
Giebel., Chama monstrosa Phil. Spondylus Buchii Phil.,
Ostrea ventilabrum Goldf., (dieselbe bildet nachgewiesener
Massen bei Spandau unterirdische Bänke), Cancellaria elon-
sata Ngst., Fusus egregius Begr., Strepsidura desertum Sol.,
Pleurotoma Bosqueta, Voluta suturalis, Mitra Mettei Gbl.;
Fischreste bei Helmstedt und Büddenstedt: Lamna elegans
und cuspidata.
Die zweite Stufe bildet das Mitteloligocän, welches
gewöhnlich in Form eines oft wohlgeschichteten, meist
grauen, sehr gut knetbaren Thones, des sogenannten
Septarien- oder Rupelthones erscheint. Eingesprengte
Foraminiferen- und Muschelschalen machen ihn kalkhaltig;
durch wechselweise Zersetzung des Kalks und Schwefel-
kieses bilden sich Gypsknollensande, und Sandmergel be-
gleiten ihn; durch Braunkohle gefärbte Sande führen die
Bezeichnung Magdeburger und Stettiner Sande. Neben
228 Foraminiferen findet man Leda Deshaysiana Ductret.,
Nucala Chasteli Nyst., Fusus multisulcatus Nyst., Aporhais
speciosa Schloth., Pleurotoma Duchasteli Nyst., P. regularis
de Kon., Natiea hantoniensis Sow., Nystii Sow., Lamna
cuspidata Ag. und Meletta crenata.
Credner stellt die Thone, Sande und Kiese zwischen
Leipzig und dem sächsischen Berglande hierher; vielleicht
sehören auch die Alaunerze und Braunkohlen von Born-
stedt in diesen Horizont; Aralia Weissii Frid., Apocyno-
phyllum helveticum Heer., Quercus Sprengeli Hr., Sequoia
Langsdorfi Bgt. und Bombax Decheni Web. gehören der
dritten Stufe an; vielleicht kann man sie aber auch zu der
folgenden Stufe rechnen.
Dritte Stufe oberoligocäne Meeresmuschellager,
Formsand Laspeyres; es sind glauconitische, in sandstein-
artige, kalkreiche Gebilde übergehende Sande und Sand-
mergel z. Th. mit Eisenstein verbunden. Die Hellberge bei
Wiepke, der Eisenstein bei Brombach (Dessau), Hohendorf
bei Calbe, Schlieben bei Cottbus bilden diese Stufe; Fossilien:
Lunnulitis hippocrepis Röm., Terebratula grandis Bib.,
Pecten Janus Goldf., Cardium eingulatum, Menkei, Nueula
184 I. Sächsisch- Thüringische Literatur.
peregrina Desh., Buceinum Bolli Beyr., Nassa Schlotheimii,
Turritella Geinitzii Spey. Trochus elegantulus Phil.
Vierte Stufe helle Sande, Kiese, Thone mit Knollen-
stein über oberoligoeänen Schichten: Miocän; am Thon-
berge, märkische Braunkohlen mit Flaschenthon (unten Thon,
Mitte Faschenthon, oben Sand), häufig Alaunflötze. Bei
Muskau Corylus und Carpinusblätter, bei Zschipkau:
Liquidambar europaeum Al., Carpinus pyramidalis Göp.,
Populus latior, Taxodium distichum miocenum Heer. Borna,
Göhren und Mittweida gehören nach den Beschreibungen von
Beck, Engelhardt und Schenk hierher.
Halle a. S. Luedecke.
Vollert, Max, Der Braunkohlenbergbau, Festschrift zur
Feier des IV. allgemeinen Bergmannstages in Halle a. 8.
C. E. M. Pfeffer (R. Stricker) 1889.
Den ersten Theil der vorliegenden Schrift bildet die oben
besprochene Abhandlung des H. v. Fritsch über die Tertiär-
formation Mitteldeutschlands.
An dieselbe anschliessend bespricht V. die Verbreitung
derselben; als Erläuterung dient hierbei eine Karte; als-
dann folgen die geschichtliche und rechtliche Entwickelung
des Bergbaues, der technische Betrieb, die mechanische
und chemische Aufbereitung, Statistik der Production und
der Arbeiterverhältnisse.
Das Buch ist fliessend geschrieben und bringt eine
Menge von Daten, welche aus officiellen Quellen geschöpft
sind, sich also wohl als recht zuverlässig erweisen werden;
die Ausstattung ist lobenswerth und können wir daher das
Werk den Interessenten angelegentlichst empfehlen.
Halle a. S. Luedecke.
Franzen, W., u. v. Koenen, A., Ueber die Gliederung
des Wellenkalks im mittleren und nordwestlichen Deutschland,
Jahrbuch der Äkgl. preuss. geologischen Landes - Anstalt.
(440 S.) 1888.
I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 185
Die Autoren haben am Bahneinschnitt zu Hardegsen,
N.W. von Göttingen, an den Aufschlüssen zwischen
Kreiensen und Gandersheim, in der Umgegend von War-
burg, in der Nähe von Wissingen bei Osnabrück und an
der Hainleite bei Sondershausen den Wellenkalk näher
studirt und die überall gemeinsam hervortretenden festen
Bänke — die Oolithbänke, Terebratel- und Schaumkalk-
bänke an den einzelnen Fundorten mit einander zu
parallelisiren gesucht. Aus denselben geht hervor, 1) dass
die drei Haupthorizonte fester Bänke die sogenannten
Oolithbänke («x u. 8 der preussischen geologischen Special-
karte), der Terebratelbank- (y) und der Schaumkalk-
Horizont (d) von Thüringen und Sondershausen durch das
südliche Hannover und Braunschweig, sowie Westfalen bis
nach Osnabrück im Wellenkalk in demselben Niveau —
soweit sich dies feststellen liess — und in wenig ab-
weichenden Gesteinen vertreten sind; 2) dass mindestens
bis Warburg hin zwei Oolithbänke (« und £) durch
gelbe Kalke getrennt, zwei Terebratelbänke (y) und
drei Schaumkalkbänke vorhanden sind, ebenso auch
bei Sondershausen und bei Eisenach; 3) dass mürbe gelbe
Gesteine ähnlich denen des mittleren Muschelkalks ganz
allgemein auch bei Sondershausen, Kreiensen, Göttingen
und Warburg schon über den unteren und mittleren
Schaumkalk folgen und dass Schichten reich an Myophoria
orbicularis sich gerade über der unteren Schaumkalkbank
sehr häufig finden, in einem höheren Horizonte häufig
fehlen.
Deswegen ist es auch ungeeignet, gerade diese Schichten
als Grenzschichten zwischen unteren und mittleren Muschel-
kalk anzusehen. Früher ist dies häufig geschehen und da-
her sind die beiden oberen Schaumkalkbänke dem mittleren
Muschelkalke zugerechnet worden.
Schliesslich machen die Verfasser den gewiss beachtens-
werthen Vorschlag, die drei Horizonte nur mit drei Buch-
staben zu bezeichnen und daher die Oolithbänke mit A,
die Terebratelbänke mit B und die Schaumkalke mit C
zu bezeichnen.
186 I. Sächsisch- Thüringische Literatur.
Auf der kgl. preussischen geologischen Spezialkarte
wird künftighin der untere und obere Wellenkalk so ge-
schieden werden, dass die untere Grenze des letzteren
unter die Terebratelbänke, welche sich am leichtesten er-
kennen lassen, gelegt werden wird.
Halle a. S. Luedecke.
Frantzen, W., in Meiningen, Untersuchungen über die
Gliederung des unteren Muschelkalks im nordwestlichen
Westfalen und im südwestlichen Hannover. Jahrbuch der
kgl. preuss. Landes-Anstalt. (453 8.) 1588.
Der Verfasser hat das früher mit von Könen gemein-
sam Unternommene (vergl. voriges Referat) weiterverfolst;
insbesondere ist es ihm gelungen, eine Reihe dünner, für
den Muschelkalk von Meiningen für bestimmte Horizonte
eonstante Bänkchen (Unieardiumbank, Bank mit Spiriferina
fragilis 6—S Meter unter der unteren Terebratelbank liegend,
mehrere dünne die obere Terebratelbank begleitende mit
Spiriferina hirsuta und Terebratula vulgaris) auch im süd-
westlichen Hannover bei Kreiensen und Hardegsen und in
Westfalen bei Sandebeck aufzufinden.
Merkwürdig ist es nun, dass von Westfalen bei Osna-
brück der Wellenkalk sich durchaus verschieden von dem
verhält, was wir sonst in Mittel-Deutschland etc. kennen
gelernt haben. Hier feblt nicht nur der Schaumkalk der
Zone d, sondern es sind auch die übrigen Schaumkalk-
bänke in so unansehnlicher Gestalt entwickelt, dass eine
Ausscheidung der Bänke « £, Oolithbänke und 7 Terebratel-
bänke nicht mehr möglich ist, weil dieselben nicht ent-
wickelt sind, und da bereits von Kreiensen an gegen W.
hin auch in dem unteren Wellenkalk oolithische Bänke
vorkommen. Daneben gehen hier mehrere Leitpetrefacten
in andere Horizonte über. So z. B. geht Myophoria
orbicularis, welche bei Meiningen Hauptleitmuschel der
Schaumkalkzone d und die Orbiecularisschicht ist und in
tieferen Schichten nur als grosse Seltenheit beobachtet wird,
nach N. und W. hin in immer tiefere Schichten abwärts,
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 157
so dass sie bei Osnabrück im oberen Wellenkalk eine der
semeinsten Muscheln ist.
Auch die Terebratula vulgaris behält ihr Lager in der
nach ihr benannten Zone nicht bei, sondern geht ebenfalls
in tiefere und höhere Schichten über, hinauf bis in den
Schaumkalk d, abwärts bis in die Bank der Spiriferina
fragilis.
Halle a. S. Luedecke.
Scheibe, R., u. Zimmermann, Geognosie der Gegend des
Ilmthales zwischen Schneridemüllerskopf und Ilmenau, Jahr-
buch der kgl. preussischen Landes - Anstalt. (63 8.) 1888
(erschienen 1890).
Die Verfasser schliessen sich, was die Eruptivgesteine
anlangt, den von v. Fritsch gegebenen Daten an und geben
folgende Eintheilung: Aeltestes Gebirgsglied ist der Granitit
(vergl. des Referenten Aufsatz in der Zeitschrift für
Krystallographie X. 187) des Meyersgrunds; derselbe wird
überlagert vom unteren Manebacher Carbon, welches zu
unterst aus Conglomeraten, welche Sandstein, Quarz,
Granit, cambrischem Quarzit und Kieselschiefer führen,
besteht; darüber folgt ein feinkörniger, grauer oder rother
Sandsteinschiefer mit Schieferthon. Dieser wird überlagert
von Meyersgrundporphyr, dem Schneidemüllersgrund-
porphyrit und dem Glimmerporpbyrit der Wilhelmsleite,
bei Manrebach, am Dachskopf ete.
Perlgraue bis rothe dünnschichtige Thonsteine, deren
unterste Schichten durch aufgenommene Glimmerporphyrit-
bruchstücke conglomeratisch sind, werden wohl am besten
als Tuffe dieser Gesteine aufgefasst. Ueber denselben
folgen dann die Feldspathporphyrite am Hirschkopf und am
Fusse des Kiekelhahns; über letzteren erheben sich dann
die Tuffe und Quarzporphyrdecken desselben. Die folgen-
den Schichten sind durch Verwerfung von den vorher-
sehenden getrennt.
Das obere Manebacher Carbon gliedert sich in: zu
unterst Quarzitgerölle führendes Conglomerat an der
183 I. Sächsisch- Thüringische Literatur.
Kammerberger- Stützerbacher Strasse aufgeschlossen, da-
neben wechsellagernde Schieferthone, Sandsteine und Kohlen-
tlötze und andere Conglomerate mit Quarzgeröllen, Kiesel-
schiefer und Porphyritstücken.
Concordant aufgelagert folgt dann das Unter-Roth-
liegende am Buntschildskopf mit Sandsteinen und jüngeren
Conglomeraten; den Gipfel dieses Berges bildet dann der
nach ihm genannte Porphyr. Nun folgt wieder eine Lücke;
es folgen die Tuffe und darüber die Conglomerate des
Heidelberges, dem noch Schieferthon und concordant die
Porphyrdecke des Rumpelberges folgt. Unter der Voraus-
setzung, dass der Walchia piniformis und filiciformis sowie
Cordaitenblätter führende Schieferthon an der Schwalben-
steiner Wand identisch ist mit dem Schieferthon des Kohl-
thals, findet das Profil seine Fortsetzung im Porphyr der
Sturmheide, welcher wiederum concordant von den Tuff-
schichten und Porphyreonglomeraten des Schwalbensteins
und Spiegelsbergs bedeckt wird.
Diesen Conglomeraten ist der Melaphyr von Roda und der
Porphyr der Preussenhöhe und der bei Elgersburg eingelagert.
Die obersten Lagen bilden sodann der Elgersburger Sandstein
und die Conglomerate des T'odtensteins bei derselben Stadt.
Wie schon erwähnt, durchqueren die Gegend mehrere
grosse Verwerfungen. Die erste ist die vom Dachskopf
ausgehende, nach W.-N.-W. nach dem Mönchshof zu über
das Blatt Suhl und Crawinkel verlaufende. Die zweite geht
ebenfalls von Dachskopf aus und streicht nach N.-W. gegen
den Rumpelsberg hin; schon vor diesem Berge wird sie
durch eine dritte etwa O.-W. verlaufende Querverwerfung
abgeschnitten, welche an der Schwalbensteiner Wand und am
Südabhang des Heidelbergs und Rumpelbergs hinläuft. Die
vierte Verwerfung geht an der Schwalbensteiner Wand nach
N.-W. und verliert sich am Adelheidstein bei Elgersburg.
Das zwischen der ersten und vierten Hauptverwerfung
eingeschlossene Gebiet wird durch die beiden anderen
Hauptspalten in drei keilförmige Stücke zerschnitten, von
welchen das zwischen der zweiten und dritten gelegene
als „Horst“, die beiden anderen mit der Schneide nach
Osten gekehrten als „Gräben“ aufzufassen sind.
1. Sächsisch- Thüringische Literatur. 189
Von letztern ist der nördliche Graben tiefer als der
südliche abgesunken. Den Gräben verdankt das Mane-
bacher Ober-Carbon (-Ottweiler Schichten) seine Erhaltung.
Nördlich von der dritten und vierten Spalte muss es bei
200 Meter Tiefe angetroffen werden; in den Horsten fehlt
es selbstverständlich. Ein hübsch ausgeführtes Kärtchen
1:5000 begleitet den Text.
Halle a. S. Luedecke.
Loretz, H., Dr., in Berlin, Ueber einige Eruptivgesteine
des Rothliegenden im S.-O. Thüringer Walde. Jahrbuch
der kgl. preussischen geologischen Landes- Anstalt 1888
(erschienen 1890).
Der Verfasser beschreibt die petrographische Beschaffen-
heit des Granitporphyrs, Quarzporphyrs, quarz-
armen Porphyrs, Glimmerporphyrits u. Melaphyrs
vom südö. Thüringer Walde und theilt chemische Analysen
dieser Gesteine mit. Das zuerst genannte Gestein kommt
aufwärts von Ernstthal und Unterneubrunn gangförmig im
Schiefer vor. In einer holokrystallinen Grundmasse, welche
aus Orthoklas, Plagioklas, Quarz, Titaneisen und Apatit
besteht, liegen grosse z. Th. tafelige Orthoklase und
Biotite; an einigen Stellen erscheint als Umwandlungs-
product der Kalkspath.
Der Quarzporphyr kommt in zwei Varietäten vor,
als krystallreiche Varietät und als krystallarme. Der erstere
tritt sehr zurück. Die Structur der Grundmasse des krystall-
armen Quarzporphyrs ist mikrogranitisch; besonders treten
in derselben hie und da wohlausgebildete Orthoklase und
farblose Glimmer hervor; granophyrische Struetur findet sich
ebenfalls; z. Th. finden sich kleine idiomorphe Orthoklase
in Quarz eingewachsen, z. Th. ist es umgekehrt; auch
Pseudosphärolithe kommen vor; nur ein ganz geringer
Theil der Grundmasse ist isotrop. Plagioklas findet sich
hie und da neben dem Orthoklas als Einsprengling vor.
Quarzarme Porphyre aus dem oberen Masserthal
und dem Tanngrund haben eine dichte Grundmasse, welche
sich unter dem Mikroskop immer als mikrokrystallinisch
190 I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
erweist, isotrope Theile besitzt sie nicht. Dieselbe besteht
vorwiegend aus Orthoklas und Quarz; dort, wo Einspreng-
linge vorkommen, bestehen dieselben neben Orthoklas aus
Plagioklas; ausnahmsweise findet sich pseudogranophyrische
Structur; wirkliche Granophyr - Struetur ist nicht vorhanden;
auch Biotit kommt als Einsprengling vor.
Bei zunehmendem Quarzgehalt nähern sich diese Ge-
steine Tschermaks Felsithporphyren, bei Zurücktreten
desselben den Porphyriten.
Glimmerporphyrit. In einer dunkeln, rothen,
braunen oder violetten Grundmasse liegen Krystalle und
Bruchstücke von Plagioklas, Biotit, Augit und Magnet-
eisen. Hie und da finden sich auch Orthoklas und
Schwefelkies.
Die Grundmasse erscheint im Dünnschliff als ein Ge-
webe von Orthoklas und Plagioklas mit Quarz, Magneteisen,
Titaneisen und Apatit; Glas ist zweifelhaft. Mechanische
Einwirkungen, welchen das Gestein ausgesetzt gewesen ist,
sieht man deutlich an den Biotiten.
Gewisse Varietäten nähern sich einerseits dem quarz-
armen Porphyr und andrerseits dem Melaphyr; Fundorte,
von welchen Analysen gegeben werden: Rotbe Mühle bei
Oberwind, Strasse zwischen Ober- und Unterneubrunn,
Fahrweg von Ernstthal auf den Kreiseberg und aus dem
Nahethal.
Kersantit. Die deutlich körnige bis dichte Grund-
masse besteht aus Plagioklas, Orthoklas, Biotit, selten
Quarz, Magnetit und Titaneisen. Grössere Einsprenglinge
sind Biotit und Feldspath; dieselben machen die Gesteine
manchmal porphyrisch. Auf das frühere Vorhandensein
von Augit deuten augitische Hohlräume, welche von Caleit,
Chlorit und Quarz erfüllt sind. Fremde grössere Quarze
finden sich hie und da ein. An der Landstrasse zwischen
Ober- und Unterneubrunn und im Auerbachsthal stehen
dieselben an.
Melaphyr. Plagioklas und Augit liegen in einer
dunkeln, grauen, grünen, schwarzen Grundmasse, welche
manchmal Mandelsteinbildung zeig. Ein Gewebe von
I. Sächsisch -Thüringische Literatur. 191
idiomorphen Plagioklasleisten bildet die Hauptmasse der
Grundmasse, als Füllmasse zwischen denselben tritt der
Augit auf; derselbe ist fast immer in Chlorit, Caleit, Eisen-
oxyd und Quarz umgeändert; seltener sind Olivinumrisse
und Biotit; Magneteisen, Titaneisen, Schwefelkies und
Apatit sind häufiger.
Am Sommerberg und Wuerenberg stehen diejenigen
M. an, deren Analysen mitgetheilt werden.
Halle a. S. Luedecke.
H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersanlıt und
Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte bei Unterneu-
brunn im Thüringer Walde, Jahrbuch der kgl. preussischen
geologischen Landes-Anstalt. (100 $.) 1887.
An der Strasse zwischen Ober- und Unterneubrunn be-
obachtet man folgendes Profil von S.-W. nach N.-O.: Phyllit,
21,5 Meter Glimmerporphyrit, 1 Meter Kersantit, 10,5 Meter
Phyllit, 7,5 Meter Kersantit, 9 Meter Phyllit, 1 Meter
Kersantit, 13,5 Meter Phyllit, 0,6 Meter Kersantit, 21 Meter
Glimmerporphyrit, 2,4 Meter Kersantit und Phyllit.
Die Gänge fallen N.-O. ein und ist der Glimmerporphyrit
beiderseits von schmalen Gängen von Kersantit begleitet
(vergl. S. 189); der eine Glimmerporphyritgang kann 500
Meter weit verfolgt werden, der andere nur 250 Meter;
auch die übrigen Erscheinungen des Profils lassen sich
weiter verfolgen; auch nach S8.-O. streichen die Gänge
ziemlich weit fort.
Das Streichen der Schiefer ist im Mittel N.-O., so dass
also der Gang quer dazu steht.
Auch weiterhin findet man in derselben Spalte Ortho-
phyr; andere Stellen, so am Köpfle, an der Tannenleite,
zwischen Neubrunn und Giesübel, am Holzberg und
Schmetterberg und an der südöstlichen Seite der Hohen
Wart findet man Orthophyr und Glimmerporphyrit, Ortho-
phyr und Kersantit, und Glimmerporphyrit und Kersartit
in derselben Spalte.
192 I. Sächsisch- Thüringische Literatur.
Der Kersantit zeigt grössere Einsprenglinge von Magnesia-
glimmer, Plagioklas (Orthoklas) und Quarz; die dunkelgraue
(mit einen Stich ins röthliche oder bläuliche schimmernde)
Grundmasse ist feinkörnig bis dicht; unter dem Mikroskop
erkennt man darin divergente strahlige Plagioklase,
Magnesiaglimmer, Quarz, Augit, Magnet- und Titaneisen,
sowie die Zersetzungsprodukte des Augit: Chlorit, Caleit
und Quarz. —
Der Glimmerporphyrit zeigt porphyrische Structur da-
durch, dass grosse nach OlOtafelige Plagioklase, welche
nach dem Albit- und Karlsbader Gesetz gleichzeitig ver-
bunden sind, Augit und Magnesiaglimmer aus der Grundmasse
hervortreten; dieselbe zeigt Fluitalstructur, besteht vor-
wiegend aus Plagioklas, Ferrit, Magnet-, Titaneisen, Quarz,
Chlorit, Caleit; letztere sind wahrscheinlich Zersetzungs-
producte des Augit. Das spee. Gew. ist 2,7, während die
Kersantite ein höheres haben. Der letztere hat die Schiefer
z. Th. in Hornfels umgewandelt.
Im Auerbachthal und Glasbachthal hat der Verfasser
Gänge von Kersantit beobachtet, welche er dem Alter nach
zum Rothliegenden zählt. Der Glimmerporphyrit breitet
sich auch in Decken aus und gehört entschieden dem
Alter nach ebenfalls zum Rothliegenden. Das Zusammen-
vorkommen in derselben Spalte ist nach dem Verfasser ein
zufälliges, der Kersantit soll das ältere von beiden sein.
Merkwürdig ist es, dass derselbe auch hier nur in
Spalten, niemals aber als Decke erscheint.
Halle a. S. Luedecke.
Bücking, H., Prof. Dr., Mittheilungen über die Eruptiv-
gesteine der Section Schmalkalden, Jahrbuch der könngl.
preussischen Landes-Anstalt. (115 8.) 1888.
An der hohen Warte östlich von Klein-Schmalkalden
finden sich über dem Granit graue dünnplattige Sandsteine,
graue und schwarze Schieferthone und geringe Conglomerat-
bänke; diesen Schichten eingeschaltet finden sich ein
Melaphyr und Quarzporphyr, und ersterer bedeckt das
6)
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 195
Ganze. Am Kirchberge bei Floh lagern über Unter-
Rothliegenden rothgefärbte Mittel-Rothliegende Schichten
und Ober-Rothliegendes. Von Eruptivgesteinen erscheinen
hier im Mittel-Rothliegenden Melaphyr, Palatinit (Kühnberg-
gestein) und Quarzporphyre verschiedener Art. Verfasser
bespricht sodann die Constitution der Glimmerporphyre, der
Palatinite und Melaphyre.
Die Ganggesteine sind zum Theil einfache, zum Theil
gemischte Gänge. Die ersteren theilt er in drei Ab-
theilungen: 1) Basische, z. Th. entsprechen sie den Pala-
tiniten, z. Th. den Hysterobasen von Lossen, z. Th. Diorit-
porphyriten. 2) Gänge mit Eruptivgesteinen von 56°%
Kieselsäure und dem spec. Gew. von 2,71—2,75. Dieselben
nähern sich theils den Paläophyren, theils den Keratophyren
Gümbels, Bücking bezeichnet sie als Gangorthoklas- oder
Syenitporphyre (Lossens Meso-Keratophyr oder Meso-Augit-
Keratophyr). 3) Granitische Gänge, welche 67°, Kiesel-
säure und mehr aufweisen. Die Grundmasse ist mikro-
sranitisch und allotriomorphkörnig; sie nähern sich den
felsitischen Quarzporphyren und werden von B. als Granit-
porphyre bezeichnet.
In den gemischten Gängen bei Herges und Umgebung
finden sich entweder 1) Syenitporphyr und Gangmelaphyr
oder 2) Granitporphyr und Gangmelaphyr oder endlich
3) Granitporphyr, Syenitporphyr und Gangmelaphyr; das
Kieselsäure-reichste Gestein findet sich dann stets in der
Mitte, das Kieselsäure-ärmste am Salband des Ganges; die
Gänge sind dann gewöhnlich rechts und linkssymmetrisch.
Das durchaus Gesetzmässige der Aufeinanderfolge
lässt sich nur daraus erklären, dass die Gangausfüllung
aus einheitlichem Guss, aber unter verschiedenem Drucke statt-
sefunden hat; dies kann man wohl aber nur dann annehmen,
wenn der Eruptionsherd sehr nahe liegt, und dies muss
hier der Fall sein, denn auf einer nicht ganz 2 Kilometer
langen Strecke kreuzen sich hier 18 ca. 10 Meter mächtige
Gänge. Zwischen der Restauration Ittershagen und dem
Trusefall im Trusethal folgen 8 meist 10 Meter mächtige
Eruptionsgänge aufeinander auf eine Entfernung von 500
Meter. Sie springen coulissenartig aus den abgerundeten
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIIT. 1890. 13
194 I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
Granitfelsen hervor, das Thal mehrfach einengend, und geben
ihm seinen romantischen Charakter.
Für die Annahme eines einzigen Magma’s, welches
erst in der Gangspalte selbst eine Spaltung in verschiedene
Gesteine erfuhr, sprechen vorzüglich die aus 3 Gesteinen
symmetrisch aufgebauten Gänge, so z. B der Gang „Elmen-
thal Süd“. Besonders aber entspricht dieser Auffassung
die Thatsache, dass in den höheren Theilen der Gänge,
welche also vom Eruptionsherd am weitesten entfernt
sind, dieselben nur mit Syenitporphyr erfüllt sind, während
die tieferen — also dem Herde näheren — Theile der
Spalten Granitporphyr mitten zwischen Syenitporphyr,
während die Salbänder Gangmelaphyr zeigen.
Die Thatsache, dass dort, wo sich die Gänge aus-
keilen, der Gangmelaphyr auch das Ende des Ganges
kappenförmig „wie eine Schale“ (Heim) umhüllt, spricht
ebenfalls für die Annahme einer einheitlichen Füllung
der Gänge. Dass trotzdem die Gänge verschieden alt sind,
beweist das, dass sie an einzelnen Stellen (z. B. an den
Pulverköpfen) sich gegenseitig durchsetzen. Sie gehören
ihrem geologischen Alter nach dem Rothliegenden an;
es entspricht der Quarzporphyr hier dem Granitporphyr
dort, der Orthoklasporphyr hier dem Syenitporphyr dort,
der Melaphyr dem Gangmelaphyr und der Porphyrit dem
Dioritporphyrit. Einwirkung auf die Nebengesteine: die
Granite, Gneisse, Glimmerschiefer, Hornblendeschiefer
konnten nicht aufgefunden werden.
Halle a. S. Luedecke.
Bornemann, L. @., Ueber einige neue Vorkommnisse
basaltischer Gesteine zwischen Gerstungen und Eisenach,
Jahrbuch der kgl. preuss. Landes- Anstalt. (290 S.) 1888.
Im Buntensandstein des Forst-Reviers Frauensee hat
der Oberförster Gerlach auf der Südseite des Landers-
kopfes dicht an dem vom Josthof nach Gospenroda
führenden Wege und geuau südlich von der Kupfergrube
(ebenfalls bekannter Basaltbruch) ein neues Basaltvor-
I. Sächsisch- Thüringische Literatur, 195
kommen aufgefunden. Er bildet einen Durchbruch durch
den Buntensandstein und zeigt oben eine 48 Meter Durch-
messer haltende Kuppe. Eine spärliche glasige Grund-
masse führt Plagioklase, Augite, Biotite, Nephelin,
Schwefelkies und Magneteisen; makroskopisch sieht man
mit Schwefelkies besetzte Augite; es ist ein Hornblende-
freier Tephrit.
Auch das Gestein der Kupfergrube ist ein Tephrit,
aber ein hornblendeführender.
Auch am Königsrain (westlichen Steilrand des Oel-
berges) bei Dippach findet sich ein 1 Meter breiter Basanit-
führender Gang, welcher auf dem Blatt Gerstungen der
kgl. preuss. geolog. Specialkarte ausgelassen ist; in dichter
Grundmasse findet man Augit und Olivin, sowie Kalkspath-
mandeln. Die Grundmasse löst sich zu einem Gemenge
von Glasmasse, Augit, Olivin, Plagioklas und Magneteisen
auf; Nephelin fand sich nicht, wohl aber gab die Grund-
masse mit Salzsäure behandelt Kochsalzwürfel, daher ist
es ein Basanit.
Im Forstorte Birkenkopf hat Beyrich einen Basalt
wieder aufgefunden; es ist nach B. Limburgit wie an der
Stopfelskuppe.
In der Linie Pflasterkaute-Birkenkopf liegt bei Mark-
Suhl 160 Meter oberhalb des zweiten Viaducts ein Basalt-
gang.
Alle Basaltgänge zwischen dem Birkenkopf einerseits
und den Gängen im Muschelkalk bei Hörschel andrerseits
gehören einem Gangzuge von 10!/, Kilometer Erstreckung
an und sind theils Limhurgite, theils olivinführende
Nephelinbasalte. Die Gänge von Königsrain und Landers-
kopf gehören einer parallelen Spalte an.
In den Tuffen an der Stopfelskuppe hat B. ein ganzes
Netz von Gängen olivinfreien Nephelinits aufgefunden.
Halle a, S. Luedecke.
Keilhack, H., Ueber einen Damhirsch aus dem
mürkischen Diluwium bei Belzig, Jahrbuch der kgl. preuss.
geologischen Landes-Anstalt. (252 S.) 1888.
137
196 1. Sächsisch- Thürineische Literatur.
Aus den präglacialen Süsswasserkalken von Belzig
erhielt der Verfasser ein in 30 Stücke zertrümmertes Ge-
weih des Damhirsches, welches er sorgfältig wieder zu-
sammensetzte, abbilden liess und beschrieb. Insbesondere
verglich er dasselbe durch genaue Messungen am Umfange
des Geweihzapfens am Rosenstocke, der Stange hart über
demselben, der Stange hart unter dem 2. Sprosse, des
zweiten Sprosses an der Wurzel ete. mit Damhirschge-
weihen, welche in den Jagdschlössern Letzlingen und
Wiesenburg aufbewahrt werden und von lebenden Hirschen
stammen; er fand, dass der Geweihzapfen, die Stange, die
beiden Sprossen und die Schaufel bedeutend stärker und
dieker am fossilen sind, als am lebenden; die beiden
Sprossen des fossilen erscheinen die untere nach unten
und die obere nach oben gedreht. Das Geweih des
letzteren ist etwas kürzer und erscheint in Folge der
grösseren Stärke bedeutend gedrungener. Die beiden
Stangen gehen unter weniger stumpfem Winkel vom Schädel
ab und erscheinen dadurch zumal im mittleren Theile ein-
ander genähert.
Die jetzigen Damhirsche sind also beträchtlich
schwächer und schlanker geworden als die fossilen. Da
diese Erscheinung wahrscheinlich mit der Domesticirung
zusammenhängt, verglich der Autor seine Exemplare noch
mit portugiesischen, welche ebenfalls in Wildgattern gehalten
werden, und mit griechischen, welche frei leben. Wie
vorauszuseben, stellt es sich heraus, dass die portugiesischen
sich den deutschen, während die freilebenden griechischen
sich den altdiluvialen in den Dimensionen der Geweihe
nähern. Eine gute Abbildung begleitet den interessanten
Aufsatz. |
Halle a. S. Luedecke.
Schulze, Erwin, Fauna piscium Germaniae. Separat-
abdruck aus dem Jahrb. des naturw. Ver. zu Magdeburg
für 1889. Potsdam. (77 S.) Eduard Döring’s Verlag.
1590. 1,50
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 197
Das Schriftchen behandelt die Fische der oberen
Donau und aller nordwärts fliessenden Ströme vom Rheine
bis zur Memel. Voraus geht ein ausführliches Literatur-
verzeichniss. Jede Gattung und Art ist mit lateinischer
und deutscher Diagnose versehen, nebst den literarischen
Nachweisen. Dazu Vorkommen, Wanderungen, Laichzeit,
Nahrung, sowie Schmarotzer. Schliesslich ein Index.
Bei den vielen durch die Fischereivereine und das allge-
mein erwachte Interesse für die Fischzucht in letzter Zeit
erschienenen Localfaunen jedenfalls eine so zeitgemässe
als nützliche Zusammenstellung.
Meinem Gefühle nach wäre es erwünscht gewesen,
anstatt des einen deutschen Namens bei jeder Art alle
anzuführen. Der wissenschaftliche Werth würde zwar
kaum erhöht sein, wohl aber der praktische.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
Simroth, H., Ueber die Verbreitung von Emys europaea
bei Leipzig, Sützungsber. der naturf. Ges. zu Leipzig.
Die Daten, welche betreffs der Emys europaea
zusammengestellt, machen es höchst wahrscheinlich, ja fast
gewiss, dass das Thier in der ganzen Niederung von Leipzig
einheimisch ist, schwerlich blos verwildert.
Das stellt unserem Vereine die Aufgabe, das Vor-
kommen der gemeinen Schildkröte auch bei Halle, Merse-
burg, Schkeuditz etc. recht genau zu beachten.
Bekanntlich sind auf dem Wasser treibende Fisch-
blasen ein ziemlich sicheres Merkmal ihres Vorkommens,
da sie als Reste ihrer Mahlzeit übrig bleiben.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
Simroth, H., Ueber die Verbreitung des Sperlings.
Original.
Bei dem häufigen Streite der Meinungen über den
Sperling, ob er schädlich oder nützlich sei, mag auch an
dieser Stelle auf eine nicht uninteressante Thatsache hin-
198 I. Säichsisch-Thüringische Literatur.
sichtlich seiner Verbreitung hingewiesen werden. Die An-
sichten der wirklich Sachverständigen haben sich erst all-
mählich dahin geeinigt, dass dieser in allen Sätteln ge-
rechte Vagabund, der überall mit schmarotzerhafter Zähig-
keit sich einnistet, nach Möglichkeit einzuschränken ist.
Auch in Nordamerika sucht man dem anfangs erwünschten
jetzt scharf zu Leibe zu gehen. Da ist es denn gewiss
merkwürdig, dass es bei uns noch eine Localität giebt, bis
zu der er nicht vorgedrungen ist, der Rochlitzer Berg
nämlich, nach Mittheilung des Herrn Dr. Francke in Rochlitz.
Bis jetzt hat der Steppenvogel den Waldgürtel dieses
so vielbesuchten Porphyrtuffkegels noch nicht überschritten,
er brütet noch nicht in den ausgedehnten Baulichkeiten
des Wirthshauses.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
Dietel, P., Die Uredineen bei Leipzig, Sitzungsberichte
der naturf. Gesellschaft zu Leipzig.
P. Dietel, der eifrige Mycetolog, hat seine Ver-
setzung nach Leipzig benutzt, um die dortigen Uredineen
zu studiren. Er giebt ein vorläufiges, bereits ziemlich
ausführliches Verzeichniss in den Sitzungsber. der naturf.
Ges. zu Leipzig.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
Ehrmann, P., Zusammenstellung der Leipziger Schnecken,
naturforschende Gesellschaft zu Leipzig.
Nach den eben erscheinenden Sitzungsberichten hat
P. Ehrmann eine neue Zusammenstellung der Leipziger
Schnecken gegeben. Immerhin findet sich einiges Neue
dabei.
Eine Schilderung der im allgemeinen nicht günstigen
Verhältnisse, wenigstens für die Landfauna erhöht den
Werth der Arbeit. Die Muscheln sollen später folgen.
Gohlis-Leipzig. Simroth.
II. Allgemeine Literatur.
Maack, Ferdinand, Zur Einführung in das Studium
des Hypnotismus und thierischen Magnetismus. _Gross-
Oktav. (27 Seiten.) 1888. 75
Dreher, Dr. Eugen, Der Hwypnotismus, seine Stellung
zum Aberglauben und zur Wissenschaft. (33 Seiten.) Neu-
wied. Heuser’scher Verlag. 1889. 1A
Das allgemeine, häufig leider marktschreierische und
taschenspielerische Interesse, welches sich in den letzten
Jahren in Folge der vielen experimentellen Vorführungen
an das Wiederaufleben des Hypnotismus knüpft, ruft
selbstverständlich eine reiche Literatur hervor. Die meisten
gebildeten Leser sind wohl mit den massenhaften Schlag-
wörtern, die dieses dunkle Gebiet, um den Mangel an wirk-
licher Erkenntniss zu verdecken, gezeitigt bat, mehr oder
weniger vertraut. Dann wird es ihnen auch möglich sein,
die historische Entwickelung, die Maack giebt, zu verfolgen.
Wie schwer es ist, über die Mittel, „welche hypnotischen
Schlaf herbeiführen können, den man, wenn möglich, jeder
Anwendung der Suggestion vorausgehen lassen wird,“ ein
sicheres Urtheil zu gewinnen, dafür nur ein Satz. „Während
der Braidismus mehr an eine bewusst-wollende geistige Auf-
merksamkeit mit physikalischen (durchaus immer sinnlich
mechanischen) Reizen appellirt, wendet sich der Mesmeris-
mus mehr an eine unbewusste seelische Stimmung mit
chemischen (vielleicht unter Umständen übersinnlich-
ätherischen) Reizen.“ Diese werden zum Theil in Jägers
Duftstoffen, also doch wenigstens etwas Sinnlichem, wenn
200 II. Allgemeine Literatur.
auch dem exacten Experiment bis jetzt verschlossenen ge-
funden. Der Aufsatz läuft schliesslich, nach äusserst viel-
seitiger Zusammenstellung, auf die Betonung der Noth-
wendigkeit hinaus, der psychischen und autopsychischen
Heilmethoden eben der medicamentösen entweder als hyp-
notische oder als nicht - hypnotische suggestive Psycho-
Therapie ihren berechtigten Platz einzuräumen.
Dreher, der mehr vom philosophischen Standpunkt
ausgeht und eine Anzahl von Geschichten aufzählt, verhält
sich viel kritischer, z. T. selbst gegen den vorigen Aufsatz.
Er verlangt vor allem grössere Umsicht bei den Experi-
menten, geht aber wobl zu weit, wenn er das Tischrücken
für Aberglauben erklärt, da es sich so leicht unter allen
Cautelen nachmachen lässt und auf irgend welcher Ungleich-
heit beider Körperhälften (sei es des Kreislaufs, sei es
der Muskelentwickelung, sei es der mit beiden, namentlich
der letzteren verknüpften Nerven) beruht. Wohlthuend be-
rührt aber der hohe Werth, der der Einbildung bei alien
den Wundererscheinungen beigemessen wird, und der Ver-
such, die selbständigere Funktion gewisser Nervencentren
zur Erklärung heranzuziehen und damit den Boden realer
Naturwissenschaft zu gewinnen. — Wer einer nüchternen
Auffassung zuneigt, wie es bei einem naturwissenschaftlich
gebildeten Publikum sich von selbst versteht, sei ausser
diesem auch auf einen hübschen Aufsatz verwiesen, der im
letzten Jahrgange der Sitzungsberichte der naturforschen-
den Gesellschaft zu Freiburg dasselbe Thema behandelt.
Gohlis. Simroth.
Voigt, J. @., Die Geistesthätigkeit des Menschen und die me-
chanischen Bedingungen der bewussten Empfindungsäusserung
auf Grund einer einheitlichen Weltanschauung. Vorträge. Mit
erläuternden Holzschnitten. Leipzig 1887. M. A. Schmidt.
Derselbe: Sammlung gemeinverstündlicher Erkenntniss-
schriften. Das Empfindungsprinzip und die Entstehung
des Lebens auf Grund eines einheitlichen Substanzbegriffes.
Gleichfails mit Holzschnitten. (2 und 3.) Leipzig. Oskar
Gottwald. 1889. 50%
II. Allgemeine Literatur. 201
Es kann wohl nicht die Aufgabe einer naturwissen-
schaftlichen Zeitschrift sein, sich mit der Philosophie und
ihren über die exacte Forschung hinausgehenden Specula-
tionen kritisch auseinanderzusetzen, am allerwenigsten würde
vielleicht der Vertreter einer speciellen Diseiplin sich zu
solchem Unterfangen eignen. Anders allerdings, wenn, wie
im vorliegenden Falle, diese Philosophie sich durchweg auf
den Boden der naturwissenschaftlichen Ergebnisse stellt und
versucht, ihre Resultate über die Möglichkeit experimen-
tellen Erkennens hinaus zu einheitlicher Weltanschauung
zu verknüpfen. In dieser finden wir die Gegensätze
zwischen starren Ätomen und den quälenden leeren Räumen
dazwischen, die mit einem unwägbaren Aether ausgefüllt
sein sollen, zwischen anorganisch und organisch, zwischen
empfindungslos und empfindend, zwischen bewusst und ur-
bewusst durch einheitliche, über die experimentelle Me-
thode hinausgehende Verknüpfung überbrückt. Es mag
wohl noch geraume Zeit vergehen, bevor sich die Atomistik
mit derartig weittragenden Anschauungen auseinandergesetzt
hat. Ich leugne nicht, dass mit der gewöhnlichen An-
schauung der Chemie, wonach in einem Plasmamoleecül
z. B. sich eine grosse Menge von Atomgruppen in gewisser
Weise fixirt finden (eventuell unter beständiger Bewegung),
sodass sie bei Zersetzung als solche Gruppen wieder heraus-
genommen werden können (worauf doch die ganze An-
schauung von der Constitution beruht), Voigt's Darstellung
durchaus symmetrischer Gruppierung des Stoffes, der Kräfte
und Ströme nur schwer in Einklang zu bringen ist. Auch
die erste Entstehung des Organischen nicht unmittelbar an
der Erdoberfläche, sondern in wechselnder Entfernung da-
von scheint mir mit unseren Erfahrungen nicht wohl ver-
einbar, wie ich mich ähnlich gegenüber Moritz Wagner,
dem Jüngern, aussprechen zu müssen geglaubt habe. Wenn
irgendwo, so bat der alte Satz: corpore non agunt, nisi
soluta, für die organischen Substanzen Geltung, mag man
nun das Protoplasma als etwas chemisch Bestimmtes oder
als ein unausgesetzt Wechselndes auffassen, dessen Wesen
geradezu im Wechsel liegt. Alles Plasma, das wir kennen,
ist an unmittelbare Nahrungsaufnahme aus wässrigen Lö-
202 Allgemeine Literatur.
sungen gebunden, mögen diese erst in Darm hergestellt
und das Wasser für sich dazu aufgenommen werden, oder
mögen es äussere Nährlösungen sein, wie bei den Pflanzen.
So viel wie wir wissen, ist die Ernährung und das vegeta-
tive Wachsthum stets unterbrochen, sobald die unmittelbare
Berührung mit tropfbarflüssigem Wasser, das Nährstoffe
enthält, oder mit dem Boden unterbrochen ist; das Wachs-
thum mag vielleicht in feuchter Luft noch eine Weile fort-
gehen auf Kosten von Reservestoffen, in Wahrheit ist es
aber dann nur ein Scheinwachsthum, da die allein nicht
unterbrochene Athmung beständig an der vorhandenen
Summe der organischen Substanz zehrt. Indess entferne
ich mich damit zum mindesten recht weit von V.’s Aus-
drucksweise. — Der Gedanke, die Vermeidung des
Schmerzes zum primum agens in der Natur zu erheben,
hat etwas äusserst Ansprechendes, will aber doch vielleicht
beim Unorganischen nicht recht Stich halten. Wenigstens
sehört die consequente Phantasie des Philosophen dazu,
auch hier das gleiche Prinzip anzuerkennen. — Diese
wenigen Bemerkungen, abrupt wie sie sind, bezwecken
weiter nichts, als die reiche Anregung, die man aus den
Schriften gewinnt, entfernt anzudeuten. Diese sind gewiss
um so mehr zu empfehlen, je mehr die überreiche Fülle
der empirischen Forschung zur Zersplitterung drängt. Die
Darstellung ist eine sehr frische, und nicht zum wenigsten
deshalb, weil der Autor bekanntermassen zugleich Ver-
fasser grösserer Werke ähnlichen Inhalts ist, der seinen
Stoff beherrscht und in den Vorträgen Gedankenfülle zu-
sammendrängt. Betreffs der Geistesthätigkeit mag auf die
Umwälzung hingewiesen werden, die sich gerade jetzt in
der anatomischen Auffassung der Nervenzellen — ob
Centra, ob Ernährungsapparat — vollzieht. Die philo-
sophische Ableitung würde weniger darunter leiden, als
einzelne Ausführungen, ein bei dem starken Fluss und der
intensiven Arbeit auf allen naturwissenschaftlichen Gebieten
unvermeidliches Schicksal. Die Ausstattung der Vorträge
vor Seiten der Verlagshandlung ist durchweg gut, sodass
man die Broschüren auch deshalb gern in die Hand nimmt.
Gohlis. Simroth.
II. Allgemeine Literatur. 203
Ostwald, Wilh., Prof. Dr., Die exacten Wissenschaften.
W. Engelmann in Leipzig.
Seit der Besprechung dieses Unternehmens in unserer
Zeitschrift Bd. 62 S. 206 1839 sind 12 Heftchen erschienen,
welche den Gebieten der Mathematik, Astronomie, Physik,
Physiologie und Chemie entnommen sind; es sind dies:
No. 1: H. Helmholtz, Ueber die Erhaltung der Kraft.
(1847.) 8. (60 pag.) #4 —.80.
- 2: Carl Fr. Gauss, Allgemeine Lehrsätze in Beziehung
auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrats
der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Ab-
stossungs-Kräfte.e (1840.) Herausgegeben von
A. Wangerin. 8. (60 pag.) # —.80.
- 3: J. Dalton u. W.H. Wollaston, Die Grundlagen
der Atomtheorie. Abhandlungen. (1803—1808.)
Herausgegeben von W. Ostwald. Mit 1 Tafel.
8. (30 pag.) MH —.50.
- 4: Gay-Lussac, Untersuchungen über das Jod. (1314.)
Herausgegeben von W. Ostwald. 8. (52 pag.)
AM —.E&.
5: Carl Fr. Gauss, Allgemeine Flächentheorie.
(Disquisitones generales circa superficies curvas.)
(1527.) Deutsch herausgegeben von A. Wan-
gerin. 8. (62 pag.) M —.80.
- 6: E. H. Weber, Ueber die Anwendung der Wellen-
lehre auf die Lehre vom Kreislaufe des Blutes
und insbesondere auf die Pulslehre. (1850.)
Herausgegeben vonM. vonFrey. Mit 1 Tafel.
8. (46 pag.) 4 1.—.
- 7: F. W. Bessel, Untersuchungen über die Länge
des einfachen Sesundenpendels. (1826.) Heraus-
gegeben von H. Bruns. Mit 2 Tafeln. ®.
(Tl page.) NM 3.—.
- 8: A. Avogadro u. Ampere, Abhandlungen zur
Molekulartheorie. (1S11 u. 1814.) Mit 5 Tafeln.
Herausgegeben von W. Ostwald. 8. (50 pag.)
A 1.20.
204 II. Allgemeine Literatur.
No. 9: H. Hess, Thermochemische Untersuchungen. Her-
ausgegeben von W. Ostwald. 3. (102 pag.)
A 1.60.
- 10: F. Neumann, Allgemeine Gesetze der indueirten
elektrischen Ströme. Herausgegeben von C. Neu-
mann. 8. (96 page.) 4 1.50.
- 11. Galileo Galilei, Ünterredungen und mathema-
tische Demonstrationen über zwei neue Wissens-
zweige, die Mechanik und die Fallgesetze be-
treffend, nebst Anhang über den Schwerpunkt
einiger fester Körper. 1. Tag mit 13 und 2.
Tag mit 26 Fig. im Text. Aus dem Italien.
übersetzt und herausgegeben von Arth. von Oet-
tingen. 8 (142 pag.) M 3.—.
- 12: J. Kant, Theorie des Himmels. (1755.) Heraus-
gegeben v. H. Ebert. 3. (101 pag.) #4 1.50.
Da es unmöglich ist, alle zu besprechen, so sei es
heute gestattet eins herauszugreifen. No. 4 erschien im
91. Bande de Annales de Chemie, sowie in Gilberts
Annalen ins Deutsche übersetzt von Gilbert. Derselbe hatte
verschiedene Aenderungen vorgenommen, welche hier nach
dem Original wieder beseitigt sind. Die in eckige
Klammern beigesetzten Ziffern beziehen sich auf die
Seiten der Original-Abhandlung. Die Abhandlung über
das Jod von Gay-Lussaec ist nach Ostwald eine der ersten
und für alle Zeiten eine der besten Monographien eines
Elementes und seiner wichtigsten Verbindungen, welche je
erschienen sind und kann als Vorbild einer solchen aufge-
fasst werden. „Bei der völligen Neuheit der Sache und
bei der bewunderungswürdigen Menge der herrlichen Ver-
suche, die Herr G. angestellt hat, ist es als befinde man
sich in einer Feenwelt; und nicht leicht hat irgend eine
Zaubergeschichte in den Knabenjahren mich durch das
Wundervolle mehr überrascht und angezogen, als jetzt die
Bearbeitung der chemischen Geschichte der Jodine und des
Ausserordentlichen, das dieses Werk bewirkt.“ Dieses war
das Urtheil desim Gegensatz zu seinen Zeitgenossen soüberaus
II. Allgemeine Literatur. 205
nüchternen Gilbert über diese schöne Arbeit, welche auch
heute noch als Muster auf diesem Gebiete gelten kann.
Die Ausstattung der kleiner Hefte ist eine musterhafte.
Halle a. S. Luedecke.
Remsen, Ira, Dr., Professor an der Johns Hopkin’s Uni-
versität in Baltimore. Grundzüge der theoretischen Chemie.
Mit besonderer Berücksichtigung der Constitution chemischer
Verbindungen. Tübingen, Laupp'sche Buchhandlung, 1888.
Dieses Buch stellt eine „autorisirte deutsche Ausgabe“
von dem seit 1883 bis 1887 schon in drei Auflagen er-
schienenen Originalwerke bezw. eine Uebersetzung dieser
dritten ÖOriginalauflage in das Deutsche dar. Seinem In-
halte nach sucht es kurz und klar die Gründe zu ent-
wickeln, welche zur Annahme der gegenwärtig herrschen-
den theoretisch-chemischen Anschauungen führten, mit denen
sich der Studirende erfahrungsmässig meist nur schwierig
vollkommen vertraut macht, weil er sie ohne tieferen Ein-
bliek nur zu leicht für blosse Phantasiegebilde ansieht.
Der deutschen Literatur fehlt es zwar keineswegs an ganz
vorzüglichen theoretisch-chemischen Werken, auf welche
nur durch die Namen Lothar Meyer, W. Ostwald,
A. Horstmann u. a. hingewiesen zu werden braucht.
Allein, wer möchte behaupten, dass neben diesen deutschen
Originalwerken die Uebersetzung von Remsen’s Grund-
zügen der theoretischen Chemie, durch welche der Anfänger
in so schlichter und überzeugender Weise in die theore-
tischen Grundanschauungen der Chemie eingeführt wird,
überflüssig wäre? Im Gegentheil: unsere deutsche Fach-
literatur ist durch diese Uebersetzung um ein sehr will-
kommenes Unterrichtsmittel, dessen gründliches Studium
dem studirenden Chemiker angelegentlichst empfohlen wer-
den kann, vermehrt worden.
Möge ihm die verdiente Anerkennung nicht feblen!
Halle a. S. G. Baumert.
Klein, Joseph, Dr., Privatdozent und Lehrer der phar-
maceutischen und analytischen Chemie an der Technischen
Hochschule zu Darmstadt. Elemente der forensisch che-
206 II. Allgemeine Literatur.
mischen Analyse. Ein Hilfsbuch für Studirende und kurzes
Nachschlagebuch. Mit neun Abbildungen. Hamburg und
Leipzig. Leopold Voss, 1890. 2 A
Das vorliegende, im Ganzen etwa 100 Seiten zählende
innen und aussen hübsch ausgestattete Werkchen soll dem
Anfänger eine möglichst kurze theoretische und praktische
Anleitung bei gerichtlich-chemischen Untersuchungen bieten
mit Hinweglassung alles dessen, was den nächst liegenden
Aufgaben ferner steht und in ausführlicheren Werken dieser
Diseiplin behandelt ist.
Ausser durch seinen geringen Umfang unterscheidet
sich das Klein’sche Buch durch die Art, in welcher die
Hauptmomente der forensischen Analyse zur Darstellung
gebracht werden, wesentlich von den bekannten Werken
Otto’s und Dragendorff’s sowie dem gerichtlich che-
mischen Capitel in Ludwig’s Handbuch der angewandten
medicinischen Chemie. Da dasin Rede stehende Werkchen
recht wohl geeignet erscheint, als Hilfs- und Nachschlage-
buch neben Vorlesungen und bei praktischen Uebungen den
Studirenden mit den wichtigsten Grundzügen der chemischen
Toxicologie und den hauptsächlichsten forensisch-chemischen
Methoden bekannt zu machen, so sei hier auf dasselbe im
empfehlenden Sinne aufmerksam gemacht, wie es der Unter-
zeichnete bereits seinen Zuhörern gegenüber gethan hat.
Halle a. S. G. Baumert.
Roscoe und Schorlemmer, Professoren an der Victoria-
Universität Manchester. Ausführliches Lehrbuch der Chemie.
Zweite vermehrte Auflage. Braunschweig. Vieweg und
Sohn, 1889.
Von diesem in unserer Zeitschrift mehrmals schon be-
sprochenen, ausgezeichneten Werke ist gegen Ende des
vorigen Jahres die zweite Hälfte des zweiten Bandes er-
schienen. Sie bildet die Schlussabtheilung der zwei Bände
umfassenden anorganischen Chemie und behandelt zunächst
in der bekannten ausführlichen und klaren, überall auch
die wichtigsten historischen Momente berücksichtigenden
Darstellungsweise die Metalle der Eisengruppe: Mon-
gan, Eisen, Nickel, Kobalt, wobei die Technologie des
II. Allgemeine Literatur. 207
Eisens eine, der Wichtigkeit dieser Industrie entsprechende,
Berücksichtigung erfahren hat.
Weiterhin schliessen sich der Reihe nach folgende Me-
talle in natürliche Gruppen geordnet an: die Chrom-
gruppe; Chrom, Molybdän, Wolfram, Uran; die Zinn-
gruppe: Zinn, Titan, Germanium, Zirkonium, Thorium; die
Antimongruppe; Vanadin, Antimon, Wismut, Tantal,
Niob ; und zuletzt die Edelmetalle: Gold und Platingruppe.
Den Schluss bildet ein Capitel über das „natürliche
System der Elemente“, sowie ein besonders ausführ-
licher Abschnitt über die Speetralanalyse oder astrono-
mische Chemie.
Zur Empfehlung eines Werkes, welches sich, wie das
in Rede stehende, schon in der ersten Auflage eine so all-
gemeine und reiche Anerkennung erworben hat, braucht
bei seinem zweiten Erscheinen kein Wort besonders hinzu-
gefügt zu werden.
Halle a. S. G. Baumert.
Arnold, Carl, Repetitorium der Chemie. Mit Desonderer
Berücksichtigung der für die Medizin wichtigen Verbind-
ungen sowie der „Pharmacopoea Germania“ namentlich zum
Gebrauche für Mediziner und Pharmaceuten bearbeitet.
3. Auflage. (XII und 589 Seiten.) Hamburg und Leipzig.
Leopold Voss, 1590.
Das Arnold’sche Repetitorium, welches in fünf Jahren
bereits drei Auflagen durchgemacht hat, ist in der jetzt
vorliegenden Form ein vollkommen zweckentsprechendes
Werk und von den dem Referenten bekannten, den gleichen
Zweck verfolgenden Büchern dasjenige, welches ausschliess-
lich und nachdrücklich empfohlen zu werden verdient. Vor
Allem hält sich der Verfasser frei von jener bei chemisch
Halbgebildeten so häufigen Oberflächlichkeit, welche die
Hauptthatsachen der Chemie beständig mit deren Theorien
zusammenwirft und verwechselt. Arnold schlägt den allein
richtigen Weg ein, indem er die direkt aus den Gewichts-
und Raumverhältnissen bei chemischen Reaktionen sich er-
sebenden stöchiometrischen Erfahrungsgesetze zu Grunde legt
208 II. Allgemeine Literatur.
und daraus die Theorien entwickelt. Nur mussten diesen
stöchiometrischen Thatsachen sofort die das Volumen der
Gase beherrschenden Gesetze von Mariotte und Gay-Lyssae
beigefügt werden: so allein lässt sich zeigen, wie Stöchio-
metrie und Gasmechanik gleichermassen dieselbe Molekular-
theorie fordern; die glänzendste Widerlegung des alten
Aberglaubens, dass die physikalischen Moleküle etwas
anderes sein könnten als die chemischen! Und als Frucht
der molekularen Gastheorie ergiebt sich dann mit mathe-
matischer Strenge das Avogadro’sche Gesetz, welches bei
Arnold eine zu untergeordnete Stellung einnimmt. Denn
erst auf Grund des Avogadro’schen Gesetzes sind wir be-
rechtigt, den Begriff des Atoms als einen von dem des
Moleküls streng geschiedenen hinzustellen, indem z. B. die
einfache Thatsache, dass aus 1 Liter Wasserstoff zwei Liter
Chlorwasserstoff, d. h. nach Avogadro aus 1 Molekül Wasser-
stoff zwei Moleküle Chlorwasserstoff entstehen, den direkten
Beweis liefert, dass ein Molekül Wasserstoff aus zwei Thei-
len besteht.
Die allgemeine Chemie bietet in der That einer allge-
meinverständlichen Darlegung ganz besondere Schwierig-
keiten; aber einen grossen Theil der in den Einleitungs-
kapiteln des „Repetitoriums“ sich vorfindenden Unklar-
heiten müssen wir der noch nicht ganz methodischen An-
ordnung zuschreiben, die sich nach den gegebenen An-
deutungen leicht wird umändern lassen. In derselben
Hoffnuug sei erwähnt, dass der Begriff der chemischen
Verwandtschaft (S. 5) völlig unrichtig erläutert: worden
ist. Man setze in dem betreffenden Abschnitt statt „Affini-
tät“ durchweg „Reaktionsfähigkeit“, und man wird im
übrigen wenig zu ändern haben. Affinität ist eine Eigen-
schaft des Atoms, die allein von dessen Natur bedingt und
von allen den die Reaktionsfähigkeit beeinflussenden
äusseren Umständen (Aggregat- und Entstehungszustand,
Löslichkeit, Katalyse, Wärme-, Elektrieitäts-, Liehtzutritt)
unabhängig ist. Die Affinität verdiente einen besonderen,
in dem „Repetitorium* fehlenden Abschnitt: sie wird
schätzungsweise ermittelt nach dem Verlauf doppelter Um-
setzungen und quantitativ bestimmt durch thermochemische
Messung.
]I. Allgemeine Literatur. 209
Für die voraussichtlich recht bald erscheinende vierte
Auflage ist auch sonst noch allerlei zu verbessern: das
Coppet-Raoult’sche Gesetz, nach welchem die physikalischen
Grenzconstanten der flüssigen Verbindungen, Schmelzpunkt
und Siedepunkt durch jedes die Flüssigkeit verun-
reinigende fremde Molekül (unabhängig von der Na-
tur des letzteren) um den gleichen Betrag zu Gunsten
des flüssigen Zustandes verschoben werden, verdient bei
seiner eminenten praktischen wie theoretischen Wichtigkeit
eine eingehendere Behandlung, als sie ihm auf Seite 290
zu theil wird; die Kjeldahl’sche Methode (S. 286) ist nur in
ihrer ältesten, unvollkommensten Form erwähnt; die Tafel
für das periodische System (S. 44) weist einige bedenkliche
Abänderungen auf, durch welche z. B. ganz analoge Ele.
mente, wie Zn, Cd, Hg, auch Ru, Os auseinandergerissen
werden. — Proutianer endlich ist mancher der modernen
Chemiker in seinem innersten Herzen; aber dass eine
weitere Vervollkommnung der Atomgewichtsbestimmung für
Chlor, Silber, Jod, Gold u. s. w. noch einmal ganzzahlige
Werthe zu Tage fördern wird, das erwartet wohl seit den
klassischen Untersuchungen von Marignac, Stas u. A. m.
ausser Arnold (S. 47) Niemand mehr; auch die Proutianer
rechnen mit dieser Abweichung von den ganzzahligen
Werthen als mit einer durch bisher unbekannte Gründe ver-
anlassten Thatsache.
Doch verweilen wir nicht länger bei Nebensachen: die
Prout’sche Hypothese mit aller ihrer scheinbaren Genialität
wiegt nichts gegen den wirklichen Einblick in das Innere
der Natur, den wir Mendelejeff verdanken. Dass das
Mendelejeff’sche Gesetz die bleibende Grundlage der
wissenschaftlichen Chemie geworden ist, das soll und muss
jeder Einzige fühlen, der sich unserer Wissenschaft nähert.
Arnold hat sich ein besonderes Verdienst erworben, indem
er sein Buch fest auf den Boden dieses Gesetzes ge-
gründet hat.
Halle a. S. H. Erdmann.
Schaedler, Carl, Dr., vereideter Chemiker und Sach-
verstüändiger der Kgl. Gerichte zu Berlin. Die Unter-
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 14
210 II. Allgemeine Literatur.
suchungen der Fette, Oele, Wachsarten und der technischen
Fettprodukte unter Berücksichtigung der Handelsgebräuche.
(Zwei Lieferungen.) Leipzig. Baumgärtner’s Buchhand-
lung. 1889/90.
In dem vorliegenden Buche, welches sich an die be-
kannten grösseren, die Industrie der Fette und Oele aus
dem Thier-, Pflanzen- und Mineralreiche betreffenden
Werke desselben Verfassers anschliesst — das eine davon
wurde wiederholt in dieser Zeitschrift empfehlend besprochen
— werden die Untersuchungs- und Beurtheilungsmethoden
unter Berücksichtigung der Handelsgebräuche in den Vor-
dergrund gestellt. Wer die Schwierigkeiten einigermassen
kennt, die sich gerade in diesem Capitel der angewandten
analytischen Chemie bemerkbar machen, wird es dem Ver-
fasser Dank wissen, dass er „aus der Praxis für die Praxis“
seine reichen Erfahrungen auf dem in Frage kommenden
Gebiete einem grösseren Kreise von Fachgenossen und
Praktikern der verschiedenen Zweige der Fettindustrie in
handlicher Form zugänglich gemacht hat, und der Unter-
zeichnete, obwohl der Praxis fern stehend, möchte nicht
versäumen zu bemerken, dass ihm das in Rede stehende
Schaedler’sche Werk bereits in einigen Fällen ein willkom-
mener Rathgeber war.
Halle a. S. G. Baumert.
Jgelström, L. J., in Sunnemo, Wermland. Pyrrho-
arsenit von SJögrufvan, Gouvernement Orebro, Schweden.
Zu den seltenen, schon früher bekannten, Antimoniaten
und Arseniaten; Rom&it, Monimolit, Atopit, Haematostibiit,
Polyarsenit und Xanthoarsenit fanden der Autor und Hög-
bom den Pyrrhoarsenit, ein hell strohgelbes isotropes Anti-
monioarseniat. Es kommt mit den Manganerzen Braunit
und Hausmanmit im Urdolomit, welcher dem sehr ver-
breiteten erzführenden Granulit eingelagert ist, vor. Dasgelbe
Mineral ist strukturlos, ohne deutliche Spaltbarkeit und
bildet Flecken und Klumpen im Dolomit, mit dem es immer
ver- und durchwachsen ist; es ist unschmelzbar vor dem
II. Allgemeine Literatur. 211
Löthrohre, der entwickelte Arsengeruch ist schwach, stärker
der Antimonrauch. Autor fand die unter I. mitgetheilte
procentische Zusammensetzung, Högbom die unter II.
1. II.
As,0, —=53,23 56,40
Sb,0,— 6,54 3,07
Ca0 = 20,21 17,50
MnO = 10,82 15,03
MO — 9,20 8,00
Der ersten Analyse soll die Formel
1013 (Ca Mg Mn) O. As,05 | + 2 CaOSb, O;, der
zweiten Högbom’schen Analyse die folgende Formel ent-
sprechen: 20 3 (Ca Mg Mn) O As0, + 2 Ca Sb,0,
(N. Jahrbuch f. Mineralogie 1889 I. S. 52).
Halle a. 8. Luedecke.
Fritsch, Anton, Prof. Dr., Fauna der Gaskohle und
der Kalksteine der Permformation Böhmens. B. I. und II.
mit ca. 90 Folio-Tafeln. Prag. Selbstverlag des Autors,
in Commission bei Rivnac. 1880—90.
Der auch in weiteren Kreisen der Zoologie und Pala-
eontologie rühmlichst bekannte Autor giebt das vorliegende,
mit einer grossen Reihe wohlgelungener Tafeln reich ge-
schmückte Werk auf eigene Kosten jedoch mit Unter-
stützung der K. K. Akademie der Wissenschaften heraus.
Die Fauna der primären Wirbelthiere und der Arthropoden
hat durch die Herausgabe desselben einen ungeahnten Zu-
wachs erhalten.
Im ersten Hefte gab der Verfasser eine stratigraphische
Darstellung der Fundorte im Pilsener und Schlan -Rako-
nitzer Becken mit einer Reihe schöner Profile sowie eine
Uebersicht der in der Gaskohle von Nyran etc. und in der
Permformation von Braunau aufgefundenen Thierreste.
Daran schloss sich eine Uebersicht der Lobyrinthodonten und
die Beschreibung der Branchiosauriden mit den Gattungen
Branchiosaurus, F; Sparodus, F; Hylonomus, D. und Dawsonia,
14*
212 II. Allgemeine Literatur.
F; 115 Abbildungen in Farbendruck begleiten dieses für
die Charakteristik der genannten Gattungen vielfach grund-
legende Heft.
Das zweite Heft brachte die Abbildungen und Be-
schreibung der Familien Apateonidae, Fr. und Aistopoda,
Miall, das dritte die Nectrideen und Limnerpetonidae, und
endlich liefert das vierte Hefte die Beschreibung der
neuen Familien Hylonomiden und Mikrobrachidae. Wollte
der Verfasser ursprünglich die genannten Labyronthodonten
im ersten Bande darstellen, so hat er dies im Laufe der
Zeit und des sich immer mehr häufenden Materials auf-
gegeben, und hat diejenigen Stegocephalen, deren Zähne ein-
fach oder labyrinthisch gestaltet sind, in den 2. Band ver-
wiesen. Bei der näheren Eintheilung folgt er nicht der
neueren Cope’schen Ansicht über die Eintheilung der genann-
ten Thierclassen, sondern den älteren Miall’schen Eintheil-
ung. Die beschriebenen Familien im I. Heft des U. Ban-
des sind die folgenden: Denderpeton, Archegosaurus, Sparag-
mites, Laxomma, Chelidosaurus, Sphenosaurus, Cochleo-
saurus und Gaudrya.
Im zweiten Hefte führt der Autor seine Beschreibung
an den Stegocephalen mit labyrinthisch gefalteten Zähnen
weiter (Nyfania, Macromerion). Die Resultate seiner lang-
jährigen Untersuchungen stellt der Verfasser im Schluss-
capitel zusammen. Er versucht sie ihrem Baue nach theils
von den Knochenfischen wegen ihrem biconcaven Wirbel
und anderntheils wegen der rachitomen von den Knorpel-
ganoiden abzuleiten. Im Schluss vergleicht er sie mit den
lebenden Amphibien und Reptilien, deren Charaktere an
den Stegocephalen vereint gefunden werden.
Hieran anschliessend werden die Familien auf drei
verschiedene geologische Horizonte vertbeilt: 1) Nyran mit
fast reiner Steinkohlenflora mit 41 Arten, 2) Kounova mit
gemischter Flora und 16 Arten der Stegocephalen und end-
lich 3) Braunau mit reiner Permflora und 8 Arten der
Stegocephalen.
Das dritte Heft des II. Bandes stand uns leider nicht
zu Gebote.
II. Allgemeine Literatur. 213
Das 4. Heft des 2. Bandes schildert die Selachier und
zwar Hybodus, Xenocanthus, Orthacanthus, und die Ichthyo-
dorulithen, Tabulacanthus etc. Das Werk hat bedeutendes
Aufsehen gemacht und ist der Ehre des Lyellpreises der
Londoner geologischen Gesellschaft gewürdigt worden.
Halle a. 8. Luedecke.
J. C. Houzeau et A. Lancaster, Bibliographie
generale de l’astronomie ou catalogue methodique des ouv-
rages, des memoires et des observations astronomiques dep-
wis le temps des anciens Jus quw a lopoque actuelle.
Brüssel, rue de Lawaın 108, Hayn.
Das Werk wird aus 3 Theilen bestehen; der erste wird
besonders die erschienenen Werke, der zweite die in den
Journalen zerstreuten Abhandlungen und der dritte die
astronomischen Beobachtungen umfassen. Der zweite Theil,
welcher am ersten erwünscht war, erschien 1882 in Octav
von 1300 Seiten. Inzwischen ist auch der erste Theil z. Th.
erschienen und fordert die Buchhandlung zum Subscri-
biren auf.
Halle a. S. Luedecke.
Bütschli, über den Bau der Bacterien und verwandter Or-
ganismen; Vortrag, gehalten am 6. December 1889 im natur-
hist.-medic. Verein zu Heidelberg, mit einer farbigen Tafel.
Leipzig. Winter'sche Verlagshandlung. 1 Mi 50
Es ist unnöthig, eine Arbeit des besten deutschen
Protozoenkenners über ein so nahe verwandtes Thema der
Beachtung zu empfehlen. Nur ein kurzer Hinweis auf den
Inhalt möge gestattet sein. Es handelt sich um die weit-
tragendsten Fragen, um die Struktur des Kernes des Proto-
plasmas schlechtweg und der Bakterien im Besonderen, und
zwar nicht um eine Zusammenstellung bekannter That-
sachen, sondern um zahlreiche neue Beobachtungen, die
214 II. Allgemeine Literatur.
den grösseren Theil der Broschüre einnehmen. Den Aus-
gangspunkt bilden zwei Schwefelbakterien, Chromatium
Ökenii (Monas Okenii Ehrly) und Ophidiomonas jenensis,
deren Bau ausführlich geschildert wird, natürlich mit Hilfe
der besten modernen apochromatischen Instrumente. Daran
schliessen sich Cyanophyceen, typische Bakterien u. a. Es
ist selbstverständlich, dass dabei eine grosse Menge neben-
sächlicher und doch sehr wichtiger Spähne abfallen, über
den Schwefelgehalt, über den Charakter des Bacteriopur-
purins als eines Lipochroms, über andere Farbstoffe, über
die homogene Struktur der Geisseln bei den Bakterien, die
sie als eine unmittelbare Fortsetzung der Rindenschicht
selbst erscheinen lässt und den Unterschied dieser letzteren
von einer gewöhnlichen Zellmembran klar legt, über die
seltsame Bakterienform Spirochaeta serpens, mit faden-
förmigem Centralkörper u. v. a. Die Hauptsache aber be-
trifft Kern und Plasma. Beide sind wabig gebaut, d. h.
das bekannte Gerüstwerk von Idioplasma besteht nicht aus
Strängen, sondern aus einem blasigen Wabenwerk, das im
optischen Querschnitt natürlich als Fasernetz sich darstellt,
und es ist sehr bemerkenswerth, dass die Grösse der Blasen
bei den verschiedenen Arten von wechselndem Zellvolum
den gleichen Durchmesser zeigt, ja noch mehr, dass sie
darin selbst mit den künstlich nachgeahmten Plasmaschäumen,
für deren Erzeugung B. kürzlich die genauern Recepte an-
gegeben hat, übereinstimmt, vielleicht ein Einblick in das
innerste Wesen der Organisation. B. tritt für die Kern-
natur der kleinen Bakterien ein, (mit einem Hinweis auf
die Spermatozoen), die grösseren zeigen noch eine deutliche
Plasmahülle an beiden Enden u. s. f. Die zweifelhaften
Punkte, die direkte Kerntheilung u. dergl. werden erörtert
und die gegentheilige Auffassung von E. Zacharias discu-
tirt. Das Einzelne möge man im Original nachlesen, das
für jeden bedeutungsvoll ist, der sich für die wichtigsten
Probleme moderner Biologie und Histologie interessirt.
Gohlis. Simroth.
II. Allgemeine Literatur. 215
Götte, Entwickelungsgeschichte des Flussneunauges (Petro-
myzon fluviatilis). (Erster Theil.) Verlag von Leopold
Voss.
Das fünfte Heft von des Verfassers Abhandlungen zur
Entwickelungsgeschichte der Thiere. Gross-Quart, 955 S. Mit
einer grösseren Anzahl von Holzschnitten und neun farbigen
Tafeln, wovon die grössere Hälfte doppelt. Text und
Illustrationen, wie alles von diesem Autor gleich gediegen.
Die Abbildungen, meist totale oder partielle Querschnitte von
Embryonen, sind durchgehends in denselben Farben gehalten,
das Entoderm mattgelb, das Eetoderm graulila, die übrigen
Töne so, dass alle schreienden Zusammenstellungen ver-
mieden sind; hergestellt sind sie bei Werner und Winter,
also über alles Lob erhaben. Die Ausstattung des Textes
ist ebenbürtig. So weit das Aeussere. — Ueber die Ge-
diegenheit des Inhaltes braucht der kein Wort zu verlieren,
welcher das Glück hatte, Götte’s Methodik aus eigner An-
sehauung kennen zu lernen und davon zu profitiren. Wir
haben wohl kaum einen zweiten Embryologen, der so lange
mit der Darstellung eines ontogenetischen Kapitels zurück-
hält, bis er den Stoff nach allen Richtungen in gleicher
Weise durchgearbeitet hat und beherrscht, wie Götte.
Hier liegt ein Ideal vor, das man sich für seine eignen
Arbeiten zum Muster nehmen möchte, wenn nicht die
treibende Phantasie immer wieder über das kalte Blut siegte.
Hier ist alles, was geboten wird, festgegründete That-
sache. Es mag wohl geraume Zeit vergehen, bis jemand
wieder ein höheres Thier in allen seinen Stadien derartig
beherrscht, wie Götte die Unke, deren entwicklungsge-
schichtliche Darstellung bis jetzt unerreicht dasteht.
Auf dieser Grundlage, die von Anfang an durch ein
grosses Vergleichsmaterial gestützt wurde, ist mit gleicher
Solidität fortgearbeitet.
Ueber manche Schlüsse, die weiter gehen, wird sich
streiten lassen, wie alle erweiterten Theorien erst durch
verallgemeinerte Discussion langsam gefördert werden
können, — über das, was hier vom Neunauge direkt an-
216 U. Allgemeine Literatur.
gegeben wird, schwerlich. — Stählern, wie Götte’sconsequente
Arbeitskraft, die keine Lücken duldet, ist auch seine
Kritik, die äusserst unangenehm werden kann, weil sie durch
ihre positive Sicherheit Entgegnung beinahe ausschliesst,
wenigstenssachliche. Dabeiwirdsie niemals persönlich. Wenn
der Werth aller allgemeinen Hypothesen der ist, befruchtend
und anregend zu wirken und so auf Umwegen Naturver-
ständniss und -erkenntniss zu fördern, so dass sie durch
die weiteren Fortschritte sich überleben, so werden Götte’s
Specialarbeiten sicherlich als positive Grundlagen länger
als die meisten Erzeugnisse unserer reichen zoologischen
Literatur die schnelllebige Gegenwart überdauern.
Einleitend wird die Entwiekelung in sieben Perioden
zerlegt. Dann kommen die einzelnen Abschnitte, in
welchen der Schilderung der thatsächlichen Beobachtungen
meist eine literarische Uebersicht mit Kritik und verall-
gemeinernden Schlüssen folgt: Die primären Keimschichten
— die Mesodermplatten und die Chorda — der Schwanz
— die Mesomeren — die Seitenplatten — die Kopfniere
— das Herz — die Bildung des Blutes — der Darm —
das Gefässsystem — die Leibeshöhle.
Es ist wohl nicht möglich, bei dem Charakter der
Götte’schen Schriften, den Inhalt in wenig Worte zu-
sammen zu fassen; dazu ist er zu schwerwiegend bis ins
Einzelne und allem Schematisiren principiell entgegen.
Immerhin lassen sich vielleicht drei Punkte besonders
hervorheben: die scharfe Zurückweisung der Coelomtheorie
im zweiten Abschnitte und zwei systematische Folgerungen.
Die eine betont die vielfachen Züge von Rückbildung beim
Amphioxus, so dass es nicht weiter angängig erscheint,
ihn in der direkten Ahnenreihe der Vertebraten, die noch
so dunkel ist, unterzubringen; die andere, sehr tiefgreifende,
löst die Cyklostomen von den Fischen los und bringt sie
in die Nähe der Amphibien. Beide Wirbelthiergruppen
zeichnen sich durch geringe Umwandlung des Enterocoeles
in Nahrungsdotter aus, das Kiemensystem zeigt grosse
Verwandtschaft, „ja man darf in den, in den Pleuralraum
hineinragenden Divertikeln des letzten Kiemenpaares wohl
Rudimente von Lungen (oder vielleicht auch von homologen
Allgemeine Literatur. ae
Schwimmblasen?) erkennen.“ Für weitere Theile ist noch
kein Programm angegeben, doch wird man's eben aus
dem Inhalt des vorliegenden ablesen dürfen, jedenfalls
steht noch viel zu erwarten. — Druckfehler kommen im
Ganzen, glaube ich, zwei vor, einmal „Hatscheck“ für
„Hatschek, einmal „Schipley* für „Shipley“, und beide
finden im Literaturverzeichniss ihre Erledigung.
