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Full text of "Zeitschrift Für Orthopädische Chirurgie Einschließlich Der Heilgymnastik Und Massage 30.1912"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

ORTHOPÄDISCHE CHIRURGIE 

EINSCHLIESSLICH DER 

HEILGYMNASTIK UND MASSAGE^ 

BEGRÜNDET VON 

ALBERT HOFFA. 


UNTER MITWIRKUNG VON 

Prof. Dr. A. LORENZ in Wien, Prof. Dr. W. SCHTJLTHESS in Zürich, 
Dr. H. KRUKENBERG in Elberfeld, Prof. Dr. 0. VULPIUS in Heidelberg, 
Prof. Dr. L. HEUSNER in Barmen, Prof. Dr. P. LANGE in München, Sanitäts¬ 
rat Dr. A. SCHANZ in Dresden, Dr. G. DREHMANN in Breslau, Prof. Dr. 
H. SPITZY in Graz, Privatdozent Dr. G. A. WOLLENBERG in Berlin, Prof. 
Dr. C. HELBING in Berlin, Dr. A. BLENCKE in Magdeburg, Prof. Dr. H. GOCHT 
in Halle, Prof. Dr. TH. KÖLLIKER in Leipzig 

HERAUSGEGEBEN VON 

DR- G. JOACHIMSTHAL, 

a o. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT UND DIREKTOR DER UNIVERSITÄTS¬ 
POLIKLINIK FÜR ORTHOPÄDISCHE CHIRURGIE IN BERLIN. 


XXX. BAND. 

MIT 213 TEXTABBILDUNGEN. 



STUTTGART. 

VERLAG VON FERDINAND ENKE. 

1912. 


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Druck der Union Deutsche Verlags^esellschoft in Stuttgart. 


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Inhalt. 

Seite 


I. Emil Schepelmann, Fraktur und Heißluft. Experimentelle 
Untersuchungen. Mit 7 Abbildungen. 1 

II. Julius Grunewald, Ueber die spezifische Labilität der 

Streckmuskeln und über Inaktivitätsatrophie überhaupt ... 9 

III. Richard Scherb, Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung 

des M. peronaeus brevis am Fuß und über seine Stellung in der 
Lehre von der Koordination. 32 

IV. P. Redard, Ueber die Spätresultate bei unblutig behandelten 

Hüftgelenksluxationen.43 

V. Baldo Rossi, Zur Geschichte der Nagelextension ..... 49 

VI. Heinrich Landwehr, Beiträge zur Anatomie der Luxatio 

coxae congenita. Mit 7 Abbildungen.55 

VII. UgoTrinci, Experimenteller Beitrag zum Studium der Periost¬ 
überpflanzungen. Mit 5 Abbildungen. 69 

VIII. 0. Vulpius, Ueber die Widerstandskraft von Sehnen und 

Sehnennähten.86 

IX. Otto Grüne, Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkel¬ 
hals- und -schaftbrüche. Mit 28 Abbildungen.91 

X. Alfred Saxl, Zur Therapie des kongenitalen Femurdefektes. 

Mit 2 Abbildungen.158 

Xh Eugen Bibergeil, Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis 
deformans coxae juvenilis, zugleich ein Beitrag zu den Spät¬ 
folgen nach unblutig reponierter Hüftluxation. Mit 26 Ab¬ 
bildungen .163 

XII. Paul Michaelis, Stenosierende Tendovaginitis im Bereiche 

des Processus styloideus radii.192 

XIII. K. Hayaahi und M. Matsuoka, Anatomische und radio- 

logische Untersuchungen der Knochengerüste der kongenital 
verrenkten Hüftgelenke. Mit 5 Abbildungen.196 

XIV. Ejnar Nyrop, Ein automatischer Fixationsapparat für das 

Kniegelenk. Mit 3 Abbildungen.227 

XV. Ejnar Nyrop, Behandlungsmethoden der Deformitäten der 

Wirbelsäule. Mit 26 Abbildungen.229 

XVI. L. Heusner, Der verbesserte Heusnersche Osteoklast. Mit 4 Ab¬ 
bildungen .246 


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IV 


Inhalt. 


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XVII. Eugen Jacobsohn, Mißbildungen der Zehen. Mit 6 Ab¬ 


bildungen .252 

XVIII. Carl Springer, Cystitis im Gefolge der unblutigen Ein¬ 
richtung der angeborenen Hüftverrenkung.259 

Referate.206 

XIX. Rudolf Piirckhauer, Zur Pathologie und Therapie des 

Hacken-Hohlfußes. Mit 19 Abbildungen.347 

XX. K. Gaugele, Ueber die Abkürzung der Gipsfixationsdauer bei 

der angeborenen Hüftverrenkung. Mit 4 Abbildungen . . . 375 

XXI. K. Ha yashi und M. Matsuoka, Bericht über 700 Fälle von 

Spondylitis tuberculosa. Mit 2 Abbildungen.381 

XXII. Siebert und Simon, Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung 

für das deutsche Heer. Mit 1 Kurve.394 

XXIII. Sante Solieri, Ueber primäre Angiofibrome der Muskeln als 

Ursache von Deformitäten.410 

XXIV. Richard Felten und Felicitas Stoitzenberg, Traumatische 

solitäre Knochenzysten. Mit 2 Abbildungen.430 

XXV. F. Duncker, Pes adductus. Mit 22 Abbildungen.447 

XXVI. Carl Springer, Ueber traumatische Luxatio femoris centralis 

s. d. bei Coxitis tuberculosa. Mit 3 Abbildungen *.487 


XXVII. Bruno Künne, Ueber die Bedeutung und Technik der Exten¬ 
sion in der Skoliosenbehandlung. Mit 9 Abbildungen .... 507 

XXVIII. Eduard Melchior, Ueber die Kombination von symmetrischer 
Madelungscher Handgelenksdeformität mit doppelseitiger meta- 


karpaler Brachydaktylie. Mit 5 Abbildungen.532 

XXIX. A. Scharff, Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen der 

Finger. Mit 7 Abbildungen.538 

XXX. Julius Grunewald, Ueber den Einfluß der Muskelarbeit auf 

die Form des menschlichen Femur. Mit 20 Abbildungen . . 551 

XXXI. R. Galeazzi, Zum Andenken an Prof. Alessandro Codivilla 602 

Referate . ..608 

Autorenregister.744 

Sachregister.748 


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Aus Prof. Wullsteins chirurgischer und orthopädischer Klinik 

in Halle a. d. S. 


Fraktur und Heißluft. 

Experimentelle Untersuchungen. 

Von 


Dr. Emil Schepelmann, Assistenzarzt der Klinik. 
Mit 7 Abbildungen. 


In einer früheren Arbeit *) teilte ich das Resultat meiner Ver¬ 
suche über die Beschleunigung der Resorption von Gelenkergüssen 
durch tägliche Heißluftbehandlung mit; ich spritzte damals Jodo¬ 
formglyzerin in das Kniegelenk von Kaninchen und kontrollierte 
durch Röntgenbilder die allmähliche Aufsaugung des Jodoform¬ 
schattens, der bei den Heißlufttieren l s |4mal rascher verschwand 
als bei den Kontrollieren. Sodann wandte ich mich der Frage zu, 
ob die Heißluftbehandlung auch auf die Frakturheilung einen gün¬ 
stigen Einfluß ausübe; zwar glaubte Bier, in dieser Beziehung mit 
Heißluft am Krankenbette gute Erfolge erzielt zu haben, doch 
mangelt es noch an experimentellen Nachprüfungen. Jedenfalls gibt 
Bier der passiven Hyperämie bzw. der Regeneration von Knochen¬ 
gewebe vor der aktiven den Vorzug, da es viel weniger auf den 
Sauerstoffgehalt des Blutes ankomme als auf die Stromverlangsamung 
und ihre Folgezustände. Die Stauung bringe alle Ge websteile in 
viel innigeren Konnex (seröse Durchtränkung, Leukozytenauswande¬ 
rung) mit den Blutbestandteilen als der schneller fließende arterielle 
Strom. Uebrigens fand die Stauung, wenngleich sie erst durch 
Biers Arbeiten Allgemeingut der Aerzte wurde, schon in mehr 

Ueber den Einfluß der Heißluftbehahdlung auf Gelenkergüsse. Med. 
Klinik 1911, Nr. 51. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd 1 


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2 


Schepelmann. 


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oder weniger ähnlicher Weise bei Knochenbrüchen durch v. Dum¬ 
reicher, Helferich, Nicoladoni, Thomas, ja sogar Am- 
broise Pard Verwendung. 

Daß überhaupt die Möglichkeit besteht, die Entwicklung von 
Geweben durch bessere Ernährung — ohne Vermehrung der Reize — 
anzuregen, wird für die Organe mit passiver Funktion (Stützgewebe, 
Deckepithelien) selbst von W. Roux zugegeben; immerhin konnte 
Hilgenreiner in einschlägigen Tierexperimenten nur eine relativ 
kleine Zahl von Fällen durch Stauung günstig beeinflussen, weil bei 
der Knochenbildung an Frakturstellen andere Faktoren, wie mehr 
oder weniger starke Verlagerung der Bruchstücke, gute oder schlechte 
Ernährung der Tiere usw. ausschlaggebend ins Gewicht fallen. Auch 
ist es nicht gleichgültig - , ob man lange (6'—8 Stunden) oder kurz¬ 
dauernd (2—4 Stunden) staut; weisen doch schon die nach Knochen¬ 
brüchen auftretende Blutfülle und das entzündliche Oedem darauf 
hin, daß die Therapie bestrebt sein muß, die Stauung möglichst 
lange fortzusetzen, um regenerative Wirkung zu erzielen. Dagegen 
soll nach Bier und Hilgen reiner die aktive Hyperämie den 
Callus resorbieren, so daß die kurzdauernde Stauung, bei welcher 
wegen der jedesmal nach Lösung der Gummibinde eintretenden 
aktiven Hyperämie die resorbierenden Eigenschaften im Vordergründe 
stehen, sich dementsprechend mehr zur Nachbehandlung eignen; Be¬ 
seitigung von Oedemen und Calluswucherungen, Besserung der 
Zirkulationsverhältnisse, Bekämpfung von Gelenksteifigkeiten, aus 
letzterem Grunde daher von vornherein zur Behandlung von Gelenk¬ 
frakturen. 

Ueber den Einfluß der Heißluft auf die Knochenbildung liegen, 
wie oben erwähnt, nur wenige klinische Beobachtungen, gar keine 
experimentellen Arbeiten vor; allenfalls lassen sich die Untersuchungen 
Penzos 1 ) hier einreihen, der in besonderen Apparaten die eine 
Vorderextremität eines Kaninchens fast dauernd auf 38 0 erwärmte, 
die andere auf 10° abkühlte; Ulnarfrakturen ergaben, in dieser 
Weise behandelt, eine beträchtliche Differenz in der Heilungsdauer 
des erwärmten und abgekühlten Beines, indem auf der erwärmten 
Seite nach 7—8 Tagen schon fester Callus, auf der abgekühlten 
Seite kaum der Beginn eines Regenerationsvorganges zu beobachten 

') Ueber den Einfluß der Temperatur auf die Regeneration der Zellen 
mit besonderer Rücksicht auf die Heilung von Wunden. Moleschotts Unter¬ 
suchungen zur Naturlehre der Menschen und der Tiere, J8Ü5. Bd. 15. 


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Fraktur und Heißluft. 


3 


war. Es ist indes wahrscheinlich, daß hier weniger dem positiven 
Einfluß der Wärme als dem negativen der Kälte die Hauptrolle 
zufiel. 

Daß man überhaupt imstande ist, durch äußere Maßnahmen, 
wie Wärmeapplikation, eine tiefgehende aktive Hyperämie zu 
entfalten, obwohl sich z. B. in Fistelgängen nur eine Temperatur¬ 
erhöhung von J /i° bis 3 /io 0 nach weisen läßt, erhellt aus Versuchen 
Schedes, der durch einmalige Jodpinselung eine solche Tiefen¬ 
wirkung erzeugte, daß nicht nur Haut und Unterhautzellgewebe, 
sondern auch Muskeln, Periost und Mark Transsudation und Leuko¬ 
zyteneinwanderung bis zum 5. und G. Tage aufwiesen. Die Jod¬ 
pinselung findet deshalb als einfachstes Mittel zur Erzeugung aktiver 
Hyperämie noch vielfache Verwendung in der Praxis. Sonst kann 
man nach Abnahme des Esmarchsehen Schlauches, bei gesteigerter 
Tätigkeit der Muskeln, Reibung, Massage, Anwendung von Elektri¬ 
zität usw. den Eintritt aktiver Hyperämie beobachten, besonders 
aber bei Applikation von Wärme, die gerade in den Heißluftapparaten 
bis zu hohen Temperaturgraden ertragen wird, weil lebhafte Schwei߬ 
verdunstung und massenhafte Durchblutung der erwärmten Körper¬ 
teile mit schnellfließendem Arterien blute vor der Verbrennung 
schützen. Diese künstlich erzeugte arterielle Blutfülle stellt nun in 
der Heißlufttherapie für viele Krankheiten das Heilmittel dar. 

Bei der Frakturbehandlung gewinnt die Möglichkeit, die Ent¬ 
wicklung des Callus zu beschleunigen, besonders bezüglich der Pseud- 
arthrosen große Bedeutung; die Mittel, die zur Anregung des 
Knochenkittes angegeben wurden, wie Massage, Reibung der Frag¬ 
mente, Injektion reizender Flüssigkeiten (Jodtinktur, bprozentige 
Karbollösung, 4—lOprozentige Chlorzinklösung), Einspritzung von 
Blut oder Periostbrei an die Bruchstelle, Elektropunktur, Ignipunktur, 
Einschlagen von Elfenbeinstiften oder Nägeln, Verschraubung der 
Fragmente, Umhüllung mit einer Periostknochenmanschette usw. 
beziehen sich eben auf abnorm verzögerte Frakturheilung; nichts¬ 
destoweniger habe ich die Tierversuche nur mit einfachen Brüchen 
angestellt, da es hier leichter gelingt, einigermaßen analoge und 
klare Verhältnisse zu schaffen; es unterliegt aber keinem Zweifel, 
daß die so gewonnenen Resultate auch für Pseudarthrosen Geltung 
haben. Als Wärmequelle diente mir ein elektrischer Heißluft- 
kasten, in dem die Hinterextremitäten der Kaninchen täglich 2 Stunden 
auf ca. 80 0 erwärmt wurden. 


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4 


Schepelmann. 


In einer ersten Versuchsreihe durchbohrte ich mit elektrischem 
Bohrer die rechte Tibia der Kaninchen in der Gegend der Tubero- 
sitas (Fig. 1) und verfolgte im Röntgenbilde die Entwickelung des 
Callus sowohl bezüglich der Zeitdauer als auch der Dichtigkeit. 
Dabei zeigte sich, daß die Knochenlücke ziemlich gleichmäßig (etwa 
nach 3 Wochen) sowohl bei den täglich 2 Stunden mit Heißluft 
behandelten als den Kontrollieren aüsgefüllt ward; in den folgen- 


Fip. 2. 



Frisches Bohrloch in der Tibia. Frische Knochenresektion aus der Tibia. 

den Tagen und Wochen aber wuchs der Callus der Kontrolliere 
noch weiter, während er bei den Heißlufttieren entweder stationär 
blieb oder nach anfänglicher Hypertrophie bald in gewissem Grade 
resorbiert wurde. 

Ganz analog verlief eine zw’eite Versuchsreihe, in der ich mit 
einer Lu ersehen Hohlmeißelzange ein Stück Knochen aus der Tubero- 
sitas tibiae herausnahm (Fig. 2); hier ließ sich die Callusw'ucherung 
der Kontrolliere im Profil noch besser erkennen (Fig. 3 und 4) als 
bei der vorigen Versuchsanordnung; das zeitliche Auftreten des radio- 


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Fraktur und Heißluft. 


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logisch eben sichtbaren Callus (ca. IG—17 Tage) bot indes auch 
jetzt keine nennenswerten Unterschiede bei den Heißluft- und Kontroll- 
tieren dar. 

Um nun die Verhältnisse denen einer natürlichen Fraktur mehr 
anzupassen, stellte ich in einer dritten Versuchsreihe manuell Knochen¬ 
brüche an den Gliedmaßen her, und zwar wählte ich, nachdem 



Calluswucherung an der Stelle der Knochen¬ 
resektion der Tibia bei einem Kontrolltier. , 

Oberschenkel und Vorderextremität wegen der größeren Schwierig¬ 
keit der Immobilisierung und Röntgenaufnahme ausgescbaltet waren, 
den rechten Unterschenkel. Beide Unterschenkel gleichzeitig zu frak- 
turieren und zu schienen, um etwa das eine Bein mit Heißluft zu be¬ 
handeln, das andere zur Kontrolle zu benutzen, erwies sich als nicht 
empfehlenswert, da die Kaninchen dann in wenigen Tagen einzugehen 
pflegten. Die Technik gestaltete ich anfangs so, daß ich in Narkose 
den Unterschenkel in seiner Mitte brach und dann sofort unter Zug 


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0 


Sehepelmann. 


einen Gipsverband anlegte. Die außerordentlich spröden Kaninchen¬ 
knochen frakturierten jedoch so plötzlich und unter Bildung derart 
scharfer Splitter, daß Weichteilverletzungen und Perforation der 
Haut mit allen ihren schweren Folgen fast unvermeidlich waren; 

auch bei operativer Freilegung der Knochen 
und Durchmeißelung resp. Durchsägung 
waren die Resultate durchaus nicht wunsch¬ 
gemäß. Schließlich ging ich erfolgreich 
in der Weise vor, daß ich zuerst einen 
Gipsverband anlegte und, während dieser 
erstarrte, den Unterschenkel manuell zer¬ 
brach ; bei einiger Uebung ließen sich nun 
die Bruchlinien ziemlich gleichmäßig und 
an symmetrischer Stelle erzielen und 
Durchspießungen sicher vermeiden (Fig. 5). 

Die Resultate hinsichtlich der Callus- 
bildung waren auch hier ganz ähnliche 
wie bei den vorgenannten Versuchsanord¬ 
nungen. Von den mit Heißluft behandelten 
Kaninchen der letzten Gruppe wiesen eben 
erkennbaren Gallus auf 

3 nach 14 Tagen 

3 „ 15 „ 

2 „ 16 , 

3 „ 21 _ 

also 11 nach 16,5 Tagen; 

von den zur Kontrolle benutzten Tieren: 

4 nach 13 Tagen 
1 „ 16 „ 

3 „ 17 „ 

1 19 

Frische Unt»*rschenkelfraktur 9 c * 

(nach Tötung des Kaninchens und 9 9] 

Abnahme des Gipsverbandes). _* ^_ * 


Fig. 5. 



also 11 nach 16,3 Tagen. 

Danach ist die Zeit bis zum ersten Erscheinen des Callus- 
schattens im Röntgenbilde bei beiden Versuchsreihen ziemlich die 
gleiche, zum mindesten bei den Heißlufttieren nicht verkürzt. Auch 
der bindegewebige, radiologisch unsichtbare Callus, dessen Ent¬ 
wicklung ich bei einer Anzahl anderer Kaninchen beobachtete, die 
ich am 8.—14. Tage tötete, zeigte keine Differenz bei den mit Heiß- 


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Fraktur und Heißluft. 


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luft behandelten und den Kontrollieren. Aber eines ließ sich aus den 
Röntgenbildern sowohl als auch am freigelegten Knochen erkennen, 
nämlich die Verhütung der übermäßigen Callusproduktion durch 
Heißluftbehandlung (Fig. 6 und 7). Wie ich schon zu Anfang er¬ 
wähnte, wirkt die aktive Hyperämie auch nach Biers Ansicht resor- 


Fig. 6. 



bierend auf Knochenneubildung, so daß letztere nur in einem Maße 
stattfindet, wie es die Biegungsfestigkeit der Fragmente erfordert. 

Schließlich habe ich den Heilungsverlauf der Frakturen an 
sechs weiteren, zur Hälfte mit, zur Hälfte ohne Heißluft behandelten 
Kaninchen mikroskopisch verfolgt. Bei den nach 11 Tagen getöteten 
Tieren fand sich an der Bruchstelle die ganze Markhöhle ausgefüllt 


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Scbepelmann. Fraktur und Heißluft. 


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von frischem, fibrillärem und knorpeligem Callusgewebe, letzteres 
besonders bei den Heißlufttieren; die Entwicklung des periostalen 
Callus war noch nicht so weit vorgeschritten. 4 Tage später war 
der Knorpel im Callus der Kontrolltiere bis auf Spuren verschwunden, 
während er bei den Heißluftkaninchen noch sogar am 20. Tage in 
nicht unbedeutendem Maße angetroffen ward. Zu dieser Zeit ist schon 
wieder die Resorption des Callus im Beginn, während anderseits die 
Verkalkung des osteogenen Gewebes anhebt. Nennenswerte Diffe¬ 
renzen der Struktur sind — vom Knorpel abgesehen — bei den 
Heißluft- und Kontrollkaninchen nicht nachweisbar, doch gewinnt 
man auch mikroskopisch den Eindruck, daß eine Übermäßige Callus- 
wucherung durch Heißluftbehandlung verhütet wird. 

Fasse ich nochmals die Resultate meiner Heißluft¬ 
versuche kurz zusammen, so konnte ich zeigen, daß die 
Frakturheilung ohne Rücksicht darauf, ob die Kanin¬ 
chen behandelt oder unbehandelt blieben, zeitlich 
gleichmäßig von statten geht, daß aber eine übermäßige 
Callusproduktion bei Heißluftanwendung verhütet oder 
rückgängig gemacht wird, so daß letztere Behandlungs¬ 
weise sich bei abnorm gesteigerter Knochenneubildung 
sowie besonders bei Gelenkfrakturen empfehlen dürfte. 


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II. 


Heber die spezifische Labilität der Streckmuskeln 
und über Inaktivitätsatrophie überhaupt. 

Von 

Sanitätsrat Dr. Julius Grunewald, München. 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Streckmuskeln 
häufiger erkranken als die Beugemuskeln. Fischer [l] 1 ) hat schon 
im Jahre 1877 in einer ausführlichen Arbeit eine Reihe hierher 
gehöriger Momente behandelt. Er führt an: Die Labilität der Strecker 
bei Traumen und traumatischen Qelenkerkrankungen, das vorzugs¬ 
weise Vorkommen von Hygromen und Sehnenscheidenentzündungen, 
von Trichinose und Gefäßgeschwülsten bei ihnen. Die syphilitischen 
Erkrankungen haben an den Streckern einen anderen Charakter als 
an den Beugern. Auch bezüglich der Lokalisation von Nervenkrank¬ 
heiten bestehen nach Fischer Differenzen zuungunsten der Strecker. 
Endlich werden sie bei Intoxikationen, besonders bei Metallvergif¬ 
tungen, leichter geschädigt. 

Als Ursachen dieses Unterschiedes betrachtet Fischer ver¬ 
schiedenes Verhalten der zugehörigen Nerven und Nerven Zentren, 
verschiedene Qualität der Muskelsubstanz, besonders aber ungünstige 
Ernährungsverhältnisse der Strecker, bedingt durch ihre große Ent¬ 
fernung von den Gefäßen, durch Stauungen, die auf der Streckseite 
leichter auftreten sollen als auf der Beugeseite, durch derbere Fas- 
cien, die sich zum Teil in die Muskeln hinein fortsetzen, so daß bei 
Entzündung die Muskeln stärker gedrückt würden. Vielfach inse¬ 
rierten die Strecker in den Fascien, besonders der Deltoideus könne 
nur mit Mühe von der ihn bedeckenden Fascie und der Gelenkkapsel 
losgelöst werden. Die Beugemuskeln lägen demgegenüber freier 

*) Literatur am Schlüsse der Arbeit. 


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Grunewald. 


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beweglich in ihren Scheiden, und gewännen auch vielfach dadurch, 
daß sie polyartrodial seien, eine größere Beweglichkeit und Unab¬ 
hängigkeit von einem Gelenk. Bei Erkrankungen leidet die elek¬ 
trische Erregbarkeit der Strecker mehr als die der Beuger; auch 
stürben sie an der Leiche schneller ab. 

Fischer geht bei seinen Betrachtungen ursprünglich von dem 
Musculus quadriceps cruris aus. Er führt mehrere Fälle von Ampu¬ 
tationen nach langen Erkrankungen des Kniegelenkes an, in denen 
man den Quadriceps gelb wie ein Lipom fand, der Muskel retrahierte 
sich bei der Durchschneidung nicht, während Adduktoren und Flexoren 
nichts Besonderes zeigten. Er erkennt auch, daß der Quadriceps 
ebenso wie die Glutäen eine Ausnahmestellung auch unter den Streckern 
einnehmen und sich ganz besonders empfindlich erweisen, aber er 
versucht nicht, diese Ausnahmestellung zu erklären, und begnügt sich, 
auch ihr gegenüber, mit den oben angeführten für alle Strecker gül¬ 
tigen Erklärungsversuchen. Es sind seither über die Labilität der 
Strecker viele Arbeiten erschienen, und zwar insbesondere über ihre 
Erkrankungen nach Trauma und Gelenkentzündung, auf deren Be¬ 
trachtung auch ich mich hier beschränken will. Sämtliche 
Autoren, welche dieses Gebiet behandeln, sind hierbei von ihren Er¬ 
fahrungen mit dem Quadriceps, den Glutäen oder auch dem Deltoi- 
deus ausgegangen und haben alsdann diese Erfahrungen auf die 
Strecker im allgemeinen bezogen. Dazu kam, daß diese Erörterungen 
vielfach auch als Ausgangspunkt dienten zur Behandlung der Frage 
der Inaktivitätsatrophie der Muskeln überhaupt, und daß die schließ- 
lichen Ergebnisse nicht nur auf alle Strecker, sondern auf alle will¬ 
kürlichen Muskeln überhaupt, auch auf die Beuger, bezogen wurden. 

Dieses Vorgehen erscheint mir nicht richtig. Es war geeignet, 
die Frage zu verwirren. Wenn man die Literatur studiert, so wird 
man bei traumatischen und arthritischen Fällen immer und immer 
wieder vorzugsweise drei Muskeln genannt finden: den Quadriceps, 
die Glutäen und den Deltoideus. Diese Muskeln nehmen eine Aus¬ 
nahmestellung ein. Sie erkranken leichter als alle anderen Muskeln, 
insbesonders auch leichter als die übrigen Streckmuskeln. Weder 
der Triceps humeri noch die Strecker der Hand und der Finger, des 
Fußes und der Zehen sind in der liegel empfindlicher als die zuge¬ 
hörigen Beuger. Sie zeigen eine größere Empfindlichkeit gegen 
Trauma und Arthritis nur in Ausnahmefällen, und dies wird von den 
meisten Autoren auch ohne weiteres zugegeben, hindert sie aber 


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Ueber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


11 


nicht, von einer generellen und besonderen Insuffizienz der Strecker 
überhaupt gegen Trauma und Gelenkentzündung zu sprechen. 

Gesichtspunkte, die aus der physiologischen Leistungsfähigkeit 
der verschiedenen Muskelgruppen zu gewinnen sind, scheinen mir 
nun zur Aufklärung dieser Frage geeignet. 

Ueber das Stärkeverhältnis der Beuger zu dem der Strecker 
bestehen vielfach falsche Anschauungen. Fischer (1. c.) führt hier¬ 
zu an: »Fast in jeder Muskellehre, normaler wie pathologischer, findet 
man die Behauptung, daß die Flexoren das Uebergewicht über die 
Extensoren hätten.“ Er selbst teilt übrigens diese Ansicht nicht. 
Sud eck [2] wiederum meint: »Bekanntlich haben im normalen Zu¬ 
stand die Strecker eines Gelenks das Uebergewicht über die Beuger.“ 

• Es bestand bisher über diese Frage offenbar keine Einigkeit. Sie 
ist jetzt geklärt, und zwar durch die genauen Messungen von Rudolf 
Fick [3], Wir wissen darüber folgendes: An der oberen Extremität sind 

\ die Beuger wesentlich kräftiger als die Strecker (1. c. S. 318). Die maxi¬ 
male Leistungsfähigkeit der Beuger des Ellbogens zu den Streckern 
verhält sich wie 1,6 :1. Die maximale Leistungsfähigkeit der Volar¬ 
flexoren der Hand zu den Dorsalflexoren verhält sich wie 2,5 :1. An 
’j der Schulter kann man von Beugern und Streckern nicht sprechen; 
die bezüglichen Zahlen (S. 281) können also hier nicht herange¬ 
zogen werden. 

r An der unteren Extremität ist das Verhältnis im wesentlichen 

'• umgekehrt. Hier sind die Strecker kräftiger als die Beuger. Die 

• Momente der Strecker des Hüftgelenks verhalten sich zu denen der 
■ Beuger wie 2,9 : 2,5, die der Außenrotatoren der Hüfte, die den 
"• Streckern anzugliedern sind, zu den Einwärtsrotatoren wie 3 : 1 
t (1. c. S. 499). 

Am Kniegelenk (S. 585) sind die Strecker 3mal so leistungs- 
r fähig wie die Beuger; am Sprunggelenk (S. 601, 629 u. 631) über- 
-■ wiegen aber wieder die Beuger infolge des erheblichen Uebergewichts 
>' der Wadenmuskulatur; das Verhältnis ist 1: 4,5 zugunsten der Beuger. 
»• Es besteht also kein generell festes Verhältnis zwischen Beugern 

und Streckern, sondern dies ist verschieden an der oberen und an 
der unteren Extremität, je nach der Leistung, die von dem Gliede 
erwartet wird. Die Muskulatur der unteren Extremität ist überhaupt 
u i wesentlich stärker als wie die der oberen. Das Gewicht der Bein- 
n muskulatur ist fast dreimal so groß wie das der Muskulatur des 
r; Armes. Dies hängt mit der Aufgabe der Beine, dem Tragen der 


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Grunewald. 


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Rumpflast und dem Gehen und Stehen zusammen. Beim Orang- 
Utang ist dies umgekehrt [4], Hier hat die obere Extremität 
die gewichtigere Muskulatur. Das Verhältnis von oben zu unten ist 
wie 1 : 0,94. Ausschlaggebend ist hierfür das Uebergewicht der 
Beugemuskeln. Sie sind am Arm des Orang ganz erheblich entwickelt 
und überwiegen die Strecker noch wesentlich mehr als beim Menschen. 
Ihr Gewicht ist fast 3mal so groß als das der Strecker. Vergleicht man 
die Muskelgewichte der verschiedenen Muskelgruppen mit dem Muskel¬ 
gewichte der ganzen Extremität beim Menschen und Orang, so ergibt 
sich in Prozenten: 


Gewicht der 

Orang 

Mensch 


Ellbogenbeuger 

42,8 Proz. 

27-30 Proz. 

des Muskelgewichtes 
der gesamten oberen 
Extremität 

Ellbogenstrecker 

16,2 „ 

23,0 

des Muskelgewichtes 
der gesamten oberen 
Extremität 

Kniebeuger 

20 

23 

des Muskelgewichtes 
der gesamten unteren 
Extremität 

Kniestrecker 

23,r, „ 

30,7-39,5 „ 

des Muskelgewichtes 
der gesamten unteren 
Extremität 


Es ergibt sich aus diesen Zahlen, daß im Verhältnis zum Orang 
beim Menschen die Streckmuskeln beider Extremitäten 
erheblich an Stärke gewonnen haben. Man kann über¬ 
haupt sagen, daß der Mensch verhältnismäßig starke 
Streckmuskeln hat. Sie haben am Bein das absolute 
Uebergewicht gewonnen, während am Arm zwar die 
Beuger überwiegen, aber bei weitem nicht mehr so stark 
als beim Orang. Das Uebergewicht der Beuger des menschlichen 
Armes ist ein atavistischer Zustand, der an der unteren Extremität 
des aufrechten Ganges halber überwunden ist, so daß hier die um¬ 
gekehrten Verhältnisse Platz greifen, als wie sie beim nahen Ver¬ 
wandten, dem Orang, bestehen. Die Strecker haben im allgemeinen 
dem Orang gegenüber zugenommen, aber die Zunahme ist an der 
oberen Extremität geringer als an der unteren. Beim Orang ist der 
unbewehrte Arm noch eine Waffe. Seine ungeheure Kraft ist bekannt. 


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Ueber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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Er ist dadurch nicht nur für den Menschen, sondern auch für größere 
Tiere ein gefährlicher Feind. Der menschliche Arm hat den Charakter 
einer Waffe verloren, er ist zum Werkzeug geworden; dem entspricht, 
daß er schlanker und graziler ist als der Orangarm, und daß in der 
Ausbildung der beiden Muskelavten ein gewisser Ausgleich einge¬ 
treten ist. Das Uebergewicht der Beuger über die Strecker hat für 
den Menschen, der mit mechanischen Werkzeugen arbeitet, nicht 
mehr die gleiche Bedeutung wie für das Tier, das ausschließlich 
auf seine Muskelkraft angewiesen ist. Daß die Beugemuskeln des 
Menschen am Arm heute noch kräftiger sind als seine Streckmuskeln, 
ist ein phylogenetischer Ueberrest. Die Streckmuskulatur hat so weit 
zugenommen, die Beugemuskulatur so weit abgenommen, wie es für 
die zweckmäßige Ausbildung des Armes als Werkzeug notwendig 
war. Es genügten dazu verhältnismäßig geringe Veränderungen. 
An der unteren Extremität haben sich die Aufgaben der Muskulatur 
bei weitem mehr verändert. Der aufrechte Gang fällt ausschließlich 
den Streckern zur Last, insbesondere dem Glutaeus maximus und dem 
Quadriceps femoris. Diese Muskeln haben infolgedessen das Ueber¬ 
gewicht gewonnen über sämtliche andere Beinmuskeln und Ubertreffen 
sie an Masse bedeutend. Das ursprüngliche Ueberwiegen der Beuger 
über die Strecker, welches wir beim Orang auch an den Beinen 
finden, ist beim Menschen in sein völliges Gegenteil umgewandelt 
worden. Dies drückt sich natürlich auch in den Muskelgewichten 
aus, die ich nach einer Fickschen Tabelle hier wiedergebe. 

Gewichtsverhältnisse der einzelnen Muskeln zum gesamten Muskel¬ 
gewicht der Extremität: 


Musculus glutaeus maximus 813:6141 158:2256 1:7,7 
die drei Glutäen zusammen 1166:6241 380:2250 1:5,4 
Quadriceps femoris . . . 1494 : 6241 260 : 2250 1 : 4 


Orang 

1 : 14,5 
1:6 
1:9 


Es ist nun aus der Stammesgeschichte der Tiere und Pflanzen 
bekannt, daß eine Eigenschaft um so fester haftet, je älter 
sie ist. Je weiter sie hinabreicht in die Geschichte der Arten, 
um so schwerer ist sie auszurotten, um so eher kehrt sie zurück, 
wenn sie einmal durch die Ungunst der Verhältnisse in den Hinter¬ 
grund treten mußte. Phylogenetisch junge Eigenschaften sind 
leichter unterdrückbar und bedürfen zur Erhaltung einer beson- 


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deren Gunst der Verhältnisse. Die starke Entwicklung 
der Streckmuskulatur des Menschen gegenüber der 
Tierreihe, die vor ihm vorhanden war und aus der er 
seinen Ursprung abzuleiten hat, ist, wie das Menschen¬ 
geschlecht überhaupt, phylogenetisch jung. Die Streck¬ 
muskeln sind deshalb weniger widerstandsfähig als die 
Beuger, die als kräftige Gebilde weit in die Tierwelt hinabreichen: 
denn nicht nur für den Anthropoiden gilt das bezüglich der Muskel¬ 
entwicklung Gesagte; wir begegnen analogen Verhältnissen auch bei 
den Vierfüßlern, wenngleich hier die Verhältnisse wegen der gänzlich 
anderen Skelettbildung und der dadurch bedingten Muskelfunktion 
nicht so leicht und so einleuchtend mit den menschlichen verglichen 
werden können wie die der Anthropoiden. Indem die Streck¬ 
muskulatur des Menschen in phylogenetisch jungen 
Zeiten eine wesentliche Aenderung erfahren hat, ge¬ 
zwungen war, sich an neue Verhältnisse anzupassen, 
muß sie gleichzeitig eine gewisse Schwäche und Labi¬ 
lität, wie sie allen Neuerwerbungen im Tier- und 
Pflanzenreich anhaftet, über sich ergehen lassen. Sie 
ist nicht so widerstandsfähig gegen krankhafte Einflüsse, wie die 
seit altersher kräftiger entwickelte Beugernuskulatur. Mit dieser 
geringen Widerstandsfähigkeit steht beim Menschen die 
Muskulatur übrigens nicht allein da. Auch das Skelett 
unterliegt derselben; das ist besonders an den Skeletteilen 
erkennbar, die an der wichtigsten menschlichen Umwandlung, der 
Aufrichtung des Körpers und dem aufrechten Gang, beteiligt sind. 
Weder unsere Wirbelsäule ist bis heute völlig angepaßt, noch die 
unteren Extremitäten. Die große Zahl statischer Erkrankungen an 
diesen Gelenkteilen, die Skoliosen, die Plattfüße, die Belastungs¬ 
deformitäten an Knie- und Hüftgelenk, das häutige Vorkommen der 
Arthritis deformans am Hüftgelenk, der tuberkulösen Erkrankungen 
gerade an den Gelenken der unteren Extremitäten, ferner die in der 
Geburtshilfe so wichtigen Belastungsdeformitäten des Beckens, alles 
das ist ein deutlicher Beweis für die angeborene Schwäche und für 
eine noch nicht vollendete Anpassung dieser Teile an ihre Aufgaben. 
In diese Reihe fügen sich die Erscheinungen an den Streckmuskeln 
ein. Sie leiden an angeborener, durch phylogenetische 
Jugend bedingter Schwäche. 

Wenn dem aber so ist, wie kommt es, daß nicht alle Streck- 


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Leber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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muskeln gleichmäßig darunter leiden, daß der Quadriceps, der Glutaeus 
maximus und der Deltoideus stärker befallen werden als die übrigen 
Muskeln? Beim Quadriceps und beim Glutaeus maximus beantwortet 
sich diese Frage sofort zwanglos durch die Tatsache, daß sie an der 
Umwandlung am stärksten beteiligt sind, daß sie gegenüber den 
Antropoiden und den Vierfüßlern eine unverhältnismäßig große Massen¬ 
zunahme erfahren haben. Beim Quadriceps kommt noch hinzu, daß 
er gegenüber den Vierfüßlern beim Menschen in ein besonders enges 
Verhältnis zum Kniegelenk getreten ist, daß seine Sehne samt ihrem 
Sehnenknochen, der Patella, im Kniegelenk selbst liegt. Warum das 
für die Widerstandsfähigkeit des Quadriceps gegen krankmachende 
Einflüsse besonders ungünstig ist, werden wir später bei der Erör¬ 
terung der Frage der Inaktivitätsatrophie erkennen. 

Der Deltoideus ist nun kein Strecker; er ist ein Abduktor, 
Vor- und Rückwärtsheber des Armes; aber er gehört zu den Mus¬ 
keln, die beim Menschen und Anthropoiden dem Vierfüßler gegen¬ 
über eine ganz erhebliche Erhöhung ihrer Aufgaben übernommen 
haben. Bei dem vierfüßigen Pflanzen- und Fleischfresser spielt die 
Bewegung des Schultergelenks überhaupt eine geringe Rolle; dem¬ 
entsprechend sind sowohl der Deltoideus als der Supra- und Infra- 
spinatus und der Subscapularis verhältnismäßig schwach entwickelt. 
Sie haben beim Pferde, das kein Schlüsselbein besitzt, mehr die 
Aufgabe, den Humerus gegen den Rumpf zu fixieren, als ihn bei 
der Lokomotion zu bewegen. Beim Orang ist der Deltoideus der 
wesentlich erhöhten Beweglichkeit des Schultergelenks entsprechend 
schon viel stärker; aber der menschliche Deltoideus ist von allen 
relativ der kräftigste. Der Deltoideus eines kräftigen Mannes ist 
nach R. Fick (1. c. S. 58) 305 g schwer gegen ein Gewicht von 
1780 g sämtlicher Muskeln der oberen Extremität, also ein Ver- 

2385 

hältnis von ungefähr 1 : 6. Beim Orang ist es , also etwa 

o4o 

1:7; diese Differenz ist nicht so groß wie beim Glutaeus maximus 
und beim Quadriceps, die beim Menschen relativ fast doppelt so viel 
wiegen wie beim Orang. Immerhin ist sie erkennbar. Demgegen¬ 
über ist aber auch zu bemerken, . daß die genuine Labilität des 
Deltoideus keineswegs so einwandfrei festgestellt ist wie bei den 
anderen Muskeln. Wenn ich nach meinen eigenen Erfahrungen 
urteilen soll, die sich über viele Hundert Fälle traumatischer Deltoideus- 
erkrankungen erstrecken, so habe ich doch sehr häufig gerade hier 


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eine Beteiligung des Nervus axillaris feststellen können, die sich Id 
mehr oder weniger erheblichen Veränderungen der elektrischen Er¬ 
regbarkeit des Muskels oder einer seiner drei Partien äußerte. Da 
sehr viele dieser Fälle an eine direkte Läsion der Schultergegend 
sich anschlossen, so ist das bei der Lage des Nervus axillaris, der 
sieb um den Oberarm herumschlingt und deshalb auch Circumflexus 
heißt, recht wohl verständlich. Er wird natürlich leicht mitverletzt, 
auch können die entzündlichen Vorgänge, die sich in seiner Um¬ 
gebung abspielen, Exsudationen, Blutungen u. dgl. leicht auf ihn 
überspringen. Auch den öfter zitierten Fällen von Müller [7] 
liegen Verletzungen des Nervus axillaris zugrunde. Für die hier in 
Frage kommenden Affektionen des Quadriceps und des Qlutaeus 
maximus ist aber die Unversehrtheit des Nerven und das Fehlen 
jeder qualitativen Veränderung der elektrischen Erregbarkeit charak¬ 
teristisch, wie von allen Autoren gleichmäßig bekundet wird. 

Wenn wir die phylogenetische Labilität der Strecker gelten 
lassen, so erklärt sich daraus auch die Tatsache, daß gelegentlich 
auch andere Strecker wie die drei genannten in ähnlicher Weise 
getroffen werden, so der Triceps humeri und die Dorsalflexoren des 
Fußes. Diese Fälle sind aber offenbar seltener; es nehmen eben 
die übrigen Strecker an den phylogenetischen Umwandlungen nur 
in geringerem Umfange teil. Anderseits kann natürlich auch ein 
Beugemuskel, der ähnlichen Entwicklungsbedingungen unterliegt, 
sich wie ein Strecker verhalten. Diese Auffassung erklärt die Be¬ 
obachtung Fischers [1], der eine besondere Beschädigung des Tri¬ 
ceps surae bemerkte, also eines Beugemuskels, der aber gerade 
beim Stehen eine wichtige Rolle spielt und mit der Entwicklung 
des aufrechten Ganges eng verknüpft ist. 

Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich: Die 
Streckmuskeln im allgemeinen als Organe, die in phylogenetisch 
junger Zeit eine wesentliche Aenderung erlitten haben, sind gegen 
eine Reihe von krankmachenden Einflüssen empfindlicher als die Beuge¬ 
muskeln. Trauma und Arthritiden sind verhältnismäßig geringe Krank¬ 
heitserreger und deshalb bleibt bei den meisten Streckern eine spe¬ 
zifische Reaktion nach denselben aus. Nur die drei von dem mensch¬ 
lichen Umwandlungsprozeß besonders betroffenen Muskeln, Quadriceps 
und Glutäus, welche beide das relativ stärkste Uebergewicht über 
die Beuger zeigen, sowie des öfteren auch der Deltoideus, werden 
auch durch diese geringen Reize in der Regel geschädigt und zeigen 


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Ueber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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alsdann die charakteristischen Symptome der traumatischen und 
artbritischen Atrophie; gelegentlich kann es auch einmal Vorkommen, 
daß die stammesgeschichtlichen Einflüsse auch bei einem anderen 
Strecker sich abnorm stark geltend machen und er verhält sich dann 
wie die drei genannten Muskeln. Ja sogar diejenigen Beuger, die 
durch den aufrechten Qang stärker als bisher belastet sind, nehmen 
gelegentlich an dieser erhöhten Reizbarkeit teil, wie die Waden¬ 
muskulatur. 

Ich möchte übrigens bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, 
daß der Begriff Streckmuskeln kein scharf umschriebener ist. Es 
gibt Muskeln, die zu gleicher Zeit Strecker und Beuger sind, z. B. 
der lange Kopf des Quadriceps femoris, der die Hüfte beugt und 
das Knie streckt. Andere Streckmuskeln, wie z. B. die Glutäen, 
liegen auf der Beugeseite. Die Wadenmuskeln, obgleich auf der 
Beugeseite liegend, sind, wenn man ihre Funktion nicht speziell auf 
das Sprunggelenk, sondern auf den ganzen Körper bezieht, ausge¬ 
sprochene Strecker; sie treten in Funktion, wenn man auf den Zehen 
steht und der Körper sich also streckt. Wie es im allgemeinen 
Aufgabe der Beuger ist, den Körper zusammenzufalten, so daß er 
einen möglichst geringen Raum einnimmt, ist es Aufgabe der Strecker, 
den Körper zu entfalten. Unmeßbare Zeit hindurch war die Hocker¬ 
stellung eine Lieblingsstellung des Menschen; das Wohnen in nie¬ 
deren Höhlen, die Absicht, sich des öfteren zu verbergen, sei es 
auf der Jagd als Verfolger oder auf der Flucht als Verfolgter, 
zwang sie ihm auf. Die Entfaltung des Körpers geschah durch 
Streckung, und hierbei verhielten sich die Wadenmuskeln, obgleich 
Fußgelenkbeuger, den Streckern gleich. Auch das erklärt ihre 
Ausnahmestellung krankhaften Bedingungen gegenüber. 