Gohlis. Simroth.
G. von Hayek, Handbuch der Zoologie. Erster Band.
1877. 437 S. mit 816 Abbilduugen. Zweiter Band. 1981.
513 S. mit 1224 Abbildungen. Dritter Band. 1885. 460
S. mit 763 Abbildungen: Vierter Band. Erste Lieferung.
1889. 240 S. mit 428 Abbildungen: (Es steht vermuthlich
noch eine Lieferung aus, um den vierten Band und damit
das ganze Werk vollzumachen) Wien. Carl Gerold's
Sohn: Preis des Bandes im Durchschnitt 20 M.
Die Pausen, in denen die verschiedenen Abtheilungen
dieses Werkes erscheinen, beweisen so gut wie die enorme
Fülle von Abbildungen, dass es sich hier um eine gründ-
liche Arbeit handelt, welche, trotzdem in Bezug auf die
letzteren hauptsächlich ein Sammelwerk geboten wird, nur
langsam gefördert werden kann. Ein Programm wird vom
Verf. noch nicht vorgelegt, doch ergiebt sich’s wohl einiger-
massen aus der Darstellung. Gleichmässige Kenntniss
und Uebersicht des Thierreiches, wenig Theorie aber viel
positives Wissen, das nicht am Einzelnen klebt, sondern in
ebenso angenehmer als streng systematischer Form über
alle Gruppen sich verbreitet. Bronn’s Klassen und Ord-
nungen sollten wohlin ihrer allseitigen Durcharbeitung das V or-
bild abgeben, um in engeren Schranken möglichst viel Charak-
teristisches von jeder Familie knapp zusammenzufassen, wo-
bei Anatomie, Biologie, Entwicklung, unter Umständen selbst
mikroskopische Strukturen, auch bei grösseren Formen heran-
gezogen werden. Das Prinzip der gleichmässigen Durch-
arbeitung erheischt naturgemäss die Ausnutzungeinersehr zer-
streuten und oft seltenen Literatur. Der Text ist dabei oft
218 1I. Allgemeine Literatur.
knapp gegenüber den Abbildungen. Diese aber sind (für jede
Familie mindestens eine, häufig mehr) mit grossem Geschick
und Geschmack so gewählt, dass alles Gewöhnliche, Alltäg-
liche zurücktritt gegen Feinheiten, die sonst nur dem Fach-
manne, und selbst diesem oft schwer zugänglich sind. Wer,
selbst als Zoologe, dieses Buch durchstudiert hat, wird seine
Zoologie um eine grosse Masse, ich möchte sagen pikanter
Thatsachen bereichert finden. Dabei wird auf die Syste-
matik insofern weniger Werth gelegt, als sie nur den
Rahmen für eine Fülle von Familienschilderungen abgiebt.
So sind die Unterreiche, wie H. für Typen sagt, noch nach
etwas älterem Schema genommen, indem die Mollusken
z. B. die Molluscoiden und unter diesen die Tunikaten, die
Protozoen die Schwämme unter sich begreifen. Aber der
Inhalt ist um so reicher, und die fossilen Formen sind als
annähernd gleichberechtigt mit eingearbeitet.
Der erste Band giebt eine gedrängte allgemeine Ein-
leitung (33 S.), Classification, Darwinismus, chemische Be-
standtheile, Formelmente (Histologie), Organe des Thier-
leibes, Entwicklung und Fortpflanzung etc. Dann kommen
die Protozoen, die Coelenteraten, Echinodermen und Würmer.
Gemäss den grossen Fortschritten, die gerade auf diesem
Gebiete in den letzten zehn Jahren, besonders durch die
marinen Expeditionen und Stationen, durch Bütschli’s Proto-
zoenwerk u. dergl. gewonnen sind, ist hier wohl manches zu
modernisiren oder zu ergänzen, womit nicht gesagt sein
soll, dass nicht die Darstellung namentlich der Morphologie
bereits auf einem sehr hohen Standpunkte sich befände.
Auch war es bei dem Zustande der Kenntnisse noch nicht
möglich, so gleichmässig zu arbeiten, wie bei den höheren
Typen.
Der zweite Band, die Arthropoden, ist ein reiches
Muster umfassender Darstellung. Eine Menge anatomische
Detail, niemals schematisirt, und dazu die für die Determi-
nation so wichtigen Mundwerkzeuge, Beinformen, Fühler,
Flügelgeäder. Allgemeine Abschnitte, übersichtliche
Schlüssel für die Familien, die dann ohne lästige Wieder-
holung und Numerirung, nach ihrer biologischen Bedeu-
tung kurz charakterisirt werden, einheimische gerade so
II. Alleemeine Literatur. 219
wie Exoten. Ein Beispiel, und zwar ein wenig umfang-
reiches möge die Art und Weise kennzeichnen. Die Myrio-
poden haben im allgemeinen Abschnitt folgende Abbil-
dungen: Scolopendra cingulata; worderes Körperende
von Julus tzendalus, dazu Augengruppen; untere Mundplatte
von Spirostreptus Sebae; Mundtheile von Seolopendra mutica
(ausführlich), einige Segmente von Geophilus rubro-vittatus;
ein Doppelsegment von Spirostreptus Borxii; Darm, Speichel-
drüsen und Eierstock von Scolopendra morsitans; Herz von
Scolopendra; vorderes Körperende von Scolopendra Hopei mit
den Stigmen; Nervensystem von Julus terrestris; Juluslarve;
Querdurchschnitte von Oniscodesmus mexicanus und Poly-
desmus subterraneus; — dazu die Ordnungen: Chilogna-
then: Fühler von Julus zapotacus; Kopf von Glomeris sub-
limbata; männliche Begattungswerkzeuge von Polydesmus
mauritanicus, innere männliche Geschlechtsorgane von
Glomeris, von Julus foetidus; Genitalbein von Polydesmus
complanatus, weibliche Geschlechtstheile von Glomeris
marginata; Julus terrestris in verschiedenen Stellungen; —
Chilopoden: Glomeris maculata und sublimbata, Habitus;
Gl. eingulata, erste Segmente. Siphonophora portoricensis,
Hinterende von Julus arboreus; Fühler von Arthro-
nomalus punctatus; Auge von Seutigera; Hinterende von Geo-
philus mierocephalus, männliche und weibliche Geschlechts-
organe von Lithobius forficatus, Spermatophor von Scolo-
pendra complanata im Momente des Aufspringens, ein solches
von Geophilus convolvens auf seinen Gespinstfäden befestigt.
Dorsalplatten von Seutigera mit den Athemlöchern; Seu-
tigera rubrolinenta.
Die Insekten sind ungemein reichhaltig, namentlich
auch in Bezug auf die bildliche Darstellung biologischer
Verhältnisse; erwähnt seien etwa die Hymenopterenbauten,
über 50, darunter kein Hummelnest, wohl als zu bekannt,
und so durchweg.
Der dritte Band enthält die Weichthiere, Fische und
Amphibien. Für die ersteren sind die Habitusbilder aus
Meyer und Moebius, Fauna der Kieler Bucht, bereits benutzt.
Argonauta könnte moderner dargestellt sein. Betreffs der
Fische brauchen wir blos daran zu erinnern, dass Hayek
220 II. Allgemeine Literatur.
die deutsche Ausgabe von Günthers, Handbuch der Ichthyo-
logie besorgt hat, dazu an die vortrefflichen Wiener Ichtho-
logen Heckel, Kner, Steindachner, ebenso wie für die In-
sekten Brauer’s Erfahrungen zu Gebote standen.
Der vierte Band umfasst bis jetzt die Reptilien und
folgende Ordnungen der Vögel: Odontornithes, Urinatores,
Longipennes, Steganopodes, Lamellirostres, Ciconiae, Grallae
Brevipennes. Die zweite Hälfte und die Säuger stehen
roch aus. Neben dem Reichthum von anatomischen Ab-
bildungen und Vollbildern von Thieren sei nur auf ein
Paar kleine biologische Skizzen hingewiesen: eine Elaphis,
drei Vögel auf einmal tödtend, ein junger Python, seine
Beute haschend.
Genug der vielen Vorzüge; höchstens mag noch auf die
Anmerkungen hingewiesen werden, welche die Etymologie
der technischen Ausdrücke erklären. Druckfehler, sehr
selten, beziehen sich meist auf Verwechslung von i und y,
kein Wunder in einer Zeit, wo man dem Setzer zumuthet,
bald Gips, bald Gyps zusammenzustellen.
Wer irgend seine zoologischen Kenntnisse in Be-
zug auf inneren und äusseren Bau und die charakte-
ristischen Züge in der Lebensweise der Familien nach
allen Seiten gleichmässig zu vertiefen wünscht, dem kann
man das Buch aus voller Ueberzeugung an’s Herz legen.
Hoffentlich lässt der Schluss, auf stetig verbessertem Papier,
nicht zu lange auf sich warten.
Gohlis. Simroth.
Hatschek, Lehrbuch der Zoologie, eine morphologische
Uebersicht des Thierreiches zur Einführung in das Studium
dieser Wissenschaft. Lieferung 1 und 2, mit 296 Abbil-
dungen im Text. Jena. Gustav Fischer. 1888 und 89.
3 und 4 M.
Dasselbe, was gelegentlich Hayek’s Handbuch zu sagen
wäre, kann man hier vorausschicken. Der enorme Auf-
schwung der Produktion auf dem Gebiete der zoologischen
Literatur macht eine verschiedene Uebersicht von wechseln-
dem Standpunkt stets erwünscht. Ein Buch, das, wie das
eben senannte, eine Zusammenstellung positiver Daten zur
II. Allgemeine Literatur. 221
Hauptsache macht, wird für lange dauernden Werth haben.
Andere stellen sich zur Aufgabe, den jeweilig modernen
Standpunkt zu präcisiren. Sie stellen, mit der Zeit histo-
risch werdend, Ecksteine dar, die Wendepunkte des all-
mählich sich erhebenden Baues unserer Wissenschaft kenn-
zeichnend. Zu ihnen dürfte Hatschek’s Buch gehören. Es
will eine morphologische Uebersicht geben, d. h. eine
solche, die von den Fortschritten namentlich der Ent-
wickelungsgeschichte abhängig ist. Hatschek’s besondere Be-
rechtisung schreibt sich von seinen vortrefilichen embryo-
logischen Arbeiten her. Und da er sich gerade mit der
prekärsten und übergangsreichsten Thiergruppe, der der
Würmer, ausführlich beschäftigt hat, ist er in hervorragen-
dem Masse dazu befähigt. Die Systematik ist grundsätzlich
eingeschränkt.
Die Consequenz, mit der H. seinen morphologischen
Standpunkt durchführt, ist äusserst anregend. Das erste
Kapitel bespricht das Plasma und die Lebenserscheinungen,
Assimilation, Exretion, Arbeitsleitung, Wachsthum, Fort-
pflanzung, Vererbung etec., diese aber nur als Eigenschaften
des Plasma’s, ohne noch die Zelle überhaupt zu erwähnen,
das zweite handelt vom Darwinismus und seinen Weiter-
bildungen (Funktionswechsel etc.), das dritte von den Prin-
cipien der Morphologie (Phylogenie und ÖOntogenie, mit
klaren Auseinandersetzungen betr. der Variabilität ete.),
das vierte behandelt das System, worauf ich gleich zurück-
komme, das fünfte die Zelle und Zelltheilung, das sechste
die Protozoen, deren Grundform, Lebenserscheinungen, Fort-
pflanzung bez. Conjugation, System mit Anhang (Volvox),
dann wird auf die Metazoen übergegangen und im
siebenten Capitel deren Grundform und Entwicklung im
Wesentlichen bis zur Bildung der Keimblätter besprochen;
und nun erst folgt im achten Kapitel, das in die zweite Liefe-
rung hineinreicht, die Histologie. Die Logik muss imponiren,
welche die Histologie erst nach dem Aufbau des Organismus
aus einer Summe indifferenter Zellen, die nun durch Arbeits-
theilung verschiedene Wege einschlagen, einsetzen lässt,
während einzelne Zellen und Protozoen zusammengehören
und die hohe Differenzirung des Infusorienkörpers ledig-
222 1I. Allgemeine Literatur.
lich dem Plasma dieser Zelle zufällt. Durchweg ist der
peueste Standpunkt eingenommen, und selbst im einzelnen
werden schwebende Controversen beleuchtet; bei der Frage
der Vererbung ist's nicht anders zu erwarten, betr. der
Deutung der Nervenelemente, Gliazellen und dergl. schon
weniger. Das neunte und zehnte Capitel handeln von den
Funktionen des Metazoeukörpers, wobei z. B. die Darstellung
die Auges histologisch und physiologisch ausgezeichnet
durchgeführt ist, das elfte Capitel bespricht die Spongiaria,
das zwölfte die Cnidaria, das dreizehnte die Ctenophoren.
Das führt uns auf das System. Das vierte Capitel,
das zunächst die Verdienste der älteren, u. a. Leuckarts Ge-
rechtigkeit widerfahren lässt, unterscheidet zuerst zwischen
Proto- und Metazoen (ohne Mesozoen, die den Cnidarien an-
gereiht sind). Die letzteren zerfallen in Protaxonia oder
Coelenteraten und Heteraxonia oder Bilaterien. Die Pro-
taxonien umfassen drei Typen, die Heteraxonia eben so
viele; die Typen werden weiter in Oladus zerlegt.
Die Typen der Protaxonia sind: Spongiaria, Cnidaria
und Ctenophora, die der Heteraxonia Zygoneura mit zwei
Subtypen, Autoscoleciden und Aposcoleciden, Ambula-
cralia und Chordopii. Die Autoscoleciden bilden einen
Cladus, die Seoleeiden mit den Classen der Platoden,
Rotiferen, Endoprocten, Nematoden und Acanthocephalen,
wozu anhangsweise die Nemertinen kommen, die Aposcole-
ciden bilden drei Cladus, Articulaten (Anneliden mit Si-
punculoiden und Chätognathen, Onychophoren und Arthro-
poden,) Tentaculaten (Phoronida, Bryozoa ectoprocta und
Brachiopoden) und Mollusken (Amphineuren und Conchi-
feren); die Ambulacralia umfassen die Echinodermen und
Enteropneusten, die Chordonii die Tunicaten, Leptocardier
und Vertebraten. Wie man sieht, ist der Umschwung gegen
früher gewaltig; und der Eingeweihte wird gleich be-
merken, wie sehr sich darin die Resultate jüngster morpho-
logischer Forschung ausdrücken, die Hatschek so scharf
als möglich zusammenfasst. Ob alle seine Bezeichnungen
in die Compendien der Zoologie durchweg eindringen wer-
den, ist dabei gleichgültig. Wer den modernsten Stand-
II. Allgemeine Literatur. 223
punkt kennen lernen will, wird in dem Buche sicher seine
Rechnung finden. Die Ausstattung ist vortrefflich.
Gohlis. Simroth.
Boas, Lehrbuch der Zoologie. Für Studierende und Leh-
rer. 578 Seiten mit Abbildungen. Jena. Gustav Fischer,
1890. 10 A
Wiederum ein vortreffliches Buch mit guter Ausstattung,
eine Bearbeitung von des Verfassers zwei Jahre früher in
dänischer Sprache erschienener Zoologie. Dass dasselbe
kürzer gefasst ist, als die eben besprochenen, versteht sich
von selbst. Es denkt gleichfalls durchweg den neuesten
Forschungen gerecht zu werden, ohne deshalb in so prin-
zipieller Betonung vom früheren abzuweichen. Die dänische
Literatur ist wohl nicht so reich an derartigen Lehrbüchern,
dass eine so durchgreifende Differenzirung der Gesichts-
punkte nöthig wäre. Wir haben also ein modernes Lehr-
buch schlechthin. Die Entwickelungsgeschichte wird eben-
falls berücksichtigt, aber weniger vorwiegend. Boas hat
sich durch seine früheren Arbeiten mehr auf Gegenbaur’s
Standpunkt gestellt, Morphologie auf Grundlage der vergl.
Anatomie; ich erinnere nur an seine durch Pelseneer erwei-
terten Untersuchungen der Pteropoden, an seine Abhand-
lung über die Phylogenie der Malacostraca und die über
die Homologien und Umbildungen der Arterienbogen bei
den Wirbelthbieren neben vielen anderen.
Das Buch zeichnet sich durch das Streben nach mög-
lichst klarer und einfacher Anschauung aus. Zu dem Zwecke
sind sehr viele von den Figuren schematisirt, Einzeichnungen
der Organe in die Körperumrisse, einfache Uebersichtsbil-
der, bei den Wirbelthieren Durchschnitte vom Kopf etc.,
bei den Sängern das Milchgebiss in richtigem Verhältniss
neben das bleibende gestellt u. s. w. Ganze Thiere sind
viel weniger abgebildet, durchweg nur in besonders cha-
rakteristischen Formen, von den Fischen z. B. Sternarchus,
5 junge Hechte, eine Trachypteruslarve, Rochen- und
Haiembryonen, Chimära, Lepidosteus, Ceratodus und Proto-
pterus, dafür aber reichlich ebensoviel anatomisches Ma-
terial; 16 Seiten behandeln ihre allgemeinen Verhältnisse,
10 ihr System.
224 1l. Allgemeine Literatur.
Ein allgemeiner Theil von 90 S. bespricht besonders
ausführlich die Zelle und die Organe, darunter auch die
rudimentären, Entwicklungsgeschichte, Phylogenie, Biologie,
Geographie, Geologie, Entwicklung. Das System bleibt in
dem gewöhnlichen Rahmen, nur sind die Würmer in drei
Kreise, Platt-, Rund- und Gliederwürmer zerlegt. Die
Mantelthiere kommen zu allerletzt als Anhang der Ver-
tebraten.
Bei der Umarbeitung in’s Deutsche hat Prof. Spengel
sprachliche und sachliche Hilfe geleistet, eine weitere gute
Bürgschaft. Die Angaben vom Vorkommen der einhei-
mischen Thiere sind geradezu peinlichst den deutschen Ver-
hältnissen entsprechend abgeändert.
Ein kleiner Fehler fiel mir auf. Unter den Insectivoren
leben die Spitzhörnchen, Cladobates, nicht in Afrika, son-
dern in Hinterindien und auf den malayischen Inseln.
Somit kann das Buch jedem, der eine solide Ueber-
sicht der Zoologie auf moderner Grundlage wünscht, auch
in Deutschland empfohlen werder. Zum Bestimmen will
es nicht dienen, sondern ein Lehrbuch sein.
Gohlis. Simroth.
John, Georg, Dr. Ueber bohrende Seeigel. 46 Seiten.
Mit einer Tafel in Lichtdruck. Leipzig. Gustav Fock.
1450 %
Zum Referat über diese Arbeit, die, aus dem Archiv für
Naturgesehichte stammend, hier in selbstständigem Gewande
vorliegt, bin ich eigentlich wenig geeignet, da die Veran-
lassung zu derselben einiges Material war, das ich 1836
von einer wissenschaftlichen Reise nach den Azoren mit
heimbrachte. An diesen Inseln, zunächst an S. Miquel, wo
ich sammelte, ist rings in der Brandung wie an manchen
andern Küsten, eine Zone, in der verschiedene reguläre
Seeigel in dichtem Bestande hausen, und zwar in halb-
kugligen Löchern. Herr Dr. John hat nun die früher viel
erörterte Frage wieder aufgegriffen, wie diese Löcher, die
dem Umfange der Thiere eng angepasst sind, entstehen,
ob die Kalkalgen, die das Gestein zumeist überziehen, da-
bei vermittelnd in’s Spiel kommen u. dergl. Das letztere
I, Allgemeine Literatur. 225
wird durch Dünnschliffe mit Corallinen behafteter Gesteine,
die abgebildet sind, bestimmt zurückgewiesen. Die Lite-
ratur über bohrende Thiere, dann speciell über Echinus ist
zusammengestellt nach Localitäten, Species und Gesteinen;
die Untersuchung der Thiere, des Darminhaltes u. s. w. hat
dann auf Grund zugleich dieser Angaben zu sicheren Resul-
taten geführt. „Die in den Gesteinen gefundenen und von
Seeigeln bewohnten Höhlen rühren von diesen selbst her.
Der Echinus erzeugt seine Wohnstätten mittelst seines Kau-
apparates und sekundär mit Hilfe der Stacheln durch
rotirende Bewegung. Er bohrt sich solche Höhlungen, um
einen Schutz gegen das brandende Meer zu haben.“ Für
alle Einzelheiten verweise ich auf das Original. Bei dem
Interesse, welches biologische Fragen mit Recht immer
mehr auf sich ziehen, glaubten wir, dass auch das vor-
liegende Problem besondere Aufmerksamkeit verdiene.
Gohlis. Simroth.
Schneidemühl, Georg, Dr. in Kiel. Tiiermedicinische
Vorträge. Leipzig. Commissions- Verlag von Arthur Felix.
Auf dieses verdienstliche literarische Unternehmen
unseres geschätzten Vereinsmitgliedes wurde schon kürzlich
an dieser Stelle aufmerksam gemacht.
Das Ende Februar er. erschienene Deppelheft il und
12, mit welchem der erste Band der in Rede stehenden
Vorträge abschliesst, enthält einen sehr interessanten Vor-
trag des Docenten der Physiologie und Pharmacologie an
der thierärztlichen Hochschule zu Hannover, J. Tereg
über „die neueren Antipyretica“.
Ausgehend vom Chinin führt uns der Vortragende zu-
nächst in die Chinolintherapie ein und erörtert dabei in
anschaulicher Weise die synthetischen chemischen Versuche:
durch Einführungen von verschiedenen Atomgruppen in das
Chinolin diesem eine dem Chinin nahekommende antifebrile
Wirkung zu verleihen. Hieran anschliessend werden ihrer
Wichtigkeit entsprechend mit grösserer oder geringerer Aus-
führlichkeit betrachtet: Kairin, Kairolin, Thallin, Antipyrin,
Antithermin, Hydrazetin, Antifebrin, Phenacetin, Methacetin,
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1590. 15
226 II. Allgemeine Literatur.
Enalgin und dann (nach einer Erörterung über den gegen-
wärtigen Stand der Kenntnisse von den Chinaalkaloiden
rücksichtlich ihrer chemischen Constitution) Kresotinsäure,
Orthoonymetatolnylsulfosäure, Dithiossalieylsäure, Dijodsali-
cylsäure, Salol und einige andere Salicylsäurederirate;
den Schluss bilden einige Anilinabkömmlinge wie z.B.
Parabronacetanilid, Benzanilid und das von Kobert in
Dorpat als Orthin benannte Phenylhyrazinderivaten.
Ist aus den obigen Andeutungen die Reichhaltigkeit
des Terey’schen Vortrages ersichtlich, so muss auf der
andern Seite auch auf die geschickte und klare Darstellung
der mitunter recht verwickelten chemischen Constitutions-
fragen hingewiesen werden, so dass das vorliegende Heft
(einzeln zum Preise von 1,50 Mk. erhältlich) auch Che-
mikern und Apothekern, welche den in rascher Folge auf-
tauchenden neuen Fiebermitteln nicht ihre specielle Auf-
merksamkeit haben zuwenden können, ein willkommener
Wegweiser sein wird.
Halle a. S. G. Baumert.
Liebenmann, F., Dr. Privatdocent an der Universität
Basel. Die Schimmelmycosen des menschlichen Ohres.
Medieinisch- botanische Studien auf Grund experimenteller
Untersuchungen. Zweite vermehrte Auflage von: Die Faden-
pilze des Aspergillus und Eurotium. Mit 26 Abbildungen
auf 4 Tafeln. Wiesbaden. Verlag von J. F. Bergmann.
1889,
Das Werk zerfällt in drei Theile, nämlich: 1. Botanik
der Aspergillen und Eurotien. Iu der Morphologie werden
Aspergillus flavus Brefeld, A. fumigatus Fresenius, A. niger,
Eurotium Aspergillus glaucus und E. repens beschrieben.
Die drei übrigen uns bekannten Aspergillen sind bis jetzt
noch nicht im menschlichen Ohre gefunden worden. Die
physiologischen Untersuchungen und Erörterungen erstrecken
sich auf die Entwicklung und die Art des Wachsthums,
die Lebensbedingungen und den Stoffwechsel. Dann wer-
den Versuche mit Agentien mitgetheilt, welche die Keim-
fähigkeit der Conidien beeinträchtigen und das Leben der
ganzen Pflanze vernichten. Am Schlusse des ersten Theiles
ll. Allgemeine Literatur. DON
wird über die geographische Verbreitung der Aspergillen
gesagt, dass dieselben fast in allen Ländern Europas und
an verschiedenen Punkten Nord- und Mittelamerikas ge-
funden werden. Die Eurotien sind bei uns sehr gemein,
repens noch viel mehr als A. glaucus.
Um die Aspergillen zu erhalten, lege man einfach frisch-
gebackenes Schwarzbrod kurze Zeit an die Luft, bringe
dasselbe dann unter eine Glasglocke, die mit feuchter Watte
oder Fliesspapier austapezirt ist und an ihrem unteren
Rande luftdicht aufliegt, untersuche dann von Zeit zu Zeit,
die Brodstückchen genau auch in ihrem Innern, mit der
Lupe, und man wird, bei geeigneter Modification der
Wärmeregulirung, schon nach kurzer Zeit sämmtliche hier
genannten Aspergillen angesiedelt finden.
2. Theil. Die Otomycosis aspergillina.. Die erste’
Mittheilung über das Vorkommen von Aspergillus im Ohr
stammt aus dem Jahre 1844. Dr. Mayer in Bonn fand
bei einem an „scrophulösem“ Ohrenflusse leidenden Sjährigen
Mädchen in dem Gehörgange kirschengrosse eystenförmige
Bälge, deren Wände fibrös filzig, aussen weiss, innen grün-
lich und körnig waren, und welche aus Pilzmasse bestanden.
Mayer untersuchte die Masse und fand darin lange durch-
scheinende Stiele mit einer kolbenförmigen Endanschwell-
ung. Die Beschreibung ist zwar etwas mangelhaft, sie
lässt aber darauf schliessen, dass es Aspergillus fumigatus
war. Nach verschiedenen andern Berichten wird angeführt,
dass Dr. Bezold im Jahre 1830 über 48 von ihm selbst
beobachtete Fälle von Otomycosis referirte.. Auf 65 Ohren-
kranke kam ihm durchschnittlich eine Pilzinvasion zu Ge-
sicht. In 19 Fällen war der Verlauf vollständig symptom-
los und der Pilzbefund ein zufälliger; einfaches Ausspritzen
genügte dann zu dauernder Entfernung dieser Aspergillus-
vegetationen. In den übrigen 29 Fällen war die Mycose
mit Entzündungsvorgängen complieirt: Jucken, stärkere
Epithelexfoliation, mässige Schwerhörigkeit, Schmerz, seröser
Ausfluss. Viermal sah Bezold dabei das acute Entstehen
einer Trommelfellperforation mit ungewöhnlich lang dauern-
den Schmerzen und verzögertem Heilungsverlauf. Als aetio-
logisch wichtige Momente führt er an: 1) das Einbringen
197
228 II. Allgemeine Literatur.
von reizenden Fremdkörpern, die zugleich einen guten
Nährboden darstellen, z. B. Pflanzenbestandtheile, Thee,
Liqueure, Fett, Oel (von den 48 Patienten hatten mindestens
38 vorher Oeleinträufelungen vorgenommen). 2) Einge-
trocknetes Paukenhöhlensekret. Nach verschiedenen dar-
auf bezüglichen Krankengeschichten wird die Frage erörtert,
welche anormalen Zustände des Ohres dem Aspergillus-
wuchs einen günstigen Nährboden liefern, und als wahr-
scheinlich angenommen, dass es fast ausnahmslos eine
freie Serumschicht ist, welche dem Aspergillus die erste
und günstigste, wenn nicht gar einzig mögliche Nahrung
bietet. Der Lieblingssitz der Pilzmembran ist das Trommel-
fell und das innere Drittel des Meatus ext., seltener die
Paukenhöhle, noch seltener die beiden äussern Drittel des
Gehörganges; bisweilen überzieht sie den ganzen Meatus
vom Trommelfell bis zum Eingang.
Die Dauer der Affection, welche meist von geringem
wässrigem Ausfluss oder Ohrensausen, Schwerhörigkeit und
anderen Erscheinungen begleitet ist, ist von verschiedenen
Umständen abhängig und eine sehr wechselnde, bisweilen
bis über Monate, bis zu einem Jahre sich erstreckende.
Ein hartnäckiges Leiden bildet die Otomycose namentlich
dann, wenn sie sich im Mittelohr etablirt, da dessen
simuöse Räume der Therapie schwer zugänglich sind.
Von therapeutischen Eingriffen führt oft schon das Her-
ausspritzen mit warmen Wasser zur Heilung, wenn die Epi-
dermis intact war. Andernfalls werden verschiedene Mittel
empfohlen.
Anhangsweise wird noch ein Fall aufgeführt, bei dem
im Ohre während heftigen entzündlichen Erscheinungen ein
sehr kleines Penicillium gefunden wurde, welches in Folge
seines gracilen Baues, seines Vermögens im Ohre — also
bei 57°C. — zu wachsen, von Penicillium glaucum entschie-
den abzutrennen ist und welches Verfasser Penieillium
minimum nennen möchte. Als ein ferneres Novum wird
das Vorkommen von Aspergillus nidulans im Ohre angeführt.
Dann werden in botanischer Hinsicht die Nomenclatur und
die Unterscheidungsmerkmale der hier in Betracht kommen-
den Pilzarten erörtert. Den Schiuss bilden klinische Mit-
II. Allgemeine Literatur. 229
theilungen. Dem Buche ist ein Sachregister und ein Lite-
raturnachweis angefügt. Den angehängten auf die er-
örterten Pilze bezüglichen Abbildungen ist eine Erklärung
vorausgeschickt.
Halle a. S. Heyer.
Göthe, R., Kgl. Oekonomierath. Bericht der Kgl. Lehr-
anstalt für Obst- und Weinbau zu Geisenheim am Rhein
für das Etatsjahr 1888|89. Wiesbaden 1890.
Ausser Schulnachrichten enthält der Bericht auch die
Ergebnisse aus verschiedenen, in den Gärten angestellten
Untersuchungen, z. B. über den Einfluss des Samens auf
die Ausbildung der Traubenbeeren.
Der Fruchtknoten der Rebe enthält vier Samenanlagen,
von denen aber in den wenigsten Fällen alle zur Ausbild-
ung gelangen, so dass weitaus die meisten Beeren unserer
kultivirten Reben nur 1 bis 3 Kerne besitzen. Gar nicht
selten wird, obgleich eine Befruchtung stattgefunden hat,
gar kein Same ausgebildet; es entstehen die sogenannten
kernlosen Beeren, welche zeigen, in wie weit eine Beere
ohne Einwirkung der sich ausbildenden Kerne sich zu ent-
wickeln vermag. Das stärkere Wachsthum der kernhaltigen
Beeren wäre der Einwirkung der wachsenden Samen zuzu-
schreiben und ist voraussichtlich um so ausgiebiger, je
grösser die Zahl dieser letzteren. Folgende Zusammen-
stellung giebt über diese Grössenverhältnisse Aufschluss:
Gewicht von 100 Beeren (dasjenige der Kerne abgezogen):
kernlose, einkernige, zweikernige, dreikernige, vierkernige Beeren.
g g g g g
o
Bieslinger 0202202530 53,2 17,2 38,9 113,0
Frühburgunder . 27,9 52,9 92,4 110,5 140,0
BRuländer. 2.2 _ 62,0 94,5 124,7 =
Portugieser .. . 23,7 81,6 116,7 140,8 155,8
Ilp/Lon or _ 96,1 134,4 151,2 =
Weisser Gutedel . 58,7 133,8 196,6 232,7 _
Kornelkirschtraudte — 146,1 232,9 303,4 453,7
Weisser Damascener — 316,5 408,5 992,8 —
Hieraus lässt sich deutlich der Wachsthumsreiz der
Kerne auf das Beerenfleisch erkennen. Interessant sind in
dieser Beziehung auch die einkernigen Beeren, sowie die-
Jenigen zweikernigen, bei welchen beide Kerne sich auf
derselben Seite befinden. Diese Kernseite dieser Beeren
230 II. Allgemeine Literatur.
ist stets stärker entwickelt als die andere, und zwar wird
dies nicht etwa nur durch die Anwesenheit der Kerne ver-
ursacht, sondern das saftige Fleisch ist mächtiger ausge-
bildet. So wogen von 68 einkernigen Beeren von Madelaine
Angevine, welche genau dem centralen Gefässbündel ent-
lang der Länge nach durchschnitten wurden, die kern-
haltigen Hälften 59,05 g. die kernlosen 47,153 g. Da die
68 Kerne nur 2,17 g. wogen, so war das Fleisch der kern-
haltigen Längshälften immer noch etwa 10 g. schwerer, als
das der kernlosen, das gegenseitige Gewicht etwa 100:120.
Bei manchen Traubensorten ist dieser unsymmetrische Bau
der Beeren schon beim ersten Anblick zu erkennen, nament-
lich wenn diese eine längliche Form haben, wie bei der
Kornelkirschtraube, der gelben Panse, der Olivette noir
ete. Die betreffenden Beeren erscheinen hier auffällig ge-
krümmt, indem nicht nur die Diekenzunahme, sondern auch
das Längenwachsthum der kernlosen Seite geringer ist.
In Beeren mit wenig oder keinen Kernen wird ein ver-
hältnissmässig grösserer Theil des einwandernden Zuckers
zur Aufspeicherung im Fruchtfleische gelangen als dort, wo
z. B. 3 oder 4 Kerne ausgebildet und mit Reservestoffen
gefüllt werden müssen. Da ausserdem in den ersterwähnten
Beeren das Fruchtfleisch der Masse nach weit geringer ist
so dürfte die vor einigen Jahren festgestellte Thatsache,
dass die kernlosen Beeren zuerst reifen und sodann die
wenigkernigen folgen, erklärlich erscheinen. Diese Ver-
hältnisse wurden nun in den letzten Jahren eingehender
untersucht. Folgende Angaben gewähren einen Einblick
in diese Verhältnisse.
In 100 g Beerenfleisch (Beeren, abzügl’ch der Kerne)
waren enthalten;
vierkernige
kernlose, einkernige, zweikernige, dreikernige, Beeren.
g g 8 g g
Riesling Zucker 16,93 15,10 14,96 14,04 _
2. November 1885] Säure 1,103 1,255 1,298 1,380 _
Frühburgunder { Zucker 16,74 20,57 19,52 18,12 15,39
26. Septbr. 1888 Säure 0,325 0,548 0,521 0,551 0,51
Portugieser Zucker _ 15,38 14,28 13,77 13,43
17. October 1888 Säure _ 0,896 0,952 0,984 0,842
Weisser Gutedel Zucker 17,32 14,85 13,94 13,20 _
15. October 1888 Säure 0,584 0,786 0,829 0,976 —
Il. Allgemeine Literatur. 231
Während der Reifezeit erhalten demnach die Beeren
einer Traubensorte um so mehr Zucker und je weniger
Säure, je geringer die Kernzahl ist. Ferner erreichen die
Beeren die volle Reife, d. h. den Zustand ihres höchsten
absoluten Zuckergehaltes zu ungleicher Zeit, die kernlosen
zuerst, dann die einkernigen u. s. f£ Weiter ergab sich,
dass die zuerst reifenden kernlosen Beeren doch nicht
immer denjenigen Zuckergehalt erlangen, den die kern-
haltigen aufweisen, wenn letztere vollständig reif sind.
An den Trauben der blauen Sorten kann man dieses
verschieden schnelle Reifen der Beeren zur Zeit der Färb-
ung oft leicht erkennen, indem stets die kernlosen Beeren
zuerst sich blau färben, zu einer Zeit, da die andern noch
ganz grün sind, während später unter den letzteren die
einkernigen wieder früher als die zweikernigen u. =. f.
die Färbung zeigen. Doch ist unter den kernhaltigen
Beeren der Unterschied nicht so gross, wie zwischen den
einkernigen und kernlosen, was übrigens auch aus den mit-
getheilten Zahlen geschlossen werden kann.
Die soeben geschilderten Verhältnisse sind so beständig,
dass es mit einiger Uebung möglich ist, an reifenden
Trauben aus Grösse und Beschaffenheit der Beeren mit
ziemlicher Sicherheit auf die Zahl der darin enthaltenen
Kerne zu schliessen. Allerdings wird die Sache etwas er-
schwert durch einen weiteren Umstand, der gelegentlich
auf das Reifen einwirkt. Ist nämlich der Saftzufluss zu
einzelnen Beeren aus irgend einem Grunde gehemmt, so
erreichen sie nicht die ihrer Kernzahl entsprechende Grösse
und erleiden auch eine Verzögerung in der Reife. Eine
zweikernige Beere ist dann oft kleiner als die einkernige,
bleibt aber im Reifen hinter den dreikernigen zurück.
Dadurch sind derartige Beeren aber leicht zwischen den
andern herauszufinden. Eine am 1. August in dieser Richt-
ung vorgenommene Untersuchung mit Frühburgundertrauben,
in welchen solehe zurückbleibende Beeren sich vorfanden,
ergab folgendes Resultat:
232 II. Allgemeine Literatur.
ZZ
Einkernige Zweikernige Dreikernige
Beeren Beeren Beeren
zurück- zurück- zurück-
normal normal |pjeibend| normal |pjeibend
jo
g g g g
142,3 87,3 162,7 123,5
9,40 6,42 12,57 11,22
132,90 80.833 1:50,13 112,28
()
Gewicht von 100 Beeren . ei
Gewicht derKerne von 100Beeren
Gewichtd.Fleisches,, „, R
N %o 0
1,93 1% | 9,23 7,08
Zuckergehalt des Beerenfleisches (
1,766 2,205 | 1,784 2,237
Säuregehalt ,„ n)
Die vollständigen Untersuchungsergebnisse sollen dem-
nächst in den „Landw. Jahrbüchern“ erscheinen.
Halle a. S. Heyer.
Neu erschienene Werke.
vnnnnn
Allgemeines.
Mathematik, Physik, Astronomie ete.
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Martini und Chemnitz. Systematisches Conchylien -Cabinet. In
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Neu erschienene Werke. 231
Tessin-Bützow, G. Rotatorien der Umgegend v. Rostock. [Aus:
„Archiv der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.“) 80
42 pp. Mit 2 Doppeltaf. Opitz & Co. Güstrow, 1890.
Voigt, M. Die technische Produktion und die bezüglichen römisch-
rechtlichen Erwerbtitel. |Aus: „Abhandlungen d. kgl. sächs. Ge-
sellsch. d. Wissenschaften.“]| 8%. 42pp. Hirzel. Leipzig, 1889.
Wasmann, E. Vergleichende Studien über Ameisengäste und Ter.
mitengäste. |Aus: „Tijdschr. voor Entomologie.*] 8%. p 27—97.
Mit 1 lith. Taf. u. 1 Bl. Erklärg. Nijhoff. Haag, 1890.
Westerlund, C. A. Fauna der in der paläaretischen Region leben-
den Binnenconchylien. VII. Malacozoa acephala. 8%. 319, 16 u.
Reg. 15pp. I. Suppl. 179pp. Friedländer & Sohn. Berlin, 1590.
Botanik.
Beyer, H. Die spontanen Bewegungen d. Staubgefässe u. Stempel.
80. 56pp. Warnke. Colberg, 1889.
— — Bibliotheca botaniea. Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete
der Botanik. Herausgegeben von F.H. Haenlein u. Chr. Luerssen.
17. Heft. 2. Hälfte. Bestäubungseinrichtungen bei den Pilanzen von
A. Schulz. 18. Heft. Gewebeelemente der Farne von G. Walter.
40. XI, 224 u. 21pp. 3 Farbendr.-Taf. Fischer. Cassel, 1890.
Bonavia, E. The cultivated Oranges and Lemons of India and
Ceylon. 2vols. 80% London, 1890.
Britzelmayr, M. Hymenomyceten aus Südbayern. IX. Thl. 80,
34pp. Mit 64 color. Taf. Friedländer & Sohn. Berlin, 1890.
v. Ettingshausen, Ose. u. Fr. Krasan. Beiträge z. Erforschung
der atavistischen Formen an lebenden Pflanzen und ihrer Bezieh-
ungen zu den Arten ihrer Gattung. II. Folge. [Aus: Denkschriften
der königl. Akademie der Wissenschaften] 4%. 35pp. Tempsky.
Wien, 1888.
— — — — Beiträge zur Erforschung der atavistischen Formen an
lebenden Pflanzen und ihrer Beziehungen zu den Arten ihrer Gat-
tung. III. Folge. [Aus: „Denkschriften der königl. Akademie der
Wissensch.“] 4°. 22pp. Mit 8 Taf. in Naturselbstdr. Tempsky.
Wien, 1390.
Haberlandt, G. Das reizleitende Gewebesystem der Sinnpflanze.
8° 111, STpp. Mit 3 lith. Taf. Engelmann. Leipzig, 1890.
Karsten, H. Gesammelte Beiträge zur Anatomie und Physiologie
der Pflanzen. II. Bd. 4°. VI, 312pp. Mit Abbildung. u. 4 Taf.
F:iedländer & Sohn. Berlin, 1890.
v. Martius, C. F. Ph., A. W. Eichler et Ign. Urban. Flora bra-
silensis. Enumeratio plantarum in Brasilia hactenus detectarum
quas suis aliorumque botanicorum studiis descriptas et methodo
naturali digestas, partim icone illustratas edd. Fasc. 107. Fol.
172 Sp. Mit 50 Taf. [Leipzig, F. Fleischer] Monachii, 1890,
238 Neu erschienene Werke.
Nyman, C. F. Conspeetus florae europaeae. Supplementum II. Pars
I. Additamenta. Emendationes. Observationes. 8°. III, 224pp.
|Berlin, Friedländer & Sohn.] Oerebro, 1839.
Schulze, E. und E. Steiger. Untersuchungen über die stickstoff-
freien Reservestoffe der Samen von Lupinus luteus und über die
Umwandlungen derselben während des Keimungsprocesses, [Aus-
„Landwirthsch. Versuchs-Stationen.*] 8%. p. 391—476. Parey.
Berlin, 1889.
Ward, H. M. Diseases of Plants. 8°. 196 pp. London, 18839.
Zahlbruckner, A. Prodromus einer Flechtenflora Bosniens und der
Hercegovina. [Aus: „Annalen des k. k. naturhistorischen Hof-
museums.*] 8° 30pp. Hölder. Wien, 189%.
Zimmermann, A. Beiträge zur Morphologie und Physiologie der
Pflanzenzelle. 1. Heft. 8%. VII, 79pp. Mit 2 Doppeltaf. in Far-
bendruck, Laupp. Tübingen, 1890.
Zimmermann, O.E.R. Die Bakterien unserer Trink- und Nutz-
wässer, insbesondere des Wassers der Chemnitzer Wasserleitung.
I. Reihe. [Aus: „Bericht der naturwissenschaftlichen Gesellschaft
zu Chemnitz.*] 8°. 106pp. Bülz. Chemnitz, 15%.
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wissenschaftlicher und sozialer Beziehung. AM 2.25
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auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der
Chemie. 2. Die Spektralanalyse. 3. Die Ursache der Phosphor-
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei
Spektren im Lichte. (Das eigentliche Lichtspektrum, das
Wärmespektrum und das chemische Spektrum). M 2.25
— Beiträge zu einer exakten Psycho-Physiologie. 1. Ueber das
Wesen der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension
des Raumes. 3. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit.
4. Studien am „Lebensrad* behufs eines richtigen Verständ-
nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der
Farbenwahrnehmung. A 2.—
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wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. AM 2.40
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schehens in der Welt. Al 1.80
Durdik, J., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der
Welt auf Grundlage der positiven Ergebnisse der Philosophie
und der Naturforschung. AM 1.—
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nn - glauben und zur Wissenschaft . . EN IRERT
Prof. Dr. Anton Frits ch, Fauna der Gaskohle und Kalksteine N 5
- der Permformation Böhmens . RT BEN N A A
Gay-Lussaec, Untersuchungen über das Jod ı 204°
Oecon. -Rath R. Gö the, .. Bericht der Königl. Lehr- Anstalt für
Obst- und Weinbau zu Geisenheim 1 Kelle > Pr DR
Prof. Dr. F. Götte, Entwickelung des ‚Flussneunauges A BArE? ih 5,
-@. v. Hayek, Handbuch der Zoologie . . . 217
= C. Houzeau u. A. Lancaster, Bibliographie senerale de
u.’ Pastronomie .. x Re Re ER
Hatschek, Lehrbuch der Zoologie EEE N NONE TAN)
John, Bohrende SEBIeoh se ee un aan ran 0 22%
- Igelström, Pyrrhoarsenit . . .. - ARE)
‚De. J. Klein, Elemente der forensisch- chemischen Analyse .. 205
Liebenmann, Die Schimmelmyeosen des menschliehen Ohres 226
. Ferd. Maack, Zur Einführung in das Studium des Hypnotismus
; f und thierischen "Magnetismus . . . 199
Prof. Dr. Ostwald, Classiker der exacten Wissenschaften . .. 203
Prof. Ira Remsen, "Grundzüge der theoretischen Chemie. . . 205 a
Roscoe u. Schorlemm er, Ausführliches Lehrbuch DI. . .#. 206
Carl Schaedler, Untersuchungen der Fette, Oele etc. Se
Dr. G. Schneidemihl, Thiermedieinische Vorträge . 225
7 G. Voigt, Die Geistesthätigkeit des Menschen und "dieine-
- ehanischen Bedingungen der bewussten Empfindungs-
de äusserung auf Grund einer einheitlichen Weltanschauung 200
i Dinseibe Das Empfindungsprineip und die Enstehung des
a Lebens auf Grund eines einheitlichen Substanzbegriffs . 200°
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Da3 geheimnisvolle Walten, die Erhabenheit und Schönheit der
Natur ergreifen jedes empfängliche Gemüt und gewähren ıhm eine
unerichöpfliche Quelle der reiniten Freuden. Mit Hecht wandern all-
jährlich Taufende von Menfchen hinaus in Wald und Gebirae, um
den Sorgen des Alltagsleben zu entfliehen. Unfer Peritändiis fir
die Schönheiten der Natur und damit auch unjer Genub jteigern ih
jedoch mit der Bereicherung unjerer Naturerfenntnts. Das vorliegende
Werf nun fol dem Naturfreund al3 Begleiter auf jeinen Ausflüger
und Neifen dienen. Dasjelbe eignet fich vermüge feiner anziehenden
gemeinveritändlichen Schreibweile und jeiner veichen an ganz
bejonder8 auch zu Gejchenfen.
Glafer’s
Tafden- Wörterbuh
für Botanifer um alle Freunde der Botanif.
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nebit Beihreibung und Nantenserflärung (griech., lateinifdh, beutjh)..
Ziteratur. Spesialbotanik,
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Gebauer-Schwetschke'sche Buchdruckerei in Halle (Saale).
Prof, Dr. ®: Schmidt und Prof De Wo
_
herausgegeben von
5 Dr. ©; Luedecke;
Professor an der Universität Halle,
eo3. Band.
(Fünfte Walze. Brster Ban
‚Viertes und fünftes, Heft.
4
Ausgabe für. Vereinsmitglieder.
N
-2@ Mit zwei Tafeln @&-
Halle- Saale
& EB: M. Pfeffer (Robert Stricken).
1890.
Inhalt.
IL Abhandlungen.
3 Dr. Leopold Böttger, Geschichtliche Darstellung unserer Kennt-
niss und Meinungen von den Korallenbauten . ...
Priyatdocent Dr. Schmidt in Halle, Die Einwirkung des Blitz. :
schlages auf verschiedene Baumarten. .
r. Wohltmann in Göttingen, Eir Beitrag zu den Muschelbergen,
'Sambaquis, an der Ostküste Baus Mit Tafel IV u.V E
1. Sächsisch. Titürafsche Literatur.
Cesaro, Ueber das ditetragonale Prisma am 'Apophyllit von >»
St. Andreasberg . ... RR N BERNER,
Prof. Dr. W. Dames, Anarosaurus pumilio nov. gen. nov. spec.
- Friederich, Naturgeschichte der deutschen Vögel. .
Dr. Koch in Berlin, Geologische Aufnahmen im N. ©. Theile ER
des Blattes Zellerfeld . RE
Prof. Dr. K. A. Lossen, Geologische Aufnahmen im Brocken-
Massiv und bei Harzbur Dr 5
Prof. Pieard in Sondershausen, Ueber Base seltene Petre-
facten aus dem Muschelkalk 3 er
Russ, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres . .
‚Leop. Scheidt, Vögel unserer Heimath . . . . 2 ;
Prof. Dr. Schreiber in Magdeburg, Glaeialersch einungen in
Magdeburg. . RN
H. Schucht, Geologie des Ockerthals . Eh
Dr. Zimmermann, Geologisches vom nördlichen Thüringer :
le Aufnahmen auf Blatt Crawinkel . ER
IM. en: ikea
Bessel, Untersuchungen über die Länge des ask
W. Büchner, Zwei Materien mit 3 Fundamentalgesetzen . .
Dr Doliarius, Janus, ein immerwährender Datumweiser
für alle Jahrhunderte . . . i
Dr. Eb. Fraas, Geologie in kurzem Auszuge tür Schulen. und
zur Selbstbelehrung
Dr. A. B. Frank, Prof. an der Kgl. Laudwirthschaftl. Hoch
schule, Lehrbuch der Pflanzenphysiologie mit a
Berücksichtigung der Eulturplanzen 7. ann. were
Gauss, Allgemeine Flächentheorie
Geschichtliche Darstellung
unserer Kenntnisse und Meinungen von den
Korallenbauten.
Von
Leopold Böttger.
| Einen Gegenstand der Natur einer historischen Unter-
suchung unterwerfen, heisst den Beziehungen nachgehen,
die sich zwischen ihm und dem Menschen im Laufe der
Zeiten entwickelt haben. Infolge der doppelten Art unseres
Erkennens tritt der Mensch an einen Gegenstand in zwei-
facher Weise heran, indem er ihn sowohl mit seinem äussern
als auch mit seinem innern Sinne betrachtet. Jener giebt
ihm Aufschluss über das Sein, dieser über das Werden
des betrachteten Objects, der erstere verschafit ihm seine
Kenntnisse, der letztere seine Meinung über den Gegen-
stand. Diese beiden Ansehauungsformen der Naturgegen-
stände, die man die positive und die genetische nennen
kann, laufen aber nicht unverbunden nebeneinander her,
sondern die eine beeinflusst stetig die andere. Mit wachsen-
der Verfeinerung der äussern Erfahrung verändert sich der
Zustand der innern und dieser wirkt wieder auf die Be-
trachtungsweise des äussern Sinnes ein. Die Entwicklung,
welche der Zustand der menschlichen Erfahrung oder mit
andern Worten der unseres Selbstbewusstseins durchläuft,
lässt drei Hauptabschnitte erkennen. Der ursprüngliche Zu-
stand des menschlichen Bewusstseins ist der, in welchem
der Mensch sein ganzes Thun von seinem Willen allein
abhängig fühlt und die ihn umgebenden Naturgegenstände
mit einem dem seinen gleichen oder ähnlichen Geiste be-
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 16
242 Leopold Böttger:
seelt denkt. Diese Art der Naturauffassung ist die ani-
mistische genannt worden. So lange sie herrschend blieb,
konnte die Kenntniss von den Naturgegenständen nur eine ganz
oberflächliche sein, denn die nähere Betrachtung der Objecte
musste aus Furcht vor dem in ihnen wohnenden rächenden
Geiste verzögert werden. Hatte die reifende Erfahrung aber
endlich das Unbegründete der animistischen Naturbe-
trachtung dargethan, so konnte man der Natur unbefangener
gegenübertreten und die Kenntniss der Objecte musste rasch
gefördert werden. Die Naturauffassung wird infolge dessen
jetzt zur theologischen, bei der man sich an Stelle der
vielen Einheiten der animistischen Auffassung eine ein-
zige denkt, die den einzelnen Naturgegenständen als Schöpfer
gegenübertritt. Da sich auch in dieser Periode die gene-
tische Form der Anschauung von vornherein in einem festen
Geleise bewegt, so konnte sich auch das bis jetzt erreichte
Maass unserer positiven Erfahrungen nur langsam ändern;
denn der einzige Antrieb für den Menschen, seine Kennt-
nisse zu vermehren, bildet allein noch ihre praktische Be-
deutung. Nur ganz allmählich geht daher die dritte Art
der Naturauffassung aus ihr hervor, die causale Natur-
betrachtung, welche für jeden Gegenstand eine sich bei
allen Objeceten nach denselben Gesetzen vollziehende Ent-
wicklung postulirt, die uns seine Eigenschaften und Merk-
male begreifen lehrt. In dieser Periode beginnt die wissen-
schaftliche Beschäftigung mit den Gegenständen.
Da die verschiedenen Arten der Naturauffassung zu
gleichen Zeiten bei verschiedenen Völkern herrschend sein
können, ja bei einem und demselben Volke gleichzeitig
durch verschiedene Individuen vertreten werden, so werden
für verschiedene Öbjecte die Zeitanfänge jener Perioden
auseinanderfallen. In der Geschichte der Kenntnisse und
Meinungen von den Korallenbauten beginnt die erste Periode
mit dem Bekanntwerden des Menschen mit diesen Bauten,
die zweite Periode muss ihren Anfang mit dem intensiven
Betrieb der Schifffahrt genommen haben, die dritte wird
durch die Beobachtungen eingeleitet, welche Reinhold
Forster auf seiner Reise um die Welt in den Jahren
1772 — 1775 machte.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 243
I. Die animistische Auffassung der
Korallenbauten.
Suchen wir nach Zeugnissen für die animistische Auf-
fassung der Korallenbauten, so können wir solche, da die
Korallenriffe erst später als eine selbständige Riffgruppe
erkannt wurden, nur als Analogien zur Auffassung von
Riffen überhaupt finden. Es ist nun eine bekannte That-
sache, dass uns die Riffe in den Mythen der Kulturvölker,
welche bis jetzt die einzige Quelle zu sein scheinen, aus
der man für den vorliegenden Fall schöpfen kann, als See-
ungethüme entgegentreten, die, sobald die Ebbe die Riff-
fläche trocken legt, ihr gewaltiges Haupt aus dem Meere
zu erheben scheinen, und wenn die Flut die Wellen an ihre
Ufer treibt, so dass das Wasser hoch emporspritzt und ge-
fährliche Wirbel erzeugt, ihren gähnenden Rachen aufsperren
und alles zu verschlingen drohen. Eine solche Vorstellung
musste sich bei Betrachtung eines Korallenriffs um so nach-
drücklicher und überzeugender aufdrängen, als das Wasser
um seine Ränder in fast nie ruhender Thätigkeit ist und
seine Nähe für ein Schiff wegen seiner vielzackigen, aus
widerstandsfähigem Fels bestehenden Köpfe sehr gefähr-
lich werden kann.
Wo die Riffe in den Sagen der Natur- oder Kulturvölker
mit weiteren Attributen lebender Wesen als die eben an-
geführten ausgeschmückt sind, wie das z.B. beim Lurelei-
felsen der Fall ist, scheint es sicher, dass wir nicht Er-
zeugnisse ursprünglicher, allgemeiner Anschauungen, sondern
die dichterische Phantasie Einzelner vor uns haben; hat
doch die dichterische Thätigkeit so vielfach an der Aus-
gestaltung einfacher Naturerscheinungen mitgewirkt.
II. Geschichte unserer Kenntnisse
von den Korallenbauten bis zum Jahre 1778.
War endlich bei zunehmender Vertrautheit mit der
Schifffahrt der Irrthum in der Auffassung der Riffe berich-
tist, war die anorganische Natur der Riffe erkannt, so
musste man darauf bedacht sein, sich weitere Kenntnisse
16*
244 Leopold Böttger:
von ihnen zu verschaffen, um sie eines Teils ihrer Gefähr-
lichkeit zu entkleiden; man suchte daher ihre Ortslage
und Ausdehnung festzustellen. Hie und da wurden jeden-
falls auch Untersuchungen über die Tiefe des umgeben-
den Wassers angestellt. In vielen Fällen, insbesondere
bei den Riffen des hohen Meeres, blieb es allein bei einer
Ortsbestimmung, die bei der Unzuverlässigkeit der Instru-
mente und Methoden früherer Zeiten auch noch auf sehr
schwankendem Grunde ruhte. Sehr viele dieser Beob-
achtungen, die, wenn sie mit wissenschaftlicher Genauigkeit
ausgeführt worden wären, ein höchst schätzbares Material
abgegeben hätten, sind vollständig unbrauchbar. An vielen
Punkten, an denen ältere Karten Riffe aufweisen, oder an
denen früher Seeleute Riffe beobachtet zu haben glaubten,
hat man später keine Spur eines solchen gefunden, und in
Gegenden des Meeres, die nach den Angaben verschiedener
Seefahrer mit einer grösseren Anzahl von Riffen durchsetzt
sein mussten, entdeckte eine eingehende Untersuchung nur
eine geringe Zahl von Untiefen und Bänken.!) Auch die
Ungenauigkeit der Einzelformen in den älteren Seekarten
hat diese Anhäufung von Riffen und Inseln mit herbei-
geführt. Ein weiterer Grund für das so oft erfolglose
Suchen unserer Vermessungsschiffe ist in Luftspiegelungen
gleich der fata morgana zu suchen, welche Riffe an Orten
erscheinen lassen, wo in Wirklichkeit keine sind. Auch
Täuschungen anderer Art sind mit im Spiel. So schreibt
Corvettencapitän Plüddemann auf einer Fahrt in der Süd-
see: „Am 28. bei Sonnenuntergang trat wiederum die Er-
scheinung eines ausgedehnten Riffes mit gelblichgrünem
Wasser und deutlich zu unterscheidenden mehrfachen Bran-
dungslinien auf. Sämmtliche Officiere waren überzeugt, dass
es wirklich ein Riff sei. Erst nachdem einige in Topp ge-
gangen waren, erkannten sie die Augentäuschung. Solchen
Erscheinungen sind vielleicht die mehrfach wiederkehrenden
1) Anmerkung. So lotete das englische Vermessungsschiff
Egeria im Jahre 1889 vergeblich nach acht auf den Seekarten des
grossen Oceans eingetragenen Untiefen. (Annalen der Hydrographie.
1839. S. 480.)
Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 245
Meldungen über neu entdeckte Riffe, welche später aber
nicht wieder aufgefunden werden können, zuzuschreiben.
Ein Kauffarteischiff unter Segel wird, sobald es eine solche
Erscheinung bei dem dann stets schwach wehenden Winde
bemerkt, machen, dass es aus der unheimlichen Nähe
kommt und dem Spuk nicht zu Leibe gehen. Solchen
Meldungen ist nur dann Glauben zu schenken, wenn ge-
nügend Wind vorhanden war, um keine Sulenone: en auf-
kommen zu lassen.')
Da in früheren Jahrhunderten ausschliesslich Segel-
schiffe in Gebrauch waren, so wird während dieser Zeit
eine Controlle der Erscheinungen viel seltener vorgekommen
sein als jetzt. Daher werden auch selten andere Beob-
achtungen als die der Ortslage des Riffes gemacht. Wo es
dennoch geschieht, ist es die grosse Nähe des Riffes an
der Küste und seine Lage in einem vielbesuchten Meeres-
theil oder ein unfreiwilliger Aufenthalt auf dem Fels, welcher
zu einer eingehenden Untersuchung veranlasste. Von diesen
Untersuchungen blieben aber sicherlich viele unveröffent-
licht, da man seinen Mitbewerbern im Handel nicht die
Wege zu seinen Erfolgen zeigen wollte. So kommt es,
‘dass wir trotz der zahlreichen und grossen Seefahrten,
welche im 15. und 16. Jahrhundert unternommen wurden,
nicht viel über unsern Gegenstand vernehmen. Es ist das
eine um so auffälligere Thatsache, als das rothe Meer,
welches schon im Alterthum einen wichtigen Handelsweg
bildete und lebhaften Seeverkehr erzeugte, reichlich mit
Korallenbauten ausgestattet ist. Aber weder scheint eine
eingehende Beschreibung noch eine genaue Karte dieser
Bauten aus dem Alterthum oder dem Mittelalter zu existiren.
Wenn Plinius schreibt: „Rubrum (seil. mare) enim et totus
Orientis oceanus refertus est sylvis,“2) so erfahren wir nur,
dass die Riffe eine vielzackige, zerrissene Oberfläche auf-
weisen. Erst aus dem Jahre 1540 haben wir eine gute
Beschreibung des Fahrwassers, der Inseln und Riffe des
rothen Meeres von Dom Juan de Castro, welchereine portu-
1) Annalen der Hydrographie. B. 14. S. 474.
2) Plinius, hist. nat. LXXXII e. 2.
246 Leopold Böttger:
giesische Flotte durch dieses Meer begleitete. Da mir nur
ein Auszug!) seines Werkes zur Verfügung stand und dieser
vielfach so mit Notizen des Herausgebers durchsetzt ist,
dass man nicht unterscheiden kann, was von ihm und
welche Beobachtungen von Dom Juan de Castro herstammen,
so habe ich nicht viel mehr daraus entnehmen können, als
dass de Castro die Haupteigenthümlichkeit der Riffe in
jenem Meerestheil, einen schiffbaren Kanal mit dem Land
einzuschliessen, erkannte. Die Anwesenheit von Korallen
auf den Riffen fasste er jedoch wohl nur als eine Begleit-
erscheinung, aber nicht als causa efficiens auf. Dasselbe
gilt von Pyrard, welcher sich von 1601 — 1611 auf den
Malediven aufhielt und der der erste zu sein scheint, welcher
uns näher mit Koralleninseln und Riffinseln des offenen
Meeres bekannt macht.2)°?) Er schreibt über das Vorkommen
von Korallen: „Man begegnet hier auch einer Menge von
Zweigen einer grossen Koralle, die aber rauh und porös
ist,“) (nämlich im Gegensatz zur Edelkoralle). In seinem
1) Histoire generale des voyages. Tome I. Paris 1744. S. 199.
2) Histoire generale des voyages. Tome VIII. Paris 1750. S.242.
3) Dass schon vor Pyrard Beschreibungen von Atollen nach
Europa gekommen sind, scheint mir aus der Beschreibung der Insel
Utopia gefolgert werden zu können, die Thomas Morus in seiner
Schrift „De optima statu rei publicae de que nova insula Utopia,
Löwen“, 1516 giebt. Die Insel Utopia hat nach Morus die Gestalt
eines Mondviertels, dessen Hörner ungefähr 1100 Schritte weit ent-
fernt sind. „Dies ungeheure Bassin,“ heisst es weiter (Utopia von
Thomas Morus, Deutsch von Hermann Kothe, Universalbibliothek von
Reclam, No. 513 u. 514, 8. 55) „wird vom Meere ausgefüllt; die
dasselbe amphitheatralisch begrenzenden Länder brechen hier die
Wuth der Winde, besänftigen die empörte Woge und geben dieser
grossen Wassermasse den Anschein eines ruhigen Sees. Dieser aus-
gehöhlte Theil der Insel gleicht einem einzigen, äusserst geräumigen
und von allen Seiten zugänglichen Hafen. Die Einfahrt in den Meer-
busen ist wegen der Sandbänke auf der einen und der Klippe auf
der andern Seite gefährlich. In der Mitte erhebt sich ein Felsen,
der in bedeutender Ferne gesehen wird und deshalb durchaus unschäd-
lich ist. Andere unter dem Wasser verborgene Felsen legen den
Schiffen unvermeidliche Schlingen. Nur die Eingeborenen kennen die
fahrbaren Stellen. — Traditionen zufolge, die übrigens in der geo-
graphischen Gestalt des Landes vollkommen Bestätigung erhalten,
war dasselbe nicht immer eine Insel.“
4) a. a. 0.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 247
Berichte zeigt er, dass er alle characteristischen Merkmale
der Riffe des offenen Meeres richtig erfasst hat. Er be-
richtet: „Sie (die Malediven) sind in 13 Provinzen getheilt,
welche man Atolle (Atollon im französischen Original) nennt,
welche Theilung das Werk der Natur ist, denn jedes Atoll
ist vom andern getrennt und enthält selbst eine Anzahl
Inseln. Es ist ein wunderbarer Anblick, jedes Atoll
von einer Steinbank umgeben zu sehen. Sie sind beinahe
rund oder von ovaler Figur und sind von einander durch
mehr oder weniger breite Kanäle getrennt. Das Wasser
innerhalb jedes Atolls ist bis zu 20 Brassen (48,72 m) tief.
Die Oeffnungen durch das Riff sind nicht sehr gross und
jede ist von zwei Inseln begleitet.!) Das Wasser läuft in
ihnen sehr schnell.“ Das Wasser in der Lagune schildert
er richtig als klar, so dass man den sandigen und steinigen
Grund sieht. Doch befinden sich in ihm eine grosse Menge
Untiefen, welche der Schifffahrt hinderlich sind und sie sehr
gefährlich machen. Die Tiefe der Kanäle soll nach ihm
so gering sein, dass man während der Ebbe von einer
Insel zur andern, ja von einem Atoll zum andern gehen
kann und „die Einwohner“, fügt Pyrard hinzu, „würden
keine Schiffe nöthig haben, um sich zu besuchen, wenn sie
nieht menschenfressende Fische und die spitzen, scharfen
schneidenden Felsen fürchteten.“ Die Angabe über die
geringe Tiefe der die einzelnen Inseln eines Atolls schei-
denden Kanäle widerspricht für die meisten den heutigen
Zuständen. Noch viel weniger ist die gleiche Angabe für
die Kanäle zwischen den einzelnen Atollen mit unserer
Kenntniss von den Tiefenverhältnissen im Maledivenarchipel
in Einklang zu bringen, da sie Tiefen bis zu mehreren
Hunderten von Metern aufweisen. Entspräche Pyrards An-
gabe wirklich den damaligen Zuständen, so müsste eine
sanz beträchtliche Niveauveränderung stattgefunden haben,
1) Die letzte Bemerkung ist in dieser allgemeinen Fassung ent-
schieden nicht richtig, obgleich die erwähnte Erscheinung eine weit
verbreitete und sicherlich mit der Entstehung der Riffinseln in Zu-
sammenhang zu bringen ist. Vergleiche hierzu Hoffmann, „Wahr-
nehmungen an einigen Korallenriffen der Südsee.“ Verh. d. Berl.
Ges. f. Erdk. B. IX. 1882, S. 229.
248 Leopold Böttger:
was aber nicht gut anzunehmen ist, da dann die Inseln
kaum noch über Wasser stehen könnten, denn es würde
ein Wachsthum der Korallenthiere voraussetzen, welches
jedes bis jetzt Beobachtete weit überträfe. Aber selbst die
Möglichkeit eines solchen raschen Wachsthums zugegeben,
so würde doch die Inselbildung nicht mit ihm haben Schritt
halten können.
Noch an einer anderen Stelle macht Pyrard eine mit
den Thatsachen in Widerspruch stehende Angabe, indem
er bemerkt, dass jedes Atoll vier nach den Richtungen des
Windes angeordnete Oeffnungen habe.
Zutreffend dagegen sind seine Bemerkungen über die
Veränderlichkeit der Inseln. „Ein grosser Theil dessen,
was mit dem Namen Insel belegt wird, sind nur kleine
Sandflecken, welche die Strömungen und Hochfluthen jeder-
zeit benagen und davontragen. Sie stehen zur Fluthzeit
theilweise unter Wasser und sind unbewohnt.“ !)
Diese Mittheilungen über die Beweglichkeit der Ko-
rallenriffe sind um so interessanter, als man dieser Er-
scheinung erst in neuerer Zeit wieder Aufmerksamkeit
geschenkt hat, sie gleichsam wieder neu entdeckte und
ihren Einfluss auf unsere Anschauungen über die Bildung
der Korallenriffe und -inseln erkannte. Pyrard ist übrigens
nicht der erste, der uns davon Nachricht bringt. In einer
indischen Handschrift, deren Entstehung vor das Jahr 1500
gesetzt wird, befindet sich eine Stelle von dem alten Geo-
graphen Biruni,?) welche denselben Vorgang von den
Inseln der Laccadiven und der ganzen südlich davon ge-
legenen Reihe beschreibt. „Les unes viennent de naitre;
elles apparaissent sous la forme de monceaux de sable, qui
grosissent, s’etendent et s’agglomerent en terres solides,
tandisque d’autres s’ebranlent, se decomposent et se fondent
peu a peu dans la mer. Quand les habitants s’apercoivent
de l’insecurit&E du sol, qui les porte, ils se retirent dans
quelque ile en voie de croissance, ils y transportent leurs
eocotiers, leur palmier, leurs grains et leurs ustentiles et y
etablissent leurs demeures.
aaa).
2) Journal asiatique, Ser. 4 Bd. 4. S. 265.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 249
Elisee Reclus!) will in diesen Worten allerdings nur
die Ausklänge jener alten Fabel von irrenden Inseln er-
kennen, welche durch die schwache Erhebung und die
Unsicherheit in der Schätzung der Zahl der Inseln ent-
standen sein soll, aber wenn schon der Bericht des Biruni
recht sagenhaft klingt. und sicherlich keine eigenen Beob-
achtungen ihm zu Grunde liegen, so wird man in Rück-
sicht auf die über die Veränderlichkeit der Inseln an zahl-
reichen anderen Atollen gemachten Wahrnehmungen immer-
hin annehmen dürfen, dass er nicht allein ein Erzeugniss
der Phantasie ist, sondern auf Thatsachen ruht.)
So waren bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts die beiden
Hauptformen, in welchen Korallenriffe auftreten, beschrieben
und auch die ihnen characteristischen Merkmale den Be-
obachtern aufgefallen und hervorgehoben, nämlich das
beiden gemeinsame Merkmal besonderer Gefährlichkeit für
die Schififahrt wegen der spitzzackigen, aus hartem wider-
standsfähigem Gestein gebildeten Ränder, sowie die lineare
Anordnung der einen und die fast ringförmige der andern
Riffe; aber doch war es noch nicht klar zum Bewusstsein
gekommen, dass man in diesen Riffen selbständige Riff-
formen vor sich hatte, welche einen ihnen eigenthümlichen
Weg der Entwickelung zurückgelegt hatten. Am ersten
musste diese Erkenntniss an den Atollen gewonnen werden,
deren ringförmige Gestalt bei allen, die sie sehen, gerechtes
Erstaunen hervorruft. Auch Pyrard erschienen die Atolle,
wie schon oben bemerkt, als ein höchst wunderbares Werk
der Natur und bei ihm finden wir auch den ersten Ver-
such, wenn auch nicht die characteristische Gestalt, aber
1) Elisee Reclus. Vol. 8. S. 615.
2) Woods Angaben, welche ich hier folgen lasse, sprechen aller-
dings für die Ansicht von Reclus. ‚They (die Eingeborenen der
Laccadiven) denied,“ schreibt Wood, ‚to have been ever remarked
any change in the general features of any single islet or even heard
of their being at any period in a less forward stage of formation that
appear at present, nor could I discover any tradition among which
would lend even a colouring to this supposition (Journal of Geogr.
Soc. London 1836). Birunis Bericht bezieht sich jedoch nicht allein
auf die Laccadiven, sondern auf die ganze Atollreihe südlich von
Indien.
250 Leopold Böttger:
doch die Entstehung der Maledivenatolle im Allgemeinen
zu erklären. „Es sind viele Anzeigen vorhanden,“ so
schreibt er, „dass alle diese Inseln auf einer grossen
Steinbank stehen, so dass man denken möchte, dass es
eine einzige Insel war, welche die Gewalt der Fluthen zer-
schnitten hat.“!)
So bedeutungslos dieser Erklärungsversuch auch er-
scheint, so müssen wir uns doch vergegenwärtigen, dass
er, so lange die Betheiligung der Korallen am Aufbau dieser
Riffe noch nicht richtig erkannt war, von vorn herein ein
unzulänglicher sein musste. Auch hat sich derselbe Ge-
danke, selbst in unserm Jahrhundert, als man schon eine
ziemlich gute Kenntniss von der Natur der Korallenriffe
hatte, wieder geltend zu machen versucht. ?)
Die früheste Bemerkung über das Auftreten der Ko-
rallen als Felsmassen findet sich bei Linschoten’) in dem
Jahre 1638. Ehrenberg‘) theilt uns mit, dass Linschoten
die Bassas de India zum grössten Theil aus „pierre de
corail“ zusammengesetzt hält und auch Korallenfels von
der Küste von Madagaskar erwähnt. Ehrenberg bemerkt
hierzu, dass aus der einfachen Form, in welcher diese
Mittheilung geschieht, fast hervorgehe, dass schon in der
Mitte des 16. Jahrhunderts der Name Korallenfelsen für
Klippen des Südmeeres bei den Schiffern in gewöhnlichem
Gebrauch gewesen ist, obschon er selbst keinen weiteren
Beleg dafür zu geben vermöge. Der Umstand, dass Pyrard,
wie oben gezeigt, über die Anwesenheit von Korallen nur
ganz obenhin eine Bemerkung macht, ohne von Korallen-
fels zu reden, scheint dieser Annahme nicht günstig zu
sein. In die Gelehrtenwelt ist der Ausdruck Korallenfels
sicherlich erst viel später gedrungen, denn la Croix kennt
ihn in seiner Geographia universalis aus dem Jahre 1677
noch nicht. Im andern Falle würden sich wohl auch aus
1) Histoire generale des voyages. T. VIII. S. 242.
2) Wilkes in Narrative of the U. St. Exploring Expedition.
B. 4. S. 268.
3) Histoire de la vavigation de Linschot. 1638.
4) Abhandl. der Acad. d. Wissensch. z. Berlin 1832. Theil I.
Gedruckt 1834. S. 394.
Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 251
dem 17. Jahrhundert noch andere Zeugnisse beibringen
lassen, aber die nächste Bemerkung zu diesem Gegenstand
findet sich, soviel bis jetzt bekannt, erst im Jahre 1702.
Allerdings tritt die Erkenntniss von der selbstthätigen Bildung
von Fels von Seiten der Korallenthiere dann auch viel be-
stimmter und klarer auf. Strachan sagt nämlich: „Es
wachsen zwischen den Korallenthieren immer neue auf, bis
dass es an Dicke einem Felsen gleicht.“ !)
Das späte Erkennen der felsbildenden Thätigkeit der
Korallenthiere, insbesondere das so späte Eindringen dieser
Erkenntniss in die wissenschaftlich gebildeten Kreise er-
erklärt sich leicht daraus, dass man bis zum Anfang des
18. Jahrhunderts die Korallenthiere für pflanzliche Gebilde
hielt. Man kannte damals noch kein Beispiel dafür, dass
sich Pflanzen am Aufbau der Erdoberfläehe betheiligen
und von den Korallen konnte man dies um so weniger
annehmen, als die weitverbreitete und schon von den Alten
vertretene Anschauung herrschte, dass die Koralle erst
ausserhalb des Wassers ihre steinharte Beschaffenheit an-
nimmt, eine Anschauung, deren Grundlosigkeit darzuthun,
Ehrenberg?) noch im Jahre 1832 für nothwendig hielt.
Was für einen Eindruck der Anblick der die Riffe bildenden
Korallen auf den Beschauer damals machte, das geht recht
deutlich aus den schon oft angeführten?) Worten hervor,
die Thomas Shaw, welcher im Jahre 1821 die Halbinsel
Sinai besuchte, dem Riffbilde widmet. Er bemerkt,!) „das,
was der Botanik an den Küsten Arabiens an den Klassen
der Landpflanzen mangelt, ist reichlich durch Seepflanzen
ersetzt, indem es vielleicht keinen Ort der Erde weiter
giebt, der so reichliche Mengen davon enthält, als der Hafen
von Tor,“ und er beschreibt dann die Korallen als Bäume,
Sträucher und Seepilze mit Wurzeln und Blättern. Erst
nachdem Peysonnel im Jahre 1727 und nach ihm mit mehr
1) Strachan, in Philosophical Transactions. Vol. 23. 1702.
S. 1248. S. auch Ehrenberg a. a. 0.
2) Abh. d. Akad. a. a. O.
3) a. a. 0. S. 381, auch Ritter, Erdkunde B. 16. S. 466.
4) Shaw, Voyage, Traduction francaise. T. II. p. 5.
292 Leopold Böttger:
Erfolg Jussieu (1741), Guettard!) (1742) und Donati (1753) 2)
festgestellt hatten, dass die Korallen dem Thierreiche zu-
zuweisen sind,’) waren alle Hindernisse beseitigt, welche
die Vertreter der selbstthätigen Felsbildung der Korallen
fanden. Rasch gewannen dann auch ihre Ansichten von
der Riffbildung Boden, wie aus den Berichten von Peter
Forskal,*) welcher im Jahre 1742 mit Niebuhr das rothe
Meer als Zoologe und Botaniker besuchte, hervorgeht.
War der Gedanke von der Felsbildung der Korallen
einmal in seiner ganzen Tragweite erfasst, so musste man
die Riffe mit ganz andern Augen ansehen, und ihre Be-
trachtung musste eine grosse Anzahl Fragen hervorlocken,
die vorher unmöglich gewesen waren, besonders Fragen
über die Wachsthumsverhältnisse der Thiere, über die Art
ihrer Vermehrung, über das Wachsthun der Riffe selbst,
über ihre Mächtigkeit und ihre Verbreitung. Einige dieser
Fragen sucht denn auch Forskal zu beantworten. So
schreibt er über die Grösse der Korallenstöcke: „Usque ad
decem Orgyas vidi haec saxa surgentia“.°) An einer andern
Stelle heisst es: „Montes coralliferi ab urbe Tor usque ad
Ghonfadam ripas muniunt sub marinas densissime, post
hane urbem versus meridiem rariores evadunt (an desinant
plane, nescio), ita ut nautae quandumvis timidi et inexperti
jam securis navigent velis nocturno quoque tempore.
Suensia littora neseiunt corallia‘“. In diesen Worten schil-
dert er, wie schon Ehrenberg hervorhebt,°) die allgemeine
Verbreitung und die Erscheinung der Korallenriffe im rothen
Meere in völlig zutreffender Weise.
1) Die ersten Andeutungen der Thiernatur der Korallen (Polypen)
fallen übrigens in eine weit frühere Zeit. Vergl. Rondelet: Universal
aquat. historiae pars altera. 1555. S. 133. Conr. Gesner, (Historia
animalium. Lib. IV. 1558. S. 438, 818, 1066.) Imperato, Historia
naturale de ferrante imperato napolitano. 1590. S. 117.
2) Leuckart, „Die Zoophyten, “im Archiv für Naturgeschichte 1375.
3) Donati, Della storia naturale mari dell. Adriatico. Venez. 1753.
4) Peter Forskal. Descriptio animalium, 1775. S. 132.
5) a. a. 0. p. XXIX.
6) Abh. der Academie der Wissensch. zu Berlin 1832. Gedruckt
1834. T. I. S. 402.
Geschichtliche Darstellung ete. der Korallenbauten, 253
Eingehendere Studien über die Riffbildung konnte man
jedoch auch jetzt noch nicht erwarten, wo der Gedanke
der Thiernatur der Korallen den forschenden Geist auf die
Thierform hinwies, auf die Form, die ihn so sehr ans
Pflanzenreich erinnerte und die er doch als Thier denken
sollte. Ein tieferes Verständniss der Gestaltsverhältnisse
der Riffe hätte auch nur auf Grund der biologischen Eigen-
thümlichkeiten der Korallenthiere gewonnen werden können,
sowie mit Zuhilfenahme geologischer und maritimer Studien,
welche fast alle gänzlich ausserhalb der Forschungsrichtung
dieser Zeit lagen. Daher bringen uns auch die grossen
Weltumsegelungen der damaligen Zeit, die von Byron,
WallisundBougainville wenig mehr von den vielen Riffen
des indischen und grossen Oceans als Allgemeines über
ihre Erscheinung und Verbreitung. Freilich ein so ein-
seitiges Interesse wie in dem vorhergegangenen Zeitalter
bringt man den Riffen nieht mehr entgegen, musste doch
die Ringform der Atolle jetzt um Vieles mehr an Be-
wunderung gewinnen, insbesondere da es nicht mehr Aben-
teurer waren, wie so vielfach im 16. und 17. Jahrhundert,
die an der Spitze der Entdeckungsexpeditionen standen,
sondern hochgebildete Männer. So offen die Augen aber
auch den Erscheinungen auf dem Riffe folgten, se konnten
sie doch nicht das finden, was nur ein längerer Aufenthalt auf
ihnen zu erschliessen vermag. Die Flüchtigkeit, mit welcher
alles an ihnen vorüberzog, die grosse Mannigfaltigkeit der
Eindrücke, welche eine Erforschungsreise durch weite
Strecken der Erdoberfläche mit sich bringt, alles das war
mehr einer Stoffsammlung, als Verarbeitung günstig und
musste die Blicke mehr auf das Allgemeine, als auf das
Specielle lenken.
Wir vernehmen daher jetzt nur, dass das, was Pyrard
von den Malediven berichtet, die Charactere einer weit-
verbreiteten Inselgattung sind, die ihre Vertreter fast in
allen heissen Gegenden findet, ferner dass eines ihrer
Hauptmerkmale in ihrer Niedrigkeit und geringen Aus-
dehnung besteht, dass fast alle Riffe beinahe senkrecht wie
eine Mauer aus einer unergründlichen Tiefe aufsteigen,
bei Fluth in geringer Tiefe unter dem Spiegel des Wassers
254 Leopold Böttger:
liegen, bei Ebbe aber eine breite, trockene Fläche dar-
stellen.
Nirgends jedoch begegnet man in dieser Zeit einem
Versuch, die Form der Riffe zu erklären. Der erste nach
Pyrard, der uns mit einem solchen bekannt macht, ist
Reinhold Forster,!) der wissenschaftliche Begleiter Cooks
auf seiner zweiten Reise um die Welt in den Jahren
1772—1775. Forster ist auch der erste, welcher die Korallen-
bauten systematisch untersucht und einer wissenschaftlichen
Betrachtung unterwirft. 2)
Damit führt uns Forster in die dritte Periode der Ge-
schichte unserer Kenntnisse von den Korallenbauten ein.
III. Geschichte unserer Kenntnisse
von den Korallenbauten vom Jahre 1778 bis zum
Jahre 1837.
Im Jahe 1778 erschienen Forsters Observations made
duringavoyage round the world, worin der berühmte Reisende
seine Ansichten über die Korallenbauten niedergelegt hat.
Forster spricht zum ersten Male klar und deutlich aus,
dass die Korallenbauten auf die heisse Zone beschränkt
sind und fasst jene Grenzen als die ihrer Lebensbedingungen
auf.”) Was er über die äussere Erscheinung der Korallen-
inseln mittheilt, enthält nichts Neues, um so bemerkens-
werther aber sind seine Bemerkungen über die Entstehung
der Riffe und Riffinseln. „Das Riff,“ schreibt er,‘) „wird
von den Lithophytenwürmern bis auf eine geringe Distanz
von der Oberfläche des Meeres auferbaut. Die Wellen
des Meeres spülen nach und nach allerhand Muscheln, Tang,
1) Johann Reinhold Forsters „Observations made during a
voyage round the world‘ erschienen als der dritte Band zu Cooks
zweiter Reise. Von seinem Sohne Georg Forster wurde das Werk
deutsch herausgegeben unter dem Titel: ‚Johann Reinhold Forsters
Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt. 1783.
2) Forsters Beobachtungen an Korallenriffen sind zusammen-
gestellt und richtig gewürdigt von Rittauin Joh. Rittau: Joh. Forsters
Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt. Programm des Gym-
nasiums zu Hanau 1881.
3) Rittau, a. a. 0. S. 6.
4) Joh. R. Forsters Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt.
Herausgegeben von G, Forster. S. 127.
Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 255
Korallenstücke, Sand und dergleichen auf diese neu erbaute
Mauer, welche, durch alle diese Zusätze erhöht, zuletzt
aus dem Wasser hervorsteigt. Noch fährt die See fort,
neue feste Theilchen aufzuwerfen und führt, wenn es nicht
ein Vogel thut, die Samen der Strandkräuter dahin. Das
Wachsthum, die Fortpflanzung, das Absterben dieser orga-
nischen Körper giebt endlich einen Vorrath von Pflanzen-
erde, und nun fehlt es nur noch an einem glücklichen
Zufall, der eine Kokosnuss herschwemmt, welche bekannt-
lich ihre vegetirende Kraft sehr lange behält und in jeder
Art des Bodens Wurzel schlägt. Auf diese Art können
wir uns die allmähliche Entwicklung der schönsten Palmen-
wälder auf allen niedrigen Eilanden denken.“ Alle neueren
Beobachtungen haben diese Darstellung nur ergänzen können.
Die Form der Atolle, die Forster zirkelförmig nennt,
erklärt er in folgenden Worten.!) „Die Würmer, welche
das Riff erbauen, scheinen den Trieb zu haben, ihre Be-
hausung vor der Macht des Windes und des ungestümen
Meeres zu sichern. Daher legen sie ihre Korallenfelsen
in heisse Erdstriche, wo der Wind mehrentheils immer aus
derselben Gegend weht, dergestalt an, dass sie gleichsam
eine kreisförmige Mauer bilden und einen See vom übrigen
Meere absondern, wo keine häufige Bewegung stattfindet
und der polypenartige Wurm eine rubige Wohnung erhält.“
Dabei war Forster der Ansicht, dass die Korallen vom
Boden des Meeres aus bauten. Dies zusammen mit dem
den Korallen in den oben angeführten Worten beigelegten
Streben nach einem vertikalen Wachsthum erklärte ihm
den steilen Absturz der Riffe; denn dann werden die Inseln
„gleichsam auf einem Stile stehen“.2) Forster ist auch der
erste, welcher die Hebung eines Landes nach der Höhe der
Korallen-Inseln und -Riffe bestimmt.°)
Alle Beobachtungen Forsters haben sich als zutreffend
erwiesen, aber was der geistreiche Mann über die Atoll-
bildung sagt, hat man nicht anerkennen können. „Es ist
1) Forster a. a. O. S. 128.
2) Forster a. a. O. S. 125.
3) Rittau a. a. O. S. 33.
256 Leopold Böttger:
eine unhaltbare Meinung,“ sagt Du Bois Reymond, !) „weil
erfahrungsmässig diese Thiere nicht in grossen Tiefen
leben, weil es naturwidrig wäre, dass eine grosse Anzahl
verschiedener Gattungen, wie sie in den Korallenbauten
vorkommen, zu gemeinsamen Zwecke sich verbinden, weil
gerade in der Lagune die Korallenthiere nicht gedeihen,
endlich weil bei dieser Erklärung die Beschränkung der
Atolle auf gewisse Regionen unbegreiflich bliebe.“ Der
letzte Einwurf ist in so fern nicht ganz gerechtfertigt als
Forster die Koralleninseln als „unter Wasser liegende Ge-
birgsketten, deren Gipfel hervorragen,*?) auffasste, ihre
Lage demnach für ursprünglich, aber nicht von den Lebens-
bedingungen der Thiere abhängig hielt. Auf den Wider-
spruch, in dem sich Forster hierzu mit seiner Ansicht, dass
die Korallenthiere vom Grunde des Meeres aufbauen, be-
findet, machen schon Quoy und Gaimard aufmerksam.’)
Was wir von Forster über die Korallenbauten erfahren,
sind im Wesentlichen die Hauptzüge ihrer äusseren Er-
scheinung und ihrer Bildung, ist das, was sich einem
klaren, mit wissenschaftlichem Geiste forschenden Auge bei
einer Reise, wie sie Forster unternahm und bei den ge-
ringen Hilfsmitteln, die ihm zu Gebote standen, aufdrängen
musste. Das weite Feld der Hydrographie, das Wissen-
schaftsgebiet, aus dem wir heutzutage soviel zur Beurtheilung
unseres Gegenstandes schöpfen, war damals so gut wie
gar nicht angebaut. So hatte Forster zum Beispiel noch
ganz unvollkommene Kenntnisse der Tiefseetemperaturen.
Aus wenigen höchst unzulänglichen Versuchen schloss er,
dass in den Tropen zwar die Temperatur des Wassers in
der Tiefe kühler sei, als an der Oberfläche, in den höhern
Breiten aber theils wärmere Schichten mit kälteren wech-
selten, theils die Wasserwärme constant bliebe.*)
Der nächste nach Forster, der unsere Kenntnisse
über die Koralleninseln und ihre Bildung bereichert, ist
1) Sitzungsberichte der königl. Acad. d. Wiss. zu Berlin. 1889.
S. 688.
2) Forster a. a. O0. S. 21.
3) Annales des sciences naturelles. T. VI. 1825. S. 286.
4) Forster a. a. 0. S. 52.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 257
James Cook,!) der grosse Seefahrer. Von ihm erfahren
wir, dass in der Gelehrtenwelt der damaligen Zeit die An-
sichten über die Herkunft der Koralleninseln sehr ausein-
andergingen. In der Beschreibung seiner dritten Reise,
welche aus seinen Tagebüchern zusammengestellt ist und im
Jahre 1785 erschien, schreibt er: ‚Die Gelehrten, welche
die Bildung der verschiedenen Weltgegenden zu erklären
suchen, sind über den Ursprung der niedrigen Inseln nicht
einig. Die einen meinen, dass sie einst vereinigt gewesen
seien und ein höher gelegenes Land ausgemacht haben,
welches in Folge von Erdrevolutionen theilweise vom Meere
verschlungen worden sei und dessen höhere Theile, welche
sich noch aus dem Wasser erheben, ebenfalls eines Tages
verschwinden würden. Andere Gelehrte sind der Meinung,
dass sie durch Erderschütterungen hervorgebracht worden
und Wirkungen von innern Convulsionen des Erdballs seien.
Eine dritte Ansicht, welehe mir die wahrscheinlichste ist,
sieht in ihnen Untiefen oder Korallenbänke (des bas fonds
ou des banes de corail), welche allmählich wachsen.‘?)
Cook hält dann den beiden ersten Hypothesen entgegen,
dass die niedrigen Inseln nur eine dünne Schicht Acker-
krume aufweisen, was ein Beweis ihres geringen Alters sei
und woraus gefolgert werden müsse, dass sie nicht die Reste
einer grösseren Insel sein könnten. Beide Annahmen ver-
langten auch grosse Landflächen und zwar aus primitiven
Gesteinen, während die Inseln doch alle sehr klein wären
und aus Sedimentgesteinen beständen.
Wenn Cook die niedrigen Inseln für Korallenbänke hält,
die nur durch ein allmähliches Wachsthum die Oberfläche
des Wassers erreichen, so schliesst er sich Forster an, so-
weit er sie aber aus Untiefen — des bas fonds, worunter
erwahrscheinlich Sandbänke meint, die durch Anschwemmung
dem Meere entsteigen — entstehen lässt, vertritt er eine
selbständige Ansicht. °2) Ueber die Bildung der Insel auf
dem Riff spricht sich Cook nirgends näher aus. Jedenfalls
1) Cook, Troisieme voyage de Cook. Traduits de l’anglais.
1785. Bd. I. S. 277. Das englische Original erschien 1784.
2) Cook a. a. 0.
3) Eine ähnliche Meinung hatte schon Dalrymple im Jahre 1769
ausgesprochen, welcher sich die Korallen auf dem Grunde des Meeres
Zeitschrift £. Naturwiss. Bd. LXII. 1890. 17
258 Leopold Böttger:
hielt er es für eine selbstverständliche Sache, dass sie An-
häufungen der von der Gewalt der Wellen losgebrochenen
Rifftrümmer waren. Dies darf man aus seinen Bemerkungen
über das Wachsthum der Inseln schliessen, über das er sich
ziemlich eingehend verbreitet.
Ein Beweis dafür, dass ein Breitenwachsthum der Inseln
stattfindet, ist ihm die Anwesenheit grosser aufrechtstehender
Blöcke von Korallenfels jenseits des Fluthbereiches in der
Mitte der Insel, welche dasselbe durchlöcherte Aussehen
haben, wie die Felsen, die jetzt den Aussenrand des Riffes
zusammensetzen. Es müssen die Wogen früher diese Blöcke
bespült haben, folgert Cook. Ein zweiter Beweis ist
ihm die allmähliche Stufenfolge in der Entfaltung der
Inselvegetation, denn dieselben Pflanzen, die in der Mitte
der Insel in voller Entfaltung standen, sah er — besonders
deutlich ausgeprägt war diese Erscheinung auf der Insel
Palmerston, nordwestlich von der Herveygruppe!) — mit
Annäherung an den Inselrand in immer jugendlicherem
Zustand und zuletzt nur als Keime. Das Wachsthum der
Insel denkt sich Cook in der Weise, dass der bei Sturm
aufgeworfene Sand einen Wall errichtet, welcher von den
gewöhnlichen Flutben nicht erreicht wird. Die auf ihn
geworfenen Pflanzenkeime schlagen in ihm Wurzel und be-
festigen und erhöhen dadurch den Boden soweit, dass er
selbst von den nachfolgenden Sturmfluthen nicht mehr
getroffen wird, diese vielmehr einen neuen Wall vor ihm
aufwerfen, die Insel also wiederum erweitern. Unterstützt
wird dieser Vorgang durch das Wachsthum des Riffes,
wodurch fortwährend ein neuer Untergrund für den Aufbau
der Insel geschaffen wird. ‚Es scheint mir,‘ schreibt Cook,
„dass das Riff und die Korallenbank sich von Tag zu Tag
ausdehnen. In dem Masse, als sich die Breite und Höhe
des Riffes vermehren, ziehen sich die Wellen zurück und
bilden lässt, von dem sie durch Strömungen und Stürme losgerissen
und auf Untiefen aufgehäuft werden. (Dalrymple, historical collection
voyage paeif. Vol. I. S. 22.)
1) Hier machte auch Anderson, der Schiffsarzt auf Cooks dritter
Reise, ähnliche Beobachtungen (Troisieme voyage de Cook. Paris 1785.
Tome I. S. 279, Anmerkung.)
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 259
lassen einen trocknen Felsen hinter sich, der bereit ist,
Stücke zerbrochener Felsen zu empfangen. !)
In eonsequenter Verfolgung der angeführten Gedanken
bringt Cook auch die niedrigen Inseln ohne Lagune mit
den übrigen Koralleninseln in Zusammenhang. „Man kann
nicht zweifeln“, schreibt er, „dass das ganze Riff mit der
Zeit eine einzige Insel wird. Dies wird geschehen infolge
des Wachsthums schon gebildeter und der Bildung neuer
Inseln auf dem Korallenboden, welchem man in der Lagune
begegnet.“ 2)°)
Es muss zugegeben werden, dass Cooks Ansichten über
das Wachsthum der Korallenriffe richtig sind, aber die
Gründe, mit denen er sie stützt, können nicht unbedingt
anerkannt werden. Das Vorhandensein von Steinen auf
der Insel, welche die Spuren der Thätigkeit des Wassers
tragen, kann aus verschiedenen Ursachen abgeleitet werden;
denn einmal können sie, und dies nehmen heute die meisten
an, Bruchstücke vom Rande des Riffes sein, welche Sturm-
fluthen oder Erdbebenwellen bis auf die Insel getragen haben,
und dann können sie auch Bruchstücke des Inselsteins selbst
sein und ihr löcherichtes Aussehen vom Süsswasser erhalten
haben. Der zweite Grurd, welcher aus der stufenweisen
Entwicklung der Vegetation vom Inselrand bis zur Grenze
des Baumwuchses (gradation, qui commence & quelques
pouces de la marque de la maree haute, et qui va jusqu’
au bord des arbres?) genommen ist, ist ebenfalls nicht ein-
wandfrei; denn nach unsern bisherigen Erfahrungen geht
das Wachsthum einer Insel so unmerklich langsam vor sich,
dass man wohl annehmen darf, die auf einem landfest
gewordenen Inseltheil wachsenden Pflanzen werden sich
längst voll entfaltet haben, ehe ein beträchtliches Stück
neuen Landes entstanden ist. Die Unterschiede in der Ent-
faltung der Pflanzen können also nicht, wenigstens nicht un-
1) Cook a. a. O. S. 280.
2) Cook a. a. 0. S. 280.
3) Durch die neuesten Untersuchungen Guppys am Keeling-
atoll ist diese Meinung bestätigt worden. (Guppy in Scot, Geogr. Mag.
The Keelingatoll. 1889. Bd. VI.)
4) Cook a. a. 0. S. 278.
17*
260 Leopold Böttger:
mittelbar, auf zeitliche Differenzen zurückgeführt werden,
wie Cook das will, welcher meint, dass „ces plantes ont germe&
a differentes &poques“.!) Der Grund dieser Erscheinung wird
wohl auf die geringere Produktionskraft der neu gebildeten
Inseltheile zurückzuführen sein.
Cook beobachtete auch, dass die Besamung der Insel
auf der Seite unter dem Winde, der Westseite, rascher
vor sich geht als auf der entgegengesetzten und schreibt
dies den von Westen kommenden Sturmwinden zu. Chamisso,
der später dieselben Wahrnehmungen machte, erklärt dies
daraus, dass die Pflanzen hier mehr Schutz und andere
ihrem Gedeihen günstige Umstände treffen.?)
Das Problem der geographischen Verbreitung der
Koralleninseln beschäftigte Cook ebenfalls. So schreibt er
in dem Bericht seiner zweiten mit Forster unternommenen
Reise: „Es würde eines Philosophen würdig sein, zu unter-
suchen, warum die Inseln im Winde der Gesellschaftsinseln
so zahlreich sind und einen so grossen Archipel bilden
(nämlich die Paumotugruppe), während sie jenseits dieser
Gruppe von bergigen Inseln so zerstreut sind,“ 3) damit eine
Frage aufwerfend, die heute noch der Lösung harrt.
Suchen wir die Stellung Cooks in der Geschichte der
Koralleninseln zu würdigen, so müssen wir ihm vor Allem
das Verdienst zuerkennen, das Wachsthum der Inseln
richtig beschrieben zu haben und müssen seine Mittheilungen
als eine werthvolle Ergänzung der Forsterschen Be-
merkungen schätzen. Cook konnte das Gebiet des All-
gemeinen verlassen und uns mit Einzelheiten bekannt
1) Cook a. a. 0. 8. 279.
2) Chamisso schreibt: „Wir bemerken, dass Sämereien, die mit
der Fluth über dem Riff getrieben werden, auf der innern Seite einer
Insel unter dem Winde anlangen, mehr Schutz, bessere Erde und
zu deren Aufkommen günstigere Umstände antreffen als die, welche
die Brandung auf das Aeussere der Insel auswirft. (Kotzebue, Ent-
deckungsreise in die Südsee. Bd. III. S. 112). Auch die allmähliche
Abnahme der Vegetation nach dem Inselrand zu beobachtete er und
er zog auch den gleichen Schluss daraus wie Cook. „Der gegen den
Rand der Insel zu niedrigere Wald scheint deren fortschreitende Er-
weiterung anzudeuten.“ (Kotzebue a. a. O. S. 100).
3) Cook. Zweite Reise. Paris 1778. Bd. III. S. 244.
Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 261
machen, da er Gelegenheit hatte, seine Wahrnehmungen
wiederholt prüfen zu können und alles anfangs etwa nur
flüchtig Erfasste zu vertiefen. Es ist bezeichnend, dass
wir erst in seinem Bericht über die dritte Reise Ausführ-
licheres über unsern Gegenstand vernehmen.
Bei einer Vergleichung und Abwägung der Verdienste
beider Männer darf jedoch niemals aus dem Auge gelassen
werden, dass sie beide in regem Gedankenaustausch die
Reise ausgeführt haben, und daher das, was sie geben,
das Resultat gemeinsamer Gedankenarbeit darstellt.
Die in den folgenden Jahren unternommenen Reisen
von La P&erouse, Vancouver und andern bringen keine
Erweiterung unserer Kenntnisse von den Korallenbauten
mitsich. Von Labillardiere erhalten wir eine anschauliche
Schilderung der Gefährlichkeit der Korallenriffe für die
in ihrer Nähe segelnden Schiffe. Er schreibt: „Le danger
qu'ils (les recifs) presentent est d’autant plus & craindre,
qu'ils forment des rochers escarpes couverts par les flots
et qui ne peuvent ätre apercus, qu’a une petite distance;
si le calme survient et que le vaisseau y soit porte par les
courants, sa perte est presque inevitable; on chercherait
en vain a se sauver en jetant l’ancre parcequ’elle sn’attein-
droit pas le fond, m&me tout pres de ces murs de corail
eleves perpendiculairement du fond des eaux. Les polypiers
dont l’accroissement continuel obstrue de plus en plus, le
bassin des mers, sont bien capables d’effroyer les navigateurs
et beaucoup de bas fonds, qui offrent encore aujourdhui
passage, ne tarderont point a former des &cueils extr&me-
ment dangereux.“ !)
Im Jahre 1806 erscheint die Beschreibung einer in den
Jahren 1792 — 1793 unternommenen Reise nach Cochinchina,
worin JohnBarrow einige bemerkenswerthe Aeusserungen
über die Koralleninseln macht. Barrow steht im Allgemeinen
auf dem Standpunkt Forsters. Auch er glaubt, dass die
Korallen sich am Grunde des Meeres ansiedeln, ebgleich
er seine Verwunderung darüber nicht zurückhalten kann,
1) Relation du voyage ä la recherche de la Perouse par Labil-
ardiere. An XIII de la republique frangaise.
262 Leopold Böttger:
dass sie zu leben vermögen, „wo Licht und Wärme, die
doch zum thierischen Leben so wesentlich nothwendig sind,
gar nicht oder doch nur spärlich hinkommen und nur
schwach empfunden werden.“ !)
Wie Forster meint auch Barrow, dass die ruhige See
dem Wachsthum der Korallen dienlicher ist als das stürmisch
bewegte Wasser. Er begründet seine Ansicht mit dem
Hinweis auf den angeblichen Mangel grosser korallischer
Felsenriffe und -inseln in der westindischen See. „Die
häufigen Orkane des atlantischen Ozeans oder die vielfach
reissenden Strömungen unterbrechen dort allzuhäufig die
Arbeit der Thiere.“ 2)
Ueber die Art und Weise, wie die Korallen die Riffe
erzeugen und die Inseln aufbauen, spricht er sich folgender-
massen aus: „Aus der weichen und lederartigen Beschaffen-
heit der röhrenförmigen Oberfläche solcher Korallengebäude
scheint zu erhellen, dass, wenn die alten Thiere sterben
und ihre kalkartigen Zellen erhärten, die nachfolgenden
Generationen ihre Arbeiten am Ende und auf den Seiten
weiter fortsetzen und zwar jedes von ihnen nach der be-
sondern Form, die ihm die Natur gleichsam dazu vor-
geschrieben hat,“°) und an einer andern Stelle: „Da die
Zweige der Korallen und Korallmen so sehr zerbrechlich
sind, so können allerdings die Materialien derselben durch
irgend eine Operation zusammengekittet worden sein und
zur Entstehung der formlosen Fundamente der Korallen-
inseln beigetragen haben. Allein die grossen Massen dieser
Felsen sind grösstentheils Madreporen, Celliporen und Tubi-
poren.“ *)
Aus diesen Worten geht hervor, dass man damals den
kleinen, zerbrechlichen Korallinen und den schwächeren
Arten der Korallen einen wesentlichen Antheil am Aufbau
der Riffe zuschrieb. Dies macht uns die oben angeführten
Meinungen von Dalrymple und Cook, welche die Riffe
1) Barrow, Reise nach Cochinchina. Bibliothek der Reise-
beschreibungen von Sprengel. Bd. 38. 1808. S. 213.
2) Barrow a. a. O. S. 216.
3) Barrow a. a. O0. S. 214.
4) Barrow a. a. 0. S. 215.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 263
durch Aufschüttung von zerbrochenen Korallenstücken ent-
stehen lassen, verständlicher, denn diese fein verzweigten
Korallen können leicht zertrümmert und fortgeführt werden.
Barrow macht jedoch schon darauf aufmerksam, dass sich
die Hauptmasse der Koralleninseln aus den grossen Arten
der Korallen zusammensetzt und beschränkt die Wirksam-
keit der übrigen auf den Aufbau der Inselfundamente.
Da er diesen Fundamenten die grössern Massen der Korallen-
felsen gegenüberstellt, so müssen wir annehmen, dass er
dem ganzen Bau nur eine geringe Mächtigkeit beilegte.
Um Gewissheit darüber zu erlangen, ob die niedrigen
Inseln, wie man das allgemein annahm, durchaus aus
Korallenfels aufgebaut und nicht etwa nur an ihren Rändern
aus dieser Gesteinsart bestehen, stellte er — es sind das
die ersten Versuche dieser Art auf Koralleninseln — auf
der Mitte von Nordeiland, einer kleinen Insel in der Nähe
der Sundastrasse, 90 Seemeilen von Batavia, Bohrungen
an, welche ergaben, dass das Gestein in 3 Fuss Tiefe aus
grossen Blöcken von Madreporen bestand.
Ein ähnliches Bild wie Forster und Barrow entwirft
auch Flinders von denRiffen und ihrer Entstehung. Flinders
hatte im Jahre 1801 die Riffe Australiens aufgenommen,
sein Werk darüber erschien aber erst im Jahre 1814.!)
Durch ihn erfährt vor allen die Kartographie der Korallen-
riffe reiche Förderung. Er befuhr besonders das grosse
Kanalriff an der Ostseite Australiens, das er mit dem
Kanal vergleicht, welcher von der Halbinsel Florida und
der ihr vorgelagerten Riff- und Inselkette gebildet wird.
Seine Untersuchungen machen uns zunächst mit der Aus-
dehnung dieses Riffes und der beträchtlichen Tiefe des
von ihm eingeschlossenen Wassers, das eine ruhige Fahr-
strasse selbst für die grössten Schiffe abgiebt, bekannt.
Er macht dabei auf das Wechselverhältniss aufmerksam,
das hier zwischen Wassertiefe und Breite des Kanals und
des Riffes besteht. In demselben Maasse, in welchem
Kanal- und Riffbreite ab- und zunehmen, vermindert sich
und wächst die Wassertiefe, eine Erscheinung, die sich
1) Flinders, Reise nach Australien. Bertuch, neue Bibliothek
der wichtigsten Reisebeschreibungen. Bd. VI.
264 Leopold Böttger:
später als typisch für diese Riffgattung erwiesen hat. Seine
Erfahrungen über die Tiefenverhältnisse an den Riffen fasst
er in folgende Worte zusammen: „Je mehr unter dem
Winde, je niedriger das Wasser, scheint bei den Korallen-
riffen ein Gesetz zu sein.“!) Damit tritt er in einen Gegen-
satz zu der von Semper vertretenen Ansicht, dass die auf
der Leeseite entstehenden, das Riff tangirenden Ströme die
Korallen zu einem senkrechten Wachsthum zwingen und
hier dadurch einen Steilabsturz erzeugen.
Da Flinders Gelegenheit hatte, in der Torresstrasse,
wo die Riffbildung mit besonderer Schnelligkeit vor sich
zu gehen scheint, die Inseln in den verschiedenen Zuständen
ihrer Entwicklung zu betrachten, so ist es erklärlich, dass
er zum Nachdenken über ihre Entstehung angeregt wurde
und wir von ihm Bemerkenswerthes darüber erfahren.
Auch er ist gleich seinen Vorgängern der Ansicht, dass
die Korallen vom Boden des Meeres aus ihre Bauten auf-
führen. Gleich Barrow scheint auch ihm die Art und
Weise der Fortpflanzung der Korallenthiere und die daraus
resultirende Bildung von Stöcken und Kolonien nicht hin-
reichend bekannt gewesen zu sein, denn er schreibt es
„einigen klebrigen Ueberbleibseln in ihnen oder einer be-
sondern Eigenschaft des Salzwassers“?) zu, dass die Thiere
nach dem Tode aneinanderhängen bleiben. Richtig erkennt
er, dass die Korallen nicht mit ihrer Masse allein das
Riff erbauen, sondern dass Sand und zerbrochene Schalen
verschiedener Meeresbewohner die Lücken ausfüllen. „Nach-
folgende Thierchen,* fährt er dann fort, „errichten ihre
Wohnung auf den entstandenen Bänken und sterben in
der Bemühung, dieses Denkmal ihrer wundervollen Arbeiten
zu erweitern, vorzüglich aber zu erhöhen. Die Sorge, in
den früheren Zeiten senkrecht zu bauen, beweist einen
erstaunenswerthen Instinkt in diesen kleinen Geschöpten.
Ist ihre Korallenmauer, die mehrentheils in Gegenden liegt,
wo beständige Winde wehen, bis zum Meeresspiegel auf-
geführt, so gewinnen sie einen Schutz, unter dem sie ihre
Pa: a. 02 S..250:
222.12. 029.136.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 265
erzeugten Kolonien sicher aussenden können, und dieser
instinktmässigen Vorsicht scheint es zuzuschreiben zu sein,
dass die dem Winde ausgesetzte Seite des Riffes, das der
offenen See freisteht, gewöhnlich, wenn nicht durchaus,
der höchste Theil desselben ist und in der Regel senkrecht,
zuweilen aus einer Tiefe von 200 und mehr Faden empor-
steigt. Es scheint zur Existenz dieser kleinen Thierchen
erforderlich, dass sie immer mit Wasser bedeckt sind, denn
sie arbeiten nicht jenseits des niedrigen Wasserstandes.
Aber der Korallensand und andere zerstörte Ueberreste
setzen sich an dem Felsen fest und bilden eine solide und
so hohe Masse mit ihm, als die gewöhnlichen Fluthen reichen.
Ist diese Höhe überstiegen, so verlieren die künftig an-
schwemmenden Ueberreste, weil sie nicht mehr bedeckt
werden, ihre anhängende Eigenschaft und bilden, indem
sie in einem lockern Zustande verbleiben, auf dem Gipfel
des Riffes das, was man gewöhnlich den Schlussstein nennt.“ !)
Hierauf folgt eine Beschreibung der Besiedlung der Insel
mit Pflanzen in ähnlichen Worten wie bei Forster. An einer
andern Stelle?) erfahren wir von Flinders auch noch einige
Einzelheiten über das Bild eines fertigen Riffes.
Endlich beobachtete Flinders auch gehobene Korallen-
riffe, so bei Poiset Dover (142° 37° 45“ ö. L. und 32° 52
51“ s. B.) einen 25 geographische Meilen langen Zug
von 500 Fuss hohen Korallenklippen, deren Lage er „durch
allmähliche Senkung des Meeresbodens oder plötzliche
Zuckung der Natur“3) erklärt. Bei Bald Head (135° 40°
30“ ö. L. und 35° 6° 15“ s. B.) fand er ähnliche Riffe,
„wo die Korallenzweige durch den Sand hindurchgewachsen
waren, ganz so wie auf den Korallenbänken an dem
Meeresspiegel.) Diese Erscheinung hatte an demselben
Orte schon Vancouver beobachtet und nur, um sich von
der Wahrheit der Angabe Vancouvers zu überzeugen, be-
suchte er diesen Ort. Der hier empfangene Eindruck war
1) a. a. 0. S. 361.
2) a. a. 0. S. 346.
3) a. a. ©. S. 216.
4) a. a. 0. 8. 19.
266 Leopold Böttger:
es, der ihn, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, veranlasste,
die Bildung des Inselfundamentes nicht aus einer An-
schwemmung von Korallenbruchstücken zu erklären, sonderr.
anzunehmen, dass die Korallen an dem Ort bleiben, an
welchem sie wachsen und im Riffstein ihrer ursprünglichen
Lage enthalten sind.
Wie aus den oben angeführten Worten hervorgeht, er-
klärte Flinders die Ringform der Atolle gleich Forster als
eine von den Thieren zu ihrer Sicherung vor dem Wellen-
schlag aufgeführte Schutzmauer. Diese uns jetzt so naiv
klingende Ansicht ist als ein Ausfluss der damals herr-
schenden deutschen Aufklärungsphilosophie zu betrachten,
welehe die Naturerscheinungen alle vom teleologischen
Standpunkte aus betrachtete und erklärte. Sie musste um
so annehmbarer erscheinen als sie gleichzeitig eine Antwort
auf die Frage giebt, welchen Antheil daslebende Wesen
und seine Daseinsbedingungen an dem Zustandekommen
der Inseln und ihrer merkwürdigen Form haben, denn es
musste jeder herausfühlen, dass hier Wind und Wellen
nicht allein massgebend sein können. Ueber die Lebens-
bedingungen der Korallenthiere wusste man aber zu jener
Zeit noch so gut wie gar nichts. Gab es ja selbst noch
solche, welche daran zweifelten, dass die Korallen den
Fels, den sie bewohnen, aus sich selbst erzeugt haben.
So schreibt Maltebrun in seinem Preeis de la geographie
universelle aus dem Jahre 1813: „Haben die Polypen oder
Zoophyten sich die steinichten Körper, welche sie bewohnen,
selbst geschaffen oder finden sie diese Wohnungen von der
Hand der Natur bereitet vor? Dies ist gewiss eine der
interessantesten Fragen für die physische Geographie, aber
bislang sind die Beobachtungen zu oberflächlich und zu
neu, als dass man die Frage vollständig entscheiden
könnte.‘‘!)
Aus den mangelhaften Kenntnissen der biologischen
Verhältnisse der Korallenthiere ist es wohl auch zu erklären,
dass Niemand den Versuch macht, einen anderen Weg zu
1) Maltebrun, Precis de la geographie universelle. Bd. IV.
S. 232.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 267
finden, der uns zu einer befriedigenderen Erklärung führen
könnte. Daher scheint es auch ziemlich lange gedauert
zu haben, ehe man sich von der Forster’schen teleologischen
Betrachtung der Atollform freimachte, denn im Jahre 1832
schreibt Barrow!): „Wir wissen nur wenig über die physische
Organisation und die Mittel, deren sie (die Korallenthiere)
sieh zur Ausführung ihrer gigantischen Bauten bedienen
und haben ihre ungeheure Thätigkeit mit dem Ausdruck
Instinkt bezeichnet; mit Hunter würden wir vorziehen, ihn
den Sporn der Nothwendigkeit zu nennen.“ Damit ist
allerdings alles Teleologische aus der Erklärung entfernt,
gleichzeitig aber auch auf jede Erklärung Verzicht geleistet,
denn der Begriff „Sporn der Nothwendigkeit“ sagt nur,
dass wir auch diese Naturerscheinung unter das Kausal-
gesetz zu stellen haben.
Wenn die Forster’sche Ansicht von der Entstehung der
Riffe und Inseln sonach noch bis tief ins dritte Jahrzehnt
unseres Jahrhunderts hie und da Anhänger gehabt haben
mag, so findet sich unter den Autoren nach Flinders keiner
mehr, der die Forster’sche Meinung zu einem andern Zwecke
als dem der Widerlegung erwähnt.
Der nächste, der Nachrichten über unsern Gegenstand
bringt, ist Peron2), welcher in den Jahren 1800— 1804
die Baudinsche Expedition als Naturforscher nach Australien
begleitete. Ihm verdanken wir hauptsächlich eine Bestim-
mung der Grenzen der geographischen Verbreitung der
Riffbauten, welche er im 34° nördlicher und südlicher
Breite findet,?) womit er sich mit unsern Erfahrungen,
welche die Korallen ins Gebiet zwischen den 32° nördlicher
und südlicher Breite verweist, ziemlich im Einklang findet.
Auch ihm ist es das friedliche und heisse Meer, das den
Thieren die Bedingungen ihres Daseins bietet.
Eingehend beschäftigte sich Peron nur mit den ge-
hobenen Riffen, deren weite Verbreitung er feststellt, aber
„seine Phantasie“, sagt Ehrenberg, „gab den Korallenthieren
1) Ausland. 1832. No. 16 u. 18.
2) Peron, Reise nach Australien. Bertuchs neue Reise-
beschreibungen. B. 16. 1816. S. 295.
3) a. a. 0. 8. 288.
268 Leopold Böttger:
einen so grossen Einfluss auf die Bildung der Erdoberfläche,
dass er 245 Inseln und Erdstriche namhaft macht, welche
ganz oder theilweise das Produkt der Korallenthiere seien,
und welche diese Thiere mit ihrer scheinbaren Schwäche
mitten aus dem Grunde des Meeres zu weitläuftigen Gebirgen
aufgebaut hätten. Besonders die Insel Timor war es, welche
er sammt ihren Bergen für einen blossen Bau der Korallen-
thiere hielt, gegen den die grössten Baue der Menschen
nur kümmerliche, vergängliche Versuche wären. Peron
glaubte damals, vulkanische Hebungen müssten immer mit
Zertrümmerung und wildem Durcheinanderwerfen der Theile
der Oberfläche verbunden sein, und da er dies in keiner
der von ihm besuchten Koralleninseln fand, so hielt er die
Meinung fest, dass die Meere einst über den Bergen ge-
standen haben müssten und überlässt die Erklärung der
Möglichkeit andern, sich begnügend, die Thatsachen dafür
zusammengestellt zu haben.‘!)
So berechtigt diese Worte Ehrenbergs seiner Zeit
waren, so hat doch die Folgezeit erwiesen, dass er sich
nicht in so hohem Maasse von der Wahrheit entfernte als
der berühmte Zoolog zu glauben schien. Nur eine geringe
Zahl der 245 von ibm nambaft gemachten Inseln ist gänz-
lich frei von Korallengestein, wie wir jetzt wissen, und
in der That vermögen die Korallenthiere ganze Gebirge
aufzurichten. Alles in Allem genommen, entfernt sich Peron
in seiner Auffassung von unserer heutigen nicht viel mehr
als Ehrenberg. |
Einen sehr beträchtlichen Zuwachs erhalten unsere
Kenntnisse von dem Bau der Korallenriffe und -inseln durch
die Untersuchungen, welche Chamisso als Begleiter der
Kotzebue’schen Entdeckungsreise in den Jahren 1814—1818
anstelle. Chamisso hatte Gelegenheit, längere Zeit auf
einem Atoll der Radackgruppe zu verweilen, und dies be-
nutzte er zu eingehenden Studien über unsern Gegenstand.
Daher bringt uns sein Bericht eine grosse Zahl von Details,
die wir bis jetzt immer zu vermissen hatten. Das Haupt-
verdienst Chamissos aber erblickte man noch bis vor Kurzem
1) Abhandl. d. Akad. d. Wissensch. zu Berlin 1832, gedruckt
1834. S. 397.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 269
darin, eine befriedigende Erklärung der Entstehung der
Atollform gegeben zu haben. Vor zwei Jahren wies Du
Bois-Reymond nach, dass jene Erklärung nicht von Chamisso
sondern von Eschscholtz, der die Kotzebue’sche Expedition
als Arzt begleitete, herstammt.')
Trotzdem die Krone seiner Verdienste damit eines
leuchtenden Steines verlustig gegangen ist, wird Chamisso
doch immer einen hervorragenden Platz in der Geschichte
unseres Gegenstandes einnehmen, denn er erweiterte unsere
Kenntnisse der Korallenbauten nach so vielen Seiten und
in so umfassender Weise wie keiner zuvor, und das Be-
wusstsein, seinen Blick von etwaigen vorgefassten Meinungen
ungetrübt und immer nur auf das Thatsächliche gerichtet
zu wissen, lässt uns seine Mittheilungen nur um so schätzens-
werther erscheinen.
Im Folgenden gebe ich die von Chamisso gemachten
Beobachtungen systematisch geordnet wieder.
Chamisso theilt die Korallenbauten des Meeres ein in
1) Korallenriffe, 2) Inselgruppen und 3) Inseln,?) d. h. in
heutiger Terminologie in 1) Küstenriffe, 2) Atolle, 3) ver-
schüttete oder gehobene Atolle. Diese Eintheilung ist neuer-
dings von Guppy°) wieder benutzt worden. Mit der ersten
Art von Riffen beschäftigt sich Chamisso wenig, doch be-
obachtete er die noch heute als zutreffend erkannte That-
sache, dass die Küstenriffe nicht so steil zum Meere
abstürzen wie die Riffe der Atolle. ®)
Die Atolle beschreibt er unter dem Namen der Kreis-
oder Ringinseln.. Er macht jedoch darauf aufmerksam,
dass man sich durch diese Bezeichnung nicht zu der falschen
Vorstellung verleiten lassen darf, dass diese Inseln zirkel-
1) Die interessante Begründung dieser Thatsache findet sich in
Du Bois-Reymond: „Adelbert von Chamisso als Naturforscher, Rede
u.8.w. Erschienen als Separatausgabe (Leipzig, Veit & Comp.) und
„Sitzungsberichte der preuss. Ak, d. W. 1888 S. 675° und „Deutsche
Rundschau 1888 Bd. LVI S. 329.
2) Kotzebue, Reise in die Südsee. B. III. S. 31 u. 32. 1821.
3) Guppy: A critieism of the Theorie of Subsideuce. Scot.
Geogr. Mag. Vol. IV. S. 121. Karte.
4a. a. 0,8831.
270 Leopold Böttger:
rund seien, wie die vulkanischen Krater der Erde.!) Diese
Vorstellung hatte sich wahrscheinlich durch Forster, der
die Riffe zirkelrund nennt, eingebürgert.
Chamisso beschreibt dann die Atolle als Tafelberge,
die sich steil aus der unermesslichen Tiefe des Ozeans
erheben, deren Oberfläche jedoch unter dem Wasser liegt.
Nur ein Damm im Umkreis des Riffes erreicht bei niederem
Wasserstand den Spiegel des Meeres. 2)
Wie Flinders beobachtete auch Chamisso, dass das
Riff auf der Seite, welches dem Winde zugekehrt ist, etwas
erhöht ist, sowie dass auf dieser Seite die meisten und
grössten Inseln sind, dass diese aber auch häufig an den
ausspringenden Winkeln des Riffes angetroffen werden.
Auf der Seite unter dem Winde findet er das Riff dagegen
oft stellenweise unterbrochen, manchmal so, dass selbst
grössere Schiffe eine Durchfahrt wagen können. Innerhalb
dieser Lücken zeigen sich Felsbänke, die wie Bruchstücke
der eingerissenen Mauer oder Andeutungen derselben sind. °)
Aehnliche Bänke sind im Innern der Lagune zu finden,
deren Grund aus Korallensand und Korallen besteht und
bis 32 Faden (60 m)!) Tiefe hat. Die ausgedehntesten
Lagunen schienen die tiefsten zu sein.°)®) Die Oberfläche
des Dammes ist durch das Ausrollen der Brandungswellen
geglättet; aufgeworfene Blöcke liegen auf ihm zerstreut,
und ebensolche Blöcke liegen auf der Seite nach der
Lagune. Der Absturz nach dieser Seite ist geneigt, oft
auch steil.”)
Aber nicht nur morphologisch sondern auch geognostisch
untersuchte Chamisso das Riff und die Insel.
1) Adelbert von Chamissos Werke. B. II. S. 393, abgedruckt
aus Choris, voyage pittoresque.
2) a... 02.89.42.
3) Demnach schien sich Chamisso die Riffkanäle als Wirkungen
von Sturmfluthen zu denken,
4) a. a. O. S. 202.
5) Dasselbe ist neuerdings wieder von Murray behauptet worden.
6)ra. a0, S. 393:
0).a..2.. 0282208
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 271
Er war der Meinung, dass der ganze Tafelberg aus
ein- und. derselben Gebirgsart, und zwar Kalkstein bestehe !)
und dass die Lithophyten nirgends an ihrem ursprünglichen
Standorte, an der Stelle, wo sie lebten und fortwüchsen,
sich befänden,?2) dass das Gestein vielmehr immer nur
Haufwerke von Korallentrümmern darstelle. Er wendet
sich vor allen gegen Flinders, welcher behauptet hatte,
dass die Korallenskelette am Orte ihres Entstehens nach
Ausfüllung ihrer Lücken mit Sand in Riffstein übergingen,
während die oberen Zweige fortwüchsen. Der Riffstein ist
nach Chamisso vielmehr ein horizontal geschichtetes Gestein.
Nach den jetzigen Erfahrungen bleiben die Korallen in
ihrer natürlichen Lage. Dann bildet sich der Riffstein wie
ihn Chamisso fand. Die Inseln selbst, welche sich nach
ihm immer zuerst auf der Lagunenseite bilden, bestehen
aus mehreren mantelförmig übereinandergelagerten Schichten
Riffstein, die mit Sandschichten wechseln. 3)
Gleich Forster meinte auch Chamisso, dass die Korallen-
polypen vom Grunde des Meeres aus ihren Bau errichteten,
obgleich er sich der hier ganz anders gestalteten Daseins-
bedingungen der Thiere bewusst war, wie das klar und
deutlich aus der folgenden Stelle hervorgeht: „so müssen
wir doch glauben, dass in den Meerestheilen, wo die enormen
Massen dieser Lithophyten sich erheben, selbst im kalten
und lichtlosen Meeresgrund, Thiere fortwährend geschäftig
sind, durch den Prozess ihres Lebens den Stoff zu deren
nicht zu bezweifelndem, fortwährendem Wachsthum und
Bau zu erzeugen.‘“*t) Er motivirt seinen Standpunkt durch
folgende Worte: „Anzunehmen, dass die kalkerzeugenden
Polypen bloss an den Wänden der schon bestehenden Riffe
und deren innerer Lagune leben, würde das erste Entstehen
dieser Riffe nicht erklären, deren senkrechte Höhe man
nicht unter 100 Faden annehmen kann.“5) In seiner
1,7202, 00504.
2) 2. 2, 028.45:
3) Kotzebue, Reise in die Südsee. B. III. S. 107.
4) a. a. 0. S. 32.
5) a.a. 0.8. 32. Anmerkung.
2102 Leopold Böttger:
Meinung wurde Chamisso hauptsächlich dadurch bestärkt,
dass Ross in 1000 Faden (1800 m) Tiefe unter 73° 39‘
nördlicher Breite lebende Korallen fand.!) Doch war er
sich der Subjectivität seiner Ansicht wohl bewusst, denn
er fügt hinzu: „Die Nähe des Gesichtspunktes vergrössert
freilich die Gegenstände, und es mag geneigt sein, wer
mitten unter diesen Inseln ihre Bildung betrachtet, dieser
Bildung in der Geschichte der Erde ein grösseres Moment
beizumessen, als der Wirklichkeit entspricht.“ 2)
Wie wir die Ansicht, dass die Korallen im kalten
Meeresgrunde leben, als irrthümlich zurückweisen, so auch
die andere Meinung Chamissos, dass das bewegte Wasser
für das Gedeihen der Korallen ein Hinderniss ist. Chamisso
bemerkt nämlich: „Die enormen Massen aus einem Wuchs,
die man hie und da auf den Inseln oder auf den Riffen
antrifft, haben sich wohl in der ruhigen Tiefe des Ozeans
erzeugt. Oben unter wechselnden Einflüssen können nur
Bildungen von geringer Grösse entstehen.‘ ?)
Von besonderem Interesse sind seine Beobachtungen
über den Einfluss des Sandes auf das Wachsthum der
Korallenthiere: „Die Arten, die sich sonst kugelförmig ge-
stalten, bilden an Orten, wo Sand zugeführt wird, Flächen
mit erhöhten Rändern, indem der Rand den obern Theil
ertödtet und sie nur im Umkreis leben und fortwachsen.“
Die gleiche Beobachtung machte später Semper®) auf den
Palauinseln und benutzte sie, eine neue Theorie der Atoll-
bildung aufzustellen.
In richtiger Erkenntniss der Verschiedenartigkeit der
Lebensbedingungen der verschiedenen Arten von Korallen-
polypen, hütet sich Chamisso übrigens vor einer Verall-
gemeinerung obiger Beobachtung von der vernichtenden
Wirkung des Sandes. So schreibt er über die Vertheilung
der Korallen auf dem Riff: „Les polypiers vivants croissent
selon leur genre ou leur espece ou dans le sable mouvant
1a. a. 0.8.32.
2) Kotzebue a. a. O. S. 101.
3) Chamissos Werke. B. II. S. 39.
4) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. B. 13. S. 566. 1863.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 273
ou bien attach& au rocher.!) Ueber die Vertheilung der
Arten macht er auch sonst noch Beobachtungen und zwar
ist er der erste, der uns darüber Nachrichten giebt, und
was er darüber mittheilt, hat sich später immer als zu-
treffend erwiesen. Zunächst der Brandung fand er immer
Astraeen?) von kuchenförmiger Gestalt. ?)
Der Damm besteht aus Madreporen®) und überall, wo
die Wellen mit Häufigkeit aufschlagen, lassen sich Nulli-
poren®) nieder und geben dem Riff seine rothe Farbe.
Ueber der Linie des niedrigsten Wasserstandes lebt
Caryophyllia.®)
Auch über die geographische Verbreitung der Korallen-
riffe macht Chamisso bemerkenswerthe Beobachtungen. Er
macht auf die Aehnlichkeit in der Verbreitung des hohen
und niedrigen Landes im indischen und grossen Ozean,
das in beiden Meeren sich von West nach Ost verliert, ?)
aufmerksam, ferner auf die Erscheinung, dass solche Gruppen
von Koralleninseln, welche in 4 oder 5 Grad Entfernung
von hohen vulkanischen Ländern liegen, die Erdstösse ver-
spüren, welche diese bewegen,) endlich auf die reihen-
förmige Anordnung der Koralleninseln.®) Daher kann es
uns nicht Wunder nehmen, wenn ihm die Koralleninseln
Bergrücken des Meeresbodens andeuten.
Endlich erhalten wir von Chamisso noch eingehende
Nachrichten über die Flora und Fauna der Koralleninseln. !°)
1) Chamissos Werke. B. II. 8. 39.
2)2922.0257202:
3) Dasselbe beobachtete Walther am Meerbusen von Suez;
die kuchenförmige Gestalt ist ihm eine Anpassungsform, denn so
leisten die Thiere der Bewegung des Wassers den geringsten Widerstand
und bieten ihm gleichzeitig die grösstmögliche Oberfläche dar. (Walther,
die Korallenriffe der Sinaihalbinsel. Ab. d. math.-phys. Kl. d. k. s.
GeadeW. B2 145)
4) a. a. 0. S. 39.
5) a..a. 0. S. 201.
6) a. a. 0. S. 202.
7) a. a. 0. S. 44.
8) a. a. 0. S. 39.
92.72.2023 3743.
10) Kotzebue, Reise in die Südsee. B. III. S. 108— 114.
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 18
274 Leopold Böttger:
‘Indem Kotzebue’schen Reisewerk hat auch Eschscholtz
seine Ansichten über die Koralleninseln niedergelegt. !)
Bei den eingehenden Studien, welche Chamisso über unsern
Gegenstand gemacht hat, können wir nicht viel Neues von
ihm erwarten und in der That bringt Eschscholtz fast nichts
anderes als was Chamisso schon gesagt hat oder wenigstens
im widerspruchslosen Zusammenhange damit steht. Was
seiner Darstellung aber dennoch Werth verleiht, ist, dass
er uns ein einheitliches Bild giebt, die verschiedenen Be-
obachtungen mit einander verknüpft und sie verallgemeinert.
Daher begnügt er sich nicht, wie das Chamisso thut, die
Atolle als Krönungen submariner Berge hinzustellen, sondern
geht einen Schritt weiter und führt die Gestalt der Umriss-
linie dieser Inselgruppen auf die des unterliegenden Berg-
gipfeis zurück;?) während Chamisso einfach bemerkt, dass
die Windseite der Atolle die inselreichere ist, macht Esch-
scholtz noch darauf aufmerksam, dass die Atolle im indischen
und stillen Ozean, da, wo die Monsune herrschen, gleich-
mässig mit Inseln besetzt sind und dass die Atolle, welche
mit ihrer Längsaxe rechtwinklig zur Richtung des Windes
stehen, diesem also ihre längere Seite zur Zerstörung dar-
bieten, reicher an fruchtbaren Inseln sind als andere;°)
während Chamisso nur angiebt, dass auf Tabual, in der
Gruppe Aur, morastiger Grund ist,!) entwickelt Eschscholtz,
wie die Inseln mit zunehmendem Umfang allmählich die
Lagune vom Meer trennen und diese endlich ganz aus-
gefüllt wird, um zuletzt nur noch eine Wasserpfütze dar-
zustellen.) Chamisso theilt in schlichter Weise seine
Beobachtungen über die verderbenbringende Wirkung des
bewegten Sandes auf die Korallenthiere mit, Eschscholtz
benutzt diese Thatsache in Verbindung mit der Annahme,
dass die grössern Korallenarten sich in der Brandung am
besten entwickeln — diese Annahme war von Chamisso
auch theilweise vorbereitet, da er bemerkt, dass die Asträen,
10) &u E% (0b 86 DIE Irre
2), a322 028. 188:
3) a. a. 0. 8. 188.
4) a.a. 0. 8. 108.
Haar GES.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 275
also die Arten, welche die grössten Blöcke liefern, vor-
zugsweise am Rande des Riffes angetroffen werden — um
eine Erklärung für die Entstehung der Lagunen zu geben.
Die darauf bezüglichen Worte heissen: „Die grossen Korallen-
arten, welche einige Faden in der Dicke messende Blöcke
bilden, scheinen die am Aussenrand des Riffes stärkere
Brandung zu lieben. Dies und das Hinderniss, das ihrem
Fortleben in der Mitte des weiten Riffes durch aufgeworfene
von den Thieren verlassene Muscheln und Schneckenschalen
und Korallenbruchstücke in den Weg gelegt werden, sind
wohl die Ursachen, weshalb der Aussenrand eines Riffes
sich zuerst der Oberfläche nähert.“
Diese Erklärung der Lagunenbildung, welche heute
noch als zutreffend anerkannt wird, ist das Hauptverdienst
von Eschscholtz in der Frage nach der Bildung der Korallen-
inseln.
Chamissos Verdienste lassen sich am besten in die
Worte fasssen, welche Ehrenberg der Arbeit seines Kollegen
an der Akademie der Wissenschaft widmet, die, wenngleich
sie auf einer falschen Voraussetzung fussen,!) doch ihre
volle Giltigkeit behalten haben: ‚Er hat ein Bild zusammen-
gefasst, welches zwar nicht der Aehnlichkeit mit dem von
Forster und Flinders entbehrt, aber viel Eigenthümliches
in kräftiger, natürlicher Darstellung und alles nach eigner
Erfahrung ohne geborgten Schmuck enthält.“?) An Esch-
scholtz aber schätzen wir den speculativen Sinn, der die
von Chamisso im hingebenden Studium gewonnenen Details
kühn zu einem Gesammtbilde verwebt und wollen uns
freuen, dass das Geschick zwei Männer auf der Kotze-
bue’schen Forschungsreise zusammenführte, die sich in einer
für die Wissenschaft so fruchtbringenden Weise ergänzten.
Während Chamisso mit der Verarbeitung seiner von
‚der Weltumseglung mitgebrachten Schätze beschäftigt war,
‘waren schon wieder zwei Naturforscher auf dem Meere
1)-Auch Ehrenberg war in dem Irrthum befangen, dass die
Artikel $. 187 und 189 im dritten Bande des Kotzebue’schen Reise-
-werkes von Chamisso herrührten.
2) Ehrenberg, Die Korallenriffe des rothen Meeres. Abh. d. A.
d. W. z. Berlin. 1832, gedruckt 1834. 1. Th. S. 3%.
18*
276 Leopold Böttger:
thätig, um Studien über die Bildung des Korallengesteins
anzustellen. Quop und Gaimard waren es, welche die
Freycinet’sche Expedition in den Jahren 1818—1820 be-
gleiteten. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit der
Erforschung der Lebensbedingungen der Korallenthiere und
suchten zu beweisen, .dass die Korallen ihre Wohnungen
auf einer ihrer Natur nach bereits bekannten Grundlage
erbauen und nur Schichten von wenig Faden Dicke bilden,
sich aber nicht aus unermesslichen Tiefen erheben.') Die
Beweise dafür sehen sie im Folgenden:
1) Die Korallen sind von ihnen nie in grösserer Tiefe
als 25— 30 Fuss lebend gefunden worden. ?)
2) Die bunte Farbe der Thiere beweist, dass die
Korallen zu ihrem Leben Licht bedürfen. °)
3) Es wäre einzig und ohne Beispiel in der Thierwelt,
wenn diese Arten unter den verschiedenen Drucken und
unter allen Temperaturen gleichmässig gedeihen sollten.
4) Die Korallen bedürfen (meinen sie) einer beständig
hohen Wärme, welche sie in der Tiefe nicht haben. !)
5) Die Korallen vermögen nur in friedlichen Meeren
zu gedeihen, in abgeschlossenen Baien, welche von den
regelmässigen Passaten der Tropen und von Sturmfluthen
nur unmerklich berührt werden. In bewegten Wassern
bilden sie nur zerstreute Massen, die von Arten gebildet
werden, welche weniger von der Unruhe des Wassers zu
leiden scheinen als ihre übrigen Genossen. ?)
Neben diesen den biologischen Verhältnissen der
Korallenthiere entnommenen Gründen, finden sie auch in
der Morphologie der Riffe Stützpunkte für ihre Behauptungen.
So finden sie einen Hauptbeweis darin, dass es keine einiger-
massen grosse Insel gäbe, welche vollständig aus Korallen-
1) Memoire sur l’accroissement des Polypes lithophytes par
Quoy et Gaimard. Annales des sciences naturelles.. T. 6. 1825.
Ss. 273. Derselbe Aufsatz auch in Freycinet: Voyage autour du
monde pendant les annees 1817—1820. Zoologie. Paris 1824.
2) a. a. 0. S. 284.
3) a. a. 0. S. 277.
4) a.a. 0, S. 276.
5) a. a. O0. S. 276.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. . 277
sestein besteht, und dass die gehobenen Riffe niemals eine
grosse Dieke besitzen. !)
Dies behaupten sie aber nicht, wie man meinen könnte
auf Grund zahlreicher, angestellter Messungen, sondern. sie
verallgemeinern hier nur in ganz derselben unzulässigen
von ihnen hart getadelten Weise wie Peron, gerade die
entgegengesetzte Beobachtung wie dieser. Beide Parteien
gehen bei ihren Untersuchungen von den Riffen Timors aus;
während Peron glaubte annehmen zu dürfen, dass die
ganze Insel aus Korallenkalk bestehe, fanden Guoy und
Gaimard nur schwache Lagen dieses Gesteins. Neben der
Insel Timor lieferten ihnen Ile de France, Neu-Gruinea,
die Marianen und die Sandwichinseln Stoff und Unterlagen
zu ihren Behauptungen. In allen den genannten Inseln
und Inselgruppen treten die Riffe aber nur als Küstenriffe
auf. Sie suchten daher nach Gründen, welche die Verall-
gemeinerung ihrer Beobachtungen, ihre Uebertragung auf
die Atolle, stützen sollten. Die geringe Dicke des Korallen-
gesteins auf den Atollen nun wollen sie daraus erschliessen,
dass die niedrigen Inseln der Südsee von Menschen bewohnt
sind, also Wasser aus Quellen haben müssen, die aber bei
einem solehen porösen Gestein wie der Korallenkalk nicht
entstehen könnten.2) Wir wissen jedoch jetzt, dass das
Süsswasser auf allen Koralleninseln überall da zu finden ist,
wo man einige Fuss tief in den Korallenboden eingräbt,
trotzdem man das Korallengestein nicht verlässt, da es
sich dort infolge seines geringern spezifischen Gewichtes
auf dem durch die Seitenwände des Riffes eingedrungenen
Salzwasser schwimmend erhält.
Auch, meinen sie, folgre die geringe Mächtigkeit der
Korallenfelsen auf den Atollen daraus, dass die Korallenthiere
1) Das gleiche hat vor einigen Jahren Rein?) wieder behauptet
zur Widerlegnng Darwins; aber seitdem v. Richthofen und besonders
Mojsisovies nachgewiesen haben, dass die Dolomiten der Alpen
Korallenriffe sind, sind alle darauf gegründeten Schlüsse gegenstands-
los geworden.
2) a. a. 0. S. 289.
3) Verhandlungen des ersten deutschen Geographentags. 1882.
S. 39.
ZU . Leopold Böttger:
bei den dort häufigen und heftigen Stürmen nicht gut gedeihen
könnten. Ebendasselbe würde auch durch die Thatsache
bewiesen, dass die Korallenmauern alle durch Oeffnungen
unterbrochen sind, in welchen man meist tiefes Wasser
fände. Da aber die Zoophyten die Neigung besässen un-
unterbrochene Massen zu errichten, so könnten keine solche
Oeffnungen vorhanden sein, wenn die senkrechte Riffmauer
gänzlich aus Korallengestein bestände. !)
In ihrer Ansicht von der geringen Mächtigkeit der
Korallenfelsen wurden sie auch durch die Wahrnehmung
bestärkt, dass die Verbreitung derselben mit der Richtung
der Berge und Hügel des festen Landes übereinstimmt, und
dass man dort die grössten Korallenmassive findet, wo das
Meer am seichtesten ist und die Küsten nur eine geringe
Neigung besitzen. Damit haben sich die beiden Forscher
das schätzenswerthe Verdienst erworben, zuerst auf den
gseognostischen Zusammenhang der Riffe und der nahen
Küste aufmerksam gemacht zu haben.
Es ist nur eine Folge der von ihnen vertretenen An-
schauungen, wenn sie die Steilheit so vieler Riffe als
ursprünglich erklären. Sie fühlten sich dazu berechtigt
durch ihre Beobachtungen auf einigen Inseln der Marianen,
an denen sie ganz gleiche steile Abstürze aber aus andern
Gesteinen bemerkten, sowie durch die Untersuchungen von
Pallas, welcher dieselbe Erscheinung in den Gebirgen
Tauriens nachwies. 2) °)
So vielfach auch die Ansichten der beiden Naturforscher
noch irrthümlich sind, so wenig stichhaltig insbesondere die
meisten der von ihnen vorgebrachten Gründe sind, so be-
1) a. a. O. $. 279.
2) a. a. 0. S. 285 u. 286.
3) Pallas bemerkt (physikal.-topograph. Gemälde von Taurien,
Leipzig, 1806 8. 1): „Ihre (der Halbinsel Taurien) mehr als 1200 Fuss
hohen Berge sind längs der ganzen südlichen Küste, an welcher das
Meer sehr tief ist, fast senkrecht abgeschnitten, fallen gegen Norden
stufenweise und zuletzt unmerklich ab... . Man ersieht, dass die
Bemerkung von dem fast senkrechten Absturz nicht wörtlich zu
nehmen ist, sondern nur den Eindruck veranschaulichen soll, den
man erhält, wenn man die Südseite des Gebirges mit der allmählich
in die Ebene sich verlierenden Nordseite vergleicht.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 279
zeichnen sie doch einen bemerkenswerthen Fortschritt für
unsere Auffassung der Korallenriffe, da die Grundidee, dass
die lebenden Korallen auf eine geringe Tiefenzone beschränkt
sind, von jedem der nachfolgenden Forscher eine Bestätigung
erfahren hat.
Es muss verwunderlich erscheinen, dass diese folgen-
schwere Thatsache von der geringen verticalen Verbreitung
der lebenden Korallen nicht schon vorher, auch nicht durch
die eingehenden Studien Chamissos, aufgedeckt worden ist.
Der Grund dafür liegt in der Natur der verschiedenen
Untersuchungsgebiete. Alle Forscher, welche sich bis dahin
mit den Korallenriffen beschäftigt hatten, haben ihre Unter-
suchungen an Riffen des tiefen Wassers angestellt, haupt-
sächlich an Atollen, wo der rasche Absturz zum Meere und
die infolgedessen so schwer und hoch gehende Brandung
Beobachtungen über das Wachsthum der Thiere sehr er-
schwert, ja fast unmöglich macht. Quoy und Gaimard
machten aber die Küstenriffe zu ihrem Beobachtungsobject,
besonders in Buchten, wie in der Bucht von Koupang, wo
kein bewegtes Wasser sie in ihrer Arbeit hinderte.
Daher trat ihnen auch die Vorstellung von dem steilen
und tiefen Absturz des Riffes, welche bei ihren Vorgängern
den Gedankenkreis beherrschte und sich immer wieder
aufdrängen musste, nicht sehr hinderlich entgegen, daher
sind alle ihre auf die Atolle bezüglichen Bemerkungen so
wenig mit den Thatsachen im Einklang, daher vertreten
sie so scharf die Meinung, dass die friedlichen und
stillen Meerestheile die Regionen des Korallenwachsthums
sind.
Noch ist auf eine Bemerkung der beiden Naturforscher
aufmerksam zu machen, in welcher sie auf einen bei der
Bildung von Koralleninseln thätigen Faktor hinweisen, der
erst in neuerer Zeit richtig gewürdigt worden ist, nämlich
auf die Fähigkeit der Strömungen, Kanäle im Korallen-
gestein zu erzeugen. Die hierauf bezügliche Stelle heisst:
„Dans les localites oü les marees se font ressentir, leurs
courans seuls peuvent quelquefois creuser des canaux irre-
guliers entre les Madr&pores, sans qu’ils soient jamais en-
280 Leopold Böttger:
combres de leurs especes, par la double cause reunie du
mouvement et de la froidure des eaux.‘')
Lange Zeit hindurch ist Quoy und Gaimard das Ver-
dienst zugeschrieben worden, die ersten gewesen zu sein,
welche die Ringform der Atolle und die Anwesenheit einer
Lagune daraus erklärten, dass jenen ein Krater als Unter-
lage diene. Trotzdem schon Friedrich Hofmann in der
nach seinem Tode herausgegebenen „Physikalischen Geo-
graphie“ aus dem Jahre 1835 behauptet hat, dass Steffens
diese Hypothese viel früher geäussert habe, ?) hat sich dieser
Irrthum erhalten, bis Du Bois-Reymond wieder Steffens in
seine Rechte einsetzte.?) Steffens hat seine Ansicht über
die Natur der Atolle in seiner Anthropologie im Jahre 1822
ausgesprochen.*) Er begründet seine Ansicht mit der Ein-
förmigkeit der Bildung der Koralleninseln und mit der
Anwesenheit so vieler Vulkane in ihrer Nähe. Die Zahl
dieser Vulkane schätzte er auf 28 und er glaubte, dass
spätere Forschungen sie verdoppeln würde. Dann fährt er
fort: „Die Korallenbauten enthalten öfters Lagunen, die
man wohl als eingesunkene Kratere betrachten darf, ohne
hier in der Mitte der ausgedehntesten Vulkanität dem Vor-
. wurf eines willkürlichen Phantasiespieles ausgesetzt zu sein.
Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, dass die ursprüng-
lich kahlen, im Meer isolirt stehenden Basaltberge die
Grundlage für den Korallenbau der Polypen gebildet haben
und man muss annehmen, dass einige dieser Berge, selbst
bis zur ungewöhnlichen Höhe wie Mowna Roa auf den
Sandwichsinseln hervorragten, während andere vulkanische
Berge bis unter die Oberfläche des Meeres einsinken, in
der Mitte durch die in sich hineingesunkenen Kratere an-
sehnliche Vertiefungen bildend. Eine Art Solfataren, die
unter dem Meere erlöschen. Wie die Korallen ihren stets
wechselnden Bau an die über das Meer hervorragenden
Basaltberge anschlossen, so auch an die Ränder der aus
der Tiefe hervorragenden Basaltberge, welche die Ober-
Naar 0787278:
.2) Du Bois-Reymond, Chamisso als Naturforscher. S. 60.
3) a. a. 0. S. 32 und S. 60.
4) a. a. 0. S. 60.
Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 281
fläche des Meeres nicht erreichten. Die eingestürzten Kratere
in der Mitte dieser Berge bilden die Lagunen, die daher
durchgängig Meerwasser enthalten. So entstanden die so-
genannten niedrigen Inseln. Es ist unmöglich, die Bildung
der hohen und niedrigen Inseln im Südmeere mit einander
zu vergleichen, ohne unwillkürlich zum Schluss gedrängt
zu werden, dass das unter dem Meer liegende, durch
Korallen uns versteckte Grundgebirge dem hervorragenden
der hohen Inseln ähnlich sein muss. Das folgt aus dem
gemeinschaftlichen Vorkommen beider in vielen Insel-
gruppen.“!) Quoy und Gaimard scheint aber der Aufsatz
Steffens nicht bekannt gewesen zu sein, vielmehr ist anzu-
nehmen, dass sie selbständig zu dem gleichen Resuitate
gelangt sind, trotzdem sie ebensowenig wie ihr Vorgänger
je ein Atoll gesehen hatten. Sie sind zwar bei einigen
der Karolineninseln vorübergefahren, aber ohne hier anzu-
halten;2) auch drücken sie ihr Erstaunen darüber aus, in
Kotzebues Atlas mehrere Inseln in einem Ring gruppirt zu
sehen und bemerken dazu in einer Fussnote: „Cette dispo-
sition ne serait — elle point due a des crateres sous marins,
sur les bords desquels les lithophytes auront travaill&?“
Während hier dieser Gedanke nur nebenhin geäussert ist,
erfährt er bald eine bessere Würdigung, indem ihn Lesson
und Garnot, die Naturforscher der Duperry’schen Expedition
auf der „La Coquille“, aufgreifen und zu begründen suchen.
Ihre Reise um die Welt fand im Jahre 1820 statt, die
Bearbeitung erschien 1828.3)4) Sie sind der Meinung, dass
die Koralleninseln alle vulkanischen Grund haben, aber
nicht Glieder eines untergegangenen Kontinents sind. 5)
Die Korallen haben erst in geringer Entfernung vom Wasser-
1) Henrik Steffens, Anthropologie. B. I. S. 320.
2) Annales des scienses naturelles. B. VI. 1825. S. 289.
3) Voyage autour du monde de la Coquille. Zoolog. Theil. 1. 1.
Seola:
4) Also nicht Barrow ist der nächste nach Quoy und Gaimard,
der Bemerkungen zu dieser Frage macht, wie Du Bois-Reymond
meint. (Du Bois-Reymond, Chamisso als Naturforscher, Separataus-
gabe. S. 60.)
9),2..2..0.:9210,
282 Leopold Böttger:
spiegel angefangen zu bauen, denn die Zigzaglinien und
Unterbrechungen im Riffe sind nur so zu erklären, dass
die Thiere in gewissen Tiefen Anhaltepunkte nöthig haben,
welche fähig sind, ihre Verbreitung zu unterstützen. Dies
wird dadurch bewiesen, dass sich die Korallenbänke niemals
weit ausdehnen und immer von den Inseln abhängig sind.
Brachte die Eruption einen Vulkan nicht bis an die Ober-
fläche, so setzten sich die Zoophyten an seinen Rändern
fest und führten sie mit ihren steinichten Leibern bis an
den Wasserspiegel. Der Krater bildet dann die Lagune
und die durch die Erosion ausgehöhlten Kraterränder die
Kanäle, welche Einlass in den innern See gewähren. Die
Tiefe im Zentrum der Lagune würde dann um so beträcht-
licher sein, je heftiger die Auswürfe des Vulkans waren. ')
Auf Grund dieser Anschauung über die Entstehung
der Koralleninseln, theilen sie diese ein in 1) Küstenriffe
(les reeits simples), 2) alleinstehende Atolle (motous a lagons)
und 3) Koralleninseln, welche Gruppen bilden wie die
Karolinen- und Palauinseln. Letztere stehen nach ihnen
auf einem gemeinsamen, weiten und seichten Plateau. ?)
Lesson und Garnot machen somit den ersten Versuch,
die Entstehung der Inseln als Eintheilungsprinzip zu be-
nutzen. Sie sind auch die ersten, welche auf die Beziehungen
zwischen den Strömungen der Küstenflüsse und der Lage
der Oeffnungen in Küstenriffen, welche immer vor den
Flussmündungen liegen, aufmerksam machen.
Im Jahre 1830 macht John Barrow®) in einem der
Londoner geographischen Gesellschaft mitgetheilten Reise-
bericht des Lieutenants Kendal über die Neu -Shetlands-
inseln einige Bemerkungen zu unserm Gegenstand, da sich
in dieser Inselgruppe eine der Insel St. Paul ähnlich ge-
staltete Insel mit einer Lagune in der Mitte vorfand. Hier-
bei bemerkt Barrow, dass er schon vor vielen Jahren zu
der Ansicht gekommen sei, dass die Koralleninseln der
Südsee auf ähnlichen submarinen Inseln ruhen müssen.
Im Jahre 1832 vertritt er diese Ansicht auch in einem
aa 0.5315:
2) aa. 0% 3.10:
3) Journal of geogr. Society. London 1830. 8. 62.
Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 283
Artikel im „Ausland“,!) und stützt sich dabei vornehmlich
auf das häufige Vorkommen von Bimsstein auf den Korallen-
inseln.
Wichtige Stützen brachte Kapitän Beechey?) für die
Kraterhypothese von einer Seereise heim. Er war auf dem
Schiff „Blossom“ ausgesandt worden, die Schiffbarkeit der
Nordwestpassage zu untersuchen. Da das Schiff für eine
lange Reise bestimmt war, so war es besonders gut aus-
serüstet für langwierige, wissenschaftliche Beobachtungen
und Experimente. So hatte Beechey auch alle erforder-
liche Mittel um Tiefseelothungen vorzunehmen und eine
srosse Anzahl von Inseln auszumessen und aufzunehmen.
Von ihm erfahren wir daher Näheres über die Proportionen
der verschiedenen Rifftheile in Maass und Zahl.
Die Inseln sind nach ihm selten mehr als 2 Fuss (0,6 m)
über die Meeresoberfläche erhoben.) Die Breite der Inseln
beträgt im Durchschnitt 300—400 yards (100-—-120 m),
vor der Insel befindet sich eine 30—50 yards (10—20 m)
breite, zur Zeit der höchsten Fluth 2—3 Fuss (?/;, —1 m)
unter Wasser stehende Bank. ‚Alsdann versenken sich die
Wände der Insel jäh, wie es scheint, vermöge der Auf-
einanderfolge von geneigten Bänken, die durch zahlreiche
an den Kapitälen zusammengewachsene Säulen gebildet
werden, in deren Zwischenräumen das Senkblei mehrere
Faden tiefer fällt.“‘) DBeechey bestätigt die Angabe
Flinders, dass das Riff auf der Windseite die Oberfläche
des Wassers eher erreicht als auf der Seeseite. Er sagt
hierüber:°) Es findet bei ihnen (den Koralleninseln) durch-
sehends die Regel statt, dass die dem Meere zugekehrte
Seite höher und vollkommener als die andere, ja häufig
1) Ausland. No. 16. 1832. S. 60.
2) Narrative of a voyage to the Pacific and Beering’s Strait etc.
London. 1831. S. 192 und im Auszug im Journal of Royal. Geog.
Soc, London, 1831. BT. 'S. 216.
3) Beechey, Reise nach dem stillen Ozean und der Beerings-
strasse in den Jahren 1825—28. Neue Bibliothek der Reisebeschreib.
von Bertuch. Bd. 59 u. 61. 1832. Bd. I. S. 29.
Alan 120954300:
5) a. a. 0. S. 300.
284 Leopold Böttger:
auch gut mit Waldung bestanden ist, während die andere
zum Theil oder ganz unter Wasser steht. „Bestätigt sich
dieser Umstand bei andern Koralleninseln, so ist er höchst
charakteristisch, aber aus der fortwährenden Einwirkung
des Passatwindes nicht hinreichend zu erklären. Sobald
das Riff einmal die Oberfläche erreicht hat, lässt sich die
Wirkung des Passatwindes leicht nachweisen, allein es
scheint nicht möglich, dass derselbe seinen Einfluss so tief
unter dem Wasser erstreckt als manches Riff liegt.‘‘!) Weiter
bemerkt er: „An den Spitzen und Ecken versenken sich
diese Inseln weniger schroff und wie es mir scheint regel-
mässig in die See als an den Seiten.) An diesen Stellen
(wo die beiden Seiten der Insel zusammenstossen) sowie
überhaupt in den schmalen Theilen der Lagune, sind die
Korallenthierchen in grosser Anzahl vorhanden, obwohl sie
sich im Allgemeinen in sämmtlichen Lagunen in ziemlich
gleicher Zahl vorfinden.“3) Die Tiefe der Lagune, die er
gleich seinen Vorgängern bis 20—38 Faden (35— 70 m)
angiebt, ist nach ihm im Allgemeinen abhängig von dem
Alter des Riffes, so dass die seichtesten die ältesten sind,
eiue Ansicht, die wir heute als vollständig unhaltbar be-
zeichnen müssen.