II. 

Das Muskelvolumen eines Menschen ist durch die ursprüngliche 
Anlage bedingt. Ob der Mensch seine Muskeln zur Arbeit benutzt 
oder nicht, ist für ihre Volumentwicklung nicht von Belang. Wenn 
wir z. B. Schüler derselben Klasse auf ihre Muskelentwicklung hin 
untersuchen, so finden wir sie bei dem einen massig, bei dem anderen 
schwächer entwickelt, obgleich keiner von ihnen Handarbeit leistet 
und sie alle unter gleichen oder ähnlichen Lebensbedingungen stehen. 
Aehnlich bleibt es das ganze Leben hindurch. Auch Handarbeiter 
haben in der Regel kein größeres Muskelvolumen als die Angehörigen 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 2 


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von Berufen, welche ihre Muskulatur kaum gebrauchen, wie Beamte, 
Schreiber, Gelehrte, Kaufleute. Mein Eindruck geht im Gegenteil 
dabin, daß der Handarbeiter sogar häufig eine in bezug auf die 
Masse dürftige Muskulatur gegenüber den wohlhabenderen Ständen 
hat, was offenbar auf verhältnismäßige Unterernährung zu beziehen 
ist. Trotzdem ist kein Zweifel, daß die Handarbeiter mit ihrer 
Muskulatur wesentlich mehr leisten und auch wesentlich mehr leisten 
können, als die Angehörigen der muskelträgen Berufszweige. Die 
Uebung ist hierbei viel wichtiger als die Muskelraasse, und sie er¬ 
zeugt allein Ausdauer und Geschicklichkeit. Von diesem Gesichts¬ 
punkte aus ist es nicht verwunderlich, daß das Uebergewicht des 
rechten Armes über den linken nicht besonders groß ist. Das Muskel¬ 
volum wird durch Uebung nur wenig beeinflußt. Zu den Aufgaben 
an Muskelarbeit, welche der Mensch zu leisten hat, ist die vorge¬ 
sehene absolute Muskelkraft groß genug, und es liegt deshalb zu 
ihrer Steigerung ein Grund nicht vor. Das individuell erforderliche 
Plus läßt sich durch Uebung erreichen und die Uebung ist mehr 
Sache der nervösen Organe. Ein scharfes Messer wiegt nicht mehr 
als ein stumpfes. Das Wesen der Uebung erklärt sich vielleicht, 
wenn wir uns der Tatsache erinnern, daß die als einheitlich erschei¬ 
nende Muskelzusammenziehung sich aus einer großen Zahl Einzel¬ 
zuckungen zusammensetzt [8]; steigt nun durch Zunahme der ner¬ 
vösen Impulse die Zahl dieser Einzelzuckungen, so muß die Kraft 
der Kontraktion dadurch gewinnen, so gut wie die Leistungen eines 
Hammers der Zahl der Schläge in der Zeiteinheit proportional 
steigen. Die Uebung ist aber überall auf eine lebhaftere Betätigung 
des Nervensystems zu beziehen, wie sich leicht erweisen läßt. Un¬ 
zweifelhaft ist ja das Ueberwiegen des rechten Armes über den 
linken eine Folge funktioneller Anpassung. Aber diese geht, von 
gelegentlichen Ausnahmen abgesehen, auch nicht weiter, als das in 
der Natur herrschende Sparsamkeitsprinzip gestattet. 

Die ursprüngliche Anlage der Muskulatur ist eine 
bilateral symmetrische in der ganzen Tierwelt. 

Seit Urzeiten werden von den Tieren Muskeln beiderseits gleich¬ 
mäßig benutzt und deshalb ist ihre Anlage und ihre Ausbildung im 
'wesentlichen eine symmetrische. Der Mensch ist zw r ar, soweit wir 
imstande sind, dies zurückzuverfolgen, immer rechtshändig gewesen, 
und die Folge davon ist eine etwas stärkere Ausbildung des rechten 
Armes infolge funktioneller Anpassung. Diese steht aber in einem 


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Ueber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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gewissen Gegensatz zu dem uralten Prinzip der symmetrischen Ent¬ 
wicklung paariger Organe. 

Sie ist deshalb auch nicht imstande, es zu durchbrechen, son¬ 
dern es höchstens ein wenig zu modifizieren. Wäre das Prinzip der 
symmetrischen Entwicklung nicht mächtiger als das der funktionellen 
Anpassung, so würden wir einen linken Arm überhaupt nicht be¬ 
sitzen, sondern höchstens nur ein Rudiment davon. Analoges sehen 
wir übrigens mehrfach. Wir arbeiten auch vorzugsweise mit der 
linken Hirnhälfte. Trotzdem ist das Hirn im wesentlichen symme¬ 
trisch gebaut. Auch sieht man es dem Hirn nicht an, ob es einem 
Gelehrten oder einem Handarbeiter angehört, so wenig wie einem 
gesunden Herzen, ob es von einem Menschen stammt, der schwere 
Handarbeit geleistet oder Zeit seines Lebens am Schreibtisch ge¬ 
sessen hat. Dazu kommt noch eins. Wie alt ist denn gar beim 
Europäer die Gewohnheit schwerer Handarbeit? 1000, höchstens 
2u00 Jahre. Zur Römerzeit waren die Germanen noch vorzugsweise 
Jäger, der Ackerbau spielte bei ihnen nur eine geringe Rolle, und 
auch heute noch sind es bei fast allen Naturvölkern die Frauen, die 
die eigentlich schweren Arbeiten besorgen; trotzdem besitzen die 
Männer die größere Muskelkraft, wie das bei allen Säugetieren die 
Regel ist. 

Man könnte in der geringen Rolle, die hier der funktionellen 
Anpassung gegenüber der ursprünglichen Anlage eingeräumt wird, 
einen Widerspruch finden mit den Ausführungen des ersten Teils, 
der auf den wesentlichen Umwandlungen, die mit der Menschwerdung 
verknüpft sind, basiert. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß jene 
Ausführungen sich auf die Bildung einer neuen Art, eben des Men¬ 
schen, beziehen, während hier von Aenderungen innerhalb der ge¬ 
gebenen Artbildung die Rede ist; wie eine neue Art sich bildet, 
wissen wir nicht, die funktionelle Anpassung reicht dazu jedenfalls 
Dicht aus; es scheint, daß hierbei sprungweise Veränderungen, Muta¬ 
tionen, eine größere Rolle spielen als allmähliche Anpassung an das 
veränderte Milieu. Für die Artbildung scheint jedenfalls das alte 
Wort: „Natura non saltat“ nicht zu gelten. 

Trotzdem kann man die Möglichkeit nicht in Abrede stellen, 
daß durch dauernde funktionelle Anpassung der rechte Arm mit der 
Zeit ein wesentlich größeres Uebergewicht über den linken ge¬ 
winnen könnte, aber die Dauer der dazu erforderlichen Zeit darf 
man nicht unterschätzen. Zu wesentlichen Aenderungen konstitu- 


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20 


Grunewald. 


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tioneller Verhältnisse gehören ungeheure Zeiträume, viel größere, 
als wir historisch übersehen können. Um eine so tiefgehende Ein¬ 
richtung wie die Symmetrie paariger Organe wesentlich zu beein¬ 
flussen, dazu gehören gewiß Aeonen. Tausende von Jahren müßte 
ein Geschlecht schwer rechtshändig arbeitender Menschen dem andern 
folgen. Mit der starken Muskelentwicklung des rechten Armes wäre 
es auch noch nicht abgetan. Auch die Knochen müßten sich wesent¬ 
lich ändern, ja, bis zu einem gewissen Grade der ganze Körper. 
Denn im Organischen besteht überall eine feste Korrelation der Teile, 
eine Abhängigkeit des einen Organs vom andern. Die wesentlich 
stärkere Ausbildung des rechten Armes würde einen ganz anderen 
Menschen formen. Aber etwas Derartiges ist absolut nicht zu er¬ 
warten. Die tatsächliche Entwicklung nimmt eher die entgegen¬ 
gesetzte Richtung. Die Zeit der schweren Handarbeit, so kurz sie 
war, ist im wesentlichen schon wieder vorüber. Ueberall wird sie 
durch die Maschine verdrängt, und es wird voraussichtlich nicht mehr 
lange dauern, dann wird man Leute, die zeitlebens schwere Hand¬ 
arbeit geleistet haben, mit der Laterne suchen müssen. 

Man kann also auch durch eigens darauf gerichtetes Training 
eine isolierte Muskelzunahrae in der Regel nicht erreichen. Die 
Muskulatur wird weniger ermüdbar (Horvath) oder es tritt eine 
bessere Koordination ein, eine größere Geschicklichkeit. Wenn ge¬ 
legentlich Ausnahmen beobachtet werden, z. B. bei Akrobaten, Tän¬ 
zerinnen usw., so handelt es sich hier offenbar um individuelle An¬ 
lage, ein Abweichen vom Typus (Variieren). Es kann ja schließlich 
auch nicht jedermann zum Akrobaten, jedes Mädchen zur Täuzerin 
erzogen werden. Aber auch bei diesen Individuen hat die Muskel¬ 
entwicklung ihre Grenzen. Die ausgesprochenen Formen massiger 
Muskelentwicklung sind stets angeboren, bedeuten auch nicht immer 
hervorragende Kraftleistung, da sie gewöhnlich der Geschicklichkeit 
unterliegen. 

Ziehen wir aus diesen Verhältnissen die Konsequenz, so ist 
a priori die Annahme, daß allein durch verminderte Tätigkeit Muskel¬ 
abmagerung eintreten werde, nicht wahrscheinlich. Erst vor einigen 
Tagen sah ich einen sehr instruktiven Fall. Ein Handarbeiter hatte 
sich vor 17 Jahren mit der Kreissäge den linken Arm oberhalb des 
Handgelenkes so durchschnitten, daß das periphere Stück nur noch 
an den volaren Weichteilen hing. Wider Erwarten war die Hand 
erhalten geblieben, aber der linke Arm doch unbrauchbar geworden, 


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lieber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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weil eine multiple Neuritis, die sich an den Unfall angeschlossen 
hatte, eine so hochgradige Muskelschwäche aller Armmuskeln zur 
Folge hatte, daß der Arm praktisch einem gelähmten gleich kam. 
Der Verletzte hat seither nennenswerte Handarbeiten nicht mehr ge¬ 
leistet, wie auch die kaum beschwielte rechte Handfläche erkennen 
läßt. Er hat ein Spezereiwarengeschäft angefangen, das ihn, zusammen 
mit seiner Rente, ernährt. Demgegenüber ist nun der rechte Arm 
auffallend muskulös und kräftig. Es bestehen zwischen rechts und 
links Umfangsunterschiede von 8 und 9 cm. Der Schulterumfang, 
um die Axilla gemessen, ist sogar rechts 13 cm größer als links. 
Der rechte Arm, obgleich seit 17 Jahren ebenfalls nur wenig ge¬ 
braucht, hat offenbar keinerlei Beeinträchtigung seiner Muskulatur 
erfahren. 

Es ist in der Tat noch nie beobachtet worden, daß ein ge¬ 
sunder Mensch durch Schonung seiner Muskeln diese zum Schwund 
gebracht hätte. So häufig wir Muskelschwund beobachten, stets 
ist ein krankmachendes Agens dabei beteiligt. Das ist für die Un¬ 
fallpraxis von Bedeutung, denn hier tritt die Frage an uns heran, 
ob es möglich ist, daß ein gesunder Mensch durch absichtliche 
Schonung seiner Muskeln eine Abmagerung derselben herbeiführen 
kann. Meines Erachtens ist diese Frage zu verneinen. Vorhandene 
Muskelatrophie deutet darauf hin, daß eine Erkrankung einmal be¬ 
standen hat. Dagegen ist es wohl möglich, eine bestehende Atrophie 
durch eine absichtliche Schonung des Gliedes zu unterhalten. 

Welcher Art dieses krankmachende Agens sein kann, darüber 
gewinnen wir vielleicht eine Vorstellung, wenn wir uns mit den 
Bedingungen beschäftigen, welche die Atrophie eines muskulösen 
Hohlorganes, des Uterus, hervorrufen. Hierüber äußert sich Seitz [9] 
wie folgt: Der Uterus ist in seinem Wachstum von der Existenz 
und der Gesundheit der Ovarien abhängig. Bei Aplasie der Ovarien 
ist der Uterus entweder rudimentär, oder fehlt ganz. Entfernt man 
die Eierstöcke künstlich, so entsteht Atrophie des Uterus. Früher 
hat man sich den Zusammenhang dieser Erscheinungen als einen 
nervösen gedacht. Durch Lösung der Ovarien aus ihrem normalen 
Zusammenhänge und Transplantation an eine andere Stelle der Bauch¬ 
höhle konnte indes die Bedeutungslosigkeit nervöser Beziehung, die 
Unrichtigkeit der tropho-neurotischen Hypothese, erwiesen werden. 
Es genügt, daß die Ovarien die ihnen obliegende Funktion der inneren 
Sekretion ungehindert fortsetzen können. Es ist gleichgültig, wo 


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Grüne wald. 


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sie sich befinden, wenn nur das Sekret in die Blutbahn und damit 
zum Uterus dringen kann. Daraus ergibt sich, daß wir es hier mit 
einem chemischen Agens zu tun haben, einem spezifischen Nähr¬ 
und Wuchsstoff für die Zellen der Uterusmuskulatur (Ehrlich). 
Solche Stoffe nennt man Hormone. Hormone sind spezifische Stoff¬ 
wechselprodukte, die auf bestimmte Lebensprozesse reizend oder hem¬ 
mend einwirken. Verminderung des Ovarialhormons führt zur Atrophie 
des Uterus. Vermehrung, vielleicht einhergehend mit qualitativen 
Veränderungen, führt zur Myombildung. Sicher durch qualitative 
Veränderungen des Ovarialhormons bedingt, ist die mit einer schweren 
Beeinträchtigung der ganzen weiblichen Geschlechtssphäre einher¬ 
gehende Osteomalacie, die durch Exstirpation oder Zerstörung der 
Ovarien (Röntgen) geheilt werden kann. 

Wenn wir nun diese Seitzschen Ueberlegungen auf die will¬ 
kürlichen Muskeln zu übertragen versuchen, so müssen wir uns zu¬ 
nächst des erheblichen Unterschiedes zwischen diesen und dem Uterus 
bewußt sein. Der Uterus ist als Organ mehr passiven Charakters, 
bestimmt zur Aufnahme der Frucht. Die kurze Periode aktiver Be¬ 
tätigung während und am Ende der Schwangerschaft ist im Ver¬ 
hältnis zu den langen Ruhepausen nur eine Episode. Dement 
sprechend ist der Uterus in der Regel nur passiv bei seinen Er¬ 
nährungsbedingungen beteiligt; sie werden von den Ovarien in fast 
souveräner Weise bestimmt. 

Das trifft für die willkürlichen Muskeln nicht zu. Ihre Existenz 
ist mit Betätigung identisch. Ihre Gesundheit ist von Tätigkeit ab¬ 
hängig, und dementsprechend beeinflußt diese rückwirkend dieLeistungen 
der ihnen zufließenden Wuchs- und Nährstoffe. Wenn wir nun 
die Annahme aufstellen, daß auch die Ernährung des 
willkürlichen Muskels von Hormonen abhängig ist, so 
müssen wir für dieselben zwei Bildungsstätten annehmen: 

1. die graue Substanz der Vorderhörner, 

2. die Gelenke. 

Ueber die Bedeutung der grauen Substanz für die Ernährung 
der willkürlichen Muskulatur ist kein Wort zu verlieren. Was aber 
die Gelenke als Bildungsstätten von Hormonen anbelangt, so erscheint 
diese Vorstellung gewiß zunächst fremdartig. Aus der Pathologie 
ist indes der Einfluß der Gelenke auf die Muskelernährung leicht 
erweisbar. Das, was als Inaktivitätsatrophie bezeichnet wird, tritt 
nur dann auf, wenn die Gelenke an dem Krankheitsprozeß beteiligt 


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(Jeber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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sind, sei es, daß sie durch Muskelruhe, z. B. bei fixierenden Ver¬ 
bänden, versteifen, sei es, daß sie selbst verletzt oder entzündet sind. 
Auch die Erkrankungen von Weich teilen in der Nähe der Gelenke 
(parartikuläre Erkrankungen, C har cot) gehören zwanglos hierher. 

Ist das Gelenk bei peripheren Erkrankungen nicht beteiligt, 
so bleibt die Muskelatrophie aus. Bei chronischen Hautkrankheiten, 
auch wenn sie zur Schonung des Gliedes zwingen (Ekzemen), bei 
Furunkulosis, Verbrennungen und ähnlichen Erkrankungen sehen wir 
keine Atrophie. Ist dagegen das Gelenk selbst verletzt, wenn auch 
nur leicht, ist es schmerzhaft oder empfindlich, oder wird es aus 
irgend einem Grunde ruhig gestellt, so wird man eine Muskelabnahme 
niemals vermissen. Darüber, daß das Gelenk für die Entstehung der 
Muskelatrophie eine ausschlaggebende Rolle spielt, sind alle Autoren 
einig, nur über das Wie sind die Meinungen geteilt. 

Der Muskel kann sich in zweifacher Weise betätigen, erstens 
durch willkürliche Zusammenziehungen, zweitens reflektorisch. Die 
aktive Kontraktion ist an den Willen gebunden und dementsprechend 
beliebig regulierbar. Die reflektorische Tätigkeit des Muskels ist 
vom Willen unabhängig. Sie kann sich auch in gröberen Kon¬ 
traktionen äußern, z. B. bei der Erzeugung von Sebnenreflexen. Viel 
wichtiger aber sind die Erregungen, die dem Muskel auf dem Wege 
der Assoziation und Koordination zufließen, welche natürlich ebenfalls 
die Nervenbahn, vielfach nur das Rückenmark passieren. Niemals 
ist ein Muskel für sich allein tätig. Stets wirkt er mit mehreren, 
ja mit sehr vielen zusammen. Auch bewegt er niemals, wie Otto 
Fischer nachgewiesen hat, ein Gelenk allein, umgekehrt wird er 
in die Tätigkeit der Nachbargelenke mit einbezogen. Auch zur Er¬ 
haltung des Muskelgleichgewichtes wirken vielfach Muskeln zusammen, 
auch solche entfernter Systeme, wie es auch keine rein einseitigen 
Bewegungen gibt, sondern stets die andere scheinbar ruhige Seite 
mit innerviert wird. Die Symmetrie paariger Organe ist vielleicht 
von diesem Koordinationsverhältnis aus zu erklären. Aus all diesen 
Dingen heraus haben sich feste Zusammenwirkungen entwickelt, 
welche selbst dann tätig sind und die eingeordnete Muskulatur selbst 
dann mit erregen, wenn sie eine Kraftleistung durch ihre Zusammen- 
ziehuug nicht zu bewirken vermögen. Von Interesse sind die Aus¬ 
führungen Stassers [10] zu diesen unwillkürliclienMuskelbetätigungen. 
Er sagt S. 4: „Das Wesentliche der Muskeltätigkeit besteht darin, 
daß in der Längsrichtung des Muskels Spannung erzeugt wird, nicht 


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Grunewald. 


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in der Leistung der äußeren Arbeit“, S. 24: «Daß vom Nervensystem 
aus auch unabhängig von dem, was man gewöhnlich als funktio¬ 
nelle Erregung bezeichnet, Reize zum Muskel fließen, welche dessen 
Ernährung beeinflussen, möchte ich nicht in Zweifel ziehen. Es kann 
dies nicht bloß auf dem Wege der Gefäßnerven, sondern auch unter 
Umständen durch die muskulomotorischen Bahnen geschehen. Auf 
letzterem Wege können subnormale Reize zufließen, welche einen 
kleinen Teil der Fasern auf einmal in Aktion versetzen, keine Funktion 
nach gewöhnlicher Auffassung bewirken und doch für die Erhaltung 
der Muskelkonstitution von Bedeutung sind.“ 

Solange der Muskel mit den grauen Vorderhörnern in regel¬ 
mäßiger Verbindung steht, ist er nie ganz untätig. Ist diese Ver¬ 
bindung aufgehoben, so hört jede Betätigung auf. 

Wir haben es also mit zwei Quellen für die Muskelernährung 
zu tun, den grauen Vorderhörnern und den Gelenken. Die Muskel¬ 
tätigkeit selbst ist es, welche an diesen Stellen ihre Ernährungsreize 
erzeugt, und zwar wirkt sie auf die Gelenke nur durch die aktive 
willkürliche Kontraktion. Hört diese auf, so verliert das Gelenk die 
Fähigkeit, Hormone zu bilden, und damit leidet rückwirkend die Er¬ 
nährung der untätigen Muskeln. Für die graue Substanz der Vorder¬ 
hörner kommt natürlich die aktive Kontraktion der Muskeln ebenfalls 
in Betracht. Aber sie ist außerdem noch abhängig von den ständigen 
kleinen Reizen, welche dem Muskel zufließen, ja die letzteren ge¬ 
nügen, wenn die willkürliche Kontraktion selbst für längere Zeit 
aufgehoben ist, z. B. bei monatelang liegenden Gipsverbänden, die 
Lebensfähigkeit des Muskels zu erhalten. Dauernd aber scheinen 
sie nicht zu genügen, denn wir wissen, daß bei Eintreten der völligen 
Gelenkversteifung die zugehörige Muskulatur schwer geschädigt wird, 
ja zuweilen ganz zugrunde geht, wenngleich sich einzelne Muskel¬ 
gruppen auch hierbei als widerstandsfähiger erweisen als andere. 
Offenbar nimmt die Erregbarkeit des Muskels mit der Verminderung 
der ihn treffenden Reize ab, und auch die weniger benutzten Asso¬ 
ziationsbahnen verlieren allmählich ihre Wegsamkeit. 

Diese Hormonentheorie ist nun imstande, alle bisher bekannten 
und teilweise so rätselhaften Erscheinungen der traumatischen und 
artikulären Muskelatrophie zu erklären. 

1. Die Lösung des Muskels von den nervösen Zentren hebt 
jede willkürliche und reflektorische Muskeltätigkeit auf, vernichtet 
die Hornionenerzeugung gänzlich und führt daher zum Muskeltod. 


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Ueber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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2. Jede Ruhigstellung des Gelenkes, insbesondere aber jede 
Erkrankung des Gelenkes beeinflußt quantitativ die Bildung der Ge- 
lenkhormone, schmälert dadurch die Nähr- und Wuchsstoffe der 
Muskulatur und führt zur Abmagerung derselben. Natürlich werden 
monartikuläre Muskeln hierbei stärker beschädigt als polyartikuläre, 
und deshalb sehen wir z. B., daß der lange Kopf des Quadriceps 
femoris, der jenseits des Hüftgelenks entspringt, weniger sich an 
der Atrophie beteiligt als die beiden monartikulären Vasti. Einen 
ähnlichen Unterschied sehen wir zwischen dem binartikulären Gastro- 
cnemius und dem monartikulären Soleus (Sulzer) [11]. 

3. Die Muskeln von Amputationsstümpfen und an versteiften 
Gelenken bieten verschiedene Befunde. Sie atrophieren unter allen 
Umständen, da ja die Beziehung zum Gelenk unter allen Umständen 
aufgehoben oder wenigstens stark reduziert ist. Jedoch sind die 
Grade der Atrophie verschieden, je nach der dem Muskel verbliebenen 
Betätigungsmöglichkeit. Diese ist an Amputationsstümpfen zuweilen 
keineswegs unerheblich, und dementsprechend auch das verbleibende 
Muskelvolumen. Be ly hat einen Fall von intrauteriner Amputation 
veröffentlicht. Die Muskelstümpfe inserierten in der Haut und be¬ 
wegten diese so geschickt, daß der Amputationsstumpf wie ein Rüssel 
beweglich war und sich förmlich festsaugen konnte. Dazu gehören 
natürlich relativ gesunde Muskeln. Wird aber der Stumpf nicht 
benutzt, so atrophieren die Muskeln stärker. Völlig zugrunde gehen 
sie indessen, solange sie in normalem Zusammenhang mit dem peri¬ 
pheren Neuron stehen, nicht, weil ihnen dadurch immer eine gewisse 
Erregungsmöglichkeit gewährleistet ist, die je nach dem Gebrauch 
natürlich verschieden ist. Wäre dem nicht so, so könnte der Am¬ 
putierte auch keine Prothese tragen. 

4. Aehnlich liegen die Dinge bei Gelenkversteifung. Es gibt 
Fälle mit hochgradiger und solche mit geringer Atrophie. Schon ein 
geringer Grad von Beweglichkeit des Gelenkes leistet für die Erhal¬ 
tung der Muskulatur vieles. Aber auch bei völliger Versteifung bleiben 
die Muskeln zuweilen am Leben. Zuckerkandl und Erben [12] 
sahen bei einer Handgelenkversteifung bei freibeweglichen Fingern 
eine deutliche Zusammenziehung sämtlicher Vorderarmmuskeln, wenn 
die Kranke eine Nadel halten oder sonst geringe Fingerbewegungen 
ausführen sollte. Das gewöhnliche Zusammenwirken der Finger- und 
Handgelenksmuskeln bei Verrichtungen dieser Art hatte genügt, auch 
die selbsttätig nicht mehr tätigen Handgelenksmuskeln zu erhalten. 


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5. Trennt man einen gesunden Muskel durch Durchschneidung 
seiner Sehne vom Gelenk ab, so tritt eine mäßige Atrophie ein 
(Jamin) [14]. Natürlich, denn erstens wird dadurch die Produktion 
der Gelenkhormone quantitativ beeinträchtigt, zweitens entfernt sich 
der Muskel, der ja bei der Durchschneidung zurückschlüpft, von seiner 
Nahrungsquelle. Auch führt er dem peripheren Neuron den nor¬ 
malen Reiz zur Hormonenbildung nicht mehr zu. Ein solcher Muskel 
verhält sich ähnlich wie ein Muskel am Amputationsstumpfe. 

6. Es kommt vor, besonders bei Bleivergiftung, daß Entartungs¬ 
reaktion eine deutliche Schädigung des peripheren Neuron erweist 
und daß der Muskel trotzdem aktiv regelmäßig und ungestört funktioniert. 
Offenbar treten hier die Gelenkhormone kompensatorisch ein. Dieses 
Hilfsmittel mag gelegentlich den Muskel vor schweren Störungen 
retten und den beschädigten Nerven Zeit und Möglichkeit zur Wieder¬ 
herstellung schaffen. Darauf deutet noch ein anderes Symptom. In 
dem Muskel, der infolge der Durchtrennung seines Nerven zerfällt, 
bemerkt man regelmäßig Neubildungen an einzelnen Muskelfasern. 
Auch hierbei mögen die Gelenkhormone mitwirken, denn das Ge¬ 
lenk kann ja bei Durchschneidung einzelner Nervenbahnen mit den 
anderen intakten Muskeln weiter arbeiten und die Hormonenpro- 
duktion fortsetzen. 

Reichen so die Vorstellungen von quantitativen Veränderungen 
der Hormonenproduktion aus, eine Anzahl Veränderungen des Muskel¬ 
lebens zu erklären, so müssen wir für andere Erkrankungen quali¬ 
tative Veränderungen der Hormone annehmen. Wir erinnern uns, 
daß Seitz auf diese die weibliche Osteoinalacie zurückführt. Der¬ 
artig veränderte Hormone wirken toxisch. Es gibt nun einige Fälle 
von traumatischer Muskelerkrankung, die den Eindruck von Ver¬ 
giftungen machen. In der Regel entwickelt sich ja die artikuläre 
Muskelatrophie langsam, auch an den im allgemeinen stärker be¬ 
troffenen Streckern. Gelegentlich ist aber die Atrophie eine akute. 
Der Muskel wird a tempo schlaff und weich und verliert in wenigen 
Tagen an Volumen. Caspari hat diesen Zustand mit dem Worte 
„Kollaps“ bezeichnet. Er kommt vorzugsweise am Quadriceps femoris, 
aber auch am Glutaeus maximus oder Deltoideus vor. Da hierbei 
häufig sogar die Funktion des Gelenkes erhalten ist, so sind sie 
durch Verminderung der Hormonenbildung nicht genügend zu er¬ 
klären und wir müssen eine qualitative, mit toxischer Wirkung ein¬ 
hergehende Veränderung heranziehen. Nun haben wir im ersten 


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Teil dieser Arbeit nachgewiesen, daß die drei wiederholt genannten 
Muskeln schon phylogenetisch zu Atrophie besonders disponieren. 
Aber es kommt noch ein zweites Moment hinzu, welches ebenfalls 
dem Menschen im wesentlichen eigentümlich ist und deshalb eines 
ebenfalls phylogenetischen Charakters nicht entbehrt. Alle drei 
Muskeln, Deltoideus, Glutaeus maximus und Quadriceps, stehen zu 
ihren Gelenken in engerer Beziehung wie die übrigen Muskeln. 
Glutäus und Deltoideus decken die Gelenke zum großen Teil, der 
Deltoideus ist außerdem mit der Kapsel so verwachsen, daß er nur 
schwer von ihr lospräpariert werden kann. Der Quadriceps aber 
läuft mit seiner dicken Sehne durch das Kniegelenk hindurch, die 
innere Fläche der Patella bildet einen Teil der Gelenkinnenfläche 
selbst. Auch das sind Verhältnisse, die wir beim Vierfüßler [5 u. 6] 
vermissen. Deltoideus und Glutaeus maximus sind bei ihnen sehr 
schwach ausgebildet und können deshalb die Gelenke nicht in dem 
Umfange bedecken wie beim Menschen. Die Sehne des Quadriceps 
läuft auch bei Vierfüßlern nicht durch das Kniegelenk hindurch, 
sondern die Kniescheibe hat ihr eigenes Gelenk, welches durch einen 
schmalen und dazu inkonstanten Spalt mit dem Kniegelenk in Ver¬ 
bindung steht. Es ist einleuchtend, daß die Verhältnisse beim Menschen 
der Resorption von Gelenktoxinen besonders günstig sind und daß 
sich dadurch die akuten Fälle von Muskelkollaps an den drei ge¬ 
nannten Muskeln wohl erklären. Auch der langwierige Verlauf dieser 
Fälle, ihre schwere Beeinflußbarkeit durch die Uebungstherapie, der 
die gewöhnliche Muskelatrophie sonst zugänglich ist, spricht für 
ein toxische Ursache. 

Uebrigens läuft auch die Sehne des langen Kopfes des Biceps 
brachii durch das Schultergelenk, ohne daß von einer besonderen 
Beziehung dieses Muskels zu den Erkrankungen des Schulter¬ 
gelenkes etwas bekannt wäre. Das ist indes auch recht wohl 
verständlich, weil der Biceps das Schultergelenk weniger bewegt 
als die Ellbogengelenke (Beugung und Supination), und außerdem 
die betreffende Sehne im Gegensatz zu der massigen Patella nur 
ganz schmal und fein ist und deshalb zur Resorption von Toxinen 
sich wenig eignet. 

In der Unfalliteratur begegnen wir noch einem weiteren 
Krankheitsbild, dessen toxischer Charakter unverkennbar ist. Es 
ist die Sudecksche Atrophie [2]. Sie ähnelt in hohem Maße der 
Osteomalacie. Neben Störungen in der Ernährung der Haut (Glanz- 


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haut, Zyanose usw.) und erheblicher Atrophie der Muskeln sind ins¬ 
besondere die Knochen und Gelenke beteiligt. An den Knochen 
bemerkt man eine Atrophie, die mit der Muskelatrophie die Hoch¬ 
gradigkeit und erstaunliche Schnelligkeit des Auftretens gemeinsam 
hat. Die Gelenke zeigen oft eine polsterartige Verdickung der Ge¬ 
lenkkapsel ohne erhebliches Exsudat. Manchmal bildet sich ein 
Hydrops aus, bei längerem Bestehen Verkürzung der Bänder und 
der Gelenkkapsel (Sudeck, 1. c. S. 27). „Die Gelenke sind meist 
schmerzhaft, die Knochen vertragen keine Belastung.“ Das Leiden 
schließt sich fast ausnahmslos an eine Gelenkerkrankung traumati¬ 
scher oder infektiöser Art an, ferner beobachtet man ähnliche Zu¬ 
stände als „neurotische Atrophie“ bei Erkrankungen der zerebralen 
und spinalen trophischen Zentren, bei der Poliomyelitis anterior, der 
Syringomyelie, Myelitis, gelegentlich auch bei Tabes. Bei trans¬ 
versaler Myelitis wird das Leiden an den unteren Extremitäten nur 
dann beobachtet, wenn das Lendenmark, das Ausgangsgebiet der 
Nerven der unteren Extremität, betroffen ist. Sitzt es höher , so 
bleibt die Atrophie aus. 

Es sind also wieder die beiden Stätten, die wir als Sitz der 
Hormonenbildung in Anspruch genommen haben, die Gelenke und 
die Ganglien der grauen Vorderhörner, welche auch bei der akuten 
Knochenatrophie ersichtlich beteiligt sind. Die Krankheitsbilder sind 
durch die Annahme toxischer Hormone leicht erklärbar. 

Es dürfte sich m. E. überhaupt empfehlen, mit der rätsel¬ 
haften Vorstellung trophisclier Nerveneinflüsse zu brechen und sie 
durch die unseren heutigen Kenntnissen mehr entsprechende Vor¬ 
stellung chemischer Waclistumsreize, die quantitativ und qualitativ 
veränderlich sind, zu ersetzen. Auch die Wirkung der Ovarien auf 
den Uterus wurde früher trophoneurotisch erklärt, bis man sich durch 
Transplantation der Ovarien von der rein chemischen Beziehung 
überzeugte. Bezüglich der artikularen Muskelatrophie ist noch heute 
die Annahme Charcots und seiner Schule eines reflektorischen 
Einflusses der Gelenknerven auf die trophischen Zentren im Rücken¬ 
marke in Geltung. Allerdings hat diese Lehre eine schwere Er¬ 
schütterung erlitten durch die Untersuchungen von Straß er [10], 
Hanau [15] und Sulzer [11] und ganz besonders durch die Tier¬ 
versuche Bum ms [16], welche zu den entgegengesetzten Ergeb¬ 
gebnissen führten, wie sie frühere Experimentatoren — Raymond 
de Roche, Hoffa usw. fanden. — Auch ich möchte einen hierzu ge- 


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Ueber die spezifische Labilität der Streckmuskeln usw. 


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hörigen Punkt richtigstellen. Die starke Beteiligung der Streckmuskeln 
bei der artikularen Atrophie wird von einigen Autoren damit erklärt, 
daß die Gelenknerven aus denselben Nerven entspringen sollen, welche 
auch die Streckmuskeln innervieren (Bähr [17]). Dies würde natür¬ 
lich bei der Annahme einer reflektorischen Beziehung zu den grauen 
Vorderhörnern die vorzugsweise Beteiligung der Streckmuskeln zwang¬ 
los erklären. Aber die Annahme selbst ist nicht richtig. R. Fick (1. c. 
Bd. I, S. 209, 339, 391) spricht sich darüber ganz unzweideutig aus. 
Nach Fick, dessen Autorität auf diesem Gebiete nicht zu bezweifeln 
ist, werden die Gelenke von denselben Nerven, die auch die zuge¬ 
hörigen Muskeln und die zugehörigen Hautstrecken versorgen, ver¬ 
sorgt. Und die Nerven der Strecker haben in dieser Hinsicht vor 
den anderen Nerven keinen Vorzug. 

Fragen wir uns nun nach dem Verhältnis der beiden suppo- 
nierten Bildungsstätten von Hormonen, so kann es keinem Zweifel 
unterliegen, daß die grauen Ganglien bei weitem die wichtigere 
Aufgabe haben. Zur völligen Muskelgesundheit gehört indessen die 
regelmäßige Betätigung beider Bildungsstätten. Am Leben kann 
aber der Muskel nur dann bleiben, wenn die grauen Vorder¬ 
hörner ihn regelmäßig und ausgiebig mit Ernährungsreizen ver¬ 
sorgen. Die Gelenke spielen offenbar eine sekundäre Rolle und sind 
vielleicht auch erst zeitlich später in die Rolle der Muskelhormonen- 
bildner eingetreten. Möglicherweise spielen sie als solche beim 
Menschen eine größere Rolle als bei dem Vierfüßler, denn nach 
meinen Erkundigungen ist dem Tierpathologen von auffallender 
Muskelabmagerung bei den Arthritiden der Tiere nichts bekannt. Es 
kann das aber auch daran liegen, daß länger dauernde Erkrankungen 
nicht zur Beobachtung kommen, weil die Tiere vorher getötet werden. 
Immerhin gibt auch die Tatsache, daß die diesbezüglichen Tierver¬ 
suche eindeutige Resultate nicht, wohl aber einander direkt wider¬ 
sprechende geliefert haben, zu denken. 

Es lag das vielleicht auch an der Fragestellung, die sich immer 
auf die Feststellung trophoneurotischer Einflüsse richtete. Diese 
haben zweiffellos etwas schwer Faßbares, fast Mystisches, während 
Hormone chemische Begriffe mit greifbarer, experimentell zugäng¬ 
licher Basis sind. Es dürfte sich gewiß auch empfehlen, die Ver¬ 
suche von den gewonnenen Gesichtspunkten aus von neuem aufzu¬ 
nehmen. Das ist aber Sache des physiologischen Chemikers. Würden 
meine Vorstellungen durch Versuche bestätigt werden, so könnten 


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daraus ersichtlich neue therapeutische Hilfsmittel sieh ergeben. 
Für die einfache Muskelatrophie bedürfen wir derselben zwar nicht. 
Sie ist durch Uebungstlierapie heilbar, was ja bei dem rückwirkenden 
Verhältnis der Muskelarbeit auf das Gelenk verständlich ist. Da¬ 
gegen könnten vielleicht die akute toxische Muskelatrophie und 
neuritische Schwächezustände günstig beeinflußt werden. Es wäre 
denkbar, bei Neuritis den Muskel durch Zufuhr von Hormonen so 
lange am Leben zu erhalten, bis der Nerv wieder gesundet ist. Die 
Funktion des Muskels würde dann rückwirkend die Ausheilung der 
nervösen Erkrankung befördern. 

Fassen wir das Gesagte nochmals kurz zusammen: 

Es ist wahrscheinlich, daß die Gesundheit der willkürlichen 
Muskeln von der Zufuhr von Hormonen abhängig ist, die in den 
grauen Vorderhörnern und in den Gelenken gebildet werden. Die 
Bildung dieser Hormone ist ihrerseits wieder abhängig von der 
Muskeltätigkeit selbst und erlischt bei gänzlichem Aufhören der¬ 
selben. Muskelatrophie tritt nur dann ein, wenn eine der beiden 
Hormonenquellen geschädigt wird. Und da diese vom Muskelleben 
abhängig sind, so kann man in diesem Sinne von Inaktivitätsatrophie 
sprechen. Ein gesunder Mensch kann aber durch Schonung der 
Muskeln eine Abmagerung nicht erzeugen, dagegen ist es möglich, 
eine durch Erkrankung entstandene durch Uebungsmangel zu er¬ 
halten. Außerdem gibt es noch eine toxische Atrophie, die, abge¬ 
sehen von anderen möglichen toxischen Noxen, durch krankhafte 
Veränderung der Hormone entstehen kann. Die Streckmuskeln 
haben in phylogenetisch jüngerer Zeit bei der Menschwerdung wich¬ 
tige Massen- und Funktionsveränderungen erfahren und sind des¬ 
halb labiler, als die seit uralten Zeiten nur wenig veränderten 
Beuger. Am empfindlichsten sind aus demselben Grunde der Qua- 
driceps femoris, der Glutaeus maximus und der Deltoideus. Diese Mus¬ 
keln, die vorzugsweise der akuten Atrophie verfallen, sind auch 
wegen ihrer engen Beziehung zu den Gelenken toxischen Noxen 
mehr ausgesetzt als alle anderen Muskeln. 


Litera tu r. 

1. Fischer, Deutsche Zeitschr. f. Cliir. 1877, Heft 1. 

2. Sud eck, Handb. d. soz. Med. Bd. 8, Abt. 2. 

3. R. Fick, Handb. d. Anat. u. Mechan. d. Gelenke. Jena, Fischer. 


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4. Pers., Archiv f. Anat. u. Physiol. von His und Du Bois-Reymond, 

1895. Vgl. Anatomische Studien an einem erwachsenen Orang-Utang. 

5. Martin, Lehrbuch der Anatomie der Haustiere Bd. 2. Stuttgart 1904. 

6. Ellernberger und Baum, Anatomie des Pferdes I. Berlin 1893. 

7. Müller, Zentralbl. f. Chir. 1894, Nr. 42. 

8. Landois, Lehrbuch der Physiologie, 1883, S. 584. 

9. Seitz, Ovarialhormone. Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 24. 

10. Strassen, Zur Kenntnis der funktionellen Anpassung der quergestreiften 

Muskeln. Stuttgart 1883, Enke. 

11. Sulzer, Festschrift für Hagenbach und Burckhart, Basel und Leipzig 

1897. — Anatomische Untersuchungen über Muskelatrophie artikularen 
Ursprungs. 

1*2. Zucker kan dl und Erben, Wiener klin. Wochenschr. 1898, Nr. 1. 

13. Grunewald, Monatssschr. f. Unfallheilk. Nr. 7, 1910, und Nr. 11, 1911. 

14. Jam in, Experimentelle Untersuchungen zur Atrophie gelähmter Muskeln. 

Jena 1904, Fischer. 

15. Hanau, Internationaler Physiologenkongreß Bern 1895. 

16. Bumm, Wien. med. Presse 1906, Nr. 51. 

17. Bähr, Monatsschr. f. Unfallheilk. 1895, S. 324. 

Ausführliche Literaturangaben findet man bei Fick, Fischer, Sulzer, Bumm. 


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III. 


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Aus dem orthopädischen Institut von Dr. A. Lüning und 
Dr. W. Schultheß, Privatdozenten in Zürich. 

Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung des 
M. peroneus brevis am Fuß und über seine Stellung 
in der Lehre von der Koordination. 

Von 

Dr. Richard Scherb in Zürich. 

Durch die Untersuchungen eines Mollier, eines Straßer, 
Gaßmann, R. Fick, Roith sind die mechanischen Verhältnisse 
der Gelenke, der an ihnen angreifenden Muskelkräfte und in ihnen 
sich abspielenden Bewegungen soweit am Lebenden und am Modell 
klargelegt worden, daß die Lehre von den Muskelfunktionen seit 
Duchenne besonders für weniger einfache Probleme bedeutende 
Bereicherung erfuhr und die Differenzen in den Angaben der Lehr¬ 
bücher und Atlanten über die Funktionen der einzelnen Muskeln 
seltener werden. Das Ziel der obengenannten Autoren läßt sich 
etwa folgendermaßen kennzeichnen: Feststellung der anatomischen 
Grenzen, innerhalb welcher Bewegungen in den einzelnen Gelenken 
ablaufen können, und Bestimmung des Anteils der Muskeln an den 
untersuchten Bewegungsformen (teils unter Berücksichtigung der zu 
leistenden Muskelarbeit). Die gewonnenen Resultate sind die Basis 
für die Beurteilung aller durch Kombinationen so mannigfach zu 
gestaltenden Bewegungen, deren ein Individuum fähig ist, und weiter¬ 
hin für die Beurteilung aller Bewegungsstörungen, deren Ursachen 
im Nerven-Muskelsystem liegen, v. Monakow sagte in seinem Vor¬ 
trag: Aufbau und Lokalisation der Bewegungen beim Menschen 1 ) 
in der Versammlung der Gesellschaft für experimentelle Psychologie 

') Arbeiten aus dem hirnanatomischen Institut in Zürich 1911, Heft 5. 


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Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung des M. peron. brev. am Fuß usw. 33 

in Innsbruck am 19. April 1910: „Es gibt zweifellos Tiere, deren 
Körperbewegungen, an Kraft, Präzision, teilweise auch an Feinheit 
denjenigen des Menschen überlegen sind; in bezug auf Fülle und 
Mannigfaltigkeit der Bewegungsformen, wie sie durch die Handlung 
zum Ausdruck kommen, kann sich aber kein Geschöpf mit dem 
Menschen messen.“ Dieser Fülle und Mannigfaltigkeit Rechnung 
zu tragen, mit anderen Worten, den motorischen Ausdruck der per¬ 
sönlichen Note, des Charakters eines Menschen, so wie sie durch 
jene vermittelt werden, zu analysieren, fällt nicht mehr in das Ge¬ 
biet der Physiologie unserer motorischen Organe. Genügt aber 
anderseits die Bestimmung der Yerkürzungs- und Verlängerungs¬ 
quote der Muskeln am Präparat und am Phantom, die sich bei jeder 
Bewegung ergibt, zur erschöpfenden Feststellung aller Möglichkeiten 
und Konstellationen, welche zur Voraussetzung für aktive Beteiligung 
eines Muskels werden können? Ist die Richtigkeit der elektro- 
physiologischen und klinischen Untersuchungsergebnisse, wie sie 
z.B. Duchenne in seiner Physiologie des mouvements aufgezeichnet 
hat, ausnahmslos durch sich eignende Versuche an Leiche oder 
Phantom kontrollierbar und korrigierbar? 

Solche Fragen drängen sich auf, wenn man sieht, daß seit 
fast 3 Jahrhunderten über die Wirkungsweise des Peroneus brevis 
bis heute die verschiedensten Ansichten in der Literatur aufgetaucht 
sind und zum Teil noch heute herrschen. 

van den Spighel [1] unterschied drei Bewegungen des Fußes, die von 
sechs Muskeln besorgt würden: Extendentium I: Gastrocnemius, Ext. II: Soleus; 
Flectentium I: Tibiaeus anticus, Fleet. II: Peronaeus secundus; Oblique mo- 
ventium I: Tibiaeus posticus, Obi. mov. II s. abducens: Peronaeus primus. Die 
nähere Beschreibung ergibt die üebereinstimmung zwischen Per. sec. und Per. brev. 
einerseits und Per. prim, und Per. long. anderseits. Die Wirkung der langen Zehen- 
muskeln auf die Bewegungen des Fußes waren van den Spighel demnach 
nicht bekannt. Winslow [2] sagt: „Le Peronier Moyen sert aussi ä fleebir 
le Pied et ä s'opposer au renversement de la Jambe dans la Station, comme le 
Jambier Anterieur . . . il fait tourner la Plante du Pied en dehors en meme 
temps qu’il exöcute la Flexion.* Sabatier [3] nimmt an, daß er wegen seiner 
Insertion am Os metatarsale V die Spatia intermetatarsalia vergrößere und so 
den Fuß verbreitere, und meint ferner: „Ce muscle etend le pied surlajambe 
et en quelque occasion la jambe sur le pied.“ Albinus [4] hält die Wirkung 
des Per. brev. für identisch mit der des Per. long., von dem er ongibt, daß er 
die Planta nach außen und mäßig nach hinten drehe. Wie Sabatier glaubt 
auch er, daß der Per. brev. die Fußsohle verbreitern und abflachen könne. Nach 
Meckel [5] „beugt* er „das Fußgelenk, richtet also den Fuß in die Höhe, zieht 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 3 


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Scherb. 


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den Unterschenkel herab und wendet . . . die Sohle nach außen, den äußeren 
Rand des Fußes nach oben*. S ö m m e r i n g-T h e i 1 e [ü] beschreiben ihn als 
Extensor, Pronator, Abduktor des Fußes (und der kleinen Zehe). Desgleichen 
glaubt v. Luschka [7] an eine Abduktion der gestreckten kleinen Zehe 1 ) und 
dadurch bewirkte Verbreiterung des Fußes durch den Per. brev., der außerdem 
nur noch den äußeren Fußrand heben soll. Duchenne [3] faßt seine ein¬ 
schlägigen elektrophysiologischen, anatomischen und klinischen Untersuchungen 
in der „Generalübersicht“ in folgenden Worten zusammen (S. 473 der deutschen 
Uebersetzung): „Der Per. brev. bringt den Fuß direkt in Abduktion und be¬ 
wirkt zugleich eine Drehung desselben von innen nach außen um seine Längs¬ 
achse (Valgusbewegung); er erhebt den fünften Mittelfußknochen über da< 
Niveau der andern; endlich versetzt er den Fuß in eine Mittelstellung zwischen 
Beugung und Streckung.“ Ich will auf diese vor Duchenne noch nicht er¬ 
wähnte letztgenannte Funktion mit seinen eigenen Worten näher eingehen: 
„Wenn der Fuß in äußerster Streckung steht, so sieht man ihn im Augenblick, 
wo man den Per. brev. zur Kontraktion bringt, sich gegen den Unterschenkel 
beugen; wenn er sich dagegen spitzwinklig gegen den Unterschenkel gebeugt 
findet, so streckt er sich, bis er beinahe einen rechten Winkel mit dem Unter¬ 
schenkel bildet.“ Demgegenüber stellte R. Fick [9] durch Messungen am 
anatomischen Präparat folgendes fest: Der Per. brev. steht unter 7 Streckern 
(oberes Sprunggelenk) an letzter Stelle mit Verkürzung um G,5 mm — die 
Quantität der Arbeit ist für unsere Frage irrelevant—, unter 6 Pronatoren 
(unteres Sprunggelenk) an zweiter Stelle mit Verkürzung um 22,7 mra, unter 
4 Pronatoren (Chopartgelenk) an zweiter Stelle mit Verkürzung um 10,6 mm; 
mögliche Gesamtverkürzung des Per. brev. bei Freiheit aller Gelenke: 36mm. 
Gegenbaur [10] beschreibt die Wirkung des Per. brev. als „jener des Per. 
long. ähnlich*. (Duchenne wies 1. c. ausdrücklich auf die Verwirrung hin, 
welche durch Zusammenwerfen der Wirkungsweisen der beiden Per. entstünde.) 
Der Per. long. „hebt den äußeren Fußrand und bewirkt die »Pronation* des 
Fußes“. Im Atlas von Spalteholz [11] steht über unseren Muskel: „Beugt 
den Fuß plantarwarts und proniert ihn.“ Krause [12], der auf den genannten 
Atlas verweist, sagt: „Der Muskel abduziert den Fuß und unterstützt die 
Dorsalflexion, wirkt überhaupt wie der vorige, nur schwächer.“ Gemeint ist 
der Per. long., dieser „abduziert den Fuß und hilft bei dessen Dorsalflexion, 
hebt den lateralen Fußrand in die Höhe und wendet den medialen Fußrand 
und die Fußspitze nach unten, die Sohle lateralwärts, bewirkt also die Prona¬ 
tion; oder er zieht bei befestigtem Fuß den Unterschenkel nach hinten“. Für¬ 
bringer, 8. Aufl. von Gegenbaurs Lehrbuch, Bd. 2 u. 3, und Frohse und 
Frankel, Die Muskeln des menschlichen Beines (in Bardeleben, Handb. 
d. Anat. d. Menschen) sind zurzeit noch nicht erschienen. 

In allerjüngster Zeit kritisiert nun R. Fick [131 wiederum 
die Ansicht von Duchenne und dessen „mangelhafte mechanische 

, ) Wir werden weiter unten in anderem Zusammenhang sehen, unter 
welchen Umständen eine direkte Wirkung auf die kleine Zehe tatsächlich mög¬ 
lich ist. 


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Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung des U. peron. brev. am Fuß usw. 35 


Kenntnisse“. Er weist dabei auf die Behauptung von Duchenne 
hin, „der »Hintere Schienbeinmuskel 1 und auch der ,Kurze Waden- 
beinmuskel‘ könnten den Fuß sowohl heben als senken (!), obwohl 
sie doch in festen Sehnenrollen eingebettet liegen, so daß eine Ver¬ 
schiebung ihrer Sehnen gegenüber der Achse ganz ausgeschlossen 
ist. Vom »Langen Wadenbeinmuskel 4 behauptet er, daß er den 
Fuß nur bis zur rechtwinkligen Stellung plantarwärts senken könne, 
während meine Untersuchung ergab, daß er sich während der ganzen 
Fußsenkung verkürzt, und auch seine Faserlänge ist für diese Ver¬ 
kürzung von 1 cm durchaus nicht etwa insuffizient (siehe II. Bd., 
S. 301).“ 

Diese erneute Verteidigung des mechanischen Standpunktes, den 
R. Fick [9], gestützt auf seine Untersuchungen über die Arbeit der 
Fußgelenkmuskeln, einniramt, gegenüber der mehr oder weniger 
weitgehenden Annahme einer d o r s a 1 flektierenden Wirkung des 
Per. brev., veranlaßten mich, an einer größeren Anzahl von Personen 
verschiedenen Alters mit gesunden oder teilweise gelähmten Unter¬ 
extremitäten das Verhalten des Per. brev. besonders in bezug auf 
die umstrittene Funktionsweise zu studieren. Im folgendes seien 
die Beobachtungen und die aus ihnen gewonnenen Schlüsse wieder¬ 
gegeben. 

Ist der Peroneus brevis ein Dorsalflexor des Fußes 
und, wenn ja, inwiefern und unter welchen Bedingungen? 
Denn daß der Muskel für den gesunden, nicht gelähmten Fuß ohne 
weiteres kein eigentlicher Dorsalflexor sein kann, ergibt sich aus 
der Betrachtung seiner anatomischen Lage gegenüber der Drehachse 
des oberen Sprunggelenks. Der Verlauf des Endstücks seiner Sehne 
hinter dem Malleolus ext. bis zu seiner Insertion liegt bei jedem 
Grad von Plantar- und Dorsalflexion des Fußes hinter der Dreh¬ 
achse des oberen Sprunggelenks, welche nach R. Ficks Angabe 
die laterale Talusfläche etwa an der Spitze ihrer Gelenkfläche 
schneidet (Hdb. III. Teil, S. 600). 

Die funktionelle Betrachtung einer Dorsalflexion des Fußes 
zeigt aber, daß unser Muskel unter gewissen Umständen doch mit 
in Aktion tritt. 

Wenn man nämlich eine Versuchsperson mit intakter Unter¬ 
schenkelmuskulatur auffordert, eine Dorsalflexion des Fußes aus- 
zuflihren, so kann man sehr oft ein deutliches und zwar ziemlich 
plötzliches Vorspringen, Sichanspannen der Peroneus- 


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sehne fühlen. — Bringt man an der lateralen Seite des Fußes mit 
der Hand einen Widerstand gegen die Dorsalflexion an, und beauf¬ 
tragt man die Versuchsperson, diesen Widerstand zu überwinden, 
so ist wiederum ein deutlich einsetzendes Agieren des Per. brev. 
nachweisbar. — Gibt man diesen Widerstand plötzlich frei, so ver¬ 
schwindet sofort die eben noch vorspringende Peroneussehne. — 
Veranlaßt man nun die Versuchsperson, bei dieser Dorsalflexion des 
Fußes besonders den äußeren Fußrand zu heben, so wird man bei 
Erwachsenen noch konstanter als bei Kindern die Peroneussehne 
vorspringen sehen. — Vermehrt man die bestehende Kontraktion 
des Peroneus brevis während der Dorsalflexion durch einen am 
Muskel selbst applizierten faradisehen Strom, so ist der Effekt 
ein noch stärkeres Vorspringen der Sehne mit gleichzeitiger aktiver 
Plantarflexion, verbunden mit einem Uebergang in Pronatiou und 
Abduktion. — Das plötzliche Auftreten der Anspannung legt die 
Vermutung nahe, daß bei dieser doch langsam ausgeführten Be¬ 
wegung des Fußes nicht eine allmähliche passive Dehnung die 
Anspannung des Peroneus zur Folge hat, sondern daß dem Muskel 
ein präzis abgestimmter Kontraktionsreiz zugegangen sein muß. 
Durch die Applikation des faradischen Stromes, welcher auch bei 
geringer Stärke den Per. brev. zum deutlich plantarbeugenden 
Antagonisten machen kann, wird man überdies auf die Notwendig¬ 
keit hingewiesen, daß sein Tonus bei der Unterstützung der Dorsal¬ 
flexion genau nach demjenigen der Dorsalflexoren abgestimmt sein 
muß. Natürlich dürfte dann sein Arbeitseffekt nie dem der Dorsal¬ 
flexoren gleichkommen. 

Die Versuche zeigen, daß dem Peroneus brevis tatsäch¬ 
lich ein mittelbarer Anteil am Zustandekommen der 
Dorsalflexion zuzuschreiben ist. Man kann sich diese mittel¬ 
bare Beteiligung folgendermaßen vorstellen: Wenn durch die Dorsal¬ 
flexoren des Fußes die intendierte Bewegung angehalten wird, so 
kann, sei es auf dem Wege eines Spannungsreflexes, sei es durch 
einen Willensimpuls, der Per. brev. seiner Dehnung einen Wider¬ 
stand entgegenstellen oder sich verkürzen, wodurch der so ver¬ 
stärkten Dorsalflexion des äußeren Fußrandes noch eine gewisse 
pronatorische Komponente beigemengt wird. — Die auffallende Tat¬ 
sache, daß bei Erwachsenen der Per. brev. fast stets beim Auftrag, 
den Fuß dorsalwärts zu flektieren, in Aktion tritt, während man bei 
Kindern nur nach wiederholtem Aufmuntern, den Fuß fest hinauf- 


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Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung des M. pcron. brey. am Fuß usw. 37 


zuziehen, die Peroneussehne rasch vorspringen sieht: diese Tat¬ 
sache scheint darauf hinzuweisen, daß der Organismus im Lauf der 
Zeit lernt, die nützliche Mithilfe des Per. brev. bei ausgiebiger 
Dorsalflexion auf dem Wege eines konstanten Koordinationsreflexes 
auszunützen, der sicher im Gehakt eine nicht unwichtige Rolle spielt. 
Aus dem geschilderten Verhalten bei der faradischen Reizung läßt 
sich der weitere Schluß ziehen, daß der Per. brev. jederzeit im¬ 
stande ist, aus seiner dienenden Stellung bei der Dorsalflexion her¬ 
auszutreten und eine Plantarflexion zu provozieren. 

Ich stelle mir vor, daß bei der im Gehakt in der Regel nicht 
bewußt werdenden Doppelfunktion des Per. brev. — Dorsalflexion, 
abhängig vom Extensor dig. longus (beim Aufsetzen des Fußes 
auf eine höhere Treppenstufe z. B.), und unmittelbar auf diese 
folgende Plantarflexion beim Abwickeln des Fußes — jener Reflex 
zur Regelung der Impulsgröße von seiten des Extensor dig. longus 
kaum den einfachsten Spinalreflexen zugezählt werden kann, und 
glaube, daß er zum Leitmotiv der den Gang begleitenden „kine¬ 
tischen Melodie“ (v. Monakow) gehört. 

Wenn man tatsächlich eine „reflektorische Spanriungsentwick- 
lung* (Förster [14]) am Per. brev. annehmen will, die aus¬ 
gelöst würde durch die Aktion besonders des Extensor dig. longus, 
so ist doch zu betonen, daß der Per. brev. nicht als reiner 
Antagonist des genannten Muskels betrachtet werden darf; denn 
er vermag, wie wir sahen, durch seine Intervention bei der Dorsal¬ 
flexion die Hebung des äußeren Fußrandes merklich zu steigern. 
Seine Wirkung ist eine mittelbare zu nennen, weil sie immer erst 
in Abhängigkeit von den eigentlichen Dorsalflexoren deren Arbeit 
unterstützen kann. 

Gemäß dieser Betrachtungsweise erhält der Per. brev. dank 
dieser eben beschriebenen Mithilfe eine Sonderstellung unter den von 
Duchenne [8] und 0. Förster [14] aufgestellten Synergie¬ 
formen. 

Bei der agonistiscben kollateralen (Duchenne) und der von 
Förster aufgestellten rotatorischeu Synergie handelt es sich darum, 
daß der jeweils in Frage stehende Synergist durch seine Mitarbeit 
die Leistung des Hauptagonisten bezüglich der Kraft auf ein mög¬ 
liches Minimum reduziere, bezüglich des Weges die Beibehaltung 
der Richtung garantiere, welche der Erreichung des intendierten 
Zieles entspricht. All diesen agonistischen Synergien liegt also die 


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gemeinsame Voraussetzung zugrunde, daß die Bewegung des Haupt* 
agonisten eine Verkleinerung des Winkels bewirke, welchen 
Ursprung, Drehpunkt und Ansatz der für die jeweilige Aktion 
nötigen agonistischen, kollateralen und rotatorischen Synergisten 
bilden. Bei der Mithilfe des Per. brev. bei der Dorsalflexion ver¬ 
größert sich nun der überstreckte, durch Fibulaköpfchen, Mall, 
ext. und Basis ossis metatars. V bestimmte Winkel. 

Mechanisch betrachtet wird ein Muskel da agonistiscker 
Synergist, wo die von dem bewegten Glied beschriebene Fläche 
nicht in der durch Ursprungsstelle, Ansatzstelle des Muskels und Dreh¬ 
punkt des Gelenks bestimmten Ebene liegt bei zunehmender Ver¬ 
kleinerung des Winkels, dessen Scheitelpunkt in die Drehachse fällt. 
Diese Vorstellungsweise macht die Leichtigkeit anschaulich, mit der 
bei Kurvenbewegung eines Gliedpunktes (in Gelenken von zwei und drei 
Graden Bewegungsfreiheit) die Synergisten zu Hauptagonisten werden 
und umgekehrt wiederum zur Synergie zurückkehren können. Quali¬ 
tativ ändert sich bei diesem Uebergang nichts für die Funktion der 
beteiligten Muskeln. Ihre Verkürzung hilft als Komponente an der 
Verkleinerung des Gelenkwinkels mit; die Bewegungsrichtung ist 
in allseitig freien Gelenken die Resultante aus den momentan ver¬ 
teilten Kräftekomponenten. 

Da man versucht sein könnte, die Mithilfe des Per. brev. 
bei der Dorsalflexion des Fußes in Parallele zu setzen mit der Aktion 
des Extensor carpi beim Faustschluß (über d. s. Förster 1. c. p. 46) 
und sie wie diese als agonistische Synergie zu betrachten, 
sehe ich mich veranlaßt zu prüfen, inwiefern eine Uebereinstimmung 
bestehe. 

Wenn J. F. Meckel [5] vom Per. brev. sagt: „Er entspricht 
dem Ellenbogenstrecker (M. ulnar, ext. s. Extensor manus ulnaris) 
am Vorderarm und zum Teil dem kleinen Strecker des fünften 
Fingers“, so ist diese Ansicht deshalb verständlich, weil Meckel 
unseren Muskel für einen reinen Dorsalflexor hält (vgl. oben). Des¬ 
halb stellt er ihn in Gegensatz zum Per. long. als einem Strecker 
des Fußgelenks, der dem M. ulnaris int. s. Flexor ulnaris korrespon¬ 
dieren sollte. Korrigieren wir den Irrtum Meckels, so würden 
beide Peronei dem Flexor carpi ulnaris ähnlich sein. 

Auf die Hand angewendet, würde die Synergie des Extens. 
digit. long. pedis und des Per. brev. einer Synergie des Extens. 
digit. long. manus und des Flexor carpi ulnaris gleichkommen. 


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Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung des M. peron. brev. am Fuß usw. 39 


Durch diese beiden Muskeln wird aber die Hand in Ulnar fl exion- 
abduktion bei Streckung der Finger gebracht. Um den Vergleich 
mit dem von Förster gegebenen Beispiel an wenden zu können, 
war ich genötigt, dasselbe durch den für unsere Frage völlig gleich¬ 
wertigen Ersatz der entsprechenden Flexoren durch Extensoren 
(und umgekehrt) abzuändern. Die zweckmäßige Mitbewegung der 
agonistischen Synergisten bei Oeffnung der zur Faust geballten Hand 
liegt in einer Ulnarabduktion und -flexion (ich berücksichtige 
absichtlich nur den Homologen des Per. brev. am Vorderarm). 
Der Flex. carp. uln. schafft lediglich der Aktion des Ext. dig. comm. 
long. manus günstige Verhältnisse, während der Per. brev. die 
Funktion seines anatomischen Antagonisten verstärken kann. Agiert 
dieser entsprechend dem erstgenannten, dann muß eine Dorsalflexion 
der Zehen bei gleichzeitiger Plantar flexion und Abduktion des 
Fußes erfolgen. Damit ist bewiesen, daß der Per. brev. für den 
Ext. dig. long. ped. bei der Dorsalflexion des Fußes nicht ein 
agonistischer Synergist sein kann im Sinne des von Förster an 
der Hand gegebenen Beispiels. 

Handelt es sich also um antagonistische Synergie? Ihr Zweck 
ist, die Geschwindigkeit einer Bewegung moderierend zu beeinflussen. 
Genau genommen könnte man auch hier kollaterale und rotatorische 
antagonistische Synergie unterscheiden (neben rein antagonistischer). 
Die Wirkungsweise des Antagonisten besteht darin, daß er seiner 
Dehnung, also der Vergrößerung seines Aktionswinkels, einen pas¬ 
siven Widerstand entgegenstellt. Das mag für leichte Mitarbeit 
des Per. brev. gelten; die Beobachtung hat aber gelehrt, daß er 
sich bei maximaler Mithilfe verkürzt, die Dorsalflexion des Fußes 
steigernd! Das widerspricht dem Begriff des Antagonismus und 
weist zugleich darauf hin, daß das Tuberculum oss. metatarsi V 
bei kräftiger Dorsalflexion dem Malleolus ext. genähert wird. Diese 
Annäherung geschieht, während der von der Fibula und der End¬ 
sehne des Peroneus gebildete überstreckte Winkel sich vergrößert, eine 
Erscheinung, die wiederum der plantarflektierenden Eigenfunktion 
des Per. brev. nicht nur nicht angehört, sondern ihr widerspricht. 
Ich möchte den Gegensatz so formulieren: Wir haben physiologisch 
(funktionell) eine agonistische Synergie, anatomisch eine antago¬ 
nistische. Doch auch rein physiologisch dokumentiert sich die Aus¬ 
nahmestellung: der Per. brev. kann zu einer Verkürzung gebracht 
werden, sei es psychomotorisch oder reflektorisch bei einer Gelenk- 


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bewegung, die ihn, verhielte er sich wie andere Muskeln, nur zum 
passiven Widerstand gegen allzu rasche oder allzu ausgiebige Deh¬ 
nung reizen sollte. 

Wir müssen uns stets vor Augen halten, daß die bei der 
Dorsalflexion geleistete sichtbare (und in seiner Verkürzung kon¬ 
statierbare) Arbeit unseres Muskels immer vom Ext. dig. comm. 
eingeleitet, provoziert werden muß, und uns der Rolle erinnern, 
welche die Gelenksensibilität für das Muskel- bzw. Koordinations¬ 
gedächtnis spielt. Ich beschränke mich darauf, in diesem Zusammen¬ 
hang auf diese verschiedenen Faktoren hinzuweisen. 

Im Hinblick auf die eben erwähnte Abhängigkeit der die 
Dorsalflexion des Fußes unterstützenden und vermehrenden Aktion 
des Per. brev. von derjenigen des Ext. dig. long. möchte ich die¬ 
selbe in Anlehnung an die Duchenne-Forst er sehe Auffassung 
konsekutive agonistische Synergie nennen. 

Unserem in erster Linie als Plantärflexor, Abduktor und Pronator 
zu betrachtenden Muskel haben wir nunmehr so viele funktionelle 
Beziehungen zu den Dorsalflexoren nachgewiesen, ja ihn als mittel¬ 
baren Dorsalflexor kennen gelernt, daß es sich wohl rechtfertigt, 
deswegen eine entwicklungsgeschichtliche, vergleichend anatomische 
und in Muskelvarietäten aufzudeckende anatomische Verwandtschaft 
mit jenen zu vermuten. 

Nicht selten findet man in Lehrbüchern oder Atlanten der 
normalen *Vnatomie einen dünnen Sehnenstrang angegeben (Gegen- 
baur [10]) oder abgebildet (Henle [15]), der von der Sehne des 
Per. brev. entspringt und zum Dorsum der kleinen Zehe verläuft. 
Sappey betrachtet ihn ebenfalls als konstant. Andere Autoren 
(Förster [1(3], Testut [17], Krause [12], v. Luschka [7], 
v. Sö m mering-Th ei 1 e [6]) halten ihn für eine Varietät, über 
deren Häufigkeit die Meinungen auseinander gehen. Ich will hier 
erwähnen, daß Gantzer [19] und Sels [20] unter sämtlichen am 
Berliner anatomischen Institut von 1810 bis 1815 beobachteten Muskel¬ 
varietäten den Per. brev. nicht nennen. Nach Schomburgs [21] 
Untersuchungen am Embryo steht der Per. brev.' mit dem Ext. 
dig. ped. brev. in Zusammenhang. «Diese Verbindung erhält sich 
bis zum 3. Monat.“ Ferner sei auf Rüge verwiesen (Morph. Jahrb. 
Bd. IV, Suppl. T. VIII, Fig. 12 und 13). 

Es würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, wenn ich 
die Literatur der Varietäten des Per. brev. eingehender besprechen 


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Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung des M. peron. brev. am Fuß usw. 41 

wollte. Ich verweise, um zwei zu nennen, auf die Werke von 
Testut [17] und Le Double [18]. Jener bringt ungefähr folgende 
Typen: Vereinigung des Per. long. mit Per. brev., Verdoppelung 
des Muskels oder der Sehne und überzählige Insertionen an den 
Knochen des Fußes (fünfte Zehe, Os cub., Abductor dig. V, Os 
metat. IV und V); Wiederauftreten des Per. dig. V (Ext. brev. dig. V 
nach Rüge) in vollständiger und unvollständiger Ausbildung. Da 
sich überall in diesen Varietäten Anklänge an die vergleichend¬ 
anatomischen Verhältnisse finden, wie sie Rüge [22] in vorzüglicher 
Weise geschildert hat, so sei über dieses äußerst interessante Thema 
folgendes erwähnt: Bei den Monotremen ist der Per. brev. nur ein 
Teil des Ext. dig. V brev. Rüge ist der Meinung, „daß vom Per. 
brev. bei Ornithorhynchus erst Andeutungen überhaupt existieren, 
daß durch ein allmähliches proximalwärts Wandern der lateralen 
Sehne des Ext. brev. dig. V und durch die spätere Spaltung des 
letzteren in zwei Bäuche sich erst der Per. brev. herausbildete, wie 
wir ihn bei den übrigen Säugern treffen.“ Ein Markstein in der 
Entwicklungsreihe ist die Ausbildug des Mall, ext., durch den die 
Peronealmuskeln von den Extensoren getrennt wurden. «Der Mall, 
ext. gehört in die Reihe der durch die Muskulatur bedingten Knochen¬ 
leisten.“ Anderseits vollzieht sich ein schrittweises Wandern der Sehnen 
des Ext. brev. nach vorn auf den Fußrücken. Von diesem entspringen 
bei den Marsupialiern der Muskelbauch für die erste Zehe und ein 
Teil des für die zweite Zehe bestimmten Muskels, bei den Nagern, 
Insektivoren und einigen Prosimiern (Maki, Tarsius) der Rest für 
die zweite und der Muskel für die dritte Zehe, bei einigen Eden- 
taten ein Teil für die vierte Zehe. Bei den Karnivoren, den Affen 
und Menschen bleibt nur der Ext. brev. dig. V in der ursprüng¬ 
lichen Lage. Er geht entweder ganz zugrunde, oder verwächst 
zum Teil oder ganz (Mensch, anthrop. Affen) mit dem Per. brev. 
Bisweilen persistiert von ihm beim Menschen der oben erwähnte 
Strang, der von der Sehne des Per. brev. zur kleinen Zehe geht. 


Literatur. 

1. Spigeliua, De humani corporis fabrica. 1632. 

2. Winslow, Exposition anatomique de la structure du corps humain. 1732. 

3. Sabatier, Traite complet d’anatomie. 1777. 

4. Albini Historia musculorum hominis. 1796. 


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42 Scherb. Zur Frage der dorsalflektierenden Wirkung des M. peron. brev. usw. 


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5. Meckel, J. F., Handbuch der menschlichen Anatomie. 1816. 

6. v. Sömmering-Theile, Lehre von den Muskeln. 1841. 

7. v. Luschka, Die Anatomie der Glieder des Menschen. 1865. 

8. Duchenne, Physiologie des mouvements (ühers. von Wernicke). 1*66. 

9. Fick, R., Ueber die Arbeit der Fußgelenkmuskeln. Festschrift für v. Köl- 

liker, 1892. 

10. Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen, 7. Aufi., 1903. 

11 Spalteholz, Handatlas der Anatomie. 

12. Krause, Handbuch der Anatomie des Menschen. 1905. 

13. Fick, R., Handbuch der Anatomie und der Mechanik der Gelenke, 3. Teil, 

1911 (in Bardeleben, Handbuch der Anatomie des Menschen). 

14. Förster, 0., Physiologie und Pathologie der Koordination. 1902. 

15. Henle, Muskellehre. 1871. 

16. Förster, Das Muskelsystem eines männlichen Papuaneugeborenen. Abh. 

d. Leop.-Car. Deutsche Akad. f. Naturforscb. Bd. 84, 1904. 

17. Testut, Les anomalies musculaires etc. 1884. 

18. Le Double, Traite des variations du Systeme musculaire chez Thomme. 1897- 

19. Gantzer, Dissertatio musculorum varietates sistens. Berol. 1813. 

20. Sels, Dissertatio musculorum varietates sistens. Berol. 1815. 

21. Schomburg, Untersuchung der Entwicklung der Muskeln und Knochen 

des menschlichen Fußes. 1900. 

22. Rüge, G. Untersuchungen über die Extensorengruppe usw. Morph. Jahrb. 

Bd. 4, 1878. 


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Ueber die Spätresultate bei unblutig behandelten 
Hüftgelenksluxationen 1 ). 

Von 

P. Redard, Paris, 

ehemaligem Oberarzt der chirurgischen Universitätspoliklinik. 

Zahlreiche Beobachtungen gehen uns heutzutage Aufschluß 
Uber die Spätresultate der unblutig behandelten Hüftgelenksluxationen. 
Ich selbst verfüge über annähernd 1000 selbstbehandelte und jahre¬ 
lang verfolgte Fälle; einige von ihnen beobachte ich seit 10—12 Jahren. 

Wir wissen nunmehr, daß die anatomischen und funktionellen 
Resultate sich dank einer vervollkommneten Technik in den letzten 
Jahren gebessert haben, und daß man bei den einseitigen Luxationen 
auf 85—90 Proz., bei den doppelseitigen auf 30 Proz. Heilungen 
rechnen kann, wenn man frühzeitig, d. h. zwischen dem 2. und 
6. Lebensjahr reponiert. 

Auf Grund von regelmäßig wiederholten Kontrollen durch das 
Röntgenbild und von pathologisch-anatomischen Untersuchungen ist 
jetzt die Art, wie der reponierte Kopf in der Pfanne Halt gewinnt und 
wie sich das neue Gelenk ausbildet, wohlbekannt. 

Im folgenden sei, gestützt aut Untersuchungen zahlreicher, zum 
Teil vor langen Jahren reponierter Kranker, auf die Veränderungen 
eingegangen, die wir am Hüftgelenk seihst und an den dasselbe 
bildenden Knochen nach unblutiger Reposition beobachtet haben. 
Im besonderen sei auf gewisse wenig bekannte Spätfolgen hin¬ 
gewiesen, die wir neuerdings kennen gelernt haben, die trotz ihrer 
Seltenheit recht unangenehme Komplikationen darstellen und die des 
therapeutischen Interesses nicht ermangeln. 

*) Vortrag, gehalten auf dem 24. französischen Chirurgenkongreß am 
6. Oktober 1911. 


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Retlanl. 


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Ohne genauer auf die unmittelbar nach der Einrenkung auf¬ 
tretenden anatomischen Veränderungen einzugehen, will ich hier 
besonders auf die Spätfolgen hin weisen, also auf die späteren Um¬ 
bildungen und Verbildungen, die sich in nützlicher oder schädlicher 
Weise an Knochen und Weichteilen der unblutig eingerenkten Hüften 
vorfinden. 

Die Kenntnisse dieser Spätfolgen datieren erst aus den letzten 
Jahren. Sie sind den Röntgenmomentaufnahmen, die zu verschie¬ 
denen Zeiten der Behandlung und in verschiedenen Stellungen des 
Oberschenkels aufgenommen werden, und namentlich den stereosko¬ 
pischen Röntgenaufnahmen zu verdanken. Letztere geben einen 
klaren Einblick in die anatomischen Verhältnisse des Gelenks und 
dessen Verbildungen, die uns bei der gewöhnlichen Untersuchung 
entgehen. Was die Umbildungen des neugebildeten Gelenks an¬ 
belangt, so sind sie entweder günstig oder ungünstig. 

I. Günstige Veränderungen. — Handelt es sich um 
jugendliche Kranke, so kann man im Verlauf einiger Monate fest¬ 
stellen, daß die Muskulatur einen Teil ihrer Kraft wiedererlangt 
hat und in besserer Richtung wirkt. Die Kapsel schrumpft und 
fixiert den Schenkelkopf besser. Das obere Femurende scheint nach 
Angabe einiger Untersucher auf die Gelenkpfanne schnell modellierend 
einzuwirken, so daß es ziemlich bald, im Laufe von 2—4 Jahren, 
zu vollkommener Ausbildung des Gelenks käme. 

Meine Beobachtungen stimmen in dieser Hinsicht mit den 
letzterwähnten Aeußerungen nicht überein. Meine Röntgenbilder 
zeigen im Gegenteil, daß häufig im Gegensatz zu den vorzüglichen 
funktionellen Resultaten die anatomischen Ergebnisse ungenügend 
sind. Es bleiben immer oder vielmehr fast immer bedeutende Ver¬ 
bildungen zurück. Ich übersehe dabei keineswegs die geradezu 
bewundernswerte funktionelle Anpassung, der man in hohem Grade 
besonders bei kleinen Kindern begegnet; und es ist sicher, daß 
die oft sehr enge, rinnenartige, mit Bindegewebe und Fett erfüllte 
Pfanne sich vertieft und sich der Form des Schenkelkopfes anpaßt. 
Doch geht diese Anpassung nach meinen Beobachtungen nur sehr 
langsam vor sich und bleibt meistens unvollkommen, wobei die 
knöchernen Teile eine gewisse Verbildung bewahren. So habe ich 
fast niemals Gelenke gefunden, die so vollkommen geworden wären, 
daß man sie mit normalen Gelenken hätte verwechseln können. 

Die Pfanne ist in der Regel nur flach, sie weist weniger 


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Feber die Spätresultate bei unblutig behandelten Hüftgelenksluxationen. 45 


ausgebildete Ränder auf, der Pfannengrund zeigt Vorsprünge und 
Unregelmäßigkeiten. Das Becken wird zwar in günstigem Sinne 
umgebildet; es bleibt aber oft, namentlich bei den doppelseitig 
luxierten Fällen, eine ausgesprochene Engigkeit bestehen, die eventuell 
bei Entbindungen unangenehme Folgen haben kann. 

Das obere Femurende bleibt atrophisch und kalkarm und be¬ 
hält einen gewissen Grad von Ante Version oder von Coxa vara. 
Ist die Anteversion nur wenig ausgesprochen, so tritt eine funktio¬ 
nelle Anpassung zwischen Kopf und Pfanne ein, aber es bleiben 
doch stets Veränderungen bestehen; der Schenkelhals ist zu kurz 
und schwach, die Trochanteren sind klein. Der Kopf ist unregel¬ 
mäßig und in ganz eigenartiger Weise verbildet, manchmal hat er 
Pufferform mit durch Reibung an den Rauhigkeiten des Pfannen¬ 
bodens hervorgerufenen Facetten (Lange). Atrophie und Kalk¬ 
armut findet sich auch an der Diaphyse des Femur, häufig auch an 
derjenigen der Tibia und Fibula. 

Alles in allem ergibt sich also, daß sich nach unblutiger Ein¬ 
renkung der angeborenen Hüftluxation das Gelenk nur sehr lang¬ 
sam wiederherstellt. Obgleich die funktionellen Störungen völlig 
verschwunden sein können, bleiben gewisse Deformationen ganz be¬ 
sonders an der proximalen Femurepiphyse zurück. Restitutio ad 
integrum ist durchaus exzeptionell. 

II. Ungünstige Veränderungen. — In einigen,, glück¬ 
licherweise ziemlich seltenen Fällen bilden sich aber die das Hüft¬ 
gelenk bildenden Teile nicht nur nicht in günstigem, also der Norm 
sich näherndem Sinne um, sondern deformieren sich allmählich, wo¬ 
durch es oft erst sehr lange Zeit nach der Operation zu schweren 
funktionellen Störungen kommt. Auf diese Spätkomplikationen habe 
ich jüngst an der Hand einiger eigener Beobachtungen hingewiesen. 
Weitere Erfahrungen bestätigen meine früheren Schlußfolgerungen. 
So sah ich, daß der Schenkelhals sich oft im Sinne der Coxa vara, 
sehr selten im Sinne der Coxa valga verbog. Coxa vara ist häufig 
mit Verbildungen des ganzen oberen Femurendes vergesellschaftet. 
In manchen Fällen begegnet man endlich einer regelrechten Resorp¬ 
tion der ganzen Epiphyse, die sich dann unter dem Bilde eines un¬ 
förmlichen, amputationsstumpfartigen Bürzels darstellt. 

Die nach meinen Erfahrungen vor der Einrenkung sehr seltene 
Coxa vara beobachtet man häufig im Verlauf der Behandlung, näm¬ 
lich in 8—10 Proz. der Fälle. Sie ist dann geringgradig, bleibt 


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Redard. 


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unbemerkt und geht ohne ernste Störung der Funktiou einher. Da¬ 
gegen ist diejenige Form der Coxa vara, die erst spät beobachtet 
wird, die langsam und progressiv, 2, 3, manchmal 4 Jahre nach 
der Einrenkung entsteht, selten, dafür aber leider von ernsten 
Störungen begleitet: von Schmerzen, Verkürzung, Hinken. Der 
Verlauf ist in allen diesen Fällen annähernd der gleiche. Der als 
vollkommen geheilt betrachtete frühere Patient, dessen Röntgenbild 
einen normalen Schenkelhals erkennen ließ, beginnt nach Jahr und 
Tag über Schmerzen und Gangstörungen zu klagen. Die Hüfte 
wird radiographiert, und dabei wird festgestellt, daß sich der Hals 
im Sinne der Coxa vara verbiegt. Die Verbiegung bleibt manchmal 
stationär, meistens wird sie erheblicher und erreicht dann unter 
Auftreten schwerer funktioneller Störungen hohe Grade. 

Einer meiner Patienten, welcher vor 5 Jahren operiert worden 
war und als vollkommen geheilt betrachtet werden konnte, wies 
zu dieser Zeit konzentrische Einstellung des Kopfes bei normaler 
Konfiguration des Schenkelhalses auf. Allmählich wird ohne er¬ 
kennbaren Grund das Bein kürzer, der Gang beschwerlich, schmerz¬ 
haft -und die Abduktion eingeschränkt. Bei einer neuerlichen 
Röntgenaufnahme sieht man, daß der Schenkelhals sich verbogen 
hat und bereits im rechten Winkel zum Schaft steht. Das ganze 
proximale Ende und das obere Drittel der Femurdiaphyse waren 
atrophisch und sehr kalkarm geworden. Unter Extension ließen 
die Schmerzen nach, und die Verkürzung wurde geringer. 

Coxa valga-Bildung ist sehr selten, geradezu exzeptionell. 

Endlich findet man in manchen Fällen, daß Kopf, Hals und 
oberes Diaphysenende beträchtlich atrophiert und verunstaltet sind. 
Manchmal begegnet man geradezu einer Zerstörung und Resorption 
von Schenkelkopf und Hals. 

Gegenüber den Verbildungen des Femur treten diejenigen der 
Pfanne stark in den Hintergrund. 

Interessant ist folgende Beobachtung: Ich hatte einem 15jährigen 
Patienten seine rechtseitige Hüftluxation eingerenkt, das anatomische 
und funktionelle Resultat der Behandlung war nach Verlauf von 
2 Jahren ausgezeichnet. Nun wird ohne erkennbaren Grund das 
Bein rapide und beträchtlich kürzer (5 cm), wodurch der Gang stark 
hinkend und die Lendenwirbelsäule nach rechts konvex ausgebogen 
wird. Röntgenaufnahmen ergeben, daß keine Reluxation eingetreten 
ist. Dagegen ist die Deformation des Kopfes und Halses höchst- 


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Heber die Spätresultate bei unblutig behandelten Hüftgelenksluxationen. 47 

gradig; vom Kopf ist fast nichts mehr vorhanden; der Hals, atro¬ 
phisch und unregelmäßig, ist bis auf das laterale Drittel resorbiert. 
Ein linearer Schatten ist an der Basis des Halses zu sehen, ent¬ 
sprechend der Linea intertrochanterica. Der Trochanter major ist 
nach außen verlagert, von 'Dreiecksgestalt und erinnert an-‘ein 
Katzenohr. Der atrophische Femurschaft ist sehr kalkarm. 

In einem jüngst beobachteten Fall sind Läsionen vorhanden, 
welche einer destruierenden Ostitis entsprechen. Er betrifft ein von 
anderer Seite wegen einseitiger Luxation operiertes, sehr lange ein¬ 
gegipstes junges Mädchen. Nach einiger Zeit ist Verkürzung und 
schnell zunehmendes Hinken festzustellen. Das Röntgenogramm er¬ 
gibt, daß der Kopf und fast der ganze Hals verschwunden sind. 
Der von dem erhaltenen Knochen und dem Trochanter major ge¬ 
bildete Stumpf ist unregelmäßig, steht genau der Pfanne gegenüber 
und ruht in ihr; Hals und Hüftpfanne sind nicht miteinander ver¬ 
schmolzen. Die Femurdiaphyse ist sehr atrophisch und sehr kalk¬ 
arm. Wie schon bemerkt, erstreckt sich in einigen Fällen die 
Atrophie auf die Knochen der gesamten unteren Extremität, Tibia 
und Fibula einbegriffen. 

Zu erwähnen wäre endlich noch, daß die wegen Luxatio 
coxae congenita behandelten Hüftgelenke nur selten von Tuberkulose 
ergriffen werden. 

Welchen Ursachen müssen wir die beschriebenen Deformationen, 
die an Femur und Pfanne unblutig eingerenkter kongenitaler Hüft- 
luxationen beobachtet werden, zuschreibep? 

Handelt es sich um frische, kurze Zeit nach der Operation 
aufgetretene Verbildungen, dann kann man statische Einflüsse oder 
das Operationstrauma als Ursache gelten lassen. Dagegen sind 
derartige theoretische Ueberlegungen auf die soeben genau analy¬ 
sierten Spätfolgen nicht anwendbar. Ihr kongenitaler Ursprung ist 
auszuschließen; denn Coxa vara oder andere Verbildungen hätten 
bei vorheriger Röntgenaufnahme nicht unbemerkt bleiben können. 
Trauma oder Epiphysenlösung, die entweder bei der Einrenkung oder 
bei Einstellung der Hüfte in Adduktion eintreten könnten, sind von 
einigen Autoren angeschuldigt worden (Lu dl off); sie scheinen 
mir nur in einem sehr kleinen Teil der Fälle für die Coxa vara und 
die anderen späten, progressiven Verbildungen pathogenetisch von 
Einfluß zu sein. 

Coxa vara, Deformation, Resorption von Teilen des Kopfes 


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48 Redard. Spätresultate bei unblutig behandelten Hüftgelenksluxationen. 

und Halses, Deformation der Femur-, Tibia- und Fibuladiaphyse 
sind nach meiner Ansicht alle gleichen Ursprungs. Es bandelt sich 
dabei meiner Meinung nach um eine Art von destruierender Ostitis, 
von lokaler Osteornalacie mit tiefgreifender Kalkverarmung, von Wider¬ 
standseinbuße des Femurendes; dieses wird nachgiebig und fällt lang¬ 
sam und gradatim der Resorption anheim, und zwar unter der Ein¬ 
wirkung der Körperlast, wenn der lange Zeit immobilisierte Kranke 
wieder zu gehen anfängt (Belastungsdeformität). Die lange Zeit 
fortgesetzte Immobilisation in Gipsverbänden, die bedeutenden bei 
der Einrenkung älterer Patienten notwendigen traumatischen Schädi¬ 
gungen und das Gehen sind nach meiner Meinung dielHauptursachen 
dieser Komplikationen. Mit Rücksicht auf die geradezu auffällige 
Häufigkeit von Spätläsion der Kopfkappe und besonders der Coxa 
vara bei den in Adduktion eingegipsten Kranken möchte ich fast 
dieser, an sich so zweckmäßigen Position die Schuld an den seitens 
der Knochen beobachteten Ernährungsstörungen beimessen. 

Die als Spätkomplikation der Hüfteinrenkung beobachtete Coxa 
vara hat eine gewisse Analogie mit der Coxa vara adolescentium. 
Sie unterscheidet sich allerdings durch die Aetiologie; indessen ist 
der klinische Verlauf in beiden Fällen der gleiche; beidemale 
spielen Ueberlastung und statische Einflüsse eine Hauptrolle. 

Die Untersuchungen über Spätverbildungen am Hüftgelenk 
nach unblutiger Einrenkung angeborener Hüftverrenkungen bieten 
großes klinisches Interesse; sie sind auch bezüglich der Behandlung 
von nicht zu verkennender, praktischer Bedeutung. Sie lehren, daß 
man lange Zeit und intensiv seine Aufmerksamkeit allen eingerenkten 
Kranken zuzuwenden verpflichtet ist, selbst denjenigen, die tadellos 
geheilt zu sein scheinen. Man wird von Zeit zu Zeit Röntgenbilder 
anfertigen müssen, um die beschriebenen Zerstörungen und De¬ 
formationen von ihrem ersten Beginn an zu entdecken. Man wird 
möglichst die Kinder unterhalb des sechsten Jahres einrenken, be¬ 
deutendere Verletzungen bei der Einrenkung und langdauernde 
Immobilisation der Hüfte nach der Einrenkung vermeiden müssen 
und das Herumgehen den Kranken erst dann erlauben, wenn die 
Stellung des operierten Beines zur Norm zurückgekehrt ist. 


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V. 


Zur Geschichte der Nagelextension. 

Von 

* Prof. Saldo Rossi, 

Direktor der chirurgischen Abteilung „Padiglione Ponti“ und Professor der Traumatologie 
an den klinischen Instituten fUr ärztliche Fortbildung in Mailand. 