Beechey beobachtete, wie die Korallenbauten in der
Lagune in Form von abgestutzten Kegeln emporsteigen.
Daraus schliesst er, dass sich auch das Riff aus solchen
Formen entwickelt hat, indem mehrere solche Hügel, welche
neben einander standen, verschmelzen mussten, wenn die
Korallen an der Oberfläche des Wassers in ihrem Weiter-
wachsen gehemmt, gezwungen wurden, sich seitwärts aus-
zubreiten. !)
Beechey macht auf die weite Verbreitung der Erschein-
ung, dass die Lücken im Riffe der holıen Inseln, in der
Richtung der von den Bergen herabkommenden Flüsse
liegen, aufmerksam. Er fand diese Thatsache durchgehends
bestätigt. Zu ihrer Erklärung bemerkt er, „dass die Litho-
1) a. a. 0. S. 301.
2) Diese Bemerkung ist später oft bestätigt worden.
3) a. a. 0. S. 301.
4) a. a. 0. S. 302.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 285
phyten sich vor dem Süsswasser scheuen, ist, da dieses
nicht ihr natürliches Element bildet, sehr erklärlich, und
wahrscheinlich enthält dasselbe auch keine Materialien, mit
denen sie bauen könnten.‘“!) Die Ansicht, dass diese
Lücken einfach die Fortsetzungen der Thäler unter dem
Wasser seien, scheint ihm mit Rücksicht auf ihre im
Verhältniss zu den Thälern ausserordentliche Schmalheit
nicht zutreffend. Auch fand er, dass die Tiefe der Kanäle
bis zu einer Grenze hinabsteigt (bis 25 Fuss = 8 m), welche
man wohl auch als die ungefähre Grenze annehmen könnte,
bis zu welcher der Einfluss des süssen Wassers reicht.
Beechey meint, sich das Verdienst zuschreiben zu müssen,
zuerst erkannt zu haben, dass ein Atoll nicht eine Insel-
gruppe, sondern eine einzige Insel bildet, da er bei näherer
Untersuchung fand, dass die Riffmauer unter dem Wasser
fortgeht.2) Diese Thatsache ist aber schon vor ihm von
Chamisso dargethan worden.)
In der Frage über das Fundament der Koralleninseln
ist Beechey der Ansicht, dass sie auf Bergen, die höchstens
400—500 Fuss (140—170 m) hoch mit Wasser bedeckt
sind, gegründet werden. Dass die Unterlage Vulkane sind,
ist ihm wegen der Grösse vieler Atolle, die die Grösse
der auf der Erde bekannten Kratere beträchtlich übersteigt,
nicht sehr wahrscheinlich. %)
Wenngleich sonach Beechey selbst sich nicht als un-
bedingten Anhänger der Kraterhypothese hinstellen konnte,
so betrachtet man doch ziemlich allgemein die Ergebnisse
seiner Untersuchungen als Stützen derselben. Insbesondere
war es die Thatsache, dass er in mehreren Atollen, so in
der Gambiergruppe, noch vereinzelte Trümmer vulkanischen
u 2 ER BÜ
2) 202 02052300:
3) Ainsworth stellt Chamisso gerade als Verfechter der gegen-
theiligen ‚Ansicht hin, wahrscheinlich veranlasst durch die von
Chamisso gebrauchte Bezeichnung Inselgruppe für Atoll. (Jour.
of Rog. Geagr. Soe.-London 1831.) S. 131. Chamisso erklärt aber
ausdrücklich: Le recif presente au temps du reflux l’image d’une
large chaussee, qui unit entre elles les iles, qu’il supporte, Chamisso>
Werke. B. II. S. 39.
4) a. a. 0. S. 305.
286 Leopold Böttger:
Gesteins hervorragen sah, welche für die Kraterhypothese
für besonders günstig gehalten wurde. In diesem Sinne
spricht sich schon Ainsworth aus, welcher im Journal of
Royal Geogr. Society of London 1831 einen Bericht über die
wissenschaftlichen Resultate der Expedition des Blossoms
siebt. Von ihm erhalten wir hierbei gleichzeitig einen
Erklärungsversuch der von Beechey so allgemein ange-
troffenen Erscheinung, dass die Korallenriffe auf der Seite
unter dem Winde niedriger sind als auf der entgegengesetzten.
Er wendet sich gegen die Ansicht Flinders, dies aus dem
Instinkte der Thiere erklären zu wollen, leitet diese Er-
scheinung vielmehr aus dem Einfluss der Strömungen auf
die Wachsthumsriehtung der Korallen ab. An der Wind-
seite, meint er, arbeite diese der horizontalen Ausbreitung
der Thiere entgegen und zwinge diese dadurch ihre Wachs-
thumsenergie auf ein verticales Wachsthum zu verwenden;
so entständen hier die Steilabstürze, die aber nicht so seien,
als ob die Insel auf einem Stil stände, wie Forster meint,
während auf der entgegengesetzten Seite, wo sich die Thiere
gleichmässig nach beiden Richtungen hin verbreiten können,
das Riff erst später die Oberfläche erreicht. Wir sehen
hier ganz dieselbe Idee entwickelt, weiche Semper') später,
wie es scheint, vollständig unabhängig von seinem Vor-
sänger zur Erklärung der Tiefenverhältnisse am Riff be-
nutzte. 2)
1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1863. Bd. 13. S.569.
2) Im englischen Original heisst die hierauf bezügliche Stelle:
„For if the lateral movements of the polypi, ortheir natural tendency
to horizontal constructiou, happens to be impeded in any one direction,
they will gain vertically what they lose horizontally; and the resistance
being equal on the same side, the true horizontal extent will be
everywhere the same and a wall will be formed: while in an opposite
direction, the same circumstances not being in existance, the con-
structions of the polypi will extend horizontally as well as vertically,
and consequently will not rise with the same degree of rapidity as
those which are erected to the windward, and hence would result
an appearance as if this windward bulwark had really been erected
by the instinctive foresight of the animalculae (Journ. of R. Geogr.
Soc. London. 1831. S. 217). Ainsworth und Semper haben beide
den Gedanken gemeinsam, dass die Ströme richtend auf das Wachs-
thum der Korallen einwirken, gehen aber insofern aus einander,
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 287
Ainsworth wendet sich dann namentlich gegen Quoy
und Gaimard. Er hält es für gänzlich unzulässig anzu-
nehmen, dass eine nur einigermassen grosse und beständig
bewohnte Insel niemals aus Korallengestein bestehen könnte,
dass die Korallen überhaupt nur wenige Fuss dieke Schichten
zu bilden im Stande wären. Den Widerspruch, welcher
durch die augenscheinlich grosse Mächtigkeit der Korallen-
felsen einerseits und der geringen Tiefe, in welcher allein
die grossen Korallenarten zu leben vermögen andererseits,
hervorgerufen wird, sucht er in ähnlicher Weise zu lösen,
wie es heutzutage geschieht, nämlich mit Zuhilfenahme
sesonderter Lebens- und Tiefenzonen für verschiedene Art-
sruppen. „Why may not the branched madrepores, which
live at considerable depth,!) have formed the platform for
their reception, just as we see the marine algae distributed
in different zones or depth of the sea.“ ?)
Die von Beechey als Regel hingestellte Erscheinung,
dass die Windseite stets viel höher ist als die entgegen-
gesetzte, führt Lyell°®) dazu, die Veränderung des Meeres-
niveaus zur Erklärung herbeizuziehen. Für einen Unter-
schied von so grossem Betrage in der Höhe der beiden
Riffseiten wie bei der Mateldainsel in der Gambiergruppe,
wo die eine Seite eine bewaldete Insel darstellt, während
die andere 20—30 Fuss unter Wasser ist, scheint ihm die
von Beechey gegebene Erklärung ungenügend. Daher nimmt
er an, dass eine mehrmalige Senkung infolge von Erdbeben
eingetreten sei, denn dann wird, wenn die Senkung immer
nur wenige Fuss beträgt, der vorherige Zustand durch
Nachwachsen der Korallen geschaffen und von Neuem kann
die Windseite sich erhöhen, während die andere relativ
als der erstere den das Riff vertical treffenden Strom eine senkrechte
Mauer erzeugen lässt, während bei Semper der tangirende Strom diese
Wirkung besitzt, der vertical auftreffende aber die entgegengesetzte,
daher fällt nach ihm das Riff auch nicht auf der Windseite, sondern
auf der Seeseite steil ab.
1) Kapitän Beechey sah lebende Korallen in 180 Fuss Tiefe auf
Ducie Island.
2) 222. 07182218:
3) Principles of Geology. First edition. 1832. Vol. II. 8. 29.
288 Leopold Böttger:
zurückbleibt. Eine Wiederholung dieses Vorganges kann
Ungleichheiten von noch viel grösserem Umfang hervor-
bringen. Zur Annahme einer beträchtlichen Senkuug des
Meeresbodens im stillen Ozean war Lyell auch gekommen,
um die Inselarmuth und die Kleinheit der Inseln in diesem
Meere zu erklären, da er meinte, bei unveränderlichem
Wasserspiegel hätten die Thätigkeit der Korallen und die
ausfliessenden Lavaströme mehr festes Land schaffen müssen
als wir jetzt antreffen.!) Im Uebrigen stand Lyell auf dem
Boden der Vulkantheorie und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens, weil es in der Korallenregion viele Vulkane giebt,
zweitens, weil sich in der Lagune vieler Atolle (der jetzigen
Wallriffe) häufig Felsen von poröser Lava finden, ?) drittens
sich auch in Vulkaninseln Einbrüche finden und viertens,
weil, wie er später hinzufügte, durch die Untersuchungen von
Ehrenberg bewiesen wurde, dass die Korallenbildungen des
rothen Meeres niemals atollförmig sind, obgleich dort die-
selben Arten vorkommen wie in der Südsee,?) es also nicht
der eigne Instinkt der Thiere sein kann, der sie zur Bildung
der Ringform veranlasst.
Die Ansicht, dass die Atolle eine vulkanische Grund-
lage haben, welche ihnen ibre morphologischen Eigenthüm-
lichkeiten verleiht, hatte sich demnach ziemlich rasch Bahn
sebrochen und hervorragende Gelehrte für sich gewonnen.
Wohl nur wenige verhielten sich immer noch ablehnend
gegen die von Quoy und Gaimard ausgesprochene Meinung
von der geringen Mächtigkeit der Korallenkalklager (so
z. B. Professor Reichardt,!) der die Riffe der Sundainseln
kennen gelernt hatte), und bis zu einem gewissen Grade
hatte sich ja auch Beechey dagegen ausgesprochen. Doch
auch diese Stimmen verstummten bald, als Ehrenberg im
Jahre 1834 in den Abhandlungen der Berliner Akademie
der Wissenschaften die Resultate seiner Studien in einem
2) Lyell a. a. O. Vol. I. S. 296.
2) Darüber hatte Beechey Mittheilungen gemacht.
3) Jetzt wissen wir, dass diese Uebereinstimmung nicht so gross
ist, wie man früher glaubte.
4) Dictionnaire des sciences naturelles. Article Zoophyte.
1830. S. 9.
Geschichtliche Darstellung etc. von den Korallenbauten. 289
Aufsatze „Ueber den Bau und die Bildung der Korallen-
bauten im rothen Meere“ veröffentlichte.!) Ehrenberg?) hatte
mit Hemprich 18 Monate am rothen Meere verlebt, 9in den
Jahren 1823 und 24 und ebensoviel im Jahre 1825, hatte
einen grossen Theil dieser Zeit zu Schiffe verbracht und
nicht weniger als 45 Inseln und Riffe einer genauen Be-
trachtung und einem eingehenden Studium unterworfen.
Zum ersten Male hatte sich ein Forscher so lange Zeit auf
einem verhältnissmässig so kleinen Gebiete dem Studium
der Korallenthiere und -riffe gewidmet. Das Resultat war
daher auch eine Fülle von Beobachtungsmaterial, wie es
uns vorher noch Niemand geboten hatte, eine Menge von
Thatsachen, die manche schwebende Frage in das rechte
Licht stellen sollten.
Als Einleitung zur Darstellung der Ergebnisse seiner
Forschungen am rothen Meere giebt Ehrenberg eine histo-
rische Uebersicht über unsere Kenntnisse von der Natur
und Bildung der Korallenriffe, auf deren Inhalt oben oft
hingewiesen wurde. Sie ist die erste historische Behandlung
unseres Gegenstandes und ist bis auf den heutigen Tag
auch die einzige geblieben. Aus ihr haben alle, welche
Daten zu diesem Kapitel gebracht haben, geschöptt. Ehrenberg
schliesst diesen Abschnitt seiner Untersuchungen, welcher
bis zu Quoy und Gaimard führt, mit den Worten: „Eine
specielle Vergleichung dieser verschiedenen Nachrichten
verdienstvoller Seefahrer und Naturforscher giebt mehrere
leicht zu erkennende Gegensätze, welche ich hier nicht
weiter hervorhebe ... . .“)
Gegensätze in den Nachrichten über einen Gegenstand
können aber nur entspringen aus den Verschiedenheiten
der beobachtenden Subjekte oder den der beobachteten
Objekte. Die Verschiedenheiten der Beobachter gehen aus
den Verschiedenheiten ihrer Erfahrungen hervor, sowie aus
der dem einzelnen eigenthümlichen Methode, welche er bei
1) Im Vortrag hatte Ehrenberg diesen Gegenstand schon im
Jahre 1832 behandelt.
2) Siehe hierzu auch Ritter, Erdkunde. B.16. S. 468 u. folgende.
3) Abh. d.. Ak. d. W. zu Berlin aus dem Jahre 1832, gedruckt
1834. S. 402.
Zeitschrift £. Naturwiss. Bd. LXII. 1890. 19
290 Leopold Böttger:
seinen Beobachtungen befolgt. Dies erzeugt hier den Gegen-
satz aus der Beobachtung aus praktischen und aus wissen-
schaftlichen Gesichtspunkten, die einen beobachten als
Seefahrer, die andern als Naturforscher. Zu den ersteren
gehören Cook, Labillardiere, Flinders, Beechey, zu der
zweiten Gruppe haben wir Forster, Peron, Chamisso,
Eschscholtz, Quoy, Gaimard und Ainsworth zu zählen.
Die Seefahrer bringen vereinzelte Beobachtungen und zwar
zumeist solche, welche aus den in ihrem Beruf begründeten
Arbeiten, hauptsächlich den Vermessungsarbeiten, hervor-
gehen, oder solche, welche einem Zufall entspringen. Sie
betrachten das Aeussere des Riffs, und wo sie sich mit der
Entstehung der Riffe beschäftigen, bringen sie gewöhnlich
keine neuen Gesichtspunkte, sondern schliessen sich der
Meinung eines andern an. Die Naturforscher suchen die
Nachrichten der Seefahrer durch Beobachtungen, welche
von der kausalen Betrachtungsweise gefordert werden, zu
ergänzen und suchen alle unsere Kenntnisse über den
Gegenstand zu einem Gesamtbilde zu verweben. Sie liefern
uns daher die Prinzipien bei den Erklärungsversuchen, sie
allein klassifiziren die verschiedenen Riffgebilde, verall-
gemeinern die gefundenen Resultate und wenden sie zur
Erklärung anderer Naturerscheinungen an.
In Wirklichkeit sind die Gegensätze nicht so scharf,
wie sie hier gezeichnet wurden, weil unter den Seefahrern,
die hier in Betracht kommen, Männer von wissenschaftlichem
Interesse sich befanden, und zweitens, weil die Gegensätze
naturgemäss erst bei einer grössern Mannigfaltigkeit des
schon gegebenen Beobachtungsmaterials hervortreten können.
Daher sehen wir auch Cook sich mit den Erklärungen der
Entstehung der Riffe beschäftigen, sehen das lebhafte
Interesse, das Flinders ihnen entgegenbringt und vernehmen
die zutreffenden Bemerkungen Beecheys. In späterer Zeit
entwickelt nur noch einmal ein Seemann!) seine Ansichten
über die Bildung der Riffinseln; aber der mächtig an-
geschwollene Stoff erdrückt ihn bereits.
1) Wilkes. Narrative of the U. St. Expl. Exp. B.4 S. 268.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 291
Die Gegensätze, welche aus dem beobachteten Objekt
entspringen, gehen in unserm Fall aus der Doppelstellung,
die dasselbe den beiden grossen Naturreichen gegenüber
einnimmt, hervor, die erzeugenden Faktoren sind Glieder
des organischen Reiches, das Produkt ist unorganischer
Natur. Die einen wenden daher ihre Aufmerksamkeit der
Erforschung der biologischen Bedingungen der Korallenthiere
zu und beurtheilen von ihnen aus die Eigenschaften des
Riffes, was besonders scharf bei Quoy und Gaimard hervor-
tritt; andern sind die Riffe vorzüglich Gebilde, welche die
Oberflächengestaltung der Erde beeinflussen; sie betrachten
dieselben vom geologischen und geographischen Standpunkte.
Diese Richtung wird am extremsten von Peron vertreten.
Ihm verdanken wir daher die eingehendsten aber natur-
gemäss wieder beschränkt bleibenden Untersuchungen über
die Verbreitung der Riffe. Die Gegensätze entwickeln sich
vielfach erst, oder fanden hier wenigstens neue Nahrung,
aus den Verschiedenheiten der einzelnen Riffformen. Schon
oben wurde betont, dass Quoy und Gaimard ihre Ansichten
auf Studien gründeten, welche sie an Küsterriffen gemacht
hatten, für Peron wurden die von ihm an den gehobenen
Riffen Timors gemachten Wahrnehmungen massgebend.
Welchen Einfluss das Studium der Atolle haben musste, ist
schon oben ausgeführt worden.
Der weitere Theil der Ehrenberg’schen Abhandlung
enthält dann seine Beobachtungen über die Verbreitung,
Gestaltung und Form der Riffe des rothen Meeres, über
ihre Beziehungen zu den geognostischen Verhältnissen des
Gebiets, über den Antheil, den Korallenthiere am Aufbau
der Riffe nehmen und über ihr geschichtliches Wachsthum.
Zuletzt giebt er eine Zusammenstellung seiner „Erfahrungen
über die Verhältnisse der Korallenthiere als Felsmassen“.
Der Abschnitt, welcher über die Gestalt und Form der
Riffe des rothen Meeres handelt,!) giebt uns zum ersten
Male eine eingehende Beschreibung der Küstenriffe, deren
Studium bis jetzt von den verschiedenen Autoren gänzlich
vernachlässigt worden war. Quoy und Gaimard hatten
1) a. a. 0. 8. 409411.
19*
292 Leopold Böttger:
zwar an ihnen Untersuchungen angestellt, sie unterlassen
es aber, ung eine Schilderung dieser Art von Riffen zu
geben. Daher füllt Ehrenberg eine grosse Lücke in unsern
Kenntnissen von den Riffbauten aus. Das Ergebniss seiner
Beobachtungen ist folgendes: Die charakteristische Form
der Korallenriffe des rothen Meeres ist eine langgestreckte,
bandartige; ihre Richtung ist stets parallel mit der Küste,
selbst wenn sie sich von ihr weiter als gewöhnlich ent-
fernen. Niemals aber sind die Riffe hufeisen- oder ring-
förmig.!) Nirgends sind die Riffe auf der dem Winde
zugekehrten Seite erhöht, vielmehr konnte man mehreremal
ein schiefes Ablaufen nach dieser Seite beobachten. Sie
stimmen aber mit den Riffen der Weltmeere darin über-
ein, dass sie meist steil zum offenen Meer abstürzen und
manchmal über 100 Faden Tiefe an ihrem Rande zeigen.
Nach der Landseite hin nimmt die Tiefe immer allmählich
ab. Die Oberfläche aller Riffe läuft parallel mit dem Meeres-
spiegel, bei Fluth ist sie 1,—2 Faden unter dem Wasser,
bei Ebbe ragen hie und da einige Punkte soweit hervor,
dass sie von den anprallenden Wogen gerade noch über-
schwemmt werden. An keiner Stelle jedoch ist es zur
Inselbildung gekommen. Der Rand des Riffes ist stets
unregelmässig ausgebuchtet,?) aber seinem Gesammteindrucke
nach geradlinig.
Ueber die Verbreitung der Riffe im rotben Meere stellt
Ehrenberg fest, dass die Riffe dort, wo das Meer sehr
seicht ist, der Küste dieht anliegen und eine mit dem Fest-
lande unmittelbar zusammenhängende Felseinfassung bilden,
an andern Stellen dagegen etwas weiter vom Land entfernt
sind, so dass ein Bootskanal entsteht. Dieser ersten Riff-
reihe liegt häufig eine zweite hin und wieder unterbrochene
vor, welche zur Bildung eines bis 2 Faden (3,6 m) tiefen
Fahrwassers Anlass giebt. Zuweilen treten mehrere parallele
Reihen von Riffen vor die Küste. Im tiefen Meer fehlen
1) Walther bildet einige ringförmige Riffe aus dem Meerbusen.
von Suez ab. (Walther, die Korallenriffe der Sinaihalbinsel.)
2) Für die Atolle ist dasselbe erst viel später festgestellt worden.
Wegen der grossen Schwierigkeiten bei der Untersuchung ihres Randes.
musste man so lange darüber im Unklaren bleiben.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten, 293
die Riffe. Damit wies Ehrenberg einen geognostischen
Einfluss auf die Verbreitung der Riffe nach, der eine weitere
Bestätigung dureh die Wahrnehmung erhielt, dass die Riffe
dort sehr zahlreich waren, wo augenscheinlich infolge vul-
kanischer Thätigkeit Hebungen und Ausfüllungen des Meeres-
bodens stattgefunden hatten, sowie dass die Riffe selbst
überall, wo eine Untersuchung angestellt wurde, auf vul-
kanischem Gestein oder, wie in den meisten Fällen, auf
einem porösen Kalkstein ruhte, welcher zugleich fast alle
Inseln des rothen Meeres zusammensetzt. Auch die Er-
scheinung, dass die Inseln des Meeres die gleichen Tiefen-
verhältnisse wie die Riffe aufweisen, nach aussen zu steil
abstürzen, nach dem Lande zu aber infolge von Sand-
anhäufungen sanft dem Boden des Meeres zuneigen, dort
keine hier aber reichliche Korallenbekleidung tragen, spricht
dafür.
Zum gleichen Schlusse drängt auch die Betrachtung
der Vertheilung der Korallenthiere auf dem Riffe und die
Untersuchung der biologischen Bedingungen der Thbiere.
Ueberall stellte der Korallenkalk nur einen dünnen bis
höchstens 1!/, Klafter starken Ueberzug über das Grund-
gestein der Insel dar. Ein Aufeinanderwachsen wurde nur
bis zu drei Generationen bemerkt; nur selten fanden sich
zerstörte Korallenfragmente, auf denen andere Fragmente
eines später entwickelten und wieder abgestorbenen Stammes
standen, dessen Verzweigungen eine dritte lebende Generation
einer andern Gattung trug. Niemals war die Masse höher,
als dass nicht ein einziger Stamm derselben Gattung die
gleiche Höhe hätte erreichen können. Niemals fanden sich
Korallenstöcke, die vollständig von Sand verschüttet ge-
wesen wären, so dass die todten Theile durch den Sand
unverletzt umhüllt worden wären, wie das Flinders bei
den gehobenen Riffen Australiens der Fall zu sein schien.
Auch konnten lebende Korallen aus keiner grössern Tiefe
als 6 Faden gezogen werden und ‚in der Lebensthätigkeit
der Korallenthiere schien ihm etwas kräftig Abstossendes
gegen parasitische Formen ihrer eignen Klasse zu liegen‘.
Zwar fand er oft andere Thiere an den Korallenstöcken,
294 Leopold Böttger:
namentlich Balanen, doch niemals andere Arten von
Korallenthieren.
Von den übrigen Beobachtungen, die Ehrenberg über
die Daseinsbedingungen der Korallenthiere machte, sind
noch hervorzuheben, dass diese Thiere niemals an steilen
Wänden vorkommen, dass der bewegte Sand sie abtödtet,
ihre Verbreitung daher von der des festen Bodens abhängig
ist, dass die Brandung ihrem Wachsthum förderlich ist,
Beobachtungen, die zwar meist schon vor ihm von andern
gemacht worden waren, die aber erst durch ihn eine sichere,
unumstössliche Unterlage erhalten haben.
Den allgemeinen Eindruck seiner Untersuchungen fasst
Ehrenberg dahin zusammen, dass ihm die „Korallen nicht
als Schöpfer neuer Inseln, sondern vielmehr nur als Erhalter
derselben“ erscheinen.
Wenn Ehrenberg auch weit entfernt war, die Resultate
seiner Studien an den Riffen des rothen Meeres ohne Weiteres
auf alle Korallengebiete auszudehnen, so war es doch selbst-
verständlich, dass er sich in seiner Ansicht über die Ent-
stehung der Atolle den Vertretern der Vulkantheorie anschloss.
Die Ansicht Forsters, dass sich die Korallenthiere feste
Wände gegen die tobende Brandung bauen, konnte er als
Zoologe am wenigsten anerkennen. Schon die eigenthüm-
liche Struktur der Thiere, bei denen der weiche Körper
nach aussen liegt, war ihm ein sicherer Beweis für die
Unhaltbarkeit der Forster’schen Theorie. Endlich ist noch
zu bemerken, dass Ehrenberg die grosse Mächtigkeit fossiler
Korallenlager aus der Anhäufung angeschwemmter Korallen-
bruchstücke erklärte, da er das Aufeinanderwachsen von
Korallenstöcken für unvereinbar mit seinen physiologischen
Erfahrungen über die Thiere hielt.
Fassen wir die Resultate der Ehrenberg’schen Forsch-
ungen zusammen, so ergiebt sich, dass der eifrige und
scharfblickende Zoologe zwar kein neues fundamentales
Prinzip für die Beurtheilung der Bildung von Korallenriffen
aufzustellen vermochte, dass er aber fast alle schwebenden
Fragen zu einem vorläufigen Abschluss brachte. Was vor-
her oft nur vermuthet oder nur mit dürftigen, wenig stich-
haltigen Gründen belegt wurde, machte er zur Gewissheit
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 295
oder widerlegte er endgiltig und wo keines von beiden
möglich war, sammelte er ein Beobachtungsmaterial, das
die strittige Frage in ein helleres Licht setzte und sie der
Lösung näher brachte.
Nicht lange nachdem Ehrenberg uns mit dem Bau der
Korallenriffe im rothen Meere bekannt gemacht hatte,
erhielten wir eine genaue Beschreibung eines gehobenen
Atolls, der Bermudas im atlantischen Ozean. In einer
scharfsinnigen Untersuchung weist der englische Geologe
Nelson!) nach, dass sich sämmtliche über dem Wasser
gelegenen Rifftheile, welche hier bis 260 Fuss (79 m) an-
steigen, durch die Thätigkeit der Winde entstanden sind,
demnach nicht, was man bis dahin annahm, eine Niveau-
veränderung beweisen.
Ein langjähriger Aufenthalt auf den Riffinseln der
Bermudas liess ihn noch manche andere werthvolle Be-
obachtung machen, von denen die auffälligste, weil mit
den von mehreren seiner Vorgänger gemachten Wahr-
nehmungen in Widerspruch stehende die ist, dass „sich die
jungen Korallen (germs), wie meine eignen Beobachtungen
mich zu behaupten fähig machen, unbekümmert um die
Unterlage, welcbe sie finden, sich daran festsetzen“.2) Bis
dahin galt es infolge der Angaben Ehrenbergs als eine
sichergestellte Sache, dass nur ein fester Felsboden den
Korallenthieren eine Ansiedlung gestattet, dass Sand aber
immer tödtlich wirkt, und heute ist man noch derselben
Meinung. Schon oben ist darauf hingewiesen worden, dass
Chamisso, der uns zuerst Mittheilungen über diese Frage
macht, vorsichtig genug war, seine Beobachtungen nicht
zu verallgemeinern, da er jedenfalls auch direkte Beweise
für das Gegentheil hatte. Wenigstens spricht er sich in
der darauf bezüglichen Stelle so bestimmt aus, dass man
es bei seiner Zurückhaltung gegenüber halbbewiesenen An-
sichten annehmen muss. Ueber die Anlage neuer Kolonien
hatte vor Nelson noch keiner, selbst nicht Ehrenberg, direkte
Beobachtungen gemacht. Die Ansicht, dass nur ein felsiger
1) Nelson. On the Geology. of the Bermudas, Trans. Geolog.
Soc. London. 2d Series. Vol. IV. 1837. S. 108.
2)a a2 02.5192.
296 Leopold Böttger:
Untergrund die Bedingungen zur Niederlassung der Korallen-
larven biete, gründet sich allein auf die Wahrnehmungen
an bereits bestehenden Kolonien. Auch späterhin, bis auf
den heutigen Tag, hat Niemand wieder darüber Mittheilungen
gemacht!), und doch wäre es sehr wünschenswerth, über
diesen Vorgang Näheres zu erfahren, da manche Frage
davon beeinflusst wird.
Auch über die Entstehung der Atollform trägt uns
Nelson eine Ansicht?) vor. Er denkt sich die Bildung
dieser Inseln in folgender Weise: In der Zone zwischen
dem 32.— 34. südlicher und nördlicher Breite, wo die riff-
bauenden Thiere in grossen Mengen vorkommen, werden
die von einer Meeresströmung mitgetragenen, anorganischen
Theile abgestorbener Thiere an einem innerhalb des Bereichs
der Wasserbewegung etwa befindlichen Felsen allmählich
erhöhen. Ist der Felsen mit seiner Oberfläche bis in die
Tiefe, in welcher Korallen gedeihen können, heraufgebracht
worden, so setzen sich die in der Strömung flottirenden
Keime der Korallenpolypen an ihn an und zwar im All-
gemeinen in grösserer Menge an den Abhängen der Kuppe
als auf dem Plateau, über die sie von dem strömenden
Wasser zum grössten Theil hinweggetragen werden. Da die
meisten Riffkorallen ein verticales Wachsthum haben, so
wird der äussere Rand des Felsgipfels bald das innere
Plateau an Höhe überragen, und es wird ein Bild ent-
stehen, das dem eines Atolls vollkommen gleicht, ein Wall
von Riffkorallen umschliesst einen innern See. Die Bermudas
stehen in einem Ausläufer des Golfstromes, dessen Sink-
stoffe auf einem Felsen einen Kegel aufschütteten, welcher
den Korallenthieren zur Basis diente, um ihre Bauten auf-
zuführen. Als die atmosphärischen Einflüsse den Thieren
ein Weiterbauen versagten, hob sie der Wind über den
Spiegel des Wassers und half den Thieren neue Gründe
bilden, so dass die Inseln in einem beständigen Wachsthum
sind. Bei einer Fortsetzung dieses Prozesses, meint Nelson,
1) Neuerdings hat Sluiter im biologischen Zentralblatt vom
15. Febr. 1890 höchst bemerkenswerthe Beobachtungen über diesen
Gegenstand veröffentlicht.
2)Ear a..088°4122:
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 297
können noch viel grössere Distrikte landfest gemacht werden
als dies bei den Bermudas der Fall gewesen ist.
Diese Hypothese über die Entstehung der Atolle nähert
sich sehr der in unserer Zeit von Rein, Murray, Guppy und
Agassiz vertretenen, in welcher gleichfalls die Beschüttung
bereits bestehender Untiefen zu Hülfe genommen wird, um
einen genügenden Riffgrund zu schaffen. Die Idee Nelsons,
die Ringform der Atolle aus der Annahme zu erklären,
dass der Rand eines unterseeischen Plateaus die meisten
Thierkeime empfängt, ist von keinem seiner Nachfolger
wieder aufgenommen worden, vielmehr haben sich alle für
die von Eschscholtz ausgesprochene Erklärung des Ring-
walls entschieden. Die Gründe, die gegen Nelsons Annahme
sprechen, sind folgende: Aus einer Aufschüttung fein ver-
theilten Materials resultirt immer ein Kegel. Da die Spitze
zuerst die Zone der riffbauenden Korallen erreicht, muss
auch sie zuerst besiedelt werden; die Anhäufung der auf
ihr absterbenden Thierleiber lässt sie in rascherem Tempo
wachsen als die übrigen Theile des Riffes; daher muss sie
auch zuerst die Oberfläche des Wassers erreichen: es kann
also keine Lagune unmittelbar entstehen. Zweitens wird
die an den Rändern nagende Brandurg den sich ansiedeln-
den Thieren viel grössere Hindernisse entgegensetzen als
das langsam strömende Wasser auf dem Plateau. Nelsons
Hypothese von der Entstehung der Atolle gerieth rasch in
Vergessenheit als Darwin im Jahre 1839 in seiner „Reise
eines Naturforschers um die Welt“ und 1842 ausführlicher
in „The Structure and Distribution of Coral Reefs“ seine
geistvollen Ansichten über diesen Gegenstand veröffentlichte.
Hiermit haben wir aber die Grenzen der historischen
Gegenwart erreicht. Für die jenseits dieser Grenzen liegen-
den Vorgänge genügt eine tabellarische Uebersicht, die ich
an eine Rekapitulation des im Vorhergehenden behandelten
Stoffes anschliessa.
298 Leopold Böttger:
Tabellarische Uebersicht der Geschichte unserer
Kenntnisse und Meinungen der Korallenbauten.
I.Die animistische Auffassung derKorallenriffe.
II.GeschiechteunsererKenntnissevondenKorallen-
bauten bis zum Jahre 1778. Man betrachtet die
Korallenriffe vom praktischen Standpunkte
aus.
Im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt. Plinius
hält die Riffe für Wälder.
1540. Dom Juan de Castro beschreibt die Rifte des
rothen Meeres.
1616. Pyrard beschreibt die Maledivenatolle.
1638 tritt bei Linschoten der Begriff „Korallenfels“
zum ersten Mal auf.
1702 äussert sich Strachan über die felsbildende Thätig-
keit der Korallen.
1721 bereist Thomas Shaw das rothe Meer.
1769 Dalrymple erklärt die Riffe für Produkte der An-
schwemmung von Korallenbruchstücken.
1775 Peter Forskal beschreibt die allgemeine Erschein-
ung und Verbreitung der Riffe im rothen Meere.
Die um die Mitte des 15. Jahrhunderts unternommenen
Weltumseglungen stellen die weite Verbreitung der
Riffe Test.
IIl. Geschichte der Korallenriffe vom Jahre 1778
bis zur Gegenwart: Periode der wissenschaft-
lichen Betrachtung der Korallenriffe.
A. Periode der teleologischen Auffassung der
Riffe. 1773— 1822.
1783. Forster erklärt die Ringform der Atolle als Produkt
der Triebhaudlungen der Korallenthiere.
1785. Cook macht Beobachtungen über das Wachsthum
der Riffe und Riffinseln.
1806. Barrow stellt die ersten Versuche an, die Mächtig-
keit des Korallenlagers auf einer niedrigen Insel
zu messen.
1814. Flinders beschreibt das grosse australische Wallriff.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 299
1816. Pe&ron bestimmt die Grenzen der geographischen
Verbreitung der Korallenriffe.
1821. Chamisso untersucht die geologischen Verhältnisse
am Radakatoll und macht Beobachtungen über die
Lebensbedingungen der Korallen, über Flora und
Fauna der Riffinseln.
1821. Eschscholtz erklärt die Entstehung der Lagune.
B. Gesehiehte der Korallenriffe unter der
Herrschaft der Vulkantheorie.
1822. Steffens erklärt die Atolle für Krönungen sub-
mariner Vulkane.
1825. Quoy und Gaimard erkennen, dass die Korallen-
thiere nur in geringer Tiefe zu leben vermögen.
1828. Lesson und Garnot sprechen sich für die Vulkan-
theorie aus.
1831. Barrow spricht sich für die Vulkantheorie aus.
1832. Lyell zieht Veränderungen im Meeresniveau herzu,
um die Tiefenverhältnisse an den Atollen zu er-
klären.
Ainsworth verwendet die Strömungen des Meeres,
um die Tiefenverhältnisse am Riff zu erklären.
1832. Beechey vermisst 30 Koralleninseln auf und giebt
nähere Mittheilungen über die Morphologie der Riffe.
1834. Ehrenberg beschreibt die Küsten- und Barierriffe
des rothen Meeres.
1837. Nelson stellt eine neue Erklärung der Lagunen-
bildung auf.
C. Aeusserungen zu der Entstehung der Korallen-
riffe aus der Gegenwart.
1839. Darwin erklärt die Atolle mit Hülfe säkularer
Senkungen.
1856. Le Conte betont den Einfluss der Meeresströmungen
bei Bildung von Riffinseln.
1863. Semper erklärt die Wallriffe und Atolle mit Hülfe
von Strömungen während einer Periode der Hebung.
1870. Rein erklärt die Atolle für Krönungen submariner
Berge, welche durch Aufschüttung organischer Reste
300
Leopold Böttger:
bis zur Zone des Wachsthums der Korallen ge-
stiegen sind.
1870. Agassiz beschreibt die landschaffende Thätigkeit
der Korallen an der Halbinsel Florida.
1879. Murray erklärt die Lagune mit Zuhülfenahme der
auflösenden Kraft des Meerwassers gegenüber dem
kohlensauren Kalk.
Anhane.
Zusammenstellung der Literatur, welche die
8.
Entstehung der Korallenriffe behandelt,
vom Jahre 1842 an.')
Ch. Darwin: The Structure and Distribution of Coral
Reefs. 1842. Zweite Auflage 1874. Dritte Auflage,
herausgegeben von Bonney mit eirem Anhang vom
Herausgeber 1889.
R. v. Lendenfeld: Darwins Korallenriffe. Referat
über den Anhang zur dritten Auflage von Darwins
Schrift. (No. 1 in diesem Verzeichniss.) Biolog. Central-
blatt. B. 9. 1889. S. 564.
Al. v. Humboldt: Ansichten der Natur. Taschen-
ausgabe. Stuttgart 1871. S. 217.
J. Dana: On Coral reefs and islands. New- York 1853.
London. 1872 und 1883.
J. Dana: Report on Geology. U. S. Expl. Exped.
S. 156. 1849.
Le Conte: On the agency of the Golf-Stream in the
formation of the peninsula and the Keys of Florida.
Albany. 1856. Proc. Amer. Assoc. X. 1856. p. D.
3.103.
L. Agassiz. On the physical condition of the Florida
reef. Merc. Mar. Mag. 1870. S. 289.
J.B. Hunt: Silliman Journal. XXXV. 1863. S. 388.
1) Dieses Verzeichniss macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
10.
Geschichtliche Darstellung ete. von den Korallenbauten. 301
Conthony: Boston Journ. Nat. Hist. IV. 1845—1844.
S. 137. Proc. of Boston. Soc. Nat. Hist. Januar
1842. 'p. 50.
A. Agassiz: On the Tortuga and Florida reefs
Transaet. of the Amer. Soc. Vol. XI. Mem. of the
American Acad. of Arts and science 1885. Neu Series.
IE PIOT.-
Al. Agassiz: Three cruises of the Steamer Blake.
Vol. 1.
Semper: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie.
B13. 1863. 943563:
Semper: Die Philippinen und ihre Bewohner. 1869.
Ss. 100—109 und S. 19 — 33.
Semper: Die natürlichen Existenzbedingungen der
Thiere. I. II. S. 37 und folgende.
Semper: Verhandl. der phys.-med. Gesellschaft zu
Würzburg. 1868. Sitzung vom 1. Febr.
Rein: Jahresbericht der Senkenberg’schen natur-
forscherden Gesellschaft. 1870. S. 158.
Rein: Verh. des ersten deutschen Geographentags.
1881. Die Bermudasinseln und ihre Korallenriffe.
Wilkes: Narrative of the United States Expl. Exped.
701042597208.
Murray: The Structure and Origin of the Coral Reefs
and Islands. Proc. of the Royal. Soc. Edinburg.
Vol. X. 1879—1880. S. 505.
Geikie: Proc. Edinb. Royal. Philos. Soc. B.8. 1883.
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Ausserdem finden sich Bemerkungen über die Entstehung
der Korallenbauten in fast allen Lehr- und Handbüchern
der Geologie und Geographie.
Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaguis,
an der Ostküste Brasiliens.
Von
Dr. Wohltmann.
Im südwestlichen Theile des Meerbusens Sao Francisco
do Sul (Bundesstaat St. Catharina) liegen vor Beginn der
Lagoa de Saguassu mitten in Mangrove-Sümpfen, die von
der Fluth noch theilweise unter Wasser gesetzt werden,
mehrere kleine inselartige Bodenerhebungen. Schon von
weitem sind dieselben durch ihren Baumwuchs erkennbar,
welcher von der niedrigen Sumpfvegetation absticht. Die
Bodenerhebungen ruhen meistens auf Gneiss, Granit und
Diorit dem Grundgestein der naheliegenden Serra do Mar,
doch erhebt sich daselbst aus der Sumpfniederung auch
ein Bergzug, welcher in röthlichem Thon eingelagert hoch-
prozentisches Manganeisengestein enthält, das rein oder
mit Thon oder Quarz oder Granit verwachsen dort fast
zu Tage liest.
Auf mehreren der inselartigen Erhebungen des sumpfigen
Unterlandes liegen nun jene kleineren oder grösseren
Muschelberge, die wegen ihrer Bauart, Höhe und der in
ihnen enthaltenen zahlreichen Spuren menschlicher Thätig-
keit von ganz besonderem Interesse sein dürften.
Schon seit einer längeren Reihe von Jahren finden die
Muschelberge wirthschaftliche Verwerthung und werden
abgebaut, um die dortige Gegend und auch die grösseren
Plätze an der Küste bis Rio hinauf und hinab bis Desterro
mit Baukalk zu versehen. Zwei der grössten Hügel sind
bereits zur Hälfte zu Kalk verbrannt, von einem dritten
grösseren, welchen ich nicht besuchen konnte, wird das-
Zeitschrift f. Naturwiss, Bd. LXIII. 1890. 20
306 Dr. Wohltmann:
selbe gesagt, ein vierter am Rio Velho ist bereits um !/ıo
seiner Masse verringert. Der Abbau dieser Berge gestattet
einen sehr schönen Einblick in das Innere derselben und
die zwei beigegebenen Tafeln bieten ein recht an-
schauliches Bild ihrer Struktur.
Auf der kleinen Insel, welche bei Fluth aufgenommen,
durch die Tafel IV. dargestellt wird und welche
unmittelbar am Meeresbusen liegt, zählte ich 2 grosse
(links und rechts auf dem Bilde) und 2 kleine Muschel-
berge. Der grosse angebrochene Hügel (links auf dem
Bilde) ist ca. 12 Meter hoch und hat einen Durchmesser
von ca. 50 Meter, der rechtsseitige ist etwas kleiner. Die
kleinern Muschelhügel auf dieser Insel sind einwärts ge-
legen und von unbedeutender Höhe, der eine jedoch recht
lang gestreckt. Auf einer andern inselartigen Erhebung
befindet sich ein gleichfalls zum Kalkbrennen in Angriff
genommener Muschelberg von der beträchtlichen Höhe
von 20 Meter und einem Durchmesser von 60 Meter.
Tafel V. stellt ihn dar. Einen andern grossen Hügel er-
blickte ich in der Nachbarschaft am Rio Velho nicht weit
von dem genannten; ausserdem sollen dort in der Um-
gebung noch mehrere kleine Hügel auf den Bodenerhebungen
im Sumpflande zerstreut vorhanden sein.
Die Berge bestehen aus reinen Muschelschalen und
Muscheln, welche, wie die Tafeln scharf erkennen
lassen, schichtweise übereinander liegen. Die Muscheln
gehören verschiedenen Arten an, und bald bestehen die
einzelnen Schichten aus reinen Austermuscheln oft von
riesiger Grösse, bald aus kleinen Seemuscheln. Sehr oft
sind jedoch die Schichten gemischter Natur. In denselben
waren zumeist vertreten*): ;
Östrea rostrata, Ostrea virginica Gmel., Östrea parasitica
Gmel., Anomalacardia antiquitata L., Cardium muricatum.
Dosinia eoncentrica Born, und besonders auch die kleine
Oryptogramma brasiliana Gmel.; ferner fanden sich
*) Die Bestimmungen verdanke ich der Freundlichkeit des
Herrn Otto Goldfuss-Halle, dem ich hiermit besten Dank
ausspreche.
Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis. 307
Murex turbinatus und Bulimus oblongus in und an den
Hügeln.
Die Schichtung der Muscheln ist insofern eigenthümlich,
als dass dieselbe nicht in regulären Linien durch die ganze
Tiefe der Hügel zu verlaufen pflegt, sondern derart, dass
sie auf verschiedene Kern- oder Anfangspunkte hindeutet,
und deutlich angebaute Theil- und Ueberbauten erkennen
lässt, wie die Tafeln scharf wiedergeben.
In dem grösseren Hügel von 20 Meter Höhe
(Tafel V.), welcher auch einen Anbau hat, laufen die untern
bis mittleren Schichten in Folge des starken Druckes von
oben nicht in gewölbter oder gerader Linie sondern in
nach unten gesenkter. An diesem grossen Kalkhügel zählte
ich im Durchschnitt ca. 15 Schichten auf 1 Meter, danach
beläuft sich der Aufbau des mittlern Kegels bei seiner
Höhe von 20 Meter auf ca. 300 Schichten. Und rechnet
man, dass jede Schicht ein Jahr repräsentirt, so stellen
diese 300 Schichten 300_Jahre dar, und der ganze Berg
mit den Anbauten ca. 600 Jahre. Nirgend sind die Muscheln
fest in einander verwachsen, sondern unverbunden auf
einander gelagert, so dass man sie mit einem hakenähn-
lichen Instrumente leicht von einander trennen kann. Fast
alle Muscheln sind mehr oder minder gut erhalten, aber
geöffnet und getheilt, nur die ganz kleinen der Orypto-
gramma brasiliana finden sich häufig noch geschlossen.
Und nun zur Entstehung dieser Muschelberge oder richtiger
wohl Muschelschalenberge!
Die Muschelberge sind nicht ausschliesslich dem Bundes-
staat St. Catharina eigenthümlich, sondern finden sich häufig
an der brasilianischen Küste, ebenso auch an der Süd-Ost-
küste Nordamerikas, und besondersin dem südlichen Bundes-
staat Rio Grande do Sul. Eigenartig dürften diejenigen St,
Catharina’s vielleicht insofern sein, als sie eine besonders
auffallende Höhe besitzen.
In der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesell-
schaft am 11. Januar 1890 wurde ein Schreiben des Herrn
evangel. Pastor Kunert in Forromecco, Municipio de Sao
Joao do Monte negro in Rio Grande do Sul, an Herrn
Professor Dr. Fabri, Godesberg, verlesen, welches Rio
20*
308 Dr, Wohltmann:
Grandenser Alterthümer behandelt und zu Anfang auch die
Muschelberge daselbst berührt. Es heisst in dem Bericht
der Verhandlungen vom 11. Januar:
„Seit etwa 50 Jahren hat man hie und da angefangen,
Sammlungen anzulegen von den bisher unbeachteten Stein-
und Thon-Geräthschaften der Urbewohner dieser Provinz,
deren Steinzeit eigentlich bis zu ihrer kürzlichen Ver-
drängung nach Norden fortdauerte. Man kann, wenn man
aus allen Gegenden eine Anzahl von Funden studirt, 2
Hauptstämme unterscheiden, nämlich Campo- und Wald-
indianer und drittens die Muschelleser der Seeküste. Man
ist geneigt, das Zeitalter der Muschelleser möglichst weit:
zurückzulegen, womöglich in die Zeit der dänischen und
erönländischen Kjökkenmöddinger und demgemäss auch
jene elenden Muschelleser als die eigentlichen Urbewohner
zu betrachten. Diese Ansicht ist aber bis jetzt noch nicht:
mit sichern Gründen unterstützt, nicht einmal die, ob die
Waldindianer wirklich eine von den Muschellesern verschie-
dene Rasse seien.
Die Hinterlassenschaft jener Muschelleser besteht näm-
lich in einer grossen Anzahl mehr oder weniger verwitterter:
Haufen von Muschelschalen, weiche an den Salzsümpfen.
der flachen Seeküste in den Dünen eingebettet liegen.
Unter jenen Küchenabfällen finden sich Menschenknochen,
theils ziemlich vollständige Gerippe in natürlicher Lage,
theils unvollständige Menschenreste. Man schliesst daraus,
dass jene Stämme ihre Leichen unter den Nahrungsabfällen
begraben haben. Jedenfalls spricht nichts dafür, dass sie-
vorher das Fleisch gegessen haben. Die gefundenen Urnen,,
Töpfe und Steinwaffen unterscheiden sich in nichts von
den Funden aus der Waldregion dieser Provinz, nur sind
sie spärlicher. Es finden sich sogar bemalte Topfscherben,
die der neueren Zeit angehören. Immerhin ist es wahr-
scheinlich, dass man an jenen Stellen die Spuren der Ur-
bevölkerung am leichtesten bis in die ältere Zeit verfolgen.
kann.“ —
Trotzdem noch mannigfach Zweifel an der Entstehungs-
art dieser Muschelberge durch menschliche Thätigkeit er--
0)
Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis. 309
hoben werden und man dieselbe unter Anderem auf Meeres-
spülung, Wasserwirbelung oder dergl. zurückzuführen sucht,
so muss doch jeder derartige Einwurf demjenigen hinfällig
erscheinen, welcher an Ort und Stelle in dieselben Ein-
sicht nehmen konnte.
Ich denke mir die Entstehung dieser Berge in St.
Catharina folgendermassen:
In früherer Zeit, vielleicht noch vor 200 Jahren sind
die Indianer des Landes (die Buger des Botokudenstammes)
von dem ca. 8- bis 900 Meter hochliegenden Hochlande
alljährlich und regelmässig zum Fischen und Muschelsuchen
an die See gekommen, höchstwahrscheinlich im Winter,
wenn es auf dem Hochlande reift und sogar leicht friert
(bis zu—5°C.) und auch das Wild an die wärmere niedrige
Küste zieht. Noch heute sind jene Indianer dort anzutreffen,
nicht sesshaft, sondern als wandernde Völkchen in kleineren
und grösseren Trupps. Zuweilen überfallen sie die Kolo-
nisten, und ich selbst stiess in den noch mit dichtem Ur-
wald bestandenen obern Thälern des Itapocü, Jaragua und
Rio da Serra auf meinen Expeditionen zuweilen auf Spuren
ihrer kürzlichen Anwesenheit daselbst oder durchquerte
ihre deutlich zu erkennenden Pfade. Noch vor nicht langer
Zeit beunruhigten diese Indianer häufig die Kolonisten und
es wurden förmliche Jagden auf sie unternommen, die auch
einmal den Erfolg einer Ueberrumpelung in ihrem Lager
aufzuweisen hatten. Meine schwarzen und brasilianischen
Begleiter hatten auf meinen Expeditionen häufig Furcht
vor nächtlichen Ueberfällen und begannen regelmässig,
wenn die Hunde des Nachts anschlugen, eine starke
Kanonade in die düstere Umgebung, um die vermeintlichen
Indianer abzuschrecken. Diese Indianertrupps ziehen regel-
mässig, nachdem sie im Herbst die Früchte der Araucaria
brasiliana des Hochlandes eingesammelt, in die Küsten-
gebirge der Serra do Mar und nähren sich dort, wo die
Kolonisation noch nicht vorgedrungen, von Jagd und Fisch-
fang in den fischreichen Flüssen, welche ihrer heute sehr
geringen Zahl reichliche Nahrungsmittel bieten. Es er-
scheint mir nun vollständig erklärlich und naturgemäss,
dass sie in jenen Zeiten, als die Europäer und Brasilianer
310 Dr. Wohltmann:
jene Gegenden noch nicht occupirt hatten, ihre Wanderungen
bis ans Meer ausdehnten. Sie haben sich dann wohl für
die Wintermonate auf den kleinen felsigen Erhebungen des
Unterlandes in unmittelbarer Nähe der Küste eingerichtet
und sich vornehmlich von Fischen und Muscheln ernährt.
Da die Bodenerhebungen inmitten der sumpfigen Mangrove-
Vegetation nur sehr geringen Raum bieten, und die Muschel-
schalen in die nackten Füsse schneiden, so haben sie die-
selben zusammengehäuft und aus kleinen Anfängen sind
Hügelcher und schliesslich Berge bis zu jener Höhe von
20 Meter entstanden. Vermuthlich verfuhren sie dabei
folgend: Wenn der Fang oder die Sammlung der Muscheln
vollzogen, hat man die Beute oben auf die Muschelhügel
eingeheimst, dort sind die Muscheln mittelst Steinen auf-
geklopft, zubereitet und gebacken oder geröstet. Für das
letztere sprechen besonders die vielen kleinen Kohlen-
stückchen, die sich zwischen den Muscheln finden. In der
Provinz Angola südlich von St. Paul Loanda (West-Afrika)
erinnere ich mich, Neger gesehen zu haben, deren Frauen
dasselbe Geschäft des Muschelaufklopfens am Meeresufer be-
sorgten und schon meterhohe langgestreckte Muschelschalen-
hügel vor sich liegen hatten. Die entschalten Thiere wurden
alsdann, wenn ich richt irre, mit Farinha-Mehl zerrieben und
der also entstandene Teig am Feuer geröstet. Aehnlich ver-
fuhren wahrscheinlich die Indianer in St. Catharina. Zwischen
den Muschelschalen sind häufig rundliche oder längliche
Steine aufgefunden, an denen man deutlich Griff-, Stoss-
und Reibseite erkennen kann; ich habe deren eine grosse
Anzahl gesammelt. Auf der Spitze des grössten 20 Meter
hohen Hügels sind ferner 2 grosse Steinplatten aufgefunden,
die ganz charakteristisch erkennen lassen, dass sie als
Reibschale gedient. Die Steine (Gneis) waren jedoch so
gross, dass sich nicht nur eine, sondern mehrere glatte
flache Höhlungen auf denselben befanden, so dass wohl
mehrere Personen gleichzeitig an einem Steine arbeiten
konnten. Die kleinen Hand-Reibsteine bestanden aus Gneis,
Granit und Diorit, welehe Gesteine im Unterlande von St.
Catharina häufig an den Tag treten und speziell dort, wo
die Muschelberge angelegt waren.
Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis. 311
Ausserdem befinden sich in den Muschelhügeln eine
verhältnissmässig grosse Anzahl alter Steinwaffen, nament-
lich Steinäxte, von denen ich einige prachtvolle Exemplare
einsammeln und mitbringen konnte. Ebenso wie die oben-
genannten Küchensteine, so sind auch die Waffen zumeist
aus Gneis, Granit und Diorit. Nur eine sehr gut erhaltene
breite Steinaxt ist aus Kalkstein (Dolomit) und liefert den
Beweis, dass die Indianer mit dem Hochland in Berührung
kamen, denn nur dort finden sich Kalknester, und zwar
sind sie heute nur in dem Bundesstaat Parana bekannt.
Das Unterland in der Nähe der Muschelberge ist durch-
weg sehr kalkarm — der Boden enthält in Maximo nur
0,1—0,21%, CaO, und ebenso weisen die sämmtlichen
Gewässer der Serra do Mar in jener Gegend im Mittel
kaum 1 Härtegrad auf.
Diese Funde, Kohlenpartikelehen, menschliche Geräthe
und Waffen, dann die Thatsache, dass die meisten Muscheln
als getheilte Schalen und in einer Weise geschichtet da-
liegen, welche natürlich nicht erklärt werden kann, dürften
wohl jedweden Zweifel beseitigen, dass die Muschelberge
anders als durch menschliche Thätigkeit entstanden sind,
und dass die Bildung derselben durch die Natur absolut
ausgeschlossen ist. Fernere Beweise hierfür liegen auch
darin, dass zwischen den Muschelschalen häufig Fischwirbel
und sogar Menschenknochen zu finden sind — menschliche
Unterkiefer mit noch gut erhaltenen Zähnen fand ich unter
Anderem. — Unter welchen Umständen letztere dort zur
Ablagerung gekommen, ob in Folge von Menschenopfer
oder als zurückgelassene Leichen, dürfte wohl schwer auf-
zuklären sein.
Ausserdem fand ich in unmittelbarer Nähe der auf
Tafel IV. dargestellten Muschelberge noch folgende
hochinteressante Merkmale menschlicher Thätigkeit. An
2 Stellen nahe am Wasser vor dem linken und vor dem
rechten Muschelberge traten Gneis- und Granitblöcke in
einer mehr oder minder breiten Fläche sich erhebend offen
zu Tage. Dort befanden sich nun in dem Felsen ungefähr
12 schalenmässige, ganz glattgeriebene mehr oder minder
grosse Einhöhlungen, und -ferner in einem besonders zum
312 Dr.Wohltmann: Ein Beitrag zu den Muschelbergen, Sambaquis.
Schärfen gearteten Gestein längliche tiefe Einschnitte,
deutliche Einreibungen, die ohne Zweifel erkennen liessen,
dass an jenen Stellen die Indianer ihre Geräthe und Waffen
hergestellt und geschliffen. Ich zählte ca. 5 dieser ersten
Maschinenwerkstätten Südamerikas.
Nahezu !/, der Masse der jetzt bekannten Muschel-
berge an der Bucht von Sao Francisco do Sul dürfte wohl
bereits der modernen Kultur zum Opfer gefallen sein, und
wenn mit ihrer Aufräumung in der bisherigen Weise fort-
gefahren wird, dann ist die Zeit nicht allzufern, in der
sie und mit ihnen ein gut Stück indianischer Kulturgeschichte
vom Erdboden verschwunden sind.
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En
Die Einwirkung des Blitzschlages auf verschiedene
Baumarten.
Von
Dr. Schmidt
Privatdocent der Physik in Halle.
Die Einwirkungen des Blitzschlages in Bäume sind Ge-
setzmässigkeiten unterworfen, die sich zum Theil aus phy-
sikalischen Anschauungen ableiten lassen; dieselben er-
strecken sich einmal auf die Häufigkeit der Einschläge,
durch die bestimmte Baumarten sich vor anderen auszeichnen,
dann aber auch auf die Spuren, die der Blitzschlag hinterlässt.
Der am meisten vom Blitz bevorzugte Baum ist die
italienische Pappel (populus italica). Dieselbe gedeiht
am besten in feuchtem Boden und erstreckt ein verzweigtes
Wurzelsystem weit durch denselben hin. Ihr Holz ist weich
und das Gewebe reicher als das anderer Baumarten mit
Wasser angefüllt, eine weitverästelte Krone mit zahlreichem
Laubwerk entspricht dem gliederreichen Wurzelsystem.
Die Eiche ist es darnach, welche der Gefahr des
Blitzschlages besonders ausgesetzt ist. Auch sie liebt feuch-
ten Boden und entwickelt in demselben eine kräftige Wurzel-
bildung. Ihr Holz aber ist kernig und fest.
Ueber die anderen Baumarten liegen zu wenig Be-
obachtungen vor, um darüber Gesetze in dieser Beziehung
aufzustellen. Zu erwähnen ist die Seltenheit der Blitz-
schläge in die Buche; ferner der Umstand, dass Laubhölzer
grössere Anziehung auf den Blitz haben als Nadelhölzer.
Letztere in grösseren Beständen angepflanzt, scheinen nur
in seltenen Fällen stärkere Blitzspuren zu zeigen.
314 Dr. Schmidt:
Die Spuren und Folgen des Blitzschlages sind bei den
verschiedenen Baumarten sehr verschieden, innerhalb der
Art zeigt sich eine regelrechte Wiederkehr der Erscheinung.
Bei der italienischen Pappel beobachtet man die
Spuren des Blitzes nur an dem eigentlichen Stamm. Die
Krone bleibt unversehrt, die Blätter bleiben grün und ge-
sund, die Aeste und Zweige zeigen keinerlei Risse und
Sprünge. Dagegen findet man am eigentlichen Stamme einen
bis zu 1—2 Decimeter breiten Sprengstreifen, die Rinde ist
weggerissen, der Holzkörper blosgelegt. Colladon berich-
tet auch von einigen tiefen Spalten, die in der Längs-
richtung am blosgelegten Holzkörper sich zeigten.
Auch bei der Weide habe ich kürzlich beobachtet, dass
der Blitz die Blätter und Aeste der Krone unversehrt lässt
und seine Spuren erst etwa 4 m unterhalb der höchsten
Spitze — wo die Stammbildung stärker wird — zu finden
sind. Von dort ab lief ein Sprengstreifen, der allerdings den
Holzkörper nicht blosgelegt, sondern nur die äussere Rinde
entfernt, den Bast unterhalb derselben vom Holzkörper ge-
löst, zerfasertt und in der Mitte zerrissen hatte. Bei
diesem Baume war der getroffene Ast an der Gabelungs-
stelle abgebrochen und unter starker Splitterbildung zu
Boden gestürzt.
Bei der Eiche verlaufen die Blitzspuren bis in die
höchste Krone, schon hier beginnt der Sprengstreifen, der all-
mählich breiter werdend bis zur Wurzel verläuft. Der
Holzkörper ist blosgelegt und häufig findet man Rillen aus-
sehöhlt, die I—2 em tief in denselben eindringen und deren
Zahl bis zu 4 (in einem von mir beobachteten Falle) steigt.
Die Faserstränge sind hier zerrissen und hängen theilweise
in langen Fäden am Stamme herunter, theilweise sind die
Bestandtbeile fortgeschleudert und auf dem Boden rings
zerstreut.
Der Sprengstreifen und die Rillen laufen meist spiralig
um die Axe des Baumes.
Sprengstreifen zeigen sich auch bei der Schwarzpappel,
Linde und Ulme.
Die Einwirkung des Blitzschlages auf verschiedene Baumarten. 315
Die Wirkung des Blitzes bei der Fichte ist sehr ver-
schieden. Colladon berichtet, dass er nur einfache Längs-
risse an dem Stamme wahrgenommen. In Rehburg wurde
unter starker Splitterbildung ein kräftiger Ast aus der
Krone geschlagen. Ich selbst habe einen 2 Decimeter
breiten Sprengstreifen an einer Fichte beobachtet.
Verkohlung tritt niemals bei gesunden Bäumen ein.
Der grosse Wassergehalt der Zellen bis zu 90°, verhindert
dieses. Das Wasser wird durch die enorme Hitze in Dampf
verwandelt und ist die Spannkraft desselben die Ursache
zur Bildung der Sprengstreifen.
Im Allgemeinen lassen sich die besprochenen Beobach-
tungsthatsachen aus physikalischen Gesetzen erklären.
Die elektrische Entladung nimmt den Weg, der ihr den
geringsten Leitungswiderstand entgegensetzt. Ueber die
Leitungsfähigkeit der verschiedenen Holzarten in wachsen-
dem Zustande ist bisher nichts bekannt. Ohne Zweifel
werden wir aber den wasserreichen Zellen die grössere
Leitungsfähigkeit zuschreiben. Daher wird die italienische
Pappel mehr als die Eiche und letztere mehr als andere
Bäume geeignet sein, einer elektrisch geladenen Wolke
genügende Elektrieitätsmengen aus dem Boden zuzuführen,
in Folge dessen der Blitz die Pappel vor der Eiche und
diese vor anderen Bäumen bevorzugen wird.
Dass der obere Theil deritalienischen Pappel keine Spuren
des Blitzschlages zeigt, hat seinen Grund darin, dass die
weitverzweigte Krone mit ihren vielen Aesten und Blättern
die aus dem Boden durch den Hauptstamm zugeführte Elek-
trieität auf eine grosse Fläche vertheilt, in Folge dessen
hier die einzelnen Partien des Baumes in verhältniss-
mässig geringem Grade der Zerstörung ausgesetzt sind.
Am Stamme, wo die Elektricität sich auf einen engbegrenz-
ten Weg beschränkt, ist daher die Hauptwirkung zu be-
merken: der breite Sprengstreifen.
Bei der Eiche concentrirt sich die Wirkung schon hoch
in der Spitze auf wenige mehr oder minder starke Aeste,
in Folge dessen hier die Sprengstreifen bis hoch in die
Krone verfolgt werden können.
316 Dr.Schmidt: Die Einwirkung des Blitzschlages etc.
Die Rillenbildung deutet darauf hin, dass die Elektri-
cität einen festbegrenzten Leitungsweg wählt und nicht
durch die ganze Cambiumschicht gleichmässig abgeleitet wird.
In Folge der besseren Ableitung der Elektrieität durch
eine Pappel kommt es auch, dass oft eine niedere Pappel
neben einer höheren Eiche oder einem höheren andern
Baum getroffen wird.
Es erübrigt noch eine Bemerkung über die Lebens-
fähigkeit eines getroffenen Baumes. Zunächst kommt es
natürlich sehr auf die Intensität der Entladung an, dann
sind aber auch die verschiedenen Baumarten nicht in gleicher
Weise empfindlich.
I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
Lossen, K. A., Geologische Aufnahmen im Brocken-Massiv
und bei Harzburg, Jahrbuch der Kgl. Preuss. geolog.
Landes- Anstalt 1887 XXV und 1888 XXV.
Es handelte sich bei der geologischen Untersuchung
des Brocken-Massivs darum, die Stellung und Vertheilung
1) der Turmalin- und Malakolith- führenden Partieen im
Eugranit sowie 2) die Schriftgranite, Pegmatit, Mikropeg-
matit, die Granitporphyre und Granophyre näher kennen zu
lernen. Der Turmalin findet sich im Eugranit des
Brockens, im Granit der Gabbrogranitzone, im Ilsensteiner,
wie im Andreasberger Granit, im Hohne-Diorit, im Ramberg-
granit, sowie im ÖOckerthalgranit; im Andreasberger und
Ilsensteiner Granit tritt er ebenso wie der viel seltenere
Flussspath als Drusenmineral auf.
Augitische Minerale sind in der Granitgabbrozone, in
Granitgängen zwischen dem Radauthal und der Ostseite
des Ockergranits, im Augitgranitit, in Gängen der Harz-
burger Gabbroformation, im Augitquarzdiorit, Augitdiorit
und Gabbro auf der Ost- und Westseite des Brocken-
sranits und am Meineckenberg, Gruhe, Ferdinandsthal und
Silberberg vorgekommen.
Scharfe Grenzen zwischen den Augit-führenden Gra-
niten und den saureren Augit-Biotit-Quarzdioriten einerseits
und zwischen diesen und den sauersten Biotit-Augitgabbro
giebt es nicht, was dazu nöthigt, für alle diese Gesteine
eine annähernde Gleichalterigkeit anzunehmen.
Granitgäuge finden sich sowohl im Gabbro wie im
Granit; westlich von der Ecker vom Kaltethalskopf her
greift der Ilsensteiner Granit mit Ausläufern in den Gabbro
bei Harzburg ein, so dass man diesen Theil des Brocken-
318 I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
granits als den jüngsten bezeichnen darf. „Der Augitgehalt
gewisser Gänge im Gabbro“ — die früher Fuchs untersuchte
— „dürfte darauf hindeuten, wie allmählich das aufge-
presste Magma wieder Granitmischung annahm.“
Am Radauborn finden sich faustdicke Kerne von
typischem Brockengranit im Bastitserpentin einge-
schlossen, welche von einer glimmerichen Hülle umgeben
sind, was darauf hindeutet, dass die basischeren Eugranite
(Diorite, Gabbro’s etc.) theilweise später fest geworden
sind als der Brockengranit. Wahrscheinlich hat die Erup-
tion der ersteren nur eine Phase während der Aufpressung
der letzteren dargestellt.
Der Andreasberger Granit hat z. B. granitporphyrische
Structur, welche die sonst an diesem und dem Ilsensteiner
Granit herrschende mikropegmatitische vertritt; der letztere
ist indess jünger als die Gabbroformation. Hieraus scheint
— da der Andreasberger nur die Randfacies des Brocken-
sranits darstellt — hervorzugehen, dass vor und nach der
Aufpressung der Gabbro’s im Granit dieselbe Mischung
geherrscht hat. Bekanntlich wird der Andreasberger Granit
von einer ziemlich dieken Hornfelsdecke bedeckt. Gegen
N. O. heben sich aus dieser Hornfelsdecke die Hochgipfel
des Brockens als eugranitischer Kern heraus. An
die N. W.-, N.-, N. O.-, und O.- Seite legt sich nun
aber nicht direct der Ilsensteingranit — das Aequivalent
des Andreasberger Granits — an, sondern hier folgen zwar
auch ausgezeichnete mikropegmatitische Granite dem
Rande des Eugranits, aber sie sind nicht so drusig wie
der Andreasberger, führen ausserdem Augit und sind zu-
dem eng verbunden mit den noch mehr nach aussen
liegenden Gabbrograniten, Quarzdioriten und Gabbro’s;
erst jenseits von diesem folgt als letzter Nachschub
der Ilsenstein’s Granit, welcher also nicht mit dem Andreas-
berger gleichgestellt werden kann. Dies spricht sich auch
in dem Verschwinden der Hornfelsdecke über dem Ilsen-
steingranit aus, welche noch vielfach bruchstückweise in
den Thälern der Gabbroformation verfolgt werden kann.
Zu dem Ilsensteinsgranit rechnet der Verfasser auch die
I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 319
Granitgänge der Gabbroformation, wenngleich dieselben
vielfach andere (porphyrartig-eugranitische) Structur besitzen
als der Granit.
Schliesslich theilt Lossen die Brockengesteine in fol-
sende Abtheilungen ein.
1. Eugranit des Brockengipfels etc.
2. Die an Mikropegmatit und Granitporphyr reiche
drusige Hülle desselben im S., SW. und W.: Andreas-
berger Granit.
. Gabbrogranitzone mit Quarzaugitdiorit.
. Ilsensteiner Nachschub -Granit.
. Dessen porphyrische Apophysen.
. Harzburger Ganggranite und Granite in den Dioriten
und Gabbro’s der Hohne.
7. Die Andalusit- führenden, porphyrisch felsitischen
bis gneisigen Granitrandstücke oder Gänge.
Letztere stehen an der über die Hagenstrasse führenden
Wormkebrücke bei Schierkeund im Quellgebiet desSteinbachs
bei Forsthaus Hohne an. Dunkle Glimmerfläserchen, Andalu-
sit in graulich und röthlichen Flecken und eine grauweisse
Quarzfeldspathgrundmasse characterisiren ihn.
Später hat L. die Gabbro-Granit-Zone an der Ost-Seite
noch weiter verfolgt. Die basischen Eugranite (Diorit und
Gabbro’s) erstrecken sich vom Meineckenberg in den Forstort
Gruhe über das Ferdinandsthal hinaus bis zum Crucifix,
so dass der Zug jetzt auf 2 km Länge bekannt ist. Auch
jenseits der Wasserscheide von Ilse und Ecker kommen
faustgrosse Stücke dieser Gesteine in dem sauren Granitit vor.
Im Eckergneis treten Gabbrogänge im südw. Diebessteg
und Spoerenwagen auf; diese Gänge im Sedimentärgestein
zeigen die Selbstständigkeit des Gabbro’s an; daneben tritt
z. Th. Granitit in den Gangspalten auf; letzterer bildet
z. Th. auch allein für sich die Ausfüllung der Spalten. Im
Diebessteg werden die Gabbrogänge von Granitgängen
durchsetzt; auch auf der Ostseite des Brockens an der
Hohne werden die Diorit- und Gabbro-Massen von jüngeren
Granitgängen durchquert.
HD Up wm
320 I. Sächsiseh- Thüringische Literatur.
Es durchsetzt der Granit in Gängen den Gabbro sehr
häufig, während der ältere Eugranit diesen niemals durch-
setzt. Der Gabbro zeigt gewisse Structuren, Flaserung,
Bänderung, welche auf nachträglichen Druck hindeuten,
welche L. in Beziehung zum Streichen der den Eugranit
umgebenden Sedimentschichten zu setzen versucht.
Der Eckergneiss ist eine besondere Facies des
Hornfelses, wozu ihn schon Hoffmann, Zimmermann und
Hausmann gezählt haben. Erist ein Umwandlungsproduct
der Culmschiefer und Culmgrauwacke, was besonders da-
durch klar wird, dass am Südabhang des Diebesstegs,
im kleinen Frankenthal, im Lobenklee und Koleborn die
allertypischsten Culmschiefer und Grauwackerhornfelse mitten
zwischen Eckergneissen vorkommen. Diese unzweifelhaften
Hornfelse der Culmschiefer enthalten Dichroit im Schnee-
loch-Wasser, am Goldberg, Winterberg, Radauberg, Elfenstein;
daneben findet man Orthoklas, Plagioklas, Quarz, Biotit und
am Kaltenborn Andalusit; an anderen Stellen Turmalin,
Hornblende, Augit, Bronzit und Granat. An einzelnen Orten
finden sich zwischen den Hornfelsen vollkommen umkry-
stallisirt Diabase: Koleborn und Eschenbeek. Am Diebessteg
finden sich neben den Eckergneissen Kalkhornfelse; ein
anderes Gestein wird durch namhaften Granatgehalt dem
Kinzigit ähnlich. Es enthält Granat, Quarz, Biotit, Cordierit,
Feldspath,Hercynit und Sillimanit. Die Varietät des körnigen
Eckergneisses ist die umgewandelte Oberharzer Culmgrau-
wacke; sie findet sich am Rande der Gabbro-Partie am
Fuhlen Lohnbeck, am alten Molkenplatz im N. Kolfoer
im Zillierwald, Spörenwagen, Diebessteg, seltener im mitt-
leren Forstort Koleborn, am Sellenberg, am mittleren und
südlichen Kolfoer und am Fohlenkopf; an letzteren Orten
treten quarzitisch körnige Einlagerungen, welche hoch poten-
zirt umgewandelte Kieselschiefer sind, auf; sie sollen den
Posidonienschiefern äquivalent sein und sattelförmig auf-
ragen, während die körnigen Eckergneisse Muldenzonen in
diesem Aequivalent bilden würden.
Halle a. S. Luedecke.
I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 321
H. Koch, Geologische Aufnahmen im N. O. Theile des Blattes
Zellerfeld. Jahrbuch der k. preussischen geologischen Landes-
Anstalt 1888. XLIL. S.
Die hierher gehörigen Sedimentschichten gehören alle
dem Devon und Culm an und sind durch den Ockergranitit
mehr oder weniger metamorphosirt. Derselbe durchbricht
als mächtiger Trümerstock die Schichten. Der Kahberg,
Ziegenrücken, Huthberg und die Käste werden durch die
Massen des Granitits und seine Umwandlungsproducte auf-
gebaut. Die Schichten der Sedimente streichen auch hier
in hereynischer südwest-nordöstlicher Richtung und quer
dazu steht die Längserstreckung der einzelnen Granitit-
trümer. Das grobkörnige Gestein besteht aus weissem
Orthoklas, grüngefärbtem Oligoklas, grauem Quarz und tief
dunkelbraunem Biotit; häufig tritt neben der normalkörnigen,
mikropegmatische Struetur auf, so am Huthberg und der
Käste; daneben nimmt dann das Gestein häufig drusige
Struetur an, welche aber nicht so häufig hervortritt wie
im Andreasberger und Ilsenburger Granit.
Die Orthoklase sind von 001, 010, 110,110, I01 und 201
begrenzt, 2 cm gross, nach der Klinodiagonale a gestreckt,
mikroperthitisch mit Albit verwachsen ; auch Karlsbader Zwil-
linge finden sich. Vielfach ist Quarz als Einschluss vorhan-
den, entweder dringen die Quarze unregelmässig nach der
Mitte vor, oder eine scharf begrenzte quarzreiche Zone um-
schliesst einen quarzfreien Kern. Bei mikropegmatitischer
Structur zeigen auch die grösseren Quarze +R. Der fast
immer grünlice Oligoklas ist idiomorph, mehr oder
weniger zersetzt durch Fortführung des Kalks und Aufnahme
von Wasser; hier und da zeigt sich als weiteres Zersetzungs-
produet heller Glimmer und Flitterchen eines unbestimm-
baren Minerals. Der tief dunkelbraune Biotit ist vielfach
in schwarzen Chlorit, Epidot und Magnetit umgewandelt.
Accessorische Minerale sind selten: Apatit und Zirkon.
Granat ist selten, Fuchs erwähnt ihn von Ziegenrücken;
er findet sich auch unter der Käste und am Romkerkopf.
Drusenmineralien sind Turmalin, Fluorit, Albit, Muscovit
und Epidot. Die Drusen sind primäre beim Krystallisations-
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. a
322 I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
act freigelassene Hohlräume und ihre Grenzen sind die
Krystallflächen der sie einschliessenden Minerale.
In den Drusen findet sich der Turmalin selten, häufiger
kommt er in Büscheln in den pegmatitischen und mikro-
perthitischen Abarten vor. Der Flussspath kommt in
violetten, farblosen oder grünen Krystallen 100 oder 100
und ill vor.
Häufig ist der Kalkspath in den Drusenräumen; er
ist ein Zersetzungsproduct des Oligoklases und vielfach durch
Eisenoxydhydrat gelb gefärbt. In der nördlichen Randzone
des Ockergranits auf Blatt Harzburg, am Goldberg, Radebrak,
Gläsekenberg und Elfenstein finden sich porphyrartig er-
starrte Granite, welche durch den Reichthum an Plagioklas,
von Malakolith und Bronzit zu den basischen Eugraniten
hinüberführen; es wiederholt sich also dieselbe Erscheinung
wie auf der N.- und N.-O.-Seite des Brockengranitits.
Mit diesem Granitit treten nun die Glieder des Devon:
Spiriferensandstein,Calceolaschichten,Goslarschiefer,Kramen-
zelschiefer und der Culm: Kieselschiefer, Posidonienschiefer
und Grauwacken in Contact. Die Spiriferensandsteine
werden so zu fettglänzenden Quarziten, die dichten blau-
grauen Kalksteine der Calceolaschichten zu hellfarbigen,
grauen, grünlich splittrigen Kalksilicathornfelsen mit Mala-
kolith, Quarz, Epidot, Zoisit und Granat, die Thonschiefer
zu bräunlichen, violetten, aus Quarz und braunem Glimmer
bestehenden Hornfelsen, die dichten Kalksteine der Kramen-
zelstufe in fein- bis grobkörnige Kalksteine mit Granat, Vesu-
vian und Augit umgewandelt.