Ich habe mit der in wissenschaftlichen Fragen nötigen Un¬ 
parteilichkeit und Objektivität die Prioritätspolemik wegen der Nagel¬ 
estension zwischen Prof. Codivilla und Dr. Steinmann ver¬ 
folgt und hielt, obwohl die Methode von mir sehr ausgiebig versucht 
und angewendet worden ist, nicht für angezeigt, mich in den Streit 
einzumengen. 

ich entschließe mich jetzt dazu, auch das Wort zu ergreifen, 
da es mir scheint, daß der Berner Kollege in der Diskussion nicht 
die nötige Objektivität zu bewahren gewußt hat. 

Ich nehme an der Polemik auch deswegen Anteil, weil ich der 
Meinung bin, daß das Wort eines Menschen, der in keiner Hin¬ 
sicht, weder als Schüler noch als Untergebener, von 
Prof. Codivilla je abhängig gewesen ist, doch als ganz un¬ 
parteiisch anerkannt werden muß. 

Ich bezwecke hiermit, Herrn Stein mann Tatsachen bekannt 
zu machen, die er sicher ignorierte; denn ich kann nicht annehmen, 
daß er diese Tatsachen, wenn sie ihm bekannt gewesen wären, ein¬ 
fach verschwiegen hätte. 

Das Wesen der Erörterungen Dr. Steinmanns bleibt immer 
dasselbe: „Bei der von Prof. Codivilla erdachten Methode des 
Zuges am Skelett wirkt der Zug nicht mit Hilfe des Nagels, son¬ 
dern mit Hilfe des Gipsapparates; es fehlt infolgedessen die rich¬ 
tige Extension durch den Nagel, und die Methode hat mit der 
Stein mann sehen nichts zu tun.“ 

Es muß zugegeben werden, daß Steinmann nach der letzten 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. X\X. Bd. 4 


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Rossi. 


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50 

Publikation des Prof. Codivilla „Ueber Nagelextension“ seine 
Behauptungen einigermaßen eingeschränkt hat, indem er selbst zu¬ 
gibt, daß der Nagel bei der Extension doch beteiligt sei; „aber 1 , 
fügt Steinmann hinzu, „den Hauptfaktor für diese Extension bildet 
noch immer der Gipsapparat; dies wird durch Zeichen einer Kom¬ 
pression an der Kniescheibe, die in den Publikationen Codivillas 
und dessen Anhänger beschrieben werden, einwandfrei bewiesen." 
Hierzu möchte ich jedoch bemerken, daß von solchen Kompressions¬ 
zeichen an der Kniescheibe in den Publikationen Codivillas und 
seiner Anhänger nirgends die Rede ist. 

Da nun Herr Steinmann mir die Ehre erweist, mich unter I 
den Anhängern Steinmanns zu nennen, so ersuche ich ihn, meine 
im „Archivio di Ortopedia“, Jahrgang 1904 erschienene Abhandlung 
„Come si possono correggere le guarigioni deformi delle fratture di 
femore e come si possono evitare“ durchzusehen; er wird daraus er¬ 
sehen, daß ich trotz genauester Befolgung der Vorschriften des be¬ 
rühmten Bologneser Orthopäden bei Anwendung seiner Methode der 
Extension am Skelett für die Korrektur der schlecht ausgeheilten 
Oberschenkelfrakturen deutlich jede Zugwirkung durch den Gips¬ 
apparat ausschließe und dem Gipsapparat nur den Wert einer 
rigiden Konnexionsspange zwischen dem oberen Stützpunkte am 
Beckenring und dem im Fersenbein fixierten Nagel zuerkenne. 

Herr Steinmann wird auf Seite 84 des zitierten Bandes des 
„Archivio di Ortopedia“ lesen können: „Er (Codivilla) nahm siel ! 
vor, die durch den Apparat entwickelte Zugkraft mit Hilfe eines 
dicken, durch die Tuberositas posterior des Calcaneus durchge¬ 
schlagenen Nagels direkt auf das Skelett zu übertragen. Dieser 
Nagel bildet mit dem Gipsapparat ein einziges starres System, mit 
Hilfe zweier Stahlspangen, an denen sich die Endeu des 
Nagels fixieren, und die ihrerseits wiederum am unteren 
Teile des Gipsapparates befestigt sind.“ 

Es erhellt daraus klar und deutlich, daß, wenn die Stalil- 
spangen, auf welche sich die Enden des Nagels anlehnen und fixieren, 
lateralvvärts hinaufstreben, uni sich an dem unteren Teil des Gips¬ 
verbandes zu fixieren, dieser Gipsapparat nicht bis zum Fuß reichen, 
sondern, wie es auch in der Tat der Fall war, am unteren Drittel 
des Unterschenkels aufhören muß (ganz genau, wie ich es bei Prof. 
Codivilla gesehen hatte). 

Daß der Gipsapparat den Fuß nicht einschließen sollte, ergibt 


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Zur Geschichte der Nagelextension. 


51 


sich auch aus dem, was ich auf S. 90—91 sagte: „Nach Anlegung 
der Schienen bleibt der Fuß mit Hilfe des Nagels 4—5 cra ober¬ 
halb ihres horizontalen Teiles. Und so bleibt der Fuß beim Gange 
suspendiert, während das Körpergewicht vom Becken direkt auf 
den unteren Teil des Apparates übertragen wird und die Extremität 
in permanenter Extension verbleibt.“ 

Um suspendiert zu sein, mußte der Fuß notwendigerweise 
vollkommen frei, nicht aber in den Gipsverband eingemauert sein. 

Daß ich auch in bezug auf die knöchernen Verdickungen am 
Knie dieselben für den Zug nicht berücksichtigt habe, geht aus 
dem, was auf S. 92 gesagt wird, deutlich hervor: „Der Nagel wird 
an die Schiene fixiert und der Gipsapparat entsprechend dem Knie¬ 
gelenke in einer Ausdehnung von ca. 5—6 cm unterbrochen, um die 
Flexion und Extension in diesem Gelenk zu ermöglichen; die Be¬ 
wegungen im Gelenke können jedoch bis zum nötigen Zeitpunkt mit 
Hilfe zweier Schrauben, welche lateralwärts die Scharnierbewegungen 
der Schiene hemmen, sistiert werden.“ 

Nun erlaube ich mir, an Herrn Dr. Steinmann die Frage 
zu richten: Welche Hilfe bei der Extension durch den Nagel kann 
er dem Gipsapparat zusprechen, welcher entsprechend dem Knie eine 
weite Kontinuitätstrennung besitzt, nur bis zum unteren Drittel des 
Unterschenkels reicht und sowohl am Knie als auch am unteren 
Drittel des Unterschenkels durch Lateralschienen aus Metall, welche 
die beiden Teile des Apparates mit dem im Fersenbein fixierten Nagel 
verbinden, ersetzt wird? 

Ich will auch bemerken, daß ich auch bei den wenigen von 
mir angewandten Modifikationen der Methode nie die Grundsätze 
der Extension am Skelett, wie ich sie bei Prof. Codivi 11a aus- 
fiihren sah, geändert habe. 

Daß der Gipsverband bei der Extension am Skelett nicht bis zum 
Fuß reichen mußte, geht in meiner Arbeit auch aus der Tatsache 
hervor, daß ich bei der Besprechung des Unterschiedes zwischen 
dem Apparat mit Nagelextension zur Behandlung der veralteten 
Brüche und dem gewöhnlichen Streckapparat für frische Frakturen 
mich über den letzteren so ausdrücken zu müssen glaubte (S. 102): 
.... und zur besseren Garantie der unteren Fixation wird die Ex¬ 
tremität auf die horizontale Branche der Schiene fixiert mit Hilfe 
einiger Touren der Gipsbinde, welche den Fuß einnehmen und diese 
horizontale Branche selbst mitfassen.“ 


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Rossi. 


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In seiner Arbeit »Zur Geschichte der Nagelextension“ (Zeitschr. I 
f. orthop. Chir., Bd. 29, Heft 1,2) wirft Dr. Stein mann Herrn 
Prof. C o d i v i 11 a vor: 

»Nach seiner neuesten Beschreibung würde nach der Mobili¬ 
sation der Bruchstelle der Nagel durch den Calcaneus geschlagen 
und auf dem Schedeschen Apparat an den zwei Nagelenden des¬ 
selben gezogen, während der Gipsverband anmodelliert wird. Bei 
diesem Anfangsakt also wenigstens wäre das Prinzip des direkten 
und ausschließlichen Angriffes des Zuges am Skelett gewahrt. 

Es ist nur schade, daß diese Darstellung des Verfahrens neu 
ist und sich durch keine Stelle in den Publikationen Codivillas 
belegen läßt, dagegen im Widerspruch steht mit der in denselben 
niedergelegten Beschreibung.“ 

Zur direkten Widerlegung dieses Einwandes muß ich, was 
ich bei der Beschreibung der Ausführung der Co di villasehen 
Methode auf S. 80 meiner Arbeit sage, zitieren: »Zug mit 60 kg 
auf dem Schede-Eschbaumschen Brett und darauffolgendes 
Anlegen eines Gipsverbandes, welcher die ganze Extremität und das 
Becken einnimmt und an der Regio ischio-pubica mit Filz und 
Baumw’olle gut ausgepolstert ist. Der Nagel wird am Apparat mit 
Hilfe zweier seitlichen Schienen befestigt, nach den Vorschriften 
Codivillas.“ 

Der Apparat wurde also entgegen den Behauptungen Stein¬ 
manns angelegt, während die Extremität schon durch den Nagel j 
extendiert worden war. • 

Ich überlasse den Fachkollegen, nach dem oben Gesagten zu 
urteilen. 

Nun ist mir noch daran gelegen, eine Lücke auszufüllen, die 
Herr Steinmann selbst, der sich die Mühe genommen hat, die 
ganze von Herrn Codivilla angegebene Literatur durch- 
zustudieren und dazu einige Monate gebraucht hat, leider offen ließ. 

Ich sage leider, denn wenn er diese Lücke ausgefüllt hätte, 
so hätte er auch die wahre Wirkungsart des Nagels eingesehen 
und wohl nie schreiben können: »Es zeigt dies, wie innig und un¬ 
trennbar die Ideenassoziation zwischen Fersennagel und Gipsverband 
in der Codivillaschen Schule ist.“ 

Was ich nun erwähne, ist in den Akten des III. Kongresses der 
italienischen Gesellschaft für Orthopädie enthalten (1900 S. 111), 
gleich nach der Mitteilung des Dr. Almerini: »Die direkte Extension 


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Zur Geschichte der Nagelextension. 


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am Skelett der unteren Gliedmaßen nach der Co divi 11a sehen 
Methode“, die von Herrn Steinmann in seinem Artikel so oft 
erwähnt und kommentiert wird. In der auf diese Mitteilung fol¬ 
genden Diskussion erwähnte ich 16 Fälle von Frakturen, die ich 
mit vorzüglichem Resultat mit Hilfe der Nagel extension behandelt 
hatte, wobei ich bei veralteten Brüchen Verlängerungen bis 7 und 
8 cm erzielen konnte. Es lohnt sich nicht, meine damaligen Aus¬ 
führungen, die auf S. 111 und 112 des angegebenen Bandes der 
Verhandlungen der italienischen orthopädischen Gesellschaft ent¬ 
halten sind, hier zu wiederholen. Ich möchte nur gerne das 
wiedergeben, was an der bezeichneten Stelle über einen von mir be¬ 
handelten Fall von traumatischer Verletzung der oberen Extremität 
enthalten ist. Ich gebe im folgenden die wörtliche Uebersetzung 
dieses Teiles der Diskussion: 

„Es handelte sich um eine vierfache Verletzung des rechten 
Vorderarmes: Fraktur des Radius und der Ulna im mittleren Drittel 
mitUebereinanderschiebung der Fragmente, Fraktur des Olekranon und 
Luxation des proximalen Endes des Radius nach vorne. Der Vorder¬ 
arm war etwas deformiert und bot eine Verkürzung von ca. 3 cm. 

Ich führte die Osteoklase des Kallus im mittleren Drittel des 
Vorderarmes aus, und entsprechend der Fraktur des Olekranon, an 
welcher Stelle eine ebenfalls bedeutende Deformität bestand. Da 
es mir schien, daß zur Reduktion und zur Erhaltung der nötigen 
Stellung der Fragmente eine energische Extension der Teile nötig 
wäre, fixierte ich als Extensionspunkte einen Nagel durch die untere 
Epiphyse des Humerus und einen anderen durch den unteren Teil 
des Vorderarms; dann verband ich die beiden Nägel mit zwei seit¬ 
lichen stählernen Stangen, die man durch Schrauben verlängern 
konnte, so daß auf die Epiphysen und, zufolge der Nägel, auf die 
abgesonderten knöchernen Teile des Vorderarms eine sehr kräftige 
Extension möglich war. 

Sie wurde nach und nach vermehrt, so lange, bis die Länge 
des verletzten Vorderarmes derjenigen des anderen glich. 

Die Nägel verursachten keinen Schaden und wurden nach 
15 Tagen herausgezogen. 

Die anatomische und funktionelle Heilung war vorzüglich. 

Auch für diesen Fall zeige ich die Radiographien, durch 
welche man das örtlich wirkende Heilmittel vor und nach dem Ge¬ 
brauche sehen kann.“ 


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Rossi. Zur Geschichte der Nagelextension. 


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Nun einige Fragen: 

Scheint es Herrn Steinmann, daß auch in diesem Falle die 
Extension von dem nichtexistierenden Gipsapparat geübt wurde!- 1 

Wird er nicht durch diesen Fall überzeugt, daß die von 
Codivilla und seinen Anhängern erdachte und publizierte Methode 
tatsächlich die Methode des direkt und ausschließlich dauernden, 
am Skelett geübten Zuges durch den in dem Beine fixierten 
Nagel ist? 

Und dann, scheint nicht Herrn Steinmann, daß Codi¬ 
villa absolut nicht das ihm von Steinmann gütigst in seinem 
Wohlwollen eingeräumte Verdienst, nämlich . . das Verdienst, 
ira Anschluß an Malgaigne, Gussenbauer, Heineke u$w. 
seinen kombinierten Fersennagelgipszugverband kon¬ 
struiert zu haben und dabei wiederu m gezeigt zu haben, 
daß man meist ohne Schaden einen Uber die Haut her¬ 
vorragenden Nagel längere Zeit im Knochen stecken 
lassen kann,“ sondern das wirkliche Verdienst zukommt, die 
Methode der direkten und permanenten Extension des 
Skelettes kreiert zu haben, deren Priorität Stein mann für sich 
vindizieren will? 


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VI. 

Aus der orthopädisch-chirurgischen Klinik von Prof. Dr. 0. Vulpius 

in Heidelberg. 

Beiträge zur Anatomie der Lnxatio coxae congenita. 

Von 

Dr. Heinrich Landwehr, 

Assistenzarzt der Klinik. 

Mit 7 Abbildungen. 

Das bisher zur Beobachtung gekommene Sektionsmaterial der 
Luxatio coxae congenita hat meist in Hinsicht auf die Aetiologie- 
frage Verwertung gefunden. Die im Uterus verborgen wirkenden 
Momente endo- oder exogener Natur vollständig zu ergründen, wird 
weder auf diese Art noch mit Hilfe theoretischer Erwägungen, 
wie sie zahlreich angestellt worden sind, gelingen, und es ist daher 
angezeigt, auch rein therapeutische Interessen bei der Untersuchung 
von Luxationspräparaten in Rechnung zu ziehen. 

Dieser Forderung kommt Ludloff entgegen, wenn er (Er¬ 
gebnisse d. Chir. u. Orthop. 3) es unternimmt, in ausführlicher und 
überzeugender Beschreibung die Einkrempelung des Limbus carti- 
lagineus als wichtigstes repositionbehinderndes Moment ins Licht 
zu rücken. Vor ihm können Lorenz und Reiner nur einen 
kurzen Hinweis Langes auf diese •wichtige Tatsache der patho¬ 
logischen Anatomie zitieren. 

Die Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. Vulpius setzt 
mich in Stand, im folgenden zur Anatomie der Luxatio coxae con¬ 
genita 3 Beobachtungen an 2 Beckenpräparaten mitzuteilen. Ein 
drittes, der Abteilung meines früheren Chefs, Herrn Geh. Med.-Rat 
frof. Dr. Bardenheuer, entstammendes Objekt mit einer ver¬ 
renkten Hüfte wurde mir von Herrn Prosektor Dr. Loesehke-Köln 
gütigst zur Verfügung gestellt. 


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Landwehr. 


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i. 

Becken + obere Femurhälfte + Lendenwirbelsäule 
+ V 2 Vertebra dorsalis Xll. Reife Frucht. Die drei unteren 
Lendenwirbel steigen gerade über der oberen Kreuzbeinfläche empor, 
dann beginnt eine kyphotische Verbiegung. Es besteht totale und 
sehr weite Spina bifida. Die Wirbelkörperrückseite bildet bei 
Lendenwirbel II einen Winkel von ca. 90°; zugleich Rotation des 
oberen Wirbelsäulenteiles nach links. Das Kreuzbein ist wenig ge¬ 
höhlt, die Schisis besteht auch hier. Das Kreuzbein ist nicht sicht¬ 
bar asymmetrisch, mit Ausnahme der Massae laterales. Die rechte 
Beckenhälfte ist kleiner, und das ganze Becken wird durch Druck 
von rechts her nach links gedrängt. Infolgedessen ist der Becken¬ 
eingang oblicjue, die rechte Massa lateralis ossis sacri ist vorn kaum 
sichtbar, die Höhe der Articulatio sacroiliaca ist vermindert. 

Das Os ilium ist rechts in allen Flächendimensionen kleiner 
als links. Die Gegend des Acetabulums springt rechts nach dem 
Beckeninnern leicht vor. Am Os ischii und pubis nichts Beson¬ 
deres. Beiderseits markiert sich die Gleitfurche des M. iliopsoa- 
mit tiefer Kerbe. Das Lumen des For. obturatum ist sehr groß 
(fast für Kleinfingerkuppe passierbar). In den Schambeinästen rechts 
Frakturen, ähnlich links; hier fehlt sogar die Verbindung des ab¬ 
steigenden Schambeinastes mit dem Sitzbein auf 2—3 mm (Kunst¬ 
produkt?). Vom Beckeninnern her gesehen und betastet ist die 
Gegend des Zusammentreffens der drei Beckenknochen links bedeu¬ 
tend massiger wie rechts, etwa einer kleinen Kirsche vergleichbar, 
wie rechts einer Johannisbeere. Die Fossa iliaca schaut links fast 
nach vorne, die viel kleinere rechte stark nach links. Distantia 
cristaruin 6,2 cm, Con jugata vcra 3,2 cm. Die Spina il. ant. inf. 
steht beiderseits symmetrisch zu den benachbarten Knochenvor¬ 
sprungen. 

Die rechte Pfanne (Fig. 1) hat durch die Entnahme und 
Konservierung gelitten, der Pfanneneingang gestattet genau das 
Einlegen des stumpfen Bleistiftendes (Durchmesser 7—8 mm). Sie 
hat eine leidlich gute Tiefe. Der Knorpelüberzug scheint zart 
gewesen zu sein, er ist nur in den Randpartien erhalten. In 
der ganzen vorderen Circumferenz des Acetabulums fehlen die 
Weichteile (Lig. transvers. acetab., Kapselansätze); nur Uber dem 
Ramus sup. ossis ischii besteht, noch leidlich erkennbar, der Limbus 
cartilagineus und hat die Form eines gleichförmig gewölbten Walles: 


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Beiträge zur Anatomie der Luxatio coxae congenita. 


57 


nach der Pfannenseite zu kragt der Wulst etwas über. Geht 
man von hier in den hinteren Teil des Pfannenrandes, so wird 
die Erscheinung deutlicher, zunächst dadurch, daß, am oberen 
Pfannenpol beginnend, sich auf dem Limbuswall eine Kerbe be¬ 
findet, in der das Lig. teres lagert. Letzteres entspringt aus der 
Fossa acetabuli. Es hat im Durchschnitt elliptische Form bis über 
den Pfannenwall hinaus und ist an diesem Stück nicht durch¬ 
scheinend. Von nun an wird es zum platten, jetzt auch breiteren 
(3 mm) und durchscheinenden Band. Die Abtrennung hat sofort 
am Ansatz an das Caput stattgefunden. Unterhalb der Druckmarke 
des Lig. teres finden sich zwei 
kleinere, auch scharf markierte 
Druckmarken, deren Ursache 
fraglich bleiben muß (gespaltenes 
Lig. teres, Kapselzüge der Vor¬ 
dergelenkseite?) ; durch den 
Druck auf den First des Walles 
ist das Limbusgewebe zur Pfan¬ 
nenseite hin verdrängt. An¬ 
nähernd in der Richtung des 
Lig. teres hat die Luxations¬ 
bewegung des Kopfes sich voll¬ 
zogen. Die Tiefe der Nearthrose 
ist (nach der Lage des Caput- 
restes am Lig. teres) dorthin zu 
lokalisieren, wo der Pfannenwall 
in die plane Fläche des Uium 
übergegangen ist, eher höher 
hinauf. Hier ist die Kapsel der Darmbeinschaufel fest adhärent. 
Ihre oberen und rückwärtigen Teile sind auf — 1 cm erhalten. 
Soweit es durch die Transparenz festzustellen ist, hat der zur 
Spina ant. sup. hin gelegene Kapselteil die größte Stärke. 

Linkes Hüftgelenk. Durchtrennt man die Gelenkkapsel 
vom Ansatz am unteren Kopfpol ab über die Kopfhöhe hin in der 
Richtung auf die Crista intertrochanterica, also über die Hälfte 
ihrer Circumferenz, so kommen diese Verhältnisse zu Gesicht 
(Fig. 2): Das proximale Femurende ist klobig; das kurze, auf der 
Oberkante nur angedeutete, hinten bis zur Crista intertrochanterica 
•1 mm lange Collum ist antevertiert, nach Lage der Linea aspera 


Fig. 1. 



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Landwehr. 


schätzungsweise um 40° (genaue Messung ist mangels der Femur- 
kondylen unmöglich). Von pelvinen Gelenkteilen sieht man von 
hinten her in einen Teil der alten (Luxations-)Pfanne und in die 
von dieser völlig geschiedene neue Pfanne. 

Die Luxationspfanne befindet sich in normaler Lage unter¬ 
halb der Eminentia iliopectinea; die Tiefe des Acetabulums wird 
von reichlichem Fett ausgefüllt, über dem ein aus dem rückwärtigen 
Teil der Pfanne, unter dem Rande derselben entspringendes, 2 mm 


breites Band lagert. Verfolgt man 
dieses Band weiter, so teilt es 
sich, etwa über der Mitte des 
Acetabulums (Fig. 3) in 1. das 
proximal abgehende, 1 mm breite 
Lig. teres (l 1 / 2 cm lang), und 
2. ein 1 V*—2 min breites, zum 
hinteren Rand des Kopfknorpels 
ziehendes Band (etwas kürzer 
als das Lig. teres); hier befestigt 
es sich mit 7—8 mm breiter 
Basis. Von dieser Anheftungs¬ 
linie aus geht ein ca. 4 mm 
breiter, grobfaseriger, derber 
Bindegewebszug zum vorderen 
Rande des Acetabulums. Unter 
ihm liegt als vierter bandartiger 
Streifen der erhaltene Kapsel¬ 
rest. Die Synovialis überzieht 
die drei Bänder (außer Lig. teres) 


Fig. 2. 



so, daß zwischen der Ansatzstelle von erstem und zweitem am 
Femur einerseits und dem unteren Teil der Kapsel anderseits eine 
Tasche von einigen Millimetern Tiefe entsteht (Fig. 3 bei T). 
Das Lig. teres zieht von seiner Durcbfleehtung mit dem ersten 
Faserzug pfannenwärts und inseriert normal. 

Das Caput femoris hat starke, dorso-anteriore Abplattung 
(1,1 X 1,4 mm). Auf seiner Höhe setzt sich das Lig. teres an, ein 
in seinem letzten Teil durch Druck papierdünn und durchscheinend 
gewordenes Band. 

Der Vorderrückdurchmesser des Acetabulumeinganges beträgt 
7 mm, woraus schon das große Mißverhältnis von Kopf und Pfanne 


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Beiträge zur Anatomie der Luxatio coxae congenita. 


59 


ersichtlich wird. Die Einengung geschieht durch die Einkrempelung 
des Limbus, die, hinten am stärksten, sich nach oben und unten 
etwas vermindert. In der Gegend der Fossa und vorn ist sie in¬ 
folge der Morschheit der Gewebe nicht festzustellen. Dort, wo der 
hintere Limbusrand etwas niedergedrückt und deutlich einwärts um¬ 
gelegt ist, hat der Austritt des Kopfes stattgefunden. Die Wan¬ 
derung in der Richtung auf die Mitte der Beckenschaufel hat auf 
der ebenen Fläche des Os ilium halt gemacht, analog wie rechts. 


Fig. 3. 



Besonders verstärkte Kapselteile sind in der transparenten, 
den Kopf kappenartig umgebenden Kapsel nicht sichtbar. 

Die Dicke des knöchernen Pfannenbodens in der Fossa (mit 
Tasterzirkel) gemessen beträgt R = L = 8,2 mm. 

II. 

Becken-fV. Lendenwirbel und beide Femora bis 
zur Schaftmitte. Das Alter des Individuums ist gemäß Distantia 
cristarum von 9,2 cm und Conjugata vera von 3,4 cm auf ca. 7 Mo¬ 
nate post partum zu schätzen. Männlicher Beckentypus. Im all¬ 
gemeinen Beckenaufbau geringe Differenzen zwischen rechts und 
links. Der Beckeneingang ist ganz wenig, am merklichsten an der 


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60 


Landwehr. 


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inneren Circumferenz der horizontalen Schamheinäste, nach rechts 
schräg. Die Symphyse steht rechts von der Medianebene. 

Die Spinae anteriores inf. sind beiderseits den Superiores stark 
genähert, die linke (9 mm) um ein geringes mehr als die rechte 
(1,1 cm). Beide sind sehr deutlich auf die Fläche der Fossa iliaca 
verschoben. Unterhalb der linken findet sich die gewöhnliche Furche 

für den M. iliopsoas. 
Rechts dagegen fehlt diese 
und anderseits auch die 
Eminentia iliopectinea, so 
daß die ganze vordere 
Kante des Os ilium und 
die obere des Os pubis zu 
einer gleichmäßig ge¬ 
schweiften Knochenkante 
werden. 

Die Gelenkkapseln 
sind beiderseits über der 
größten Circumferenz der 
Capita fern, durchschnit¬ 
ten ; bei vergleichender 
Betrachtung der so ge¬ 
schaffenen anatomischen 
Verhältnisse ergibt sich 
etwa folgendes: Die Höhe 
des Kapselansatzes am 
Ilium reicht beiderseits 
fast unmittelbar bis an 
die Spina ant. inf. Der 
palpable Wall der Pfannen 
befindet sich in deren 
vorderer Hälfte (nach vorwärts-abwärts von der Eminentia iliopecti¬ 
nea) in symmetrischer und normaler Lage, ln dem übrigen Be¬ 
reich des knöchernen Acetabulums und in den Gelenkweichteilen 
bestehen Unterschiede zwischen beiden Seiten. 

Die Eingangsebene der rechten Pfanne steht stark lateral ge¬ 
richtet, die linke mehr frontal. 

Beim Blick in die rechte Pfanne stellt sich diese in bim¬ 
förmiger Gestalt dar infolge Ausdehnung der Gelenkfläche unter die 



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Beiträge zur Anatomie der Luxatio coxae congenita. 


Gl 


Spina ant. inf. In diesem Felde (1,7 X 1,2 cm) folgen fast kon¬ 
zentrisch drei Bezirke aufeinander (Fig. 4). Am meisten rechts 
unten wuchert das Pulvinar (P) hervor. Es ist vermehrt, aber auch 
die Fossa selbst ist sehr ausgedehnt, besonders rückwärts. Sie 
nähert sich hier auf wenig mehr wie 1 mm der Begrenzungslinie 
des äußeren Halbmondes. Das Mittelfeld hat die Form eines Hornes, 
oben 5,5 mm breit und stumpf, in 
der Mitte eingeengt durch die Fovea 
(1 mm breit) nach vorne, unten wie¬ 
der breiter werdend. Es ist von 
glattem Knorpel überzogen. Der 
äußere Bogenbezirk ist fast durch¬ 
gehend 5—G mm breit und spitzt sich 
zum unteren Ende hin plötzlich zu. i _ Kapseikniiss«, n — LimiiuskuUssi* 
Das Niveau ist nicht völlig gleich¬ 
mäßig, sondern leicht gewellt, aber überall glatt, fast spiegelnd. 
Zwischen mittlerer und äußerer Zone besteht eine senkrecht auf- 


Fig. r>. 



Pfa/incnbodcn 


Zeigende Niveaudifferenz, schon im obersten Winkel deutlich (Fig. 4 
bei W) wird sie je mehr nach unten um so größer (ca. 1 mm). 

Nach oben und hinten bildet die Oberfläche der Kapsel die 
Fortsetzung des Pfannenbodens. Dazwischen besteht eine spalt¬ 
förmige Unterbrechung mit virtuellem Lumen 
und einer Tiefe von Bruchteilen eines Milli- 
/ meters. Dieser Spalt greift rückwärts hin- 

/ \ \ l /\ ter den Limbus; dieser ist also nach außen 

/ \ \ \ | //\ hin niedergedrückt. Von vorn schiebt sich 

A \ \ Ji Ai über die Pfanne eine von der Kapsel ent- 

\ /|A1 springende derbe, von oben her allmählich 

\ \ yr \ /\ s i°h er hebende Kulisse vor. Durchtrennt man 

prtumm -fcl A durch einen axialen Schnitt Kapsel und Lig. 

4zjnie .1 VI transvers. acetab., so werden diese Verhält- 

nisse deutlicher. Die folgende Skizze (Fig. 5) 
diene zur Veranschaulichung: Unter der 3 mm 
hohen I. Kulisse findet sich die II., der wagentaschenartig um¬ 
gelegte Limbus (1,5 mm breit). 

Die erste (Kapsel-)Kulisse flacht sich nach oben hin ab und 
geht in der äußeren Begrenzung des Limbuskapselspaltes auf. Der 
Uebergang der zweiten (Limbus-)Kulisse in den hinteren abge¬ 
platteten Teil des Limbus vollzieht sich durch Faltung und Um- 


\ \ 


Pfannen 

lasche 


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Landwehr. 


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legung so, wie es die Fig. 6 schematisch darstellt, und zwar oben 
wie unten in gleicher Weise. 

Das Lig. teres entspringt kräftig in normaler Weise aus dem 
Lig. transvers. acetab. und der Fovea. Der Kopf (Durchmesser 
1,8 cm) hat eine runde Basis. Er zeigt Pufferform. Das Collum 
ist deutlich, aber nicht stark antevertiert. Seine Länge beträgt auf 
der oberen Kante 2—3 mm, hinten bis zur Linea intertrochanteriea j 
1,8 cm. Die Kapsel ist nach hinten oben sehr dünn, durchschei¬ 
nend, in dem subspinösen Teil bedeutend derber. An seiner, dem 
Trochanter minor zugewandten Circumferenz trägt der Kopfknorpel¬ 
rand eine wulstige Wucherung lappigen, fettartigen Gewebes auf 
eine Strecke von mehr als 1 cm. 

In der Ansicht des ganzen Beckens läßt sich feststellen, daß ' 
die linke hintere Pfannenwand stark erhöht ist, jedoch beweist die 
(Knorpel-)Weichheit des überhöhten Teiles, daß nur der Limbus den 
Eindruck hervorruft, es sehe die Pfannenöffnung hier mehr nach 
vorn als rechts. 

Das linke P f a n n e n i n n e r e bietet ähnliche Verhältnisse wie 
rechts, jedoch hat die Pfannendehnung mehr nach hinten als nach 
oben hinten stattgefunden. Der Durchmesser ist von vorn nach 
hinten 1,9 cm, senkrecht dazu 2,1 cm. In der Fovea lagert reich* j 
liches Bindegewebe. Der Limbus ist in den ganzen hinteren zwei 
Dritteln seines Umfanges stellenweise auf 7 mm verbreitert. Zum 
Pfannenzentrum hin kragt der Limbus nirgendwo über. Gegen die 
Kapsel ist er unter der Spina ant. sup. durch einen deutlichen Spalt 
begrenzt. 

Vorne spannt sich der Limbus 2 mm breit bandförmig über 
das Pfannencavum. Die Verbindung des vorderen mit dem hin¬ 
teren Halbbogen des Limbus gestaltet sich ebenso wie rechts. Das 
Pulvinar ist nicht so reichlich wie rechts. Das Lig. teres ent¬ 
springt nach der Kegel und wird in der Mitte papierdünn. Der 
Kopf, von hinten oben her stark abgeplattet, hat Pufferform; in 
seiner Größe kommt er dem rechten gleich. Sein Hals ist oben 
5 mm, auf der Rückseite bis zur Crista intertrochanteriea 1,5 cm 
lang. Die Kapsel des Gelenkes ist kranialwärts wie Pergament 
durchscheinend. 

Die Dicke des Pfannenbodens ist in der Fossa rechts 0,75. 
links 0,55 cm. 


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Beitrüge zur Anatomie der Luxatio coxae congenita. 


63 


III. 

Klinischer Befund. 

Ausgetragenes Kind in ziemlich gutem Zustande. Starker 
Icterus neonatorum. Linke Ohrmuschel etwas verbildet. Ueber 
der Lendenwirbelsäule kugelförmige Vorwölbung, breitbasig auf¬ 
sitzend. Größter Durchmesser 6: 7 cm, auf der Höhe Decubitus- 
stelle von Markstückgröße. 

Das linke Beinchen steht in Innenrotation, ist atrophisch im 
Vergleich mit dem rechten. Starker Klumpfuß links. Rechts be¬ 
steht eine Einschnürung des Oberschenkels unterhalb der Mitte, die 
sich besonders auf der Rückseite geltend macht. Der Oberschenkel 
ist in der oberen Hälfte frakturiert. Im übrigen keine Mißbildung. 

Nach Aussage der Angehörigen soll das rechte Bein bei der 
Geburt am Körper aufwärts geschlagen gewesen sein. Dement¬ 
sprechend läßt sich die Lage in utero leicht rekonstruieren, derart, 
daß das rechte Bein gestreckt aufwärts geschlagen war, so daß der 
Fuß in die Schultergegend kam, und das linke Bein im Oberschenkel 
adduziert an den Bauch und im Knie rechtwinklig flektiert mit dem 
Knie in der rechten Flanke gelegen hat; daher die Druckstelle an 
der Rückseite des rechten Femur. Fontanellen sehr weit; Kopf¬ 
knochen stark verschieblich. 

Das Kind trinkt gut während der ersten Tage, verfallt dann 
aber allmählich bis zum Exitus am 7. Tage. 

Röntgenbild (Fig. 7) post mortem ergibt weit offenen Spinal¬ 
kanal durch sämtliche fünf Lendenwirbel. Rechter Oberschenkel 
frakturiert. Links Femurschatten im Verhältnis merklich dünner. 
Im Klumpfuß Schatten von Talus und Calcaneus. 

Sektionsbefund ergibt: Offenes Foramen ovale. Die beiden 
Hüftgelenke werden eröffnet. Das rechte zeigt einen dicken, gut 
in die Pfanne eingepaßten und mit starkem Lig. teres versehenen 
Kopf, während links die Pfanne nach hinten oben abgeflacht ist; 
das Lig. teres ist dünn und lang und der Kopf erheblich kleiner 
wie rechts. Eine Subluxationsstellung läßt sich nach Eröffnung der 
Kapsel links leicht ausführen. 

Anatomischer Befund. 

Becken -f beide Oberschenkelhälften. 

Das ganze Becken zeigt leichte Asymmetrie. Das Sacrum 
ist rechts konvexskoliotisch, die ganze linke Beckenseite liypo- 


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Landwehr. 



plastisch, besonders die linke Beckenschaufel merklich kleiner als 
die rechte. Der Beckeneingang ist infolge der Drehung, die das 


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Beiträge zur Anatomie der Lnxatio coxae congenita. 


65 


"anze Becken mit dem Kreuzbein erfahren hat, ohne Asymmetrie 
zwischen rechts und links. Der Pfannenboden springt gleichmäßig 
ins Beckenlumen vor. Die Eminentia iliopectinea, die Spinae ant. 
inf. und sup. befinden sich rechts und links in symmetrischer Lage. 
Der vordere Band des Os ilium scheint zurückgedrängt. Die 
Distantia cristarum beträgt 6,7 cm, die Conjugata vera 3,5 cm. 

Die rechte Pfanne steht am normalen Orte; sie ist in der 
Dichtung zur Spina ant. sup. leicht oval geformt (1,3 X 1,45 cm). 
Im Pfannenboden normale Verhältnisse. Der Lirabus geht gleich¬ 
mäßig aus dem Niveau des Knorpels hervor, ist nach hinten am 
höchsten. Zwischen äußerer Kante des Limbus und der Kapsel 
besteht eine Spalte von kaum 1 mm Tiefe. 

Das rechte coxale Femurende zeigt deutliche Anteversio. 
Der Kopfdurchmesser ist gleichmäßig 1,4 cm. An der Kapsel nichts 
Auffälliges. Am Knorpelrande des Oberschenkels befindet sich 
gegenüber dem Trochanter minor eine weiche, lappige Wucherung 
auf 6 mm Länge. Die Länge des Collum, auf der Oberkante ge¬ 
messen, ist 4—5 mm, hinten bis zur Linea intertrochanterica 7—8 mm. 

Die linke Pfanne hat einen Durchmesser von ca. 1,05 x 1,4cm. 
Die Ausweitung hat in der Richtung hinter der Spina ant. sup. 
stattgefunden. Der den Pfannenboden hinten oben wie ein Helix 
umgebende Limbus ist an seiner breitesten Stelle 4,5 mm breit und 
erhebt sich aus dem Pfannenniveau mit niedrigem, treppenförmigem 
Aufstieg. Die Fossa ist im Verhältnis zur Pfanne nicht abnorm 
groß. Das Pulvinar ist mäßig vermehrt. Vorn, besonders zur 
Eminentia iliopectinea, weniger nach hinten unten, ist der Limbus 
wagentaschenartig einwärts gelegt. Zwischen Limbus und Kapsel 
besteht kein trennender Spalt. 

Am Femur besteht keine Anteversio, eher (soweit ein Urteil 
möglich, da der Femur in der Mittte durchsägt ist) Retroversio. 
Das Caput femoris hat Durchmesser von 1,3 X 1,1 cm, es ist 
von hinten oben her abgeplattet. Die Halslänge ist oben 3 mm, 
hinten bis zur Linea intertrochanterica 8 mm. 

Die Gelenkkapsel zeigt eine eigentümliche Mißbildung in der 
Form einer Faltung, die, eben sichtbar in der hinteren Circum- 
ferenz des Limbus beginnend, innerhalb der freien Kapsel längs 
verläuft, ganz tief wird und sich vor dem Ansatz an das Femur 
wieder völlig ausgleicht. Das Lig. teres ist an seinen Ansätzen 
abgeschnitten. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. ^ 


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Landwehr. 


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Der knöcherne Pfannenboden hat rechts und links die 
gleiche Dicke von 0,40 mm. 

Während sich die älteren anatomischen Kenntnisse über 
kongenitale Luxationspräparate fast ganz auf Beobachtungen an 
Objekten gründen, deren Träger schon einige Jahre alt waren, also 
schon belastet hatten, manchmal nur in Eile erhobene Operations¬ 
befunde darstellen, hatLudloff wieder auf jüngere Präparate hin- 
gewiesen. Es ist vermutlich auch berechtigt, nur von solchen 
Schlüsse abzuleiten, da die sekundären Veränderungen zahlreiche 
und eingreifende sind. Mit ihnen hat die Therapie zwar zu 
rechnen, ihre Entwicklung ist aber nicht etwa bedeutungsloser als 
ihre definitive Form. Darauf weist wiederum Ludloff hin. Mit 
seinen Befunden stimmen die an unseren Präparaten im wesent¬ 
lichen überein, insbesondere mit der ausführlichen Analyse seines 
eigenen Präparates. 

Gleich ihm zeigen meine Präparate, daß die knöchernen An¬ 
teile der Pfanne bei sehr jungen Präparaten überraschend geringe 
Veränderung gegen die Norm aufweisen. Knöcherne Wucherungen 
in der Tiefe finden sich in keiner der fünf Pfannen. Ebensowenig 
ist der Knorpel des Pfannencavums gewuchert. So war es leicht 
möglich, die Dicke des Pfannenbodens zu messen und dabei ganz 
überraschende Ergebnisse festzustellen. Selbst bei dem dritten 
Becken mit einseitiger Luxation findet sich eine völlige Ueber- 
einstimmung der Dicke des Pfannenbodens. Bei den 
Fällen von Subluxation findet sich eine starke Abflachung des hin¬ 
teren Pfannenrandes, die auch im Falle I links, nachdem der Kopf 
die Luxationspfanne völlig verlassen hat, noch deutlich kenntlich 
ist. Diese durch die Luxationsbewegung des Kopfes gesetzte Ver¬ 
änderung im Zusammenhalt mit dem Ausbleiben jeglicher reaktiver 
Vorgänge im Acetabulum scheinen mir ein Beweis dafür zu sein, 
daß in solchen Fällen die Luxation nicht als Vitium primae forina- 
tionis anzusprechen ist. Der gleiche Schluß darf wohl daraus ge¬ 
zogen werden, daß ein Defekt des Lig. teres wie sonst, so auch 
bei diesen jungen Präparaten nie vorliegt. Schließlich ist auch das 
Pulvinar in keinem Falle so hypertrophisch, daß es den vom Kopt 
freigegebenen Pfannenraum nur annähernd ausfiillte. 

In Hinsicht auf den nicht ruhenden Streit, ob die kongenitale 
Iliiftluxation mechanisch oder durch Anlagefehler bedingt sei, ist 


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Beiträge zur Anatomie der Luxatio coxae congenita. 


67 


es vielleicht nicht ohne Interesse festzustellen, daß bei Präparat III 
auf der luxierten linken Seite keine Anteversio besteht, während 
die rechte Seite sich durch die Collumdeformität als zur Luxation 
disponiert verdächtig macht. 

Ueber die Natur der im Falle I links den Pfannenboden mit 
dem Kopfe verbindenden Bänderstränge und die in mehreren Fällen 
hinter dem Caput in der Richtung auf den Trochanter minor stark 
wuchernde Gewebsmasse bin ich nicht in der Lage, eine Erklärung 
zu geben. 

Meine Befunde geben Ludloff in seiner Schlußfolgerung 
durchaus recht, daß der Limbus von höchster Bedeutung ist, als 
das den Eintritt des Kopfes hindernde Moment. Stets, und auch 
bei Subluxationen, ist mit dieser Tatsache wohl bezüglich des vor¬ 
deren Limbushalbkreises zu rechnen. 

Von diesem Teile aber erhält man bei Betrachtung meiner 
Präparate nicht den Eindruck, daß er durch Wucherung und 
konzentrische Einengung den Pfanneneingang verlege. 

Dem weichenden Kopfe ist er im Falle II rechts nicht ein¬ 
mal ganz gefolgt. In diesem Falle und in anderen hat er durch¬ 
aus bandartige Form mit scharfer Kante. Im Falle II rechts zeigt 
vielmehr die Kapsel eine Einkrempelung genau in der Art wagen- 
tascbenartig, wie in anderen Fällen der Limbus ein Aussehen 
erhält. 

Am gleichen Falle zeigt der Limbus im rückwärtigen Teil 
seine Plastizität. Schon der Modus des Umschlagens vom vorderen 
zum hinteren Halbbogen, mehr noch letzterer Teil selbst mit seiner 
Abplattung und Umlegung des äußeren Limbusrandes zur Kapsel 
hin, können als Beweis dafür dienen, daß die Tendenz des Limbus 
zur selbständigen Wucherung nicht groß sein kann. 

Wenn Verhältnisse vorliegen, die, wie in Ludloffs Fall, ein 
unmittelbares Aufsteigen der Kapsel vom äußeren Limbusrand auf- 
weisen , wie dies auch bei mehreren unserer Fälle festzustellen ist, 
so kann dies die Vorstellung von dem Einkrempelungsbestreben des 
Limbus von vornherein beeinflussen. 

Bei älteren Luxationspräparaten mag sie nicht von der Hand 
zu weisen sein; jedoch glaube ich, daß die oben beschriebenen 
Präparate, weil von jüngsten und nur bis zum Subluxations¬ 
stadium vorgeschrittenen Fällen stammend, für die Aetiologie 
und Therapie von einiger Bedeutung sind. 


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G8 Landwehr. Beiträge zur Anatomie der Luxatio coxae comremta. 


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Zusammenfassend gewinnt man aus ihnen den Eindruck, daß 
das Caput femoris, durch ein primum movens in Bewegung gesetzt, 
eine Abplattung des hinteren Pfannenrandes erzeugt, auf den Limbus 
und über denselben geschoben wird. Letzterer wird somit im 
vorderen Teile der Pfanne taschenförmig über diese herübergezogen, 
ohne gleichzeitig regelmäßig abnorme Wachstumstendenzen zu zeigen. 
Ob solche am hinteren Pfannenrande zur Wirkung kommen, nach¬ 
dem der Kopf auch den Pfannenrand verlassen und auf das Ilium 
hinabgeglitten ist, darf nach unseren Befunden bezweifelt werden: 
denn der nunmehr zum Pfannenzentrum hin auf den Limbus 
drängende Druck des Caput femoris scheint der sog. Ein- 
krempelung förderlich zu sein. 


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VII. 


Aus dem Kinderkrankenhaus Anna Meyer in Florenz. 

Experimenteller Beitrag zum Studium der Periost* 

Überpflanzungen. 

Von 

Dr. Ugo Trinci, Chefarzt. 

Mit 5 Abbildungen. 


Unter den verschiedenen, zum Ersätze von Substanzverlusten 
angewandten Methoden sind es die autoplastischen, welche heut¬ 
zutage in erster Linie stehen, da die heteroplastischen und die 
mittels entkalkter Knochen oder nicht tierischer Substanzen usw. 
von den meisten als von zweifelhafter Wirkung betrachtet werden. 
Die Homoplastik anderseits, obwohl sie den von vielen Operateuren 
gestellten Forderungen entspricht, setzt den Patienten nicht nur 
der Gefahr einer Uebertragung von Krankheiten aus, sondern hat 
auch den Fehler, daß nicht immer das nötige Material im gegebenen 
Augenblicke zur Verfügung steht; ferner handelt es sich stets um 
Skeletteile , die kranken Individuen bei den durch ihre Leiden be¬ 
dingten Operationen entnommen werden. Die Mißerfolge sind nichts 
weniger als selten, selbst unter Anwendung der geeignetsten Methoden: 
wenn daher die Chirurgen sich bemühen, auf jede Art und Weise 
Knochensubstanzverluste auszugleichen, falls die Unterlassung des¬ 
selben zu schweren Funktionsstörungen Anlaß geben könnte, so 
geschieht es selten, daß nach Resektionen kleiner Teile oder Knochen 
von geringem Umfang, wie z. B. Mittelfuß- und Mittelhandknochen, 
plastische Operationen folgen, fast als wäre es nicht von äußerster 
Wichtigkeit, stets, so weit es möglich ist, das normale Gebilde des 
Skelettes zu erhalten. Daher kommt es, daß oft, besonders bei 
jungen Individuen, schwere Mißgestaltungen sowie nicht weniger 


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Trinci. 


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schwere Funktionsveränderungen den Abtragungen kleiner Skelett¬ 
teile folgen, deren plastischer Ersatz unterlassen wurde. 

Wenn es nun in Fällen von ausgedehnten Zerstörungen logisch 
ist, zu den Ueberpflanzungen von Knochen, wie diese normalerweise 
beschaffen sind, zu schreiten, und das Opfern eines mehr oder 
weniger nahen Skeletteiles gerechtfertigt ist (Scheurer, Reichel. 
Codivilla, Novä-Josserand), so wird man ungern seine Zu¬ 
flucht dazu nehmen, um Defekte eines Skeletteiles von untergeord¬ 
neter Bedeutung auszugleichen, und dies um so mehr, als das Opfer 
bisweilen, infolge mangelhafter Einheilung der Ueberpflanzung, un¬ 
nütz ist. 

Mir scheint es logisch, dann jene Methoden anzuwenden, die. 
wenn sie sich in Fällen ausgedehnter Knochendefekte als ungenügend 
erwiesen haben, hier nützlich sein können, da das Feld ihrer Tätig¬ 
keit beschränkter ist; ich meine die Periostübertragungen. 

Ich halte es für überflüssig, auf die Lebensfähigkeit und auf 
die osteogenetische Tätigkeit der Periostüberpflanzung einzugeben. 
Bezüglich der ersten Frage haben bereits die Forschungen Olliers. 
Donatis und Solieris, Morpurgos ihren Beitrag geliefert, indem 
sie den Nachweis erbrachten, daß das Periost sich bis 192 Stunden 
nach der Isolierung vom Individuum lebensfähig erhält. 

Was die zweite Frage betrifft, so bestehen viele Forschungen, 
von den ältesten Autoren (Duhamel, Bernard, Heine, Larghi. 
Olli er, Kraft) bis zu den neuesten von Bonome, Martini. 
Grobe. 

0liier sagte: „Le perioste est le tissu de l’os qui est le 
plus apte ä se grefter;“ und dies darf uns nicht wundern, denn es 
fällt unter die allgemeine Regel, derzufolge die Einheilung einer Ueber¬ 
pflanzung besonders von der Wucherungsfähigkeit des überpflanzten 
Gewebes abhängt. Aus den Versuchen des französischen Verfassers 
(1885) ergab sich jedoch, daß der durch die Ueberpflanzung neu¬ 
gebildete Knochen sich wieder resorbierte, und zwar weil, wegen 
Mangels irgend einer Funktion desselben, in ihm der physiologische 
Reiz fehlt, der die Ernährung desselben regelt. Ollier hoffte, daß 
ein heterotypisch beim Menschen zum Ersätze eines fehlenden im¬ 
plantierter Knochen in den Funktionen, die er auszuführen bestimmt 
war, die zum Leben notwendigen Reiz-, Nähr- und Dauerhaftigkeits¬ 
bedingungen finden könne. 

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Experimenteller Beitrag zum Studium der Periostüberpflanzungen. 71 

Die späteren Forschungen sollten ihm recht geben. V. Hacker 
(1903) bediente sich in 2 Fällen von Substanzverlusten des Stirnbeines 
einmal eines umgeschlagenen Knochenperiostlappens mit breitem 
Stiele, das andre Mal nur eines Periostlappens. In beiden- Fällen 
war das Periost nach innen gekehrt. Ebenso empfahl Wolff um- 
gesclilagene Knochenperiostlappen, und Nuß bäum wandte sie in 
den Fällen von Pseudarthrose an. Die experimentellen Forschungen 
Barths bewiesen ferner, wie durch Beugung des Stieles auf den 
Substanzverlust zurückgeschlagene Knochenperiostlappen Anlaß zu 
einer starken Knochenproduktion geben; zu ähnlichen Schlußfolge¬ 
rungen kam Righetti in seinen Forschungen über die Knochen¬ 
autoplastik des Schädels durch Flexion. 

Bei der Behandlung der Pseudarthrose hat Mangoldt die 
ganze Umgebung derselben mit einem freien Periostknochenlappen 
umhüllt, und Codivilla wandte kleine, von einer zarten Knochen¬ 
schicht unterstützte, in Längsrichtung, wie die Dauben eines Fasses, 
um die Pseudarthrose herum angebrachte Periostlamellen an. 

Man könnte hier den Einwurf erheben, daß diese beiden 
Autoren keine echten Periostlappen angewandt haben; doch meine 
ich, daß dieser Unterschied nicht von Belang ist, da die sehr zarten 
Knochenlamellen den Zweck hatten, das Periost gespannt zu halten 
und die osteogenetische Schicht zu schützen, oder wie Dur ante 
bezüglich der Schädelplastiken sagt, dem Pericranium als Modell 
zu dienen und die Verknöcherung anzuregen. 

Mir scheint es daher gerechtfertigt, sie von den echten Knochen¬ 
periostlappen zu unterscheiden, bei denen, der Absicht des Operateurs 
nach, eher vom Knochen als vom Periost eine Reparationstätigkeit 
verlangt wird, während bei den Verfahren nach Mangoldt und 
f'odivilla die Knochensubstanz einen so kleinen Teil darstellt, daß 
ihr durchaus keine osteogenetische Tätigkeit zuerteilt wird, welche 
hingegen ganz dem Periost anheimfällt. 

Uebrigens hat man schon beobachtet, daß in den gestielten 
Periostrindenlappen der eigentliche Knochen der Nekrose verfällt, 
»las Periost hingegen sich am Leben erhält und neue Knochen¬ 
substanz bildet (Righetti). 

Auch ich habe in einigen Versuchen ähnliche Lappen angewandt 
und ein demjenigen der Periostallappen ungefähr gleiches Verhalten 
wahrgenommen, denn der Knochenteil blieb untätig, zeigte sehr bald 
eine glatte oder lückenhafte Resorption und allmählichen Ersatz 


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72 Trinci. 1 

von seiten des neugebildeten Knochens, periostalen Ursprungs. Um 
die kleine Knochenleiste herum war jedoch die knochenbildende 
Tätigkeit ausgeprägter, und dies vielleicht aus einem doppelten 
Grunde: einerseits, weil die Elemente der Ran vier sehen Schicht 
bei der Ablösung nicht mißhandelt wurden, und weil zweitens der 
Reiz auf die knochenbildenden Elemente erhalten war. Dieses deckt 
sich mit dem, was schon Barth bei den Lappen nach der Wölfi¬ 
schen Methode wahrgenommen hatte; nämlich Untergang der 
Knochenschicht und reichliche Neubildung periostalen Ursprungs. 

Was die bloßen Periostüberpflanzungen oder -lappen betrifft, 
so hat sich, obwohl einige Forscher sie für wirksam halten, hin¬ 
gegen auf Grund vieler Forschungen ergeben, daß das Periost un¬ 
tätig bleibt, und zwar weil — den Autoren nach — ihm der Reiz 
des darunterliegenden Knochens fehlt und es seine knochenbildemle 
Eigenschaft verliert. 

Sohr z. B. behauptet, daß man bei der Autoplastik des Seliä- 
dels die einfachen Periostlappen gar nicht in Rechnung ziehen kann, 
während sie in der Behandlung der Pseudarthrosen vielen Chirurgen, 
wie z. B. Bade, Vulpius, Fröhlich, gute Resultate gegeben 
haben. Ich muß jedoch hervorheben, daß früher die Forschungen 
nicht immer unter sehr günstigen Bedingungen (Anwendung von 
Karbolnebel, Immersion der Ueberpflanzungen in Sublimatlösungen 
usw.) vorgenommen wurden; folglich ist die Abwesenheit der Periost¬ 
tätigkeit einer anderen Ursache zuzuschreiben. 

Kürzlich hat Dr. Baggio bei seinen Versuchen über die 
Schädelplastiken znr Hälfte Periost- und zur anderen Hälfte Knocken¬ 
periostlappen verwandt und hat wahrgenommen, daß der rein peri¬ 
ostale Teil keine Knochenbildung ergab und mit der Dura mater 
verwuchs, so daß er mit dieser eine faserige Schicht bildete. Ebenso¬ 
wenig nahm er die Bildung von Knochensubstanz bei den gestielten 
Periostlappen wahr. Ja schon früher haben Biagi, Saccki und 
Pascale nie Knockendefekte am Schädel sich mittels neugebildeter 
Knochen ohne Vermittlung knochenbildenden Reizes in der Wunde 
ausfüllen sehen. Neuerdings hat Righetti gesehen, daß das Periost 
da, wo es in Verbindung mit Knochenschuppen war, in allen 
Versuchen einen Streifen neugebildeten Knochens hervorgebracht 
hatte, während bei den Knochenperiostlappen mit sehr kleinen 
Splittern die Reparation zum großen Teile durch das Bindegewebe 
vor sich gegangen war. Da wo keine Knochensplitter bestanden. 


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Experimenteller Beitrag zum Studium der Periostüberpflanzungen. 73 


führte das Periost zu keiner Knochenbildung. Folglich müßte es 
scheinen, daß die einfachen Periostlappen untätig seien, doch 
glaube ich, daß einige Forscher (Baggio z. B.) eine zu beschränkte 
Anzahl von Versuchen angestellt haben, die ungenügend sind, um 
Schlußfolgerungen zu gestatten, die der Wirksamkeit der Periost¬ 
lappen zuwider sind, ganz besonders, wenn man bedenkt, daß, wie 
wir sehen werden, die Besultate nichts weniger als beständig sind, 
und ganz besondere Bedingungen gefordert werden, damit dieselben 
günstig ausfallen. 

In einer ersten Reihe von Versuchen wandte ich als Versuchs¬ 
tiere Kaninchen an, deren Knochen sich sehr gut zu mikroskopischen 
Untersuchungen verwenden lassen; doch mußte ich infolge der 
Schwierigkeit, Periostlappen von einer zu einer Plastik nötigen Größe 
zu isolieren, bald diese Tiere aufgeben. Ich nahm daher meine Zu¬ 
flucht zu den Hunden, die meinen Erwartungen besser entsprachen. 
Als Knochen für den herzustellenden Substanzverlust wurde stets 
die Fibula gewählt, als derjenige Knochen, der am leichtesten zu¬ 
gänglich ist, und der selbst gehemmt keine Verlagerung erleidet, 
und zwar infolge seiner Verbindung mit der Tibia. — Die Umgebung 
der Fibula eignete sich zur leichten Herstellung guter Periostlappen. 
Ich entfernte t' 2 —1 cm von der mit dem Periost umgebenen 
Diaphysis, indem ich Sorge trug, keine Perioststreifen zurück¬ 
zulassen, da diese, Knochenneubildungen verursachend, die Resultate 
hätten beeinträchtigen können. Ich nahm die Ueberpflanzung nur 
auf einer Seite vor, so daß der Vergleich angestellt werden konnte 
zwischen der Seite, an welcher die Ueberpflanzung stattgefunden 
hatte und der von derselben verschont gebliebenen. Auf diese Weise 
erzielte ich sehr beweiskräftige Resultate. 

In einigen Fällen überpflanzte ich einfache Perioststreifen, in 
anderen entfernte ich gleichzeitig mit diesen feine Lamellen der 
oberflächlichsten Knochenschicht. 

Ich führte freie Ueberpflanzungen durch Uebertragung von der 
Tibia und gestielte Ueberpflanzungen von der Fibula selbst aus. Von 
diesen letzteren habe ich einige durch Umschlagen des Lappens in 
der Weise erzielt, daß die äußere Fläche nach innen und die innere 
nach außen zu liegen kam; in anderen habe ich den Stiel um die 
eigene Achse gedreht, so daß das Periost seine normale Lage dem 
Knochen gegenüber inne behielt. Ich hebe hier sogleich hervor. 


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Lauf. Nr. 


74 


Trinci. 


(laß ich die besten Resultate mit den Ueberpflanzungen unter Stiel¬ 
drehung erzielte. Bei den freien Ueberpflanzungen nahm ich oft 
Nekrose wahr; bei denjenigen durch Umschlagen zeigte sich bis¬ 
weilen eine Knochenneubildung nur in der Nähe des Stumpfes, bis¬ 
weilen war dieselbe so unregelmäßig, daß eine vollständige Kontinuität 
zwischen den beiden Stümpfen fehlte. In einigen Fällen jedoch 
war das Resultat vollständig. Ich breitete sorgfältig den Periost¬ 
oder Knochenperiostlappen aus, legte ihn auf eine gute Strecke den 
Knochenenden auf (nur einem, wenn es sich um gestielte Lappen 
handelte), indem ich Sorge trug, daß die Adhäsion überall voll¬ 
ständig war; ja, um diesen Zweck vollkommen zu erreichen, hatte 
ich auf eine kurze Strecke das Periost der Stümpfe abgehoben und 
schob das Ende des Lappens darunter, so daß dasselbe zwischen 
dem Periost und dem Knochen eingeklemmt wurde. 

Trotz dieser Vorsichtsmaßregel zog sich jedoch bisweilen der 
Periostlappen zurück und verlor so den Kontakt mit einem oder 
mit beiden Stümpfen, und bei der Autopsie fand sich keine Spur 
mehr vor, oder es blieb ein kleiner Faserstreifen mitten im um¬ 
liegenden Gewebe. In einer großen Anzahl von Fällen jedoch blieb 
der Lappen gedehnt und lebensfähig und bedingte, wie wir sehen 
werden, Knochenneubildungen. 


Versuche. 

(N.B.: Ich habe die Bezeichnung „gemischte“ angewandt für die durch eine 
zarte Knochenlamelle unterstützten Periostlappen.) 


Versuchs¬ 

tier 


1 | Kaninchen 

2 i dto. 

i 

3 Hund 

4 i Bastard 
| (Hund) 

, r > Kaninchen 

dto. 

Hund 


0 


I 


8 dto. (Bast.) ! 

9 | Hund 
10 | dto. (Bast.) 


Datum 

der 

Operation 

Operation 

Verlauf 

Ende 

de9 

Versuches 

£ Dauer 

4. 1. 1903 

freie Fe riost üb e r p fl an z u n g 

aseptisch 

26. 1.1908 

25 

4. 1. 1908 

freie gemischte Ueberpfhinz. 

dto. 

3. 2.1908 

30 

10.1.1908 

freie Periost Überpflanzung 

dto. 

11.2. 1908 

26 

20. 1. 1008 

| 

Periostlappen durch Ueber* 
schlagung 

dto. 

15.2.1908 

26 

20. 1. 1008 

freie Periostüberpflanzung 

dto. 

24. 2. 1908 

35 

1. 2.1903 

| 

gestielter Pcriostlappen 

dto. 

11.3. 1908 

40 

1 1.2. 1908 

gestielter gemischt. Lappen 

dto. 

1. 4.1908 

60 

4. 2. 1903 

freie gemischte Ueberpflanz. ! 

dto. 

6. 3.1908 

31 

4. 2. 1908 

l 

gestielter Periostlappen ; 

dto. * 

i 

6. 3. ISO* 

31 

4. 2. 190* 

dto. 

dto. I 

4. 5.190* 

90 


Aus¬ 

gang 


partiell 

negativ 

positiv 

dto. 

dto. 

negativ 

positiv 


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Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Experimenteller 

Beitrag zum Studium der Periostüberpflanzungen. 

75 

u < 

2 Versuchs- 
= tier 

Datum 

der 

Operation 

Operation 

Verlauf 

Ende 

des 

Versuches 

H 

<v 

a 

ce 

n 

flff 

Aus¬ 

gang 

11 Kaninchen 

8. 2.1908 

gestielter gemischt. Lappen 

aseptisch 

29. 3.1908 

50 

positiv 

].' dto. 

8. 2.1908 

freie Periostüberpflanzung 

dto. 

14.8.1908 

35 

negativ 

13 dto. 

10. 2.1908 

gestielter Periostlappen 

dto. 

25. 2.1908 

15 

partiell 

14 dto. 

10. 2.1908 

gemischter Lappen durch 
Umschlagung 

dto. 

1. 3.1908 

20 

negativ 

1) dto. 

10.2.1908 

dto. 

dto. 

5. 3.1908 

25 

partiell 

16 dto. 

12. 2.1908 

dto. 

dto. 

13. 3.1908 

30 

positiv 

17 Hund 

10.1.1910 

gestielter gemischt. Lappen 

dto. 

10.3.1910 

60 

negativ 

1* dto. 

10.1.1910 

dto. 

dto. 

10. 3.1910 

60 

positiv 

19 dto. (Bast.) 

15. 2.1910 

freier gemischter Lappen 

dto. 

31. 3.1910 

45 

negativ 

20 Hund 

19.2. 1910 

gestielter Periostlappen 

dto. 

2. 4.1910 

43 

positiv 

21 dto. 

19. 2. 1910 

dto. 

dto. 

2.4.1910 

43 

negativ 

2*2 dto. (Terr.) 

2. 3.1910 

dto. 

dto. 

1.5.1910 

60 

positiv 

2M dto. (Terr. i 

2.3.1910 

dto. 

dto. 

1.5.1910 

60 

partiell 

24 Hund 

5.3.1910 

freier Periostlappen 

dto. 

24. 5.1910 

80 

negativ 

25 dto. 

5.3.1910 

freier gemischter Lappen 

dto. 

24. 5.1910 

80 

positiv 

26 dto. (Bast.) 

8.3.1910 

gemischter Lappen durch 
Umschlagung 

dto. 

7. 4.1910 

30 

dto. 

27 Hund 

8. 3.1910 

dto. 

dto. 

7.4. 1910 

30 

negativ 

2 3 dto. (Terr.) 

10. 3.1910 

Periostlappen durch Ueber- 
schlagung 

dto. 

20. 4. 1910 

51 

dto. 

■-’!> dto. (Terr.) 

i 

10.3. 1910 

gemischter Lappen durch 
Ueberschlagung 

dto. 

20. 4.1910 

57 

positiv 

30, dto. (Bast.) 

14. 3.1910 

gestielter Periostlappen 

dto. 

20.4.1910 

47 

dto. 

31 dto. (Bast.) 

j ! 

14.3.1910 

gemischter Lappen durch 
Ueberschlagung 

dto. ! 

I 

20. 4.1910 

47 

partiell 

32 1 Hund 

14.3.1910 

freier gemischter Lappen 

dto. 

15.4.1910 

32 

positiv 

33 dto. 1 

14. 3. 1910 

dto. 

dto. 

15.4. 1910 

32 

dto. 

2t dto. 

1 1 

21.3.1910 

gestielter Periostlappen 

dto. 

1.5.1910 

40 

dto. 

•15 j dto. 

21.3. 1910 

gemischt, gestielter Lappen 

dto. | 

1.5. 1910 

40 

dto. 

36 dto. (Hast, i i 

1.4.1910 

freier Periostlappen 

dto. 

25.5. 1910 

50 

negativ 

57 dto. (Bast. ) | 

1.4.1910 

gemischter freier Lappen 

dto. 

25.5. 1910 

50 

positiv 

38 dto. (Terr.) ' 

10.4.1910 

gestielter gemischt. Lappen 

dto. 

10. 5.1910 

30 

negativ 

39 dto. (Bast.) 

10. 4.1910 

gestielter Periostlappen 

dto. 

21. 5.1910 

41 

dto. 

40 dto. (Bast.) 

10. 4.1910 

dto. 

dto. 

21.5.1910 

41 

dto. 

41 Hund 

' 15.4.1910 

gestielter gemischt. Lappen 

dto. 

14.6.1910 

60 

positiv 

42 Hund 

15.4.1910 

dto 

i 

dto. 

i 

14.6. 1910 

60 

dto. 

Digitlzed by ( 

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Original frum 

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76 


Trinci. 


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Zusammenfassend sind also die in 42 Versuchen erzielten 
Resultate: 

Freie Ueberpflanzungen: 5 positive, 4 negative, 

1 partielle. 

Gestielte Lappen durch Ueberschlagung: 2 positive, 

2 negative, 2 partielle. 

Wenn man die Art der Ueberpflanzung berücksichtigt (näm¬ 
lich, ob dieselbe eine reine Periostüberpflanzung oder Periost mit 
kortikaler Knochenlamelle überpflanzt worden war), ergeben sich 
folgende Resultate: 

Periostlappen und -Überpflanzung: 5 positive, 4 par¬ 
tielle, 10 negative. 

LappenundUeberpflan zun gen mit Knochenlamellen: 
IG positive, 2 partielle, 5 negative. 

In den ersten (6—10 Tagen), sind die beiden Stümpfe, zwi¬ 
schen denen sich ein interfragmentäres Hämatom von einem mehr 
oder weniger großen Umfange befindet, durch einen zarten, wei߬ 
rötlichen, weichen, kleinen Strang vereinigt, der den beiden Knochen¬ 
enden eine große Beweglichkeit gestattet und sich leicht durch 
einen schwachen Zug ablöst. Doch je mehr wir uns vom Augen¬ 
blicke der Operation entfernen, finden wir, daß die beiden Stümpfe 
durch eine faserige Hülle, die, äußerst weich, eine ziemlich aus¬ 
gedehnte Bewegung gestattet, eingeschlossen sind. In dieser Hülle 
sehen wir, gegen den 20. Tag, eine weißperlmutterfarbige, zuerst 
sehr zarte Leiste erscheinen, die von einem Stumpf zum anderen 
zieht und der Ueberpflanzungsstelle entspricht. In den Präparaten, 
die 50 Tage überschreiten, ist dieselbe kräftiger geworden, von 
Knochenknorpelkonsistenz und hält die beiden Stümpfe, denen sie 
wie eine Art von Kissen aufliegt, kräftig zusammen. 

Die bei der Autopsie entnommenen Stücke wurden nach der 
CorniIschen und Co udray sehen Methode behandelt (24 Stunden 
in einer konzentrierten Pikrinsäurelösung, dann 3 oder 4 Tage 
in einer mit oprozentiger Salpetersäure versetzten Pikrinlösung: 
Abspülung in Wasser und Härtung in Alkohol). 

Die Färbung, die .sich mir am geeignetsten zeigte, war die 
mit Ilämatoxilin und Eosin. 

Bei der Beschreibung der Präparate werde ich die in den über¬ 
pflanzten Periostlappen auftretenden Erscheinungen von denen in 


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Experimenteller Beitrag zum Studium der Periostüberpflanzungen. 77 

den Knochenenden unterscheiden. Diese letzteren sind, mit geringen 
Unterschieden, jene, die man bei allen Frakturen wahrnimmt und die 
der Callusbildung vorausgehen. Ich werde daher nur eine summa¬ 
rische Beschreibung geben und nur einige Eigentümlichkeiten hervor¬ 
heben, die von einer besonderen Bedeutung sein können. Infolge 
der Operation bildet sich in dem zwischen den beiden Stümpfen 
befindlichen Raume ein reichlicher Blutaustritt, der oft den ganzen 
erwähnten Raum ausfüllt und von den Geweben begrenzt wird. In 
der faserigen Ablagerung, die sich daraus bildet, findet eine 
Einwanderung von Elementen von lymphoidem Typus und von 
jungen Bindegewebselementen statt. Es folgt sehr bald eine Masse 
reifen Bindegewebes, das die beiden Stümpfe vereinigt. In meinen 
Versuchen habe ich, zum Unterschied von dem, was bei der Callus¬ 
bildung der gewöhnlichen Frakturen auftritt, nie die Bildung jenes 
Knorpelkeiles, der sich zwischen den beiden Stümpfen befindet, wie 
ihn Cornil und Coudray beschreiben, und der nach diesen Ver¬ 
fassern vom Periost herstammt, gesehen. Dieser Mangel ist höchst 
wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß das überpflanzte Periost 
wegen Mangels an Reizung des sich darunter befindenden Knochens 
keinen genügenden Reiz besitzt, um eine sehr ausgedehnte Knorpel¬ 
bildung hervorzurufen. Dieselbe hingegen ist sehr reichlich, da 
wo die Ueberpflanzung mit den Knochenstümpfen in Berührung 
steht. Dies bestätigt die schon von Bonome ausgesprochene Mei¬ 
nung, daß verschiedenartige Grade von Reizen auf das Periost ver¬ 
schiedene Wirkungen bezüglich der physiologischen Aufgabe der 
überpflanzten Elemente hervorrufen. 

Jedoch um das interfragmentäre Hämatom herum, welches sich 
mehr oder weniger reichlich bildet, ist die Wucherung der Periost¬ 
zellen ziemlich lebhaft und dies, weil nach Ansicht Einiger das Blut 
einen Reiz auf die knochenbildenden Zellen ausübt, oder, wie andere 
meinen, weil dasselbe nur ein für die Bildung des neuen Knochens 
verwertbares Material liefert. Tatsache ist, daß seine Anwesenheit 
von wesentlichster Bedeutung ist, und wenn bisweilen aus Gründen, 
die sich unserer Kenntnis entziehen, das interfragmentäre Hämatom 
gering war oder fehlte, so beobachtete ich den Mangel jeglicher 
knochenbildenden Tätigkeit des Periostes. Die Zellen der Mark¬ 
schicht waren in Nekrose geraten, so daß man nach einigen Tagen 
keine Spur derselben mehr wahrnahm und der faserige Teil des 
Periosts sich wie ein indifferentes Gewebe verhielt, dessen Elemente 


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Original frnm 

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78 


Trinci. 


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zum Teil ziemlich beschränkte Wucherungen aufwiesen, besonders 
in der periphersten Zone, wo das überpflanzte sich mit dem um¬ 
liegenden Gewebe vermischte, ohne daß sich hier irgend eine knochen¬ 
bildende Tätigkeit entwickelte. 

An den Knochenenden befindet sich ein Bluterguß, welcher 
die durch das Trauma gesetzte Lücke der Markspalten einnimmt, 
und über letztere hinausgehend sich auf den Knochenstumpf schichtet. 
In der faserigen Einlagerung, die diesem Blutaustritte folgt, bemerkt 
man, wie im interfragmentären Raum, das Auftreten von Elementen 
von lymphoidem Typus und junger Bindegewebszellen, während sieb 
die Markspalten mit Bindegewebszellen anfüllen, die vorwiegend der 
Wucherung der Markelemente entspringen. Um diese Bindegewebs- 
zapfen herum legen sich, in Reihen, Osteoblasten an, die häufig 
in zwei Schichten gelagert sind. Gegen den 6. Tag bemerkt man 
in dieser Masse das Auftreten von, und zwar anfangs sehr zarten, 
Knochenbälkchen, die dann schnell an Dicke zunehmen und das 
naheliegende Bindegewebe befallen, indem sie in dasselbe Ausläufer 
senden und allmählich eine neugebildete Knochenschicht bilden, 
welche gleichmäßig das durchtrennte Ende bedeckt und aus sehr 
unregelmäßigen, ausgebuchteten, im allgemeinen sehr dicken Balken 
besteht. In die Maschen dieses knöchernen Netzwerkes dringen 
Gefäßsprossen vom nahen Knochen hinein, die die eigentlichen Mark- 
elemente mit sich führen. 

Im Periostlappen treten vom 5. Tage an sämtliche Elemente 
in Wucherung, und nur auf einzelnen kleinen Strecken weisen die 
Zellen der Faserschicht ein trübes Protoplasma, mit blassem, wenig 
färbbarem Kerne und den Zeichen einer beginnenden Nekrose auf. 
Die Pflasterzellen der faserigen Schicht mehren sich mit großer 
Schnelligkeit und bilden eine ziemlich starke Schicht spindelförmiger 
Elemente mit länglichem Kerne, welche die äußerste Schicht von 
jener der Markzellen trennt und, zwischen die Bündel des alten 
Bindegewebes dringend, dieselben austrocknen. 

Die Zellen der R an viersehen Schicht befinden sich in noch 
reichlicherer Wucherung als die Bindegewebszellen und bringen 
eine Schicht epithelähnlicher Elemente hervor, die in der Nähe der 
Knochenenden bis zur Bildung zweier großer Anhäufungen heran¬ 
wächst. 

Daß di esc Wucherung auf den überpflanzten Periostlappen 
zurückzuführen sei und nicht etwa wie gewöhnlich in der Nähe der 


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Experimenteller Beitrag zum Studium der PeriostQberpflanzungen. 70 


frakturierten Knochenenden auftritt, das können - wir beim ersten 
Blicke aus dem Vergleiche mit der anderen Seite schließen, wo die 
Ueberpflanzung nicht stattgefunden hat; denn während auf der 
einen Seite ein großes Polster von Bindegewebe- und Markzellen 
den beiden Stümpfen aufliegt und sie vereinigt, werden dieselben 
auf der anderen Seite durch einfaches Bindegewebe vereinigt, und 
die Wucherung der Ran vier sehen Elemente ist sehr gering und 
auf den äußersten Teil des frakturierten Fragmentes beschränkt. 
Ueber die Natur der epithelähnlichen Zellen und über ihre Be¬ 
ziehung zu dem Knorpelcallus ist viel diskutiert worden und dis¬ 
kutiert man noch immer, indem einige Autoren sie als den Osteo¬ 
blasten ähnliche Zellen betrachten, während andere meinen, daß 
vou ihnen die Knorpelzellen abstammen. Sicher ist es nicht der 
Fall; hier kann ich auf diese Frage nicht weiter eingehen, dennoch 
muß ich hervorheben, wie man an einigen Stellen meiner Präparate 
zwischen den einzelnen Zellen eine Zwischenzellensubstanz in zarten 
Streifen auftreten sieht, die dann das Aussehen einer wahren Kapsel 
annehmen, an Dicke zunehmen, während die Zellen an Umfang 
abnehmen, fast als würden sie von der Bindesubstanz zusammen¬ 
gedrückt. Einige Elemente sterben ab und verschwinden, andere 
hingegen nehmen die Eigenschaften der Knorpelelemente an; ja 
einige lagern sich in kleine Serien, ohne jedoch den Typus wahrer 
Knorpelreihen anzunehmen. 

In diesem Knorpel finden dann Ablagerungen von Kalksalzen 
und Umbildung in Knochenbalken statt. Folglich deckt sich das, 
was ich habe bemerken können mit dem, was Ri gal und VTignal 
behaupten, nämlich, daß die Knorpelzellen eine Umwandlung der 
Markzellen sind. 

Dies würde einerseits ihren gemeinsamen Ursprung, andrerseits 
ihre gleichartige Funktion erklären, da wir sehen, daß bei der 
Callusbildung die Zellen des subperiostalen und markigen Binde¬ 
gewebes, die Osteoblasten, die Markzellen, die Knorpelzellen die¬ 
selbe Funktion bezüglich der Verknöcherung verrichten. Wenn 
nicht alle Zellen den Charakter der Knorpelelemente annehmen, so 
geschieht dies, weil an vielen Stellen dieser Mittelzustand nicht 
auftritt und vom Beginne an ein direkter Ossifikationsprozeß besteht. 
Wir sehen in der Tat, gegen den 8.—10. Tag, in den Anhäufungen 
der Markzellen das Auftreten zarter, geschlungener Knochenbalken, 
wie kleine Verzweigungen zwischen die einzelnen Zellen und Zellen- 


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80 


Trinci. 


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gruppen dringen, so daß sie ein Netzwerk mit unregelmäßigen, 
ziemlich engen Maschen bilden, welche aus einer rosafarbigen Sub¬ 
stanz bestehen, der sich bald parallel, bald perpendikulär angeordnete 
Osteoblasten anlegen, und zwar gewöhnlich in einer einzigen Reibe. 
Die Balken nehmen allmählich an Stärke zu, und die verkalkte 
Grundsubstanz, aus der sie bestehen, schließt die Markzellen ein. Viele 
derselben sind geschwollen und haben einen wenig färbbaren Kern; 

von allen Seiten gedrängt, neh¬ 
men sie an Umfang ab, während 
ibr Kern verschwindet und er¬ 
scheinen dann wie kleine helle 
Vakuolen, bis man in den älteren 
Balken keine Spur mehr davon 
findet. Nur ein kleiner Teil 
bleibt erhalten, der sich in 
Osteoblasten umwandelt. Im 
Innern der Knochenmaschen 
bleiben Anhäufungen von Mark¬ 
zellen zurück, die allmählich in 
Nekrose verfallen, um durch 
den Markspalten eigene Ele¬ 
mente ersetzt zu werden. 

Ich hebe hier gern einen 
Unterschied hervor, der zwischen 
demVerknöcherungsprozesse des 
Lappens und demjenigen be¬ 
steht, der sich bei den gewöhn¬ 
lichen Frakturen einzustellen 
pflegt, wo schon am 4. Tage 
Andeutungen (Ziegler) und bis¬ 
weilen eine so reichliche Pro¬ 
duktion wahrgenommen werden, daß sie die Lamellen der Knochen¬ 
rinde überschreitet (Cornil und Coudray). Somit hätte es den 
Anschein, daß das überpflanzte Periost, seine knochenbildenden 
Eigenschaften beibehaltend, dieselben langsamer entfaltet, sobald 
die Berührung mit dem Knochen verloren gegangen ist. Eine 
Eigenschaft, die uns diese von der Ucberpflanzung herrührenden 
Balken von jenen unterscheiden lassen muß, die man bei dem ge¬ 
wöhnlichen Callus durch Fraktur an trifft, besteht darin, daß die 



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Experimenteller Beitrag zum Studium der Periostüberpflanzungen. 81 


neugebildeten Balken im Knochencallus sich mittels ihrer verbreiterten 
Basis in den früheren Knochen fortsetzen und von Anfang an in 
enger Berührung mit demselben stehen, während sie in unserem 
Falle, anfangs getrennt, oft 

sehr entfernt sind und erst ^' 


später wieder adhärent werden, 
wenn die ganze Anhäufung der 
Markzellen vom Verknöche¬ 
rungsprozesse befallen ist. 

Im interfragmentären 
Teile des Lappens geht die 
gewöhnlich im mittleren Teile 
durch die Anhäufung der 
Markzellen entstandene Ver¬ 
knöcherung in das umliegende 
Bindegewebe über, dessen 
Zellen in den neugebildeten 
Knochenbalken eingeschlossen 
bleiben und Osteoblasten wer¬ 
den. Die Verknöcherung dieses 
Bindegewebsteiles, der, wie 
wir gesehen haben, die beiden 
Stümpfe vereinigt, findet in der 
bereits bekannten Weise statt, 
und ich halte es deshalb für 
überflüssig, darauf weiter ein¬ 
zugehen. Die Balken, die ihren 
Ursprung diesem Teile ver¬ 
danken, sind, anstatt die ge¬ 
wöhnliche rundliche oder aus¬ 
gebuchtete Form aufzuweisen, 
zum größten Teile gerade 
und besitzen sehr enge, bis¬ 
weilen spindelförmige Mark¬ 
spalten , und dies ist begreif¬ 
lich, im Verhältnis zur bündel¬ 



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förmigen Anordnung des Bindegewebes, auf dessen Kosten sie sich 
gebildet haben (Fig. 1). 

Gegen den 15. Tag bemerken wir also drei wohl voneinander 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 6 


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82 


Trinci. 


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unterschiedene Verknöcherungsareale: zwei im Innern der Knochen¬ 
stümpfe, eines im zentralen Teile des überpflanzten Lappens (Fig 2t. 

Die ersteren werden sehr bald mit dem resezierten Ende in 
Verbindung treten und zwar infolge einer Anordnung, die es wohl 
verdient, beschrieben zu werden und die ich in Fig. 3 und 4 wiedei¬ 
gegeben habe. 

Die Hävers sehen Kanäle des resezierten Endes zeigen sich 
in den ersten Tagen außerordentlich erweitert, fast als wäre die 
Grundsubstanz uni dieselbe resorbiert, und sind mit Osteoblasten 


Fig. 3. Fig. 4. 



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angefüllt, die in feinen Schichten gelagert sind. Die Rarefaktion 
und periphere Erweichung der Knochensubstanz sind schon von 
Cornil und Coudray ausführlich beschrieben worden und sind 
allen Fällen von Fraktur gemein; für uns sind sie aber von be¬ 
sonderem Interesse, infolge der Beziehungen, die sie mit dem über¬ 
pflanzten Periostlappen eingehen. 

Bekanntlich stehen die Haversschen Kanäle an der Knochen- 
oberfliiehe in senkrechter Richtung der Knochenachse selbst gegen¬ 
über, während die tieferen mit dieser parallel verlaufen. Die Er¬ 
weiterung der oberflächlichen und die Resorption der kalkhaltigen 
Grundsubstanz geben zur Bildung tiefer Einbuchtungen Anlaß, die 


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Experimenteller Beitrag zum Studium der Periostüberpflanzungen. 83 


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dem Knochen ein gezahntes Aussehen verleihen. In diesen Ein¬ 
buchtungen häufen sich, bis zur gänzlichen Ausfüllung derselben, 
die von der Ran vier sehen Schicht des überpflanzten und, wie be¬ 
reits erwähnt, unter dem Periost befestigten 
Lappens stammenden Markzellen. Auf diese 
Weise bildet sich zwischen dem alten Knochen 
und dem neugebildeten eine Verbindung, die 
nicht sehr stark sein wird, solange diese 
Zellzapfen bestehen; sie erlangen aber eine 
große Bedeutung, wenn der anfänglichen 
Osteitis die Neubildung folgt und wenn vom 
alten Knochen aus die dem Mark eigenen 
Elemente durch diese Ausbuchtungen hin¬ 
durch in den neugebildeten Knochen dringen 
(Fig. 4). 

Auf der Schnittfläche der resezierten 
Knochenstümpfe ist der Verknöcherungs¬ 
prozeß wenig aktiv (was übrigens bei jeder 
Fraktur der Fall ist) und befällt auf kleine 
Strecken das interfragraentäre Bindegewebe, 
in dem es sich auf den Seiten mit der vom 
Lappen herrührenden Knochenproduktion 
verlötet. Die von diesem stammenden Balken 
nehmen mit großer Schnelligkeit zu und 
dehnen sich besonders der Länge nach aus. 

Die Zunahme in der Dicke der Verknöche¬ 
rung ist hingegen beschränkter, infolge der 
Erschöpfung der Reproduktionsfähigkeit der 
Markzellen. 

Bisweilen verschmilzt die interfrag- 
mentäre Knochenproduktion mit zwei um 
die Stümpfe herum entstandenen Balken¬ 
anhäufungen; ein anderes Mal hingegen bleibt 
diese Verschmelzung aus und die drei Ver¬ 
knöcherungszonen bleiben mittels des Binde¬ 
gewebes vereint. Die Vereinigung der verschiedenen Teile 
jedoch eine so enge, daß man beim Anblicke meinen möchte, 


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bestehe eine vollständige Verlötung, und die Trennungslinie sei nur 
mikroskopisch wahrnehmbar (Fig. 5). 


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84 


Trinci. 


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Aus meinen Versuchen können wir also folgende Schlußsätze 
ziehen: 

1. Die Periostüberpflanzung weist, wie schon Olli er und 
Bonome nachgewiesen, sehr früh Regenerationserscheinungen auf, 
die in der osteogenetischen Schicht beginnen. 

2. In den nicht allzu ausgedehnten Knochensubstanzverlusten 
sind die Periostüberpflanzungen fähig, eine Knochenneubildung ab* 
zugeben. 

3. Diese knochenbildende Eigenschaft ist nicht beständig, und 
die Periostlappen fallen bisweilen der Nekrose anheim. 

4. Die gestielten Lappen weisen eine größere Lebensfähigkeit 
auf als die freien. 

5. Die knochenbildende Tätigkeit der tiefen Schicht des Peri¬ 
osts wird durch die Anwesenheit einer zarten Knochenlamelle oder 
eines Hämatoms angeregt. 

6. Der Mangel der beiden erwähnten Bedingungen macht die 
Ueberpflanzung unwirksam. 

7. Das Wachstum des neugebildeten Knochens ist, was die 
Dicke betrifft, beschränkt, da die Wucherungsfähigkeit der Zell¬ 
elemente sich erschöpft. Demnach ist es ratsam, die multiplen Ueber- 
pflanzungen nach der von Codivilla angewandten Methode vor¬ 
zunehmen. 

8. Wenn die Periostüberpflanzungen keine praktische Anwendung 
bei den ausgedehnten Knochenverlusten der langen Knochen finden 
können wegen Mangels an genügender Garantie bezüglich der Festig¬ 
keit, so können sie hingegen geeignet sein, die Kontinuität in den 
beschränkteren, besonders den kurzen Knochen wiederherzustellen. 


Literatur. 

1. Axhausen, Langenbecks Archiv Bd. 88. 

2. Barth, Langenbecks Archiv Bd. 8(>. 

3. Ders., Archiv f. klin. Chir. Bd. 98. 

4. Bonome, Archivio dolle Scienze mediche Vol. IX, Nr. 9. 

5. Baggio. Archivio d'Ortopedia 1911. 

6. Codivilla, Archivio d'Ortopedia 1910. 

7. Donati e Solieri, Atti R. Accademia fisio. Siena 1898. 

8. Dies., Ebenda 1899. 

9. Fabris, La Clinica Chirurgica 1905. 

10. Giordano, Archivio d’Ortopedia 1*89. 


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Experimenteller Beitrag zum Studium der Periostüberpflanzungen. 85 


11. Ders., Virchows Archiv 1899. 

12. Der8., Münch, med. Wochensehr. 1898. 

13. Lop, Gaz. des hop. 1908. 

14. Morpurgo, Virchows Archiv 1899. 

15. Müller, Münch, med. Wochenschr. 1910. 

16. Manara, La Clinica Chirurgica 1899. 

17. Martini, Bull. Societa tra i cultori di scienze mediche in Siena 1886. 

18. MacEwen, Rev. de Chir. 1882. 

19. 0liier, Arch. de physiol. 1889. 

20. Der8., Traite exp. et clinique de la res. des os 1867. 

21. Ders., Comptes rendus Vol. 92. 

*22. Ders., Journal de la Physiol. de Phomme et des animaux 1860. 

23. Ders., Traite des resections. Paris. 

24. Paci, Lo Sperimentale 1886. 

25. Schmidt, Langenbecks Archiv 1893. 

26. Sacchi, Riforma medica 1894. 

27. Salvia, Gazzetta degii Ospedali 1885. 

28. Trischitta, La Clinica Chirurgica 1909. 

29. Ti man, Beitr. z. klin. Chir. Bd. 36. 

30. v. Hacker, Bruns 1 Beiträge 1903, Bd. 37. 


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VIII. 


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Ueber die Widerstandskraft von Seimen und 

Sehnennähten. 

Von 

Prof. Dr. 0. Yulplos, Heidelberg. 

Auf Publikationen von mir und meinem Schüler Natzler, 
welche über Experimente hinsichtlich der Festigkeit der Sehnen, 
speziell der gelähmten Sehnen und der an solchen angelegten Nähte, 
berichteten, hat Lange unter der Ueberscbrift „Tendinöse oder 
periostale Sehnenverpflanzung?“ entgegnet. 

Er hat also eine Fragestellung gewählt, welche in unseren 
Mitteilungen absichtlich vermieden war. Wir haben vielmehr aus¬ 
drücklich betont, daß unsere Untersuchungen keine vergleichende 
Prüfung der beiden behufs Sehnenüberpflanzung angewendeten Naht¬ 
methoden darstellen sollen. Die Zugfestigkeit gelähmter Sehnen 
und die Leistungsfähigkeit der an ihnen angelegten Nähte war bis 
dahin ebensowenig, ja fast noch weniger geprüft, als dies merk¬ 
würdigerweise an normalen Sehnen und den Vereinigungsnähten 
derselben bislang geschehen war. Es existierten nur einige wenige 
Angaben von Lange, denen teilweise Leichenversuche, teilweise 
aber auch nur Vermutungen zugrunde lagen. 