Die Culm-Kieselschiefer sind viel weiter verbreitet
als man früher annahm, so stehen sie am vorderen Ziegen-
rücken in 80 m Mächtigkeit an; freilich erschwert ihre
Umwandlung in hellfarbige Quarzite ihre Diagnose sehr.
Die Culm-Thonschiefer werden selten zu Knoten-
und Fleckschiefern, häufiger zu Kieselschiefern umgewandelt;
dort wo die basischen Gänge des Granitits vorhanden, sind
sie in vollkrystalline Gesteine, welche aus Quarz, Biotit,
Cordierit, Magnetit, und Muscovit bestehen, unkrystallisirt.
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 323
Die Analysen unveränderter Culmthonschiefer und der
der letztbeschriebenen Metamorphose erlegenen stimmen
überein.
Halle a. 8. Luedecke.
Zimmermann, Geologisches vom nördlichen Thüringer
'alde: Aufnahmen auf Blatt Orawinkel. Jahrbuch d. kgl.
Preuss. geolog. Landes - Anstalt 18857 (XXXXVIIL) und
1886 (KXXXV].).
Von den auf dem Blatte Crawinkel vorkommenden
Formationen behandelt der Verfasser besonders das Roth-
liegende (Porphyre) und den Zechstein, den oberen Keuper
und die Flussschotter.
Das Vorkommen und die Bildung der Manganerze be-
spricht er besonders genau. Weitaus die meisten Braun-
steingänge setzen im mittelgrob- und mittelreich-körnigen
Porphyr auf, welcher auch die herrschende Varietät dieser
Gegend bildet und der auch älter ist als z. B. der
fluidale, gebänderte Porphyr, welcher nur eine Braunstein-
srube im Langengrund hat. Im massigen Porphyr des
Altebergs, welcher reich an Feldspath und Bergkrystallen
ist, setzen mehrere Braunsteingänge dicht hinter einander
auf. Verfasser weist darauf hin, dass der Mangangehalt
im Porphyr wahrscheinlich an die Glimmer gebunden ist,
erwiesen ist dies jedoch bis jetzt noch nicht.
Das Liegende der Braunsteingänge zeigt gewöhnlich
eine Rutschfläche, auf welcher ein Conglomerat von
Porphyrstücken ruht, welche allmählich grösser werden
und schliesslich das Hangende bilden. Der Braunstein tritt
als Bindemittel dieser Bruchstücke auf.
Der Manganschlamm soll sich auf dieselbe Weise aus
den Lösungen gebildet haben, wie eine Lösung von mangan-
saurem Kali den bekannten Manganschlamm absetzt. Die
Manganausfüllung der Gänge ist niemals geschichtet, son-
dern compact, als ob sie sich in der ganzen Masse des
Ganges abgesetzt hätte, ehe sie fest wurde; zudem sind
die mitbrechenden Mineralien Schwerspath, Kalkspath
und Flussspath derart im Braunstein vertheilt, dass ihre
Bildungszeit als die gleiche wie die des Braunsteins an-
21*
3924 I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
genommen werden muss. Die eigenthümlicben Mangan-
porphyr-Breccien von Arlesberg zeigen Porphyrbruchstücke
vollkommen eingebacken in Psilomelan; es muss also der
Porphyr zerrieben und von dem vorhandenen Mangan-
schlamm umhüllt worden sein.
Die Zechsteinformation zeigt in dieser Gegend
dieselbe Gliederung wie in ÖOstthüringen bei Gera. Ein
Profil wurde am Wege auf das Borkenhäuschen bei Georgen-
thal beobachtet; die Schichten stehen hier auf dem Kopfe:
Man konnte vom Weissliegenden aus den unteren und
mittleren Zechstein in einer Mächtigkeit von 6,5 m,
den unteren Letten des oberen Zechsteins in 60 m,
den Plattendolomit in 44 m und den oberen Letten
in ca. 27 m Mächtigkeit überschreiten.
Auch an anderen Stellen dieser Gegend ist die Mächtig-
keit des unteren und mittleren Zechsteins eine geringe.
Es ist deswegen nicht wunderbar, wenn längs der grossen,
den Thüringer Wald vom Thüringer Becken trennenden
Flexur nur der Plattendolomit zwischen Rothliegendem
und Buntensandstein einigermassen gut aufgeschlossen ist.
Neben anderen Aehnlichkeiten findet sich hier die von
Liebe aus der Umgebung von Pössneck als dem einzigen
Vorkommen in ganz Ost-Thüringen beschriebene Ausbildung
des mittleren Zechsteins als Schaumkalk mit zahlreichen
Einschlüssen eckiger bunter Lettenbruchstücke wieder.
Merkwürdig ist ein schwarz -braunes, quarzitisches.
drusiges Gestein, welches ganz sicher bestimmbare Stein-
kerne von Productus horridus Sow. enthält und niemals.
eine Spur von Schichtung zeigt; dagegen erinnert eine
glatte Oberfläche an Knollensteine des Oligocaens. Wahr-
scheinlich ist es in Quarzit umgewandeltes Bryozoenriff-
gestein. Zuerst wurden diese Blöcke auf alten Halden
zwischen anderen Bruchstücken von Zechsteingesteinen:
zwischen Friedrichs- Anfang und Luisenthal aufgefunden;
auchaufdem Waldeselbstundin den diluvialen Schotter--
massen, welche ausserhalb des Waldes sich finden, trifft:
man es an. 4,5 km weit vom Gebirgsrande am Wegscheidt:
der Strassen Oberhof-Crawinkel und Oberhof-Ohrdruf fanden.
sich mehrere Centner schwere Blöcke dieses merkwürdigen.
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 325
Quarzits mit Productus horridus Sow; auch auf dem Gabel-
kopf im oberen Kehlthal und im oberen Schnabelbach
beobachtete K. v. Fritsche diese Blöcke; vielleicht gehören
hierher auch Blöcke in der Nähe von Suhlnach dem Döll-
berge zu; auch im Orte Arlesberg findet sich ein solcher
Block als Prellstein benutzt. Das Gestein besitzt eine merk-
würdige Mikrostructur. Im holokrystallinen Gemenge von
Quarzkörnern finden sich Häutchen von Eisenoxydhydrat,
welche gleichsam auf den Flächen von Rhomboädern an-
geordnet sind, ein Zeichen, dass das Gestein früher von
einem rhombo&drischen Minerale aufgebaut wurde.
Im Muschelkalk von Crawinkel findet sich in der
Terebratelbank Spirifer hirsutus.
Im Rhät der Bittstädter Höhe fand der Verfasser:
Gervilla praeursor Qu., Taeniodon praecursor Schloenb.,
Schizodus Ewaldi Bornem., Lima praecursor Qu. und
Cypricardia suevica Opp.
Die diluvialen — nach v. Fritsch pliocaenen — Fluss-
schotter sind merkwürdig vertheilt: auf dem Muschelkalk-
plateau zwischen Gräfenroda und Liebenstein bilden sie
die Ausfüllung von Rinnen (10 m tief), welche quer zu
den jetzigen Flussläufen sich erstrecken.
Schon früher hat Credner bei Arlesberg Zechsteinmassen
auf dem Walde nachgewiesen. Verfasser schildert nun den
Verlauf der Flexur am NÖ-Hange des Waldes und die
Randverwerfung des SW-Randes.
Halle a. S. Luedecke.
K. Picard in Sondershausen, Ueber einige seltene Petre-
‚fecten aus dem Muschelkalk. Zeitschrift d. deutsch. geolog.
Gesellschaft 1890. Bd. 41, S. 635—640.
Ceratites antecedens Beyrich hat der Verfasser
bei Sondershausen im Schaumkalk (y der preuss. geolog.
Specialkarte), unmittelbar unter den durch häufiges Auf-
treten der Terebratula vulgaris v. Schlotheim ausgezeichneten
Schichten, zusammen mit Nautilus bidorsatus v. Schlotheim,
Ammonites Dux Giebel, Conchorhynchus gammae Picard
aufgefunden. In Schwaben hat bekanntlich Eck den Cera-
326 I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
tiles autecedens in der oberen Terebratelbank und bei
Rüdersdorf im Schaumkalk aufgefunden, dagegen stammt
von v. Fritsch’s Exemplar aus den 30—40 m unter der
Terebratelbank auftretenden Schichten des Schaumkalks
und fand sich dort mit Ceratites Buchii zusammen. Letzteren
hat nun Picard in den Schichten « und auf der Hain-
leite, seltener in den Dolomitbänken zwischen £ und y
angetroffen. Vom Referenten wurde derselbe aus dem
Wellenkalk des Feldsteins bei Themar bereits im Jahre 1877
aufgefunden.
Aus den an Ceratites nodosus reichen Thonplatten von
Schlotheim beschreibt der Verfasser weiter 2 Ophiuren,
welche zu Ophiura loricata Goldfuss gehören, aus den
Schichten zwischen der oberen und unteren Terebratel-
bank Aspidura scutellata Bl., aus den obersten Schichten
des oberen Muschelkalks am Süd-Abhange der Hainleite
zwischen dem Jagdschlosse Possen und dem Dorfe Ober-
spier Acroura squamosa E. Picard, aus den Schichten im
Urthale bei Schlotheim eine neue Acroura, welche er pelli
operta nennt.
Eine Tafel begleitet die beschriebenen Arten.
Halle a. S. Luedecke.
A. Schreiber in Magdeburg, Glacialerscheinungen in M.
Zeitschrift d. deutsch. geolog. Gesellschaft 1589, Bd. 41,
S. 603—608.
Verfasser hat bei Kanalausschachtungen im NW der
Stadt M. bei Freilegung der unter dem diluvialen Geschiebe-
mergel, der früheren Grundmoräne, blossgelegten Culm-
grauwacke ein Streifensystem von Glacialschrammen
in der Richtung von W 6°S beobachtet, welches also ähn-
lich dem von Velpke W 5° S streicht.
Ausserdem hat er ein zweites System von Schrammen,
welches N 14° O streichen soll, aufgefunden.
Letzteres würde sich mehr dem von Wahnschaffe bei
Gommern aufgefundenen, welches N 6° O streicht, an-
schliessen.
Halle a. S. Luedecke.
I. Sächsisch - Thüringische Literatur. 327
Cesaro, G., Ueber das ditetragonale Prisma am Apophylht.
von St. Andreasberg. Bulletin de la societe mineralogique
de France. t. XII. 8S:62—63. 1889.
Verfasser hält das gewöhnlich schlecht ausgebildete
ditetragonale Prisma am Apophyllit von St. Andreasberg
für oP3, 130, während es sonst für oP2 gehalten
wurde.
Halle a. S. Luedecke.
Dames, W., Anarosaurus pumilio nov. gen. nov. spec. Zeit-
schrift d. deutsch. geolog. Gesellschaft 1890. S. 74.
In graugelbem, dichten, körnigen Kalkstein an der
oberen Grenze des unteren Muschelkalks von Remkers-
leben (ca. 15 km. w. von Magdeburg) findet sich ein neuer
Saurier, welchen der Verfasser näher beschrieben und in
einer Tafel abgebildet hat. Derselbe repräsentirt den Typus
einer neuen Nothosauriden-Gattung, welcher der Autor den
Namen Anarosaurus nach dem Zwerg Anar der nordischen
Mythologie verliehen hat.
Halle a. S. Luedecke.
Schucht, H., Geologie des Ockerthals, Harzburg, Stolle's
Harzverilag, 1889.
Das kleine Büchelehen enthält eine Aufzählung von
Petrefaeten der einzelnen Fundorte des an Formationen
reichen Ortes Ocker und ein ideales Querprofil vom Ziegen-
rücken nach dem Sudmerberg. Möchte dasselbe geeignet
sein, dem an Naturschätzen reichen Harze neue Freunde
zuzuführen. |
Scheidt, Leopold, Vögelunserer Heimath. Für Schule
und Haus dargestellt. Freiberg im Breisgau. Herdersche
Verlagshandlung. Broschirt 2,20, gebunden 3,20 M.
Ein sehr nett und anregend geschriebenes Buch (200 S.),
das eine Anzahl Repräsentanten aus den verschiedenen
Ordnungen vorführt, nachdem letztere jedesmal kurz cha-
328 I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
rakterisirt sind. Die Laufvögel fehlen naturgemäss. Eine
Menge allgemeiner Beziehungen, Gedichte, Sprüche ete.
sind eingestreut, so recht für Leetüre-und Unterricht. Immer
ist der Vogel im Verhältniss zur übrigen Natur gefasst,
sodass hübsche Gesammtbilder herauskommen.
(Sollte es wirklich blos Annahme sein, dass die Haus-
tauben von der Columba livia abstammen? Es durfte wohl
als Thatsache hingestellt werden.) Auch die zahlreichen
Abbildungen, durchweg die Tbiere in natürlicher Umgebung
zeigend, sind meist gut gelungen, die Nachtigall als Titel-
bild farbig, einige sind etwas steif, z. B. das Rothkehlchen
und der Buchfink. Die Schilderungen sind durchweg im
guten Sinne populär gehalten. Auf jeden Fall ist das
Büchlein recht geeignet, seinen Zweck, Freude an der Natur
und Sinn für das Leben in derselben einzuflössen, zu er-
füllen. Simroth.
Friderich, Naturgeschichte der deutschen Wögel. Liefe-
rung d—3.
Die neuen Lieferungen zeigen den regelmässigen Fort-
gang des trefflichen Werkes. Auch wenn unser Verein
nicht, gewissermassen im Andenken an Giebels Vogelschutz-
buch, die Ehrenpflicht hätte, derartige Bestrebungen zu unter-
stützen, würde das Urtheil gleich günstig ausfallen müssen.
Meisen, Spechtmeisen, Baumläufer, Mauerläufer, Fliegen-
schnäpper, Schwalben, Segler, Nachtschwalben, Würger,
Seidenschwanz, Pirol, Staar (etwas entfernt von den Raben),
Rosenstaar, Wasserstaar, Stelzen, Pieper, Lerchen, als Schluss
der Insektenfresser — dann die Samenfresser oder Semini-
voren, Ammern, Finken. Diese sind bis zum Kanarien-
vogel fortgeführt, er ist naturgemäss ausführlich behandelt.
Ueberall sind die neuesten Angaben betr. des Zuges etc.
benutzt. Ohne dass die strenge Wissenschaftlichkeit leidet,
sind die Schilderungen frisch und anregend geschrieben.
Die Abbildungen sind wieder allerliebst, vielleicht hätte
der Feldsperling, gegenüber dem gemeinen, auf der Oberseite
etwas mehr Roth haben können. Die letzte Tafel zeigt
bereits die Kreuzschnäbel, aber nur im rothen Prachtkleide;
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 329
dürfen wir auch die so abweichenden grauen und grünen
Gewänder noch erwarten? oder reicht der Raum nicht?
Gohlis. Simroth.
Teuss, Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres.
Lieferung 2—6.
Die Lieferungsausgabe ist inzwischen regelmässig
fortgeführt bis zum Juni. Sie bietet in der That
ausserordentlich vieles und practisches, nicht blos für
die reifere Jugend, sondern auch dem Zoologen wird
sie als gelegentliches Nachschlagebuch willkommen sein.
Die phaenologischen Daten für die Pflanzen (Blüthezeit ete.)
sind in den Floren überall angegeben, die viel complicirteren
der Thierwelt sind entsprechend schwerer zu beschaffen.
In der That nehmen sie auch nach dem Frühling und
Sommer zu einen breiten Raum in Anspruch. Bei der
Zusammenarbeitung des Ganzen hätten wohl die Zahlen
hinter den Jagdthieren einer kurzen Erklärung bedurft,
da dem Gärtner z. B. nicht auch die Sprache des Jagd-
kalenders geläufig sein kann.
Gohlis. Simroth.
II. Allgemeine Literatur.
Lasswitz, Curd. Geschichte der Atomistik vom Mittel-
alter bis Newton. Band I: Die Erneuerung der Korpus-
kulartheorie. Band II: Höhepunkt und Verfall der
Korpuskulartheorie des 17. Jahrhunderts. Hamburg
(u. Leipzig). Verlag von Leopold Voss.
Der Verfasser stellt den hauptsächlichsten Inhalt seines
Werkes folgendermassen dar:
Das Werk behandelt ein Grenzgebiet der Physik und
der Philosophie, die Theorie der Materie, von einem neuen
Gesichtspunkt, nämlich in historischer Darstellung und im
erkenntniss-theoretischen Interesse. Es bemüht sich daher
für die Geschichte der Physik, für die Geschichte der
Philosophie und für die Erkenntnisskritik Beiträge zu ihrer
wissenschaftlichen Bearbeitung darzubieten. In der Ge-
schichte der Physik fehlt es bisher an einem Werke, welches
die Entwickelung der allgemeinen Physik, die Fortbildung
der Lehren vom Wesen des Körpers und den Eigenschaften
des Stoffes in der Zeit des Entstehens der modernen Natur-
wissenschaft ausführlich und im Zusammenhange mit der
Geschichte der Einzelwissenschaften und der Philosophie
behandelt. Der Verfasser ist bestrebt, die Ausbildung der
Korpuskulartheorie des 17. Jahrhunderts und ihren Verfall
auf einen möglichst detaillirten Nachweis der in der Ent-
wickelung der Physik gegebenen Motive zu stützen. Die
Ansichten von den Aggegratzuständen, der Bewegung, der
Elastizität, den Elementen, der Gravitation, der Cohäsion,
dem Vacuum u. a. m. werden daher der historischen Unter-
suchung unterzogen und auf diese Weise Material für eine
weitere geschichtliche Bearbeitung dieser Lehren beigebracht.
Allgemeine Literatur. a3:
Die Gesclhi. hte der neuereu Philosophie erhält dadurch die
Möglichkeit einer eingehenderen Berücksichtigung der natur-
wissenschaftlichen Probleme, welche auf den Gang des
europäischen Denkens vom Mittelalter bis zum Beginn des
18. Jahrhunderts von Einfluss waren. Insbesondere gewährt
das Problem der Continuität im Zusammenhange mit der
Mathematik und die Frage nach der Wechselwirkung der
Substanzen im Zusammenhange mit den Bedürfnissen der
Physik aufklärende Einblicke in die Gestaltung der meta-
physischen Systeme. Hierbei werden eine Reihe sonst kaum
beachteter Schriftsteller als interessante Verbindungsglieder
zwischen den grossen systembildenden Denkern der Kennt-
nissnahme zugänglich gemacht. Für die Erkenntnisskritik
wird durch die Abgrenzung einer geschichtlichen Einheit
in der Entwickelung der Korpuskulartheorie des 17. Jahr-
hunderts eine empirische Thatsache geschaffen, an welcher
die Bedingungen der Möglichkeit der Naturerkenntniss über-
haupt sich studiren lassen. Man pflegt heutzutage nicht
blos in der Physik, sondern auch in der Philosophie gegen
die Möglichkeit einer allgemeinen Theorie der Materie sich
ablehnend zu verhalten. Dies hat seine Berechtigung, in-
sofern es sich hierbei, wie bei aller Erkenntniss, um eine
unendliche Aufgabe handelt; 'es schliesst aber nicht aus,
dass innerhalb der Erfahrungsdaten einer bestimmten Kultur-
periode die Einheit aufgefunden werde, welche dieselben
zur Möglichkeit der Naturwissenschaft verbindet. Gerade
die Meinungsverschiedenheit, welche über die Grundlagen
herrscht, die der Theorie der Materie zu geben seien, er-
fordert es, eine objektive Thatsache zu entdecken, aus deren
Analyse die Bedingungen des naturwissenschaftlichen
Denkens zu erkennen sind. Wenn irgend wo, muss ein
solches Factum in der Erzeugungsperiode der Naturwissen-
schaft vorliegen, und hier müssen die Elemente des Denkens
aufzufinden sein, welche zu der Geistesarbeit des Alterthums
neu hinzutraten und der modernen Erkenntnissart eigen-
thümlich sind. In dieser Zeit aber ist die Geschichte der
Materie eine Geschichte der kinetischen Atomistik; an der-
selben wurde daher der Versuch gemacht, die Natur und
Tragweite der Denkmittel aufzusuchen und zu erörtern,
332 IL. Allgemeine Literatur.
welche in den modernen Theorien wirksam sind. Das
Ergebniss seiner Untersuchung legt der Verfasser in fünf
Büchern vor. Das erste sammelt die im Mittelalter vor-
handenen Quellen der Korpuskulartheorie; hierbei war eine
ausführliche Darstellung der Gegnerschaft des ARISTOTELES
gegen die Atomistik nicht zu umgehen. Von bisher kaum
beachteten Einflüssen wurde die Atomistik der Mutakal-
limun herbeigezogen, das Kontinuitätsproblem in der Ge-
schichte der Mathematik und in der Scholastik nach seiner
Bedeutung untersucht und in den Resten der antiken Natur-
wissenschaft die Korpuskulartheorie des Alterthums nach-
gewiesen, endlich an einer Geschichte der aristotelischen
Theorie der chemischen Verbindung die auflösende Wirkung
dieser Frage in Bezug auf die Theorie der substanziellen
Formen erörtert. Als systematisches Resultat ergab sich
dabei, dass dem Mittelalter wie dem Alterthum die Natur-
erkenntniss beschränkt wurde durch das Fehlen eines Denk-
mittels, welches die Veränderung auf einen begrifflichen
Ausdruck zu bringen gestattet.
Im zweiten Buch wird am Einfluss des Neuplatonismus
und dem durch ihn vertretenen Gedanken einer inneren
lebendigen Wirkungs- und Entwiekelungsfähigkeit der Dinge
das Auftreten des neuen Denkmittels gezeigt, welches der
Verfasser mit dem Namen des Denkmittels der Variabilität
bezeichnet. Dasselbe besteht in der Erfassung der Realität
des Gegebenen als Tendenz seiner gesetzlichen Fortsetzung.
Als ein zweites Moment kommt die Einführung unveränder-
licher Grundsubstanzen hinzu, welche sich in der Auf-
stellung einer neuen Elementenlehre kenntlich macht. Mehr
und mehr erweist sich die Lehre vor den substanziellen
Formen als unzureichend für die Naturerklärung, und es
tritt die systematische Erneuerung der Korpuskulartheorie
auf. Neben SENMERT wird hier zum erstenmale auf die
Bedeutung von Gorlaeus und Basso hingewiesen. Die
Korpuskulartheorie ist jedoch zunächst nur auf Anschaulich-
keit, nicht auf rationelle Gesetze gegründet.
Das dritte Buch zeigt nunmehr, wie der Begriff einer
inneren, sich entwickelnden Realität der Dinge durch die
Arbeit Gallileis sich umformt zur Realität der mechanischen
99
il. Allgemeine Literatur. 399
Bewegung und jetzt erst, weil dieselbe dem mathematischen
Gesetze unterliegt und messbar wird, die Objektivirung
der Empfindung gestattet, d. h. die begriffliche Fixirung
des bisher nur subjektiv in der Sinnlichkeit Gegebenen.
Es zeigt sich weiter, dass das Problem der Materie durch
den Begriff der Intensivität der Bewegung allein sich nicht
bewältigen lässt, sondern dass dazu auch der Begriff des
individuellen Korpuskels, als der Einheit des Bewegungs-
substrats im Raume, unentbehrlich ist. Dies wird durch
eine eingehende Diskussion der Theorien der Materie von
Deschartes, Gassendi, Digby und Hobbes nachzuweisen
versucht.
Das vierte Buch entwickelt die Vollendung der
Korpuskulartbeorie in ihrer Anwendung auf Chemie und
Physik. Die bisher (auch vom Verf. in einer Abh. „Der
Verfall der kinet. Atomistik“ |1874]) verkannte Theorie
Borellis findet dabei eine eingehende Würdigung. Den
Höhepunkt der gesammten Entwickelung erkennt jedoch der
Verf. in Huygens. Indem dieser durch den Satz von der
Erhaltung der mechanischen Energie Prinzipien der Mechanik
schuf, begründete er die Möglichkeit der Wechsel-
wirkung auf mathematische Gesetze und machte dadurch
die Grundlagen einer wissenschaftlichen Theorie der Materie
vollständig. Dies sucht der Verf. nachzuweisen durch eine
Erörterung über die moderne Energetik und kinetische
Atomistik, in welchen das Denkmittel der Variabilität im
Begriffe des Uebergangs der Energie von Raumtheil zu
Raumtheil zur Wirkung kommt. Hierdurch erst wurde es
möglich, Kausalität und Substanzialität zu verbinden und
dadurch die gesetzmässige Veränderung der Körperwelt auf
Begriffe zu bringen.
Die von Huygens geschaffenen Grundlagen zu einer end-
giltigen Theorie der Materie aufzubauen fehlte es jedoch
an zweierlei, an der Fähigkeit des mathematischen Kalküils,
die räumlichen Veränderungen der Atomvertheilung zu be-
herrschen, und an der kritischen Kraft der Philosophie,
den Mechanismus des Naturgeschehens auf die Erscheinung
zu beschränken und mit den Forderungen des Gemüths in
Einklang zu setzen. Daher führt das fünfte Buch aus,
334 II. Allgemeine Literatur.
wie die Korpuskularphysik sich in vage Hypothesenbildung
verlieren und ihre Herrschaft an die dynamische Theorie
abtreten musste. Die Ausbildung der Differenzialreehnung
bewirkte zugleich die Ersetzung der räumlichen Vertheilung
der Materie durch den analytischen Ausdruck der möglichen
Bewegung, welcher in der fernwirkenden Kraft hypostasirt
ward. An dem Gedankengange von Leibnitz und Newton
wird nachgewiesen, wie beide sich in dem metaphysischen
Interesse der dynamischen Naturauffassung begegnen.
Günther, Siegm., Prof. Dr., Handbuch der mathemati-
schen Geographie. Mit 155 Abbildungen. Stuttgart, Verlag
von Engelhorn.
Der durch sein Lehrbuch der Geophysik auch wohl in
weiteren Kreisen bekannte Verfasser theilt nach einer Ein-
leitung, in welcher als Endzweck der mathematischen
Geographie festgestellt wird, dass dieselbe die Lage irgend
eines Punktes am Erdkörper gegen ein im Raume an-
genommenes Axensystem mit jener Schärfe, welche dem
augenblicklichen Stande der Theorie und Beobachtungs-
kunst angepasst ist, bestimmen soll, den Stoff in drei
Capitel ein. Das erste behandelt die Gestalt und Grösse
der Erde, das zweite die geographische Ortsbestimmung
auf der Erde selbst und das dritte stellt die Erde als
bewegten Körper im Raume dar.
Ein Handbuch der m. G. kann nicht Alles lehren und
abhandeln wollen, aber es soll jedem die Mittel und Wege
an die Hand geben, mittels deren der Leser tiefer in die
Literatur eindringen kann. Aus diesem Grunde hat der
Verfasser zahlreiche Literatur-Quellen angeführt, so dass
der Leser sich in jeder Richtung selbständig weiter unter-
richten kann.
Das allgemeine Verständniss der Lehren der einzelnen
Capitel wird ungemein gefördert durch die Art der histo-
rischen Darstellung, wie sie der Autor handhabt; naturge-
mäss wird durch sie der Leser stufenweise vom Ein-
facheren zum Complicirteren emporgeführt. Gewöhnlich
II. Allgemeine Literatur. 335
begnügt sich der Verfasser mit der Darstellung der mathe-
matischen Entwickelung mit elementarer Mathematik, doch
lässt sich die sphärische Trigonometrie und die Anfangs-
gründe der höheren Mathematik bei dem vorliegenden Stoff
nicht umgehen und so werden an den Leser naturgemäss
Ansprüche gestellt, denen wohl mancher Geograph nicht
so ohne Weiteres gewachsen sein dürfte. Gleichwohl sind
die meisten Capitel auch dem mathematisch minder Vor-
gebildeten zugänglich. Die Ausstattung ist wohl gelungen.
Halle a. S. Luedecke.
Ostwald’s Klassiker der exacten Wissenschaften. Leipzig.
Wilhelm Engelmann.
Welehen Raum soll im Bildungsgang des Studirenden
der Mathematik und der Naturwissenschaften die eigene
Lektüre einnehmen und worauf vor allem soll sie sich er-
strecken? — das sind pädagogische Fragen von nicht zu
unterschätzender Wichtigkeit. Wer an sich selbst erfahren
hat, wie gerade dieser Theil des Studiums auf das ganze
wissenschaftliche Denken einen entscheidenden Einfluss
ausüben kann, wird nicht im Zweifel sein, in welchem
Sinne jene Fragen zu beantworten sind. Und doch sind
die Studirenden selbst oft nicht genügend darüber aufge-
klärt, und es wird sowohl in der Menge des Gelesenen,
wie auch in der Auswahl des Stoffes viel gesündigt. So
halte ich es — um an einem Beispiel zwei sich aus-
schliessende Wege zu bezeichnen — für denjenigen, der
sich in die geometrischen Forschungen einarbeiten will, für
fördernder, wenn er sich in die beiden Schriften v. Staudt’s
über die Geometrie der Lage, oder in Möbius’ geometrische
Arbeiten vertieft, als wenn er die ganze Reihe der Salmon’-
schen Lehrbücher über Geometrie durchmacht. Freilich
die jetzigen Umstände, besonders die Aussichten in
jenen Fächern, befördern die zweite Methode, bei welcher
es möglich wird, eine grosse Menge von solchem Stoff, der
sich im Examen verwenden lässt, zu bewältigen, bei welcher
- ausserdem nicht so viel Auffassungsvermögen verbraucht
wird, um nieht nebenher manche anderen Fächer zu be-
336 U. Allgemeine Literatur.
treiben, von denen Kenntniss zu nehmen die Erweiterung der
„Fakultäten“ wünschenswerth macht. Jener andere oben
angedeutete Weg dagegen verlangt eine starke Anspannung
der Geisteskräfte, und ein Aufgehen in dem einen Stoff;
und der Nutzen, den er gewäbrt, ist ein idealer: die An-
regung zu eigenem Forschen.
Unter diesen Umständen müssen wir im Sinne des
wissenschaftlichen Strebens besonderen Dank einem Unter-
nehmen entgegenbringen, das wie kein anderes berufen ist,
das Studium der guten wissenschaftlichen Literatur zu
heben. Ostwald’s Klassiker der exakten Wissen-
schaften bezwecken, — wie in der Ankündigung hervor-
gehoben wird — dem bei den Jüngern gerade dieser
Wissenschaften oft bemerkten „Fehlen des historischen
Sinnes, und dem Mangel an Kenntniss jener grossen Ar-
beiten, auf welchen das Gebäude der Wissenschaft steht“,
entgegenzutreten.
Das Unternehmen erstrebt dies durch Herausgabe
solcher dem Gebiet der Mathematik, Astronomie, Physik,
Chemie (einschliesslich Krystallkunde) und Physiologie an-
gehörenden Arbeiten in einzelnen, zu billigem Preise er-
haltbaren Heftehen, und sucht dadurch nicht nur ein Unter-
richtsmittel, sondern auch ein Mittel zur Forschung zu
schaffen. In welcher Weise dieser Zweck erreicht wird,
sei mir gestattet, an der Hand der mir vorliegenden mathe-
matischen bezw. mathematisch-physikalischen Abhandlungen
im einzelnen zu zeigen.
Sicherlich nicht ohne Bedeutung ist die Reihe der Heft-
chen eröffnet durch H. Helmholtz’ Abhandlung „Ueber
die Erhaltung der Kraft“ (1847). Denn wenn irgend
eine Arbeit auf die Entwickelung unseres modernen physi-
kalischen Denkens einen Einfluss gehabt hat, so ist es
diese. Während der Begründer der Theorie des mechanischen
Wärmeäquivalents, Robert Mayer, seine Ansicht durch
Gründe philosophischer Natur zu stützen sucht, geht Helm-
holtz den Weg, der in der Naturwissenschaft jetzt allent-
halben durchdringt: Er stellt an die Spitze einen Satz
von grösster Allgemeinheit, den er der Erfahrung ent-
nimmt — populär ausgedrückt heisst derselbe: Es giebt
II. Allgemeine Literatur. 357
kein perpetuum mobile — und folgert aus ihm durch rein
mathematische Entwickelung den wichtigen Satz von
der Erhaltung der Kraft: Die Summe der vorhandenen
lebendigen Kräfte und der Spannkräfte bleibt stets
konstant. Ihn verfolgt er dann in die verschiedensten
Gebiete der Natur, in denen sein Walten zu Tage tritt.
Jetzt, wo dieser Satz als erster Grundsatz der Physik an-
erkannt ist, berührt es uns merkwürdig, wenn wir (in den
von Helmholtz im Jahre 1881 beigegebenen Zusätzen) von
dem Widerstand lesen, auf den die Arbeit Anfangs ge-
stossen ist.
Ein weiteres Heftchen enthält: F. W. Bessel’s
„Untersuchungen über die Länge des einfachen
Sekundenpendels‘ (1826), welche als allgemein giltiges
Vorbild experimenteller physikalischer Leistungen ange-
sehen werden darf. Wir bewundern eben so sehr die
Beschreibung des Apparates, bei welcher der Zweck
eines jeden beschriebenen Theilchens anschaulich
hervortritt, wie die geniale Anordnung des Versuches, die
so getroffen ist, „dass die Gerauigkeit des Resultats nicht
von dem Apparate, sondern allein von dem Fleisse, welchen
man auf die Beobachtungen und ihre Wiederholung ver-
wendet, begrenzt wird‘; und nicht minder die peinliche
Inachtnahme eines jeden störenden Einflusses, dessen Vor-
handensein als möglich gedacht werden könnte, und seine
strenge mathematische Erledigung. So lässt sich das-
‚jenige Lob auf Bessel’s Abhandlung genau anwenden,
welches dieser dem . Verfertiger seines Apparates zollt:
dass gleichmässig alle Theile der Arbeit eine solche
Vollendung besitzen, dass sie einem jeden die Bewunderung
abnöthigen, die wahrer Vollendung gebührt. — Um die
Stellung, die Bessel’s Arbeit in der physikalischen Literatur
einnimmt, zu bezeichnen, seien die Worte des Heraus-
gebers des Heftchens (H. Bruns) wiedergegeben: „Was
Bessel an konkreten, für die Folgezeit vorbildlich ge-
wordenen Methoden und Regeln geschaffen hat, ist heute
so sehr Gemeingut geworden, dass wir uns nur sehr schwer
den Abstand vergegenwärtigen können, welcher Bessel’s
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd, LXIII. 1890. 22
338 II. Allgemeine Literatur.
Arbeiten von zahlreichen anderen seiner Zeitgenossen
trennt.‘
C. F. Gauss ist bis jetzt mit zwei Abhandlungen ver-
treten: Allgemeine Flächentheorie — Disquisitiones
generales circa superficies curvas — (1827) und: Allge-
meine Lehrsätze in Beziehung auf die im ver-
kehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfer-
nung wirkenden Anziehungs- und Abstossungs-
kräfte. Gauss kann als der eigentlichste Klassiker unter
den deutschen Mathematikern gelten, und zwar nicht allein
wegen der Bedeutung seiner Arbeiter, sondern hauptsäch-
lich, weil es seine eigene Absicht ist, auch in der Form
möglichst klassisch zu sein.
Freilich verwischt die Eleganz der Darstellung den
Weg, der ihn zu seinen Resultaten geführt hat; der Leser
der Gauss’schen Schriften geräth in Staunen vor dem ge-
waltigen Geiste, und kommt schwerlich auf den Gedanken,
dass man selbst ähnliches hätte finden können — was
sonst beim Studium gleich fundamentaler Arbeiten, welche
Einfachheit höher stellen als Eleganz, ermuthigt und zum
Weiterforschen anregt. Bei Gauss liegt diese Anregung in
der Gewalt des Stoffes, welche gerade die grössten Denker
unter den nachfolgenden Mathematikern zum Weiterbauen
angespornt hat. Dafür, dass diese Stoffe auch mehr All-
gemeingut werden, schlägt nun die vorliegende Ausgabe
den richtigen Weg ein, indem sie in den beigefügten An-
merkungen einerseits die historische Entwickelung vor
Gauss — die bei ihm wenig betont wird — andrerseits
den Fortschritt der Theorien bis zur jüngsten Zeit genau
verfolgt. Ausserdem ist die lateinische Abhandlung in
einer Form in’s Deutsche übertragen, welche nirgends die
Uebersetzung verräth.
Aus dem Gesagten wird zu erkennen sein, in welcher
Weise Ostwald’s ‚Klassiker‘ der gestellten schönen Aufgabe
gerecht werden. Dieselbe wird dann ganz erfüllt sein,
wenn der Studirende seine Klassiker als treue Freunde
zu betrachten gelernt hat, die man um so lieber gewinnt,
je näher man sie kennt.
Halle a. S. H. Wiener.
UI. Allgemeine Literatur. 339
Sprockhofj, A., Grundzüge der Physik, 430 Seiten, 442
Abbildungen. Hannover 1890. Carl Meyer (G&. Prior).
Das mit grossem Geschicke zusammengestellte Werk
bespricht in knapper aber im. Allgemeinen klarer Dar-
stellung den grössten Theil der physikalischen Erscheinungen.
Der Text wird durch eine grosse Zahl guter Abbildungen
auf das Vortheilhafteste erläutert. Durch grösseren und
kleineren Druck wird das Hauptsächliche von dem Detail
in übersichtlicher Weise geschieden. Der erste Theil ent-
hält Einzelbilder, in denen der Verfasser mit den Er-
scheinungen und Versuchen bekannt macht. Der zweite
Theil giebt eine systematische Anordnung des ganzen Stoffes.
Manchem Leser wird diese Eintheilung sehr willkom-
men sein.
Der Werth des sehr empfehlenswerthen Werkes würde
sich noch heben, wenn an mancher Stelle die Ausdrucks-
weise und die Definition neu einzuführender Begriffe noch
schärfer und präciser würde. Es liesse sich dieses für
eine spätere Auflage in Aussicht nehmen.
In gleicher Weise müssen einige Irrthümer nothwendig
abgestellt werden. Ein Werk, das für einen Leserkreis
bestimmt ist, der sich vielleicht nur aus ihm belehren kanı,
darf am allerwenigsten Fehler in sich aufnehmen.
Als Unklarheiten möchte ich z. B. bezeichnen:
p. 9. An jedem festen Körper findet sich eine Stelle, um
welche herum alle Theile gleiches Gewicht
besitzen.
p- 95. Man muss sich die Sache so vorstellen, dass die
leuchtende Fläche desKörpers alsLicht an
den Spiegel tritt etc.
p.382. Die Wheastonesche Brücke hätte durch eine Skizze
der Verbindungsdrähte eine klarere Darstellung ge-
funden.
p- 382. Die elektrischen Maasseinheiten können leicht präciser
und klarer auseinandergesetzt werden.
Als Fehler wären u. A. hervorzuheben:
p-321. Durch den Spectralapparat erhält man von jedem
leuehtenden Körper ein reines Spectum mit
Fraunhboferschen Linien.
22*
340 ll. Allgemeine Literatur.
p-321. Ein reinesSonnenspectrum ohne Fraunhofer-
sche Linien.
p-409. Ohne Vergrösserung der mechanischen Arbeit kann
der electrische Strom verstärkt werden.
In den Figuren:
Spectraltafel No. 1 ist als Speetrum eines weissglühenden
Körpers zu bezeichnen.
p. 7 Fig. 9. Das Glas der Wasserwage ist nach oben ge-
krümmt zu zeichnen (es geht dieser wichtige Punkt
weder aus der Figur noch dem Text hervor).
p.323. Die Anordnung der Apparate ist beim Versuch eine
ganz andere als in der Fig. 352 angegeben ist etc.
Noch nicht klargestellte Thatsachen, z. B. die Er-
klärung der Entstehung der Gewitter, können in einem
solchen Werke nicht besprochen werden. Nach Ansicht
des Ref. ist dem Leser am besten gedient, indem man sie
kurz erwähnt und hervorhebt, dass eine befriedigende Er-
klärung noch nicht gegeben sei.
Eine genauere Durchsicht des Verfassers wird genügen,
derartige Mängel zu beseitigen; wir dürfen das Werk zu
den brauchbaren Lehrbüchern der Physik zählen und können
es namentlich auch zu repetitorischen Studien sehr em-
pfeblen.
Halle a. S. Dr. Schmidt.
Kayser, H., Lehrbuch der Physik für Studirende. 464
Seiten, 334 Abbildungen. Stuttgart 1890. Ferdinand Encke.
Obgleich wir an Lehrbüchern über die pbysikalische:
Diseiplin eine recht reichliche Menge besitzen, fehlt es
bisher an einem solchen, das man mit voller Zufriedenheit
einem Studirenden empfehlen könnte.
Dieser Umstand hat den Verfasser veranlasst, das vor-
liegende Buch zu schreiben. Dasselbe wird für den Studiren-
den eine willkommene Ergänzung zu einem Colleg sein
und für Repetition ausserordentlich geeignet erscheinen.
Die Anordnung des Stoffes ist wohlangelegt und trotz.
des eompendiösen Umfanges finden sich in dem Werke
sämmtliche Fragen behandelt, die in der Experimental-
physik von Bedeutung sind.
II. Allgemeine Literatur. 34l
Ein gutes Inhaltsverzeichniss im Anfang des Buches,
nach der Materie am Ende alphabetisch geordnet, ermöglicht
ein leichtes Auffinden eines nachzuschlagenden Gegen-
standes.. Auch sind die neuesten Forschungen berück-
sichtigt, besprochen und dem Althergebrachten eingereiht.
Die Darstellung ist bündig und klar, die meist sche-
matisch gezeichneten Apparate und Versuchs-Anordnungen
sind übersichtlich und erleichtern das Verständniss des
Behandelten in vortheilbaftester Weise.
Hin und wieder hätte der Ausdruck präciser und
schärfer sein können. Ref. wünscht auch die Rechnung,
wo es irgend angeht, durch geometrische Construction er-
setzt; so lassen sich z. B. die Eigenschaften der Wage in
einfachster Weise aus einer Construction ableiten.
In wichtigen, bisher noch nicht gelösten Fragen, wie
z. B. die Herstellung von Accumulatoren etc., wäre eine
etwas ausführlichere Besprechung des Erreichten und noch
zu Erstrebenden am Platze.
Auf die Literatur zu eingehenderem Studium einzelner
Fragen ist theilweise recht gut hingewiesen. An anderen
Stellen vermisst Ref. einen solchen Hinweis, z. B. hätte
v. Helmholtz Schrift über die Erhaltung der Kraft p. 57
Erwähnung finden müssen.
Für eine folgende Auflage nimmt der Verf. vielleicht
eine Zusammenstellung der wichtigsten Werke am Ende
einer jeden Disciplin — wie dies z. B. am Ende der Lehre
von der Electrieität. p. 330 schon angedeutet ist — in
Aussicht.
Schliesslich möchte ich noch erwähnen, dass die An-
ordnung des Fresnelschen Spiegelversuches p. 337 Fig. 274
verzeichnet ist. CO bildet beim Experiment niemals einen
so grossen Winkel mit der Spiegelfläche L,D (resp. L,D)
wie in der Figur angegeben. Bei der dort gezeichneten An-
ordnung wird man keine Interferenzen beobachten: Ohne
die Deutlichkeit der Zeichnung zu beeinträchtigen, kann
man dieselbe ganz der Aufstellung der Apparate gemäss
ausführen.
Fig. 303 p. 422 ist perspectivisch verzeichnet. Die
verkürzte Ellipse BDCE darf nicht B und C berühren. Es
342 ]I. Allgemeine Literatur.
ist dieses ein Fehler, der häufig gerade bei dieser Figur
gemacht wird, weshalb Ref. bei dieser Gelegenheit einmal
darauf aufmerksam machen möchte.
Dr. Sehmidt.
Weber, H., Electrodynamık, mit Berücksichtigung der Thermo-
electricität, Electrolyse und T’hermochemie. Braunschweig
1889. Vieweg und Sohn.
Obgleich der Verfasser die Anwendung des Titels
„Blectrodynamik“ in der Vorrede zu rechtfertigen sucht,
glaubt Ref., dass ein anderer Titel dem Inhalte des Werk-
chens mehr entsprochen hätte, da nur !/, desselben auf
die Behandlung der Electrodynamik fällt.
Verf. lehnt sich in diesem Abschnitt an die von W. Weber
entwickelten Anschauungen und leitet das von W. Weber
aufgestellte Grundgesetz ab; er kommt dann von diesen
Entwickelungen ausgehend auf die wichtigen Begriffe der
ponderomotorischen, eleetromotorischen und inducirenden
Kraft.
Dass sich über die Gültigkeit der hier vertretenen An-
schauungen berechtigte Zweifel erheben, wird nicht er-
wähnt.
Ebenso wenig bespricht der Verfasser die neueren
Anschauungen, die von Faraday zuerst experimentell, von
Maxwell und von Helmholtz theoretisch begründet sind und
in neuester Zeit durch die schönen Versuche von Hertz
beträchtlich erweitert und befestigt sind, dass die
Dielectrica einen Einfluss auf die Ausbreitung eleectr.
Kräfte haben.
Im ersten Abschnitt bringt Verf. in hergebrachter
Weise das Ohm’sche Gesetz und die Kirchhoff’schen Sätze
über EBlectrieitätsvertheilung. Der über die Einführung
neuer Maasseinheiten handelnde Paragraph hätte eine
klarere Darstellung ünden können.
Die Recapitulation mechanischer Sätze in dem folgen-
den Abschnitt ist für das Werkchen nach Ansicht des Ref,
II. Allgemeine Literatur. 343
zu weitläufig behandelt; auch entbehrt die Ableitung der
Gleichungen theilweise der möglichen Kürze.
Eine eingehende Behandlung haben die Thermo-
electrieität, sowie die chemischen Vorgänge in den folgen-
den Capiteln gefunden.
Halle a. S. Dr. K. Sehmidt.
Thomson, J. J., Anwendung der Dynamik auf Physik
und Chemie. Autorisirte Uebersetzung. Leipzig. 1890.
Gustav Engel.
Ueber ein Werk von so ausserordentlich reichem In-
halt, wie das vorliegende, in wenigen Worten referiren zu
wollen, ist ein wenig aussichtsvolles Unternehmen, zumal
wenn die Methode der Hauptsache nach mathematischer
Natur ist; wir müssen uns begnügen, die leitenden Ge-
danken klar zu legen.
Die Lectüre des Buches ist durch die ausserordentlich
abstracte und ganz allgemeine Behandlungsweise der
Gleichungen nicht sehr leicht, es kostet viel Zeit, sich in
die in Deutschland nicht geläufige specifisch englische
Methode einzulesen.
Die Probleme, die behandelt werden, sind fast ledig-
lich thermodynamischer Natur; es wird untersucht, der Ein-
fluss der Erwärmung auf die Körper, die Entstehung
electromotorischer Kräfte durch Temperatur - Unterschiede.
Es werden ferner besprochen die Vorgänge der Ver-
dampfung, Dissociation, Eigenschaften verdünnter Lösungen,
Uebergänge aus dem festen in den flüssigen Aggregat-
zustand.
Das Neue in dem Buche ist die Methode, mit Hülfe
deren der Verfasser die Resultate ableitet.
Bisher löste man thermodynamische Probleme mit den
2 Hauptsätzen der mechanischen Wärmetheorie, deren erster
ein specieller Fall des allgemeinsten physikalischen
Princeipes der Constanz der Energie ist. Der zweite sagt
aus, dass Wärme nicht aus einem kälteren in einen
344 Il. Allgemeine Literatur,
wärmeren Körper übergeht, ohne dass gleichzeitig Arbeit
geleistet wird. Ro
An Stelle dieses rein empirischen Satzes setzt der
Verfasser einen dynamischen Satz, der in der Mechanik
unter der doppelten Form als Hamilton’sches Prineip oder
als System der Differential-Gleichungen von Lagrange be-
kannt ist. Beide Formen sind auf einander zurück-
führbar.
Die Vorzüge der neuen Mehiod: (ef. pag.5) bestehen
in Folgendem: sie hat als rein dynamische grössere Allge-
meinheit, sie stützt. sich auf ein Prineip (statt auf 2) und
reicht auch für den Fall aus, wo die Umwandlung der
Energie nicht in Wärme, sondern z. B. in Electrieität ge-
schieht. Für solche Processe reicht das Innen der Energie
nicht in allen Fällen aus.
Der Nachtheil- der Methode ist dadzsch begründet,
dass dieselbe auf dynamische Begriffe führt, die nicht ohne
Kenntniss anderer Beziehungen auf die direct: zu: messen-
den Grössen führt — es ist. z. B. die Intensität: eines
electrischen Stromes nicht ohue Weiteres als eine Ayaamische
Grösse gegeben. —
Diese Beziehungen sind nicht. immer heise. In
solchen Fällen führt oft die ältere Methode zu bestimmteren
Resultaten.
Da wir keine Kenntniss der inneren Struck: der Körper
besitzen, so können wir nur erwarten, Beziehungen zwischen
aan Eigenschaften der Körperwelt und Folgen
daraus festzustellen.
Hierzu ist die neue Methode sehr geeignet. Dieselbe
ergiebt Gleichungen, in denen ein jedes Glied einer be-
stimmten physikalischen Eigenschaft des Systemes ent-
spricht. Aus dem Vorhandensein eines solchen Gliedes
lässt sich auf neue Eigenschaften ein Schluss machen.
Um ein Beispiel zu geben, führe ich das in $ 43 p.
94 ff. Besprochene an. Die Methode ergiebt, dass man
durch Licht magnetische Kräfte erzeugen kann. . Dieses ist
experimentell nicht erwiesen. Die Gleichung, auf die der
Verfasser kommt, zeigt aber gleichzeitig, dass die Wirkung
zu klein ist, um beobachtet zu werden.
II. Allgemeine Literatur. 345
Durch vielfache Anwendungen auf bekannte That-
sachen giebt der Verfasser einen Beweis von der grossen
Fruchtbarkeit der neuen Methode.
Halle a. S. Dr. Karl Schmidt.
v. Müller-Hannfeld, Albert K., Richtigstellung der in
bisheriger Fassung unrichtigen mechanischen Wüärmetheorie
und Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Aetherbe-
wegungen. Wien 13990.
Die Existenz des Aethers als Lichtvermittlers zwischen
Auge und leuchtendem Object wird von den Physikern als
zweifellos angenommen. Ueber seine nähere Natur und
Beschaffenheit sind möglichst wenig Annahmen gemacht
und der Forscher empfindet wohl die Lücken, die sich in
derartigen Untersuchungen finden, im Allgemeinen enthält
er sich aber des Versuches, dieselben auszufüllen, da
unsere Natur-Erkenntniss noch nicht den Stand erreicht, über
die letzten Dinge mit Erfolg zu speculiren.
In dem vorliegenden Werke wird ein Versuch gewagt,
mit Hilfe einer neuen Hypothese — nämlich unter der
Annahme eines freien molekularen Aethers — sämmtliche
Erscheinungen und Gesetze der Physik zu erklären.
Die Menge der in dem Buche besprochenen Fragen
und Probleme ist in Folge dessen recht beträchtlich.
Der Verfasser verwirft die körperlichen Moleküle und
setzt an Stelle dessen den molekularen Aether. Diesen be-
gabt er mit Eigenschaften, die zum Theil von den Physikern
den Molekülen beigelegt werden. Neu ist der Versuch
der Erklärung der abstossenden und anziehenden Kräfte,
welche den letzten Theilchen allgemein beigelegt werden.
Dass mit des Verf. Annahmen viel gewonnen ist, kann
Referent nicht finden. So soll z. B. die neue Theorie eine
bessere Erklärung der Fluorescenz ergeben und sich die
Ueberlegenheit der neuen Theorie nach Angabe des Verf.
pag. 160 recht klar erweisen. Nach Ansicht des Ref. stebt in
diesem Abschnitt nichts Neues; es ist lediglich eine andere
Nomenclatur, ohne dass Fortschritte in der Erklärung der
Vorgänge zu verzeichnen sind.
346 II. Allgemeine Literatur.
Im Uebrigen finden sich manche Unrichtigkeiten und
Erklärungsversuche, die keinen Vortheil vor den früheren
haben und nicht geeignet scheinen, die Meinung von der
Ueberlegenheit der neuen Anschauungen wesentlich zu
kräftigen.
Halle a. S. Dr. Karl Sehmidt.
Büchner, W., Zwei Materien mit 3 Fundamental-Gesetzen
nebst einer Theorie der Atome. Stuttgart 1890.
„Ich glaube, dass bei den meisten chemischen Ver-
bindungen das Gesammtgewicht durch Freiwerden ge-
bundener Wärme kleiner wird‘ p. 60. Mit diesem Satze
kritisirt sich das Werk am zweifellosesten selbst.
Halle a. S. Dr. Karl Schmidt.
Doliarius, E. J., Dr. phil., Janus, ein immerwährender
Datumweiser für alle Jahrhunderte. Leipzig. Dyksche
Buchhandlung.
Die vorliegende hühsch ausgestattete Tafel von der
Grösse eines Quartblattes enthält einen stellbaren Kalender
für die Zeit von 1—2099 nach Chr. (alten und neuen Stils).
Sie besteht aus einem festen und beweglichen Blatte, das
feste hat einige Ausschnitte, durch welche man einzelne
Theile des beweglichen erblickt; diese Theile zeigen ein
nach Wochen geordnetes Verzeichniss aller Tage eines
Jahres, derartig, dass die 6 Tage jeder Woche in einer
Zeile nebeneinander, die Daten aller gleichnamigen W ochen-
tage in einer Spalte untereinander stehen. Die Namen
der 7 Wochentage stehen auf dem festen Blatte oben, und
das bewegliche Blatt ist derartig zu verschieben, dass der
1. Januar unter jeden der 7 Wochentage gebracht werden
kann: dann stehen jedesmal auch alle anderen Tage des
Jahres unter dem zugehörigen Wochentage. — Die Ein-
stellungsvorrichtung ist sehr einfach, es stehen nämlich die
beiden Anfangsziffern der Jahre auf dem beweglichen
Blatte, auf dem festen aber die beiden Endziffern in
II. Allgemeine Literatur. 347
passender Ordnung; behufs der Einstellung des Kalenders
auf ein gegebenes Jahr schiebt man das bewegliche Blatt
so, dass die Anfangsziffern der Jahreszahl gerade über den
Endziffern derselben stehen.
Die Anfangsziffern sind für den alten und neuen Stil
besonders gedruckt; die Endziffern für die Schaltjahre sind
doppelt gedruckt, roth für Januar und Februar, schwarz
für März bis Dezember. Während also der Kalender bei
Gemeinjahren mit einem Male für das ganze Jahr einge-
stellt wird, muss man bei Schaltjahren am 1. März eine
Umstellung vornehmen. Auf der Rückseite des Blattes be-
finden sich ausser der Gebrauchsanweisung verschiedene
kalendarische Notizen; leider fehlen darunter die Angaben
über das Osterfest. Es scheint, als ob der Verf. die auch
anderweit in Leipzig ausgesprochene Hoffnung theilt, dass
das Osterfest recht bald auf einen bestimmten Tag festge-
legt werde!); da man aber sowohl für die Gegenwart, wie
auch für die Vergangenheit doch noch häufig die Be-
stimmung des Östersonntags gebraucht, so sprechen wir
den Wunsch aus, dass uns Herr Dr. Doliarius demnächst
auch mit einer recht einfachen stellbaren Ostertafel be-
schenken möge. Einstweilen aber wollen wir uns des in
der Janustafel Gebotenen freuen; sie istin der That sehr über-
sichtlich und bequem, bes. ist der Vortheil zu rühmen, dass
eine einzige Einstellung für das ganze Jahr genügt, während
die älteren stellbaren Kalender meist nur Monatskalender
sind. Wie aber jedes Ding zwei Seiten hat, so ist es auch
hier; die Monatskalender haben auch ihre besonderen Vor-
züge; giebt man ihnen kleine Schrift, so kann man sie so
klein herstellen, dass sie sich in ein Notizbuch einlegen
lassen, wie z. B. den Kalender von Dr. Goldstein?2), —
macht man aber die Schrift, namentlich die Datumzahlen,
grösser, so kann man sie als Wandkalender verwenden
und das Datum selbst aus einer gewissen Entfernung ab-
1) In der gemeinnützigen Gesellschaft zu Leipzig hat Herr
Dr. phil. J. E. Böttcher am 24. März 1890 einen sehr eingehenden
Vortrag über diesen Gegenstand gehalten.
2) Siehe diese Zeitschrift Bd. 38 S. 421-422 und Bd. 46
Ss. 55—56.
348 II. Allgemeine Literatur.
lesen, wie bei dem drehbaren Kalender des Referenten ').
Der Janus ist für den ersten Zweck zu gross, für den
zweiten ist die Schrift zu klein; — im Uebrigen aber ist
er, wie gesagt, sehr zweckmässig eingerichtet; man hat
keinerlei Rechnung nöthig; die Wochen fangen stets mit
dem Sonntage an; jedes Datum u.s. w. ist immer nur ein-
mal sichtbar, das Auge hat also nicht nöthig, lange un-
sicher herumzuirren, — kurz, der Kalender ist in jeder
Beziehung zu empfehlen.
Erfurt. G. Schubring.
A. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landes- und Volks-
kunde. Stuttgart. Engelhorn.
IV. Bd. 5. Heft... Otto Zacharias, Zur Kenntniss
der niederen Thierwelt des Riesengebirges.
Der um die Erforschung der Fauna verdiente Dr.
Zaeharias schildert in diesem Heftehen die Thierwelt des
grossen und kleinen Teichs, der kleinen Schneegrube, der
Kammregion des Riesengebirgs und des Koppenkegels.
V. Bd. 1. Heft. Dr. F. Hoeck, Die Nährpflanzen
Mittel-Europas.
Nach einer kurzen Einleitung, in welcher die Grenzen
der geographischen Wissenschaft, der Begriff der Nähr-
pflanzen und der von Mittel-Europa näher definirt wird,
seht der Autor auf den ersten Haupttheil seiner Arbeit, die
Heimath der Nährpflanzen (Getreide, Obst- und Gemüse-
pflanzen) Mittel-Europas und die Zeit ihrer Einführung in
das Gebiet näher ein; im zweiten Haupttheile schildert er
die Verbreitung der Nährpflanzen mit besonderer Rücksicht
auf das Klima. Am Schluss folgt eine Zusammenfassung.
Halle a. S. Luedecke.
1) Siehe diese Zeitschrift Bd. 38 8. 422 ff.
lI. Allgemeine Literatur. 349
Niedzwiedrki, Julian, Prof.. Beitrag zur Kenntniss der
Salzformation von Wieliczka und Bochnia. Lemberg 1883/9.
Selbstverlag des Verfassers.
Eingangs seiner Arbeit theilt der Verfasser eine grosse
Reihe von Aufnahmedaten mit, welche ihn zu folgender
Gliederung veranlasst haben:
Zwei Abtheilungen der Kreideformation kann man im
Rande der Karpathen bei Bochnia und Swoszowice unterschei-
den. Die dünnplattigen Sandsteine und Mergelschiefer, welche
den Wermsdorfer Schichten in Schlesien und den neocomen
Strzolka-Sandstein entsprechen, bilden den unteren Theil.
Wenig treten breceienartige Schichten aus Quarz und Kalk-
stein und noch weniger in den Mergelschiefern Gerölle aus
lichtem Jurakalk, Gneiss- und Glimmerschiefer hervor.
Massige Sandsteine, welche von dünnen Mergellagern
abgelöst werden, bilden den oberen Theil, welcher den
Jamna-Schichten Paul’s und Tietze’s, sowie dem Goddula-
sandstein Hoheneggers entspricht. Auch hier sind Quarz-
gerölle und Conglomerat untergeordnet. Belemnites
bipartitus, Aptychus Didayi, sowie Reste von Ammoniten-
und Inoceramen- (concentricus und Conquandi bei Mictniow)
schaalen verweisen diese Schichten zu den Kreide-
bildungen.
Hohenegger und Fallaux legen vor den Kreiderand
auf ihrer Karte einen schmalen Saum von Eocaen (Sand-
stein von Mictniow), was nur auf Grund petrographischen
Befundes geschehen ist; nach den Petrefactenfunden des
Autors muss dies als ein Irrthum bezeichnet werden und
ist also der Mictniower Sandstein vollkommen ident mit dem
übrigen diekbankigen Sandstein des Gesammtgebiets.
Verfasser geht sodann näher auf das Gebiet des
durch seine Schwefelvorkommen bekannten Swoszowice
näher ein.
Die Sande von Rajsko überdecken die schwefel-
führenden Lagen in einer Mächtigkeit von 70 Metern; sie
lehnen sich im Süden direct an die Karpathen an und
überlagern deren Schichten discordant; Ostrea digitalina
Dub., Pecten elegans und Besseri Andrz. finden sich darin.
350 II. Allgemeine Literatur.
Unter den Rajsko’er Sanden erscheint der Swoszo-
wicer Thonmergel, welcher die Schwefellager birgt.
Zu oberst bestanden diese Hangendmergel aus dunklem
Mergel und Thon bis zu einer Tiefe von 30 Meter, unten
führen sie z. Th. Lignit; darunter folgt ein lichterer Mergel
mit fasrigem Gyps, welcher nach unten zu immer mehr
Schwefel führend wird; die beiden Schwefelflütze waren
0,5 m mächtig und enthielten 12°), Schwefel; die geringe
Mächtigkeit veranlasste das Auflassen der Bergwerke.
Darunter folgt der Liegendmergel. Mehr als 2 Lager
hat es nicht gegeben und sind auch alle Angaben,
welche sich auf Störungen beziehen, in das Reich der
Fabel zu verweisen. Auf einer beigegebenen Tafel
stellt der Verfasser die Lagerungsverhältnisse nach den
Aufnahmen des Bergverwalters Ambross dar. Die S.—
Mergel haben von Versteinerungen Pecten- und Natica-
schalen sowie Dikotyledonenblätter geliefert. Neuere
Tiefbohrungen nach Angaben von N. haben am Kreuzungs-
punkte der Strassen von Op’atkowice und Wro’blowice in
einer Teufe von 114 Meter die Salzthone von Wieliezka
als Liegendes der Schwefelmergel von S. aufgefunden.
Wieliezka. Die haugenden Sande „Bogueicer“ S. sind
ihrer Stellung nach denen von Rajsko an die Seite zu stellen;
ihre Lagerung in den früher gegebenen Profilen von
W. mit starkem Abfallen nach N. sind falsch, sie sind nur
5° nach N. geneigt und 50 Meter mächtig; sie führen
Cerithium lignitarum Echw, Turritella Archimedis Hörn.,
Monodonta angulata Echw., Natica helieina Broce.; Cor-
bula gibba Olivi, Peetunculus pilosus Linn. Pecten Besseri
Andrz., P. elegans Andrz., Ostrea digitalina Dub., O. Leo-
poldina Niedzw.
Unter diesen Sanden wurde bei Kosocice durch Tief-
bohrung, wie bei Swoszowice, ein Dikotyledonen und.
Foraminenferen führende Lagunen-Bildung aufgefunden,
welche den S. Schwefellagern entspricht; sie besteht petro-
graphisch aus gypsführenden Thonen.
II. Allgemeine Literatur. 351
Unter derselben folgen dann die beiden Salzlager.
Das obere besteht aus geschichteten Thon- und Mergel-
massen, in welchen stock- und klotzförmige Salzmassen
lagern, das untere aus wohlgeschichteten Thonen und Sand-
steinen und Salzflötzen. Das letztere — das untere — ist
3,4 Km. lang und 800 Meter breit und 150 Meter mächtig.
An der Zusammensetzung betheiligen sich 1. Salzthon
von dunkel aschgrauer Farbe mit Beimengungen von Sand,
Glimmer, Kalk und Steinsalz; 2. Salz-Sandstein.
Nach den Angaben von Pusch und Hradina sollten
Karpathensandstein ähnliche Gesteine zwischen den Salz-
lagern vorkommen; N. weist dies zurück; es findet sich
nur ein Sandstein hier, dessen Bindemittel Salz ist;
er erscheint grünlich oder bläulich -grau, fein- bis
srobkörnig mit Quarz- Thon und Kalkbröckchen. Das
Bindemittel des Steinsalzes ist sehr deutlich z. Th. in
1 cm ? grossen Körnern vorhanden; an einzelnen Stellen
bildet es !/;, der Masse des Salzsandsteins. 3. Thon-
Anhydrit-Gestein ist ein vorwiegend aus bläulichweissen,
dichten bis stenglig blättrigen Anhydrit und Thon bestehen-
des Gestein; ähnlich ist 4 das Thon-Gyps-Anhydrit-
Gestein. 5. Steinsalz, a) Szybiker Salz ist grob-
körnig von graulicher Färbung mit schwefelsaurem Kalk;
b) das Spiza-Salz zeigt eine mittel- bis kleinkörnige
Textur mit abgerundeten Quarzkörnern, organische Kalk-
schalen und rundliche Scheibehen eines Thongesteines; ce)
das Grünsalz hat gross krystallinische Textur, grünlich-
graue Färbung, Einschlüsse von Thon und Anhydrit.
Nur das Szybiker Salz wird als Speisesalz, das Spiza-
Salz dagegen nur für chemische Zwecke abgebaut.
In der Art der Vertheilung dieser Schichtglieder herrscht
keine Regelmässigkeit; die Mächtigkeit ist beim Spiza-
Salze 20 Meter, die Szybikerlager 2—5 Meter; einzelne
mächtige Salzlager haben eine Ausdehnung von 1 Km.;
das Steinsalz dürfte den fünften, der Anhydrit den zwan-
zigsten Theil der Lager einnehmen. Der Salzsandstein tritt
nur in ellipsoidischen Massen auf. Die Schichten sind zu
352 II. Allgemeine Literatur.
einem Sattel aufgepresst, dessen Axe h7 streicht, das
Fallen ist 45 nach Osten, im Westen aber viel flacher.
Die Thierreste sind spärlich: Planorbis, Caryophyllia sa-
linaria Kp., 22 Bryozoen, 50 Mollusken und 8 Crustaceen
Arten; fast alle erscheinen in abgeriebenen Kalksebaalen-
Bruchstücken; vom Pflanzenreiche fanden sich Caryanüsse,
Föhrenzapfen, Buchen-, Birken- und Palmenholz.
Die obere Abtheilung besteht nur aus ungeschichtetem
Gebirge; es nehmen am Aufbau Theil 1. Salzthon,
muschlig brechend, compakt, mit Salz und Kalkspath im-
prägnirt. 2. Salzmergel mit 20—25°/, Ca CO , mit Stein-
salzkörnern und Gyps imprägnirt. Steinsalzbrocken und
Anhydritkörner verwandeln ihn in Salzbrocken-Thon
(= Zuber). Dazwischen tritt in grossen Klumpen und stock-
förmigen Massen das Steinsalz auf und zwar als Grünsalz,.
Auch Sandsteinblöcke haben sich hie und da gefunden.
Dreissig verschiedene Versteinerungen sind hier vorge-
kommen, von denen der Verfasser Nucula nucleus L.
Pecten denudatus Rs., Pecten c. f. Gloria maris du Bois
und Ostrea cochlear Poli allgemein verbreitet gefunden hat.
Das obere Salzlager ist nach dem Verfasser durch theil-
weise Zerstörung des primären Salzlagers in einer tiefen
Meeresbucht entstanden ; beide Abtheilungen scheinen
discordant aufeinander zu liegen, auch an die Karpathen
legt sich das Salzgebirge discordant an, eine Ueberschiebung
der Kreideschichten über das Tertiär ist nicht vorhanden.
Der Wassereinbruch von 1868 vom Kloskischlage erfolgte
aus einem seitlich liegenden Schichtengestein. Das Alter
der Salzschichten ist nach dem Verfasser Unter-Mioeän:
die obere Abtheilung entspricht den Grunder-Schichten, die
untere den Schlier- und Horner-Schichten. Unter demselben
folgen die Lednicer Schichten, welche aus schwarz-
blättrigem Thonschiefer und mit demselben wechsellagernd
aus dünnen harten Mergelschichten bestehen; dieselben ent-
sprechen ihrem Alter nach den Cyrenenschichten in Ober-
Bayern und im Allgemeinen dem Aquitanien K. Mayers.
Nach kurzer Besprechung der Bucht von Gd’ow folgt
die Schilderung von Bochnia.
II. Allgemeine Literatur. 353
Den untersten Horizont nehmen hier wieder Lednitzer
Schichten in Gestalt von Schieferthonen, Mergeln, Thonen
ete. ein; z. Th. sind es Menilitschiefer; darüber folgt das Salz-
lager, aus Thon, Anhydrit und Steinsalz bestehend; in den
Thonen sind hier viele Foraminiferen aufgefunden worden,
von denen viele auch dem norddeutschen Septarienthon
eignen; die Schichten fallen steil nach S. ein, darüber
folgen gypsführende Schichten und endlich Thone und
Sande, welche den Sanden von Rajsko und Bogucice ent-
sprechen und Grabowitzer Schichten genannt werden, die-
selben sind recht reich an Fossilien, welche der jüngeren
Mediterranstufe des Wiener Beckens angehören. Auffallend
ist, dass die Salzformation von Bochnia dem Unter-Oligocaen
angehört, während die von Wieliezka höher steht und dem
Schlier sich anschliesst.
Im dritten Theile giebt der Verfasser einen Querschnitt
durch Wieliczka durch den Franz Joseph-Schacht und
wendet sich dann gegen die Ansicht von Paul, welcher
das Salzgebirge von Wieliezka als eine U-förmige, nach N.
überschobene Mulde darstellt.
Im vierten Theile giebt er einen Querschnitt durch
den westlichen Theil von Wieliezka, welcher das Frühere
ergänzt und erfreulicherweise bestätigt. Auch hier bildet
das Salzgebirge einen Sattel, dessen nördlicher Flügel
aber abgesunken ist. In einem zweiten Theile vertheidigt
der Verfasser seine Ansichten gegen die Anfechtungen
Tietze’s und Paul’s mit Geschick; wie überhaupt die ganze
Arbeit den Eindruck einer gründlichen und gewissenhaften
Untersuchung macht. Ein Inhaltsverzeichniss würde die
Uebersichtlichkeit und Brauchbarkeit wesentlich gefördert
haben. Die Ausstattung ist lobenswerth.
Halle a. S. Luedecke.
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 23
354 II. Allgemeine Literatur.
v. Sandberger, F., Uebersicht der Versteinerungen der
Triasformation Unterfrankens. (Separat aus den Ver-
handlungen der phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg.
N. Folge. Bd. XXII.) Würzburg, Stahel’sche Universitäts-
Buchhandlung.
In den Verbandlungen der Würzburger phys. und
medicin. Gesellschaft hat der Autor bereits früher eine
Zusammenstellung der von ihm und Andern während der
letzten 26 Jahre gesammelten Petrefacten der Trias-
formation Unterfrankens gegeben; die vorliegende Publi-
cation bezweckt das Gleiche wie die frühere; nur sind
hier alle Namen weggelassen, welche sich im Laufe der
Zeit als irrig oder zweifelhaft herausgestellt haben; alle
übrigen sind sorgfältig revidirt worden und befinden sich
in der Sammlung der Universität Würzburg niedergelegt ;
ihre Zahl hat natürlich bedeutend zugenommen.
Die Aufzählung geschieht nach den Stufen der
einzelnen Formationen: 1. Buntsandstein (Voltziensand-
stein, : Chirotherium -Sandstein, Röth), 2. Welienkalk-
gruppe (Wellendolomit, unterer, mittlerer und oberer
Wellenkalk), 3. Muschelkalkgruppe (unterer, mittlerer,
oberer), 4. Lettenkohlengruppe (untere, mittlere, obere
Abtheilung), 5. Keuper (unterer Gypskeuper, mittlerer
Keuper, Schilfsandstein Semionotussandstein).
Bei der grossen Uebereinstimmung der Formationen
in Thüringen und Franken wird auch den Interessenten
unserer Zeitschrift die kleine Schrift manches Neue bieten.
Halle a. S. Luedecke.
Fraas, Dr. Eb., Geologie in kurzem Auszuge für Schulen
und zur Selbstbelehrung mit 16 Abbildungen. Stuttgart
1890. Gloeschen’sche Buchhandlung.
Auf etwa 100 Seiten sehr kleinen Formats hat der
Verfasser versucht, die Thatsachen der Geologie zusammen-
zufassen. Nach einer kurzen Einleitung über das Wesen
der Geologie, bespricht er das Material der Erdkruste, die
1I. Allgemeine Literatur. 355
Entstehung dieses Materials, die Entstehung der Erdkruste
aus diesem Material und bringt endlich die Formations-
lehre, welche den Haupttheil des Buches einnimmt. Die
Beispiele für die Formationen nimmt er grösstentheils aus
Süd-Deutschland und den Alpen.
Natürlich musste der Verfasser bei dem knapp be-
messenen Raume die äusserte Sparsamkeit bei der Be-
sprechung der einzelnen Formationen walten lassen; den-
noch ist esihm geglückt, die Hauptthatsachen der Geologie
verständlich darzustellen.
Für den angegebenen Zweck ist das Büchlein jeden-
falls bei mündlicher Nachhülfe der Belehrung durch den
Lehrer ganz brauchbar.
Halle a. S. Luedecke.
Rath, Oto von. Ueber die Fortpflanzung der Chrlopoden.
Mit 1 Tafel. Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu
Freiburg i. B. Fünfter Band. Erstes Heft.
Den Lesern dieser Zeitschrift sind zwei Arbeiten er-
innerlich, welehe die Tausendfüsser betreffen, Bode’s Bear-
beitung des kleinen, interessanten Polyxenus lagurus (1877)
und von Schlechtendal’s siebente Bearbeitung des Nest-
baues (1883). Namentlich an letztere wird hier angeknüpft,
und das, was dort vereinzelt gegeben wird, möglichst
systematisch durchgeführt; und wie alle biologischen Ar-
beiten durch vielseitige Fülle zu fesseln pflegen, so schliesst
sich in der vorliegenden Abhandlung an die Schilderung der
Copula, oder Begattungswerkzeuge, der Sorge für die Eier,
des Verhaltens der Larven zugleich das Betragen bei der
Häutung, die Lebensweise in Freiheit und Gefangenschaft
an. Für mich persönlich ist die Ernährungsweise, wie sie
von Rath beschreibt, von ganz besonderem Werth, denn
sie stimmt mit den Ansichten, die ich von der ursprüng-
lichen Nahrungsöconomie der Landthiere überhaupt mir
gebildet und gelegentlich vorgetragen habe, und die ich
demnächst in einem Buche über die Entstehung der Land-
thiere ausführlicher zu begründen gedenke, vortrefflich über-
ein, denn diese alterthümlichen, terri- und humicolen Thiere
23*
356 II. Aligemeine Literatur.
sind theils Pilz, theils Moder- (Bacterien-) Fresser, und
sehen von da aus zu allerhand anderen Nahrungssoffen,
saftigen Wurzeln und Früchten, nur gelegentlich auch grünen
Blättern über. Die Herstellung des Eiernestes des Poly-
dermiden, wie sie von Schlechtendal beschreibt, wird be-
treffs eines Punktes in Frage gestellt. Es erscheint noch
zweifelhaft, ob die zum Schutze ringförmig aufgehäufte
Erde wirklich vorher den Darmcanal passirt oder nur durch
ein besonderes Secret verklebt wird. Wer die genauere
Schilderung in unserer Zeitschrift gelesen hat, möchte doch
wohl auf von Schlechtendal’s Seite sich schlagen. Jeden-
falls ist hier Anregung gegeben zu ernster Untersuchung.
Gohlis. H. Simroth.
Rlein,. Ludwig. Vergleichende Untersuchungen über
Morphologie und Biologie der Fortpflanzung beider Gattungen.
Volvox (Volvoxstudien III. Theil). Mit 5 Tafeln.
Als erste Theile gelten des Verfassers Abhandlungen,
die in Pringsheims Jahrbüchern Band 20 und in den Be-
richten der deutschen botanischen Gesellschaft Band 7 er-
schienen sind. Während früher Volvox aureus, die kleinere
Art, in den Vordergrund gestellt wurde, wird jetzt neben.
dieser auf Volvox globator das Hauptgewicht gelegt und
ein sehr reichhaltiges biologisches Untersuchungsmaterial zu-
sammengestellt nach Localitäten, Formen, Jahreszeiten etc.
Beide Arten werden in allen möglichen Stadien mit einander
verglichen, um als Unterlage für allgemeine Schlüsse zu
dienen. Manches, was nach den vorigen Arbeiten festzu-
stehen schien, ist nach den erweiterten Untersuchungen zu
modifieiren. Klein kommt zu der Ueberzeugung, dass einer
fruchtbringenden experimentellen Behandlung in den Aqua--
rien des Laboratoriums eine möglichst umfängliche Be-
obachtung der verschiedenen Bedingungen in der freien Natur-
voranzugehen habe, um für exacte Fragestellung der Ver--
suche gesicherte, breite Basis zu gewinnen, ein Grundsatz,
der nicht blos für Volvox zu gelten hat. Wenigstens kam.
der Unterzeichnete bei Untersuchungen auf ganz anderem
Gebiete (Nacktschnecken) zu genau demselben Schlusse,
und man sollte wohl diese Regel allgemein möglichst be--
II. Allgemeine Literatur. SW
herzigen. Die Probleme, die sich an Volvox knüpfen, sind
naturgemäss ausserordentlich vielseitiger und weittragender
Natur, Auseinandersetzung über die Bedeutung der Flagel-
laten als nächstliegendes, solche über die geschlechtliche
Fortpflanzung im Thier- und Pflanzenreiche überhaupt als
allgemeinstes.. Und wir können die hohe Bedeutung des
Volvox als eines besonders hervorragenden Untersuchungs-
objeetes nicht besser charakterisiren als durch die trefflichen
Worte des Verfassers: „Es bildet nunmehr den Grund-
und Eckstein für eine biologische oder, wenn man will,
physiologische Frage ersten Ranges die Frage nach der
Geschlechtsdifferenz, und in Gesellschaft von Hydrodicetyon
auch die Frage nach der sexuellen Fortpflanzung überhaupt
im Gegensatz zur ungeschlechtlichen Vermehrung.“ Für
die Einzelheiten (reproductive und Arbeits-Individuen,
Biologie der Arbeitsgenossenschaft, Tod bei Volvox,
Sphaerosiren, Parthenogonidien, Androgonidien, Gyro-
gonidien ete.) muss auf den reichen Inhalt der Abhand-
lung selbst verwiesen werden.