Und doch benützte Lange dieselben als anatomische Stütze 
für seine prinzipielle Empfehlung der periostalen Ueberpflanzungs* 
naht. Daß er weiterhin zu ihren Gunsten auch andere Argumente 
ins Feld führte, ist mir wie jedermann wohlbekannt. Ich ver¬ 
sprach schon in meiner Publikation und wiederhole heute das Ver¬ 
sprechen, daß ich in einer ausführlichen Arbeit mich mit der 
Langeschen Ueberpflanzung, mit seinen Operationsplänen und seiner 
Technik beschäftigen werde. 


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Ueber die Widerstandskraft von Sehnen und Sehnennähten. 


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Fürs erste war es mir, wie gesagt, darum zu tun, die Festig¬ 
keit der Sehnen und die Festigkeit der Naht von Sehne auf Sehne 
experimentell zu prüfen und zwar in eingehenderer Weise, als dies 
durch Lange 1903 geschehen war. Lange rügt, daß diese Nach¬ 
prüfung jetzt erst erfolgt ist. Dieser Vorwurf, den ich mir selber 
übrigens auch mache, besteht zu Recht, er trifft aber nicht mich 
allein, sondern alle diejenigen, welche mit Sehnennähten und Modi¬ 
fikationen derselben sich befaßt haben. 

Zur eigenen Entschuldigung kann ich außer Zeitmangel nur 
anführen, daß manches zu tun mir dringlicher schien als die ex¬ 
perimentelle Bestätigung von Verhältnissen, welche mir aus der all¬ 
täglichen Praxis als bewiesen galten. 

Spät komme ich, doch ich komme! Aber auch jetzt habe ich 
nicht experimentiert, um mit Lange zu streiten, sondern um unser 
Wissen zu vervollständigen. Und daß dieses in bezug auf den Wert 
der Sehnennähte noch äußerst lückenhaft ist, beweisen ja auch die 
neuesten Mitteilungen von Kimura Über Sehnennaht in Nr. 5 der 
Münchner medizinischen Wochenschrift, auf die ich noch zu sprechen 
kommen werde. 

Ich habe meine Experimente nicht an toten Sehnen angestellt, 
wie Lange schreibt, sondern an frischen, eben dem Lebenden ent¬ 
nommenen Objekten. Gerade darin erblickte ich einen Vorzug 
gegenüber den Langeschen Belastungsproben von der Leiche 
stammender Sehnen. 

Die Ergebnisse unserer Experimente zeigten eine erstaunliche 
Festigkeit gelähmter Sehnen und eine ungeahnte Widerstandskraft 
meiner Sehnennaht. Als Charakteristikum der letzteren möchte ich 
auch hier hervorheben, daß ich den einfachen Knopfnähten eine und 
die andere „durchschlungene“ oder „Kreuz“naht hinzufüge. Ich 
habe diese Art der Sehnennaht, welche heute als Wilmssche Naht 
bezeichnet wird, stets verwendet und u. a. schon in meinem 1902 er¬ 
schienenen Buche „Ueber die Sehnenüberpflanzung“ erwähnt. Die 
vorhin angezogenen Experimente von Kimura haben ihre über¬ 
legene Vorzüglichkeit erneut dargetan, nachdem Wilms und 
Sievers schon 1905 nachgewiesen hatten, daß diese Naht eine 
Belastung von 5 und mehr Kilogramm tagelang aushielt. 

Die absolute Festigkeit der gelähmten Sehnen also und ihre 
Vernähung nach meiner Methode wurden durch die von mir und 
Natzler angestellten Versuche bewiesen, die relative Festigkeit im 


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Vulpius. 



Vergleich zur periostalen Naht war weder Gegenstand noch Resultat 
der Experimente. 

Wohl aber ergab sich ein Widerspruch zu den eingangs er¬ 
wähnten Mitteilungen Langes über die von ihm ausgeführten Be¬ 
lastungsproben. 

In der nunmehr erschienenen Entgegnung Langes auf unsere 
Publikation erwartete ich, und wohl mit Recht, einen neuen Beitrag 
zur wissenschaftlichen Klärung der Frage zu finden, sehe mich aber 
darin leider getäuscht. Er will vielmehr die Sache unentschieden 
lassen, bis von unparteiischer Seite neuere Versuche angestellt 
seien. Ich bedauere es, daß Lange nicht selber hier wissenschaft¬ 
lich mitarbeiten will. 

Denn wenn von dritter Seite experimentiert wird, so bleibt 
immer der Ein wand offen, daß die Naht, wenn als minderwertig 
erfunden, technisch unrichtig angelegt worden sei. Nur Lange 
selber ist imstande, neben die von mir gegebenen absoluten Werte 
die seinigen vollgültig zu setzen, wie ich dies schon 1903 in der 
Diskussion vorgeschlagen habe. 

Bezüglich seiner Technik, mit welcher er die periostale Naht 
vollzieht, ist freilich die von Lange gewünschte Nachprüfung von 
unparteiischer Seite bereits erfolgt. Und zwar sind in derWilras- 
schen Klinik von Kimura Versuchserien mit verschiedenen Naht¬ 
methoden ausgeführt und an der vorhin zitierten Stelle publiziert 
worden. Sie haben ergeben und, wie ich ehrlich hinzufüge, zu 
meinem Erstaunen ergeben, daß die Langesche Naht die un¬ 
zuverlässigste ist, insofern die mehrfach durchstochene Sehne 
schlitzt, so daß die Naht bei nur 1000 g Belastung bereits um 
12 mm, bei 2000 g um 19,7 mm, bei 3000 g gar um 24,8 nun 
diastasiert! 

Die Wilmssche Naht aber, welche der meinigen 
durchaus analog ist, hat sich den ersten Platz erobert. 

Sind diese Resultate zutreffend, so ergibt sich aus denselben 
die Berechtigung unserer Warnung vor der Lang eschen Naht, 
welche „das Schicksal der Ueberpflanzung an einen Faden hängt 4 . 

Ich unterlasse heute jedes Eingehen auf das Indikationsgebiet 
der tendinüsen oder der periostalen Sehnenverpflanzung. Nur einige 
Irrtümer, die Lange in seiner Entgegnung unterlaufen sind, sehe 
ich mich veranlaßt zu korrigieren. Lange bezeichnet sich nicht mit 
Recht als „geistigen Vater“ der periostalen Tendofixation. Vielmehr 


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Ueber die Widerstandskraft von Sehnen und Sehnennähten. 


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hat Drobnik als erster und schon 1893 das Verfahren angewendet, 
nach ihm Weid 1897. 

Mit dieser historischen Richtigstellung soll Langes Verdienst 
nicht geschmälert werden, er hat die periostale Sehnenüberpflanzung 
zur Methode erhoben und ihr prinzipiell den Vorzug gegeben. Aus¬ 
nahmsweise nur verläßt er sie, geradeso wie ich unter gewissen 
Umständen gerne das Periost als Insertionsstelle wähle, wenngleich 
ich gestehe, daß ich die Gründe solcher Abweichungen Langes zu¬ 
nächst nicht erkenne. 

Jedenfalls aber kann ich es nicht billigen, daß Lange meine 
von jeher geübte und empfohlene periostale Ueberpflanzung auf die 
Patella spöttisch benützen will, um zu zeigen, daß ich mir selber 
widerspreche. 

Aus meinen Publikationen muß Lange wissen, daß und wie 
ich die periostale Naht in Ausnahmefallen begründe und daß die 
Meinungsverschiedenheit zwischen uns darin besteht, daß ihm als 
reguläres Verfahren gilt, was ich als Ausnahme anerkenne und 
umgekehrt. 

Jeder von uns wird auch weiterhin die Gelegenheit wahr¬ 
nehmen, seinen Standpunkt zu vertreten und zu begründen, jeder 
auch das Recht haben, die Ansichten anderer zu seinen Gunsten 
heranzuziehen. 

Ob es gerade ein glücklicher Griff von Lange war, daß er 
als ersten und, wie er meint, besonders schwerwiegenden Zeugen 
einen früheren Assistenten gegen mich aufstellt, erscheint mir fraglich. 

Ich halte es jedenfalls im allgemeinen nicht für nachahmungs¬ 
wert, den Schüler ohne dringende Not gegen den einstigen Lehrer 
auszuspielen. 

Entschließt man sich aber schon dazu, so doch gewiß nur 
dann, wenn man sich zuvor über die Verhältnisse genau orientiert 
hat. Dies hat Lange leider unterlassen, er zwingt mich dadurch 
wider Willen zur Richtigstellung. Der betreffende Kollege trat im 
Frühsommer 1900 als chirurgisch-orthopädischer Anfänger in meine 
Klinik als Assistent ein und lernte etwa 9 Monate bei mir. 

Damals arbeitete ich selber noch an meiner Methode und an 
kleinerem Material, gerade wie Lange. Zu einem Ueberblick über 
die Erfolge „in langjähriger Assistentenzeit“ war also keine Mög¬ 
lichkeit gegeben. 

Dieser erste Zeugenbeweis ist demnach Lange gründlich miß- 


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90 Vulpius. Ueber die Widerstandskraft von Sehnen und Sehnennähten. 



lungen, er hat auch mit anderen nicht durchweg Glück. So hat 
Hoffa beide Methoden als zu Recht bestehend anerkannt und an¬ 
gewendet, gerade wie ich dies tue. Ob er heute noch der mehr¬ 
fach veränderten Technik Langes folgen würde, ist mir höchst 
fraglich. 

Ein entschiedener Gegner aber der Langeschen Technik ist 
der von ihm angerufene Codivilla, der als erfahrener Chirurg die , 
Einfügung künstlicher Sehnen behufs periostaler Verpflanzung ebenso \ 
prinzipiell verwirft, wie sie Lange anwendet. I 

Aus dem von Lange gelobten Land Amerika aber und ge¬ 
rade aus der von ihm besonders hervorgehobenen Lovett-Klinik 
in Boston erschien kürzlich eine experimentelle Arbeit von J. War- 
ren Sever, welche für die Umformung und Funktion einer nach 
Lange angehängten künstlichen Sehne wenig Erfreuliches er¬ 
warten läßt. 

Ich vermeide es, Lange heute weiter auf das Gebiet der 
Ueberpflanzungstechnik zu folgen, auf das er in seiner Entgegnung 
abgeschweift ist. Ich stelle erneut die von mir aufgeworfene und 
neuestens auch von Kimura bearbeitete Frage nach der Wider¬ 
standskraft von Sehnen und Sehnennähten zur Diskussion. Sie ist 
des sorgfältigsten Studiums auch weiterhin wert, da ihre definitive 
Beantwortung für die Technik der Sehnenüberpflanzung fundamen¬ 
tale Bedeutung besitzt. 

Vielleicht entschließt sich Lange nun doch, den Unter¬ 
suchungen, welche aus der Wilmsschen und meiner Klinik durch¬ 
aus unabhängig voneinander hervorgegangen sind, Aufmerksamkeit 
zuzuwenden und eigene, wissenschaftlich möglichst exakte Nach¬ 
prüfungen entgegenzustellen. 


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IX. 

Aus der chirurgischen Abteilung der Cölner Akademie für praktische 
, Medizin (Geh. Med.-Rat Prof. Dr. B. Bardenheuer). 

Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- 
und -Schaftbrüche. 

Von 

Dr. Otto Grüne, 

Oberarzt im Inf.-Regt. Nr. 16 , kommandiert zum Bürgerhospital. 

Mit 28 Abbildungen. 

Die Frakturen des Oberschenkelhalses und des Oberschenkel¬ 
schaftes nehmen in erhöhtem Maße das Interesse der Chirurgen wieder 
in Anspruch. Besonders zeugen hiervon die Mitteilungen bzw. Arbeiten 
derjüngsten Zeit von Steinmann, Henschen, Wilms und Lin- 
hart, auf die ich hiermit besonders verweise. 

Zunächst möchte ich auf den Bau des Oberschenkelhalses und 
seiner nächsten Umgebung eingehen, der sich auf Grund von hori¬ 
zontalen, sagittalen und frontalen Durchschnitten am besten beurteilen 
läßt. Die Natur hat hier aus spongiösen feinen Knochenbälkchen 
eine Anzahl von Spitzbogen, die ineinander übergreifen, geschaffen, 
wodurch dem Knochen eine große Widerstandskraft gegen Zug- und 
Druckwirkung verliehen wird. Gleichzeitig wird ihm auch eine große 
Elastizität zuteil. Bei starken Gewalteinwirkungen kann der so ge¬ 
baute Knochen sich je nach Bedürfnis nach der einen Seite mehr 
einbiegen und auf der andern Seite stärkeren Widerstand leisten, 
um nach Aufhören resp. Kompensation der Krafteinwirkung wieder 
in sein physiologisches Gleichgewicht zu kommen. Wäre der Knochen 
kompakt, so würde er den physikalischen Gesetzen nachgeben und 
bei einer Ueberdehnung oder zu starkem Drucke brechen. Ein weiterer 
Vorteil liegt in der Anlage des Oberschenkelhalssporns, der zur Yer- 


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Stärkung des Schenkelhalses dient und vom Trochanter minor ausgeht. 
Von besonderer Wichtigkeit für die Tragkraft und die Elastizität 
ist der Winkel, in welchem Schaft und Hals sich zueinander befinden 
Beim Erwachsenen beträgt er 120 °, bei Frauen ist er kleiner und 
nähert sich mehr dem Rechten. 

Unter genanntem Winkel hat das Hüftgelenk seine bestmög¬ 
liche und ausgiebigste Beweglichkeit, und der Schenkelhals kann 
am besten, ohne daß der Kopf aus der Pfanne luxiert oder der Hals 
bricht, nachgeben; es bleibt immer ein beiden einzelnen Individuen 
verschiedener Winkel übrig, den ich als Dehnungs- bzw. Beugungs¬ 
winkel bezeichnen möchte. Bei nicht allzu großen Gewalteinwirkungen 
wird der Beugungswinkel im allgemeinen wohl nicht völlig ausgenützt 
werden. Der Oberschenkelhalswinkel von 120° garantiert eine gute 
Stellung der beiden Gelenkflächen der Hüftgelenkpfanne und des 
Schenkelhalskopfes in dem Sinne, daß beide senkrecht zueinander 
stehen, da die Gelenkpfanne ebenfalls einen entsprechenden Neigungs¬ 
winkel hat. 

Anderseits wird durch den Schenkelhalswinkel und seinen Bau 
dem Knochengerüst in der Trochanterengegend eine stärkere Elasti¬ 
zität gegeben und somit ein leichtes Einbrechen verhindert, mag die 
Kraft nun von oben, unten oder von den Seiten herkommen. Anders 
verhält sich der Schenkelhalswinkel beim Alter über 50 Jahre. Mit 
dem zunehmenden Alter wird der Beugewinkel allmählich 0 °, be¬ 
dingt durch eine wesentliche Abnahme des Schenkelhalswinkels, 
welcher in vielen Fällen nur noch 00 0 beträgt, außerdem kommt 
noch eine wesentliche Verringerung der Elastizität des porös ge¬ 
wordenen Knochens hinzu. Die Grundlage zur Schenkelhalswinkel¬ 
verkleinerung bildet die Abnahme der Spongiosa und somit der Zahl 
der Spitzbogen. Außerdem wird der Schenkelhals kürzer. Es tritt 
eine Osteoporose und somit eine geringere Widerstandskraft und 
Elastizität des Knochens ein, da die Maschenräume immer größer 
werden. Durch diese Vorgänge sind für den Menschen große Ge¬ 
fahren bedingt, da der Schenkelhalswinkel bei 90 0 sich nicht mehr 
verkleinern kann ohne zu brechen, anderseits ist die Widerstandskraft 
gegen Druck und Zug infolge der Bogenabnahme und Verkürzung 
des Schenkelhalses stark herabgesetzt. Der schwächste Punkt des 
Oberschenkelhalses liegt nach der praktischen Erfahrung in solchen 
Fällen in der Trochantergegend. Sobald der Schenkelhalswinkel an¬ 
nähernd 90 u beträgt, wird die Trochantergegend eher eingebrochen 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -Schaftbrüche. 93 


als bei höheren Winkelgraden. Auch der im Alter spröde gewordene 
Knochen wird zunächst versuchen, der meist plötzlich einwirkenden 
Kraft nachzugeben, kann es jedoch aus genannten Gründen nicht 
zur Genüge und bricht ein. Selbst bei einem jungen Manne wird bei 
guter Elastizität der Knochen der Schenkelhals- bzw. der Trocbanter- 
gegend eher einbrechen, wenn der Schenkelhalswinkel nur 90° be¬ 
trüge. Beim Schenkelhalswinkel von 90° steht das Becken weit 
tiefer als bei einem Winkel von 120°, außerdem ist die Spitzbogen¬ 
bildung in der Spongiosa eine flachere und erfahrungsgemäß gegen 
Zug und Druck eine schwächere. Das Gegenteil ist bei den lang¬ 
ausgezogenen Spitzbogen der Fall, da sie den Anforderungen der 
Druck- und Zugwirkung angepaßt sind. Tritt demnach bei einem 
Schenkelhalswinkel von 90 0 eine starke, in der Richtung der Längs¬ 
achse des Körpers verlaufende Gewalteinwirkung ein, z. B. Fall auf die 
Füße, so wird infolge der Schwerkraft und des Beharrungsvermögens 
des Rumpfes der Schenkelhals als oberer Winkelschenkel stark nach 
unten gedrückt und in entgegengesetzter Richtung der Oberschenkel 
nach oben und infolge der meist in Tätigkeit tretenden Adduktoren 
und Flexoren nach innen gezogen. Hiermit wird eine Ueberdehnung 
und somit ein Bruch an der schwächsten Stelle herbeigeführt. Beim 
Fall auf die Trochanterengegend haben wir eine aus 3 Komponenten 
sich zusaramensetzende Krafteinwirkung auf den Schenkelhals: 

1. Stoßkraft auf die Trochanterengegend, 

2. Einwirkung der Schwerkraft des Rumpfes auf den Schenkelhals, 

3. Muskelkraft, welche ein Hinfallen des Körpers verhindern 
soll (kompensatorische Kraft). 

Die Muskelkraft versucht das Bein zu fixieren, desgleichen das 
Becken nach vorn zu bringen und den Oberkörper mit kurzem Ruck 
zu strecken, wodurch ein Hinfallen vermieden werden soll. Die 
Trochanteren und der Schenkelhulskopf werden hierbei fixiert, der 
Oberschenkel gestreckt und adduziert und auch gebeugt. Es gibt 
nur zwei Möglichkeiten: 1. Der Widerstand im Bereich der Schenkel- 
hals-Trocbanterengegend ist so groß, daß er die Stoßkraft überwindet, 
wodurch ein Bruch des Schenkelhalses vermieden wird; 2. die Wider¬ 
standskraft ist geringer und es tritt ein Bruch ein, meistens im Be¬ 
reiche des Trochanterengebietes. Der Bruch daselbst kann einen 
isolierten Trochanterbruch (sehr selten) oder einen pertrochanteren 
darstellen. Die Verstellung des distalen Fragmentes zum proximalen 
ist sehr verschieden. Oftmals handelt es sich um Einkeilungsfrakturen, 


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woselbst die winklige Verstellung der Fragmente eine relativ geringe 
ist. Anderseits findet eine Einkeilung nicht statt, und wir haben 
dann manchmal sehr beträchtliche Verkürzungen, bis zu G cm. Es 
ist jedoch anzunehmen, daß die Hauptverstellung nicht allein durch 
die Gewalteinwirkung bewerkstelligt wird, sondern auch durch die 
Muskulatur, welche sich nach Aufhebung der Knochenkontinuität 
retrahiert. Bei den isolierten Trochanterfrakturen findet man oft¬ 
mals eine Dislokation des abgesprengten Trochanterteiles stark nach 
oben und medialwärts. Bei den reinen intrakapsulären Brüchen ist 
die primäre Verstellung meist gering und beträgt äußerst selten 
mehr als 3 cm; sekundär kann sie infolge der Nachgiebigkeit und 
Zerreißung der Kapsel größer werden. Als Ursache der Schenkel¬ 
halsfraktur sind meistens indirekte Gewalten zu betrachten, so Fall 
auf den Trochanter major, Gesäß, Stoß oder Schlag gegen das Gesäß, 
Fall auf die Knie oder Füße. Durch Fall auf die Knie oder Füße 
sollen meist reine intrakapsuläre Brüche herbeigeführt werden, was 
durch Versuche von Heppner, Landoy und Riedlinger bestätigt 
wurde. Hierzu möchte ich bemerken, daß anscheinend reine Muskel¬ 
anstrengung eine subkapitale Fraktur erzeugen kann, wie ich es beim 
Marschieren bei einem jungen Soldaten gesehen habe, welcher, ohne 
große Anstrengungen gemacht zu haben, aus ihm völlig unbekannter 
Ursache sich eine subkapitale Schenkelhalsfraktur zuzog (s. Kranken¬ 
geschichte). Wenn auch bei jugendlichen Personen die Schenkel¬ 
halsbrüche nicht allzuhäufig Vorkommen, so muß man doch die 
ihnen zugeschriebene große Seltenheit in Abrede stellen. Im 4. bis 
5. Lebensdezennium werden sie bereits häufiger, um von da ab an 
Häufigkeit zuzunehmen. Je älter die Menschen werden, desto häufiger 
sind die Schenkelhalsbrüche, besonders bei Frauen, die bekanntlich 
im allgemeinen älter als die Männer werden. Die Prognose hängt 
vom allgemeinen Kräftezustand, besonders dem der Lungen und des 
Gefäßsystems ab. Ich habe 80jährige Patienten gesehen, welche 
nach Schenkelhalsbruch wieder gesund und gehend das Krankenhaus 
verließen. Von besonderer Bedeutung sind etwa vorhandene Krampf¬ 
adern mit Thromben und Ulcera cruris etc. Hierdurch wird die 
Prognose sehr getrübt, da eventuell Embolien eintreten und den Exitus 
herbeiführen. Auch an Fettembolien aus den Markhöhlen muß man 
denken. Die Arteriosklerose ist ebenfalls von besonderer Bedeutung, 
insbesondere ihr Sitz. Es kommt vor, daß die Knochenenden mit einem 
anscheinend guten Callus verbunden sind, der letztere aber doch noch 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 95 


nicht fest ist, zumal bei zu frühem Aufstehen (vor der 12. Woche) 
nackgibt. Ein Patient, der in solchem Falle aufsteht und dem 
Schenkelhals die Last des Körpers anvertraut, wird bemerken, daß der 
weiche Callus nachgibt, wodurch der Oberschenkel in eine Adduktions¬ 
stellung gerät. Der vorher ideal erzielte Schenkelhalswinkel sinkt 
sehr stark zusammen, wodurch die Adduktionsstellung immer stärker 
wird. Es bilden sich hier eben nicht genug Kalkmassen, die den 
zuerst weichen Callus erhärten und widerstandsfähig machen. In 
manchen Fällen, besonders bei den subkapitalen Schenkelhalsfrak¬ 
turen, sollen sich, wie aus der Literatnr ersichtlich, nur Binde- 
gewebsverbindungen einstellen, wodurch eine Pseudarthrose erzielt 
wird (Koenig jun.). 

Ich möchte hierzu bemerken, daß es meiner Ansicht nach an 
der Behandlungsart, resp. der Unmöglichkeit der Durchführung der 
korrekten Extensionsbehandlung z. B., und drohenden Herzschwäche 
durch zu hohes Alter liegt, welche die Pseudarthrose verschuldet. 
Als Ursache für die Entstehung einer Pseudarthrose ist nicht etwa 
die mangelhafte Ernährung der Kopffragmente, sondern einzig und 
allein der mangelhafte oder nicht dauernd erzielte Kontakt der Bruch¬ 
flächen anzuschuldigen. Gleichzeitig möchte ich bemerken, daß man 
sogar durch eine weit ausgeführte Streckbehandlnng in der Lage ist, 
eine regelrecht ausgebildete Pseudarthrose (sogar einmal 5 Monate 
alte Pseudarthrose) vollständig ohne Operation zur Ausheilung zu 
bringen. 

Was die Behandlung der Oberschenkelhalsbrüche anbelangt, 
so wird meistens wohl einer der verschiedenen Streckverbände an¬ 
gelegt mit möglichst starker Abduktion (30—50°). Die Hauptauf¬ 
gabe besteht einerseits in der Aufhebung der Verkürzung und ander¬ 
seits in der Herbeiführung einer idealen anatomischen, dauernden 
Stellung der Fragmente zueinander. Gleichzeitig muß man auch eine 
gute Beweglichkeit der Hüft-, Knie- und Fußgelenke erstreben und 
die Atrophie der Muskeln verhütet werden. Viele Autoren sind der 
Ansicht, daß die Pseudarthrose bei den Schenkelhalsfrakturen durch 
die schlechte Ernährung des proximalen Fragments bedingt ist. Dieser 
Ansicht können wir nicht beipflichten, wir sind vielmehr der Ueber- 
zeugung, daß bei einer Behandlung ohne korrekte Extension der 
intrafragmentale Druck nicht behoben wird, wodurch eine schlechte 
Ernährung bzw. ein Schwund der Knochensubstanz, besonders durch 
die Retraktion der Muskeln, bedingt wird. Solange der intrafrag- 


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mentale Druck und die Verschiebung der Fragmente zueinander nicht 
zur Genüge beseitigt ist, kann sich eine hinreichende Zirkulation 
nicht einstellen. Die Abbauprodukte werden nicht zur Genüge weg¬ 
geschafft, und aus dem gut mit Blut versehenen distalen Fragmente 
kann aus der Knochenhöhle keine ernährende Flüssigkeit sich nach 
dem proximalen Bruchstück begeben. Abgesehen hiervon werden er¬ 
fahrungsgemäß die Perioststücke nach Behebung der Dislokation der 
Fragmente und bei ständiger Aufhebung des intrafragmentalen Druckes 
mittels Extension in eine günstige Lage gebracht, die eine Verheilung 
bzw. baldige gute Blutversorgung gewährleistet. Bei den Brüchen 
zerreißt meistens das Periost nicht in seiner ganzen Ausdehnung, 
sondern einzelne Streifen bleiben auch bei großen Verstellungen der 
Fragmente in der Kontinuität erhalten, nur werden sie bei nicht 
genügender und nicht rechtzeitig ausgeführter Reposition gequetscht 
oder auch zum Teil abgedreht, so daß nach längerer Zeit die er¬ 
nährenden Gefäße verstopft werden. Abgesehen von dem Periost, 
soll der Schenkelhals auch von der Kapsel her mit Blutgefäßen ver¬ 
sehen werden. Von den Kapselteilen gilt dasselbe, was ich von dem 
Periost gesagt habe. Manche Autoren legen zu großes Gewicht darauf, 
daß das Lig. teres ebenfalls zur Ernährung des Kopfes diene, andere 
behaupten wiederum das Gegenteil, weil die vorhandenen arteriellen 
Gefäße im Alter schwinden und sich anscheinend schleifenförmig in 
venöse verwandeln. Abgesehen von dieser einen Ansicht schwinden 
die Gefäße im Alter, so daß die Ernährung geschädigt wird. Die 
Ernährung geht bei guterhaltenem Bruchflächenkontakte auch von 
der Spongiosa selbst aus. Bei einer subkapitalen Schenkelhalsfraktur 
habe ich mich bei einer 80jährigen alten schwachen Frau durch die 
Obduktion überzeugen können, daß eine gute Verheilung und keine 
Atrophie bzw. Resorption des Knochens eingetreten war. Das Gegen¬ 
teil war der Fall bei einer erst über einen Monat außerhalb der 
Klinik ohne Extension behandelten Frau. Hier war der Schenkel¬ 
hals bei der Aufnahme auf dem Röntgenbilde nur noch durch eine 
geringe Spange vertreten, die im Laufe der zu spät einsetzenden 
Extensionsbehandlung vollständig verschwand. Manche Autoren 
schlagen von vornherein die Nagelung der beiden Fragmente, und 
wieder andere (Kocher) die Resektion des proximalen Fragmentes, 
d. h. des Kopfes vor, wofern der mit dem Femur zusammenhängende 
Schenkelhals noch relativ lang ist. Bei beiden Verfahren wird höchstens 
die Heilung wohl oft, nicht immer erzielt, aber stets eine sehr schlechte 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhills- und -Schaftbrüche. 


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Funktion erreicht. Bei der Nagelung muß der Patient lange Zeit 
im Gipsverband ruhig liegen. Die Ernährung des Kopfes ist hierbei 
sehr in Frage gestellt, da der intrafragmentale Druck nicht behoben 
wird. Auf dem 3. internationalen Chirurgenkongreß in Brüssel konnte 
ich auf Grund mehrerer Radiographien feststellen, daß an der Nagelungs¬ 
stelle sich sehr beträchtliche Knochenusuren zeigten, die schon an 
und für sich ein günstiges Resultat in Frage stellen. Abgesehen 
hiervon wird der Nagel sich bald lockern und dann seinen Zweck 
verfehlen. Außerdem wird durch die völlige Ruhigstellung eine Re¬ 
sorption des Knochens und eine starke Atrophie der Muskulatur 
des Quadriceps sowie eine Gelenkversteifung herbeigeführt; mit 
anderen Worten, die Pseudarthrose wird wohl vielleicht zuweilen 
geheilt, die Bewegungsfähigkeit im Gelenk ist jedoch gleich Null. 
Es entsteht indessen auch oft trotz Vernagelung eine Pseudarthrosis. 
Die Fixierung zwischen der Pfanne und dem Schenkelhälse ist eine 
mangelhafte, und beim Gehen gleitet der Schenkelhals in mehr oder 
minder hohem Grade nach oben an der Pfanne vorbei, so daß der 
Verletzte stets bei eintretender Belastung auf dem operierten Beine 
einsinkt. Meist muß der Patient sich in günstigstem Falle, wenn 
nicht für immer, eine kostspielige, schwere Gehmaschine beschaffen. 
Das beste Resultat wäre hier Ankylosierung des Gelenkes. Wenn 
alte Patienten einen so schweren Eingriff wie eine Hüftgelenks¬ 
resektion überstehen, dann sind sie noch weit mehr für die Exten- 
sionsbehandlung geeignet, die ihnen ein weit besseres Resultat ver¬ 
spricht. Auch Gehgipsverbände, verbunden mit oder ohne Extension, 
hat man angewandt. Ich möchte es jedoch als sehr fraglich be¬ 
zeichnen, ob hiermit bei alten Patienten etwas Besonderes erreicht 
wird. 4—6 Wochen muß der Patient doch im Bett liegen, und hat 
er diese überstehen können, so ist er auch in der Lage, eine Ex¬ 
tensionsbehandlung mit täglichen Uebungen zu ertragen. Allerdings 
darf sich hierbei der Arzt nicht an die Faulheit eines Patienten 
stören, sondern muß täglich im Krankenhause in energischer Weise 
die Bewegungsgymnastiken und Uebungen im Bett ausführen lassen. 
Die letzteren dienen auch besonders dazu, sowohl die Entstehung 
der Knochenatrophie, als auch eine hypostatische Pneumonie, eine 
Herzschwäche zu verhüten. Die Verletzten müssen daher 2mal täglich 
eine Viertelstunde mit leichten Hanteln Armübungen machen und 
Tiefatmungen ausführen. Bei der Streckbehandlung ist man wohl 
in der Lage, den Patienten im Bett etwas aufzusetzen. Auf die pas- 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. ~ 


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siven Bewegungen vom ersten Tage ab lege ich einen Hauptwert, 
denn durch sie kommen die Muskeln des gebrochenen Beines in 
Tätigkeit, die Blutzirkulation wird beschleunigt und der Thrombose 
bzw. der zu befürchtenden Embolie wird vorgebeugt. Bei der von 
uns geübten Streckbehandlung muß jeder Patient das Glied bewegen, 
und das Allgemeinbefinden bessert sich oft sichtlich, wenn es sich 
nicht um allzu dekrepide und senil-demente Menschen handelt. Bei 
diesen Uebungen, die ich in letzter Zeit 3—4mal täglich vornehmen 
lasse, wird neben der Zirkulation auch die Atmung gebessert und 
somit einer hypostatischen Pneumonie vorgebeugt, die Verheilung 
der Fragmente wird durch die Bewegung ebenfalls gefördert und 
sämtliche Gelenke werden unter den gewöhnlichen Verhältnissen frei 
und beweglich erhalten. Außerdem wird einer Muskelatrophie vor¬ 
gebeugt. Durch die moderne Extensionsbehandlung sind wir ferner 
in der Lage, einen Schenkelhalsbruch meist ohne Verkürzung, ja 
manchmal mit geringer Verlängerung zu heilen und den Winkel des 
Schenkelhalses in möglichst ideale Stellung zu bringen; letzterer 
muß überhaupt soweit wie möglich zur Norm hergestellt werden, 
auch wenn die Verstellung der Fragmente eine sehr große ist. Wird 
eine ideale Fragmentstellung erzielt und ist die Kittmassenbildung eine 
gute, so kann man auch eine feste Knocheunarbe ohne Ueberpro- 
duktion von Callus erzielen. Die isolierten Trochanterfrakturen sind 
in prognostischer Hinsicht günstig zu heilen, vorausgesetzt, daß nicht 
eine allzu große Dislokation besteht; in letzterem Falle wird man 
wohl eventuell, wenn die Extensionsbehandlung nicht ausreichen sollte, 
chirurgisch eingreifen müssen. Der Eingriff würde dann in einer 
Festnagelung bei großen Bruchstücken oder Naht bei kleineren be¬ 
stehen, was wir niemals nötig gehabt haben. Im allgemeinen wird 
aber eine hoch hinaufreichende Heftpflasterextension mit sehr starker 
Außenrotation des sehr stark abduzierten Beines genügen, um die 
Bruchstücke zur Genüge aneinander so zu nähern, daß sie fest ver¬ 
heilen. Begünstigend wirkt hier außerdem der Umstand, daß das 
abgerissene Fragment im allgemeinen doch noch mit einem genügend 
großen Periostsehnenlappen mit dem distalen in Verbindung steht. 

Praktisch teilt man die Schenkelhalsfrakturen folgendermaßen 
ein: 1. subkapitale; 2. reine Collumfrakturen im eigentlichen 
Schenkelhälse gegen lateral gelegene Collumfrakturen; 3. extra¬ 
kapsuläre, sog. pertrochantere Frakturen, an der Basis des Halses 
gelegene Frakturen; 1. Epiphysenbrüche. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -sehaftbrüche. 99 


Diagnose. Die Diagnose kann bei ausgeprägten Frakturen 
schon beim ersten Anblick gestellt werden. Bei jeder Fraktur, bzw. 
beim Verdachte auf eine Fraktur muß man eine Röntgenaufnahme 
nach Stellung der klinischen Diagnose vornehmen, einmal um die 
gestellte Diagnose zu erhärten und die genaue Fragmentstellung zu 
eruieren, anderseits um andere miteinhergehende Verletzungen, wie 
Pfannenbrüche, Beckenbrüche, bzw. Infraktion etc. nicht zu über¬ 
sehen. Das gebrochene Bein erscheint verkürzt, ist im Kniegelenk 
leicht flektiert und meist etwas nach außen rotiert. Auch bei vor¬ 
handener Einkeilung ist genannte Stellung vorhanden, was wohl nach 
Kochers Ansicht auf eine Schwäche der hinteren Teile des Schenkel¬ 
halses zurückzuführen ist. Jedenfalls ist bei Einkeilungen auch eine 
Innenrotation leichteren Grades nicht ausgeschlossen. 

Die Betastung der Schenkelhalsgegend sichert bald die Dia¬ 
gnose. Der Trochanter überragt mehr oder weniger die Roser- 
Nelatonsche Linie. Bei starkem auf den Trochanter ausgeführten 
Drucke entsteht eine starke Druckempfindlichkeit, desgleichen im 
Bereiche des Schenkelhalses bei Druck auf die Inguinalgegend. 
Knochenreiben ist zuweilen deutlich nachweisbar, besonders dann, 
wenn man das Bein in der Hüfte beugen und nach außen rotieren 
bzw. abduzieren will; indessen soll man nicht auf dieses 
Symptom untersuchen, welches bei bestehender Ein¬ 
keilung fehlt. Ist keine wesentliche Verstellung des Trochanters 
noch Verkürzung vorhanden, so ist die starke Druckempfindlichkeit 
des Schenkelhalses, der Widerstand und die große Schmerzhaftigkeit 
bei passiv ausgeführter Innenrotation maßgebend, desgleichen die 
typische Haltung. Die Patienten sind fast niemals in der Lage, 
selbsttätig ihr gebrochenes Bein im Hüftgelenk zu beugen, umge¬ 
kehrt kommt es bei bestehender starker Einkeilung relativ oft vor, 
daß der Verletzte dies ausführen kann oder sogar besonders bei 
nur bestehender Infraktion noch gehen kann. Patient klagt oft Uber 
Schmerzen im Kniegelenk oder Oberschenkel. Untersucht man 
jedoch genau, so findet man im allgemeinen bald die Stelle der 
wirklich stärksten Druckempfindlichkeit. Die Verkürzung zu messen, 
ist sehr schwierig; am besten kann man es ausführen, wenn man 
beide Spinae iliacae anteriores superiores in gleiche Höhe bringt, 
ein breites Brettchen gegen die Fußsohle des gesunden Beines 
horizontal stellt und so viele */ 2 —I cm hohe Brettchen unter die 
Fußsohle des verletzten Beines legt, bis sie die Oberfläche des ersten 


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Brettes, welche die FulSsohle des verletzten Beines nach nullen über¬ 
ragt, berühren. Die Messung mit dem Bandmaße ist höchst unzu¬ 
verlässig; wenn mehrere Messungen von 3 oder 4 Aerzten gemacht 
werden, so hat meist jeder ein anderes Resultat. Die Messung ist 
besonders sicher und genau auszuführen, wenn der Patient als ge¬ 
heilt aufsteht. Bis zur letzten Messung kommt es auf 1 cm Unter¬ 
schied bei der von uns geübten eingreifenden Extensionsbehandlung 
nicht an. Im Gegenteil haben wir manchmal gefunden, daß nach 
Abnahme der Strecke das gebrochene Bein länger war als das ge¬ 
sunde. Bei eingekeilten Frakturen mag man eine Messung zwecks 
Orientierung ebenfalls vornehmen, bevor man den Patienten in Be¬ 
handlung nimmt. Weit genauere Auskunft gibt eine Beckenauf¬ 
nahme, die man am besten vor, während und nach der Behandlung 
macht. Bei all diesen Messungen kommt noch in Betracht, daß die 
Patienten sich nicht gerne in eine symmetrische Lage bringen lassen, 
weil sie hierbei heftige Schmerzen verspüren. Bei den eingekeilten 
Schenkelhalsfrakturen erscheint der verletzte Schenkelhals verkürzt: 
die Beweglichkeit im Hüftgelenk ist eine relativ gute. Ja, manche 
Patienten sind mit einer typischen Einkeilungsfraktur noch in der 
Lage, wenn auch unter Schmerzen umherzugehen, bis sie plötzlich 
eines Tages infolge Lockerung der Bruchenden heftige Schmerzen 
verspüren und hinfallen. 

Eine sehr schwierige und manchmal selbst mit Hilfe des 
Röntgenapparates nicht auszuführende Diagnose ist die Infraktion 
des Halses. Hier ist meines Erachtens nur der Druckschmerz im 
Schenkelhals sowie der Schmerz bei forciert ausgeführter Innen- 
rotation und die Stoßempfindlichkeit an der Bruchstelle maßgebend. 
Die Unmöglichkeit, bei dem Patienten aktive Bewegungen im Hüft¬ 
gelenk nur in geringem Grade oder gar nicht auszuführen ist mei>t 
eine angenehme Unterstützung zur Stellung der Diagnose. Jedoch 
muß man bedenken, daß Patienten mit Fissuren des Schenkelhalses 
immer Bewegungen ausführen können. Röntgenologisch sind Fissuren 
oft nicht nachzuweisen. Bei isolierten Trochanterfrakturen kann 
man manchmal ein deutliches Knochenreiben nach weisen, auch er¬ 
scheint bei großen Abrissen die Glutealmuskulatur stark retrahiert. 
abgeflacht, eine bestehende Spalte ist alsdann fühlbar. 

Die Diagnose der Epiphysenlösung des Caput ist meist nur 
mit Rücksicht auf das jugendliche Alter des Patienten und mit 
Sicherheit nur mittels einer symmetrischen Beckenaufnahme, aut 



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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und Schaftbrüche. 101 


dem zum Vergleich auch das gesunde Hüftgelenk vorhanden sein 
muß, festzustellen. Außerdem wird der Patient auf dem erkrankten 
Bein hinken, desgleichen wird er Stoß gegen die Ferse bei ausge¬ 
strecktem Bein als äußerst schmerzhaft empfinden, genau so wie 
bei den anderen Schenkelhalsfrakturen. Epiphysenlösung des Tro- 
clüinter maior ist ebenfalls sehr selten; die Symptome sind die 
gleichen wie bei den Frakturen. Differentialdiagnostisch kommen 
die Coxitis, die Distorsion, Hüftgelenksluxationen und Becken-, be¬ 
sonders Pfannenfrakturen in Betracht; hier entscheidet oft das 
Böntgenogramm. Die Diagnose der Epiphysenlösung des kleinen 
Trochanters haben wir 3mal röntgenologisch gestellt. 

Der Oberschenkelschaftknochen stellt einen Röhrenknochen dar, 
der die Eigenschaften der Röhrensäulen in sich birgt, nämlich starken 
Widerstand gegen Druck und Zug und große Belastungsfähigkeit. 
Die Oberschenkelbrüche teilen wir in Quer-, Schräg- bzw. Spiral¬ 
brüche ein. Eine besondere Abteilung möchte ich den kombinierten 
Brüchen, den en-coche-Frakturen der Franzosen zuteilen, da sie 
so wie bei zwiscbengeschobenen Fragmenten bei der Behandlung be¬ 
sonders große Schwierigkeiten mit sich bringen. Außerdem werden 
die Frakturen nach ihrer Lage im obersten, mittleren und untersten 
Drittel eingeteilt. Die Brüche werden teils durch direkte und teils 
durch indirekte Ursachen, teils durch beide gemeinschaftlich hervor¬ 
gerufen. Spiralbrüche entstehen meist auf indirektem Wege durch 
Drehung, z. B. beim Fall auf die Füße, wobei der Unterschenkel 
fixiert gehalten wird. Durch das Körpergewicht, weniger durch die 
starke Muskeleinwirkung der Rotatoren, vielmehr durch die rotie¬ 
rende Schwingung des Oberkörpers über den unterstützten Unter¬ 
schenkel wird eine Drehung herbeigeführt; da der Knochen nicht 
mehr widerstehen kann, wird er aufgerollt. Je nach dem Maße 
der einwirkenden Kraft und der Dauer der Drehung und der Wider¬ 
standsfähigkeit des Knochens wird eine längere oder kürzere Spirale 
angelegt. Ja, es kommen regelrechte Spiralfrakturen zuweilen bei 
älteren Leuten vor, welche plötzlich bei fixiertem Unterschenkel 
eine Drehung des Oberschenkels über den fixierten Unterschenkel 
ausführen und in diesen seltenen Fällen wird die Spirale im Vereine 
mit der vom Oberkörper aus eingeleiteten Drehung durch die Muskel¬ 
kräfte der Rotatoren Becken- und Beinmuskeln erzeugt, welche an 
den Kondylen und Trochanteren ansetzen. Die Wirkung der Beuger, 
Adduktoren und Extensoren tritt erst nach vollendetem Bruch ver- 


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eint mit der Schwerkraft des Körpers ein. Einen Spiralbruch be- ; 
obachten wir auch häufig beim Fall auf die Knie. Besonders 
große Spiralbrüche werden bei Verschüttungen beobachtet, wo der 
Verunglückte sich im Augenblick der Verschüttung durch Drehung 
noch hat frei machen wollen, resp. der Oberkörper in drehende Be¬ 
wegung gesetzt wird; diese Drehung ist dann noch durch die fal¬ 
lenden Erd- bzw. Steinmassen verstärkt worden. Bei den Quer- und 
Schrägbrüchen haben wir auch direkt wirkende Ursachen zu ver¬ 
zeichnen, wie Fallen auf einen Stein, Hufschlag, Schlag mit dem 
Scherenbaum gegen den Oberschenkel oder Ueberfahrenwerden. In 
letzterem Falle haben wir es mit einem Biegungsbruche zu tun, in 
den erstgenannten mit Querbrüchen, die oftmals mit starken Zacken 
einhergehen. Nach all diesen Gewalteinwirkungen kann man bei 
jugendlichen Personen zuweilen an Stelle von Spiralbrüchen bzw. Bie¬ 
gungsbrüchen auch bloße Längsfissuren, die von den Kondylen aus¬ 
gehen, beobachten. j 

Symptome und Diagnose. Bei den ausgeprägten Schaft- j 
brüchen ist eine Diagnose leicht zu stellen und absolut nicht zu 
übersehen; fast in jedem Falle finden wir eine erhebliche Verkür¬ 
zung, starke Schwellung an der Bruchstelle und deutliches Knochen¬ 
reiben. Der stärkste Druckschmerz ist leicht zu lokalisieren; die | 
Achsenrichtung des Beines ist meist eingeknickt. Der Patient ist 
nicht in der Lage, sein Bein zu heben, geschweige denn sich darauf 
zu stellen. Das proximale Fragment weicht bei Brüchen, die im 
obersten Drittel und in dessen Nähe liegen, meist nach vorn und 
nach außen ab. Diese Erscheinung entspricht der kombinierten 
Retraktion des Iliopsoas und der Glutaealmuskulatur, welch letztere 
das proximale Fragment abduziert. Das distale Fragment bleibt in 
solchen Fällen der Retraktion der längs zur Achse verlaufenden 
Extensoren, Flexoren und Adduktoren überlassen. Die Wirkung der 
Retraktion der genannten Muskeln äußert sich in einem Wandern des 
distalen Fragmentes nach oben, innen und hinten. Die Achse des 
proximalen Bruchstückes verläuft schräg von hinten innen nach vorne 
außen, die des distalen also von außen nach oben innen und hinten. 
Hier ist stets die Muskulatur zwischen die Fragmente geschoben, 
das distale Fragment steht bei starker Ausdehnung der Fraktur¬ 
linie am Becken oft in der Nähe der Tuberositas ischii. Einen 
besonderen Anhaltspunkt bildet bei hochsitzenden Frakturen das 
Verhalten des Trochanters; er ist meistens nicht druckempfindlich. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 103 


Umgreift man ihn und macht künstliche Bewegungen, so geht 
er nicht mit, besonders deutlich : ist dieses der Fall bei: Rotations¬ 
bewegungen. Bei der Feststellung der Bruchstelle lasse man sich 
durch fortgeleitetes Knochenreiben nach der Trochantergegend zu 
nicht irreführen und schließe nicht auf einen Trochanterbruch. 

Wie bei allen Frakturen überzeuge man sich vor der Anlegung 
des Verbandes auch hier, ob die Schlagaderpulse unterhalb der 
Bruchstelle deutlich zu fühlen und ob keine sensiblen bzw. motori¬ 
schen Nervenstörungen vorhanden sind. Bei Störungen genannter 
Art denke man stets an eine vorhandene bzw. in Ausbildung befind¬ 
liche ischämische Kontraktur in der Wadenmuskulatur, oder Gangrän 
des Fußes, zumal bei Annäherung der Fraktur an die Kniekehle. 
Zuweilen kommt es oft vor, daß eine Krepitation zunächst fehlt, da 
die Bruchstücke sich zu weit voneinander entfernt haben und eine 
Weichteilinterposition stärkeren Grades vorhanden ist. Jedoch läßt 
sich die Krepitation auch in derartigen Fällen dadurch nach weisen, daß 
man am peripheren Fragmente eine ziemlich starke Traktion ausübt 
und die Knochenenden im Bereiche der Bruchgegend hin und her zu 
schieben versucht; dann wird man sicherlich Knochenreiben feststellen 
können, indessen soll man hierauf meist nicht untersuchen. 

Für die Behandlung der Oberschenkelhalsfrakturen ist die 
Kenntnis der Stellung, welche die einzelnen Fragmente im allge¬ 
meinen einnehmen, von größter Wichtigkeit; besonders wichtig ist 
dies bei den Spiralfrakturen. Liegt die Fraktur im obersten Drittel 
des Unterschenkels, so tritt gewöhnlich eine Abweichung des pro¬ 
ximalen Fragmentes nach vorne und außen ein, während der Kraft 
der Adduktoren folgend das distale Fragment nach oben, innen und 
hinten sich verstellt. Das untere Fragment liegt der Außenfläche 
des oberen dicht an. Diese Brüche entstehen meist durch direkte 
die Außenfläche treffende Gewalt. Bei diesen Frakturen kommen 
jedoch, besonders wenn es sich um bloße Schräg- oder Querfrakturen 
handelt, auch Ausnahmen vor, nämlich derart, daß das proximale 
Fragment nach innen und das distale nach außen etwas verlagert 
ist, so daß die Winkelspitze nach innen und nicht wie im all¬ 
gemeinen nach außen schaut. Die sonstige Diagnose bezieht sich 
auf die allgemeinen Brucherscheinungen, Schwellung, abnorme Be¬ 
weglichkeit und deutliches Knochenreiben. Ist das Knochenreiben 
nicht deutlich nachweisbar, so kann man im allgemeinen auf eine 
stärkere Interposition von Muskulatur schließen. 


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Die Brüche im mittleren Drittel des Schenkelseliaftes sind am 
häufigsten und für die Behandlung im allgemeinen am angenehmsten. 
Auch bei ihnen ist eine Dislokation des proximalen Bruchstückes 
nach außen und etwas nach oben vorhanden, während das distale 
häufig nach innen und hinten verlagert erscheint, infolgedessen die 
Winkelspitze häufig nach außen sieht. 

Was nun die suprakondylären Brüche anbelangt, so sind es 
meist Quer- oder Schrägfrakturen, die durch schwere Gewalteinwir¬ 
kungen entstanden sind; sie haben fast durchweg die Extensions¬ 
frakturstellung. Das distale Fragment steht nach der Poplitea zu. 
ist oftmals nach innen oder außen verlagert, in manchen Fällen 
sogar um 45 0 gedreht. Das proximale Bruchstück steht nach oben 
und innen und überragt deutlich das distale Fragment. Seltener 
kommt die Flexionsfraktur vor, bei der die Stellung der Fragmente 
nur umgekehrt ist. Bei starker Dislokation des distalen Fragmentes 
kommt hierbei zuweilen eine Kompression der Poplitea vor, so daß 
man den Puls an der Poplitea nicht fühlen kann. Wie bei allen 
Frakturen, so überzeuge man sich bei der Fraktur des Oberschenkels 
von dem Verhalten des Pulses und Nervensystems unterhalb der 
Bruchstelle. Man prüfe genau die Empfindlichkeit für feine Be¬ 
rührungen, Motilität, Lagegefühl und den Puls an der Art. dorsalis 
pedis und Art. tibialis postica. Bei vorhandener Anämie empfiehlt 
es sich, sofort eine Traktion auszuüben, um die Kompression und 
die drohende Nekrose *bzw. Anspießung oder Zerreißung zu ver¬ 
meiden. 

Die Aufgabe der modernen Behandlung besteht darin, eine 
sowohl anatomisch wie funktionell ideale Heilung herbeizuführen. 
Ich möchte von vornherein betonen, daß man dieser Anforde¬ 
rung nur durch eine gewissenhaft ausgeführte Extension gerecht 
werden kann. 

Ausländische und auch mehrere deutsche Autoren haben sich 
entschlossen, jede Oberschenkelfraktur zu nageln bzw. zu nähen 
eventuell zu bolzen, die Deutschen im allgemeinen, nur sofern eine 
starke nicht zu korrigierende Dislokation besteht. Dieses Verfahren 
hat jedoch seine großen Nachteile, weil eine große Wunde gesetzt 
werden muß, ferner die Gefahr der Infektion im Hintergründe lauert, 
da man ja im geschädigten, für Infektion außerordentlich günstigen 
Gewebe operieren muß. Auf den ersten Blick sollte man meinen, 
daß die Operation an und für sich leicht wäre; dem ist jedoch nicht 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 10") 


so, es ist vielmehr sehr schwierig nach gesetzter Weichteilwunde 
die Fragmente gut zu adaptieren, sie zu nähen und dann dauernd 
in der gewünschten Lage zu erhalten. Häufig oder fast immer, 
wofern die Bruchflächenbeschaffenheit eine ungünstige, gesplitterte 
ist, lockern sich die Fragmente, sei es infolge der Beweglichkeit 
derselben gegeneinander, sei es infolge des Nachgebens des Naht- 
niaterials, sei es infolge einer begrenzten Infektion. Es entsteht 
nicht selten eine sekundäre Winkelverstellung durch Lockerung der 
Naht oder eine Pseudarthrosis. Auch kann das Fragment durch 
eine zu starke Umschnürung des Nahtmaterials nekrotisch werden. 
Abgesehen hiervon ist immer das funktionelle Resultat noch weit 
schlechter als bei der Extensionsbehandlung. Die Muskulatur des 
Oberschenkels wird durch die langdauernde Ruhigstellung stark 
atrophisch und die Gelenke versteifen. Ist erst einmal ein erheb¬ 
licher Schwund des Quadrizeps eingetreten, so hat die Erfahrung 
gezeigt, daß meist bei älteren Leuten eine dauernde Schwäche des 
Beines zurückbleibt. Hierzu kommt dann noch die meist nicht zu 
verhindernde Versteifung der Kniegelenke. Auch bei den supra- 
kondylären Frakturen des Femur ist, wie Barden heuer nachge¬ 
wiesen hat, ein operativer Eingriff nicht notwendig um eine Heilung 
zu erzielen. 

Bis vor kurzem hatte Bardenheuer die Oberschenkel- und 
die Schenkelhalsbrüche nach seiner bekannten Art mittels Längszug 
und entsprechenden Quer- und Beckenzügen behandelt; hierzu kam 
noch eine starke Abduktionsstellung bei den Schenkelhalsbrüchen, 
um das distale Fragment an die Längsachse des proximalen zu 
bringen. 

Nach den Veröffentlichungen von Bardenheuer undGräßner 
waren die Resultate immer gut, indessen noch verbesserungsfähig. 
Nur zwei Nachteile hatte das alte Verfahren. Erstens mußten große 
Gewichtsmengen von 20, sogar in manchen Fällen 40—50 kg zwecks 
Dehnung der retrahierten Muskulatur, der Fascien und des Aus¬ 
gleichs der Längsverschiebung angewandt werden, da der Längszug 
wohl eine Entspannung der Weichteile herbeiführte, jedoch weniger 
stark direkt am distalen Fragmente angriflf, außerdem wurde die 
von Zuppinger und Henschen mit Recht geforderte physiolo¬ 
gische Neutrallage nicht eingenommen, sondern nur ein Rollkissen 
unter das Kniegelenk gelegt, zwecks Vermeidung einer Ueberstreckung 
und Erzielung einer geringen Beugestellung im Knie- und Hüft- 


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gelenke. Ferner trat infolge des langen Liegens zuweilen eine leichte, 
Aber leicht zu beseitigende Versteifung des Kniegelenkes ein, die 
dann wieder einiger Wochen ständiger Uebung bedurften, um ihre 
völlige Beweglichkeit wieder zu erlangen. 

Ueber die neueren Methoden der Behandlung mittels Nagel¬ 
extension, des Zuppinger sehen und Hen sehen sehen Apparates 
hat Bardenheuer seine Ansicht in Gemeinschaft mit Gräßner 
in den Ergebnissen der Chirurgie und Orthopädie Bd. 1 niedergelegt. 

Er hat die Nagelextension in Anwendung gezogen und gibt gern 
die große Wirksamkeit derselben bei geringerer Belastung zu. Die 
Nagelextension eignet sich indessen nicht fUr die Einführung in die 
Privatpraxis und für die Verallgemeinerung, da sie außerdem nicht 
absolut gefahrlos ist. Wir haben besonders darauf unser Augen¬ 
merk gerichtet, daß die Behandlung leicht zu erlernen sei und sich 
in die allgemeine Praxis einführen läßt. Wir haben durchaus keine 
Veranlassung, von der Extensionsbehandlung abzugehen, im Gegen¬ 
teil haben wir in der letzten Zeit große Fortschritte zu verzeichnen, 
wodurch die Behandlung vereinfacht wird und sicher wirkt. Während 
uns bei den Frakturen des Unterschenkels früher die ideale Heilung ; 
nicht immer gelang, haben wir jetzt mit den Rücker-Grune- 
schen Zügen ein Mittel, mit dem es uns immer gelingt, auch bei 
ganz schweren Frakturen die angestrebte ideale Heilung sowohl in 
anatomischer wie funktioneller Hinsicht zu erlangen. Jedenfalls sind 
wir jetzt in der Lage, mittels Rücker-Gruneschen Stiefelzuges, 
der das distale Fragment am peripheren Ende direkt angreift, eine 
Verkürzung des gebrochenen Gliedes absolut sicher zu vermeiden, 
höchstens bleibt in seltenen Fällen eine leichte seitliche Verschie¬ 
bung, wie die Röntgenogramme nachweisen, zurück. j 

Während Rücker mit seinem Stiefelzuge am peripheren | 
Fragmente im Bereich des Unterschenkels und Fußgelenkes einen 
direkten Zug ausübt, versuchten wir seinen Ideen folgend mit etwas 
anders gelegten Zügeln dasselbe am Oberschenkel oberhalb des 
Kniegelenkes in ganz einfacher Weise zu erreichen. Zunächst wurde 
der altbewährte Bardenheuersche Längszug am ganzen Bein 
zwecks Entspannung der Haut, Fascien, Muskeln und Aufhebung 
des intrafragmenteilen Druckes angelegt. Von vornherein möchte ich 
betonen, daß wir in der ganzen Extensionsbehandlung auf den 
Längszug wegen seiner vorzüglichen Wirkung auf die Dehnung der 
Fascien, Muskeln usw. nicht verzichten. Bei einer Belastung von 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -Schaftbrüche. 107 

8 bis 10 Pfund wurde er von allen Patienten als angenehm und be¬ 
sonders schmerzlindernd bezeichnet. Nach Anlegung des Längs¬ 
zuges nehmen wir 2 Zügel von 1 m Länge und 3 cm Breite, die 
am besten aus mittelweichem Segeltuchheftpflaster,. weißem Bona¬ 
plast, hergestellt werden, derart, daß man beide Streifen mit der 
Klebefläche, aufeinanderlegt und legen sie 3 cm oberhalb des Knie- 


Fiff. I. 



Fig. 2. 



gelenkes so um den Oberschenkel, daß sie mit ihrer Mitte auf der 
Oberschenkelstreckseite beginnen, dann den Oberschenkel zu beiden 
Seiten umfassen und sich etwas unterhalb der Kniekehle auf der 
Wadenmuskulatur kreuzen, worauf der eine Schenkel um den Unter¬ 
schenkel herum unterhalb der Kniescheibe, der andere direkt unter 
dem Unterschenkel her nach der Innenseite des Beines geführt wird. 
In entsprechender Weise wird dasselbe Verfahren bei dem nach 


Fig. 8. 



außen geleiteten Zügelpaare angewandt. Vorher vrfrd die Ober¬ 
schenkelgegend mit 3—4 Longuetten von 10 ©1# Breite und 40 cm 
Länge gut gepolstert; dasselbe geschieht auch am Untersckenkel 
dicht unterhalb des Kniegelenkes, um eirien abnormen Druck auf 
die Fibula zu vermeiden, wodurch bei älteren Personen sich leicht 
eine. Drucknekrose emsteilen könnte. Die beiden Zügelpaare dürfen 
sich nicht in der Kniekehle direkt kreuzen, sondern unterhalb der¬ 
selben im Gebiete der Wade, weil sie sonst eine Abschnürung der 


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Ginne. 


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großen Gefäße herbeifuhren könnten. Zwecks Polsterung Watte zu 
verwenden, empfiehlt sich nicht, da sie sich zusammenballt und 
dann Druckstellen erzeugt. Bei der Anlegung der Züge muß man 
dai-auf achten, (laß der direkt unter die Poplitea nach innen bzw. 
außen verlaufende Zügel etwas länger ist als der, welcher nach innen 
über das Schienbein hinzieht. Der letztgenannte Zügel muß dem 
Schienbein so locker aufliegen, daß er nicht drückt. Hierauf muß 
man von vornherein besonders achten, da sonst der Patient heitige 
Schmerzen infolge der eintretenden Knochenhautentzündung verspürt 
Die Zügel müssen unbedingt 2—3 cm oberhalb des Kniegelenkes 
angelegt werden, da sie meistens später nach der Belastung etwas 
nach unten rutschen. Wenn später die Zügel durch das leichte 
Abrutschen nach unten mit ihren untersten Rändern auf dem oberen 
der Kniescheibe leicht aufliegen, ohne einen wesentlichen Druck 


Fig. 4. 



auszuüben, so braucht man keinerlei Bedenken zu haben; die Pa¬ 
tienten haben hierbei keine Beschwerden und erhalten auch keinen 
Kniegelenkserguß. Ist ein wesentlicher Erguß im Kniegelenk vor¬ 
handen, so versuche man bis zu seinem Verschwinden die Extension 
des Rück er-Gruneschen Zuges am Unterschenkel auszuführen 
Das Kniegelenk befindet sich in leichter Beugestellung von 30—40°. 
wodurch einerseits eine möglichste Entspannung der biarthrodialen 
Muskulatur in Knie- und Hüftgelenk erzielt wird, zumal da das 
Gesäß etwas einsinkend tiefer liegt und der Femur somit auch in 
Flexion steht. Der Längszug Bardenheuers wird in der Längs¬ 
richtung des Unterschenkels geleitet. Das Fußende des Bettes wird 
um 30 cm höher gestellt, um eine Gegenextension durch den Rumpf 
zu bekommen. In der letzten Zeit habe ich das Verfahren wesent¬ 
lich dadurch vereinfacht, daß ich oberhalb des Kniegelenkes, wie 
aus obenstehender Figur ersichtlich, einen einzigen gleichartigen 
Zügel in achter Tour anlegte. Mittels dieses einfachen Kniegelenks- 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Obersehenkelhals- und -schattbrüche. 109 


zuges, dessen Mitte gleichfalls 3 cm oberhalb des Kniescheiben¬ 
randes beginnt und dessen 2 Schenkel oberhalb des Kniegelenkes 
derartig um den Oberschenkel verlaufen, daß sie sich auf der Wade 
kreuzen, sind wir in der Lage, die gleiche Zugkraft am distalen 
Fragmente des Oberschenkels auszuüben, wie mit den vorher be¬ 
schriebenen doppelten Zügen. Die Gefahr einer Kompression der 
großen Gefäße fallt hier völlig weg, auch kann durch den einfachen 
Zug ein Erguß im Kniegelenk nicht gezeitigt werden. Selbstverständ¬ 
lich haben wir neben der Semiflexion auch die Abduktionsstellung 
des Beines bei Oberschenkelhalsbrüchen und hochsitzenden Femur¬ 
frakturen beibehalten. Auch bei den neuen Zügen sind wir jeder¬ 
zeit in der Lage, quere, durchgreifende und Rotationszüge anzu¬ 
wenden. Gleich nach Anlegung des Verbandes überzeuge man sich 
genau, ob der Puls an der Art. tibialis postica oder der Dorsalis pedis 
noch deutlich fühlbar ist. Ein Verschwinden des Pulses nach An¬ 
legung des Verbandes mit der angegebenen Belastung habe ich 
selbst bei Kindern, geschweige denn bei Erwachsenen nicht beob¬ 
achtet. Der Puls verschwand auch dann nicht, wenn wir den Knie- 
gelenkszug mit 15 und mehr Pfund belasteten. Selten haben wir eine 
ödematöse Schwellung des Fußrückens beobachtet, welcher jedoch 
keinerlei wesentliche Bedeutung beizumessen ist, da .sie keinerlei 
üble Folgen hinterläßt und nach Abnahme des Verbandes bald 
wieder verschwindet. Schmerzen in den Beinen irgendwelcher Art 
oder in den Kniegelenken habe ich nicht feststellen können, viel¬ 
mehr waren die Kniegelenke nach Abnahme der Züge gut beweg¬ 
lich, da wir bei Oberschenkelhalsbrüchen von vornherein und bei 
Oberschenkelschaftbrüchen meist von dem sechsten Tage an oder 
gleich zunächst mit passiven und sobald wie möglich je nach Alter 
und Kräftezustand des Patienten mit aktiven Bewegungen beginnen, 
^ackelkniebildung infolge der gefürchteten Belastung bei der Ex¬ 
tension haben wir nicht beobachtet. Der Bardenheu ersehen 
Gewichtsextension ward nämlich vorgeworfen, daß die Bewegungs- 
fiihigkeit der Gelenke unter ihr oft leide und daß oftmals ein Wackel¬ 
knie entstände, was indessen wohl niemals der Fall war; dieses wird 
auch bei der neuen Behandlung ebensow'enig eintreten. Die Wackel¬ 
kniebildungen bestanden vielmehr vorher infolge Zerreißung der Lig. 
cruciata oder der Lig. lateralia beim Eintritt des Unfalles. In der 
letzten Zeit habe ich bei Frischverletzten mehrmals eine Zerreißung 
des Bandapparates feststellen können; bei diesen Patienten war 


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selbstverständlich ein Wackelknie auch nach der Heilung des Bruches 
vorhanden. Wir lassen heute fast ausschließlich während der Be¬ 
handlung und direkt nach der Heilung in der Stärkstmöglichen 
Flexionsstellung stets photographisch aufnehmen, und es zeigt sich, 
daß die Flexionsfähigkeit und Streckung meist vollständig normal 
ist. Ich habe die Resultate der Fragmentstellung sowohl wie der 
möglichen Flexions- und Streckungsfähigkeit von fast allen seit den 
letzten 2 Jahren von mir behandelten Fällen mittels Photographien 
und Röntgenogrammen festgelegt und hierdurch den Beweis erbracht, 
daß die Resultate auch nach dieser Seite hin sehr gut sind. 

Die Behandlung bei den Oberschenkelfrakturen ist im großen 
und ganzen dieselbe wie bei den Schenkelhalsfrakturen und besteht 
in Herbeiführung einer Beugestellung mit Längsextension und Knie¬ 
gelenksextension. Die Abduktion wird hierbei vermieden. Ist das 
proximale Bruchstück bei Brüchen im oberen Drittel nach außen 
abgewichen, so wird durch die Matratze hindurch ein entsprechender, 
den Schenkel umfassender Zug von vorne nach hinten geleitet: 
weicht das proximale Bruchstück nach innen und vorne ab, so ist 
man außerdem gezwungen, einen Zug nach außen anzulegen. In 
letzterem Falle muß man einen Gegenzug über den Oberschenkel 
an der proximalen Spitze des distalen Fragmentes nach innen zwecks 
Korrektur anlegen. Zu bemerken ist noch, daß häufig bei solchen 
Brüchen das distale Fragment nach hinten abzuweichen bestrebt ist, 
eine Erscheinung, die auf Wirkung der Flexoren zurückzuführen ist. 
Die Brüche in der Mitte werden in entsprechender Weise behandelt, 
jedoch findet man meist die Abweichung nach vorne, so daß eventuell 
ein Zug von vorn nach hinten durch die Matratze notwendig ist; 
sie geben im allgemeinen die besten Resultate. 

Ist der Bruch im unteren Drittel gelegen, so sind wir jetzt in 
der Lage, bequem eine wirksame Extension anzulegen, da wir mit 
der alten einfachen Bar den h eu ersehen Extension nicht immer 
gsinz zufriedenstellende Resultate erzielen konnten. Jedoch möchte 
ich hier erwähnen, daß in 2 Fällen von direkten suprakondylären 
Brüchen mit sehr starker Dislokation zur Seite und Fragmentdrehung 
es Barden heuer gelungen ist, mittels seiner einfachen Extensions¬ 
methode eine vollständige Restitutio ad integrum herbeizuführen. 
Einer der von ihm so behandelten Fälle hat nachher seiner Militär¬ 
pflicht voll und ganz bei einer berittenen Truppe genügen können, 
was wohl der beste Beweis für die Güte des Prinzips bildet. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. Hl 


Wie bereits erwähnt, wurden bei uns in der letzten Zeit alle 
Frakturen des Oberschenkels in Beugestellung behandelt. Der 
Längszug wird derart vorbereitet, daß sich der 6 cm breite Längs- 


Fig. f>. 



streifen vom Knie nach oben auf jeder Seite in 3 Streifen von 2 cm 
Breite teilt. Diese Streifen werden in spiraligen Touren rings uni 
den Oberschenkel bis Ober die Trochantergegend hinauf angelegt 


Fig. (>. 



(siehe Fig. 6). Hierauf nehme ich gewöhnlich noch 4 Stücke gleich¬ 
artigen Heftpflasters, schneide sie in gleicher Weise und bringe je 
zwei der so eingeschnittenen Streifen auf jeder Seite derart an, daß 


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sie in der Höhe des Kniegelenkes mittels zweier Oesen am Haupt¬ 
streifen befestigt sind und sich von da ab ebenfalls spiralig über 
den Oberschenkel verbreiten. Die so hergestellten 18 Streifen 
umgreifen spiralig und netzartig den ganzen Oberschenkel, wo¬ 
durch wir in der Lage sind, eine erhebliche Kraft zwecks Ent¬ 
spannung und Dehnung der Weichteile auszuüben. Hierauf werden 
in gewohnter Weise poröse Bonaplastheftpflasterstreifen dachziegel¬ 
artig unter Freilassung des Kniegelenkes zirkulär umgelegt, dann 
mittels einer Mullbinde fixiert und das gebrochene Bein wird hierauf 
im Schenkelhals in Abduktionsstellung und auf Kissen, die auf 
Gleitbrettern ruhen, in leichte Semiflexionsstellung gebracht. Nach 
Fertigstellung der Längsstrecke schreite man sofort zur Anlegung 
des bereits geschilderten Kniegelenkszuges. 

Bei den Frakturen des Schenkelhalses muß man weiterhin 
folgendermaßen verfahren. 

a) Subkapitale Frakturen: Starke Abduktionsstellung des Beines. 
Hoch oben am Oberschenkelzug über dem Trochanter ein Querzug 
von letzterem nach innen und etwas schräg nach unten, so daß er 
senkrecht auf den Trochanter einwirkt und den Schenkelhals gegen 
den Kopf andrückt. Dieses Verfahren ist notwendig, weil die sub¬ 
kapitalen Brüche meist sehr lose sind und oftmals nicht in Be¬ 
rührung stehen. Hierauf wird noch ein Zug von der Trochanter¬ 
gegend aus quer über das Becken nach der gesunden Seite zu 
verlaufend angelegt, zwecks Verstärkung des ersten Querzuges. 
Gleichzeitig verhindert der Beckenzug ein Herabgleiten des ersten 
Querzuges, wenn man beide miteinander vernäht. Um ein Aus¬ 
weichen des Rumpfes nach der gesunden Seite zu vermeiden, wird 
ein Querzug um die Hüfte nach der kranken Seite zu angelegt. 

b) Pertrochantere Fraktur: Querzug unterhalb des Trochanters 
von der Innenfläche des Oberschenkels nach außen zwecks Lockerung 
der Einkeilung und Herstellung eines losen Kontakts. Ferner Quer¬ 
zug über das Becken nach der gesunden Seite zu, um ein Aus¬ 
weichen des Rumpfes zu vermeiden. Ist eine starke Außenrotation 
vorhanden, so lege man noch Rotationszüge vom Knie und unteren 
Ende des Unterschenkels nach innen an. 

Bei den isolierten Frakturen des Trochanter major und minor 
genügt eine starke Abduktion in Beugestellung, verbunden mit 
starker Außenrotation, die sich durch den Kniegelenkszug leicht be¬ 
werkstelligen läßt. In der geschilderten Lage werden die Fragmente 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. H3 

einander genähert und stets gute Resultate erzielt. Die Belastung der 
einzelnen Züge ist bei den einzelnen Brucharten eine verschiedene. 

Bei den Schenkelhalsbrüchen genügen im allgemeinen 5 kg am 
Längszuge und 4 kg am Kniegelenkszuge. Bei Oberschenkel brüchen 
wurden am Längszuge meist 7 '/s—10 kg und am Kniegelenkszuge 
meist 5—7*/2 kg je nach dem Muskelwiderstande angewandt. Ein 
genaues Schema läßt sich für die Belastung nicht geben, da man 
individuell verfahren und durch Kontrollröntgenaufnabmen feststellen 
muß, ob die Belastung zu groß, zu gering oder genügend ist. Ist 
die Belastung zu groß, d. h. ist eine Distraktion eingetreten, so 
gehe man, wenn die Fragmente ideal stehen, mit der Belastung 
derart zurück, daß die erzielte gute Stellung nicht beeinträch¬ 
tigt wird. 

Bei den Schenkelhals- und Schenkelfrakturen lasse man den 
Kniegelenkszug so lange liegen, bis eine gute feste Callusbildung 
erzielt ist, die ein Aneinandervorbeigleiten der Fragmente völlig ver¬ 
hindert. Hierauf lasse man den Patienten noch mindestens 4 Wochen 
in der Längsstrecke liegen. Bei Unterschenkeldiaphysenbrüchen lasse 
man den Patienten völlig 10—12 Wochen und bei Oberschenkel¬ 
brüchen 12—15 Wochen im Bett liegen. Erst dann, wenn man 
durch mehrfache Untersuchungen und auch Röntgenaufnahmen zu 
der Ueberzeugung gekommen ist, daß der Callus genügend erhärtet, 
mit anderen Worten tragfähig ist, auf Druck nicht schmerzt, kein 
lokales Oedem an der Frakturstelle besteht, lasse man den Patienten 
aufstehen. Ständig aber kontrolliere man auch dann noch die Stel¬ 
lung der Fragmente, ob nicht trotz alledem eine Veränderung in 
ihrer Stellung einzutreten droht. Wenn die Behandlung auch etwas 
lang zu dauern scheint, so hat sie doch einen großen Vorteil, näm¬ 
lich den, daß der Patient wirklich geheilt entlassen wird und die 
Berufsgenossenschaft ihm eine weit geringere resp. bald keine Rente, 
also für nur kurze Zeit zu zahlen hat als unter anderen Um¬ 
ständen. Der anfangs kleine Nachteil wird später wieder mehr als 
gut gemacht. 

Am Schlüsse meiner Arbeit möchte ich noch besonders be¬ 
tonen, daß man bei Kindern weit leichter und schneller gute Resul¬ 
tate erzielen kann, als bei Erwachsenen, woraus ich den weiteren 
Schluß ziehe, daß bei der Entscheidung des Streites über die Güte 
der verschiedenen Behandlungsarten die Brüche bei Kindern nicht 
■len Ausschlag geben dürfen, sondern wegzulassen sind. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bil. 8 


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Bei Kindern genügt meistens der einfache Längszug, weil der 
Widerstand seitens der Muskeln sehr gering ist, letzterer auch einen 
Beweis dafür abgibt, daß bei der Behandlung die Aufhebung der 
Längsverschiebung die Hauptsache ist. 

Marx, P„ 58 Jahre. Vom 19. Januar 1911 bis 20. April 1911. 

Pertrochantere Fraktur des rechten Oberschenkels. 

Auf der Straße ausgerutscht und auf das Gesäß gefallen; kann 
infolgedessen nicht mehr gehen. Schmerzen in der Gegend des 
rechten Hüftgelenkes. 

Befund: Rechtes Hüftgelenk druckempfindlich, besonders die 
Gegend des Trochanters. Leichte Beugung des Oberschenkels. 
Großzehe schaut nach außen. Geringe, etwa 1,5 cm betragende 
Verkürzung. 

R.B. zeigt, daß der Oberschenkel etwas unterhalb des Tro¬ 
chanter major gebrochen ist. 

Therapie: Strecke in Abduktion. Längszug mit 10 Pfd.. 
einfacher Kniegelenkszug mit 8 Pfd. Belastung. 

8. Februar. Strecke wird gut vertragen. Täglich, seit An¬ 
legung der Strecke, Bewegungsübungen, um einer Versteifung im 
Knie-, Hüft- und Fußgelenk vorzubeugen. Keine Beschwerden im 
Kniegelenk. 

4. März. Bruchstelle nicht mehr druckempfindlich; ist in der 
Lage, das Bein selbständig bis fast zur Senkrechten im Hüftgelenk 
zu beugen. Keine Schmerzen. 

R.B. ergibt eine ideelle Verheilung der Bruchstücke. Bewegungen 
im Kniegelenk völlig frei, desgleichen im Fußgelenk. Der Kniege¬ 
lenkszug wird vorläufig noch beibehalten, Belastung G Pfd., Läng'- 
zug 10 Pfd. 

10. März. Weglassen des Kniegelenkszuges. Patient ist in 
der Lage, sein Bein zu beugen und zu strecken, er kann es aucli 
senkrecht in die Höhe heben. Fußgelenk frei beweglich. Kniegelenk 
kann, soweit es der Streckverband erlaubt, gut gebeugt werden. 

20. März. Strecke ab. 

•5. April. Patient steht seit heute auf und macht Gehübungen 
im Gehstuhl. 

20. April. En 11 assu ngsb e fun d : Bewegungen im Hüft- und 
Kniegelenk frei. Gang ohne Stock frei und unbehindert; auch kann 
Patient gut Treppen steigen. Eine Atrophie am Oberschenkel ist 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -scbaftbrüche. 115 


nicht zu verzeichnen. Eine Verkürzung des Beines besteht nicht. 
Rotation im Hüftgelenk regelrecht. 

R.B. zeigt ideelle Stellung der Bruchstücke. 

Geheilt entlassen. 

Heier, P., 70 Jahre. Vom 3. Dezember 1910 bis 10. August 1911. 

Oberschenkelhalsbruch pertrochanter. 

Will am 2. Dezember die Treppe heruntergefallen sein, wobei 
er sich eine Verletzung im linken Hüftgelenk zuzog. 

Befund: Das linke Bein wird gestreckt gehalten. Fuß ist 
nicht nach außen rotiert. Die Gegend des Schenkelhalses ist stark 
druckempfindlich, Knochenreiben daselbst nicht tastbar. Der Tro¬ 
chanter steht auffallend hoch im Vergleich zur gesunden Seite und 
überschreitet die Roser-Nölatonsche Linie um etwa l 1 /»—2 cm. Be¬ 
wegungen können nur in ganz geringem Maße ausgeführt werden. 
Nach ausgiebigen Bewegungen starke Schmerzäußerung; Rotation 
nicht möglich. 

R.B.: Bruch im Schenkelhals, der oberhalb der Trochanteren 
zu liegen scheint. 

Therapie: Strecke nach Bardenheuer mit Kniegelenks- 
zügen. Längszug 10 Pfd., doppelter Kniegelenkszug 8 Pfd. Belastung. 

Ueber den Lungen zahlreiche bronchitische Rasselgeräusche 
und Asthmaerscheinungen. Puls regelmäßig. Urin frei von Zucker 
und Eiweiß. 

8. Februar. Patient kann das linke Kniegelenk gut beugen 
und strecken, jedoch gelingt es ihm nicht, das Bein in gestreckter 
Stellung von der Unterlage zu erheben. Massage. Elektrisieren. 
Seit 8 Tagen täglich aktive Bewegungsübungen. Zug am Knie¬ 
gelenk weggelassen. 

4. März. Patient kann das linke Bein bis zu einer Höhe von 
50 cm von der Unterlage erheben. Beugung im Kniegelenk kann 
bis zu einem Hackengesäßabstand von 45 cm aktiv, passiv bis 38 cm 
ausgeführt werden. Die Muskulatur des linken Beines erscheint 
etwas schlaffer als die des rechten. Umfang: Mitte der Wade rechts 
-9 cm, links 29 cm. Oberschenkelmitte beiderseits 40 cm. 

18. März. Kniegelenk links noch leicht versteift, zeigt noch 
etwas unscharfe Umrisse. — Maße: links rechts 

Mitte Oberschenkel .... 42 cm 42,5 cm 

Stärkster Wadenumfang . . 28 l k cm 29 cm 


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10. August. Status idem. Zum Invalidenhaus entlassen. 
Patient kann nicht gehen. Asthmabeschwerden sind stärker ge¬ 
worden. Knochenbruch fest verheilt. 

Hansen, G., 71 Jahre, Buchbinder. Vom 3. September 19U 1 
bis 7. März 1911. 

Pertrochantere Oberschenkelfraktur rechts. 

Am 1. September ausgerutscht und auf die rechte Hüftgegeml 
gefallen. Schmerzen im rechten Hüftgelenk, konnte nicht mehr 
gehen. Wird ins Bürgerhospital eingeliefert. 

Befund: Rechtes Hüftgelenk stark druckempfindlich, besonders 
in der Trochantergegend, Schenkelhals nicht druckempfindlich. Druck 
auf den Trochanter stark schmerzhaft; derselbe steht nicht höher 
als auf der gesunden Seite. Patient klagt über Druckempfindlich¬ 
keit des Oberschenkels in seinem obersten Drittel. Das rechte Bein 
steht nach außen gedreht und erscheint nicht verkürzt. Im rechten 
Kniegelenk Wackelbewegungen deutlich auslösbar. 

R.B. ergibt einen Bruch des Trochanter major, welcher abge¬ 
sprengt erscheint, jedoch nicht stark disloziert ist. Der Schenkelhals 
erscheint nicht verändert; eine Bruchlinie ist an ihm nicht mit Deut¬ 
lichkeit zu erkennen; auch ist seine Stellung eine regelrechte. 

Therapie: Längsstrecke nach Bardenheuer in Abduktion 
des Beines von 45°, Belastung 10 Pfd.» Grunescher Zug mit 10 Pfd. 
Belastung. 

26. September. Die lt.B. zeigen eine ziemlich starke Abduktion 
und Ueberstreckung, deshalb Anlegung eines Zügels nach oben und 
außen im Bereich der Gesäßfurche mit 5 Pfd. Belastung. Der Längs¬ 
zug wird mehr nach innen gelegt, um auf diese Weise eine Ab¬ 
duktionsstellung herbeizuführen und eine Hebung des Schenkelhalses 
zu erzielen. Der Grunesche Zug wird beibehalten. Keine Klagen, 
kein Erguß im Kniegelenk. Pertrochanterer Bruch deutlich sichtbar. 

26. Oktober. Seit Anlegung der Strecke werden täglich im 
Kniegelenk Beuge- und Streckbewegungen ausgeführt. Das Knie 
kann von der Unterlage bis zu einer Höbe von 31 0 aktiv gebeugt werden. 

18. November. Strecke am 17. November abgenommen. Aktiv 
kann Patient das Bein nur in geringem Grade beugen, passiv wird 
dasselbe nur bis zu einem Winkel von 30° gebeugt. Massage. 
Elektrisieren. 

28. November. Beugung bat bedeutend zugenommen. Patient 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. H7 


kann jetzt aktiv sein Bein bis zu einem Winkel von 30° von der 
Unterlage erheben. Bewegungsübungen werden fortgesetzt. 

ß.B. zeigt einen geringen Querstand des gebrochenen Schenkel¬ 
halses. Der gesunde, nicht gebrochene steht in auffallender Steil¬ 
stellung, was bei alten Leuten öfters beobachtet wird. 

12. Dezember. Patient kann das gesunde Bein bis zu 41 0 
beugen. Keine Schmerzen an der Bruchstelle. Atrophie der Ober¬ 
schenkel m uskulatur. 

9. Januar. Status idem. 

8. Februar. Täglich werden 2mal Gehübungen im Gehstuhl 
vorgenomraen. 

4. März. Patient geht an zwei Stöcken bequem im Zimmer 
umher. Nach längerem Aufsein noch geringe Beschwerden im 
Hüftgelenk. 

Das R.B. vom 24. November ergab eine Stellung des Ober¬ 
schenkelhalses in fast wagerechter Richtung. Auch nach längerem 
Umhergehen ergibt das R.B. keine Aenderung; der Bruch scheint 
somit fest verheilt zu sein. 

Beiderseits geringe Plattfußanlage. Rechtes Bein 1 cm ver¬ 
kürzt. Gang an zwei Stöcken im Zimmer möglich. Wackelbe¬ 
wegungen im rechten Kniegelenk kaum auslösbar. 

Auf Wunsch entlassen. 

Wiegers, E., 66 Jahre, Schleifer. Vom 27. Juni 1910. 

Pertrochantere Fraktur des rechten Oberschenkels. 

Am 25. Juni auf einer Apfelsinenschale ausgerutscht und auf 
die rechte Seite gefallen. Sofort heftige Schmerzen im rechten 
Hüftgelenk. 

Befund. Rechtes Bein erscheint um 3Vs cm verkürzt. Rechtes 
Kniegelenk wird leicht gebeugt gehalten, nach innen gedreht, die Fu߬ 
spitze zeigt ebenfaUs nach innen. Die Gegend des rechten Trochanters 
stark druckempfindlich. Es besteht daselbst eine stärkere SchweUung 
des Oberschenkels; der rechte Trochanter steht etwas höher als der 
linke. Bewegungen stark eingeschränkt. Auf der Außenseite des 
rechten Oberschenkels bis zum Kniegelenk starke Schmerzen bei 
leichter Berührung. Die Gegend des Dammes ist blaurot verfärbt. 
Urin wird ohne Beschwerden gelassen. Starker Asthmatiker. Myo- 
carditis. Thorax faßförmig. Starke Demenz. 

R.B. bei der Aufnahme zeigt Bruchlinie durch den großen 


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Trochanter herabgehend zum kleinen Trochanter, welcher sich teil¬ 
weise am distalen Ende zu befinden scheint. 

Therapie: Mobilisation in Narkose. Eitension nach außen 
im Winkel von 45°. Längsstrecke nach Bardenheuer mit 10 Pfd. 
Belastung. Grunesche Züge 14 Pfd. 

Gegenzug in der Schenkelbeuge schräg von innen nach außen 
verlaufend, Belastung 6 Pfd.; Querzug über die Bruchstelle nach 
der gesunden Seite zu, da die rechte Fußspitze nach außen umschlägt. 
Rotationszug nach innen, 2 Pfd. Belastung. 

1. Juli. R.B.: Gute Stellung der Fragmente; die anfänglich 
vorhandene Varusstellung ist beseitigt; der Schenkelhals erscheint 
verkürzt; keine nennenswerte Dislokation. 

23. Juli. Patient ist sehr unruhig, besonders nachts. 

27. Juli. R.B. ergibt gute Stellung der Fragmente. Patient 
ist sehr unruhig und zeitweise verwirrt. Nahrungsaufnahme gering. 

16. August. Patient ist sehr unruhig, so daß eine regelrechte 
Streckbehandlung nicht möglich ist. R.B. ergab ein leichtes Auf¬ 
rücken des distalen Fragmentes nach oben. 

27. Dezember. Patient hat im Laufe der Zeit starke Kon¬ 
trakturen im Oberschenkel bekommen trotz Massage und Bewegungs¬ 
übungen. Oberschenkelhals fest verheilt. Arthritis deformans im 
Kniegelenk. Eine ideale Stellung des Schenkelhalses konnte nicht 
erzielt werden. Patient konnte nicht gehen. 

Entlassen zum Invalidenhause. 

Theißen, Marg., 72 Jahre. Vom 18. Juni 1910 bis 12. Sep¬ 
tember 1910. 

Pertrochanterer Schenkelhalsbruch links. 

Am 18. Juni auf dem Markte ausgerutscht und auf die linke 
Gesäßhälfte gefallen. 

Befund: Linkes Bein ist um 1,5 cm verkürzt und leicht nach 
innen gedreht. Trochantergegend druckempfindlich. Bewegungen 
nach außen behindert. 

R.B.: Pertrochanterer Bruch des linken Schenkelhalses. 

Therapie: Streck verband; II ückerscher Zug am Fußgelenk. 

18. Juli. Röntgenaufnahme zeigt Abduktionsstellung des pro¬ 
ximalen Bruchstückes. Rückersehe Züge werden gut vertragen. 
Keine Klagen. Bewegungsübungen im Fuß- und Kniegelenk werden 
seit Anlegung der Strecke täglich vorgenommen. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals» und •schaftbrQche. 119 


26. August. Strecke ab; Bruchstelle nicht mehr druck¬ 
empfindlich. 

12. September. Gehübungen im Fahrstuhl. Patientin ist in 
der Lage, leichte Gehübungen im Fahrstuhl zu machen. Hat keine 
Schmerzen an der Bruchstelle mehr. Bruchstücke stehen in leichter 
Varusstellung. 

Patientin wird plötzlich von ihrem Manne abgeholt. 

Fischer, 0., 78 Jahre. Vom 22. Juli bis 6. Oktober 1910. 

Pertrochantere Oberschenkelhalsfraktur. 

Am 22. Juli im Inralidenhause vom Stuhl gefallen, hat sich 
dabei einen Bruch des Oberschenkelhalses zugezogen. 

Befund: Rechter Oberschenkel stark geschwollen. In der 
Gegend der Schenkelbeuge, im Bereiche der Trochanteren starke 
Druckempfindlichkeit. Der rechte Trochanter scheint höher zu 
stehen als der linke. Das rechte Bein wird in leicht gebeugter 
Stellung im Kniegelenk gehalten. Verkürzung ungefähr 4 cm. Be¬ 
wegungen des Oberschenkels stark Schmerzen verursachend und 
sehr stark eingeschränkt. 

R.B.: Typische pertrochantere Fraktur. Der Schenkelhals steht 
fast wagerecht. Der große Trochanter ist nach oben und anscheinend 
etwas nach hinten abgewichen. 

Therapie: Streckung mit Rückerschen Zügen am Unter¬ 
schenkel in Abduktionsstellung von 30 °. Längszug mit 20 Pfd. 
Belastung. Rückersche Züge 10 Pfd. Belastung. Rotationszug nach 
innen mit 8 Pfd. Belastung, da der Bruch eingekeilt ist und die 
Fußspitze nach außen stets Umschlagen will. 

R.B. ergibt ein Herabsteigen des Schenkelhalses nach abwärts 
und eine wesentliche Besserung der Stellung. 

4. August. Kontrollaufnahme zeigt, daß der Schenkelhals 
mit dem Schenkel fast einen stumpfen Winkel von ungefähr 100° 
bildet. Rückersche Züge werden gut vertragen. Keine Klagen. 

15. August. R.B. ergibt eine Winkelstellung des Oberschenkel¬ 
halses mit dem Oberschenkel von 115—120°. 

26. August. Der Trochanter ist mit dem Schenkelhals herab¬ 
getreten. Eine Verkürzung des rechten Beines liegt anscheinend 
nicht mehr vor. Keine Klagen. 

Strecke am 29. August abgenonmen. Täglich Bewegungs- 
Übungen. Dieselben können bereits gut ausgeführt werden. 