Gohlis. Simroth.
Frank, Dr., A. B., Professor an der Kgl. Landwirth-
schaftlichen Hochschule zu Berlin. Lehrbuch der Pflanzen-
physiologie mit besonderer Berücksichtigung der Kultur-
pflanzen. Mit 52 Textabbildungen. Berlin. Verlag von
Paul Parey. 1890.
In neuerer Zeit sind in der Pflanzenphysiologie und
besonders in der Ernährungslehre der Kulturpflanzen be-
deutende Fortschritte zu verzeichnen, wozu der Verfasser
des vorliegenden Werkes wesentlich beigetragen hat. Es
ist daher auch zeitgemäss, die Ergebnisse zusammenzufassen
und den gegenwärtigen Zustand der Pflanzenphysiologie
darzustellen. Dies ist im vorliegenden Werke geschehen
und zwar in einer Form, welche viel Anklang finden wird.
Das Buch ist nieht zu umfangreich und nicht im trockenen
Gelehrtentone geschrieben, was manche Kreise angenehm
berühren wird. Es kann sowohl vom Anfänger wie von
Studirenden als Lehrbuch benutzt werden.
358 IL. Allgemeine Literatur.
Nach einer Einleitung: Die Zellen als die alleinigen
Elementarorgane der Pflanze, beginnt der erste Theil mit
den physikalischen Eigenschaften und Erscheinungen der
Pflanze, nämlich: Licht und Wärme in der Pflanze; die
Molecularstruktur und die Imbibitionsfähigkeit der organi-
sirten Gebilde; die Diosmose und der Turgor der Pflanzen-
zellen; die Festigung der Pflanze; die Gewebespannungen;
die organbildenden Kräfte. Im zweiten Theile wird der
Stoffwechsel der Pflauze behandelt. In diesem Theile wer-
den neben den Ausführungen über die zur Ernährung der
Pflanze wichtigen Stoffe auch die Ergebnisse der neueren
Forschungen auf diesem Gebiete erörtert. Ausserdem wer-
den die für das Pflanzenwachsthum wichtigen Momente be-
sprochen. — Der dritte Theil beschäftigt sich mit den ver-
schiedenen Vermehrungsweisen der Pflanzen. — Das Buch
kann besonders Gärtnern, Land- und Forstwirthen empfohlen
werden.
Halle a. S. Dr. Heyer.
Nöldeke, C., Ober- Appellationsrath in Celle, Dr. phil. ete.
Flora des Fürstenthums Lüneburg, des Herzogthums Lauen-
burg und der freien Stadt Hamburg (ausschliesslich des
Amtes Ritzebüttel). Celle. Verlag der Capaun-Karlowa-
schen Buchhandlung. E. Spangenberg. 1890.
In einer Flora pflegt man die Beschreibungen der in
einem Gebiete vorkommenden Pflanzenarten in einer syste-
matischen Reihenfolge aufzuführen, so dass sich der Sach-
kundige bald zurechtfinden kann. Für den Anfänger ist
gewöhnlich eine Anleitung zum Bestimmen der Pflanzen
und ein Schlüssel beigegeben, so dass die Möglichkeit ge-
geben ist, die Namen unbekannter Pflanzen zu ermitteln.
Im vorliegenden Werke ist etwas anders verfahren: Vor
dem speziellen Theile, in welchem die Beschreibungen der
im Gebiete vorkommenden Arten nach dem natürlichen
Systeme aufgeführt werden, ist dem Buche ein allgemeiner
Theil vorausgeschickt, in welchem wichtige, auf die Flora
Bezug habende Gegenstände erörtert werden, nämlich: Die
Begrenzung des Gebietes. Allgemeine Charakteristik und
]I. Allgemeine Literatur. 359
die geognostischen Verhältnisse desselben. Die Gliederung
des Gebietes nach den Vegetationsverhältnissen. Vegetation
des Heidegebietes, der Aecker, des Waldes, des Alluvial-
bodens etc. Die Salzvegetation.e Eingeführte fremde
Pflanzen. Vegetationsgrenzen innerhalb des Gebietes. Ver-
breitung einzelner Pflanzen innerhalb desselben. Diese
Themata verleihen der Flora etwas anregenderes, als wenn
nur die trockene Beschreibung der Arten erfolgt; das Buch
bildet daher gewissermassen eine botanische Heimathskunde,
weil es in vielerlei Hinsicht über die Vegetationsverhält-
nisse des Gebietes Auskunft giebt. — Ueberflüssig wird es
wohl Manchem erscheinen, dass jetzt in einem wissenschaft-
lichen Werke noch zweierlei Maasse, Fuss und Meter, ge-
braucht werden. Warum bei der Aufzählung merkwürdiger
Bäume die Höhe, die Stammstärke und das Alter auch
solcher erwähnt werden, die überhaupt nicht mehr vor-
handen, sondern gefällt ete. sind, ist nicht recht einzusehen.
Einige Druckfehler sind stehen geblieben, so steht bei Ur-
tica dioica ein einjähriges Zeichen, bei Chelidonium majus
und Aconitum Napellus gar keins. — Diese redaktionellen
Ausstellungen setzen aber den Werth des Buches nicht
herab. Für Botaniker, Land- und Forstwirthe ete. ist es
entschieden eine werthvolle Erscheinung.
Dr. Heyer.
Ohrt, Heinrich, Grossherzoglicher Garten- Inspektor in
Oldenburg. Die Grossherzoglichen Gärten und Parkan-
lagen in Oldenburg. Dargestellt in Wort und Bild. Mit
vielen Holzschnitten und landschaftlichen Vollbildern in
Lichtdruck von Degode, Müller-Küämpf und W.
Otto. Oldenburg und Leipzig, 1890. Schulze’sche Hof-
Buchhandlung und Hof-Buchdruckerei.
Am werthvollsten ist das vorliegende Werk jedenfalls
für die Besucher der in ihm beschriebenen Garten- und
Parkanlagen, weil es über deren Entstehung Auskunft
giebt. Es finden sich darin aber auch Mittheilungen, die
für weitere Kreise Interesse haben, da der Verfasser 33
Jahre Leiter der von ihm beschriebenen Gärten ist und
360 II. Allgemeine Literatur.
ausserdem noch sieben Jahre mit seinem pensionirten Vor-
gänger verkehrt hat, so dass seine Erinnerungen weit
zurückreichen. Ferner ist auch das darauf bezügliche
Aktenmaterial benützt worden. Ausser geschichtlichen Mit-
theilungen enthält das Werk gärtnerische und ab und zu
auch poetische. Es wird besonders hervorgehoben, dass
die Vogelwelt in den dortigen Gartenanlagen eine sehr
reiche ist. Es wird aber auch hinzugefügt, dass man die
Vögel möglichst schützt. Das Buch ist dem Obst- und
Gartenbau-Vereine zu Oldenburg gewidmet
Dr. Heyer.
Rümpler, Th., Generalsekretär des Gartenbau-Vereins in
Erfurt. Illustrirtes Gartenbau-Lezikon. Zweite,
neubearbeitete Auflage. Herausgegeben unter Mitwirkung
von Gelehrten und bewährten Fachleuten. Mit etwa 1000
Abbildungen im Text. Berlin. Verlag von Paul Parey, 1890.
Von dem lieferungsweise erscheinenden Werke sind
weiter No. 2—6 erschienen, welche bis zu dem Buchstaben
G reichen und am Ende den Artikel „Gladiolus“ behandeln.
Ihr Inhalt ist sehr vielseitig und möglichst erschöpfend be-
handelt, so dass jeder, der mit dem Gartenbaue zu thun
hat oder demselben nahe steht, über irgend einen darauf
bezüglichen Gegenstand schnell Auskunft erhalten kann.
Dr rleyier.
Neu erschienene Werke.
vun
Allgemeines,
Mathematik, Physik, Astronomie ete.
Astrand, J. J. Hülfstafeln zur leichten und genauen Auflösung
des Kepler’schen Problems. Mit einer Einleitung von H. Bruns.
8%. X, 110 8. Leipzig, 1890.
Battaglini, G. Elementi di calcolo infinitesimale. 8%. 260 pp.
Napoli, 1890.
Blochmann, Rht. Erste Anleitung zur qualitativen chemischen
Analyse. 8° VI, V, 116 S. Nebst 3 Tab. Hartung, Königsberg
i/Pr., 1890.
Busch, F. Beobachtungen über die atmosphärische Polarisation.
40. IIL.pp. Mit 11 Fig. im Text u. 1 Kurventaf. Ritter. Arns-
berg, 1890.
Döllen, W. Stern-Ephemeriden auf das Jahr 1890 zur Bestimmung
von Zeit und Azimut mittelst des tragbaren Durchgangsinstruments
im Verticale des Polarsterns. 8%. XLIV, 538. [Leipzig, Voss’
Sort.] St. Petersburg, 1890.
Fernandez Dura, C. Nebulosa de Colön, segun observaciones
hechas en ambos mundos. 8°. 284pp. Madrid 1890.
Encyklopädie der Naturwissenschaften, herausgegeben von W. Förster,
A. Kenngott, A. Ladenburg ete. I. Abth. 63. u. 64. Lfg. II. Abth.
56. und 57. Lfg. III. Abth. 3, u. 4. Lig. 8°. Mit Textfig. Trewendt.
Breslau 1890.
Inhalt: 63. Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie
und Ethnologie. 26. Lfg. VI. Bd. S. 257—384—64. Handbuch der
Botanik. 26. Lfg. IV. Bd. S. 535—646. — II. 56 u.57. Handwörterb.
der Chemie. 36. u. 37. Lfg. VIII. Bd. S. 1—272. — Handbuch der
Physik. Herausgegeben von A. Winkelmann. 3. u. 4. Lfg. I. Bd.
S. 241—496.
Eschenhagen, M. Bestimmung der erdmagnetischen Elemente, an
40 Stationen im nordwestlichen Deutschland ausgeführt im Auf-
trage der kaiserl. Admiralität in den Jahren 1837 und 1888. 4%,
III, 103 S. Mit 3 Karten. Mittler & Sohn. Berlin, 1890.
362 Neu erschienene Werke.
Gerard, E. Lecons sur l’electricite. 80%. IX, 558 pp. Tome I.
Paris, 1890.
v. Grumppenberg, C. Systema Geometrarum zonae temperatioris
septentrionalis. III. Thl. [Aus: „Nova Acta der kaiserl. Leopoldinisch-
Carolinischen deutschen Akademie der Naturforscher.*] 4°. 163pp.
[S. 1888 Nr. 3219]. |Leipzig, Engelmann.] Halle, 18%.
Hallier, E. Aesthetik der Natur. 8%. XII, 400 S. Mit Abbildgn.
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Tondini de Quarenghi. Examen critique du choix du meridien
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Handwörterbuch, neues, der Chemie. Auf Grundlage des von Liebig,
Poggendorf und Wöhler, Kolbe und Fehling herausgegebenen Hand-
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wirkung von Baumann, Bunsen, Fittig ete. bearbeitet und redigirt
von Hm. v. Fehling. Fortgesetzt von C. Hell. 65.—67. Lfg. 8°.
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Mineralogie, Geologie ete.
Blanckenhorn, Max. Beiträge zur Geologie Syriens: Die Ent-
wickelung des Kreidesystems in Mittel- und Nord-Syrien mit be-
sonderer Berücksichtigung der paläontologischen Verhältnisse, nebst
einem Anhang über den jurassischen Glandarienkalk. 4°. IV,
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Friedländer & Sohn.] Cassel, 1890.
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Veit u. Co. Leipzig, 18%.
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Hoernes, R. und M. Auinger. Die Gasteropoden der Meeres-Ab-
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Steintaf. u. 6 Bl. Erklärgn. Hölder. Wien 1890.
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gegeben von K. Martin und A. Wichmann. II. Serie. Beiträge zur
Geologie von niederländisch West-Indien und angrenzende Gebiete.
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Zoologie.
Altmann, Rch. Die Elementarorganismen und ihre Beziehung zu
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Backhouse, J. A Handbook of European Birds for the Use of Field
Naturalists and Collectors. 8%. 340 pp. London, 18%.
Bronn’s, H. G. Klassen und Ordnungen des Thierreichs, wissen-
schaftlich dargestellt in Wort und Bild. Mit auf Stein gezeichneten
Abbildungen, 8°. II. Bd. 3 Abth. Eehinodermen [Stachelhäuter|.
Bearbeitet von H. Ludwig. 2.—6. Lfg. S. 49—176. Mit 8. Bl. Er-
klärgn. — V. Bd. 2. Abth. Gliederfüssler: Arthropoda. Fortgesetzt
von A. Gerstaecker. 25.—27. Lfg. S. 689—752, Mit 6 Bl. Er-
klärgn. — VI, Bd. 3. Abth. Reptilien. Fortgesetzt von C.K.
Hoffmann. 67. u. 68. Lfg. S. 2017—2064. Mit 4 Bl. Erklärgn. —
VI. Bd. 4. Abth. Vögel: Aves. Fortgesetzt von Hs. Gadow. 28.
bis 34. Lfg. S. 705—832. Mit 8 Bl. Erklärgn. C.F. Winter. Leip-
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Nr. 2.] 40, 40 S. Mit 3 Lichtdr.-Taf, Friedländer & Sohn. Berlin, 1890
Neu erschienene Werke. 365
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718. Mit 12 Taf. Rieger. München, 18%.
Kirsch, Thdr. Coleopteren, gesammelt in den Jahren 1868—1877
auf einer Reise durch Süd-Amerika von Alph. Stübel, bearbeitet
von Th. K. Nebst Nekrolog auf Thdr. Kirsch von A. B. Meyer.
[Abhandlungen und Berichte des königl. zoologischen und anthro-
pologisch-ethnographischen Museums zu Dresden 1888/89. Nr. 4 u. 5.]
40. 58 u.7 8. Mit 4 Farbendr.-Taf. u. 1 Portr. in Lichtdr. Fried-
länder & Sohn. Berlin, 1890,
Kobelt, W. Iconographie der schalentragenden europäischen Meeres-
conchylien. 9. u. 10. Heft. 40%. II. Bd. S. 17-40. Mit 4 Taf. u.
2 Doppeltaf. Fischer. Cassel, 1890.
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der Bonner Durchmusterung. [Supplement II. aus: „Observations
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Maineri, B. E. Le conchiglie del Tosero e i Turchi al Ceriale.
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Michaelsen, W. Beschreibung der von Fr. Stuhlmann im Mündungs-
gebiet des Sambesi gesammelten Terricolen. Anhang: 1. Diag-
nosticierung einiger Terricolen aus Sansibar und dem gegenüber-
liegenden Festlande. 2. Chylustaschen bei Eudriliden. [Aus:
„Jahrbuch der hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten.“] 8°.
830 S. Mit 4 Taf. Graefe. Hamburg, 1890.
— — Oligochaeten des naturhistorischen Museums in Hamburg. [Aus:
„Jahrbuch der hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten.*] 8°.
II, 12 S. Gräfe. Hamburg, 1890.
— — Die Lumbrieiden Norddeutschlands. [Aus: „Jahrbuch der ham-
burgischen wissenschaftl. Anstalten.“] 8% 198. Gräfe Ham-
burg, 1890.
Martini und Chemnitz. Systematisches Conchilien-Cabinet. In
Verbindung mit Philippi, Pfeiffer, Dunker etc. neu herausgegeben
und vervollständigt von H. C. Küster, nach dessen Tode fortgesetzt
von W. Kobelt. 4%. Sect. 121—123. 56 8. 8. 65-136 u. S. 61
bis 170. Mit 20, 17 und 18 color. Steintaf. Bauer & Raspe. Nürn-
berg, 18%.
— — — Systematisches Conchylien-Cabinet. In Verbindung mit
Philippi, Pfeiffer, Dunker ete. neu herausgegeben und vervoll-
ständigt von H. C. Küster, nach dessen Tode fortgesetzt von W.
Kobelt. 372.—376. Lfg. 40%, 1548. Mit 20 color. Steintaf. Bauer
& Raspe. Nürnberg, 1890.
Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel, zugleich ein
Repertorium für Mittelmeerkunde. 8°, 1X. Bd. 3. Heft. S. 306
bis 482. Mit 4 Taf. Friedländer & Sohn. Berlin 1890.
Nehrling, H. Die rordamerikanische Vogelwelt. Unter künst-
lerischer Mitwirkung von Rbt. Ridgway, A. Goering und Gst. Mützel.
7
366 Neu erschienene Werke.
40%. 4.—6. Heft. 8. 145—288. Mit je 3 farb. Taf. [Leipzig, Brock-
haus.] Milwaukee, 1890.
Poulton. Colours et animals. London, 1890.
Rossmaessler, E. A. Die Land- und Siüsswasser-Mollusken von
. W. Kobelt. UI. Folge. IV, Bd. 5. u. 6. Lfg. Kneidel. Wies-
baden 1890.
Thiele, Js. Die abdominalen Sinnesorgane der Lamellibranchier.
[Aus: „Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie.“] 8%. 8.47—59.
Mit 1 Taf. [Berlin, Dames.] Leipzig, 189.
Trounsart, E. L. La Geographie zoologique. 18%. 338pp. Avec
63 figures dans le texte et 2 cartes. Paris 1890.
Weber, Max. Zoologische Ergebnisse einer Reise in Niederländisch-
Öst-Indien. 8%. 1. Heft. XII, 158 S. Mit 3 Karten, 13 Taf, und
4 Zinkogr. Brill. Leiden, 189.
Botanik.
Bibliotheca botanica. Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete der
Botanik. Herausgegeben von Chr. Luerssen und F. H. Haenlein.
19. Heft. 1. Hälfte: G. Beck v. Mannagetta. Monographie der
Gattung Orobranche. 4%. 8. 1—160. Fischer. Cassel, 18%.
Cooke, M. C. Introduction to fresh Water Algae. 83°. 316 pp.
London, 1890.
Engler, A. und K. Prantl. Die natürlichen Pflanzenfamilien, nebst
ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbesondere den Nutz-
pflanzen, bearbeitet unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender
Fachgelehrten. 80%. 38.—-43. Lfg. Mit Illustr. Subser.-Pr. & 1 .#
50 13. Engelmann. Leipzig, 1890.
Johan-Olsen, O0. Gjaering og gjaerings organismer. 8°. VIII,
196 pp. Christiania, 1890.
v. Lendenfeld, R. Gattung Stelleta. 40, 75S. Reimer. Berlin, 1890.
Leuba, F. Die essbaren Schwämme und die giftigen Arten, mit
welchen dieselben verwechselt werden können, Fol. 4.—7. Lfg.
S. 21—52. Mit 10 Chromolith. Georg. Basel, 1890.
v. Mannagetta, G. Beck. Monographia der Gattung Orobranche
1. Hälfte. [Aus: „Bibliotheca botanica.“| 40. Fischer. Cassel, 1890.
Nymann, C. F. Conspectus florae europaeae. Supplementum II.
Pars. 2. Additamenta. Emendationes. Observationes. Commen-
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Oborny. Flora von Mähren und Oesterreich-Schlesien (Gefässpflan-
zen). 8°. 2. Bde. 1258 u. u. XXXIX S. Winiker. Brünn, 1890
Pax, Fd. Allgemeine Morphologie der Pflanzen, mit besonderer Be-
rücksichtigung der Blüthenmorphologie. 8°. X, 404 S. Mit 126
in den Text gedr. Abbildgn. Enke. Stuttgart, 1890.
Neu erschienene Werke. 367
Praht, P. Kritische Flora von Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck,
Bremen. 8°. I. Thl. 2. Heft. IX, 648. 129-345. Kiel. Uni-
versitäts-Buchhälg., 1890.
Rauwenhoff, N. W. P. De geslachtsgeneratie der Gleicheniacee£n.
40, 2,54 S. Met 7 platen. Amsterdam, 1890.
Handbuch der Botanik. Herausgegeben von A. Schenk. Unter Mit-
wirkung von Detmer, Drude, Falkenberg etc. 80%. IV. Bd. VIII,
751 S. Mit 217 eingedr. Holzsch. u.1 Taf, Trewendt. Bresiau, 1890.
Stizenberger, E. Lichenaea Africana. Fasc, 1. 8%. 144pp. A.
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Sorauer, P. Atlas der Pflanzenkrankheiten. 8%. 4. Folge. Taf.
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Berlin, 1890.
Watson, W., and W, Bean. Orchids. Their Culture and Manage-
ment. 8°. 560 pp. Illustrated. London, 1890.
Zopt, W. Die Pilze. 8% XII, 5008. Trewendt. Breslau, 1890.
Verlag von €. E. M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle- Saale.
Aretaeus, Des Kappadocier, auf uns gekommene Schriften. Aus dem
Griechischen übersetzt von Prof. Dr. Mann. M 4—
Bischof, F., Bergrath, Die Steinsalzwerke bei Stassfurt. 2. umge-
arbeitete Auflage. Mit Abbildungen und 1 Karte. „ll 3.60
Dreher, Dr. Eugen, Der Darwinismus und seine Consequenzen in
wissenschaftlicher und sozialer Beziehung. A 2.25
— Beiträge zu unserer modernen Atom- und Molekular- Theorie
auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der
Chemie. 2. Die Spektralanalyse. 5. Die Ursache der Phosphor-
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei
Spektren im Lichte. (Das eigentliche Lichtspektrum, das
Wärmespektrum und das chemische Spektrum.) M 2.25
— Beiträge zu einer exakten Psycho -Physiologie. 1. Ueber das
Wesen der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension
des Raumes. 3. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit.
4. Studien am „Lebensrad“ behufs eines richtigen Verständ-
nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der
Farbenwahrnehmung. M 2.—
— Ueber den Zusammenhang der Naturkräfte. AU 1.20
Drossbach, M., Ueber Kraft und Bewegung im Hinblick auf die Licht-
wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. U 2.40
— Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Ge-
schehens in der Welt. U 1.80
Durdik, }., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der
Welt auf Grundlage der positiven Ergebnisse der Philosophie
und der Naturforschung. M 1.—
Giebelhausen, San.-R. Dr., Der Berggeist. Ernste und heitere Mittheil-
ungen aus Manfelds Vor- und Neuzeit in Volksmundart. 120 8.
1 1,50
— Die Trichinen-Gefahr. Ein frisches, ehrliches Wort in altmansf
Weise, 88. M —,10
— Eine mansfeldsche Stimme. U —,10
Girard, Prof. Dr., Geologische Wanderungen. I. Wallis, Vivarais,
Velay. 2. Auflage. Nebst Karten, Profilen und Ansichten.
NM 3.—
Grouven, Dr., Meteorologische Beobachtungen nebst Beobachtungen
über die freiwillige Wasserverdunstung und über die Wärme
des Bodens in verschiedenen Tiefen, angestellt im Jahre 1863
zu Salzmünde auf der Versuchs-Station des landwirthschaftl.
Central- Vereins der Provinz Sachsen. Mit 4 Tafeln. .4 1.—
Köhler, Prof. Dr., Die lokale Anaesthesirung durch Saponin. Experi-
mental.-pharmakolog. Studien. Mit 2 Tafeln (in qu. u. gr. I)
AM 8.
— Chemische Untersuchung über die fälschlich Hirnfette genannten
Substanzen und ihre Zersetzungsproducte. Mit SUDDSN
M 2.
— Ueber Werth und Bedeutung des sauerstoffhaltigen Terpentin-
öls für die Therapie der acuten Phosphorvergiftung. Nach
klin. Beobacht. und physiolog.-chem. Experimenten. MN 1.60
rof. Dr. Siegmund Günther, ande a mathematischen
"Geographie . u er
Er Bor ‘Dr. Helmholtz, Ueber Erh haltung der Krakl EEE
-F. Hoeck, Die Nährpflanzen Mittel-Europas ... 2... ...
SER Kayser, Lehrbuch der Physik für Studirende . ls
PROF. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landeskunde .
- Ludwig Klein, Vergleichende Untersuchungen über Morphologie
a und Biologie. der Fortpflanzung beider Gattungen Volvox
Curd Lasswitz, Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis
Newton. 2 Bände ....
Albert K.v.Müller- Hannfeld, Richtigstellung deri in bisheriger
- Fassung unrichtigen mechanischen Wärmetheorie und
Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Aetherbewegungen
Prof. ‚Julian Niedzwiedzki, Beitrag zur re von
Bir Wieliezka und Bochnia ..
Ober-Appellations-Rath Dr. phil. C. Nöldecke in Gelle, "Flora
fir des Fürstentkums Lüneburg . . x
Heinrich Ohrt, Die srossherzoglichen Gärten und Parkanlagen
R in Oldenburs: NER, RS
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Otto von Rath, Ueber Fortpflanzung der Chilopoden ..
Th. Rümpler, Illustrirtes Gartenbaulexikon . „. . . ...
Prof. v. Sandberger, Uebersicht der Versteinerungen der
Triasformation Unterfrankens ... .. 0... ie
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des De RE ER I SE
‚Neu erschienene Worker N ran en
U)
£2
ft
348 5
Be
'Vollert, Bergassessor, M., Der Braunkohlenbergbau im 'Oberbereamts-
iederhuch. für Bers-. in Rükkenleuite, N, vom Berg- uni
Hüttenmännischen Verein za Berlin. 5. Auflage. cart, Bee! 20
Lufiblasen. Von Veratrinus Leuchtkäfer, ib Arzneigelahrtheit Doetor
(Geh. Rath Dr. Flemming.) A Naturwissenschaft vor dem
Richterstuhle der Ethik. 2. Ideen zur Diagnostik der Charla
tanerie und Kryptiatrik. 3. Homöopathische Studien. .% 150
Ochsenius, Bergingenieur C., Die Bildung der Steinsalzlager und ihrer
Mutterl: ugensalze, unter specieller Berücksichtigune der Flötze
von Douglashall in der 'Egeln’schen Mulde. Mit en
und Karten. AM 6.—
Pressense, Edm., Die Ursprünge. Zn Geschichte ns ‚Lösung des :
Problems der Erkenntniss, der Kosinologie, der Anthropologie i
und (es Ursprungs der Moral und der Religion. Deutsch von
E. Fabarius. 2. Auflage.- el. 4,50
Schellwien, Robert, Optische Häresien. N
— Optische Häresien erste Folge und das Gesetz ‘der Polarität.
4.2.6007
Schröter, Dr., Die Gemüthsleiden, ihre rechtzeitige Erkennung und
Behandlung. 0
beziık Halle und in den angrenzenden Staaten. Nebst einer
Uebersichtskarte von den Braunkohlen - Ablagerungen im Ober-
bergamtsbezirk Halle. <a,
Waldmann, Oberstabsarzt Dr., Die Behandlung der Tabes- Krankheiten “ |
als Anhalt für Aerzte und Kr anke.
‚Glafer’s.
Tarden- Wörterbud
für Botanifer und alfe Srennde der Botanik,
Arphabetiiches Verzeichnis aller wichtigeren (über 5000) Pflanzen
nebit Bejchreibung und Namenserflärung (griedh., lateinifch, Deutidh).
Ziteratur. Spezialbotanik,_
500 &eiten Jtark, hübfcy gebunden 5 Zllark.
Berlag von T. ©. Weigel Nachf., £ Seipig.
Besondere Beilagen: „Taschenwörterbuch für Botaniker
und alle Freunde der Botanik“, Verlag von T. ©. Weigel
Nachf. (Chr. Herm. Tauchnitz) in Leipzig, sowie „Brehms
Tierleben‘ in neuer Auflage. (Bibliographisehes” Institut
in Leipzig.)
Gebauer-Schwetschke’sche Buchäruckerei in Halle (Saale).
en Tnieigen und unter e Mieyirkung von
Pi
Geh, Bergrath Dunker, Prof. Dr. Freib, von Fritsch, Prof. Dr. Garcke,
‚Geh. Rath ‚Prof. Dr. Kuoblauch, -Geh. Rath Prof. Dr. Leuekart,
Prof, Dr. E. Schmidt und a Dr. Zopf
er a
ee De 0. Be
ED, & Professor an der Universität Halle,
5 a = 3 vr 63. BB Br i
Füntte Folge, Mrster Band.)
4 en Heft.
F
Be Er E
/ Ausgabe für Vereinsmitglieder.
N Halle- Saale. ee
ei a M. Pfeffer (Robert Stricken). ” I a
ee
Dale wii ne euryceros. von Ridort
Liebetrau, B., Beiträge zur Kenntnis a un |
U RAyON, Jena. 3 Fe
, Loretz, Der Zechstein in der Gegend von Blankenburg und
Rt Königsee . .
' Müg sge und Müller, Ueber einen Orthoklas-Zwilling aus dem -
‚Fichtelgebirge . . . BERG @
Sankr und Ussing, Einfächer Mikroklin von Meissen x + #27.
‚Schillbach,H. ‚ Mikroskopische a des Wellenkalkes m
‘von Jena . BE FE ER a ER AS
Sur Allteeiweine Eileraliß , -
ER aicche 'F., Botanischer Wegweiser im Gebiete des nord- ER
» böhmischen Exeursions-Clubs . . . RETRO,
KoiDe. Einführung in die Kenntniss der Insen RI AAER
Levyy a Anleitung zur. Darstellung organischer Präparate RS A
Marktanner- Turneretscher, Die Hydroiden desk. k. Hof- ;
museums. . x RATE
Derselbe, Die Mikropholographie als Hilfsmittel naturwissen- re
i schaftlicher Forschung . 44
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de Museums zu Dresden . . Kar a
E Pluss, B., Leitfaden der Naturgeschichte & ee ee AO
x Ä Vogel, Handbuch der Photographie. 1. . . AR
er "Wildermann, Jahrbuch der Naturwissenschaften ET FAAOR
Beiträge zur Kenntniss
der Alkaloide aus den Wurzeln von Sanguinaria
Canadensis und Chelidonium Majus.
Von
Georg Koenig
aus Adorf in Waldeck.
Vorliegende Arbeit, die auszuführen ich durch
meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr.
E. Schmidt veranlasst wurde, verfolgt zunächst zwei Ziele.
Einmal soll sie einen Beitrag liefern zur Kenntniss der
Alkaloide, welehe überhaupt in den Wurzeln der beiden
zur Gruppe der Papaverac&en gehörenden Pflanzen, des
einheimischen Chelidonium Majus und der in Nordamerika
wachsenden Sanguinaria Canadensis vorkommen; zum
andern soll versucht werden, speciell weitere Daten über
die Eigenschaften und das chemische Verhalten der schon
mehrfach untersuchten Basen, das Sanguinarin und das
Chelerythrin, aufzufinden, um hierdurch die widersprechen-
den Angaben, welche gerade über diese Alkaloide in der
Literatur vorliegen, zu erklären.
Die jüngsten, das Sanguinarin und das Chelerythrin
betreffenden, von Henschke!) ausgeführten vergleichenden
Untersuchungen führten im Gegensatz zu der bis dahin
1) A. Henschke, Inaug.-Dissert. Erlangen, und Zeitschrift für
Naturwissenschaft. Bd. 60, S. 102.
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 24
370 Georg Koenig:
herrschenden Ansicht zu der Annahme, dass die genannten
Alkaloide nicht identisch seien. Jedoch konnten diese
Untersuchungen, wegen Mangel an Material, nicht zu einem
entscheidenden Abschlusse gebracht werden.
Aeltere Untersuchungen über das Sanguinarie liegen
von Dana), Schiel?) und Naschold?) vor, wogegen ältere
Angaben über das Chelerythrin sich in der Literatur be-
sonders von Probst?) und Polex’), Dana®), Schiel?) und
Wayne®°) finden. \
Endlich werde ich in Folgendem Gelegenheit haben,
eine im verflossenen Jahre erschienene Arbeit von
Fr. Selle?) über Papaveracöen-Alkaluide mehrfach zu
erwähnen.
Wie ich im Verlaufe dieser Arbeit zu zeigen hoffe,
sind mit den Namen Sanguinarin und Chelerythrin bisher
nur scheinbar bestimmte, in ihrer Eigenart charakterisirte
Alkaloide belegt. In Wirklichkeit ist vielmehr die Be-
zeichnung Sanguinarin bis zu dieser Zeit nur als ein
Sammelname anzusehen für eine grössere Anzahl unter
sich verschiedener Alkaloide, welche nebeneinander in
der Sanguinariawurzel vorkommen. Dasselbe dürfte auch
für das Chelerythrin der Chelidoniumwurzel gelten, da die
bisher mit diesem Namen in der Literatur bezeichneten
und als solches untersuchten Präparate ebenfalls nicht ein-
heitlicher Natur gewesen zu sein, sondern aus Gemengen
verschiedener Chelidonium - Basen bestanden zu haben
scheinen.
1) Magazin für Pharmacie 1828. 23. 125.
2) Annal. d. Chem. und Pharmacie 43. 233.
3) Journal für pract. Chem. 106. 385. Zeitschrift für Chemie
1870. 19.
4) Annal. d. Chemie u. Pharmacie 29. 123. und 31. 250.
5) Archiv der Pharmacie 16. 77.
6) Magazin für Pharmacie 1828. 23. 125.
7) Journal f. pract. Chemie 67. 61.
8) Vierteljahrsschrift f. pract. Chemie 6. 254.
9) Fr. Selle. Inaug.-Dissert. Erlangen 1889 und Zeitschrift
für Naturwissenschaften. Bd. 69 S. 269.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. rt
Die Alkaloide aus der Wurzel der Sanguinaria
Canadensis.
A. Aus käuflichem Sanguinarin.
Als erstes Ausgangsmaterial für meine Untersuchungen
diente mir ein unter dem Namen „Sanguinarin“ von der
Firma E. Merck in Darmstadt bezogenes Präparat, welches
ein grau-weisses, amorphes Pulver darstellte. Letzteres er-
weichte im Schmelzröhrehen bei 95°, um bei 150° voll-
ständig zu schmelzen; von salzsäurehaltigem Wasser wurde
dasselbe nur theilweise und zwar mit gelbbrauner Farbe
gelöst.
Um aus diesem Pulver die reine Base zu gewinnen,
kochte ich dasselbe mit vorher entwässertem Aether aus,
wobei ein erdiggrauer Antheil zurückblieb. Die hierdurch
erzielte ätherische Lösung sättigte ich hierauf mit trocknem
Salzsäuregas, wodurch ein voluminöser, grauer Niederschlag
entstand, der sich nach einiger Zeit gelb färbte, um
schliesslich, wahrscheinlich durch Wasseraufnahme aus der
Luft, zu einer hochgelben Masse zusammenzufliessen. Nach
dem Abgiessen des Aethers, dessen gelöste Antheile ich
durch Abdestillation des Lösungsmittels wieder gewann,
nahm ich das gebildete salzsaure Salz, behufs Trennung
seiner Einzelbestandtheile, mit Alkohol auf und fügte starke
Salzsäure im Ueberschuss zu. Letztere Lösung schied hier-
durch ein nahezu weisses Salz aus. Durch gelindes Er-
wärmen löste sich die mit auskrystallisirte, sehr unbe-
deutende Menge gelbrother Nadeln leicht wieder auf, so
dass ich jenes weisse Salz von dem Uebrigen leicht trennen,
auf einem kleinen Filter sammeln, und mit Alkohol bis
zur Entfärbung nachwaschen konnte. Von diesem weissen
Salze schieden sich beim Stehen jener Lösung noch mehr-
mals geringe Quantitäten aus, welche auf die gleiche
Weise von der salzsauren Lösung der später etwas reich-
licher auskrystallisirenden gelbrothen Nadeln getrennt
wurden.
Der vom Aether nicht aufgenommene Theil des Merck’-
schen Robalkaloids löste sich bis auf einen braunen, ge-
trocknet sich erdig anfühlenden Rückstand (indifferente
24*
372 Georg Koenig:
Verunreinigung) in Chloroform auf, und zwar zu einer
tiefbraunen Flüssigkeit, aus der ich nach einiger Zeit graue,
anscheinend durch Farbstoff verunreinigte Warzen erhielt.
In Alkohol gelöst, schieden sich letztere grösstentheils in
bräunlich gefärbten Nadeln aus. Sowohl die aus dem
Chloroform ausgeschiedenen Warzen, als auch die Base,
welche ich aus den, aus der im Vorstehenden erwähnten
alkoholischen Lösung erhaltenen, Krystallen abschied,
schmolzen bei 204°, und stimmten dieselben auch in ihren
sonstigen Eigenschaften mit dem von Selle!) als Alkaloid V.
bezeichneten, mit dem Protopin und Macleyin identischen
Alkaloide überein. Als ich daher aus der wässrigen Lösung
jenes Salzes, welches ich zuvor durch mehrfache Um-
krystallisation aus salzsäurehaltigem Wasser reinigte, durch
Ammoniak die freie Base als käsig-weisse Fällung abschied,
diese nach dem Trocknen in Chloroform löste und letztere
Lösung nach Zusatz von Alkohol der Krystallisation über-
liess, erzielte ich ebenfalls jene von Selle beschriebenen
bei 204° schmelzenden Krystalle, gemengt mit Warzen von
demselben Schmelzpunkte.
Bemerkenswerth ist vielleicht noch, dass die amorphe,
durch Ammoniak bewirkte Fällung, wenn sie etwas länger
stehen bleibt, ehe sie vou der darüberstehenden Flüssig-
keit getrennt wird, allmälig krystallinische Beschaffenheit
annimmt.
Die Menge des salzsauren Sanguinarins, welche sich
selbst bei stärkerer Concentration der von dem Protopin
getrennten Mutterlaugen abschied, war eine so geringe,
dass ich hieraus nicht die für eine eingehendere Unter-
suchung genügende Menge an freier Base erhalten konnte.
Da das käufliche Sanguinarin einen sehr hohen Preis
hat, so beschloss ich, mich auf dem allerdings mühsamen
und umständlichen Wege der Selbstgewinnung in den Be-
sitz eines hinreichenden Quantums dieser Base zu setzen.
Der Gehalt des käuflichen Sanguinarins, welches also
als ein stark verunreinigtes Gemisch vielleicht sämmtlicher,
in der Wurzel von Sanguinaria Canadensis vorkommender
Alkaloide anzusehen ist, an Protopin betrug etwa 15 °),.
1) Selle. Inaugural-Dissert. pag. 41.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 373
B. Alkaloidgewinnung aus der
Wurzel und Charakterisirung der hierbei isolirten
Basen.
Zehn Kilo Sanguinariawurzel, die grösstentheils aus
den harten, kurz breehenden Rhizomen und nur zum sehr
geringen Theile aus deren dünnen Nebenwurzeln bestanden,
wurden nach dem Trocknen in ein grobes Pulver ver-
wandelt und fünfmal nach einander mit essigsäurehaltigem
96 %,,igen Alkohol auf dem Dampfbade ausgekocht.
Naschold, der nach der combinirten Methode von
Dana und Probst arbeitete, benutzte zum Ausziehen der
Wurzel säurefreien Alkohol; im Uebrigen habe ich mich
bei der Darstellung des Rohalkaloids im Wesentlichen an
die Angaben dieses Chemikers gehalten.
Nach längerem Sieden des Alkohols und öfterem Um-
schwenken des Kolbeninhaltes wurden die anfänglich tief-
braunroth, später mehr gelb gefärbten Flüssigkeiten durch
Abgiessen und Abpressen vom ausgezegenen Wurzelpulver
getrennt. Die filtrirten Auszüge wurden hierauf durch
Abdestilliren des Alkohols, sowie durch Eindampfen auf
dem Dampfbade eingeengt und alsdann, zur Abscheidung
des vom Alkohol mit aufgelösten Harzes, in heisses Wasser
eingegossen, wodurch eine starke flockige Trübung ent-
stand. Letztere verschwand nach eintägigem Stehen, in-
dem sich dunkelrothbraune, zusammengeballte Harzmassen
ausschieden. Das Gewicht dieses Ausscheidungsproduktes
betrug etwa 500 Gramm = 5%, der Wurzel.
Die von dem ausgeschiedenen Harze abfiltrirte Flüssig-
keit wurde hierauf mit Ammoniakflüssigkeit bis zur schwach
alkalischen Reaction versetzt, wodurch sich allmälig eine
dunkel-fieischrotbe Fällung A von einem rothbraunen
Liquor trennte. Der hierdurch gebildete gallertartige
voluminöse Niederschlag wurde alsdann auf Filtern ge-
sammelt und nach genügendem Abtropfen zwischen Leinen
stark gepresst.
Nachdem ich die ammoniakalischen Flüssigkeiten durch
Eindampfen auf ein kleines Volumen gebracht, schüttelte ich
dieselben, behufs Gewinnung von gelöst gebliebenen Basen,
974 Georg Koenig:
im Scheidetrichter zu wiederholten Malen mit Chloroform
aus, welches hierbei zuerst eine dunkel-, später hellrothe
Farbe annahm. Beim Abdestilliren des Chloroforms blieb
ein braunrothes Harz zurück, welches auch nach dem
Lösen in wenig Chloroform und freiwilligem Verdunsten-
lassen des Lösungsmittels, gleichgültig ob letzteres ohne
oder mit Zusatz von Alkohol geschah, sich wieder als.
solches abschied. Ein besseres Resultat lieferte Essig-
äther, welcher jenen Chloroformrückstand ebenfalls leicht
löste. Durch freiwilliges Verdunstenlassen dieser Lösung
und durch Weiterbehandlung derselben auf dem in Nach-
stehendem angegebenen Wege erhielt ich zwei Alkaloide,
welebe mit Salzsäure weisse Salze lieferten, von denen
das eine mit dem Alkaloid III Selle’s, das andere mit dem
Protopin Aehnlichkeit zeigte.
Der gepresste Rohalkaloidniederschlag A wurde zu-
nächst an der Luft von der Hauptmerge der anhaftenden
Feuchtigkeit befreit und dann im Trockenschranke bei
niederer Temperatur noch soweit getrocknet, dass er sich
zerreiben liess. Zerrieben stellte das so gewonnene
Rohalkaloid ein ehokoladenbraunes Pulver dar, das beim
Zerstäuben die Schleimhäute der Nase und des Schlundes
äusserst stark reizte. Sein Gewicht betrug 300 Gramm =
3°/, der in Arbeit genommenen Wurzel.
Dieses Rohalkaloid wurde behufs weiterer Reinigung
nunmehr im Extraktionsapparate bis zur völligen Erschöpf-
ung mit Aether ausgezogen, nachdem zuvor eine directe-
Lösung desselben in Alkohol, Chloroform, Essigäther und
Aether vergeblich versucht worden war. Nur durch Chloro-
form erzielte ich hierbei eine fast vollständige Lösung,
aus der jedoch keine Krystalle zu erhalten waren. Bei
der durch Aether bewirkten Extraktion verblieb ein
brauner, leicht zerreiblicher Rückstand (B), über dessen
Weiterbehandlung ich weiter unten berichten werde. Nach
dem Verdunsten des Aethers blieb eine weisslich graue,
sich pulverig und in Krusten abscheidende Masse (C) zu-
rück. Letztere war fast unlöslich in Alkobol; derselbe
nahm nur einen grossen Theil der färbenden, harzigen
Beimengungen auf. Aus dieser alkoholischen, tiefrothbraun
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 375
gefärbten Flüssigkeit, die ich später mit den Mutterlaugen
vereinigte, welche sich bei der Umkrystallisation des in
Alkohol unlöslichen Theiles (C) des Alkaloidgemenges an-
sammelten, war zunächst keine Kırystallisation zu erzielen.
Daher verjagte ich den Alkohol, nahm das Zurück-
bleibende mit essigsäurehaltigem Wasser auf und fällte
die Lösung von Neuem mit Ammoniak. Die hierdurch be-
wirkte hell-fleischfarben, getrocknet grau gefärbte Fällung
(D) nahm ich schliesslich, behufs weiterer Reinigung, mit
Chloroform auf und überliess die erzielte Lösung, nach
Zusatz von ungefähr der gleichen Menge Alkohol, der
Krystallisation. Es resultirten hierbei die für das Protopin
eharakteristischen, wohl ausgebildeten kleinen Krystalle,
eingestreut in eine, den Boden des Krystallisationsgefässes
bedeekende Schicht eines grauen Krystallmehles. Der
Schmelzpunkt dieses Krystallmehles lag ebenso, wie der der
eingestreuten Kryställchen, bei ungefähr 203 %; beide Theile
wurden von salzsäurehaltigem Wasser ohne Färbung gelöst.
Aus der Mutterlauge erzielte ich keine derartigen Aus-
scheidungen mehr; sondern es resultirten nur harzartige
Massen, welche sich aus den verschiedenen gebräuchlichen
Lösungsmitteln nur als unreine, von klebrigem Farbstoffe
durchsetzte Warzen oder Krusten abschieden, von deren
weiterer Verarbeitung ich daher verläufig Abstand nahm.
Das, anscheinend aus Protopin bestehende, graue Krystall-
mehl wurde zur Reinigung nach der Angabe Selle’s in
schwefelsäurehaltigem Wasser gelöst und die erzielte
dunkelbraun gefärbte Lösung mit etwas concentrirter
Schwefelsäure versetzt. Nach längerem Stehenlassen schied
sich in der That schwefelsaures Protopin in charakte-
ristischen Warzen und Kıystallen ab, welche ich zunächst
aus schwefelsäurehaltigem Wasser, schliesslich aus ver-
dünntem Alkohol umkrystallisirte.
Das durch Extraktion mit Aether gewonnene, durch
Alkohcl von färbenden Beimengungen befreite, Alkaloid
(C) versuchte ich zunächst aus Chloroform umzukrystallisiren,
worin es sich als leicht löslich erwies. Nach Zusatz von
Alkohol erhielt ich hieraus zwar zusammenhängende, dicht-
gedrängte Warzen, welche jedoch zu harten Krystallkrusten
376 Georg Koenig:
von brauner und weisser Farbe vereinigt waren. Ein
mechanisches Trennen der verschiedenfarbigen, aus
verschiedenen Alkaloiden bestehenden Antheile dieser
Masse erwies sich als unausführbar. Da jedoch
eine Probe dieser Krystallmassen, nach dem Lösen
derselben in Essigäther, bei der freiwilligen Verdunstung
mehr Neigung zur Krystallisation zeigte, so versuchte ich
hierdurch eine weitere Reinigung und Trennung der Einzel-
bestandtheile herbeizuführen. Leztere gelang hierdurch je-
doch nur zum Theil, da es sich nicht ermöglichen liess,
eine vollständige Trennung der weiss- und rothbraun-
gefärbten Krystallkrusten, die sich stets nebeneinander
ausschieden, zu erreichen. So gut es ging, suchte ich da-
her diese Scheidung zunächst auf mechanischem Wege zu
bewirken. Dass ich es hierbei wirklich mit zwei ver-
schiedenen Körpern zu thun hatte, zeigte sich sowohl durch
die verschiedene Gestalt der Krystalle, als durch die ver-
schiedenen Schmelzpunkte derselben. Die rothen Krystalle
schmolzen bei etwa 180°, die weissen dagegen erst bei
ungefähr 200°.
Die bei der Extraktion mit Aether zurückgebliebene
braune Masse (B) wurde, behufs Gewinnung weiterer Basen,
nach dem Zerreiben wiederum mit Aether ausgezogen und
hierdurch neben den, bei dem ersten Ausziehen erhaltenen,
rothbraunen Warzen noch grössere Mengen eines in Essig-
äther sehr leicht löslichen harzartigen Körpers (E) erhalten,
in welchem ziemlich viel braune Krystalle, die bei etwa
125° schmolzen, eingebettet waren. Bei der weiteren
Reinigung dieser Ausscheidungen erzielte ich zunächst nur
graue, pulverige, bei etwa 165° schmelzende, amorphe
Massen, die nicht ganz von anhaftenden, harzartigen Be-
standtheilen zu befreien waren. Auch bei der zweiten
Extraktion mit Aether blieb ein dunkelbraun gefärbter
Rückstand (F). Es gewinnt den Anschein, als ob in den
aus Antheil (E) erhaltenen Produkten, neben verunreinigen-
dem Farbstoff und Harz, noch eine, von den bisher aufge-
fundenen verschiedene, Base enthalten ist, umsomehr, als
sich diese, vorläufig nicht näher zu charakterisirenden
Massen, in säurehaltigem Wasser mit rother Farbe lösten.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. ST
Immerhin ist jedoch auch die Möglichkeit nicht ausge-
schlossen, dass es sich hierbei auch nur um die im Nach-
stehenden beschriebenen Basen handelt, deren abweichen-
des Verhalten vielleicht nur durch beigemengte Verun-
reinigungen bedingt wird.
Weitere Versuche habe ich mit diesen Materialien zu-
nächst nicht angestellt. —
Zur vollständigen Trennung der zunächst nur durch
Auslesen geschiedenen, aus Antheil (C) durch Extraktion
mit Essigäther erhaltenen Alkaloide bediente ich mich der
Umkrystallisation aus heissem Alkohol, in welchem beide
Basen sich schwer lösten. Als erste Ausscheidung erhielt
ich hierbei, nach dem Erkalten der Lösung, hellrothbraune
Krystalle, die nur wenig von sehr lockeren, weissen, aus
büschelig angeordneten Nadeln bestehenden Krystalldrusen
durchsetzt waren. Dieser weisse Körper schied sich, da er
leichter in Alkohol löslich ist, aus den Mutterlaugen in
weissen, zu Schnüren gereihten, bisweilen auch in einzelnen
Warzen aus.
Durch häufig wiederholtes Umkrystallisiren vermochte
ich diese beiden Körper im Wesentlichen zu trennen, ob-
schon jedoch auch auf diesem Wege die Scheidung nicht
quantitativ gelang. Die letzten Laugen enthielten daher
schwer zu trennende Gemenge beider Alkaloide. Eine
weitere Reinigung und zugleich vollständigere Trennung
derselben erzielte ich durch schliessliche Umkrystallisation
dieser Alkaloide aus Methylalkohol. Die Verschiedenheit
dieser Basen trat hierbei immer mehr zu Tage. Es resul-
tirte hierbei das zunächst braun, dann hellrosa gefärbte
Alkaloid in Form eines aus feinen Nadeln bestehenden
Krystallmehls, während das weisse Alkaloid bei dieser Be-
handlung in weissen, einen Stich ins Gelbliche zeigenden
Krystallen zur Abscheidung gelangte.
Die Menge des speecifisch schwereren, röthlichen
Alkaloids betrug an Gewicht etwa das Doppelte von dem
der specifisch leichteren, weissen, dem Gewichte nach etwa
23 Gramm betragenden Base.
Vollständig rein erhielt ich jedoch diese beiden
Alkaloide erst durch mehrfache Umkrystallisation derselben
378 Georg Koenig;
aus Essigäther. Hierbei zeigten sich die ersten Lösungen
des sich bis dahin rosafarben ausscheidenden Alkaloids
stark roth gefärbt; dagegen braun gefärbt bei der sich
zuvor weiss abscheidenden Base. Schliesslich resultirten
Jedoch in beiden Fällen schön blau fluoreseirende, völlig
farblose Lösungen.
Diese Fluorescenzerscheinungen traten intensiver auf
bei dem ersteren Alkaloid, welches sich schliesslich in
Krystallkrusten, die aus derben Einzelkrystallen bestanden,
abschied; weniger hervortretend waren dieselben dagegen
bei der zweiten weissen, in farblosen kleinen Nadeln aus-
krystallisirenden Base.
Die letzten, stark gefärbten Mutterlaugen enthielten
auch jetzt noch Gemenge beider Basen.
Sowohl das von Dana entdeckte und von ihm, Probst,
Schiel und Naschold aus Radix Sanguinariae Canadensis
dargestellte Alkaloid, als endlich auch die im Handel
unter dem Namen Sanguinarin vorkommende, von Henschke-
analysirte Base dürfte im Wesentlichen nur ein Gemenge:
dieser beiden von mir getrennten Basen sein, vielleicht
noch verunreinigt durch färbende Bestandtheile, Protopin
und andere Alkaloide. Der niedrige Schmelzpunkt, die
Farbe, die Eigenschaften, sowie die dunkelrothe Farbe der
salz- und schwefelsauren Salze der bisher analysirten
Präparate scheinen wenigstens entschieden für diese An-
nahme zu sprechen.
Der nach dem abermaligen Ausziehen mit Aether ver-
bliebene Rückstand (F) des Rohalkaloids konnte direkt
weder aus Chloroform, noch aus Alkohol und Essigäther
zur Krystallisation gebracht werden. Diese drei Lösungs-
mittel lösten zwar die braune Masse zum Theil auf,
schieden dieselbe aber beim Verdunsten nur harzig oder
pulverig wieder ab. Am reichlichsten löste sich dieselbe
in Chloroform. Versuchsweise leitete ich in letztere
Lösung trocknes Salzsäuregas ein und erhielt hierdurch
rothgelbe Nadeln, die nach dem Lösen mit Ammoniak eine
fleischfarbene Fällung gaben. Letztere schied sich jedoch
sowohl aus Chloroform, als auch aus Essigäther nur wieder
im amorphen Zustande ab. Ich nahm desshalb den ge
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 379
sammten Rückstand noch einmal mit essigsäurehaltigem
Wasser auf, behandelte die durch Ammoniak entstandene
röthliche Fällung in der früheren Weise mit Aether und
erhielt hierbei eine nicht unerhebliche Menge eines
Alkaloids, welches dem bei der ersten Extraktion ge-
wonnenen Rohalkaloide (C) im Aussehen und in den
Eigenschaften sehr ähnlich war. Letzteres wurde daher
in derselben Weise, wie jenes, weiter verarbeitet. Der
Rückstand G, welcher bei dieser letzten Behandlung mit
Aether verblieb, wurde später auf Chelidonin untersucht.
In der Arbeit von Henschke !) findet sich eine Notiz über
eine Vermuthung Weppens, dass in der Sanguinariawurzel
Chelidonin enthalten sei. Veranlasst durch diese Angabe,
die in Rücksicht auf das gleichzeitige Vorkommen ver-
schiedener, sich sehr nahestehender Basen in Chelidonium
Majus und in Sanguinaria canadensis eine gewisse Wahr-
scheinlichkeit besass, nahm ich bei der ganzen Arbeit be-
sondere Rücksicht auf das eventuelle Vorhandensein
jener Base.
Da Chelidonin in dem ätherischen Auszuge der Roh-
alkaloide nicht zu finden war, so konnte, wenn es überhaupt
vorhanden war, es nur noch in dem vom Aether nicht ge-
lösten Antheile G oder in dem, beim Eingiessen der essig-
säurehaltigen alkoholischen Auszüge in Wasser abgesonderten
Harze enthalten sein.
Den nach dem Ausziehen mit Aether verbliebenen Rück-
stand G kochte ich, entsprechend der von Henschke ange-
gseberen Darstellungsweise des Chelidonins, mit schwefel-
säurebaltigem 96 °/,igen Alkohol aus, wodurch er fast voll-
ständig zu einer tief-braunrothen Flüssigkeit gelöst wurde.
Von der filtrirten Lösung destillirte ich den Alkohol,
nach dem Zusatz von etwas Wasser, ab, nahm das Zurück-
bleibende mit schwefelsäurehaltigem Wasser auf, filtrirte
von den ausgeschiedenen Harzmassen ab und versetzte die
Flüssigkeit mit rauchender Salzsäure. Es entstand hier-
durch ein dunkelrother Niederschlag, der auf einem Filter
1) Inaugural-Dissert. pag. 5.
380 Georg Koenig:
gesammelt, hierauf in Wasser gelöst und diese Lösung
durch Ammoniak gefällt wurde.
Die violettroth gefärbte Fällung schüttelte ich zur
Entfernung des noch vorhandenen Sanguinarins zu wieder-
holten Malen mit Aether aus. Letzterer löste, ausser einem
grün-blau fluoreseirenden Harze, nur geringe Mengen eines
aus Essigäther in farblosen Nadeln krystallisirenden, mit
Salzsäure sich roth färbenden, bei 208° schmelzenden
Alkaloides.
Das vom Aether nicht Aufgenommene schüttelte ich,
um eventuell vorhandenes Chelidonin zu lösen, mit Chloro-
form aus.
Den beim Verdunsten des Chloroforms bleibenden
geringen harzigen Rückstand nahm ich alsdann mit
schwefelsäurehaltigem Wasser auf und versetzte die von
dem ausgeschiedenen Harze abfiltrirte Lösung mit rauchen-
der Salzsäure.
Hierdurch schieden sich nur rothe Nadeln eines in
säurefreiem Wasser sehr leicht löslichen Salzes aus; da-
segen resultirte kein farbloses, schwer lösliches, salzsaures
Chelidonin. In gleicher Weise verfuhr ich mit einer
kleinen Menge der harzartigen Massen. Auch hierin fand
ich jedoch kein Chelidonin. Aether nahm beim Aus-
schütteln der durch Ammoniak bewirkten Fällung nur
ziemlich beträchtliche Mengen des bei etwa 200 ° schmelzen-
den, gelbe Salze gebenden Alkaloids auf. Da das Cheli-
donin, wenn es überhaupt in der verarbeiteten Sanguinaria-
wurzel vorhanden war, es jedenfalls, wegen der leichten
Löslichkeit seines essigsauren Salzes in Alkohol, in den
aus der Wurzel bewirkten Auszügen hätte angetroffen
werden müssen, muss ich nach obigen negativen Resul-
taten annehmen, dass in der Wurzel von Sanguinaria
Canadensis kein Chelidonin vorkommt.
Zur besseren Uebersicht und zum leichteren Verständ-
niss des Nachfolgenden möchte ich hier zunächst die für
die in der Sanguinariawurzel aufgefundenen Basen ge-
wählten Bezeichnungen vorausschicken:
I. Chelerythrin, für das röthliche, in derben Krystallen
krystallisirende, mit Säuren gelbe Salze liefernde
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. sl
Alkaloid; und zwar werde ich diese Base mit
S.-Chelerytbrin bezeichnen zum Unterschiede von der
mit ihr identischen, später zu beschreibenden Chelido-
niumbase, die ich als Ch.-Chelerythrin kennzeichnen
werde.
U. Sanguinarin, für die Base, welche sich aus der
Essigätherlösung in weissen Krystallen ausscheidet
und mit Säuern rothe Salze liefert.
II. Homochelidonin, für das aus den ammoniakalischen
Alkaloidmutterlaugen gewonnene, mit Säuren leicht
lösliche, farblose Salze gebende Alkaloid.
IV. Protopin, für das mehrfach untersuchte Alkaloid ver-
schiedener Provenienz, welches sich bald in Warzen,
bald in farblosen Krystallen vom Sp. 207 ° ausscheidet.
S.-Chelerythrin.
Das wiederholt aus Essigäther umkrystallisirte Alkaloid
bestand aus kleinen, zu Krusten vereinigten, rhomboedrischen
Krystallen, die eine blass-röthliche Farbe zeigten. Zerrieben
stellten sie ein weisses, bei 203 ° schmelzendes Pulver dar.
Dieses Alkaloid erlitt bei 100 bis 105° keinen Gewichts-
Verlust, ja sogar bei einer Temperatur von 150° trat keine
Gewichtsabnahme ein. Die zerriebene Substanz bedeckte
sich hierbei jedoch mit einer gelben Schicht, eine Ver-
änderung, die auch eintritt, wenn das Alkaloid längere
Zeit in offenen Gefässen mit der Luft in Berührung bleibt.
Diese Gelbfärbung beruht vermuthlich auf der Bildung
von Salzen des S.-Chelerythrins, da die Base von Säuren
mit hochgelber Farbe gelöst wird. Aus letzteren Lösungen
krystallisiren die entsprechenden Salze bei Säureüberschuss
und mässiger Concentration in leuchtend gelben, feinen
Nadeln aus, welche leicht löslich in säure-freiem Wasser
und Alkohol, unlöslich dagegen in Aether sind. Aus diesen
Salzlösungen wird die Base durch Ammoniak käsig weiss
gefällt. Das freie Alkaloid ist löslich in Chloroform,
Alkohol, Aether, Essigäther, Aceton und Methylalkohol.
Diese Lösungen zeigen sämmtlich blaue Fluorescenz.
Da man bisher mit dem Namen Chelerythrin, wie ich
bereits zu bemerken Gelegenheit hatte, nur ein Gemenge
382 Georg Koenig:
von zwei oder mehreren Alkaloiden bezeichnete, die von
mir mit dem Namen S.-Chelerythrin bezeichnete Base jedoch
als ein einheitlicher Körper angesehen werden muss, So
scheint es mir überflüssig zu sein, die bisher in der
Literatur zu findenden, das Chelerythrin betreffenden Daten
den Eigenschaften gegenüber zu stellen, welche ich bei der
von mir in der Sanguinariawurzel gefundenen Base beob-
achtete.. Bemerkenswerth scheint mir nur, dass die von
Schiel für die freie Base gefundenen Analysenwerthe mit
den von mir ermittelten nicht im Widerspruche stehen;
jedoch entspricht die von Schiel für das Chelerythrin auf-
gestellte, von Limpricht!) nach den neuen Atomzahlen auf
C;g H,; NO, umgerechnete Formel, welehe auch durch
Henschke eine vorläufige Bestätigung fand, nicht den von
mir für die Salze dieser Base gefundenen Werthen.
Schiel fand bei der Analyse des bei 105 ° getrockneten
Chelerythrins
C = 70,349,
H= 521%
N= 507%.
Die vom Verfasser von der zerriebenen, bei 150° ge-
trockneten Base ausgeführten Elementaranalysen lieferten
folgerde Resultate:
I. 0,1933 Gramm der Base gaben bei der Verbrennung
mit Kupferoxyd und vorgelegter redueirter Kupfer-
spirale 0,4982 Gramm CO, = 70,28 %, C und 0,0976
Gramm H,O = 5,61°%, H.
1. 0,1860 Gramm gaben unter den gleichen Bedingungen
0,481 Gramm CO, = 70,52%, C und 0,0976 Gramm
E02 5,82%), H.
1II. 0,1890 Gramm lieferten 0,4838 Gramm CO, = 70,41
0%, C und 0,0979 Gramm H,0 = 5,74%, H.
IV. 0,2070 Gramm gaben 0,5534 Gramm (0, = 70,27%,
C und 0,1034 Gramm H,0 = 5,55% H.
V. 0,2580 Gramm gaben nach Kjeldahl 0,0105 Gramm
Stickstoff (7,5 cem !/, Normal-Salzsäure, Lacmoid
als Indicator) — 4,07%, N.
1) Limpricht, Lehrb. der org. Chemie. S. 1197.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 383
Gefunden:
IL M. I. IV. V.
C 70,28. 70,52. 70,41. 70,27. —
H# 75,01: 5,82. 5,74. 5,05. —_
N — — — _ 4,07.
Während diese Werthe nicht auf die Formel Cor
H;,,;, NO, stimmen, von welcher sich die Salze des
Alkaloids ableiten lassen, stehen dieselben im Einklange
mit dieser Formel, wenn derselben ein Molekül Aethyl-
alkohol zugerechnet wird.
Berechnet für:
C, H,, NO, O5; H;ı NO, + C, H, OH
C= 72,62%, C= 70239,
H= 4899, I 2,08
N= 40%, aa
Dass die Chelerythrinkrystalle in der That Aethyl-
alkohol enthalten, ergab sich auf folgende Weise: Nach
dem Lösen des Alkaloids in salzsäurehaltigem Wasser
wurde die Lösung der Destillation unterworfen und in dem
spirituös riechenden Destillate das Vorhandensein des
Aethylalkohols durch die Jodoformreaetion erkannt. Zur
Ausführung derselben wurde das Destillat mit etwas Natron-
lauge versetzt und nach dem Zusatz von Jodjodkalium-
lösung bis zur Gelbfärbung erwärmt. Die Bildung von
Jodoform liess sich alsbald durch den Geruch erkennen;
nach mehrstündigem Stehenlassen setzte sich auch Jodo-
form in gelben Krystallflitterchen ab.
Es scheint der Alkohol sehr fest an das Alkaloid ge-
bunden zu sein, da bei 150° noch keine Verflüchtigung zu
constatiren war. Im Verbrennungsrohr konnte ich erst bei
beginnendem Schmelzen des Körpers als Verbrennungs-
produkt Wasser wahrnehmen.
Das Verhalten der Base gegen allgemeine Alkaloid-
Reagentien war folgendes:
Concentrirte Schwefelsäure: färbt gelb mit einem Stich
ins Grüne, später schmutzig gelb.
Conce. Salpetersäure: Bei der ersten Berührung hoch-
gelb, schnell in ein dunkles Gelbbraun übergehend.
334 Georg Koenig:
Erdmanns Reagens: färbt gelb, ohne dass Lösung
eintritt.
Fröhdes Reagens: färbt zunächst gelb, eine Färbung,
die bald über dunkelolivengrün in chlorophyligrün über-
geht, um schliesslich schmutzig dunkelgelb zu werden.
Vanadinschwefelsäure: färbt violettroth, welches all-
mälig über dunkelbordeauxroth in braunroth übergeht.
Bei diesen Reactionen, wie auch bei den folgenden,
wurde die Substanz in sehr geringer Menge mit einem:
Tropfen des betreffenden Reagens’ über einem weissen
Untergrunde auf einem Uhrglase verrieben.
Das zu gleicher Zeit, neben dem S.-Chelerythrin, den-
selben Reactionen unterworfene Ch.-Chelerythrin zeigte ge-
nau dasselbe Verhalten.
Zur weiteren Charakterisirung des S.-Chelerythrins
stellte ich von demselben das Platin- und das Golddoppel-
salz dar, sowie das Hydrochlorid.
S.-Chelerythrin-Goldchlorid.
€) 477.010... ErCeLe Aw ol.
Das S.-Chelerythrin-Goldchlorid stellte ich dar durck
Fällen der wässrigen Lösung der salzsauren Base mit
überschüssigem Goldehlorid, wodurch sich die Verbindung
in amorphen, braungefärbten Flocken abschied. Dieselbe
wurde auf einem Filterplättehen abgesogen, ausgewaschen
und nach dem Trocknen aus Alkohol umkrystallisirt, dem
noch einige Tropfen Goldehloridlösung und Salzsäure zu-
gesetzt waren. Das Salz löste sich nur schwer in Alkohol
und krystallisirtte beim Erkalten der heiss gesättigten
Lösung in langen, glänzend braunen, in Wasser unlös-
lichen Nadeln aus.
Dieses Salz enthielt kein Krystallwasser, gab daher
beim Trocknen bei 100° nur unbedeutende Mengen
bygroscopischer Feuchtigkeit ab. Im Schmelzröhrchen
schmolz das Salz bei 233° (uncorr.), unter Vergrösserung
seines Volumens und Aufschäumen.
Die von dem bei 100° getrockneten Salze ausge-
führten Elementaranalysen ergaben Folgendes:
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 385
I. 0,1060 Gramm hinterliessen beim direkten Glühen im
Tiegel bis zum constanten Gewicht 0,0304 Gramm
Gold = 28,67%, Au.
H. 0,1632 Gramm des Golddoppelsalzes lieferten bei der
Verbrennung mit Bleichromat und vorgelegter redu-
eirter Kupferspirale 0,2234 Gramm CO, = 37,33%, C
und 0,035 Gramm H,O = 2,38%, H; das im Schiff-
chen zurückgebliebene Gold wog 0,0466 Gramm =
28,55 %o-
II. 0,1644 Gramm des Salzes gaben bei der in gleicher
Weise ausgeführten Elementaranalyse 0,225 Gramm
€05 — 32.320 © und 0,056 Gramm 1,0) —
2,43%, H.
Gefunden:
I. 11. II.
Go 37,33 37,32
H — 2,33 2,43
Au 28,67 28,55 _
Berechnet für:
C,, H;, NO,.. H Cl. Au Cl,.
C
—r 96,12
He2— 292462
Au 92859
Sonderbarer Weise stimmt der von Naschold gefundene
Goldgehalt seines Sanguinarin-Golddoppelsalzes gut mit
den von mir gefundenen Werthen überein, obschon er
seine Analysen von einem jedenfalls nicht einheitlichen
Präparate ausführte.
Naschold fand:
IL u. IH. 1% V.
C 36,234 1,26 — — —
Er 22296 20T — —_ —
Au 28,69 28,33 23,62 28,64 28,54.
S.-Chelerythrin Platinchlorid
(EIER ENOSEIACHH PR Chr
Zur Darstellung des Platindoppelsalzes des S.-
Chelerythrins ging ich aus von dem salzsauren Salze der
Base. Die wässrige, schwach mit Salzsäure angesäuerte
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 25
386 Georg Koenig:
Lösung desselben versetzte ich mit Platinchloridlösung bis
zur vollkommenen Ausfällung.
Auf einem Filter gesammelt, und nach dem Aus-
waschen zwischen Filtrirpapier lufttroeken gemacht, zeigte
sich das Salz bestehend aus feinen, leuchtend goldgelben,
aneinanderhaftenden Nädelchen, die bei 100° nichts an
Gewicht verloren, also wasserfrei waren.
Die von dem Salze ausgeführten Analysen führten zu
folgenden Resultaten:
I. 0,1692 Gramm hinterliessen beim direeten Glühen im
Porzellantiegel bis zum constanten Gewicht 0,030
Gramm Platinmetall = 17,73 |, Pt.
II. 0,1456 Gramm lieferten bei einer in gleicher Weise
ausgeführten Bestimmung 0,0256 Gramm Platin =
San, ak
III. 0,1884 Gramm, mit Bleichromat und vorgelegter redu-
cirter Kupferspirale verbrannt, gaben 0,3170 Gramm
CO, = 45,88 %/, C und 0,0458 Gramm H,0 =2,70 °%/, H.
Gefunden:
I. II. II.
C— — 45,88
H — — 2,70
Jen. IL7 0) 17,58 en:
Berechnet für:
(Cy; H,, NO, H Cl), Pt Cl,
C = 45,67%),
H = 3,26%,
Pt = 17,62 9),
Auch Schiel, Naschold und Henschke stellten die
Platindoppelsalze der von ihnen untersuchten Sanguinaria-
Alkaloide dar. Die von diesen Chemikern sefundenen
Analysenresultate weichen jedoch wesentlich von den von
mir ermittelten ab, und zwar sowohl von denen des S.-
Chelerythrins, als auch des Sanguinarins.
Salzsaures S.-Chelerythrin.
HE NOFEOL
Das salzsaure S.-Chelerythrin darzustellen, löste ich
das zerriebene Alkaloid in der Wärme in salzsäurehaltigem
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 387
Wasser. Aus der filtrirten, gelben, mit etwas concentrirter
Salzsäure versetzten Lösung schied sich das Salz in dünnen,
glänzenden, eitronengelben Nadeln aus, die, vereinigt zu
einer schwammig lockeren Krystallmasse, die ganze Flüssig-
keit erfüllten.
Das auf einem Filter gesammelte und durch Absaugen
von der Flüssigkeit getrennte Salz wurde zwecks Um-
krystallisation wieder in wenig Wasser gelöst.
Die aus dieser Lösung erhaltenen Krystalle wurden,
um alle Mutterlauge zu entfernen, auf dem Filter erst mit
Alkohol, dann mit Aether bis zum farblosen Ablaufen des-
selben nachgewaschen und schliesslich zwischen Filtrirpapier
getrocknet.
Das Salz löst sich leicht in säurefreiem Alkohol und
Wasser, nicht in Aether, schwer in säurehaltigem Alkobol
und Wasser. Der Staub des zerriebenen Salzes wirkt
heftig reizend auf die Schleimhäute der Nase und des
Rachens.
Ich habe sowohl das aus wässriger Lösung erhaltene,
als das aus Alkohol umkrystallisirte Salz analysirt; beide
Salze zeigen dasselbe Aussehen und Verhalten; sie unter-
scheiden sich jedoch durch den verschiedenen Krystall-
wassergehalt. Beide Salze verlieren ihren Wassergebalt
über Schwefelsäure sehr langsam. Leicht findet die Ab-
gabe desselben statt im Luftbade bei 100°; jedoch ent-
weicht hierbei gleichzeitig Salzsäure. Diese Zersetzung
des Salzes, verbunden mit einem Gewichtsverlust bis zu
25,20 °/,, bei dem aus Wasser erhaltenen, bis zu 16,5 '/,
bei dem aus Alkohol umkrystallisirten, macht sich auch
dadurch bemerkbar, dass die Farbe des Salzes, welche
bei dem Krystallwasserverlust heller und matter wird,
schliesslich in ein schmutziges Grau übergeht. Die so ver-
änderte Verbindung löst sich dann nicht mehr in Wasser,
selbst auf Zusatz von Säure, vollständig auf.
a) Aus wässriger Lösung krystallisirtes Salz.
Chr Hira NO E61 75782570.
Zur Ausführung der Analysen trocknete ich das Salz
zunächst über Schwefelsäure und brachte es dann im
205
388 George Koenig:
Trockenschranke bei einer 90° nicht übersteigenden
Temperatur zum constanten Gewicht.
I. 0,3732 Gramm des zerriebenen Salzes verloren unter
diesen Bedingungen 0,07464 Gramm = 20,00 %-
D. 0,2168 Gramm verloren unter gleichen Bedingungen
0,0433 Gramm = 20,20 %g-
II. Eine von dem nicht getrockneten Salze, in gewöhn-
licher Weise durch Fällen mit Silbernitrat in salpeter-
saurer Lösung, ausgeführte Chlorbestimmung ergab
Folgendes: 0,1402 Gramm des Salzes lieferten 0,0416
Gramm AgCl = 0,01029 Gramm Cl = 7,33%, €.
Die Fällung geschah, der Schwerlöslichkeit des eben-
falls gelbgefärbten salpetersauren Salzes halber, in heisser
Lösung. Hierbei gelang es nur durch langanhaltendes
Auswaschen mit heissem Wasser, das salpetersaure Salz
völlig zu entfernen.
- Gefunden:
I. 1. Il.
H, O0 20,00 20,20 —
Cl — — 7,33.
Berechnet für:
65, Hr. NO25H CH 571,0.
52052192120),
Ye ein
Eine von dem, unter den angegebenen Vorsichtsmass-
regeln getrockneten, Salze ausgeführte Verbrennung mit
Bleichromat und vorgelegter reducirter Kupferspirale ergab.
Folgendes:
0,1894 Gramm des Salzes lieferten 0,4572 Gramm CO,
— 65,83%, € und 0,0818 Gramm H, 0 =479%, H. ©
b) Aus Alkohol umkrystallisirtes Salz.
Cy, Hır NO, HCI + 4 H30.
Zur Wasserbestimmung wurde auch dieses Salz erst
über Schwefelsäure getrocknet und dann bis zum constant-
bleibenden Gewicht im Trockenschrank einer 90%, nicht
überschreitenden Temperatur ausgesetzt.
I. 0,259 Gramm des Salzes verloren hierbei an Gewicht
0,0417 Gramm = 16,10 %.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etec. 389
I. Eine von dem nicht getrockneten Salze ausgeführte
Chlorbestimmung ergab folgendes Resultat:
0,4082 Gramm gaben 0,126 Gramm Ag Cl = 0,03117
Gramm Cl = 7,63 %, Cl.
Diese Bestimmung führte ich in der Weise aus, dass
ich das Salz mit einer hinreichenden Menge zerriebenen
Silbernitrats in einem Becherglase der Einwirkung von
etwa 15 cem chlorfreier, rauchender Salpetersäure aussetzte.
Die zuerst dunkelrothbraune Flüssigkeit wurde nach mehr-
stündigem Erhitzen unter Bildung von Chlorsilber blassgelb.
Nach dem Verdünnen mit destillirtem Wasser und Absetzen-
lassen des gebildeten Chlorsilbers wurde letzteres in üb-
licher Weise zur Wägung gebracht.
Gefunden:
1“ 1%
H,O 16,10 —
Cl — 7,63.
Berechnet für:
Ciz, H,, NO, HCl + 4 H,O
H,0=315,80.%,
0 Eine
Eine von dem getrockneten Salze ausgeführte Elementar-
analyse ergab folgende Werthe:
0,233 Gramm des Salzes lieferten mit Bleichromat und
vorgelegter redueirter Spirale verbrannt 0,5618 Gramm
CO, = 65,75%, € und 0;102 Gramm H, 0 =4,86°%%, H
Gefunden:
a) Salz aus wässr. Lsg. b) aus Alkohol kryst.
U 65,83 65,79
H 4,79 4,86.
Berechnet für:
04 HNOSHTE
@r 65.0.0,
H—, 63%:
Chelidonium Chelerythrin.
Das Chelerythrin kommt in dem Schöllkraut in so ge-
ringer Menge vor, dass bisher eine Reingewinnung dieses
Alkaloides aus der leichtzugänglichen Pflanze, obwohl
390 Georg Koenig:
solche mehrfach, z. B. von Probst und später von Henschke,
versucht wurde, nicht gelang. Die von diesen Forschern
erhaltenen amorphen Basen entbehrten daher des einheit-
lichen, für eine exacte Untersuchung sichere Anhaltspunkte
bietenden Charakters.
Als ein dankbareres Ausgangsmaterial stand mir durch
die gütige Vermittelung des Herrn Professor Dr. E. Schmidt
ein von E. Merck in Darmstadt stammendes, grau-gelbes
Pulver zur Verfügung, das sich als Rückstand bei der Dar-
stellung von Chelidonium-Basen angesammelt hatte.
Das mit kleinen Stückehen und Krusten, sowie Filtrir-
papierresten untermischte Pulver war von bitterem Ge-
schmack, und es erregte sein Staub beim Zerreiben Niesen
und heftiges Kratzen im Schlunde. |
Das gleichmässig gemischte Rohalkaloid erwies sich
unvollständig löslich in Alkohol, Chloroform, Essigäther,
Aether, sowie in mit Schwefelsäure und mit Salzsäure an-
gesäuertem Wasser und ebensolchem Alkohol.
Ich kochte desshalb die zerriebene Masse zunächst mit
96 %/,igem Alkohol zu wiederholten Malen aus, bis sich
derselbe nicht mehr gelb färbte. Dabei blieb ein erdiger,
grau gefärbter Rückstand (B). Da beim Verdunsten des
alkoholischen Auszuges (A) nur krystallinische, graue
Krusten zurück blieben, versetzte ich denselben mit Salz-
säure, wodurch ich ein die ganze Flüssigkeit durchsetzen-
des Haufwerk zarter, glänzendgelber Krystalle, durchsetzt
von kleinen dunkelgelben Knötchen und kurzen roth-
braunen Nadeln, erhielt.
Den Rückstand (B) löste ich direct in salzsäure-
haltigem Alkohol, welcher sich hierbei dunkel rothgelb
färbte unter Zurücklassung kleiner Mengen von Verun-
reinigungen. Nach dem Erkalten dieser heiss bewerk-
stelligten Lösung schieden sich ebenfalls gelbe, die ganze
Flüssigkeit schwammig erfüllende Krystallmassen aus, die
durch Absaugen von der Mutterlauge getrennt wurden und
alsdann dasselbe Aussehen, wie die aus Antheil (A) ge-
wonnenen, zeigten. Aus den concentrirten Mutterlaugen,
sowohl von den aus Antheil (A) als auch den aus Lösung
(B) gewonnenen Krystallen, erhielt ich noch weitere
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 391
Mengen jener salzsauren Salze. Schliesslich schieden sich
aus den rothbraun gefärbten Laugen dunkle Harzmassen
aus, die sich wohl in salzsäurehaltigem Alkohol lösten,
daraus aber nicht krystallisirt zu erhalten waren. Die
Behandlung der aus den beiden Lösungen (A und B) er-
haltenen, in ihrem Aussehen gleichen Krystallisationen
blieb in der Folge dieselbe. Zunächst versuchte ich
mechanisch, namentlich durch Anwendung gelinder Wärme,
wodurch die, die Hauptmenge ausmachenden, gelben
Nadeln leichter gelöst wurden, eine Trennung der drei
verschieden aussehenden Krystallisationen herbeizuführen.
Es gelang dies jedoch nur unvollkommen. Hierbei gewann
es zudem den Anschein, als ob jene gelben, knötchen-
förmigen Abscheidungen nur eine Modification der gelben
meist strahlig angeordneten, gleich den Hyphen eines
Pilzgewebes die ganze Flüssigkeit gallertig erfüllenden
Nadeln seien.
Schliesslich erhielt ich einen sehr kleinen Theil der
kurzen, braunen Nadeln ziemlich frei von den gelbgefärbten
Salzen, während als Hauptmenge die gelben nadeligen
Krystalle frei von jenen erbalten wurden.
Aus den Salzen stellte ich die Basen dar durch Lösen
derselben in wenig salzsäurehaltigem Wasser und Versetzen
dieser Lösungen mit Ammoniak. Während die aus den
gelben Nadeln erhaltene Fällung weisslich grau gefärbt
war, zeigten die aus den beiden anderen Salzen resul-
tirenden geringen Niederschläge in der Färbung einen
violetten Schein. Diese Fällungen wurden auf Filtern ge-
sammelt, mit Wasser ausgewaschen und gut bedeckt bei
niedriger Temperatur getrocknet. Ein sorgfältiges Bedecken
war nöthig, da andernfalls an der Luft durch Salzbildung
eine Gelbfärbung eintrat.
Die getrockneten Basen wurden alsdann in Chloroform
gelöst (was sehr leicht mit dunkelbrauner Farbe von
Statten ging), diese Lösung mit etwa der gleichen Menge
Alkohol versetzt und zur Krystallisation bei Seite gestellt.
Durch den Alkoholzusatz nahmen die Lösungen eine
bedeutend hellere, schön rotbe Färbung an; zugleich trat
eine lebhafte blaue Fluorescenz auf und zwar besonders
392 Georg Koenig:
dann, wenn sich der Alkohol nur erst mit einem kleinen
Theile der Chloroformlösung gemischt hatte und zum
grössten Theil über letzterer geschichtet war. Nachdem
die Hauptmenge des Chloroforms durch freiwilliges Ver-
dunsten aus der Flüssigkeit entfernt war, schieden sich
dünnblättrige, braune Rhombo&der aus, und zwar aus allen
drei Lösungen von demselben Aussehen und demselben
bei ungefähr 192° liegenden Schmelzpunkte. Ich ver-
muthete daher, dass in den drei Salzen verschiedenen
Aussehens nur verschiedene Formen desselben Körpers
vorlagen, vereinigte desshalb die Krystallisationen und
versuchte durch häufige Umkrystallisation aus verschiedenen
Lösungsmitteln ihre weitere Reinigung. Auf diesem Wege,
der mit grossen Materialverlusten verbunden war, gelangte
ich jedoch nicht zu dem gewünschten Ziele. Aus diesem
Grunde löste ich die nur noch hellbraun gefärbten
Krystalle in salzsäurehaltigem Wasser und fällte das
Alkaloid von Neuem mit Ammoniak. Der voluminöse
Niederschlag wurde nach dem Trocknen wieder in Chloro-
form gelöst und nach dem Zusatz von Alkohol der
Krystallisation überlassen. Bei dieser Krystallisation,
welche in Folge von etwas zu starker Concentration,
unter Zurücklassung von nur sehr wenig Mutterlauge,
durch die ganze Masse stattfand, bemerkte ich neben den
nun rosa gefärbten Rhombo&dern eine sehr geringe Menge
weisser, seidenglänzender, dicht zusammenhängender feiner
Nadeln.
Durch Abspülen trennte ich diese Nadeln, so gut es
ging, von der Mutterlauge und von den derben Krystallen,
welche nach nochmaliger Umkrystallisation gut ausgebildet,
schön rosa gefärbt, bervorgingen und bei 196 bis 200°
schmolzen. Diese Nadeln waren nicht luftbeständig, viel-
mehr wurden sie, selbst in verschlossenen Gefässen, un-
durchsichtig und bedeckten sich mit einer weissen, all-
mälig schwach gelb werdenden Schicht.
Leider glückte es mir nicht, jene weissen Nadeln aus
der abgegossenen Mutterlauge, in der ich sie, nach der
Bestimmung des bei etwa 200° liegenden Schmelzpunktes,
behufs Umkrystallisation wieder gelöst, noch einmal zu
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 395
erhalten, um weitere Reactionen damit zu machen.
Den gefundenen Schmelzpunkt kann ich nicht als
massgebend ansehen, da die Krystalle nicht ganz frei von
braunfärbender Substanz waren; derselbe liegt für den
reinen Körper jedenfalls höber, so dass eine Identität
dieses in weissen Nadeln Krystallisirenden Alkaloids mit
dem aus der Sanguinariawurzel erhaltenen bei 211°
schmelzenden Sanguinarin nicht ausgeschlossen scheint.
Dass auch in dem Schöllkraut neben dem, gelbe Salze
gebenden, Chelidonium-Chelerythrin noch ein zweites, der
aus der Sanguinariawurzel isolirten Base, dem Sanguinarin,
ähnliches Alkaloid vorkommt, gebt daraus hervor, dass
ich, wie bereits erwähnt, ein rothbraunes, in kurzen Nadeln
krystallisirendes Salz neben den gelben Krystallen des
Chelerythrinhydrochlorids zu beobachten Gelegenheit
hatte. Allerdings gelang es mir nicht, dieses Salz in ge-
nügender Reinheit und in hinreichender Menge zu isoliren,
um daraus jene Base gewinnen und dieselbe charakteri-
siren zu können.
Selle!) erwähnt ebenfalls das Vorkommen eines
rothen Salzes neben einem gelben in den salzsauren
Alkaloidlösungen der Wurzel von Stylophoron diphyllum,
vermuthet jedoch darin nur verschiedene Modificationen
eines und desselben Salzes. Nach meinen Beobachtungen
erscheint es als wahrscheinlich, dass diese Verbindungen
Salze zweier verschiedener Basen, vielleicht des Chelery-
thrins und Sanguinarins sind, die nebeneinander auch in
der Wurzel von Sanguinaria Canadensis vorkommen.
Die noch gefärbten Chelerythrin-Krystalle wurden, be-
hufs weiterer Reinigung, einer Umkrystallisation aus Essig-
äther unterworfen, der dieselben mit kirschrother Farbe
und mit starker blauer Fluorescenzerscheinung löste.
Nach mehrmaliger Umkrystallisation war die Farbe der
Krystalle nur noch blass rosa; ihr Schmelzpunkt lag bei
203%. Die röthliche Farbe ist vermutblich dem Alkaloid
nicht eigenthümlich, sondern rührt wahrscheinlich von sehr
geringen Spuren schwer zu beseitigender Verunreinigungen
1) Inaug.-Dissert., Erlangen, pag. 11.
394 Georg Koenig:
her; da ich jedoch weiteren Materialverlust thunlichst ver-
meiden musste, um zur näheren Charakterisirung der Base
hinreichendes Material zu behalten, nahm ich von weiteren
Versuchen, das Alkaloid vollständig farblos zu erhalten,
Abstand.
Die aus Essigäther erhaltenen rhombo&drischen Krystalle
waren luftbeständig und im Aussehen völlig gleich denen
des S.-Chelerythrins. Mit Säuern giebt das Alkaloid eigelbe
Salze. Dieses Verhalten allein zeigt schon, dass ich es
mit einem andern Körper zu thun hatte, als dem bisher
für Chelerythrin gehaltenen, der von Säuern mit orange-
rother Farbe aufgenommen wurde.
Gleich dem S.-Chelerythrin löst sich das Alkaloid mit
blauer Fluorescenz in Aether, Alkohol, Chloroform, Aceton
und Essigäther; ebenso wie jenes Alkaloid wird das Ch.-
Chelerythrin durch Alkalien und Ammoniak aus der inten-
siv gelben Lösung seiner Salze flockig weiss gefällt.
Die Uebereinstimmung des Ch.-Chelerythrins mit dem
S.-Chelerythrin geht ferner, ausser aus den durch die
Analysen ermittelten Daten, aus dem ganz gleichen Ver-
halten der beiden Basen gegen Alkaloidreagentien hervor.
Das S.- und das Ch.-Chelerythrin zeigten, neben einander
beobachtet, übereinstimmend die unter Sang.-Chelerythrin
angegebenen Reactionen.
Bei 100° verlor das Alkaloid nichts an Gewicht.
Die von der freien Base ausgeführten Elementar-
analysen ergaben folgende mit den Analysenresultaten
des S.-Chelerythrins übereinstimmende Werthe.
I. 0,2564 Gramm gaben bei der Verbrennung mit Kupfer-
oxyd und vorgelegter redueirter Spirale 0,660 Gramm
CO, = 70,20%, -€E und 0,1354 Gramm 'H, 0 =
5,86. °/, H.
ll. 0,1735 Gramm lieferten unter denselben Bedingungen
0,4483 Gramm (CO, = 70,33%/, C und 0,0892 Gramm
H, 0 =57005°H.
1) Probst, Annal. d. Chem. u. Pharm. 29.221 u. 31.252.
Henschke, Inaug.-Dissert. pag. 31.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 395
Ill. 0,2254 Gramm der Base gaben nach der Methode
von Kjeldahl 0,009282 Gramm Stickstoff (6,6 cem !/ıo
Normal-Salzsäure, Lacmoid als Indieator) = 4,11%, N.
Gefunden:
II. 1. Ill.
C 70,20 70,33 —
H475350 520 —
N — — ab ll.
Berechnet für:
Ca H,, NO, + C,H, OH.
0710,25
ER 9,8537
N 350495:
Ch.-Chelerythrin Goldchlorid.
OH EI ENOR TEC AU CN
Zur Herstellung dieses Golddoppelsalzes versetzte ich
die filtrirte, schwach saure Lösung des salzsauren Ch.-
Chelerythrins so lange mit einer Lösung von Goldchlorid,
als eine Vermehrung des voluminösen gelbbraunen Nieder-
schlages zu bemerken war. Dieser wurde nach dem Ab-
setzen durch Absaugen von der Flüssigkeit getrennt, nach
dem Auswaschen mit Wasser zwischen Filtrirpapier ge-
trocknet und behufs Umkrystallisation in Alkohol gelöst.
Aus der filtrirten Lösung, die sich, gleich der des
S. - Chelerythringoldsalzes, nur schwer bewerkstelligen
liess, schieden sich, nach dem Hinzufügen je einer geringen
Menge von Goldchlorid und Salzsäure, bald feine braune
Nadeln aus.
Das Salz stellte sich beim Trocknen bei 100° als
wasserfrei heraus und verhielt sich im Schmelzröhrehen
völlig gleich dem aus S.-Chelerythrin dargestellten Gold-
salze, mit welcher Verbindung es überhaupt in allen Eigen-
schaften übereinstimmte.
Durch die Analysen des Doppelsalzes erhielt ich
folgende Daten:
I. 0,1648 Gramm der bei 100° getrockneten Verbindung
lieferten beim direkten Glühen im Porzellantiegel
0,0470 Gramm Gold = 28,51%, Au.
396 Georg Koenig:
II. 0,1542 Gramm gaben bei derselben Behandlung
0,0441 Gramm Gold = 28,60 !/, Au.
1ll. 0,1466 Gramm gaben bei der in gleicher Weise aus-
geführten Bestimmung 0,0418 Gold = 28,52, Au.
IV. 0,1794 Gramm lieferten bei der Verbrennung mit
Bleichromat und vorgelegter reducirter Kupferspirale
0,2442 Gramm (CO, = 37,12 °/, C und 0,0416 Gramm
5072.50, HE
Gefunden:
il, BL II. IV.
e == — — 37,12
a — — DT
Au 28,51 28,60 28,52 Bes
Berechnet für:
C,, H,, NO,. HCl. Au. Cl;.
C = 36,72%],
H = 2820),
Au = 58,59 9],
Ch.-Chelerythrin Platinchlorid.
(Ca; H,, NO, HC], Pt C1..
Zur Darstellung dieses Salzes löste ich eine ent-
sprechende Menge des zerriebenen Alkaloids in salzsäure-
haltigem Wasser und versetzte die filtrirte dunkelgelbe
Lösung bis zur gänzlichen Fällung mit Platinchloridlösung.
Der sich langsam absetzende, voluminöse Niederschlag war
von schön eitronengelber Farbe. Abgesogen, mit wenig
salzsäurehaltigem, darauf mit reinem Wasser nachgewaschen,
zeigte sich das zwischen Fliesspapier lufttrocken erhaltene
Salz aus feinen, gelben, leicht anhaftenden Nädelchen be-
stehend. Im Luftbade war bei 100° keine Gewichtsab-
nahme zu constatiren; das Salz war also wasserfrei. Auch
diese Verbindung stimmte in ihrem sonstigen Verhalten
mit dem S.-Chelerythrin-Platinchlorid vollkommen überein.
Die Analysen ergaben Folgendes:
I. 0,1586 Gramm des Salzes hinterliessen beim Glühen
im Porzellantiegel bis zum constanten Gewicht 0,0282
Gramm Platin = 17,78 |, Pt.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete, 397
II. 0,1236 Gramm, in derselben Weise behandelt, liessen
zurück 0,0218 Gramm metallisches Platin =
17,63. Et:
III. 0,1572 Gramm, mit Bleichromat und vorgelegter
reducirter Kupferspirale verbrannt, gaben 0,2650
Gramm CO, = 45,97 °/, € und 0,0456 Gramm H,0 =
322, H.
Das im Schiffehen verbleibende Platin wog
0,0282 Gramm = 17,93 %), Pt.
IV. Das Resultat einer ebenso ausgeführten Verbrennung
war folgendes: 0,2402 Gramm gaben 0,4042 Gramm
CO, = 45,89%), C; 0,0688 Gramm H,0 =3,18°/, H
und 0,0424 Gramm Platin = 17,65 °|, Pt.
Gefunden:
I. 112 0324.18. IV.
CE — —_ 45,97 45,89
H — — 322 318
Pt 17,78 17,63 17,93 17,6.
Berechnet für:
(EC, Hi, NO, H O)), Pt Ci.
0 1902.
Hr 326%),
Bi — 10.0629.
Die im Vorstehenden niedergelegten Analysenresultate
des Chelerythrins und seiner Verbindungen rechtfertigen
die Annahme der Identität des in der Sanguinaria vor-
kommenden Alkaloides mit dem aus Chelidonium isolirten.
Das physikalische Verhalten der freien Base, die
Uebereinstimmung der besonders charakteristischen Gold-
und Platindoppelverbindungen, sowie der salzsauren Salze
sprechen für die bisher höchst zweifelhafte Identität beider
Basen:
Es liegen die Schmelzpunkte sowohl der freien Basen
als auch die ihrer Golddoppelsalze vollkommen bei der
gleichen Temperatur; es zeigt sich völlig gleiches Ver-
halten gegen Lösungsmittel.
Endlich findet die Identität beider Basen ihren Aus-
druck in denselben Veränderungen, welche beide durch die
allgemeinen Alkaloidreagentien erleiden.
398 Georg Koenig:
Sanguinarin.
Während man bisher, wie bereits erwähnt, unter
Sanguinarin ein Gemenge von sämmtlichen Basen, welche
in der Sanguinariawurzel vorkommen, verstand, ist die
unter diesem Namen im Nachstehenden beschriebene Base
von einheitlicher Natur. Es dürfte gerade diesem Alkaloid
der Name Sanguinarin zuzusprechen sein, da die Eigen-
schaft desselben, mit Säuern rothe Salze zu bilden, die
dunkelrothe Farbe der Sanguinariawurzel bedingt und
somit auch wohl Veranlassung zu dem Namen „Blutwurz“
gewesen ist.
Das Sanguinarin, welcbes in geringerer Menge in der
Sanguinariawurzel vorkommt, als das S.-Chelerythrin,
krystallisirt aus Essigäther in weissen, meist büschelig
sruppirten Nadeln, deren Schmelzpunkt bei 211° liegt.
Aus Chloroform und aus Alkohol scheidet sich das
Sanguinarin in weissen Warzen aus; es ist ferner ebenso
wie das S.-Chelerythrin löslich in Methylalkohol, Aceton
und Aether, ein Umstand, der die Trennung dieser neben
einander vorkommenden Alkaloide ausserordentlich er-
schwer. An der Luft ist das Sanguinarin wenig be-
ständig, indem es sich bei Berührung mit derselben unter
Salzbildung schnell mit einer rothen Schicht überzieht.
Bei 109° bleibt es in seinem Gewicht constant, trotzdem
auch in diesen Krystallen eine Verbindung der Base mit
Alkohol vorzuliegen scheint.
Durch Behandeln mit salpetersäurehaltigem Wasser
in die Lösung des entsprechenden Salzes übergeführt,
gingen bei der Destillation dieser Salzlösung deutlich
durch die Jodoformreaction erkennbare Mengen von
Aethylalkohol über.
Die für die freie Base gefundenen Werthe stimmen
daher auch nur mit der aus den Analysenresultaten der
Verbindungen des Sanguinarins abgeleiteten Formel, uuter
Zurechnung eines halben Moleküls Aethylalkohol, überein,
während dieselben mit der direkt aus der Zusammen-
setzung der Verbindungen sich ergebenden Formel, C;,
H,; NO,, nicht im Einklange stehen. Diese Formel unter-
Beitröge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 399
scheidet sich von der des Chelerythrins durch einen Minder-
gehalt von CH,, ein Umstand, der beide Körper in Er-
wägung ihrer Aehnlichkeit in dem Gesammtverhalten als
Glieder einer homologen Reihe ansehen lässt.
Die Analysen der freien Base ergaben folgende
Resultate:
I. 0,2086 Gramm der Base lieferten bei der Ver-
brennung mit Kupferoxyd und vorgelegter redueirter
Kupferspirale 0,538 Gramm CO, = 70,33 9], und 0,0914
Gramm H,0 = 4,86 °J, H.
II. 0,1673 Gramm gaben bei der in gleicher Weise aus-
seführten Analyse 0,4318 Gramm CO, = 70,18%, ©
und: 0:0712 Gramm H, 0 471.0, HL
III. 0,3673 Gramm gaben nach der Methode von Kjeldahl
0,01456 Gramm Stickstoff, (verbraucht 10,40 cem !/o
Normal-Salzsäure, Lacmoid als Indicator) = 3,96 °/, N.
Gefunden:
I. 1 II.
C 70,33 70,18 E=
6 4,11 —
H
N — 3,96
Berechnet für:
CE NO, C,H. ON.
C = 70,789],
H= 5,05 0,
N= 3,93,
Das Verhalten desSanguinarins gegen Alkaloidreagentien
ist Folgendes:
Conc. Schwefelsäure: Löst dunkelrothgelb.
Cone. Salpetersäure: Löst mit braungelber Farbe.
Erdmanns Reagens: Färbt schön orangeroth, eine
Farbe, die ziemlich lange beständig ist, später jedoch
unter Trübwerden der Lösung in scharlachroth übergeht.
Fröhdes Reagens: Färbt dunkelbraungelb, dann roth-
gelb, schliesslich in eine schmutzig braune Färbung über-
gehend.
Vanadinschwefelsäure: Färbt zunächst schön dunkel-
grün, welche Farbe über violett schnell in bordeauxroth
übergeht und schliesslich braun wird.
400 Georg Koenig:
Sanguinarin Goldchlorid.
C’» Hs NO,. HCl. Au C]..
Um dieses Doppelsalz darzustellen, löste ich das
Alkaloid in salzsäurehaltigem Wasser und versetzte diese
Lösung bis zur vollständigen Ausfällung mit Goldchlorid-
chlorwasserstofflösung. Sofort entstand ein braunrother,,
flockiger, schwerer Niederschlag, der sich schnell zu Boden
setzte. Nach dem Absaugen desselben auf einem Filter-
plättehen und dem Nachwaschen mit wenig Salzsäure und
goldehloridhaltigem, darauf mit reinem Wasser, trocknete
ich das Salz zwischen Fliesspapier. Im lufttrocknen Zu-
stande war die Farbe des Salzes dunkelzinnoberroth.
Eine Umkrystallisation des Doppelsalzes aus Alkohol
oder Wasser erwies sich als unausführbar, da dasselbe von
Wasser überhaupt nicht, von Alkohol nur in sehr geringer
Menge gelöst wurde.
Aus der alkoholischen Lösung schied sich die Ver-
bindung wieder amorph ab, und zwar von gleichem Aus-
sehen, wie das direkt gefällte Salz; beide Salze erwiesen
sich als wasserfrei, da beim Trocknen bei 100° in beiden
Fällen keine Gewichtsabnahme zu constatiren war. Auch
im Goldgehalt stimmte das direkt gefällte Sanguinaringold-
doppelsalz mit dem aus alkoholischer Lösung erhaltenen
im Wesentlichen überein.
Die Analysen der bei 100° getrockneten Verbindung
führten zu folgenden Daten:
I. 0,1674 Gramm des aus alkoholischer Lösung erhaltenen
Salzes hinterliessen beim Glühen im Porzellantiegel
bis zum constanten Gewicht 0,0494 Gold = 29,51 °/, Au.
Die übrigen Bestimmungen wurden von dem aus.
wässriger salzsaurer Lösung der Base seAllign Salze
ausgeführt.
ll. 0,2446 Gramm gaben beim direkten Glühen 0,072
Gramm Gold 29,43 °/, Au.
Il. 0,1484 Gramm des Doppelsalzes gaben bei der Ver-
brennung mit Bleichromat und vorgelegter redu-
eirter Kupferspirale 0,1988 Gramm CO, = 36,55%, C
und 0,028 Gramm H,O = 2,09%, H
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 401
IV. 0,1778 Gramm des Salzes lieferten bei der Elementar-
analyse 0,2368 Gramm CO, = 36,32 °/, C und 0,0304
Gramm „0731,39, H:
Das im Schiffehen verbliebene Gold wog 0,0526 Gramm
— 29,58%), Au.
Gefunden:
I. II. III. IV.
CE — — 36,53 36,32
H — = 2,09 1,89
Au 29,51 29,43 — 29,58.
Berechnet für:
CC. H,,; NO,. HCI Au Cl..
e2 9520
17 — 238
Au 2918.
Sanguinarin Platinchlorid.
(Can His NO, ERC), Pt Cr
Zur Gewinnung des Platindoppelsalzes setzte ich zu der
erwärmten salzsauren Lösung der Base so lange von einer
Platinchloridcehlorwasserstofflösung, als noch eine Ver-
mehrung des dadurch bewirkten Niederschlages zu be-
merken war. Die sich nach völliger Ausfällung in amor-
phen, dunkelgelben Flocken schnell zu Boden setzende
Verbindung wurde auf einem Filter gesammelt, mit salz-
säure- und platinchloridhaltigem, dann mit reinem Wasser
nachgewaschen und schliesslich zwischen Fliesspapier ge-
trocknet.
Im lufttrocknen Zustande war das Salz, welches sich
unter der Loupe als amorph herausstellte, von dunkel-
gelber Farbe.
Bei 100° getrocknet betrug die Gewichtsabnahme:
I. Von 0,1796 Gramm des Salzes 0,0018 Gramm =
1,006:
II. Von 0,2116 Gramm des Salzes 0,0010 Gramm =
0,47 95.
Il. Von 0,222 Gramm des Salzes 0,0010 Gramm =
0,45 9],. |
Zeitschrift f£. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 26
402 Georg Koenig:
Es war hierbei keine äussere Veränderung des Salzes
wahrzunehmen, und ist diese Gewichtsabnahme wohl nur
auf anhaftende hygroscopische Feuchtigkeit zurückzu-
führen:
Eine Platinbestimmung ergab Folgendes:
I. 0,1773 Gramm des bei 100° bis zum constanten Ge-
wicht getrockneten Salzes hinterliessen beim direkten
Glühen bis zum constanten Gewicht 0,0327 Gramm =
18,39%, Pt.
Zwei mit Bleichromat und vorgelegter reduecirter
Kupferspirale ausgeführte Verbrennungen lieferten von dem
bei 100° getrockneten Doppelsalze folgende Resultate:
II. 0,2106 Gramm gaben 0,3468 Gramm CO, = 44,91 %,
C und 0,0504 Gramm H,0=2,65°%, H; das zurück-
gebliebene Platin wog 0,0388 Gramm = 18,42 °/,-
Ill. 0,221 Gramm gaben 0,3646 Gramm CO, = 44,99%,
C und 0,051 Gramm H,O = 2,56 °/, H, sowie 0,0414
Gramm Platin = 18,73 %/, Pt.
Gefunden:
l. 1. II.
CE — 44,91 44,99
H — 2,65 2,56
Pt 18,39 18,42 18,73.
Berechnet für:
(C,, H,;, NO, HCl), Pt Cl..
C = 446301,
H= 2,97%,
Pt = 18,08 9),.
Salzsaures Sanguinarin.
C’. H, NO,. HC.
Um das salzsaure Sanguinarin darzustellen, erwärmte
ich die freie Base bis zur vollkommenen Lösung derselben
mit salzsäurehaltigem Wasser. Aus der blutrothen, mit
concentrirter Salzsäure versetzten Lösung schied sich das
Salz in prächtig rothen, etwa 1 ccm langen, dünnen
Nadeln aus, die, durch Absaugen von der Mutterlauge ge-
trennt und zwischen Fliesspapier getrocknet, einen seiden-
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 403
artigen Glanz zeigten. Beim Trocknen bei 100° verloren
diese Nadeln bis zu 23%, ihres Gewichts.
Berechnet für:
Ca, H,; NO, HC +5H3;,0.
H,0 = 19,58 %-
Wenn dieser, der wahrscheinlichen Zusammensetzung
des Salzes entsprechende Werth so erheblich bei den aus-
geführten Wasserbestimmungen überschritten wurde, so liegt
der Grund in einem gleichzeitigen Verlust an Salzsäure
und der dadurch bedingten Zersetzung des Salzes. Letztere
machte sich sowohl durch den Uebergang der leuchtend
rothen Farbe in eine mattbraune, als auch dadurch be-
merkbar, dass sich das Salz nach dem Trocknen, gleich
dem S.-Chelerythrinhydrochlorid, nicht mehr in Wasser
oder Alkohol löste, was vorher mit Leichtigkeit der Fall
war. Ferner spricht für die Annahme eines Verlustes an
Salzsäure bei 100° der Umstand, dass die von dem jener
Temperatur ausgesetzten Salze ausgeführten Chlorbe-
stimmungen bedeutend zu niedrig ausfielen.
Zur Analyse verwendete ich daher das aus Alkohol
umkrystallisirte, sich aus diesem Lösungsmittel mehr derb
und ziegelroth ausscheidende Salz, im lufttrockenen, eben-
falls Krystallwasser enthaltenden Zustande. Denn auch
das aus Alkohol umkrystallisirte salzsaure Sanguinarin zer-
setzt sich beim Trocknen (Verlust 9,60, bezüglich 10,33 %),
unter Veränderung der Farbe und Chlorwasserstoffverlust.
Eine durch Zersetzen des mit zerriebenem Silbernitrat
vermischten Salzes durch rauchende Salpetersäure ausge-
führte Chlorbestimmung gab folgendes Resultat:
I. 0,1210 Gramm des Salzes gaben 0,0422 Gramm Chlor-
silber, entsprechend einen Gehalt von 8,62 °, Chlor.
EineVerbrennung des Salzes führte zu folgendenWerthen.
I. 0,1616 Gramm gaben 0,3512 Gramm CO, = 59,27%,
© und 0,069 Gramm H, 0 = 4,178, H.
Gefunden:
1. 106
— |
H — 4,78
Cl 8,62 _—_
404 Georg Koenig:
Berechnet für:
Ca. H, NO, HCl + 2H;0.
€ =59,8%,
H. = .4.030,,
di —- 859%
H,0= 8,879;,.
Bei der Verbrennung wurde die rothe Farbe des
Salzes zunächst heller und ging über grau fast in weiss
über; erst dann trat Schmelzen und schliesslich Verkohlen
der Substanz ein. Es scheint also beim Erhitzen eine
vollkommene Regeneration des freien Alkaloides unter Ab-
gabe der Säure stattzufinden.
Durch Ammoniak wird die wässrige Lösung des salz-
sauren Sanguinarins farblos unter Abscheidung weisser
Flocken der freien Base.
Salpetersaures Sanguinarin,
CB, NO, EEN®,
Zur Darstellung des salpetersauren Sanguinarins ver-
theilte ich die zerriebene Base in heissem Wasser und
setzte der Flüssigkeit unter Erwärmen so viel Salpetersäure
zu, als zur Neutralisation nöthig war. Aus der heiss-
filtrirten und hierauf mit überschüssiger Salpetersäure ver-
setzten, tiefrothen Lösung schieden sich nach dem Er-
kalten derselben rothe Nadeln aus, die, von der Mutter-
lauge getrennt, behufs Umkrystallisation in heissem Alkohol
gelöst wurden. Aus dieser Lösung schied sich das Salz
in kurzen, leuchtend rothen Nädelchen aus, die auf einem
Filter nach dem Ablaufen der Flüssigkeit mit Aether bis
zum farblosen Abfliessen desselben nachgewaschen wurden.
Die zwischen Fliesspapier lufttrocken erhaltenen
Krystalle verloren bei 100° etwa 6,5°, an Gewicht. Da-
bei ging jedoch die rothe Farbe ebenfalls in Braun über,
was auf eine Zersetzung auch dieses Salzes unter Säure-
abgabe schliessen liess. Desshalb führte ich zwei Elementar-
analysen, deren Resultate hier folgen, von der luft-
trockenen Verbindung aus.
I. 0,151 Gramm des Salzes gaben bei der Verbrennung
mit Bleichromat und vorgelegter redueirter Kupfer-
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 405
spirale 0,3226 Gramm CO, = 58,26%), C und 0,0592
Gramm H,O = 4,55 °/, H.
I. Eine ebenso ausgeführte Verbrennung ergab von
0,1922 Gramm des Salzes 0,4102 Gramm 00, =
58,20, C und 0,0748 Gramm H,O = 4,52 °/, H.
Gefunden:
IL 11.
C 5826 58,20
al 2,8) 4,32
Berechnet für:
Ca, H;; NO, HNO, + H3,0.
O2 og,
He) 2,540,
H,0= 434].
Aus der wässrigen sowohl, als aus der alkoholischen
Mutterlauge des Salzes waren durch Eindampfen keine
weiteren Krystallisationen mehr zu erhalten; es schien da-
bei, unter Abscheidung von weissen Flocken und von einem
rothen warzigen Körper, eine Zersetzung einzutreten.
Homochelidonin.
Durch Umkrystallisation des harzähnlichen Rück-
standes, welcher aus den eingedampften, ammoniakalischen
Mutterlaugen durch Ausschütteln mit Chloroform gewonnen
war, aus Essigäther erhielt ich eine ziemlich grosse Menge
weisser, nadelförmiger, bei 156° schmelzender Krystalle,
die sich in Salzsäure leicht und farblos auflösten. Der
Schmelzpunkt dieser Krystalle, die Löslichkeit der Base
in der ammoniakalischen Flüssigkeit, sowie auch das
sonstige Verhalten derselben legte die Vermuthung nahe,
dass dieses Alkaloid dem von Selle!) aus Chelidonium
Majus gewonnenen 8 Homochelidonin verwandt sei.
Durch wiederholte Umkrystallisation aus Essigäther mit
geringem Alkoholzusatz verwandelten sich diese Nadeln in
grosse, gut ausgebildete, rhombo&drische Krystalle, die sich
jedoch im Schmelzröhrehen nur zum Theil bei 158° ver-
1) Selle, Inaug.-Dissert. pag. 23.
406 Georg Koenig:
flüssigten, während ein kleiner Theil derselben erst bei
170° schmolz.
Die bei der Umkrystallisation obiger Base verbliebenen
Mutterlaugen brachte ich durch Verdunstenlassen des
Lösungsmittels zur Trockne und löste hierauf den Rück-
stand, im Verein mit den gelblich gefärbten letzten An-
theilen der Krystallisation, behufs weiterer Reinigung, in
salzsäurehaltigem Wasser auf und übersättigte diese Lösung
mit Ammoniak, wodurch eine weisse käsige Fällung ent-
stand. Die hierdurch wieder freigemachte Base nahm ich
alsdann durch Ausschütteln mit Chloroform auf. Den nach
dem Verdunsten des Chloroforms bleibenden Rückstand
löste ich darauf in Essigäther, wodurch ich, neben farblosen
Nadeln, die sich bei weiterer Umkrystallisation, wie oben,
in tafelförmige (rhomboädrische) Krystalle verwandelten,
eine relativ grosse Menge weisser Warzen von Protopin
erhielt. Letztere trennte ich mechanisch von den nadel-
förmigen Krystallen, löste sie in Chloroform und erhielt
aus dieser Lösung, nach Zusatz von wenig Alkohol, wenig
gefärbte nadelförmige, strahlig gruppirte, bei 198° bis 203°
schmelzende Krystalle. Ueber die Weiterbehandlung dieser
Krystalle werde ich unter „Protopin“ berichten.
In den Mutterlaugen dieser Krystalle blieb das aus.
Chloroform nicht krystallisirende Alkaloid zurück. Ob-
schon der Schmelzpunkt jener rhomboädrischen Krystalle,
wie bemerkt, nicht scharf war, schritt ich, bewogen durch
die einheitliche Ausbildung derselben, zu einer näheren
Charakterisirung, umsomehr, als diese Base gegen concen-
trirte Schwefelsäure und Salpetersäure, sowie Fröhdes.
Reagens dasselbe Verhalten zeigte, wie das von Selle dar-
sestellte # Homochelidonin.
Von letzterer Base stand mir durch die Freundlichkeit
des Herrn Apotheker Dr. Fr. Selle eine grössere Menge zum
Vergleich zur Verfügung.
Die aus der Sanguinariawurzel gewonnenen Krystalle
des fraglichen Alkaloides verwitterten schon bei gewöhn-
licher Temperatur; sie verloren beim Trocknen bei 100°
11,6 %/,, bezüglich 10,74%), ihres Gewichtes,
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 407
I. 0,1982 Gramm der zerriebenen Krystalle verloren, bei
100° his zum constanten Gewicht getrocknet, 0,023
Gramm = 11,60 °],-
II. 0,186 Gramm verloren unter denselben Bedingungen
0,02 Gramm = 10,75 °J,.
Die Differenz im Resultate dieser beiden Bestimmungen
erklärt sich dadurch, dass die letzteren 0,186 Gramm einer
Probe entnommen wurden, die nach der ersten Bestimmung
einige Tage aufbewahrt worden waren; es hatte somit auch
in dem mit Kork verschlossenen Aufbewahrungsgefässe
eine Gewichtsabnahme stattgefunden. Zwei von den bei
100% getrockneten Krystallen ausgeführte Verbrennungen
lieferten folgende Resultate.
I. 0,166 Gramm gaben mit Bleichromat und vorgelegter
reducirter Spirale verbrannt 0,415 Gramm CO, =
68,18 %/, C und 0,0906 Gramm H, O = 6,06 °/, H.
I. 0,1752 Gramm gaben bei der ebenso ausgeführten
Verbrennung 0,442 Gramm CO, = 68,80 °/, C und
0,0958 Gramm H, O = 6,07 /, H.
Gefunden:
I; II.
C 68,18 68,80
H 6,06 6,07.
Die von Selle für das # Homochelidonin aufgestellte
Formel:
C,; Hz, NO, verlangt:
& — 68,66%,
Han:
Veranlast durch das Verhalten des Sanguinaria-
Alkaloids im Schmelzröhrchen, nahm ich eine nochmalige
Reinigung desselben vor, um eventuell vorbandenes Proto-
pin zur Abscheidung zu bringen. Zu diesem Zweck ver-
setzte ich diese salzsaure Lösung der Base mit starker
Salzsäure. Es schieden sich jedoch hierdurch, trotz der
starken Concentration der Lösung, nur seidenglänzende,
sehr lockere, strahlig zusammenhängende Krystalle aus,
wogegen keinerlei Warzen oder derbere Krystalle, wie sie
für das salzsaure Protopin charakteristisch sind, beobachtet
werden konnten. Ich verdünnte desshalb die stark saure
408 Georg Koenig:
Lösung mit viel Wasser (das ausgeschiedene Salz löste sich
sehr leicht) und übersättigte diese Lösung mit Ammoniak,
wodurch nur vorübergehend eine Fällung entstand, die
sich in einem Ueberschusse des Fällungsmittels wieder
auflöste. Aus letzterer Lösung extrahirte ich das Alkaloid
durch Ausschütteln mit Choroform und löste den beim Ver-
dunsten desselben verbleibenden Rückstand in Essigäther.
Aus diesem Lösungsmittel schieden sich, ebenso wie früher,
grosse wasserhelle, sehr gut ausgebildete Krystalle ab.
Der Trockenverlust dieser Krystalle betrug bei 100°
11,54 bezüglich 11,64 °/,.
I. 0,1798 Gramm des zerriebenen Alkaloids verloren,
bei 100° bis zum constanten Gewicht getrocknet,
0,0204 Gramm = 11,34 °],.
Il. 0,529 Gramm verloren unter denselben Umständen
0,0616 Gramm = 11,64 °],.
Zwei von der bei 100° getrockneten Base mit
Bleichromat und vorgelegter redueirter Spirale aus-
geführte Verbrennungen führten zu folgenden Resul-
taten:
Ill. 0,1526 Gramm gaben 0,5846 Gramm CO, = 68,73 %/,
C und 0,0846 Gramm H,O = 6,16 °/, H.
IV. 0,1458 Gramm des Alkaloids lieferten 0,3654 Gramm
CO, = 68,35 °/,C und 0,0782 Gramm H, 0 =5,%°/, H.
Gefunden:
l DE II. IV.
C 68,18 68,80 63,75 68,35
H 6,06 6,07 6,16 »,95:
Berechnet für:
C5, Hy NO;.
C = 68,66 'o
Ei = 72m:
Eine von der nicht getrockneten, kurz vor der Ver-
brennung zerriebenen Base ausgeführte Elementaranalyse
gab leider keine Auskunft über die Natur des Körpers,
welcher das Verwittern, sowie vermuthlich auch die Form
der Krystalle bedingt.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete, 409
Vielleicht erklären sich diese Erscheinungen durch
einen Gehalt der Krystalle an Essigäther, dessen Anwesen-
heit sich bei der Destillation der mit salzsäurehaltigem
Wasser bewirkten Lösung der Alkaloidkrystalle ergab.
Das unter sorgfältiger Kühlung resultirende Destillat zeigte,
besonders in dem, getrennt von dem Uebrigen aufge-
fangenen, ersten Antheile, deutlichen Essigäthergeruch.
Wie die für die getrocknete Base gefundenen Analysen-
werthe in Uebereinstimmung mit der Formel C, H;, NO;
sind, so stellte sich obiges Sanguinaria-Alkaloid auch in
seinem Verhalten gegen Alkaloidreagentien dem $# Homo-
chelidonin völlig zur Seite.
Das Alkaloid zeigte, in Substanz gleichzeitig neben
dem # Homochelidonin behandelt, folgende, vollständig mit
diesem übereinstimmende Reactionen.
Cone. Schwefelsäure: Zunächst farblos, dann schön
violett, welche Farbe vom Rande aus verschwindend in
ein blasses Gelbbraun überging.
Salpetersäure: Farblos, dann gelb.
Fröhdes Reagens: Aus tiefbraunroth über blauviolett in
dunkelblau übergehend, eine Farbe, die vom Rande her
erst moosgrün, dann gelb wurde.
Vanadinschwefelsäure: Aus rothviolett in ein ziemlich
beständiges indigoblau übergehend, das sich später in
blaugrün und endlich vom Rande aus in hellbraun ver-
wandelte.
Erdmanns Reagens: Ueber blassgelb schnell in ein
längere Zeit beständiges rothviolett übergehend, das später
eine schmutzig violette und schliesslich eine schmutziggelbe
Färbung annahm.
Der Schmelzpunkt des Sanguinaria-Alkaloids, welches
ich wegen seiner Aehnlichkeit und theilweisen Ueberein-
stimmung mit dem # Homochelidonin vorläufig mit der
Bezeichnung 7 Homochelidonin belegen will, lag nach der
zweiten Umkrystallisation scharf bei 169°, wenn getrocknet;
nicht getrocknet fand bei 159% Zusammensintern statt,
völliges Schmelzen jedoch erst bei 169°.
Aus der Mutterlauge der letzten Umkrystallisation des
7 Homochelidonins erhielt ich eine sehr kleine Menge
410 Georg Koenig:
büschelig angeordneter, seidenglänzender Nadeln, deren
Schmelzpunkt entsprechend dem des 8 Homochelidonins,
welches ich neben jenem im Schmelzröhrchen beobachtete,
bei 159 Jag.
Das Verhalten dieser Krystalle gegen Alkaloid-
reagentien, welches ich neben dem des # und des 7 Homo-
ebelidonins einer Beobachtung unterwarf, war ebenfalls
demselben entsprechend, so dass auch 8 Homochelidonin
in geringer Menge in der Sanguinariawurzel vorzukommen
scheint.
Um weitere Anhaltspunkte für den Vergleich des
y Homochelidonins mit dem # Homochelidonin zu erhalten,
unterwarf ich die mir von Herrn Apotheker Fr. Selle
freundlichst zur Verfügung gestellte Menge letzterer Base
einer Umkrystallisation aus Essigäther, dem ein geringer
Zusatz von Alkohol gemacht wurde, behandelte dieselbe
also in der gleichen Weise wie das 7 Homochelidonin.
Aus der anfänglich ein fein krystallinisches Pulver
darstellenden Base erhielt ich durch diese Art der Um-
krystallisation, neben sehr geringen Mengen eines warzigen
Körpers, grosse tafelförmige Krystalle, die in ihrem Aus-
sehen völlig mit denen des Sanguinaria-Alkaloides über-
einstimmten, deren Schmelzpunkt jedoch um 10° niedriger,
nämlich bei 159° lag.
Eine weitere Verschiedenheit beider Alkaloide bestand
darin, dass eine bei 100° ausgeführte Verlustbestimmung
negativ ausfiel. Die zerriebenen Krystalle des 8 Homo-
chelidonins verloren, im Wägerohr mehrmals einer Tempe-
ratur von 100° ausgesetzt, durchaus nichts an Gewicht.
Dieselben zeigten nach dem Troeknen noch denselben
Schmelzpunkt wie zuvor, ebenso hatten die Krystall-
fragmente, unter der Loupe betrachtet, nach dem Trocknen
nicht das Aussehen eines verwitterten Salzes, wie es bei
den 7 Homochelidonin-Krystallen der Fall war.
Homochelidonin Platinchlorid.
Un: weiteres Material zum Vergleich des y Homo-
chelidonins mit dem # Homochelidonin zu gewinnen, stellte
ich aus einer kleinen Menge ersteren Alkaloids das Platin-
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 411
doppelsalz in der Weise dar, dass ich die salzsaure Lösung
desselben so lange mit Platinchloridlösung versetzte, als
noch ein Niederschlag entstand.
Der hierdurch erhaltene hellgelbe Niederschlag stellte
nach dem Auswaschen, Absaugen der Flüssigkeit und
Trocknen zwischen Fliesspapier ein blassgelbes Pulver dar.
Zur Ausführung einer Elementaranalyse reichte die darge-
stellte Menge leider nicht aus, ich musste mich desshalb
mit der Ermittelung des Wassergehaltes begnügen.
0,1338 Gramm des luftrocknen Salzes verloren, bei
100° bis zum constanten Gewicht getrocknet, 0,0058 Gramm
—A 33.00:
Es stimmt dieser Werth gut überein mit dem, welchen
die von Selle angenommene Formel des # Homochelidonin-
platinchlorids verlangt.
(O5, H,, NO,;,: HCl, Pt Cl, + 3 H,O.
H,0=450%).
Der Platingehalt berechnet sich für diese Formel
(wasserfreies Salz) zu 17,00 °/,; auch diese Zahl entspricht
der von mir gefundenen: 17,03 °/, Pt.
Wegen Mangel an Material war es mir leider nicht
möglich, weitere Versuche mit diesem Alkaloid anzu-
stellen.
Protopin.
Als Ausgangsmaterial für die nachstehenden an dem
Protopin gemachten Studien diente mir:
1) Ein von der Firma E. Merck in Darmstadt stammendes,
mir durch Herrn Professor Dr. E. Schmidt freundlichst
übermitteltes Chelidonium-Rohalkaloid.
2) Eine kleine Menge freier Base, die ich aus dem
von E. Merck, Darmstadt, bezogenen Sanguinarin dar-
stellte.
3) Das von mir aus der Wurzel von Sanguinaria
Canadensis, auf oben angegebenem Wege, dargestellte
Protopin.
4) Eine geringe Menge, unter der Bezeichnung „ge-
fälltes Protopin“, von E. Merck bezogener, aus Opium dar-
gestellter freier Base.
412 Georg Koenig:
u —
5) Amorphes, von Fr. Selle aus Chelidonium Majus
gewonnenes Protopingoldchlorid.
1) Protopin aus Merck’schem Rohalkaloid.
Das mir zur Verarbeitung vorliegende Material be-
stand aus grauen bröcklichen, amorphen Massen.
Das durch Zerreiben gewonnene Pulver war fast un-
löslich in salzsäure-, schwefelsäure- und essigsäurehaltigem
Wasser und Alkohol; ebenso wurde es nicht ohne Rück-
stand von Chloroform, Essigäther, Petroläther und Schwefel-
äther aufgenommen.
Die Reinigung dieses Rohalkaloids gelang durch Be-
handeln desselben mit Alkohol, und zwar zunächst ohne,
dann mit Zusatz von Salzsäure. Der in salzsäurefreiem
Alkohol mit gelblicher Farbe lösliche Theil der Base gab,
auf Zusatz von concentrirter Salzsäure, ein sich schnell
zu Boden setzendes weisses Krystallmehl. Die nach einiger
Zeit davon getrennten Mutterlaugen lieferten beim Ein-
dampfen noch weitere Mengen desselben Salzes. Zuletzt
schied sich aus den dunkel gefärbten Laugen eine braun-
schwarze, harzähnliche Masse ab, die löslich in Chloroform
und Alkohol, unlöslich dagegen in angesäuertem Wasser
war; beim Verdunsten des Lösungsmittels blieb sie nur
amorph zurück.
Um aus dem durch mehrfache Umkrystallisation ge-
reinigten, salzsauren Salz die freie Base abzuscheiden, löste
ich dasselbe in viel siedendem Wasser auf und fällte aus
dieser Lösung das Alkaloid durch Ammoniak aus. Es
resultirte hierdurch eine weisse, sich käsig zusammen-
ballende Fällung, die sich nach dem Trocknen leicht in
Chloroform mit gelber Farbe löste.
Nach Zusatz von Alkohol schieden sich aus dieser
Lösung in reichlichem Maasse nur wenig gefärbte, bei
136° schmelzende, tafelförmige, dem Schmelzpunkte, sowie
dem übrigen Verhalten nach aus Chelidonin bestehende
Krystalle aus.
Der bei der Behandlung des gepulverten Rohalkaloids
mit säurefreiem Alkohol zurückgebliebene Antheil wurde
nunmehr mit heissem, salzsäurehaltigem Weingeist auf-
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 415
—
nommen. Bis auf unbedeutende Verunreinigungen ging
hierbei Alles mit gelber Farbe in Lösung. Nach dem Er-
kalten schied sich aus letzterer Flüssigkeit ebenfalls ein
weisses Krystallmehl aus, welches jedoch leichter, als das
salzsaure Chelidonin, in säurefreiem Alkohol und Wasser
löslich war.
Auch dieses Salz wurde nach dem Umkrystallisiren
in salzsaurer wässriger Lösung durch Ammoniak zerlegt.
Die freie Base, welche sich mit gelblicher Farbe in Chloro-
form löste, krystallisirte, nach Zusatz von Alkohol, aus
dieser Lösung zum Theil in farblosen Krystallen, zum
Theil aber auch in weissen, in der Mitte vertieften Warzen
aus. Der Schmelzpunkt beider Ausscheidungen lag bei
204°; beide waren daher wohl nur als verschiedene Formen
des haare anzusehen, für welches Selle “ Schmelz-
punkt bei 205° mel
Aus den letzten Mutterlaugen des Chelidonins erhielt
ich ebenfalls noch eine kleine Menge Protopin, welches
ich, im Verein mit obigem Alkaloide, in der Weise einer
weiteren Reinigung unterwarf, dass ich die Lösung des-
selber in Chloroform mit Alkohol versetzte und dann der
freiwilligen Verdunstung überliess. Aus diesen Lösungen
schieden sich stets Krystalle und Warzen neben einander
aus. Die leicht zerreiblichen Krystalle waren von rhom-
bo@drischer Gestalt, völlig durchsichtig, mit scharfen Kanten,
und zeigten dieselben nur einen er schwachen Stich ins
Gelbliche. Die sehr harten, weissen Warzen schieden sich
besonders am Rande der Lösung aus, und zwar einzeln,
zu Krusten vereint, oder gleich Schnüren aneinanderge-
reiht. Aus Chloroform allein scheidet sich das Protopin
zum grössten Theil als harzähnliche, gelb durchscheinende
Masse aus. Aus Alkohol allein, in dem sich das Protopin
schwer löst, ebenso aus Essigäther, mit und ohne Zusatz
von Alkohol, sowie aus Aceton krystallisirt das Alkaloid
ebenfalls nicht in einheitlicher Form. Stets resultirten
Warzen und Krystalle, die allerdings im Schmelzpunkte
und in den Reactionen scharf übereinstimmten, nebenein-
ander. Bei 100° verlor das Alkaloid nichts an Gewicht.
414 Georg Kocnig:
Die von der freien Base (Warzen sowohl als Krystalle)
ausgeführten Elementaranalysen ergaben folgende Werthe:
I. 0,1846 Gramm des bei 100° getrockneten Alkaloids
gaben, mit vorgelegter redueirter Kupferspirale ver-
brannt, 0,4642 Gramm CO, = 68,58 °/, C und 0,0888
Gramm H,O = 5,34 °/, H.
II. Eine in gleicher Weise von 0,171 Gramm der Base
ausgeführte Verbrennung lieferte 0,4279 Gramm CO,
—= 68,240), C und 0,0796 Gramm H,0 —=5,16 °[, H.
Il. 0,2152 Gramm gaben bei der Verbrennung 0,5394
Gramm CO, = 68,36 °/), C und 0,1036 Gramm H, 0 =
5,34%, H.
Gefunden:
I. II. II.
C 68,58 68,24 68,36
H 5,34 SH 5,34.
Es stimmen diese Werthe mit denen für die von Selle
angenommene Formel Ca, H,s NO, nicht besonders
überein.
Diese verlangt:
Er 6.38.0%
Hi 29,38%:
Während ich höhere Zahlen für den Kohlenstoff fand,
bleiben die für den Wasserstoff gefundenen hinter den be-
rechneten Werthen zurück.
In besserer Uebereinstimmung sind dagegen die Er-
gebnisse der Analysen der freien Base, namentlich betreffs
des Wasserstoffs, mit der Formel C;, H;; NO,, der auch
die von mir analysirten Verbindungen des Protopins zu
entsprechen scheinen:
Ca H;,: NO,
C = 68,37 1],
H= 4849].
Protopin-Platinchlorid.
Zur Darstellung dieses Platindoppelsalzes löste ich
einen Theil der Protopinkrystalle in salzsäurehaltigem
Wasser und setzte dann zu der filtrirten heissen Lösung
soviel Platinchloridlösung, als zur vollständigen Ausfällung
Beiträge znr Kernntniss der Alkaloide ete. 415
nöthig war. Das Salz schied sich zunächst in gleichmässig
hellgelben Flocken aus, die jedoch nach dem Erkalten
und zwölfstündigem Stehen krystallinische Beschaffenheit
annahmen.
Auf einem Filterplättchen abgesogen und bis zum farb-
losen Ablaufen der Waschflüssigkeit mit salzsäurehaltigem,
später mit reinem Wasser nachgewaschen, wurde das Salz
auf einer Thonplatte zwischen Fliesspapier getrocknet und
alsdann als gleichmässiges lockeres, hellgelbes, nicht an-
haftendes Pulver zur Bestimmung verwendet.
Bei 100° bis 105° verlor das Salz an Gewicht, das
erst nach häufig wiederholtem Trocknen constant wurde.
I. 0,1718 Gramm der lufttrocknen Substanz verloren beim
Trocknen bei 100° bis zum constanten Gewicht
0,0094 Gramm = 5,47 °|y.
I. 0,2426 Gramm verloren unter den gleichen Be-
dingungen 0,0131 Gramm = 5,39 %],.
II. 0,1717 Gramm verioren 0,0099 Gramm = 5,76 %),.
IV. 0,2169 Gramm verloren 0,0125 Gramm = 5,76 °),.
Gefunden:
1. 1. II. IV.
H,0. 5,47 5,39 5,76 5,76.
Berechnet für:
(Co Hı, NO, HC, Pt Cl, + 3 H,0.
H,0=463 '.
Die Elementaranalyse des bei 100° getrockneten Salzes
führte zu folgenden Zahlen:
I. 0,1363 Gramm des Salzes gaben bei der Verbrennung
mit Bleiehromat und vorgelegter redueirter Kupfer-
spirale 0,2158 Gramm (CO, = 43,17%, C und 0,0416
Gramm H,0=3,393% H-
II. 0,1618 Gramm lieferten bei der Verbrennung 0,2554
Gramm CO, = 43,04 °{, C und 0,0506 Gramm H,O
—= 3,47 °/, H.
Beim direkten Glühen im Tiegel bis zum con-
stanten Gewicht hinterliessen
II. 0,1624 Gramm des bei 100° getrockneten Salzes
0,028 Gramm Platinmetall = 17,24 °/, Pt.
416 Georg Koenig:
IV. 0,2295 Gramm gaben 0,0398 Gramm Platin = 17,34 /,.
V. 0,450 Gramm hinterliessen 0,0774 Gramm Pt =
10208:
VI. 0,2044 Gramm gaben 0,0352 Gramm Pt = 17,22 °,.
Gefunden:
I. II. III. IV. V. AR
C 43,17 43,04 — — — —
H 3,39 3,47 — — — ——
PL — — 17,24 17,34 17.200 1022
Berechnet für:
(Ca Hı, NO, HC, Pt Ü,
C=4318°%,
Hr 7 923%%
Bi 1490 e
Protopin-Geldehlorid
a) aus Chelidonium-Protopin.
Das Protopin- Golddoppelsalz erhielt ich durch Fällen
der salzsauren Lösung der Base mit überschüssiger Gold-
chloridlösung. Es fiel dasselbe als flockiger hellbrauner
Niederschlag aus, der nach dem Absetzenlassen und Ab-
saugen zwischen Filtrirpapier getrocknet wurde. Obwohl
sich eine Lösung des Salzes in Alkohol erzielen liess,
waren jedoch ausgebildete Krystalle nicht aus derselben zu
erhalten.
Ich verwendete desshalb zunächst das lufttrockne, hell-
rothbraune amorphe Salz direkt zur Bestimmung und er-
bielt dabei folgende Daten:
Der Schmelzpunkt des Salzes lag bei 182%. Beim
Trocknen bei 100° verlor das Doppelsalz nur Spuren von
Feuchtigkeit (0,47 bis 0,48 %,).
I. Beim Glühen im Porzellantiegel bis zum constanten
Gewicht hinterliessen 0,1682 Gramm der bei 100°
getrockneten Verbindung 0,0486 Gramm Gold =
28,89 90.
II. 0,244 Gramm lieferten, in derselben Weise behandelt,
0,07 Gramm Gold = 28,68 PJ,.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 417
Gefunden:
1E 11R
Au 28,89 28,68.
Da die gefundenen Werthe gegenüber den Ergebnissen
der Platinbestimmungen zu hoch erschienen, eine Um-
krystallisation aus Alkohol aber nicht zur sicheren Rein-
darstellung zu führen schien, so versuchte ich eine
Reinigung des Salzes auf folgende Weise: Ich löste das
Salz in möglichst wenig Alkohol auf und fällte dasselbe
aus dieser Lösung durch Zusatz von viel Wasser wieder
aus. Hierbei trat jedoch schon nach kurzer Zeit eine
starke Reduction zu metallischem Gold ein. Desshalb ver-
setzte ich das in der Flüssigkeit suspendirte Salz mit
Schwefelwasserstoff, filtrirte vom Schwefelgold ab, verjagte
aus dem Filtrate den überschüssigen Schwefelwasserstoff
durch Erwärmen und fällte aus der abermals filtrirten
Lösung die Base von Neuem mit Goldehloridlösung. Diese
Fällung, welche von etwas dunklerer Farbe war, als die
direkt erhaltene, behandelte ich in der oben angegebenen
Weise.
0,2346 Gramm dieses Salzes gaben, nach dem Trocknen,
bei 100°, im Porzellantiegel bis zum constanten Gewicht
geglüht 0,067 Gramm Gold = 28,55 %.
b) Aus Sanguinaria-Protopin.
Auch aus den bei 202° schmelzenden Warzen stellte
ich in obiger Weise durch Fällung eine geringe Menge
des Golddoppelsalzes dar; dasselbe war von demselben
Aussehen, wie das aus dem Chelidonium-Protopin ge-
wonnene Salz und zeigte auch denselben, bei 182° liegen-
den Schmelzpunkt.
Bei 100 bis 105° verlor das lufttrockne Salz 1,15 %/,,
ein Verlust, der wohl auf anhaftender Feuchtigkeit beruht
haben dürfte.
0,1026 Gramm dieses bei 100° getrockneten Doppel-
salzes hinterliessen beim Glühen im Tiegel bis zum con-
stanten Gewicht 0,0292 Gramm Gold = 23,46°/,.
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1590. 27
418 Georg Koenig:
c) Aus Chelidonium-Protopin dargestelltes
Doppelsalz.
Weitere Bestimmungen hatte ich . Gelegenheit auszu-
führen mit einer kleinen Menge des amorphen Golddoppel-
salzes, welches von Selle aus seinem Alkaloid V (Protopin)
des Chelidonium Majus dargestellt, und mir von demselben
in entgegenkommender Weise überlassen wurde.
Auch dieses Präparat war von rothbrauner Farbe.
Da ein nochmaliger Versuch, die Löslichkeit des Salzes
in Alkohol zur weiteren Reinigung desselben zu benutzen,
besser auszufallen schien, als die früheren mit nur sehr
geringen Mengen des Doppelsalzes ausgeführten, so löste
ich die ganze etwa 0,75 Gramm hetragende Menge dieses
Doppelsalzes in Alkohol und überliess die Lösung nach
Zusatz von etwas Goldchloridlösung und einiger Tropfen
Salzsäure der Ausscheidung.
Dieselbe erfolgte nach längerem Stehenlassen in
kleinen, dunkelbraunen Warzen, welche an den Wandungen
und auf dem Boden des Gefässes festsassen. Der Schmelz-
punkt dieser völlig wasserfreien Krystalle lag bei 193°.
Die Analyse derselben ergab Folgendes:
I. 0,2584 Gramm, mit Bleichromat und vorgelegter
reducirter Kupferspirale verbrannt, gaben an CO;:
0,331 Gramm —= 34,94 °/, €, an H,O: 0,0722 Gramm
— 34100, EL:
Das im Schiffehen zurückgebliebene Gold wog
0,0736 Gramm = 28,48 °/,.
H. 0,1986 Gramm des in gleicher Weise verbrannten
Doppelsalzes gaben 0,2522 Gramm CO, = 34,63 |, C
und 0,0552 Gramm H, 0 =3,09 %/, H.
Tl. 0,1426 Gramm des Salzes wurden im Porzellantiegel
bis zum constanten Gewicht geglüht und hinterliessen
0,0406 Gramm Gold = 28,47 °/,.
Gefunden:
IE u. I.
GC 34,94 34,63 —
HH 310 3,09 —_
Au 23,48 — 28,47.
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete. 419
Berechnet für:
CH Hr, NO,HC!. Aut,
C
ISA
4 0260
Au = 28,42.
Salzsaures Protopin.
Zur Darstellung des salzsauren Protopins löste ich die
zerriebenen Krystalle der freien Base in salzsäurehaltigem
Wasser unter Erwärmen auf. Aus der filtrirten Lösung
schieden sich nach Zusatz von concentrirter Salzsäure
feine, sternförmig gruppirte Nadeln aus, die sich nach
längerer Zeit in rhombo&drische, derbe, den Boden des
Becherglases als Kruste bedeckende Krystalle umsetzten.
Auch Selle beobachtete die Thatsache, dass das salz-
saure Protopin in zwei Formen krystallisirt; er vermutbet
die Bildung eines wasserhaltigen Salzes neben der von ihm
zur Bestimmung verwandten derb krystallinischen wasser-
freien Verbindung. Auch die von mir analysirten, später
aus alkoholischer Lösung erhaltenen, nadeligen Krystalle
erwiesen sich als wasserfrei:
0,3374 Gramm davon verloren, bei 100° bis zum
constanten Gewicht getrocknet, nur 0,0024 Gramm = 0,71 °|,.
Allerdings hatten die anfänglich durchsichtigen
Krystalle schon beim Befreien von anhaftender Feuchtig-
keit ihre Durchsichtigkeit verloren.
Wegen Mangel an Material konnte ich leider nicht zu
sichern, diese Erscheinungen erklärenden Resultaten kommen.
Vielleicht hängt aber der bei der Elementaranalyse zu
hoch gefundene Wasserstoffgehalt damit zusammen.
Da die aus wässriger Lösung des Salzes erhaltene
Krystallisation noch schwach gelb gefärbt war, auch eine
nochmalige Umkrystallisation aus Wasser zu keiner grösseren
Reinheit führte, versuchte ich letztere aus alkoholischer
Lösung zu erreichen.
96 iger Alkohol löste das Salz, wenn auch schwer,
auf; leichter ging die Lösung von Statten, als ich dem
Alkohol etwas Wasser zusetzte. Aus letzterer Lösung
277
420 Geore Koenis:
krystallisirte das Salz in feinen, vollkommen farblosen
Nadeln, die zu lockeren Sternen gruppirt waren.
Ich lasse bier das Ergebniss zweier Verbrennungen
folgen, welche von dem bei 100° bis zum constanten Ge-
wicht getrockneten Salze ausgeführt wurden.
I. 0,1723 Gramm des Salzes gaben, mit Bleichromat
und vorgelegter redueirter Kupferspirale verbrannt,
0,3926 Gramm CO, = 61,96 °|, € und 0,0934 Gramm
15,0 0600%, DH:
I. 0,1620 Gramm gaben unter gleichen Bedingungen
0,3668 Gramm CO, = 61,75), C und 0,0844 Gramm
3,0 = 5,28. H-
Gefunden:
ı% 1I.
C 61,96 61,75
H 6,00 5,78.
Berechnet für:
C9 Hr NO, HCl.
= 61,93 Yh
sin ke
I
>
{ep}
in
2) Aus käuflichem Sanguinarin dargestelltes
Protopin.
Das Vorkommen des Protopins, dieser, wie es scheint,
in den Papaveraceen nicht seltenen, aber stets in sehr ge-
ringer Menge sich findenden Base, ist durch die vor- und
nachstehenden Untersuchungen auch in der Sanguinaria-
wurzel als constatirt zu betrachten.
Sowohl das aus dem käuflichen Sanguinaria-Rohal-
kaloid, als auch das direct von mir aus der Wurzel dar-
gestellte Alkaloid, auf dessen Aehnlichkeit und wahrschein-
liche Identität mit dem Protopin ich im Vorstehenden öfter
hingewiesen habe, stellt sich dieser Base in allen ihren
Eigenschaften völlig zur Seite. Sowohl die Analysen der
freien Base, als die der aus derselben dargestellten Ver-
bindungen stehen mit denen, welche vom Chelidonium-
Protopin und seinen Verbindungen ausgeführt wurden, im
Einklange; ebenso stimmten die Reactionen, welche ich
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 421
nebeneinander mit Protopin beider Provenienz ausführte,
völlig mit einander überein.
Schwefelsäure: Färbt blauviolett, welche Farbe über
rothviolett in schmutzig violett übergeht, dann grün und
schliesslich gelb wird.
‚Salpetersäure: Färbt gelb.
Erdmanns Reagens: Färbt gelb, schön blauviolett,
schmutzig violett, grün, zuletzt gelb; alle Uebergänge
wenig beständig.
Fröhdes Reagens: Sofort prächtig dunkelblauviolett,
vom Rande aus grün, dann gelb.
Vanadinschwefelsäure: Ueber rothviolett in ein ziem-
lich beständiges Azurblau übergehend.
Nachdem ich das aus käuflichkem Sanguinarin ge-
wonnene Protopin durch Ueberführen in das salzsaure
Salz und Umkrystallisiren desselben aus alkoholischer
Lösung genügend gereinigt hatte, löste ich die wieder ab-
geschiedene freie Base in Chloroform. Nach Zusatz von
Alkohol erhielt ich aus dieser Lösung das Alkaloid in den
farblosen, tafelförmigen, für das Protopin charakteristischen
Krystallen, denen nur wenige weisse Warzen beigemengt
waren, die gleich jenen bei 204° schmolzen. Aus Aceton,
worin sich die Base ziemlich schwer löste, schieden sich
ebenfalls, neben wenigen Warzen, sehr gut ausgebildete,
farblose Krystalle aus, die jedoch octaedrische Form hatten,
und deren Schmeizpurkt bei 207° "lag; ebenso hoch
schmolzen nun auch die gleichzeitig erhaltenen Warzen.
Für das reine Alkaloid scheint dieser Schmelzpunkt (207°)
der richtige zu sein, denn auch das, aus der Sanguinaria-
wurzel dargestellte Protopin schmolz nach vielfachem Um-
krystallisiren, aus Aceton und aus Alkohol, ebenfalls bei
2079.
Eine Verbrennung der zerriebenen, aus Aceton er-
haltenen, und ber’ 100° ohne Verlust getrockneten Krystalle
ergab, ausgeführt mit Kupferoxyd und vorgelegter redueirter
Kupferspirale, Folgendes:
0,2096 Gramm lieferten 0,5212 Gramm CO, = 67,819,
und 0,096 Gramm H, 0 = 5,08 9], H.
422 Georg Koenig:
Gefunden:
Een
HR == 5,030R.
3) Protopin, dargestellt aus Radix Sanguinariae
Canadensis,
Das in der von mir verarbeiteten Sanguinariawurzel
enthaltene Protopin fand sich zum Theil in der Rohalkaloid-
fällung, welche durch Ammoniak aus den essigsauren
Auszügen der Wurzel erhalten wurde, zum Theil neben -
dem y Homochelidonin, gelöst in den ammoniakalischen
Filtraten.
Die Art und Weise, wie es mir in beiden Fällen ge-
lang, das Protopin zu isoliren, habe ich bereits in dem
Abschnitt über das Darstellungsverfahren der anderen
Sanguinaria-Alkaloide beschrieben.
Um das Protopin rein zu erhalten, verfährt man am
besten in der Weise, dass man die in das salzsaure, oder
schwefelsaure Salz übergeführte Base zunächst in dieser
Verbindungsform einer wiederholten Umkrystallisation aus
verdünntem Alkohol unterwirft und dann das, aus diesen
Salzlösungen durch Ammoniak wieder gefällte Alkaloid in
die bei 207° schmelzenden Warzen oder Krystalle überzu-
führen versucht.
Zu diesem Zwecke kann man sich eines Gemisches
aus Chloroform und Alkohol, des Alkohols allein, des
Essigäthers, oder auch des Acetons bedienen. In allen
diesen Flüssigkeiten ist das Protopin löslich, die Krystalli-
sationsfähigkeit ist jedoch eine sehr wechselnde, und, wie
es scheint, von Zufälligkeiten abhängige.
So war z. B. das aus der Sanguinariawurzel darge-
. stellte Protopin aus Chloroform mit Alkohol und aus Essig-
äther nur in Warzen, nicht in Krystallen, zu erhalten.
Aus Aceton schieden sich drei kleine Krystalle aus, die
mit den aus Merck’schem Sanguinarin, durch Umkrystalli-
siren aus Aceton gewonnenen Protopinkrystallen im Aus-
sehen völlig übereinstimmten und auch ebenso wie jene
bei 207° schmolzen. Das übrige, warzig ausgeschiedene,
bei 202° schmelzende Alkaloid war, selbst durch mehr-
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 425
faches Wiederauflösen in Aceton, aus diesem Lösungs-
mittel nicht in der gedachten Krystallform zu erhalten.
Schliesslich führte hier die mehrmalige Lösung desselben in
Alkohol zum gewünschten Ziele; aus letzterem erhielt ich
eine grössere Anzahl gut ausgebildeter, rhombo&edrischer,
bei 207° schmelzender Krystalle, neben Warzen von
demselben Schmelzpunkt. Analysirt habe ich von dem,
aus der Sanguinariawurzel gewonnenen Protopin die aus
Essigäther erhaltenen, völlig weissen, bei 202° schmelzen-
den Warzen; hierbei erhielt ich folgende Daten:
I. 0,2150 Gramm der bei 100° ohne Verlust getrockneten
Base gaben bei der Verbrennung mit Kupferoxyd und
vorgelegter reducirter Kupferspirale 0,5541 Gramm
CO, = 67,75 °/, C und 0,100 Gramm H, OÖ = 5,16 °/, H.
II. Eine von 0,2802 Gramm in derselben Weise ausge-
führte Elementaranalyse gab 0,6978 Gramm (CO, —
67,920), C und 0,1320 Gramm H,O =5,23°[, H.
Gefunden:
I. II. Ill. (aus Sang. Merck)
C 67,75 dar oe
ERS 5,28 5,08.
Berechnet für:
Ca, Hır NO,
C = 68,37 97,
H nn 4.84 Yıas
Herr Professor Dr. Hans Meyer hatte die Liebens-
würdigkeit, das von mir aus der Sanguinariawurzel isolirte
Protopin neben solchem anderen Herkommens auf seine
physiologischen Wirkungen zu prüfen, und theilt darüber
Folgendes mit:
Das Protopin unterscheidet sich in seiner physiologischen
Wirkung von den übrigen im Chelidonium vorkommenden
Alkaloiden sehr wesentlich: Frösche werden durch 5 bis
6 Milligramm Protopin vollkommen zgelähmt, wobei jedoch
die Centren willkürlicher Bewegungen und der Empfind-
ungen und Reflexe erst in letzter Instanz in Betracht
kommen, vielmehr ist es einerseits das Rückenmark,
andrerseits die motorischen Nervenendigungen und auch
424 Georg Koenig:
die Muskelsubstanz selbst, welche von der Paralyse be-
troffen werden.
Ein mit Protopin vergifteter Froschmuskel antwortet auf
Reizung mit dem indueirten Strom nicht, wie normal, mit
Tetarus, sondern mit klonischen, zum Theil fibrillären
Zuckungen.
Auf Säugethiere gleicht die Protopinwirkung nahezu
vollständig der des Camphers, nur ist dieselbe sehr viel
stärker: schon 2 bis 4 Centigramm rufen an Katzen und
Kaninchen ausserordentlich heftige, oft stundenlang sich
periodisch wiederholende, epileptische Krämpfe hervor,
nach deren Aufbören die Thiere sich vollkommen erholen
können. Auch die Veränderungen der Athmung und des
Kreislaufs sind dieselben, wie bei der Camphervergiftung.
An Fröschen ruft bekanntlich Campher, sowie das
Protopin ebenfalls, nur Lähmung des Rückenmarks und der
motorischen Nervenendigungen hervor, sodass die pharma-
kologische Aehnlichkeit beider Gifte eine sehr auffallende
ist; nur die direet muskellähmende Wirkung des Protopins
bildet ein unterscheidendes Merkmal.
4) Von E. Merck, Darmstadt, bezogenes, aus Opium
gsewonnenes Protopin.
Dieses, ein krystallinisches, weisses Pulver darstellende
Präparat, das bei 198° zu einem braunen Liquidum zu-
sammenschmolz, löste ich, behufs Reingewinnung der Base,
in Aceton. Dabei blieb ein geringer weisser, ebenfalls
krystallinischer Rückstand. Aus der Lösung schied sich
das Alkaloid in weissen, bei 202° schmelzenden Warzen
aus, die sich gegen allgemeine Alkaloidreagentien in der
unter „Sanguinaria-Protopin“ angegebenen Weise verhielten.
Aus der von den Warzen abgeflossenen Mutterlauge
schieden sich feine, seidenglänzende, bei 156° schmelzende,
vermuthlich aus Homochelidonin bestehende Nadeln aus,
deren jedoch so wenige waren, dass ihre Menge zu einer
näheren Charakterisirung nicht ausreichte. Eine Um-
krystallisation des aus Aceton ausgeschiedenen Alkaloids
aus Alkohol führte zu Warzen, welche bei 205° schmolzen.
Leider gelang es mir nicht, den höheren Schmelzpunkt
Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide etc. 425
(207°) zu erreichen, da die mir zur Verfügung stehende
Menge der Base zu weiteren Reinigungsversuchen eine zu
geringe war. Es ist jedoch anzunehmen, dass durch ge-
nügende Reinigung auch das aus dem Opium gewonnene
Protopin in ein, dem der Sanguinariawurzel, sowie dem
Chelidonium entstammenden, gleiches Produkt überführt
werden kann. Ebenso kann es nach dem Gesammtver-
halten der Protopine verschiedenen Ursprungs nicht zweifel-
haft sein, dass die aus Chelidonium Majus, Sanguinaria
Canadensis und aus Opium isolirten Protopine identisch
sind.
Eine Zusammenfassung der hauptsächlichsten Resultate
dieser Arbeit möge den Schluss derselben bilden:
Die medieinische Anwendung der Sanguinariawurzel,
sowie ihre Wirkung auf den Organismus beruht nicht, wie
man bisher annahm, auf dem Vorhandensein nur eines
Alkaloides; es kommt darin vielmehr eine grössere Anzahl
verschiedener Alkaloide vor, von denen einige mit den
aus der Chelidoniumwurzel isolirten identisch sind.
In verhältnissmässig grosser Menge enthält die
Sanguinariawurzel das mit Säuern eitronengelbe Salze
gebende Chelerythrin; in etwas geringerer Menge das mit
Säuern rothgefärbte Salze liefernde Sanguinarin, zwei zwar
verschiedene Basen, die jedoch in ihrem Gesammtverhalten
gewisser Analogien nicht entbehren. Diese, wie die Eigen-
schaft, mit Säure gefärbte Salze zu geben, und die Eigen-
thümlichkeit beider Basen, im freien Zustande mit einem
Gehalt an Alkohol zu krystallisiren, sind darauf zurück zu
führen, dass das Chelerythrin (C5s, H,; NO,) und das
Sanguinarin (Cs, H,,; NO,) als Glieder einer homologen
Reihe aufzufassen sind.
Das Sanguinarin des Handels ist ein, Verunreinigungen
enthaltendes, Gemenge sämmtlicher Sanguinaria - Alkaloide.
Das Chelerythrin der Sanguinariawurzel ist identisch
mit dem Chelerythrin des Chelidonium Majus; anderseits
scheint auch in dem Saite dieser Pflanze Sanguinarin in
geringer Menge enthalten zu sein.
426 Georg Koenig: Beiträge zur Kenntniss der Alkaloide ete.
Ausser den genannten Alkaloiden enthält die San-
guinariawurzel y-Homochelidonin, eine Base, welche dem
im Chelidonium vorkommenden $-Homochelidonin sehr nahe
steht, sowie endlich Protopin. Dieser Base scheint, nach
den diesbezüglichen Untersuchungen, nunmehr die Formel
C;, Hır NO, zuzukommen; und zwar sowohl dieser in der
Sanguinariawurzel vorkommenden Base, als dem aus dem
Sehöllkraut und dem Opium isolirten Protopin.
Es gelang mir, die Identität dieser Protopine ver-
schiedener Provenienz nachzuweisen. Um über die in der
Sanguinariawurzel gefundenen Alkaloide nach den für die-
selben gefundenen Formeln einen Ueberblick zu gewähren
und gleichzeitig ihre Vergleichung mit der Zusammen-
setzung der von Selle untersuchten Chelidoniumbasen zu
erleichtern, sowie, um den Zusammenhang zwischen den
Formeln der Sanguinariaalkaloide mit denen der Cheli-
doniumbasen zur Anschauung zu bringen, lasse ich nach-
stehend eine Zusammenstellung dieser Formeln folgen:
Chelidonin Co Hıs NO;
&-Homochelidonn Cs, Hs, NO, } Selle
6- n Ca H;, no, |
U n Ca, H;, NO,
Chelerythrin EC, HT-NO, ;
Sanguinarin DO HENO, en
Protopin ey Ei NO;
I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
Mäügge und Müller, Ein neuer Orthoklaszwilling aus dem
Fichtelgebirge. Zeitschrift für Krystallographie 17. $. #55
bis 486 und Neues Jahrbuch für Mineralogie. Bd. I.
$. 85. 1890. |
Müller beschrieb in der Zeitschrift für Krystallographie
einen Orthoklaszwilling, bei welchem die Basis O0l bei-
den Individuen gemeinsam ist, während am ersten die
gleichnamigen Enden der Klinoaxen unter 127°49‘ zu ein-
ander geneigt sind, sind es am zweiten die ungleichnamigen;
sie sind bei Vorwalten von 001 nach der Klinoaxe gestreckt.
Aus diesen Verhältnissen folgt nach Müller als Zwillings-
fläche 863 für den ersten Fall. Mügge deutet diesen Zwil-
ling dagegen als: Zwilling nach der Zwillingsaxe 430 : 001;
er ist nach der Halbirungsebene des stumpfen Winkels der
Klinopinakoide symmetrisch. Die Kante 430:001 ist nach
der Rechnung zu der Klinodiagonale unter 63° 51,5‘ ge-
neigt; die Messung ergab 63° 54,5‘. Bei der zweiten Ver-
wachsung wird die Zwillingsaxe die Kante 130 : 001; die
Neigung dieser Kante zu der Klinodiagonale berechnet sich
zu 26° 59,5‘; die Messung ergab 26°%5,5‘. Beide Zwillings-
axen bilden mit einander einen Winkel von 90° 59,8%.
Halle a. S. Luedecke.
A. Sauer und N. V. Ussing, Ueber einfachen Mikroklin
aus dem Pegmatit von Gasern unterhalb Meissen, Zeitschrift
für .Krystallographie. Bd. 18. $. (192—208).
In der Nähe von Meissen wird das grosse Lausitzer
Granitterritorium durch die Thäler der Elbe, Triebisch
428 I. Sächsisch- Thüringische Literatur.
u. a. so erschlossen, dass man die Gesteine sehr genau
studiren kann. A. Sauer verdankt man eine sehr genaue
Beschreibung dieser Gegend und eine von der geologischen
Landes - Anstalt in Sachsen herausgegebene wundervolle
Karte (vergl. nächstes Heft).
Im Syenitgranit des Gasernthales bei Meissen bei den
sogenannten Klosterhäusern finden sich typische Mikro-
klinperthite als pegmatitische Hohlraumausfüllungen. Auf
001 beobachtet man schon mit blossem Auge Albitschnüre,
in Schliffen auf 001 zeigt er sich aber vollkommen frei
von Gitterstructur und ist stets — von Albitschnüren ab-
gesehen — vollkommen homogen. Das Maximum der
Auslöschung auf O0L ist zur Trace von 010 15—16° und
auf 010 zur Trace von 001 5°; also vollkommen dem ent-
sprechend, was man vom Mikroklin angiebt.
Die Analyse ergab Kieselsäure 65,33, Thonerde 19,09,
Kali 13,50 und Natron 2,42, Kalk Spur. Mit Hülfe von
Methylenjodid wurden wenigstens die gröberen Albit-
partikeln entfernt; dennoch sind, wie die Analyse zeigt,
noch 21°, Albit beigemengt.
Neben grossen einfachen Krystallen zeigt er auch
Bavenöer-Zwillinge.
Ussing stellt fest, dass Des Cloizeaux
001 : 010 —= 89° 18°’—89° 46° 890 44°
110,001 167.092; 630 22°
14102010. 261.0, 087 1t. 60) 58°
Aus den Angaben Des Cloizeaux’s berechnete der
Autor sodann die Neigung der Ebenen der Rlastieitätsaxen
zu den geometrischen Hauptschnitten unter der Annahme
von 001 :010 = 90°, welche die Werthe unter I ergaben;
die Lage der Ebenen der Elastieitätsaxen für Natriumlicht
stellte Ussing sodann durch Versuche und Rechnungen fest,
vergl. unter 1.
IL; tl.
(DEOERODN 540 8305
2010, 106.822 210610, 01%
(a2 = 102 al
A007 - 7.900 309, 0 92
I
I. Sächsisch- Thüringische Literatur. 429
(ab) 2001 =], 0 799 48°
: 010 zu 170 48
001 : (01 IHR
Mit Hülfe von Platten senkrecht zur Mittellinie und
parallel den optischen Hauptschnitten (b c), (a 6) und
parallel der optischen Axenebene fand er mit dem Axen-
winkelapparate und dem Babinet’schen Compensator die
Breehungsexponenten für Natriumlicht
“« —= 1,5224
I
|
und den Axenwinkel
Halle a. S. Luedecke.
Liebetrau, E., in Gotha, Beiträge zur Kenntniss des unteren
Muschelkalk:s bei Jena. Zeitschrift d. deutsch. geolog. Ge-
sellschaft. 8. 717. 1889.
Die Kalksteine des unteren Muschelkalks bestehen aus
Caleit, Cölestin, Eisenkies, Thon, Quarz und Glimmer,
seltenere accessorische Mineralien sind Zirkon, Rutil, Brookit
und Turmalin. Was die Bezeichnung der Structur angeht,
so folgt er darin Lang und nennt anisomer solche massige
Kalksteine, in welchen die Caleitindividuen zweierlei Korn-
grössen besitzen; unter diesen unterscheidet er wieder drei
Abtheilungen: wenn makromere und mikromere Caleitindi-
viduen im Gleichgewicht ausgebildet sind, so hat man
anisomere Structur im vollen Sinne des Worts; wiegen
mikromere Caleite vor, so hat man porphyrische Structur,
überwiegen dagegen makromere, so nähern sich diese
Kalksteine schon den isomeren Kalken, bei welchen eine
gleiche Korngrösse der Kalkspathindividuen beobachtet
wird; ebenso stellt sich isomere Structur ein, wenn sie nur
aus mikromeren Caleitindividuen aufgebaut sind. Die
mikromeren Körner sollen 0,01 mm Durchmesser, dagegen
die makromeren 0,04 mm haben. Die porphyrische Varie-
tät der anisomeren Structurvarietät verdankt gewöhnlich
secundären Einwirkungen ihre Entstehung.
430 I. Sächsisch - Thüringische Literatur.
Der massigen Structur steht die Parallel-Structur
gegenüber, welche aber niemals das zeigt, was Pfaff
früher abgebildet hat, nämlich, dass die Kalkspathkörner ihrer
grössten Ausdehnung nach sich parallel an einander lagern.
Nur eine lagenweise Verschiedenheit der Körner lässt sich
erkennen; auch Petrefacteneinlagerungen und local zonen-
artig angehäufte Uebergemengtheile (Glimmer) rufen die
Parallelstructur hervor. Die letztere geht besonders in
den „untersten ebenen Kalkschiefern“ dadurch, dass grosse
Kalkspäthe von Glimmerhüllen eingehüllt werden, in
Flaser- oder Augenstruetur über.
Lagenweise Structer wird besonders den obersten
Lagen der unteren ebenen Kalkschiefer E. Schmids durch
Einlagerung von Eisenverbindungen (Ferrit und Eisen-
Carbonat), welche auch Foraminiferen einschliessen, ertheilt;
diese Kalksteine haben hier auch meistens typische Oolith-
struetur. Nodosaria und Cornuspira bilden neben Kalk-
spathkörnern und anderen organischen Bruchstücken den
Mittelpunkt der Oolithkörner. Daneben finden sich Kalk-
spathaggregate, umschlossen von einer Hülle feinkörnigen
Caleits und Pseudooolithe (Bornemann).
Die Gesteine des unteren Wellenkalks, die Wellen-
kalke, zeigen richtungslose isomere Structur, welche nicht
primär ist, nur die festeren zeigen anisomere Struetur,
welehe mit Foraminiferenführung verbunden ist.
Schmitzenartig eingelagerte Thonmasse macht sie flasrig,
manche sind eisenkiesreich ; Zirkon findet sich mehr in den
unteren Schichten, als in den oberen.
Lumachelle bestehen aus einer Grundmasse und den
in dieser angehäuften organischen Resten; die Grundmasse
ist bald isomer, bald anisomer. Brachiopoden-, Lamelli-
brauchiaten-, Gasteropoden-, Crinoiden- und Foraminiferen-
reste wurden sehr häufig constatirt; besonders merkwürdig
ist in diesen Schichten der grosse Reichthum an Cölestin
und die geringe Verbreitung verschleppter Mineralien.
Die genaue Untersuchung der Gerölle in den conglome-
ratischen Kalksteinen ergab, dass wirklich typische Ge-
rölle vorlagen; die Abstammung derselben ist zweifelhaft;
die hauptsächliehsten Conglomeratbildungen finden sich
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 431
zwischen der oberen und unteren Terebratelbank. Von
organischen Resten fanden sich Encriniten und Foramini-
feren.
Der Hauptantheil dieser Schichten kommt klastischen
Elementen zu, denen die Gerölle und wahrscheinlich der
kleinkörnige Kalkspath angehören; ihm schliessen sich die
organischen Reste als zweiter Bestandtheil an, während
Inerustationskränze und die Gerölle einen primären
chemischen Absatz repräsentirten, dem ein Theil des
krystallinen Cäments noch beizufügen ist, obgleich die
Hauptmasse desselben aus einer secundären Zersetzung
resultirt.
Was die ausführlichen mikroskopischen Details und die
Tabelle anbetrifft, muss auf das Original verwiesen werden.
Halle a. S. Luedecke.
Schillbach, Hans, aus Jena, Mikroskopische Untersuchung
des Wellenkalks bei Jena, Inauguraldissertation. Jena 1890.
Eine geschichtliche Einleitung bildet den Eingang der
Arbeit; hier werden die Ansichten Quenstedts, v. Strom-
becks, Ecks, Knops, Bornemanns und Franzens
über die Bildung der Hohlräume des Schaumkalks mitge-
theilt; dann folgt die makroskopische Beschreibung des
Materials vom Schneckenberge. Im Schwabhäuser Grund
wird der Schaumkalk überlagert von dünnschichtigem
Wellenkalk; die oberste Lage des ersteren ist 30 cm
mächtig, in welcher man 5 Lagen übereinander unter-
scheiden kann; die unterste und stärkste zeichnet sich
durch ihren Reichthum an Crinoiden Stielgliedern und
Bruchstücken von Lamellibranchiaten aus; diese Schicht
keilt sich aber bald aus. Unter derselben beginnt die
Hauptmasse des Schaumkalks 2,5 m mächtig. Sie zeigt
bis zur Mitte reichende, von oben nach unten an Deutlich-
keit zunehmende discordante Parallelstruetur. Der
untere Theil wird von massigem fossilarmen Kalke ge-
bildet. Auf der andern Seite des Schneckenbergs wird der
Schaumkalk von kleinen Verwerfungen durchsetzt. Er be-
432 I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
ginnt mit einer 12 em mächtigen Schicht reinen Schaum-
kalks, welche sich mitten im Bruche auskeilt. Darunter
folgt eine Stylolithenschicht von !/;—3 cm, die mit dem
sich auskeilenden Schaumkalk ebenfalls verschwindet;
darunter folgt die Hauptmasse desselben 1,23 m mit deut-
licher discordanter Parallelstructur.
In der untersten 40 em mächtigen Bank finden sich
neben dem Schaumkalk noch Einlagerungen, welche den-
selben in drei Theile zerlegen. Zu oberst findet sich
10 em mächtig reiner Kalkspath mit Muschelbruchstücken
und Conglomeraten, welche einem mergeligen, schiefrigen
Gestein von dunkelblaugrauer Farbe angehören; dieselben
sind an ihrer Oberfläche gekritzt. Die mittlere und untere
Partie führen Muscheln. Die Präparate wurden durch
Kochen in Canadabalsam in der bekannten Weise her-
gestellt.
Die dichte Wellenkalkmasse des Hangenden vom
Schaumkalk im Schwabhäuser Grund zeigt deutlich in
feinkörnig krystallinischer Grundmasse von Kalkspath viele
mikroskopisch kleine Gerölle von eckiger, z. Th. langge-
streekter ellipsoidischer Form; daneben treten grössere
Kalkspathkörner mit Zwillingslamellen, welche von opaken
Rändern umgeben sind, auf; ob sie Rollkörner oder Aus-
füllung von Hohlräumen sind, bleibt ungewiss.
Die Schliffe des Schaumkalks zeigen ebenfalls eine
feinkörnig krystallinische Grundmasse, in welcher fast nur
echte oolithische Gebilde und Hohlräume sich befinden.
Die Kerne der concentrisch strabligen Oolithe werden z. Th.
von Foraminiferen, z. Th. von Kalkspathkörnern gebildet.
Helle und dunkle Zonen umschliessen die Kerne in mannig-
facher Anzahl und mehr oder weniger trübem Aussehen;
eine dunkle Zone schliesst stets das Oolithkorn gegen die
Grundmasse ab.
Vielfach ist der Inhalt des Oolithkorns durch hellere
seeundäre Kalkmasse ersetzt. In den hohlen ausge-
laugten Oolithen sitzen auf dem Rande der Höblung Kalk-
spathkrystalle, deren Form z. Th. 3R ist. Neben den
eigentlichen Oolithen finden sich Kalkspath - Aggregate,
welche sich im Gegensatz zu diesen von der Grundmasse
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 433
nur wenig abheben. Vielfach finden sich in den Oolithen
Eisenoxydverbindnngen abgelagert. Alle Oolithe, Caleit-
aggregate etc. liegen regellos nebeneinander. Der
mieroscopische Charakter der darunterfolgenden Schaum-
kalkschicht mit discordanter Parallelstruetur ist ganz
anders: die oolithischen Gebilde verschwinden voll-
kommen. Rundliche Calcitaggregate, z. Th. von einer
trüben dünnen Hülle umgeben, und kleine kugelige Gerölle
treten auf in heller Grundmasse. Beide Formen bilden mit
thonigen Flocken dunkler gefärbter Grundmasse dunkle
Streifen; die helleren Partieen bestehen aus reiner Caleit-
grundmasse und hohlen Caleitkränzen mit zarter dunkler
Hülle. Die unterste Schaumkalkschicht besteht aus fein-
körniger Caleitgrundmasse. Ueberall umschliesst die
Schaumkalkgrundmasse Eisenglanz und gelb und braun
durehscheinende Klümpchen und Blättchen von Bitumen,
wie schon Bornemann zeigte; auch S. hat dieses durch
Analyse nachgewiesen. (Dieselbe zeigte auch, dass der
Schaumkalk nur 2°, Magnesia enthielt.) Daneben finden
sich Thon und Quarzkrystalle; letztere waren abgerollt
und zeigten Flüssigkeitseinschlüsse und Glaukonit; daneben
birgt die Grundmasse auch Glimmer; Zirkon, Rutil, Anatas
und Turmalin, wie sie die Wellenkalke von Jena nach
Liebetrau führen, wurden vollständig vermisst. Dagegen
fand sich auch hier Cölestin.
Die Präparate von der ONOÖ-Seite des Schneckenbergs
sind selbst da, wo sie von den dunklen Streifen durch-
schnitten werden, viel klarer, als die vorigen. Die Poren
erscheinen als kugelige oder langgestreckte Hohlräume,
welche durch einen dunklen Rand gegen die Calcitgrund-
masse abgegrenzt sind; z. Th. sind sie von einem Kranze
farbloser oder gelbgefärbter Caleitindividuen umgeben.
Vereinzelt neben den Hol:lräumen treten auch rundliche,
trübe Aggregate von Kalkspathkryställchen auf, welche da,
wo der Uebergang in die dunkle Zone erfolgt, an Zahl zu-
nehmen, um in der Mitte derselben das Maximum zu er-
reichen. Wodurch eigentlich die Trübung und dunkle
Farbe hervorgebracht wird, hat der Autor nieht ausfindig
semacht; er schreibt sie feinst vertheilten Thonpartikelchen
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 28
434 I. Sächsiseh-Thüringische Literatur.
zu. Alle Präparate der 1,25 m mächtigen Bank zeigten
dasselbe.
Mit der untersten 40 em mächtigen Schicht ändert
sich der Habitus vollständig. Die Conglomerate werden
hier vollständig umschlossen von dichtgedrängt stehenden
Kalkspathkrystallen, welche in einer Grundmasse von
grossen Kalkspathen liegen der Art, dass die Gerölle sich
leicht von der Grundmasse trennen lassen.
Die Conglomerate sind sehr feinkörnig aus kleinsten
Kalkspathen aufgebaut und zeigen am Rande vielfach
Rillen, welche vom Transport herrühren; andere sind durch
den Transport vollkommen zerquetscht.
In den beiden unteren Theilen gewinnt der Schaum-
kalk wieder die Oberhand; bis auf die Conglomeratführung
ist die Grundmasse auch hier überall dieselbe gleichmässig
feinkörnige mit den gleichen stets wiederkehrenden Ein-
schlüssen von gelb und braun durchscheinenden Blättehen
und Klümpehen, kleinen Quarzkörnchen, Glimmerblättchen,
Foraminiferen und anderen accessorischen Mineralien.
Der Unterschied der beiden Schaumkalke liegt in dem
Führen der echten Oolithe im einen und deren Fehlen im
andern Falle.
Die petrographische Beschaffenheit, die Aggregatbe-
schaffenheit des einen und die gleichartige Beschaffenheit
des andern fordern eine verschiedene Bildungsweise; be-
rücksichtigt man, dass Conglomeratbildung in der Höhe der
Wirkung der Wellen eintritt, und gleichmässige Bildung
nur in der Tiefe stattfindet, so muss das eine Gestein in
der Tiefe, das andere in einer geringeren Tiefe bis 100 m
unter Mitwirkung der brandenden Welle gebildet sein. Die
Conglomerate wurden durch einen Erguss in das Meer ge-
bracht und in der Nähe der Küste wieder abgesetzt. Die
discordante Parallelstructur weist auf Strandbildung, die
Streifen der Caleitmasse, welche abwechselnd volle
Aggregate und Hohlräume umschliesst, auf intermittirende
Bildung: Ebbe und Fluth.
Verfasser schildert nun die Bildung der Kalkspath-
aggregate, der Oolithe ete., sowie die Wiederauflösung der
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 435
Aggregate, wodurch die Hohlräume des Schaumkalks ent-
standen, während die Thonumbüllung der Oolithe die Auf-
lösung derselben verhinderte. Die Lösung muss noch im
Meere geschehen sein und während der Ablagerung noch
angedauert haben.
Die aus dem Innern der Caleitaggregate entnommene
Kalkspathlösung wurde z. Th. als Füllsel-, als Grundmasse
wieder abgesetzt, was den festen Zusammenhang der
Oolithe mit der Grundmasse erklärt.
Halle a. S. Luedecke.
Dames, W., Cervus euryceros von Rixdorf bei Berlin,
Zeitschrift der deutsch. geolog. Gesellschaft. S. 171. 1890.
In dem Intergiacialsande unmittelbar über dem
unteren Geschiebemergel von Rixdorf bei Berlin hat der
Kiesgrubenbesitzer Körner einen Schädel von Cervus
euryceros (Megaceros hibernieus Owen) aufgefunden und
dem naturhistorischen Museum in Berlin vermacht. Das
Objekt ist recht gut erhalten:
Oceipital-, Parietal- und Frontalregion ist vorhanden,
Nasalia und Maxillae fehlen. Rosenstöcke und Geweihreste
sind bis auf 400 mm erhalten. Neben diesem Stücke be-
sitzt das Museum für Naturkunde noch mehrere andere
bereits früher von W. Dames erwähnte Bruchstücke.
Halle a. S. Luedecke.
Loretz, H.. Dr., in Berlin, Der Zechstein in der Gegend
von Blankenburg und Königsee am T’hüringerwalde. Jahr-
buch der kgl. preuss. geologischen Landes- Anstalt. 8. 221
bis 245. 1889.
Vorliegende Schilderung schliesst sich westlich eng an
die von den Camsdorfer Erzlagerstätten (dieser Band S. 62)
an; östlich findet er eine Fortsetzung in dem Zechsteine
von Ilmenau.
285
436 I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
Auf den Schichtköpfen des Cambriums lagert er dis-
cordant auf und wird concordant vom Buntsandstein über-
lagert.
Im unteren Zechstein finden wir hier zu unterst
das Zechstein-Conglomerat (Weissliegendes), welches
aus mehr oder weniger abgerundeten oder scharfkantigen
Bruchstücken von phyllitischen Schiefern, Qnarzit, Quarz
und (seltener) graphitoidischem Quarzit besteht, und welche
durch ein dolomitisch kalkiges Bindemittel verkittet wer-
den; wo letzteres fehlt, stellt sich die Schicht als ein loses.
Blockhaufwerk dar. Einsprenglinge von Malachit, Kupfer-
lasur und Schwerspathadern finden sich auch hier wie sonst
überall; dieselben setzen auch noch in das Grundgebirge
fort; die Mächtigkeit des Conglomerats beträgt einige Meter.
Hauptfundstellen auf Blatt Schwarzburg sind: Weg von
Watzdorf nach Böhlscheiben (1100‘), Cordobang, Schwarz-
burger Fasarerie, Bechstädt; weiter verbreitet ist es auf
Blatt Königsee, wo es meist als ein dolomitisch kalkiger
Sandstein, der Schieferbruchstücke einschliesst, erscheint:
beim Dorfe Aschau, am Querlingsberg und bei Garsitz, am
langen Berge bei Pennewitz; an letzterem Orte wurde auch
eine Verkieselung des Conglomerates beobachtet.
Ueber dieser Schicht folgt sodann der Kupfer-
schiefer, eine Ueberlagerung, welche besonders schön am
Fahrweg von Lichte nach Unterschöblingen bei Königsee
zu sehen war.
Lingula Credneri Gein., Pygopterus Humboldti Ag.,
Ullmannia Bronni Goepp., kleine Fischreste und Kupfererz.
fanden sich hier im Kupferschiefer. Zwischen letzterem und
dem Z.-Conglomerat findet sich hier ebenso wie in einem
Hohlweg S. O. v. Lichte und bei Garsitz eine Kalkbank,
welche ihrer Lage nach dem „Muttertlötz“ von Cams-
dorf entspricht; S.-O. v. Lichte führt dasselbe Bleiglanz.
Auch bei Allendorf, Aschau, Unterschöblingen und Penne-
witz haben alte Bergbauversuche das Kupferschieferflötz.
nachgewiesen.
Auf Blatt Schwarzburg war es weniger weit verbreitet:
so S. und S.-O. von Beulwitz, bei Watzdorf im Rinnthal,
wo Kupferkies, Fahlerz, Kupferlasur, Kupfergrün, Speiss-
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 437
kobalt, Kalkspath, Schwerspath und Eisenspath auf
Rücken verkamen. Alle diese Vorkommen haben sich
als unabbauwürdig erwiesen.
Nunfolgtder eigentliche Zechstein,ein dichter, oben
plattiger, durch Zerfall diekerer Lagen meist dünnplattiger
Kalkstein, welche z. Th. durch mergelige Lagen von erdi-
gem Bruch mit Glimmerblättchen verbunden sind. Bei
Watzdorf und Böhlscheiben fanden sich darin Foraminiferen
und Bracliopoden (Camarophoria, Strophalosia) und Bryozoen
(Acanthocladia). S.-O. von der Henkertskuppe haben solche
Schichten eine Mächtigkeit von 6—10O m und gehen bald in
Rauhwacke über. Auch am Eierberg bei Garsitz, bei Penne-
witz und zwischen Königsee und dem Spitzberg s. von
Königsee und zwischen Lichte und Aschau finden sich
diese Zechsteinschichten.
Etwas anders ist diese Schicht am steilen Rande
des Rinnthals bei der Kirche von Königsee entwickelt. Un-
mittelbar auf dem cambrischen Schiefer liegt eine klotzige,
grosslöchrige Kalkmasse mit Productus horridus, Orthis,
Strophalosia, Spirifer, Stenopora uud Acanthocladia; er
entspricht im östlichen Thüringen den auf Culmklippen
aufgesetzten Brachiopodenkalken des unteren Zechsteins
von Liebe.
An vielen Stellen zeigt sich der Zechstein sehr reducirt, so
am Wege von Allendorf nach der Schwarzburger Fasanerie.
In der Gegend von Watzdorf, Leutnitz, Cordobang, Böhl-
scheiben und Bechstädt findet man stellenweise den mittleren
Zechstein direkt auf den cambrischen Schiefern liegend,
so dass also der untere Zechstein nicht zur Entwickelung
gelangt ist; daneben finden sich dann wieder Punkte, wo
er vollständig normal auftritt. Wahrscheinlich haben einzelne
Klippen des Grundgebirgs bei der Bildung des unteren
Zechsteins das Meer des letzteren überragt und sind so von
Absätzen derselben verschont geblieben, während erst das
Meer des mittleren Zechsteins die Klippen überdeckte und
auf ihnen Absätze niederschlug.
Nach oben hin zur Rauhwacke ist an vielen Stellen
die Grenze schwer zu ziehen, so z. B. vom Ostrande des
438 I. Sächsisch-Thüringische Literatur.
Blattes Schwarzburg nach Beulwitz hin. N.-W. von Böhl-
scheiben in der Richtung nach der Henkertskuppe findet
sich im unteren Zechstein fein- bis grobkörniges eisen-
reiches Carbonat in Schaalen und derben Massen mit
Braureisen, welche Massen früher abgebaut worden sind.
Der mittlere Zechstein, Rauhwacke und Haupt-
dolomit, zeigt eine gewisse Veränderlichkeit; in seiner
Hauptmasse ist er Rauhwacke, die aus einem krystallinischen
mitunter grobkörnigen, dabei porösen und löcherigen Kalk-
stein bezw. Dolomit besteht: orographisch zeichnet er sich
durch die Steilheit seiner Formen aus; so tritt er zwischen
Watzdorf, Böhlscheiben, Cordobang, Leutnitz, im Rinnthal,
bei Allendorf, am Spitzberg, Querlingberg, Eierberg und
Garsitz bei Königsee auf. Am Eierberg, Querlingberg und
Spitzberg beginnt der mittlere Zechstein mit einem weissen
dichten, feinkrystallischen, in dieke Bänke geschichteten
Kalkstein, auf welchen ohne Grenze die eigentliche Rauh-
wacke folgt. Von Königsee bis Aschau schrumpft der
mittlere Zechstein zu einer dünnen Bank Rauhwacke, welche
an manchen Stellen an Schaumkalk erinnert, zusammen.
Bei Watzdorf schliesst er Schieferbruchstücke ein. An-
näherung an die Riffgesteine findet nur in schwachem
Maasse statt; insbesondere liegen die Fenestellen nicht wie
im echten Riffgestein nach einer Richtung, sondern in be-
liebiger Richtung.
Die Mächtigkeit steigt bis 60 m. An Versteinerungen
erwähnte Geinitz: Turbo helicinus Schloth. spec. vom
Öttenbiel, Fröbitz und Watzdorf; Pleurophorus costatut
Brown. spec. von Fröbitz; Avicula speluncaria Schloth.
vom Ottenbiel; Gervilla ceratophaga Schloth. sp. von eben-
da; Gervilla antiqua Mün. von Leutnitz und Fröbitz; Tere-
bratula elongata Schloth. vom Ottenbiel; Spirifer eristatus
Schloth. von ebenda; Stropholosia excavata Gein. vom Otten-
biel und Watzdorf; Fenestella retiformis Schloth. spec.
vom Öttenbiel; Acanthocladia anceps Schloth. spec. von
ebenda; Loretz fand Camaraphoria Schlotheimi vom Eich-
berg und Acanthocladia dubia von Watzdorf.
Auch Gesteine, welche den von Zimmermann auf dem
Blatte Crawinkel (vergl. diese Zeitschr. S. 324) beschriebenen
I. Sächsisch-Thüringische Literatur. 439
Quarziten sehr ähnlich sehen, hat der Autor am Rabenhügel
bei Allendorf, nach Schwarzburg zu, aufgefunden. Eine
starke Verkieselung von anstehendem weissen Zechstein-
kalk unweit jener Stelle, wo die Blöcke sich finden, wiess
der Verfasser durch mikroskopische Untersuchung nach.
Es folgen nun im oberen Zechstein die bunten
Letten, welche 12.m mächtige Gypsmassen führen, bei
Dörnfeld und Königsee. Auch dolomitische Knollen finden
sich hie und da eingelagert. Bei Bechstädt und ö. von
Tripstein findet eine direkte Auflagerung des unteren
Lettens auf dem Schiefer statt.
Der obere Zechstein-Kalk und -Dolomit ist typisch
ausgebildet; er ist dicht, spröde, kaum porös, dunkel, auch
grau im frischen, gelblich im verwitterten Zustande. Bei
Fröbitz, Quittelsdorf und Watzdorf kommt der Platten-
dolomit als Zellenkalk und Dolomit ausgebildet vor. Auch
hier sind an manchen Stellen die Dolomite vollkommen
verkieselt. Die Stufe der oberen Zechsteinletten ist
wenig mächtig entwickelt.
Bei Bechstädt, Köditz, Horba finden sich mehrere
Spalten in NO. SW. Richtung; andere bei Allendorf, gegen
Quittelsdorf hin, ziehen quer dagegen; die grosse Flexur
im N. des Thüringer Waldes zerschlägt sich hier in eine
Reihe kleiner Spalten, Spältchen und Verbiegungen;
während mit der grossen Flexur dort ein Steilabfall des
Gebirgs in Beziehung steht, findet hier ein allmähliges
Aufsteigen des Gebirgs statt. Im Allgemeinen scheint sich
auch hier die Schwerspathführung auf die NO./SW. gehen-
den Spalten zu beschränken.
Halle a. S. Luedecke.
II. Allgemeine Literatur.
Wildermann, M., Dr, Jahrbuch der Naturwissenschaften
1859/90 mit 37 in den Text gedruckten Holzschnitten.
Herdersche Buchhandlung. Freiburg i. Br.
Auch in diesem Jahre ist das von uns in seinen
früheren Bänden besprochene Jahrbuch wieder erschienen.
Auf dem Gebiete der Physik und des Handels und Ver-
kehrs berichtet der Herausgeber selbst über die neu er-
schienenen Erfahrungen und Entdeckungen, über das Ge-
biet der Chemie referirt Herr Dr. Klingemann, über die
angewandte Mechanik Herr Dr. G. van Muyden, über die
Astronomie Herr Dr. J. Franz, über die Meteorologie die
Herreu Dr. Pernter und Dr. Trabert, über die Botanik
Herr Dr. ©. E. R. Zimmermann, über Forst- und Land-
wirthschaft Herr F. Schuster, über die Zoologie und
Mineralogie Herr Dr. F. Westhoff, über die Gesundheits-
pflege Herr Dr. Schmitz, über Anthropologie und Urge-
schichte Herr Dr. Jac. Scheuffgen und über Länder- und
Völkerkunde Herr Professor Behr. In allen Gebieten ist
mit vielem Geschick das Hauptsächlichste und Interessan-
teste herausgegriffen. Die Abbildungen sind vollkommen
zweckentsprechend und gut ausgeführt.
Halle a. S. Luedecke.
Plüss, B., Dr., Leitfaden der Naturgeschichte; V. ver-
besserte Auflage mit vielen Abbildungen. Herdersche Buch-
handlung. Freiburg i. Br.
lI. Allgemeine Literatur. 441
Seit 1879 hat das vorliegende Werk 5 Auflagen er-
lebt, erfreut sich also in den betreffenden Kreisen einer
immer mehr zunehmenden Anerkennung. Verfasser giebt
genaue Beschreibung von charakteristischen Thieren
und Pflanzen, an die er dann ähnliche anschliesst.
Von einer weiter gehenden Systematik ist Abstand ge-
nommen. Die Abbildungen entsprechen vollkommen dem
Zwecke des Buches. Wenn wir einen Wunsch äussern
dürften, so ist es der, dass bei den Erklärungen der
Krystallformen der an den Flächen angeschriebene Buch-
stabe bei den Flächennamen wiederholt werden möchte,
wodurch die Brauchbarkeit jedenfalls erhöht würde.
Halle a. S. Luedecke.
Levy, 8., Dr., Anleitung zur Darstellung organischer
Präparate. 2. Auflage. VII. und 170 Seiten. Ferd.
Enke, Stuttgart.
Wenn das Gebiet der organischen Chemie bereits so-
weit durchgearbeitet wäre, dass wir allgemein giltige, ge-
naue Methoden für die qualitative und quantitative Analyse
der Kohlenstoffverbindungen besässen, so läge es überaus
nahe, diese Methoden zu einem analytischen Gange zu-
sammenzufassen. In kürzester Zeit würden dann im Buch-
handel ungefähr ebensoviele einander überaus ähnliche
Tabellen für organische Analyse erscheinen, als es Unter-
richtslaboratorien im deutschen Reiche giebt, und in jedem
dieser Laboratorien begännen dann die Praktikanten auch
im „organischen Saal‘ ihre Studien damit, sich an der
Hand einer solchen Tabelle mit mehr oder weniger Glück
durch ein halbes Hundert qualitativer Analysen durchzu-
arbeiten, deren letzte ein mit geradezu diabolischem Scharf-
sinn zusammengestelltes Gemisch von primären, secundären
und tertiären, isomeren, polymeren und homologen, ge-
sättigten und ungesättigten, fetten und aromatischen Alko-
holen, Säuren, Aldebyden, Ketonen, Phenolen, Aethern und
Estern sein müsste.
442 1I. Allgemeine Literatur.
Einstweilen befindet sich aber auch in dieser Beziehung,
um mich der Worte eines bekannten Forschers zu be-
dienen, die Chemie, wenigstens diejenige der Kohlenstoff-
verbindungen, noch ‚im Zustande der Kindheit“, was für
den werdenden Organiker den Vortheil hat, dass er ohne
viel graue Theorie und öden Schematismus gleich an den
weitverzweigten Baum, aus dem das organische Leben
spriesst, herangeführt wird, um sich ein paar Dutzend
seiner schönen, in Form und Farbe mannigfaltigen Früchte
eigenhändig herabzuholen. Wie er das nun am besten an-
fängt, so dass weder er selbst noch die Früchte seiner
Arbeit dabei zu Schaden kommen, lehrt ihn Dr. S. Levy
in seiner vor 3!/, Jabren erschienenen „Anleitung“, welche
nunmehr in zweiter Auflage vorliegt.
Die erste Auflage von Levy’s „Anleitung zur Dar-
stellung organischer Präparate“ ist, trotzdem ihr ein gleich-
zeitig erschienenes, noch kürzer gehaltenes Werkchen des-
selben Titels aus der Feder eines sehr berühmten Chemikers
Coneurrenz machte, mit grossem Beifall in den Labora-
torien aufgenommen worden, sodass ein erneutes Lob an
dieser Stelle überflüssig erscheint. Es wird also genügen,
hier zu bemerken, dass die soeben erschienene zweite Auf-
lage an vielen Stellen die feilende Hand des Autors zeigt.
Auch sind eine Anzahl interessanter Präparate neu hinzu-
gefügt, einige weniger belehrende dafür gestrichen.
An den Methoden bleibt allerdings noch mancherlei
zu bessern. Wer z. B. jemals Bromäthyl aus Bromkalium
oder Bromnatrium mit wasserhaltiger Aethylschwefelsäure
dargestellt hat, kehrt nie mehr zu der unbequemen Phos-
phormethode (S. 1) zurück, die ein arsenhaltiges, für medi-
einische Zwecke ganz unbrauchbares Produkt liefert. —
Bei der Darstellung von Lävulinsäure (S. 61) lässt sich
das sehr lästige Ausschütteln mit Aether vermeiden, indem
man die Lävulinsäurelösung eindampft und direkt im
Vakuum destillirt. — Auch die für Valerolakton (S. 64)
gegebene Vorschrift ist nicht zweckmässig, Nimmt man
nur den fünfzigsten Theil der von Levy vorgeschriebenen
Wassermenge, verwendet ein 10-procentiges Natrium-
amalgam und fügt von Zeit zu Zeit, wenn die Einwirkung
BE ind.
ll. Allgemeine Literatur. 443
des Amalgams aufhört, der concentrirten Lauge etwas ver-
dünnte Schwefelsäure zu, so gelangt man weit bequemer
zum Ziel, verbraucht viel weniger Natrium und kann die
Methode ohne weiteres auch in grösserem Massstabe aus-
führen. — Die Umsetzung des Benzylchlorids mit Kupfer-
nitrat (S. 115) verläuft so wenig glatt, dass sie sich nicht
als Uebungsbeispiel eignet. — Die Seite 140 neu aufge-
nommene Gattermann’sche Kupferpulvermethode ist — ganz
abgesehen von dem damit verbundenen kolossalen Salz-
säureaufwand — nur eine Verschlechterung des vorzüg-
lichen Verfahrens von Sandmeyer, welches durchschnittlich
Ausbeuten von 90 %/, liefert.
Halle a. S. Dr. H. Erdmann.
Vogel, H. W., Prof. Dr., Handbuch der Photographie.
I. Theil Photochemie und Beschreibung der photo-
graphischen Chemikalien; vierte gänzlich umgearbeitete
und vermehrte Auflage. Rob. Oppenheim. Berlin.
Der ungeheure Fortschritt, welcher auf dem Gebiete
der Photograpbie in den letzten 12 Jahren gemacht ist,
rechtfertigt es, wenn aus der Feder des um die Photo-
graphie hochverdienten Vorstehers des photochemischen
Laboratoriums der königlich technischen Hochschule in
Berlin eine neue (4.) Auflage seines Handbuchs der Photo-
graphie unternommen wird.
Ein viertel Jahrhundert hat der Collodiumprocess fast
allein in dieser Wissenschaft geherrscht; gegenwärtig ist
derselbe wohl an die Seite gedrängt durch das ihn an
Empfindlichkeit, Bequemlichkeit und Haltbarkeit weit über-
bietende Gelatineverfahren. Die erleichterte Ausübung des
Verfahrens hat demselben in allen Kreisen Liebhaber zuge-
führt; allen Zweigen der Naturwissenschaft, der Kunst ete. ist
diese Art der Aufnahme unentbehrlich geworden. Aber nicht
nur in alle diese Kreise ist diese Kunst nach und nach einge-
drungen, sondern das Wesen derselben hat sich auch bedeutend
444 II. Allgemeine Literatur.
vertieft, indem durch die Physiker und Chemiker das Studium
dieser Wissenschaft mächtig gefördert wurde.
Um diesen vermehrten Stoff aufzunehmen, hat der
Verfasser das Werk stark erweitert; dasselbe wird in
seiner 4. Auflage in 4 Theilen erscheinen, von welchen
der erste, „Die photographische Chemie“, vor uns liegt; die
andern werden den Umfang von 22 Bogen, mit 2 Helio-
graphien, 2 Photogravuren, 2 Eisenbildern, 2 Autotypieen,
1 Glasdruck, 1 Farbentafel mit Copie auf farbenempfind-
licher und gewöhnlicher Platte, 2 Landschaftsbildern einer
Spectraltafel im Lichtdruck, 1 Farbendruck, 9 Lichthoch-
drucken und 22 Holzschnitten im Text nicht erreichen.
Der 2. wird die Optik, der 3. die Praxis und der 4. die
Aesthetik der Photographie bringen.
Der vorliegende Band ist in 3 Capitel eingetheilt,
von welchen das erste die physikalische Wirkung, das
zweite die chemische Wirkung des Lichts und das dritte
die Beschreibung der photograpbischen Chemikalien be-
handelt.
In welcher Weise diese Wissenschaft an Umfang ge-
wonnen hat, zeigt so recht die Zunahme des Umfangs
dieses Theils des Werks: er ist von 8!/, auf 22 Bogen an-
gewachsen. Was die Art der Ausführung anlangt, so braucht
an dieser Stelle darüber kaum ein Wort verloren zu werden;
der Name des Autors, welcher so Bedeutendes auf diesem
Gebiete geleistet hat, genügt, um zu wissen, dass er nur
das Beste von dem ausgewählt hat, was seine Wissenschaft
in dem letzten Decenniunn Grosses hervorgebracht hat.
Die Ausstattung ist wundervoll.
Halle a. S. Luedecke.
Marktanner-Turneretscher,@., Die Mikrophotographie
als Hilfsmittel naturwissenschaftlicher Forschung mit 195
Abbildungen im Text und 2 Tafeln. W. Knapp. Halle a. S.
Bereits zu Anfang dieses Jahrhunderts machten Davy
und Reede Versuche, Bilder des Mikroskops mit Hülfe der
Sonnenstrahlen zu fixiren, doch erst Donne gelang dies,
II. Allgemeine Literatur. 445
nachdem Daguerre sein Verfahren veröffentlicht hatte
Im Vereine mit Foucault gab 1845 derselbe einen Atlas
du cours de microscopie, execute d’apres nature au
microscope daguerrotype heraus.
Nachdem das Verfahren D.’s durch das Collodiumver-
fahren verdrängt war, beschäftigten sich Nachet, Bertsch,
Moitessier, Mayer, Rood von Troy, Gerlach, Hodyson,
Shadbolt und Wenham mit unserem Gegenstande. Eine
Zusammenfassung des Bekannten brachte 1883 B. Bennecke’s
Buch „Die Photographie als Hilfsmittel mikroskopischer
Forschung“.
Seitdem das bequeme Gelatine - Verfahren bekannt
wurde, hat sich die Mikrophotographie einen ungleich
weiteren Kreis von Forschern zu erwerben gewusst.
Das vorliegende Werk hat nun den Zweck, den Ge-
lehrten in mögliehst wenig Zeit in die Mikrophotographie
einzuführen; die Mikroskope und sonstige Nebenapparate
sind als bekannt vorausgesetzt, und sind diese Apparate
nur dann näher beschrieben, wenn das mikrophotographische
Verfahren eine etwas modifieirtte Art der Anwendung
nöthig machte. Besonders hat es der Verfasser denjenigen
Forschern, welche ungern von ein Mal gewohnten und gut
befundenen Methoden abgehen, bequem gemacht, indem er
diejenigen Verfahren, durch welche in solchen Fällen mög-
lichst gute Bilder erzielt werden, angegeben hat.
Auch ein Capitel über die Herstellung der Brom-
silbergelatineplatten hat der Autor für nöthig gefunden auf-
zunehmen, weil bei grossen Serien die Selbstherstellung
billiger ist. Bei Herstellung der für die Ausführung und
Entwicklung nothwendigen Lösungen hat der Verfasser ge-
naue Recepte angegeben, da hierfür gewöhnlich bedeutend
kleinere Mengen als für gewöhnliche Photographieen ge-
nügen. In allen sonstigen Beziehungen beruft er sich auf
das Handbuch der Photographie von Eder.
Nach einer Einleitung über Anwendung und Vortheile
der Mikrophotograpbie theilt er den Stoff in folgende Ab-
schnitte ein: 1) der mikrophotographische Apparat und seine
Anwendung, 2) die pliotographische Praxis und 3) Ver-
446 II. Allgemeine Literatur.
zeichniss der in der photographischen Praxis häufiger vor-
kommenden Fehler und deren Abhilfe.
Das Buch ist klar geschrieben, die Abbildungen klar
ausgeführt und dürfte vollkommen seinem Zweck als Hilfs-
buch des Naturwissenschaftlers entsprechen.
Halle a. S. Luedecke.
Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insekten. Ferd.
Dümmler, Berlin.
Von diesem früher besprochenen Buche liegt die vierte
Lieferung vor. Sie behandelt die Fühler, ihre Stellung,
ihre Theile, Ringelung, Form, Gliederzahl, die geschlecht-
lieben Unterschiede, Schwankungen in der Gliederzahl,
Bekleidung, Haltung in der Ruhe, Larvenfühler, das After-
glied bei Käferlarven, und die Mundtheile, bypognathe
und prognathe Insekten, die einzelnen Theile bis zur Be-
deutung der Taster und den Saugorgan der Wanzen. Die
Holzschnitte sind so zahlreich als gut. Ueberhaupt scheint
das Werk beim Fortschritte in die Einzelheiten stetig zu
gewinnen, ein grosser Vorzug.
Gohlis. Simroth.
Meyer, A. B., Der Knochenentfettungsapparat des könig-
lichen zoologischen Museums zu Dresden. Stengel und
Markert. Dresden 1890.
An dem Apparat, wie er weiter an dem genannten
Museum im Gebrauch war, sind vom Verfasser inzwischen
Verbesserungen angebracht worden. Mit diesen wird er
an der Hand einer ausführlichen Tafel geschildert. Er ist
jetzt auch für ganz grosse Knochen eingerichtet. Institute,
die ihn nötbig haben, erhalten ihn für 600 Mark bei Aug.
Kühnseher und Söhne in Dresden.
Gohlis. Sımroth.
Marktanner - Turneretscher, G., Die Hydroiden des
k. k. naturhistorischen Hofmuseums. Mit 5 lithographirten
II. Allgemeine Literatur. 447
Tafeln. Aus den Annalen des k. k. naturhistorischen Hof-
museums. Bd. V. 91 S. Alfred Hölder. Wien 1890.
Die Schätze dieses Museums sind so reich, als die Be-
arbeitung und Ausnutzung anerkannt trefflich. Die vor-
liegende Abhandlung ist eine rein systematische. Sie hat
keinen allgemeinen Theil, aber sie enthält ein ausführliches
Literaturverzeichnis von 109 Arbeiten aus den Jahren 1766
bis 1888, und zeichnet sich durch grosse Gründlichkeit in der
Beschreibung der Gattungen, Arten und Varietäten, Angabe
der Fundorte, Schlüssel zum Bestimmen der Genera inner-
halb der Sektionen aus, kurz durch jene mühsame Solidi-
tät, die dem Systematiker von höchstem Nutzen ist. Die
bekanntesten Species sind kurz angeführt, alles Abweichende
ist mit ausführlicher Sorgfalt behandelt. Eine Anzahl
Gattungen, noch mehr Arten und Varietäten sind neu. Die
Unterordnung der Hydrocorallien ist noch weggelassen, da
sie einer späteren Bearbeitung aufgespart bleiben soll.
Hoffentlich wird sie dem Systematiker gleich gute Dienste
leisten, wie die vorliegende. Ueber das Detail müssen die
Speecialisten entscheiden.
Gohlis. Simroth.
Hantschel, F.. Dr., Botanischer Wegweiser im Gebiete des
nordböhmischen Excursionsclubs. Künstner. Leipa.
Die Grundlage der vorliegenden Arbeit bilden: Der
zwischen 1867 und 1881 erschienene mustergiltige
„Prodromus der Flora von Böhmen“ von dem Prager Uni-
versitätsprofessor Dr. Lud. Celakovsky und die seitdem
alljährlich von demselben ausgezeichneten Verfasser ver-
öffentlichten neuen „Resultate der botanischen Durch-
forschung Böhmens“. Nur in wenigen Fällen wurde von
der hierin angewandten systematischen Nomenclatur abge-
wichen.
Als Beihilfe dienten, ausser eigenen Beobachtungen
und Mittheilungen von befreundeter Seite, eine Reihe von
Druckschriften, wie: Prof. Willkomm’s ‚„Schulflora‘‘, Prof.
Lorinser’s „Botanisches Exceursionsbuch“, Prof. Wurm’s Auf-
448 II. Allgemeine Literatur.
satz im Leipaer-Oberrealschul Programm vom Jahre 1889,
desselben Verfassers ‚„Kummergebirge“, Dir. Watzel’s
Programm- Aufsätze aus den Jahren 1874 und 1877, die
„Mittheilungen des Nordböhmischen Exeursions-Clubs“, unter-
‚ schiedliche Orts- und Bezirkskunden u. a. m. Das Gebiet,
welches die vorliegende Arbeit behandelt, umfasst das nörd-
liche Böhmen zwischen dem Elbestrom im Westen, dem
Jeschkengebirge im Osten, der Landesgrenze im Norden
und der Sprachgrenze im Süden mit einem Flächenraume
von 265483 Quadratkilometern (oder 46 Quadratmeilen).
Darüber hinaus wurden nur solche unmittelbar anstossende
Oertlichkeiten mit einbezogen, die sich nicht mathematisch
genau abgrenzen lassen; wie es insbesondere im Elbthale
und längs der Sprachgrenze mit den Umgebungen von
Tetschen-Bodenbach, Aussig, Lobositz-Theresienstadt, Weg-
städtel, Widim, Weisswasser und B. Aicha der Fall ist.
Dieses Gebiet gehört — nach Prof. Celakovsky —
zu den in botanischer Beziehung am besten untersuchten
in Böhmen. Die Mannigfaltigkeit der hier vorkommenden
Bodenarten, ihre physikalische und chemische Verschieden-
artigkeit, besonders der Sandboden zeigt in der Vegetation
manches Eigenthümliche, die ungleiche hypsometrische
Ausbildung des Terrains, die verschiedene Vertheilung der
Regenmengen und der Bodenwässer (bier dürften wohl die
schönsten, natürlichsten Wiesen in Böhmen gefunden
werden) führen eine ebenso grosse Mannigfaltigkeit und
Reichhaltigkeit der Vegetation mit sich, so dass sich da-
selbst — abgesehen natürlich von den Allerweltspflanzen,
die in jedem Klima gedeihen — die Form der wärme-
liebenden Pflanzen, die der Landschaft einen südlichen
Charakter geben, eben so schön und reichlich entwickelt
findet, im Elbthale besonders von Libach bis Aussig, wie
Jene Pflanzenform, deren Verbreitung durch einen geringeren
Grad von Wärme und durch grössere Feuchtigkeit ge-
regelt wird, die der Teiche und Moorgründe vor Allem
(so gehören beispielsweise die Hirschberger Sümpfe nach
Mächtigkeit und Pflanzenreichthum zu den ausgezeichnetsten
im inneren Böhmen), wie endlich die eigentliche Gebirgs-
formation auf dem Urgebirge des Jeschkenrückens und auf
Il. Allgemeine Literatur, 449
den über das ganze Gebiet verstreuten hohen und feuchten
basaltischen und phonolithischen Bergkuppen.
Als Resultat der Arbeit ergeben sich derzeit für das
bezeichnete Gebiet 44 verborgen blühende (Kryptogamen)
und 1599 offenblühende (Phanerogamen), also im Ganzen
1645 Stengelpflanzen, wobei die Varietäten nicht in
Rechnung gebracht sind.
Es ist dies eine verhältnissmässig sehr hohe Zahl, wenn
man bedenkt, dass für das gesammte, 51 950,73 Quadrat-
kilometer (oder 943 !/;, Quadratmeilen) messende Kron-
!and Böhmen bis nun beiläufig 1900 Pflanzenformen sicher-
gestellt sind. Der Leser wird unter den aufgezählten
Pflanzen auf gar manche Seltenheit stossen, insbesondere
auf Pflanzen, die im übrigen Böhmen entweder gar nicht
mehr (12) oder nur äusserst selten (52) vorkommen, ja
sogar auf solche (2), die sowohl dem übrigen Böhmen, wie
auch allen Nachbarländern fehlen. Ich habe diese be-
sonderen Seltenheiten in einem Anhange zusammengestellt.
Weiters habe ich in einem eigenen Abschnitte die
mir bekannten selteneren Gewächse einer Anzahl (45)
touristisch bemerkenswerther Oertlichkeiten zusammenge-
stellt; ich biete damit den von Jahr zu Jahr sich mehren-
den Besuchern unseres nordböhmischen Berglandes Gelegen-
heit, einen Hauptreiz desselben kennen zu lernen und die
Schönheiten der sie umgebenden Natur in vervielfachtem
Maasse zu geniessen. Im Texte habe ich bei jeder Pflanze
nicht nur die Blüthezeit angegeben, sondern auch ersicht-
lich gemacht, ob sie zu den Cultur-, Arznei- oder Gift-
pflanzen gehört. Eine Zählung ergiebt, dass wir 222, und
zwar lauter offenblübende Culturpflanzen, 59 ebenfalls
lauter offenblühende Giftpflanzen und 328 Arzneipflanzen be-
sitzen, von welch letzteren 5 verborgen und 320 offen blühen.
Von den Giftpflanzen gehören 10 zu den cultivirten,
49 zu den wildwachsenden; von den Arzneipflanzen, d. i.
von solchen Pflanzen, die heutigen Tages in irgend einer
Weise in den Apotheken zu Heilzwecken in Verwendung
stehen, also mit Ausschluss ganz veralteter Volksmittel,
sind 33 eultivirt, sämmtlich offenblühend und 245 wild-
wachsend.
Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. LXIII. 1890. 29
450 ll. Allvemeine Literatur.
Wie man sieht, ist das Buch für einen möglichst
grossen Leserkreis und auch für den Gebrauch in Schulen
berechnet. Möchte es nur auch allerseits die gehoffte
wohlwollende Aufnahme finden und weder dem vielver-
dienten Nordböhmischen Excursions- Club, unter dessen
Flagge es in die Oeffentlichkeit hinaussegelt, noch dem
Verleger, welcher sich eine gediegene Ausstattung ange-
legen sein liess, noch endlich dem Verfasser, welcher sein
möglichstes Können daran gesetzt hat, Unehre eintragen!
Dr. Hantschel.
Neu erschienene Werke.
una
Allgemeines.
Mathematik, Physik, Astronomie ete.
Baule, Ant. Lehrbuch der Vermessungskunde. 8°. X, 404 pp.
Mit 244 Fig. Teubner. Leipzig 189%.
Czermak, P. Ein Beitrag zur Construction der Niveaulinien. (Aus:
„Sitzungsberichte der königl. Academie der Wissenschaften.*) 80
10 pp. Mit 1 Taf. und 3 Fig. Tempsky. Wien 1890.
Dufailly, J. Problemes de physique 3%. 79 pp. Avec figures.
Paris 1890. i
Elster, J., und H. Geitel. Beobachtungen, betr. die elektrische
Natur der atmosphärischen Niederschläge. (Aus: „Sitzungsberichte
der königl. Akademie der Wissenschaften.*) 8%. 30 pp. Mit 3 Tat.
Tempsky. Wien 1890.
Forsyth, A. R. Theory of differential Equations. 8%. 340 pp. Part
1. Cambridge 13%.
Fortin, A. Le Magnetisme atmospherigue ou prevision du temps
ecinque ou six jours & Tavance par les agitations de l’aiguille du
magnetometre. 18. XXXV, 300 pp. Paris 13%.
Hayward, R.B. The Elements of solid Geometry. 8%. 142 pp.
London 189%.
Januschke, Hs. Die Gesetze des Oberflächendruckes und der Ober-
flächenspannung in elementarer Darstellung. 8%. 52 pp. Buchholz
& Diebel. Troppau 18%.
Irueste, J. A. Lecciones de matematicas. 4%. 317 pp. Tomo I
Granada 1890.
Kaiser, H., und C. Runge. Ueber die Spectren der Elemente, 3.
Abschn. (Aus: „Abhandlungen der königl. preussischen Akademie
der Wissenschaften.*) 4%. 66pp. Mit 1 Taf. G. Reimer. Berlin 13%.
Krug, Ant. Theorie der Derivationen. (Aus: „Denkschriften der
königl. Akademie der Wissenschaften.) 4%. 30 pp. Tempsky.
Wien 1890.
Lecher, E. Eine Studie über elektrische Resonanzerscheinungen.
(Aus: „Sitzungsberichte der königl. Akademie der Wissenschatfen.‘“)
8, 22 pp. Mit 3 Textfig. Tempsky. Wien 189.
29*
452 Neu erschienene Werke,
Lietke, Arth. Ueber die Flächen, für welche eine Krümmungscen-
tralfläche ein Kegel zweiten Grades ist. 8%. 36 pp. Mit 1 Tafel.
Koch. Königsberg i/Pr. 1890.
Mathieu, E. Theorie de l’elastieit& des corps solides. 4%. VIH,
219. pp. 1lre partie. Paris 1890.
Neuhauss, Rech. Lehrbuch der Mikrophotographie. 8%. XI, 272pp.
Mit 61 Abbildgn. in Holzschn., 4 Autotyp., 2 Taf. in Lichtdr. und
1 Photograv. H. Bruhn, Braunschweig 1890.
Poincare, H. Electrieite et optique. 1. Les tlı&ories de Maxwell
et la theorie electromngnetique de la iumiere. 80%. XIX, 314 pp.
Paris 1390.
Puiseux, P. Lecons de einematique. Mecanismes, Hydrostatique,
Hydrodynamique. 5%. VII, 339 pp. Paris 1890.
Ris, F. Zur Geschichte des internationalen Maass- und Gewichts-
bureaus und der neuen Prototype des Meters und des Kilogramm».
(Aus: „Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern.“)
80, 46 pp. Wyss. Bern 1890.
Schmitz-Dumont. Lichtäther und elektrische Welle. Eine Weiter-
führung der Maxwell’schen Mediumtheorie. 8°. 23 pp. Mit 2 Fig.-
Taf. Höckner, Sep.-Cto. Dresden 139.
Schotten, H. Inhalö und Methode des p!animetrischen Unterrichts.
Eine vergleichende Planimetrie. 3%. IV, 370pp. Teubner. Leip-
zig 185%.
Towne, G. Traite d’astronomie pratique pour tous. 16%. VI, 450
pp. Avec 30 figures dans le texte et une carte celeste. Paris
189.
Wanklyn, J. A., and W. J. Cooper. Air Analysis. 8%. 90 pp.
London 13%.
Chemie.
Boye, H. Ueber die Bildung von Farbstoffen aus Tetrahydrochino-
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Elbs, K. Die synthetischen Darstellungsmethoden der Kohlenstoffi-
Verbindungen. II. Bd. 8%. 1. Abthlg. 178 pp. Barth. Leipzig
1890,
Fremy. Encyclopedie chimique. X.: Applications de chimie orga-
nique. Gelatines et colles par P. Charpentier. 50%. 141 pp. Avec
figures. Paris 1890. R
Jago, W. Inorgavic Chemistry, theoretical and practical. 5°. 464
pp. London 139).
Kobbe, K. Ueber das Atomgewicht des Rhodiums. 8%. 35 pp. Fues.
Tübingen 1390.
Mai, Jul. Vademecum der Chemie. Repetitorium der anorganischen,
organischen und analytischen Chemie. Bearbeitet für Studierende,
denen die Chemie als Hülfswissenschaft dient, speciell für Medi-
Neu erschienene Werke. 453
einer, Thierärzte und Schüler höherer Lehranstalten. 8%. VI, 127
pp. Bensheimer’s Verl. Mannheim 1890.
Meyer, L. Theoretische Chemie, VIII.
Paal, ©. Furfuran-, Thiophen- und Pyrol-Synthesen aus Diketonen
und y-Ketonsäuren. 8%. VI, 179 pp. (Leipzig, Fock.) Würzburg
1890.
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monostachia. Karow 8% 59 pp. Dorpat 18%.
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10 lam., fototipogr. y numeros grabados, Barcelona 1890.
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schaften.“) 40%. 36 pp. in Naturselbstdr. und 1 Textfig. Tempsky.
Wien 1890.
Gagel, Ct. Die Brachiopoden der cambrischen und silurischen Ge-
schiebe im Diluvium der Provinz Ost- und Westpreussen. 40. 7I pp.
W. Koch. Königsberg i/Pr. 1890.
Liebisch, Th. Physikalische Krystallographie. Velt & Co. Leipzig
VII. 1890.
Panpecki, J. F. Die Trilobiten-Fauna der ost- und westpreussi-
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'Toula, Fr. Geologische Untersuchungen im centralen Balkan. III.
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Wien 189.
'Tschermak, G. Die Chloritgruppe. I. Thl. (Aus: „Sitzungsberichte
der königl. Akademie der Wissenschaften.) 8% 94pp. Mit 5 Taf.
und 22 Textfig. Tempsky. Wien 1890.
454 Neu erschienene Werke.
Zoologie,
Bertkau, Ph. Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen im Ge-
biete der Entomologie während des Jahres 1889 8%. 318 pp. Nico-
lai’s Verl. Berlin 1890.
Blanford, T. Fauna of British India, including Ceylon and Burma,
Reptilia and Batrachia. 8%. London 1890.
Carus, Jul. Vct. Prodromus faunae mediterraneae, sive descriptio
animalium maris mediterranei incolarum, quam comparata silya re-
rum quatenus innotuit, adiectis loeis et nominibus vulgaribus eorum-
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Schweizerbart. Stuttgart 1890.
Foveau de Courmelles. Les Facultes mentales des animaux. 180,
VII, 352 pp. Aveec 31 figures. Paris 1890,
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— — Die Bezeichnungen für die höheren systematischen Katego-
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schaftlichen Anstalten.“) 8% 1O0pp. Graefe. Hamburg 1890.
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Rawitz, Bh. Der Mantelrand der Acephalen. Il. Thl. Aracea.
Mytilacea. Unionacea. (Aus: „Jenaer Zeitschrift für Naturwissen-
schaft.“) 8%. 83pp. Mit 4 Taf u. 3 Abbildgn. im Text. Fischer.
Jena 1890.
Sars, G. 0. An Aceout of the Constacea of Norway, with short
Descriptions and Figures of all the Species. Vol I. Part 1 and 2.
8%. p. 1—44, plates 1—16. Christiania 189.
Taschenberg, 0. Bibliotheca zoologiea II. Verzeichniss der Schriften
über Zoologie, welche in den periodischen Werken enthalten und
Neu erschienene Werke. 455
vom Jahre 1861 bis 1880 selbständig erschienen sind, 8. Lfg. 80,
1lI. Bd. p. 2291—2610, Engelmann. Leipzig 1890.
Thonson, C. G. Opuscula entomologica. Fasc. XIV. 8%. p. 1441
bis 1534. Möller. Lund 1890.
Batemann, G.C. Fresh Water Aquaria, their Construction, Arran-
gement and Management. 8%. 316pp. London 1890.
Botanik.
Bellair, @. A. Les Arbres fritiers. 18°. XVI, 318 pp. Avec 132
figures. Paris 1890.
Boerlage, J. G. Handleiding tot de kennis der flora van Neder-
landsch Indie. Deel I. 2. stuk. Fasc. XLIIL—XLVI 8. 4, p.
45—52, 313—703. Leiden 1890.
Coues, E. Handbook of Field and General Ornithology. 8. 330 pp-
London 1890.
Fischer, Hg. Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Pollen-
körner. 8%. 72pp. Mit 3 Taf. Kern’s Verl. Breslau 1890,
Fischer, Ed. Untersuchungen zur vergleichenden Entwicklungs-
geschichte und Systematik der Phalloiden. (Aus: „Denkschriften
der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft.“) 4°. III, 105 pp.
Mit 6 Taf. u. mehreren Holzschn. Georg. Basel 1890.
Frank, B. Ueber die Pilzsymbiose der Leguminosen. (Aus: „Land-
wirthschaftliche Jahrbücher‘) 8%. 118 pp. Mit 12 Taf, Parey.
Berlin 1839.
Hesse, Rdf. Die Hypogaeen Deutschlands. Natur- und Entwicke--
lungsgeschichte, sowie Anatomie und Morphologie der in Deutsch-
land vorkommenden Trüffeln und der diesen verwandten Organis-
men, nebst praktischen Anleitungen bezüglich deren Gewinnung
und Verwendung. 1. Lfg. 4%. p. 1—16. Mit 1 Tab. u. 2 farb.
Taf. Hofstetter. Halle a/S. 1890.
Soll in ca. 7 Lieferungen erscheinen.
Kug, L. Botanische Wandtafeln. In Farbendruck auf Carton 69,35
em hoch. Paul Parey. Berlin 1890.
Migula, W. Wandtafeln für Bakterienkunde. 10 Tafeln 69/85 cm.
Paul Parey. Berlin 1890.
Luerssen, Chr. und F. H. Haenlein. Bibliotheca botanica. Ab-
handlungen aus dem @Gesammtgebiete der Botanik. 19. Heft.
2. Hälfte. 20. Heft. 4°. Fischer. Cassel, 1890.
Inhalt: 19. 2. Monographie der Gattung Orobranche von G.
Beck v. Mannagetta. VII. u. p. 161—275. Mit 4 farb. Taf. u. 3
farb. Karten. — 20. Die Entwickelung der Blüthe und des Blüthen-
standes bei einigen Arten der Gruppe Ambrosieae und Stellung
der letzteren im System. Von S. Rostowzew. III, 23 pp. Mit
are
Pfeffer, W. Ueber Aufnahme und Ausgabe ungelöster Körper. II.
Zur Kenntniss der Plasmahaut und der Vacuolen, nebst Bemerk-
456 Neu erschienene Werke.
ungen über den Aggregatzustand des Protoplasmas und über osmo-
tische Vorgänge. (Aus: „Abhandlungen der königl. sächsischen
Gesellschaft der Wissenschaften.*) 8. 198 pp. Mit 2 Taf. und 1
Holzschn. Hirzel. Leipzig 1890.
Rostowzew, S. Die Entwickeiung der Blüthe und des Blüthen-
standes bei einigen Arten der Gruppe Ambrosieae und Stellung der
letzteren im System, (Aus: „Bibliotheca botanica.“) 80. 23 pp.
Mit 7 Taf. Fischer. Cassel 189.
Studer, jun., B. Beiträge zur Kenntniss der schweizerischen Pilze.
a) Wallis. Mit einem Nachtrag von Ed. Fischer. (Aus: „Mittheil-
ungen der naturforschenden Gesellschaft zu Bern.*) 8%. 13pp. Mit
2 Taf. Wyss. Bern 1890.
Westermaier, M. M. A. N. Zur Embryologie der Phanerogamen,
insbesondere über die sogenannten Antipoden. (Aus: Noya Acta
der kaiserl. Leopold.-Carolinisch deutschen Akademie der Natur-
forscher.“) 4%. 39 pp. Mit 3 Taf. (Leipzig, Engelmann.) Halle
1890.
Sachregister
zu Band 63.
A. — Aufsatz; B. — Bericht; R. = Referat; E. = Erwähnung.
A.
Abschmelzzone A. T.
Albit R. 321.
Alkaloide von Sanguinaria cana-
densis und Chelidonium
majus A. 369.
Amalgam im Silberbach b. Wieda
R. 67.
Ameisenpflanzen R. 31.
Ammonites Dux R. 325.
Anarosaurus pumilio R. 327.
Andalusit B. 319.
Andreasberger, Granit B. 318.
— Heulandit R. 59..
Anomalacardia antiquitata R. 306.
Antimon- und Arsenfahlerz auf
dem Himmelfahrt - Berg-
männischen Hoffnungs-
Gange R. 64.
Apophyllit von St. Andreasberg
R. 327.
Aquitanien R. 352.
Araucarioxylon R. 7
Araucarites R. 78.
Atomistik R. 330.
Ausit B. 317.
r-
[E
B
Bakterien R. 80.
Basalte R. 194.
Bau der Bacterien R. 213.
Beobachtungen, blüthen-
biologische R. 86.
Bergkrystalle bei Bösingfelde,
Langenholzhausen, Lippi-
schen und Uffeln bei Vlotho
R. 124.
— in Lippe-Detmold R. 126.
Bibliographie generale de l’astro-
nomie R. 213.
Biotit R. 321.
Blitzschlag auf verschiedene Baum-
arten R. 313.
Bloedit von Douglashallb.Western-
egeln R. 57.
3ogueicer Schichten R. 350.
Boraeit zu Douglashall R. 53.
Botanik für Gymnasien R. 37.
Botanischer Wegweiser R. 447.
Biaunkohlenbergbau R. 184.
— bildung, subhercynische, R.
182.
— von Bornstedt R. 133.
Brockengranit B. 318.
Brocken-Massiv R. 317.
Buntsandstein von Deutschland
R. 67.
Ü
Capillar-Analyse R. 83.
Cardium muricatum R. 306.
Ceratites antecedens E. 325,
-— Buchii R. 326.
— nodosus R. 326.
Cervus euryceros von Rixdorf
R. 435.
Chelidonium Chelerythrin B. 339.
Chelerythrin B. 380.
S. - Chelerythrin - Goldehlorid
B. 384.
458
Sachregister.
S. - Chelerythrin - Platinchlorid
B. 385.
— salzsaures B. 386.
Chelidonium - Chelerythrin - Gold-
chlorid B. 39.
— — Platinchlorid B. 3%.
Chemie, Ausführliches Lehrbuch |
der, R. 206.
Chilopoden R. 355.
Columbia livia R. 328.
Conchorhynchus gammae R. 325.
Cordaites R. 78.
Culmgrauwacke R. 66.
— Kieselschiefer R. 322.
— Thonschiefer R. 322.
Cyrenenschichten R. 352.
D
Damhirsch aus dem Diluvium
»=1'95:
Darstellung organischer Präparate
R. 441
Datumweiser, immerwährender,
R. 346.
Diorit B. 319.
Dosinia concentrica R. 306.
Dynamik auf Physik, Anwendung
der, R. 343.
BR.
Eckergneiss B. 320.
Eiche R. 313, 314.
Eisenkalk R. 64.
Eleetrodynamik R. 342.
Elemente der forensisch chemi-
schen Analyse R. 206.
Emys europaea bei Leipzig
Sl97
Entstehung des Lebens R. 200.
Entwicklung der Kiemen der
Froschlarven A. 129.
Epidot R. 321.
Erhaltung der Kraft R. 336.
Eruptivgesteine d. Rothliegenden
im 8.-0. Thüringer Walde
R. 189.
Erzlagerstätten von Kamsdorf
oe
F.
Fauna piscium Germaniae R. 1%.
Feldstein R. 326.
Fette, Oele, Wachsarten R. 210.
Flächentheorie, allgemeine, R. 338.
Flora von Lüneburg R. 358.
Fluorit R. 321.
Filussneunaugen R. 215.
— spath R. 323.
Franz-Joseph-Schacht R. 353.
6.
Gabbro B. 319.
Gartenbau-Lexikon R. 360.
Garten- und Parkanlagen in Olden-
burg R. 359.
Gaskohle, Fauna der, R. 211.
Geographie, mathematische,
R. 334.
Geognosie des Ilmthales R. 187.
Geologie R. 354.
— Böhmens R. 75.
— von Crawinkei R. 323.
— des Ockerthals R. 327.
— des Thüringer Waldes R. 323.
— von Zellerfeld B. 321.
Glacialerscheinungen in Magde-
burg R. 326.
— schrammen R. 326
Glaserit von Douglashali R. 57.
Gliederung des WellenkalksR. 184.
Glimmerporphyrit R. 190.
Granat R. 322.
Granitgänge in Gabbro R. 317.
Grünsalz R. 351,
— sand, tertiärer, R. 66.
Grundlagen der Atomtheorie
R2203.
— züge der theoretischen
Chemie R. 205.
H.
Hafenanlage bei Neustadt- Magde-
burg R. 66.
Harz, östlicher, R. 67.
Heulandit R. 58.
Homochelidonin B. 381, 405.
y - Homochelidonin - Platinchlorid
B. 410.
Hydroiden R. 446.
Hypnotismus, Einführung in das
Studium des, R. 199,
I.
Iisensteingranit B. 318.
Indianer in St. Catharina
Insekten R. 732.
lod R. 203.
R. 310.
Sachregister.
K
Kalkspath R. 323.
Kamsdorfer Gänge R. 63.
Kainit in der Kieseritregion von
Douglashall R. 58.
Kenntniss der Insekten R. 446.
Kersantit R. 19%.
— und Glimmerporphyrit in
derselben Gangspalte bei
Unterneubrunn R. 191.
Klassiker der exacten Wissen-
schaften R. 355.
Knochenentfettungsapparat R.
446.
Korallen A. 241.
Kreuzotter R. 50.
Kupferkies auf dem Johannisgang
E. 64
Kyfthäuser-Flora Ion Tel
L.
Landes- und Volkskunde R. 348.
Land Barnim B. 10.
Laubfärbungen R. 32.
Lautenthaler Soolquelle R. 177.
Lebus R. 31.
Lehrbuch der Physik R. 340.
Leitfaden der Naturgeschichte
R. 440.
Limulus Decheni R. 182.
Literaturverzeichniss der Frösche
1% ar
M,
Magdeburger und Stettiner Sande
Malakolith R. 317, 322.
Masurische Seen R. 74.
Meeresmuschellager bei Egeln
R. 182.
— oberoligocänes, R. 185.
Melaphyr R. 1%.
Mesolith R. 47.
Mesotype A. 42.
Mikrophotographie R. 444.
Mikroklin, einfacher, R. 427.
Mikroskopische Untersuchung des
Wellenkalks bei Jena R,
431.
Molekulartheorie,
zur, R. 203
Moräne, diluviale, in Teltow und
Barnim-Lebus A. 1.
Abhandlungen
Muschelberge a. d. Ostküste Bra- |
siliens R. 305.
459
| Muschelkalk R. 325.
— Gliederung des unteren,
R. 186.
— unterer, bei Jena, R. 429.
— von Sondershausen R. 325.
Muscovit E. 321.
N,
Nährpflanzen R. 348.
Natrolith R. 43.
Naturleben, heimisches, R. 329.
— im Kreislauf des Jahres R.
zal:
Naturwissenschaften, Jahrbuch
der, R. 440.
Nautilus bidorsatus E. 325.
— imperialis E. 183.
Nordfront-Kanal in Magdeburg R.
63.
0.
Obst- und Weinbau R. 229.
Oligoklas E. 321.
Oolithbänke R. 185.
Orthoklaszwilling aus dem Fichtel-
gebirge R. 427.
Orthoklas B. 321.
Oryptogramma brasiliana R. 306.
Östrea parasitica E. 306.
— rostrata E. 306.
— virginica E. 306.
P.
Paläontologie, Elemente der, R.
76,
Pappel, italienische, R. 313.
Pflanzenphysiologie R. 367.
Pholdomya Weisii E. 183.
Photographie, Handbuch der, R.
443
Physik R. 339.
Pıiattendolomit R. 324.
Posidonienschiefer R. 322.
Porphyr R. 323
Produetus horridus E. 324.
Projecetionskunst R. 75.
Protopin R. 381, 411.
—- -Goldehlorid B. 416.
— -Platinchlorid B. 414
— salzsaures B. 419.
| Pyrrhoarsenit R. 210.
460
Q.
Quarzporphyr R. 189.
R.
Repetitorium der Chemie R. 207.
Report of the Kansas State Board
of Agrieulture R. 32.
Rothnickelkies E. 64.
Rhät R. 325.
Ss,
Salzformationen von Wieliczka
und Bochnia R. 349.
Sambaquis an der Ostküste Bra-
siliens R. 305.
Sand von Rajsko R. 349.
Sanguinarin B. 371, 381.
Sanguinaria Canadensis A. 371.
Sanguinarin-Goldehlorid B. 400.
— Platinchlorid B. 401.
— salpetersaures B. 404
— salzsaures B. 402.
Säugethiere von Sachsen, Anhalt,
Braunschweig, Hannover
und Thüringen A. 97.
Schimmelmycosen R. 226.
Schaumkalk-Horizont R. 185.
Schwefelkies R. 125.
— -vorkommen von Swoszowice
327349:
Schwerspath R. 323.
Seeigel, bohrende, R. 224.
Sulmıon Länge des, R.
Septarien oder Rupelthon R. 183.
Sequoia Contsiae E. 182.
Skolezit R. 43.
Spiriferensandstein R, 322.
Spiza-Salz R. 351.
Szybiker-Salz R. 351.
T.
Teltow A. 3.
"Temperaturbeobachtungen im
Bohrloch zu Schladebach
R. 68.
Sachregister.
Tephrit R. 19.
Terebratelbank R. 185.
Tertiärformation Mittel-Deutsch-
lands R. 180,
medicinische Vorträge R.
223:
Thierwelt des Riesengebirges R.
Thinrolith E. 67.
Triasformationen Unterfrankens
R. 354.
Turmalin R. 321. B. 317.
U.
Unio Koesteri R. 72.
Uredineen bei Leipzig R. 1%.
V.
Vegetations - Verhältnisse des
Kyfhäusser-Gebirges R.72.
Verbreitung des Sperlings R. 197.
Vögel R. 327.
— deutsche R. 328.
Vogelarten Mitteleuropas R. 69.
Volvoxstudien R. 356.
W.
Wavellit E. 617.
Wärmetheorie R, 34.
Weide R. 314.
Weissliegendes R. 62.
Weilenlehre, Anwendung auf den
Lauf des Blutes R. 203.
Wellenkalk bei Osnabrück R, 186.
Wieliezka R. 350.
Wissadula A. 112.
2.
Zechstein von Blankenburg R. 455.
— -formation R. 324.
Zinnober von Wieda R. 67.
Zoisit R. 322
Zoologie, Lehrbuch der, R. 220.
223721.
Zusammenstellung der Leipziger
Schnecken R. 193.
Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei in Halle (Saale).
Verlag von C. E..M. Pfeffer (R. Stricker) in Halle- Saale. {
‘Aretaeus, Des Kappadoecier, auf ung gekommene Schriften. Aus Ach $
Griechischen übersetzt von Prof. Dr. Mann, AM 4.—
Bischof, F., Bergrath, Die Steinsalzwerke bei Stassfurt. 2. umge-
arbeitete Auflage. Mit Abbildungen und 1 Karte!‘ u 3.60 < >
Dreher, Dr. Eugen, Der Darwinismius und seine Consequenzen in
wissenscha“tlicher und sozialer Beziehung. AM 2.25
— Beiträge-zu unserer modernen Atom- und Molekular- Theorie
auf kritischer Grundlage. 1. Die philosophische Grundlage der
Chemie, 2. Die Spektralanalyse. 3. Die Ursache der Phosphor-
escenz der „leuchtenden Materie“ nebst Erörterung der drei
Spektren im Lichte. (Das eigentliche. Lichtspekt trum, das
Wärmespektrum und das chemische Spektrum.) HM: 2259°
— Beiträge zu einer exakten Psycho-Physiologie. 1. Ueber das
Wesen ‚der Sinneswahrnehmungen. 2. Die vierte Dimension
des Raumes. 3. Nervenfunktion und psychische Thätigkeit.
4. Studien am „Lebensrad“ behufs eines richtigen Verständ-
nisses der Sinneswahrnehmungen. 5. Beiträge zur Theorie der *
- Farbenwahrnehmung. MM 2.—
— Ueber den Zusammenhang der Naturkräfte, a HM 120°
Drossbach, M., Ueber Kraft und Bewegung im Hinblick auf die Licht-
wellenlehre und die mechanische Wärmetheorie. MU 2.40
— Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Ge-
schehens in der Welt. > = 441.80
Durdik, J., Leibnitz und Newton. Ein Versuch über die Ursachen der
Welt auf Grundlage der positiven. Ergebnisse der Philosophie
und der Naturforschung. > 421. —
Giebelhausen, San.-R. Dr., Der Berggeist. Einste und heitere Mittheil-
ungen aus Manfelds Vor- und Neuzeit in Volksmundart. '120 S.
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