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R.B. zeigt ideale Stellung der Fragmente. 

6. Oktober. Patientin wird wegen Platzmangels nach dem 
Invalidenhause entlassen, da Patientin einer weiteren ärztlichen Be¬ 
handlung nicht mehr bedarf. Das letzte R.B. zeigt ideale Stellung 
der Fragmente. 

Keine Schmerzen im Bereiche der Bruchstelle. Bewegungen 
im Hüftgelenk fast völlig regelrecht. Das Knie kann gut gebeugt 
und gestreckt werden. 

Kessel, H., 71 Jahre alt. Vom 30. August 1910 bis 18. März 1911. 

Pertrochantere Fraktur des rechten Oberschenkels. 

Auf der Straße ausgerutscht und auf die rechte Gesäßgegend 
gefallen, konnte hierauf nicht mehr aufstehen. 

Befund: Keine Verkürzung der rechten unteren Extremität. 
Keine wesentliche Außenrotation des Fußes. Druck auf den Tro¬ 
chanter sehr schmerzhaft. Schenkelhals weniger schmerzhaft. Knochen¬ 
reiben bei vorsichtiger Untersuchung nicht nachweisbar; rechtes Hüft¬ 
gelenk im ganzen geschwollen. 

R.B.: Bruch durch den großen Trochanter mit Verlängerung 
in den Oberschenkel hinein in der Richtung zum kleinen Trochanter. 
Schenkelhals steht etwas stark wagerecht. 

Therapie: Längsstrecke mit Achtertouren um das Kniegelenk. 
Längszug 10 Pfd. Kniegelenkszüge 10 Pfd. Passive Bewegungs- 
Übungen im Knie, im Fußgelenk, desgleichen Hüftgelenk. 

30. September. R.B. zeigt ideale Stellung. Der Zug am 
Kniegelenk wird gut vertragen. Keine Stauungserscheinungen; keine 
Nervenstörungen. Belastung wird auf 6 Pfd. vermindert, da der 
Kniezug sehr kräftig angreift. 

21. Oktober. Kontrollbild ergibt ideale Stellung der Fragmente. 
Seit 8 Tagen werden ausgiebige Bewegungen im Kniegelenke ge¬ 
macht, dasselbe ist nicht versteift. Keine Schmerzen an der Bruch¬ 
stelle. 

19. November. Strecke am 18. November 1910 abgenommen. 
Beweglichkeit gut; keine Druckempfindlichkeit an der Bruchstelle. 

Röntgenbild zeigt Adduktionsstellung. Am 21. November aber¬ 
mals Strecke. 

4. Dezember. Bruchstücke stehen ideal. Strecke wird noch 
beibehalten. Täglich Ucbungen in Fuß- und Kniegelenk. 

27 Dezember. Strecke ab. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Obersclienkeihals- und -schaftbrüche. 121 


19. Januar 1911. Patientin ist heute zum ersten Male aufge¬ 
standen und hat Gehversuche gemacht, die gut ausfielen. Die am 
20. Januar aufgenomraene Kontrollaufnahme zeigt starke Adduktions¬ 
stellung des Oberschenkels. Aus diesem Grunde wird abermals eine 
Strecke angelegt. Innenzug 10 Pfd. Außenzug 4 Pfd., weil nach 
dem Aufsein Patientin Schmerzen in der rechten Hüfte hatte. 

9. Februar. Kontrollaufnahme hat eine gute Stellung der Bruch¬ 
stücke ergeben. Trochantergegend noch leicht druckempfindlich. 

23. Februar. Patientin macht in der Strecke Beuge- und 
Streckbewegungen. 

8. März. Strecke ab. Bewegungsübungen. Keine Druckempfind¬ 
lichkeit des Trochanter major mehr. Patientin steht seit 3 Tagen auf. 

18. März. R.B. zeigt wiederum ein Einknicken an der Bruch¬ 
stelle im Sinne der Adduktion. Atrophie der Muskulatur um 1 cm 
vorhanden. Kniegelenk frei beweglich; Hüftgelenk frei. 

Patientin ist nicht in der Lage sich fortzubewegen ohne Zu¬ 
hilfenahme von Stöcken. Die geringe Festigkeit ist auf mangelnde 
Erhärtung des Callus zurückzuführen. 

Auf eigenen Wunsch gegen ärztlichen Rat entlassen. 

Esser, A., 07 Jahre. Vom 26. November 1910 bis 15. März 
1.911. (Fig. 7 und 8.) 

Pertrochantere Fraktur colli femoris sin. 

Am 21. November ausgerutscht und hingefallen, wobei sie sich 
einen Bruch des linken Oberschenkels zuzog. Bis 20. November 
ohne ärztliche Behandlung geblieben. Patientin ist fast völlig blind, 
sieht nur Lichtschein. 

Befund: Linker Oberschenkel stark geschwollen, blaurot ver¬ 
färbt. Gegend des Schenkelhalses ist stark druckempfindlich. Soweit 
sich durchfühlen läßt, steht der Trochanter weit höher wie rechts. 
Das Bein scheint um 5 cm verkürzt, ist stark nach außen gedreht. 

R.B.: Pertrochanterer Bruch mit Absprengung der beiden Tro- 
chanteren. Der Schaft des Femur überragt den Oberschenkelhals 
auf dem Bilde um 1'/« cm. 

Therapie: Längsstrecke mit Kniegelenkzügen in Achtertouren 
um das Gelenk. Längsstrecke 12 Pfd. Kniezüge nach Grüne 8 Pfd. 
Zug am obersten Teile des Oberschenkels von innen nach außen 
mit 4 Pfd. Belastung. Gegenquerzug über den Trochanter nach der 
rechten Seite zu 6 Pfd. 


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Grüne. 


R.B. zeigt Herabsteigen des Femurschaftes in eine gute Stellung. 
Trochanter major und rainor sind abgesprengt. 

7. Februar 1911. Kontrollbild ergibt gute Stellung der Frag¬ 
mente. 

18. Februar. Strecke abgenommen. Patientin macht Bewegungs¬ 
übungen. Oberschenkel wird massiert. Die Beugefähigkeit des linken 
Kniegelenkes ist eine gute. Das linke Kniegelenk kann bis zu 
einem Hackengesäßabstande von 42 cm gebeugt werden. In ge¬ 
streckter Haltung kann es manchmal über 30 cm hoch erhoben 
werden. 

Fi<j. 7. 



8. März. Patientin ist in der Lage, das Bein fast senkrecht 
in die Höhe zu heben. Patientin steht auf und macht Gehübungen 
im Gehstuhl. 

8. März. Aufnahme vom 24. Februar ergibt ideelle Stellung 
der Fragmente. Das Bein kann im Kniegelenk bis zu einem Hacken¬ 
gesäßabstande von 25 cm gebeugt werden. 

15. März. Erneutes R.B. ergab eine ideelle Stellung der Frag¬ 
mente; eine Verkürzung des gebrochenen Beines ist nicht vorhanden. 
Die beiden Trochanteren sind durch Callusmassen in Verbindung 
mit dem Oberschenkel getreten. Der Oberschenkelhalswinkel be¬ 
trägt 120°. Gehübungen im Gehstuhl können gut ausgeführt werden. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 123 

Muskulatur des Unterschenkels zeigt nach längerem Aufsein noch 
geringe Schwellung, Oberschenkel nicht geschwollen, jedoch ist ein 
Unterschied im Umfang von fast 1 cm gegen den gesunden fest¬ 
zustellen. Bewegungen im Hüftgelenk frei. 

Auf Wunsch entlassen. 

Juni 1911. Patientin geht zurzeit im Zimmer unter Führung 
(fast völlig erblindet) umher. 


Fig. 8. 



Forsch, E., 71 Jahre alt. Vom 27. September 1910 bis 
23. Februar 1911. 

Pertrochanterer Oberschenkelhalsbruch L. 

Seit etwa 8—14 Tagen — genaue Angabe kann Patientin nicht 
machen — Schmerzen im linken Hüftgelenk nach Fall. Es wurde 
ihr von Freunden Salbe verordnet zum Einreiben. Vom Arzt dem 
Bürgerhospital überwiesen. 

Befund: Verkürzung des linken Beines 2,5 cm. Trochanter 
steht auffallend hoch oberhalb der Roser-Nelatonschen Linie. Puls 
an der Tibialis ant. und post, gut fühlbar. Fuß nach außen ge¬ 
dreht; leichte Beugestellung im Kniegelenk. 


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Grüne. 


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K.B.: Bruch durch den Trochanter am linken Oberschenkel mit 
ziemlich wagerechter Stellung des Halses. 

Therapie: Längszug nach Burdenheuer mit 8 Pfund Be¬ 
lastung. Anlegung eines Achtertourenzuges nach Grüne um das 
Kniegelenk mit 6 Pfd. Belastung. 

21. Oktober. Die angewandte Behandlung wird gut vertragen. 
Keine Schmerzen mehr an der Bruchstelle. R.B. gute Stellung. 

22. Dezember. Strecke ab. 

21. Januar. Erster Aufstehversuch. Patientin wird hierbei | 
ohnmächtig. 

7. Februar. Täglich Aufsitzen; Gehversuche. Klagt noch über 
Schmerzen im rechten Hüftgelenk. 

23. Februar. Kopf und Schenkelhals stehen in fast senkrechter j 
Richtung. Patientin ist in der Lage, an den Betten entlang zu 
gehen, wobei sie sich mit beiden Händen festhält. Keine wesent¬ 
liche Atrophie der Muskulatur. Patientin wird zum Invalidenhaus 
entlassen. 

Sch., Ohr., 70 Jahre. Vom 6. Juni bis 15. August 1911. 

Im Zimmer einen Schwindelanfall bekommen und zusammen- 
gebrochen, worauf sie auf die linke Gesäßhälfte und Hüftgegend 
fiel. Konnte nicht mehr gehen. 

Befund: Linkes Bein liegt leicht gebeugt, stark nach außen 
rotiert. Verkürzung beträgt etwa 2*2 cm. Trochantergegend auf¬ 
fallend druckempfindlich, Knochenreiben deutlich nachweisbar. Es 
wird ein Bruch pertrochanter des Oberschenkels angenommen. 

R.B.: Typische pertrochantere Querfraktur mit Winkelstellung 
von 90°. 

Therapie: Längsstrecke(10 Pfd.)mit Kniegelenkszügen(10Pfd). 
Beugestellung im Knie 33", Hüfte 45°. 

17. .Juni. Kontrollaufnahine ergibt ideale Stellung der Frag¬ 
mente. 

14. Juli. Strecke beibehalten. Patientin ist sehr dement. 

8. August. Starke Verschlechterung des Allgemeinzustande.'. 
Patientin leidet seit. Aufnahme ins Krankenhaus an Diarrhöen, die 
medikamentös nur vorübergehend beeinflußbar waren. In den letzten 
Tagen erscheint die Patientin somnolent, der Puls ist klein, unregel¬ 
mäßig, etwa IGO in der Minute. Daher Abnahme der Strecke. 
Opium, Digalen, Kampier. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbiüche. 125 


15. August. Zeichen der Herzschwäche sind geschwunden, 
dagegen besteht die Diarrhöe unverändert fort. Verlegt nach dem 
Augustahospital. 29. August 
gestorben. 

v.Umbscheiden, 52 Jahre. 

Vom 14. September 1911. 

(Fig. 9 und 10.) 

Subkapitale Fraktur des 
rechten Schenkelhalses. 

Beim Anstreichen stürzte 
die Leiter, auf der Patient 
stand, um und Patient fiel auf 
die rechte Hüfte. Schmerzen 
in der rechten Hüftgegend. 

Befund: Beinliegtleicht 
gebeugt und nach außen ge¬ 
dreht. Starke Druckempfindlichkeit in der Trochantergegend. 
Schenkelhals stark druckempfindlich. 


Fig. 10. 




K.B.: Bruch des rechten Schenkelhalses (subkapital). Ver¬ 
kürzung 2 cm. 

Therapie: Kniegelenkszug 8 Pfd., Längszug 10 Pfd. Be- 


Fig. 9. 



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126 


Grüne. 


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wegungsübungen, Zug am oberen Schaftteil nach der gesunden Seite 
zu schräg nach unten. Querzug über den Trochanter nach der ge¬ 
sunden Seite zu. 

15. November 1911. Bruch fast verheilt, seit 1. November 1911 
Kniegelenkszug weggelassen. Patient ist in der Lage, sein Bein 
aktiv senkrecht in die Höhe zu heben, Kniegelenk frei beweglich. 

Wird noch behandelt. 

Lazinska, A., 24 Jahre, Stundenarbeiterin. Vom 5. Mai bis 
24. August 1910. 

Fractura subcapit. colli femoris sin. Coxitis sinistra chronica. 

Vom August 1909 bis Anfang März 1910 im Bürgerhospital 
auf der orthopädischen Abteilung behandelt wegen linkseitiger Hüft¬ 
gelenksversteifung nach Gelenkrheumatismus. Am 5. Mai im Haus¬ 
flur ausgerutscht und nach vornüber gefallen, wobei sie sich einen 
Bruch des linken Oberschenkelhalses zuzog. Patientin gibt an, daß 
sie im linken Hüftgelenk fast gar keine Bewegungen habe ausfdbren 
können. 

Status: Linke Schenkelhalsgegend stark druckempfindlich. 
Bewegungen verursachen heftige Schmerzen. Der linke Unterschenkel 
liegt nach innen rotiert, erscheint ein wenig verkürzt. Der linke 
Rollhügel steht etwas höher als der rechte. 

R.B.: Ankylosierungserscheinungen des linken Hüftgelenkes; 
der linke Oberschenkelwinkel neigt mehr der Stellung einem rechten 
zu, leichte Varusstellung. Durch den Schenkelhals sieht man eine 
deutliche Bruchlinie verlaufen ohne wesentliche Dislokation der 
Bruchenden. Bruchlinie hart unterhalb des Kopfes. 

Therapie: Rückerscher Streckzug am Fuß mit Längsstrecke 
im Abduktionsstellungswinkel von 45 Belastung Rücker 10 Pfd. 
Längsstrecke 20 Pfd. 2 Querzüge unterhalb des Kniegelenkes mit 
4 Pfd. 1 Beckenzug auf den Trochanter wirkend mit 4 Pfd. Zug 
am Rumpf nach rechts. 

20. Mai. Längsstrecke wird gut vertragen. 

14. Juni. Strecke erneuert. Bruchstelle schmerzt noch hei 
Bewegungen. 

K B. zeigt keine Dislokation der Bruchenden. 

19. Juli. Strecke abgenommen, nachdem seit dem 8. Juli lang¬ 
sam aus der Abduktionsstellung in die regelrechte Stellung Über- 
gegangen worden war. Hüftgelenk noch leicht druckempfindlich. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkellials- und -scbaftbriiche. 127 

Das linke Bein erscheint um 3 cm länger als das rechte. Die Be¬ 
wegungen im Fußgelenk sind regelrecht. Der Oberschenkel kann 
im Hüftgelenk bis zu einem Winkel von 25 0 ohne Schmerzen ge¬ 
beugt werden. Im linken Kniegelenk bestehen Wackelbewegungen; 
ein Erguß ist nicht nachweisbar. 

Patientin war bei dem Fall das linke Knie umgeschlagen. 

R.B. des linken Kniegelenkes zeigt im Bereiche der Eminentia 
intercondyloidea einen leichten Schatten. Es werden täglich Bewe¬ 
gungen im Hüft-, Knie- und Fußgelenk ausgeführt. 

24. August. Beugen im Hüftgelenk bis zu 30 0 möglich. Keine 
Schmerzen im Hüftgelenk beim Gehen, keine Druckempfindlichkeit 
daselbst. Schenkelhals gut verheilt. Bein 2 cm länger als rechts. 
Kniegelenk zeigt deutliche Wackelbewegungen; Gang hinkend, da 
Patientin im Kniegelenk immer nach innen umknickt. 

Auf Wunsch entlassen. 

Nachuntersuchung Juli 1911. Gang flott und sicher, soweit 
er nicht durch die vorhandene Coxitis behindert ist. 


Klein, J., 57 Jahre. Vom 17. Januar bis 12. Juni 1911. 

Auf der Straße ausgerutscht und auf die rechte Gesäßseite 
gefallen. Schmerzen im rechten Gesäß, konnte nicht mehr gehen. 

Befund: Rechter Oberschenkel steht etwas nach außen ge¬ 
dreht in leichter Flexion, erscheint etwa um P/s—2 cm verkürzt. 
Die Abduktorenmuskeln sind etwas gespannt; die Gegend des Tro¬ 
chanters und des Schenkelhalses sind stark druckempfindlich, keine 
federnde Bewegungen. Bewegungen im Sinne der Adduktion sehr 
schmerzhaft. Abduktion dagegen nicht. Heben und Senken des 
Beines im Hüftgelenk kann nur unter heftigen Schmerzen ausge¬ 
führt werden. 

R.B.: Pertrochantere Fraktur. 

Therapie: Strecke in starker Abduktion nach außen. Längs¬ 
zug 10 Pfd., einfacher Kniegelenkszug 6 Pfd. Zug am obersten 
Feniurende nach außen 4 Pfd. Strecke. Querzug über den Tro¬ 
chanter nach der gesunden Seite. 

Kontrollbild hat eine gute Stellung der Bruchstücke er¬ 
geben; Trocbantergegend noch leicht druckempfindlich. 

23. Februar. In der Strecke keine Beschwerden. Passive Be¬ 
wegungen werden ausgeführt. Patientin führt nur leichte aktive 
Bewegungen aus, da sie sehr empfindlich ist. 


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Grüne. 


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11. März. Die Schmerzen im Kniegelenk, welche im Anfang 
etwas vorhanden waren, sind geringer geworden. Längszug 10 Pfd. 
Kniegelenkszug wurde nach 3 Wochen weggelassen. Kniebeugungs¬ 
winkel 40°, Hüftgelenk 65°. Strecke seit dem 1. April ab. 

10. Mai. Bewegungsübungen werden täglich ausgeführt. Pa¬ 
tientin leidet an Arthritis deformans, besonders im rechten Knie¬ 
gelenk, daselbst deutliches Knirschen. Beugeu und Strecken ziem¬ 
lich stark eingeschränkt. Patientin macht seit 8 Tagen Gehversuche. 
Stärkste Beugung bis zu einem Hackengesäßabstand von 45 0 möglich. 

2(5. Mai. Patientin klagt 
noch über Spannungsgefühl. Be¬ 
weglichkeit hat sich nicht wesent¬ 
lich gebessert. 

Hartzheim, U., 60 Jahre. 
Vom 5. Juni 1911 bis 6. Oktober 
1911. (Fig. 11 und 12.) 

Fractura colli femoris dextri. 
Auf einer Apfelsinenschale 
ausgerutscht und auf das rechte 
Gesäß gefallen. Schmerzen im 
Hüftgelenk, kann nicht mehr 
gehen. Vom Arzt dem Bürger¬ 
hospital überwiesen. 

Befund: Bein erscheint um 
1 *'2 cm verkürzt, liegt nach außen 
rotiert leicht gebeugt im Knie¬ 
gelenk. Druck auf den Trochan¬ 
ter schmerzhaft; starke Schmerz¬ 
haftigkeit in der Gegend des Schenkelhalses. Knochenreiben nicht 
nachweisbar. Keine Nervenstörungen. 

R.B.: Reine Collumfraktur des Femur. 

Therapie: Längsstrecke nach Bardenheuer mit 10 Pfd.. 
Grunescher Zug mit 8 Pfd. Belastung. 

5. Juli. Bewegungsübungen aktiver Art. 

5. August. Aktive Bewegungen sehr gut möglich. Fraktur 
wird fest. 

15. August. Abnahme der Strecke, Bewegungsübungen weiter. 
Kontrollbild zeigt gute Stellung. 



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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 129 


18. September. R.B. ergibt, daß der Bruch gut verheilt ist. 
Es besteht eine starke Osteoporose. Patientin steht auf. 

0. Oktober. Geheilt entlassen. Patientin kann bequem mit 
Hilfe eines Stockes im Zimmer gehen. Bruch fest verheilt. Regel¬ 
rechte Beweglichkeit im Hüftgelenk, Knie und Fußgelenk. 

Muskulatur kräftig, keine meßbare Atrophie, keine Verkürzung. 
R.B. ideale Verheilung. 

Ehrenstein, W., 80 Jahre, Wagenbauer. Vom 12. Juli 1911 
bis 28. Oktober 1911. Pertrochantere Oberschenkelfraktur r. 


Fig. 12. 



Hingefallen. Oberschenkelhalsbruch rechts zugezogen. 

Befund: Typischer Oberschenkelhalsbruch. Lage des Beines 
typisch; Verkürzung etwa 3 cm. 

R.B. ergibt pertrochantere Oberschenkelfraktur. (Patient be¬ 
kommt in der Nacht vom 13. auf 14. Delirium.) 

Therapie: Längsstrecke nach Barden heuer 12 Pfd., Grüne¬ 
rer Zug 8 Pfd. Belastung. 

14. Juli. Da Patient sehr unruhig ist, Entfernung der Strecke. 
Gipsverband. 

10. August. Abnahme des Gipsverbandes. Strecke nach Bar¬ 
denheuer- Grüne. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd 9 


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Grüne. 



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21. September. Bewegungen im Kniegelenk ziemlich stark be¬ 
hindert, doch ist Patient in der Lage, das Bein in gestreckter Hal¬ 
tung fast senkrecht zu erheben. 

15. Oktober. Strecke abgenommen. 1. Oktober Kniegelenks- 
zug weggelassen. Patient macht im Gehstuhl Gehübungen. 

23. Oktober. Patient kann im Saal sich ohne Stock fortbewegen. 
Draußen auf dem Hofe geht er mit Hilfe zweier Stöcke der Sicher¬ 
heit halber. 

28. Oktober. Patient wurde heute geheilt entlassen. Gang im 
Saal ohne Stock sicher. Es wird ihm angeraten, auf der Straße 


Fi<r. 13. 



2 Stöcke der Sicherheit halber zu benutzen. Bruch fest verheilt. 
Bruchstelle nicht druckempfindlich. Rotation nach außen leicht be¬ 
hindert. Kniegelenk kann bis zum rechten Winkel gebeugt werden. 
Beim Beugen und Strecken in beiden Kniegelenken Knirschen 
(Osteoarthritis). Die Beinachsen verlaufen regelrecht. Der rechte 
Trochanter scheint um x / 3 cm höher zu stehen als der linke. 
Rechtes Bein etwa 1 j -2 cm (Brettmessung nach Bardenheuerl 
verkürzt. 

R.B. ergeben sehr gute Stellung der Fragmente. Die Musku¬ 
latur des rechten Oberschenkels ist um 2,5 cm geringer (Gipsver- 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 131 

band) als die des linken. Rechte Wade um 2 cm schwächer als 
linke. Verkürzung 0,5 cm Brettmessung. 

2. November. Befund unverändert. 

Gerresheim, A., 77 Jahre. Vom 8. August 1911. (Fig. 13—15). 

Fractura intertrochanterica femoris sin. Fractura colli anatom. 
humeri sin. 

Patientin glitt heute auf der Straße über einer Schale aus, fiel 
nach links auf den linken aus- 
gestreckten Arm und dann auf 
die linke Hüfte. 

Status: Senile Frau; ziem¬ 
lich starke Arteriosklerose. Puls 
schwach, irregulär. Große Un¬ 
ruhe. Linke Schultergegend stark 
geschwollen; in der Gegend des 
Collum anatomicum Krepitation. 

Das linke Bein liegt in Außen¬ 
rotation, erscheint verkürzt, kann 
nicht bewegt werden. 

In der Gegend des Trochan¬ 
ters starker Druckschmerz. 

R.B. der linken Schulter: 

Fraktur im Collum anatomicum 
mit Absprengung des Tuberculum 
majus. 

Am linken Bein: Inter¬ 
trochantere Fraktur mit Dislocatio 
ad longitudinem. 

Therapie: Längsstrecke am Arm nach oben außen mit 8 Pfd. 
Längsstrecke am linken Bein in starker Abduktion und Beugung im 
Kniegelenk 10 Pfd. 

14. August. Kontrollbild des Armes, zeigt, daß das zentrale 
Fragment etwas stärker axillarwärts schaut, daher wird die Strecke 
nur nach außen gerichtet; Stellung besser. 

Kontrollbild des Schenkelhalses zeigt gute Stellung der Frag¬ 
mente. 

Besserung des Allgemeinbefindens. In den ersten Tagen Di- 
galen, Kampfer. 



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132 


Grüne. 



11. November. Strecke ab. Patientin hebt das gebrochene 
Bein regelrecht. Knie wird bis zum <£ 100° gebeugt. 

llillebrandt, 21 Jahre, Pionier. Vom 7. März 1911 bis 
3. Juli 1911. 

Fractura pertrochant. 

Anamnese: Stammt aus gesunder Familie; Patient hat bisher 
keine Krankheiten überstanden. Vor 4 Wochen beim Springen 
stürzte Patient, als er über einen Kasten hinweggesprungen war. 


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25. August. Allgemeinbefinden und Appetit gut. 

16. September. Strecke am Arm ab. 

21. September. Bewegungen im linken Schultergelenk fast 
regelrecht, Handgelenk gut beweglich, Finger desgleichen. 

R.B. ergibt eine sehr gute Stellung der beiden Bruchstücke. 

Fig. 15. 
















Zar Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrilche. 133 

Schmerzen im linken Oberschenkel in der Gegend der Hüfte. Hierauf 
machte er noch einen Tag Dienst mit. Da die Schmerzen jedoch 
nicht nachließen, meldete er sich revierkrank, worauf er dem Lazarett 
überwiesen wurde. Im Lazarett wurde er 14 Tage mit feuchten 
Umschlägen und Bettruhe behandelt. Am 24. Februar konnte er 
wieder aufstehen und umhergehen. 

Bei der Entlassung am 27. Februar waren die Schmerzen voll¬ 
ständig verschwunden; Patient machte 8 Tage Dienst mit; auch 
hierbei verspürte er keine Schmerzen. 

Am 7. März sprang er auf der Hindernisbahn von einem eiser¬ 
nen Gitter aus etwa 2 m Höhe herunter. Er kam hierbei zu Fall. 
Sofort heftige Schmerzen im linken Oberschenkel. 

Typischer Befund der Fractura pertrochanterica. 

R.B. ergibt einen Bruch in der Trochantergegend mit ziemlich 
starker Verstellung. 

Am 10. März Anlegung einer Strecke nach Bardenheuer- 
schem System; starke Abduktionsstellung und leichte Beugestellung 
itn Kniegelenk. Patient macht Bewegungsübungen, nachdem am 
22. April Muskelatrophie ziemlich stark vorhanden war. Muskulatur 
sehr schlaff. 10 cm oberhalb der Kniescheibe rechts 41,5 cm, 
links 37 cm. 

Keine Verkürzung. 

Entlassungsbefund am 4. Juli: Völliges Wohlbefinden. Gehen 
und Stehen ohne Stock nur kurze Zeit möglich und nur unter 
starkem Hinken. Rollhügelspitze im Bereich der Roser-Nelaton- 
sehen Linie. Keine Verkürzung. Bewegungen im Hüftgelenk nur 
gering beschränkt. 

Wadenumfang . . . . . . links 33 cm, rechts 35,5 cm, 

Oberschenkel, 20 cm oberhalb 

der Kniescheibe .... n 46 B „ 40 „ 

Auch in diesem Falle setzte die mediko mechanische Behand¬ 
lung, bestehend in Bewegungsübungen in der Strecke, nicht zur 
rechten Zeit ein, sonst hätte man die Atrophie der Muskulatur in 
dem Maße vermeiden können. 

Male, K., 21 Jahre, Pionier. Vom 10. Februar 1911 bis 
3. Juli 1911. 

Oberschenkelhalsbruch rechts. 

Bereits seit einiger Zeit verspürte Patient Schmerzen beim Gehen 


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Grüne. 



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und bei anstrengenden Bewegungen im rechten Hüftgelenk. Am 
8. Februar nach dem Exerzieren auf der Niehlerheide traten die 
Schmerzen derartig heftig auf, daß Patient nicht mehr marschieren 
konnte. 

Eine nähere Ursache: Fall, Stoß oder Schlag auf die Hüft- 
gegend weiß Patient nicht anzugeben. Am 10. Februar wurde er 
in das Lazarett aufgenommen. 

Status: Die Gegend des rechten Hüftgelenkes vorne stark 
druckempfindlich; Stoß auf Fußsohle bei gestrecktem Bein stark- 
druckempfindlich , desgleichen Stoß gegen den großen Trochanter. 
Die Bewegungen im Hüftgelenk sind eingeschränkt, besonders die 
Außenrotation und das Beugen im Hüftgelenk. Eine Verkürzung des 
rechten Beines ist nicht festzustellen. Patient hält das Bein in 
leichter Beugestellung und leicht adduziert. 

R.B.: Bruch des Schenkelhalses nach dem Schenkelhalskopfe 
zu; es macht den Eindruck, als ob der Bruch in den Schenkelhals¬ 
kopf hineingehe. 

Therapie: Streck verband mit 10 Pfd. Belastung. 

18. März. Es wird ein erneuter Streck verband angelegt, da 
sich eine Verkürzung eingestellt hatte, in starker Abduktion Längs¬ 
zug 10 Pfd., Kniegelenkszug 8 Pfd. Belastung, Strecke wird gut 
vertragen. 

8. April. Abnahme der Strecke; eine Verkürzung ist nicht 
vorhanden. 

3. Juli. Entlassungsbefund: Völliges Wohlbefinden. Pa¬ 
tient geht mit Stock umher, hinkt noch stark. Patient will ohne 
Stock nur kurze Zeit gehen oder stehen können. Es besteht eine 
deutliche Muskelatrophie am rechten Bein. 

Umfangmaße: 

Stärkster Wadenumfang .... rechts 32 J /- cm, links 34 cm. 
Oberschenkel, 20 cm oberhalb der 

Kniescheibe. „ 46 , „ 49 • 

Die vorhandene Muskulatur ist ziemlich straff. Beim Stehen 
keine Schmerzen im Hüftgelenk. Das Hinken ist hauptsächlich auf 
die Muskelschwäche des rechten Beines zurückzuführen. Bewegungen 
im Hüftgelenk aktiv und passiv nur in geringem Grade beschränkt, 
am meisten noch die Rotation und Abduktion. 

Längs des Beines vom vorderen oberen Darmbeinstachel bis 
zum inneren Knöchel ergibt: rechts 05 cm, links 96 cm. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrücbe. 135 


Rechte. Rollhügelspitze steht etwa 1 cm oberhalb der Roser- 
X ela ton sehen Linie. 

Patient hat in der ersten Zeit seiner Erkrankung keine Be¬ 
wegungsübungen gemacht, infolgedessen ist die Schwäche des Beines 
eingetreten. 

Naute, C., G Jahre. Vom 22. Dezember 1910 bis 1. März 1911. 

Linker Oberschenkelbruch. 

Auf der Straße ausgerutscht; das linke Bein soll dabei angeb¬ 
lich gestreckt gewesen sein. 

Befund: Der linke Oberschenkel erscheint stark verkürzt, 
etwa 5 cm. Bruch des Oberschenkels ungefähr in der Mitte. Das 
distale Fragment und das proximale Fragment scheinen einen Winkel 
nach außen und oben zu bilden. Der linke Oberschenkel wird in 
starker Beugestellung gehalten; er erscheint nach außen und oben 
stark vorgewölbt. Knochenreiben deutlich vorhanden. Die Leisten¬ 
gegend ist nicht druckempfindlich, ebenso nicht der kleine Tro¬ 
chanter. 

R.B. bestätigt die Diagnose. Spiralbruch. 

Therapie: Längsstrecke mit Gruncschen Zügen ums Knie¬ 
gelenk. 

12. Januar. Spirale steht in idealer Stellung. Längsverscbie- 
bung völlig ausgeglichen. Keine Klagen; Bewegungsübungen werden 
täglich vorgenommen. 

5. Februar. Grunescher Zug ab. 

15. Februar. Strecke ab. 

26. Februar. Patient steht auf; eine wesentliche Muskelatrophie 
nicht vorhanden. 

1. März. Bruch in idealer Weise verheilt. Kein Unterschied 
in den Muskelumfängen. Keine Bewegungsbehinderung im Knie¬ 
gelenk; keine Verkürzung. 

Gang frei und unbehindert, entlassen. 

Gierlich, M., 59 Jahre. Vom 4. Juli 1910 bis 23. Septem¬ 
ber 1910. 

Oberschenkelbruch rechts (Spirale). 

Als Patientin sich am 4. Juli auf einen Stuhl niedersetzen 
wollte, der jedoch weggenoramen wurde, fiel sie auf ihre linke Ge- 
sällhälfte und brach sich den linken Oberschenkel. Patientin hat seit 


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Grüne. 


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2 Jahren nur mittels eines Stockes einhergehen können; sie will seit 
ihrem 48. Jahre an Gicht leiden. 

Befund: Die Gegend des linken Trochanters stark druck¬ 
empfindlich. Linker Oberschenkel geschwollen; das linke Bein liegt 
nach außen gedreht und zeigt mit der Fußspitze nach außen. Der 
linke Oberschenkelkopf ist in der Leiste deutlich fühlbar; er stellt 
nicht in der Gelenkpfanne, sondern im Bereiche des oberen Scham* 
beinastes. Keine Störung beim Wasserlassen und Stuhlgang. 

Bewegungen des linken Oberschenkels erzeugen heftige 
Schmerzen. Aus diesem Grunde wird eine genaue Prüfung der Be- ! 
weglichkeit nicht vorgenommen. 

R.B. zeigt Bruch des linken Oberschenkels 2—3 cm unterhalb 
des Trochanters; Abweichung des distalen Fragmentes nach innen, 
des proximalen nach außen. Oberschenkelkopf zeigt alte Auf¬ 
lagerung und Pfannenneubildung in der Darmbein-Schambein-Sitz- 
beingegend (siehe R.B.). 

Therapie: Längsstrecke nach Bar denh euer, 15Pfd. Rücker¬ 
scher Zug am Fuß 10 Pfd. Belastung. Abduktionsstellung 45°. 
Am anderen Tage Extensionszug über die nach außen schauende 
Winkelspitze nach innen. Querzug nach rechts über die Lenden¬ 
gegend, 4 Pfd. 

18. Juli. R.B. ergibt, daß das distale Bruchstück sich nach 
unten verschoben hat, jedoch noch mit der Winkelspitze nach 
außen zeigt. 

23. Februar. R.B. vom 22. Juli zeigt ein weiteres Herab¬ 
treten des distalen Fragmentes und Abduktionsstellung desselben. 
Der Längsausgleich ist fast vollständig herbeigeführt. Da das Bein 
von vornherein in einer Abduktionsstellung von 45° gestreckt wurde, 
so wird, um das proximale Fragment in eine günstige Stellung zum 
Oberschenkelschaft zu bringen, am 20. Juli ein neuer Zug von innen 
nach außen angelegt mit 4 Pfd. Belastung. 

2G. Juli. R.B. zeigt eine fast ideale Stellung der Bruchstücke. 
Beide Bruchstücke stehen in gerader Linie und völligem Ausgleich 
der Längsverschiebung zueinander. 

5. August. Strecke abgenommen. 

20. August. Bruchstelle nicht mehr druckempfindlich; es werden 
leichte Bewegungsübungen ausgeführt. Keine Klagen. 

13. September. Erneutes R.B. ergibt ideale Stellung der Frag¬ 
mente. Tägliche Bewegungsübungen. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 137 


23. September. Auf eigenen Wunsch gegen ärztlichen Rat ent¬ 
lassen. Keine Verkürzung des Beines. Muskulatur in guter Ver¬ 
fassung. Kniegelenk gut beweglich. 

R., E., 78 Jahre. Vom 1. Januar bis 22. Januar 1911. 

Fractura supracondylica femoris dextr. 

Am 26. Dezember 1910 im Zimmer gefallen infolge eines 
Schwindelanfalles, dabei Bruch des rechten Oberschenkels zugezogen. 

Befund. Starker Bluterguß im Oberschenkel; grüngelbe Ver¬ 
färbung; zwei Finger breit oberhalb des Kniegelenks deutliches 
Knochenreiben. Der Oberschenkel erscheint um 3—4 cm verkürzt. 

R.B.: Schrägbruch des rechten Oberschenkels von etwa 10 cm 
Länge, oberhalb der Kondylen beginnend, oberes Bruchstück nach 
außen und vorn, unteres nach hinten und unten disloziert. 

Bild von der Seite. Suprakondylärer Spiralbruch mit Ab¬ 
sprengung zweier Knochensplitter von etwa 12 cm Länge. Auch im 
proximalen Teil erscheint noch ein weiterer Knochensplitter abge¬ 
sprengt zu sein. 

Therapie: Längszug nach Bardenheuer mit Gruneschen 
Zügen um das Kniegelenk. 

Belastung: Längszug 10 Pfd., Grunescher Zug 8 Pfd. 

22. Januar. Exitus infolge Herzschwäche. 

In den letzten 8 Tagen war die Nahrungsaufnahme sehr gering. 
Klagen über Blasenschmerzen. Blase muß täglich katheterisiert und 
gespült werden. 

Die Obduktion ergab: Splitterbruch suprakondylär mit drei 
distalen Splittern. Beide Bruchflächen stehen in sehr gutem Kontakt. 

Müller, Chr., 6 Jahre. Vom 18. Juli bis 2. Oktober 1910. 

Oberschenkelbruch rechts. Spirale. 

Zu Hause von einem anderen Kinde die Treppe herunterge- 
stoßen; dabei Bruch des rechten Oberschenkels. 

Befund: Rechter Oberschenkel leicht geschwollen. Knoclien- 
reiben am Uebergang vom mittleren zum unteren Drittel. Ver¬ 
kürzung 2—3 cm. 

R.B.: Typischen Spiralbruch des rechten Oberschenkels in der 
Mitte mit Abweichen des proximalen Bruchstückes nach außen. 

Therapie: Längsstrecke nach Bardenheuer mit Rückerschen 
Zügen. Rückerscher Zug 6 Pfd., Längszug 10 Pfd. 


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3. August. Da Patient ständig unruhig im Bett liegt, wird 
die Strecke deckenwärts mittels Rückerscher Züge angelegt. Be¬ 
lastung 10 Pfd., Rücker 6 Pfd. 

30. August. Strecke am 28. August abgenommen. Knochen 
fest verheilt. Keine Klagen. 

2. Oktober. Bruch gut verheilt. Starke Callusbildung. Keine 
Verkürzung. Bewegungen im Fuß-, Knie- und Hüftgelenk regel¬ 
recht. Gang unbehindert. Es besteht eine geringe X-Stellung im 
Kniegelenk. 

Geheilt entlassen. 

Wild, A., 17 Jahre, Kommis. Vom 26. Juli bis 4. Oktober 1010. 

Am 27. Juli abends auf der Straße ausgerutscht, wobei der 
rechte Fuß nach außen umschlug. Bruch des Oberschenkels. 

Befund: Rechter Oberschenkel 4 cm verkürzt gegenüber links. 
Rechter Fuß schlägt nach außen um; in der Mitte des Oberschenkels 
deutliches Knochenreiben, starke Druckempfindlichkeit daselbst. Eine 
Winkelverschiebung im rechten Oberschenkel besteht nicht. 

Therapie: Ausgleich der Längsverschiebung; Anlegung einer 
Längsstrecke mit modifizierten Rückerschen Zügen. 

Längsstrecke 20 Pfd., Rücker 10 Pfd. 

R.B. am folgenden Tage in der Strecke aufgenommen. 

Deutlicher Spiralbruch des rechten Oberschenkels. 

Von der Seite gesehen Verschiebung des proximalen Bruch¬ 
stückes um ungefähr 1V* cm noch vorhanden. Der rechte Ober¬ 
schenkel zeigt neben dem Spiralbruch noch eine Längsfissur, die 
deutlich sichtbar ist. 

Bild von vorne nach hinten zeigt geringes Abweichen des pro¬ 
ximalen Bruchstückes nach vorne, des distalen nach hinten. 

1. August. Ausgleich der Längsverschiebung, jedoch hat das 
proximale Bruchstück das Bestreben, nach oben abzuweichen. Daher 
durchgreifender Zug 6 Pfd., an der Bruchstelle mit Zug decken¬ 
wärts 10 Pfd. 

Das R.B. hat nach Anlegung des Höhenzuges ergeben, daß 
die Bruchstücke sich wieder nähern. 

30. August. An der Stelle des Bruches fühlt man eine dicke 
Callusmasse, die fest erscheint. 

28. September. Seit 3 Wochen aus der Strecke, macht täglich 
Bewegungsübungen. Beugen im Kniegelenk bis zu einem Hacken- 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelb als- und -schaftbrüche. 139 


gesäßabstand von 42 cm möglich. Im Kniegelenk fast keine Wackel¬ 
bewegungen. 

4. Oktober. Kniegelenk kann bis zu einem Hackengesäßabstand 
von 35° gebeugt werden. Keine Klagen beim Gehen. 

Wackelbewegungen ganz gering; geringe Atrophie der Mus¬ 
kulatur. Rechtes Bein erscheint 1 cm länger als das linke. 

Geheilt entlassen. 

Wilras, H., 2 Jahre. Vom 30. März bis 23. Mai 1911. 

Fractura femoris dextra (Schrägbruch). 

Die Treppe heruntergefallen und sich dabei einen Bruch des 
rechten Oberschenkels zugezogen. 

Befund: Rechter Oberschenkel in der Mitte stark nach außen 
abgeknickt und etwas nach vorne zu. Deutliches Knochenreiben. 

R.B. ergibt starke rachitische Verkrümmung des Oberschenkels; 
Schrägbruch in der Mitte mit starker winkliger Abknickung nach außen. 

Therapie: Einrichtung. Längsstrecke nach Schede 
deckenwärts. 

13. April. Kontrollaufnahme ergibt, daß sich die beiden 
Bruchflächen nicht in genügendem Kontakt befinden. Aus diesem 
Grunde nochmals Repositionsversuch und hierauf Anlegung von 
Rücker-Gruneschen Zügen deckenwärts. Längszug 4 Pfd. Be¬ 
lastung. Kniegelenk frei; Beugefähigkeit im Knie regelrecht. Keine 
Beschwerden. 

26. April. R.B. von vorne nach hinten zeigt gute Stellung 
der Fragmente. Längsverschiebung völlig ausgeglichen; es hat sich 
eine gute Callusmasse gebildet. Seitliche Verschiebung Y 2 cm auf 
der Platte. Keine Schmerzen. Rücker-Grunesche Züge seit 8 Tagen 
abgenommen. 

12. Mai. R.B. zeigt feste Verheilung der Fragmente. Strecke 
ab. Das Kind kann stehen und gehen; keine Verkürzung; keine 
Atrophie der Muskulatur. 

R.B. ergibt gute Stellung der Fragmente. 

Geheilt entlassen. 

Ullinger, Reg., 8 Jahre. Vom 3. Juni bis 26. August 1910. 

Bruch des linken Oberschenkels. 

Beim Herabrutschen eines Treppengeländers das Gleichgewicht 
verloren und auf die andere Etage gefallen. 

Befund: Rechter Oberschenkel stark geschwollen und in der 


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Mitte fast rechtwinklich eingeknickt; starke Druckempfindlichkeit. 
Die Winkelspitze steht nach außen und Dislokation des unteren Bruch¬ 
endes nach außen um ca. 3*2 cm. 

Therapie: Streckung nach Bardenheuer und Rücker. 
20 Pfd. Gesamtbelastung. Rücker am Fußgelenk. 

9. Juni. R.B. (von vorne nach hinten): Ganz geringe Ab¬ 
weichung des oberen Bruchendes etwa um *3 cm nach außen, des 
unteren nach innen. Seitliche Aufnahme ergibt: Stellung beider 
Bruchenden scharf nebeneinander, proximales nach außen, distales 
nach innen gestellt. 

Behandlung unverändert. Rückersche Züge werden gut vertragen. 

12. Juli. R.B. (V-H.) zeigt geringe Abweichung des proxi¬ 
malen Bruchstücks nach außen und eine Längsverschiebung des distalen 
gegen das proximale Fragment um V-* cm. 

Die Aufnahme von der Seite zeigt denselben Befund wie früher. 
Anlegung eines Schreckerschen Schlittens mit durchgreifenden Zügen 
nach unten, Belastung der Züge um je 4 Ffd. Längsstrecke nach 
Rücker zusammen 22 Pfd. 

20. Juli. Strecke wird gut vertragen, keine Klagen. 

20. August. Seit dem 15. August Strecke ab. Der Bruch ist 
fest verheilt. Bewegungen im Kniegelenk gut möglich, desgleichen 
im Fußgelenk. Eine meßbare Verkürzung des Beines ist nicht vor¬ 
handen. Keine Klagen. 

20. August. Das Kind kann gut umhergehen. Beim Auftreten 
keine Schmerzen an der Bruchstelle. An der Bruchstelle fühlt man 
eine gute Callusmasse. 

Kind wird auf Wunsch der Mutter abends aus dem Kranken¬ 
hause entlassen. 

Odekerken, 52 Jahre. Vom 20. Februar bis 7. Juli 1910. 

Oberschenkelfraktur, Mitte, Spirale. 

Beim Aussteigen aus der Elektrischen von einem Fuhrwerk 
angefahren, zu Boden geworfen und überfahren worden. 

Status: Zwei Quetschungen im Gesicht, über der Nasenwurzel 
und der rechten Augenbraue, ebenso am Hinterkopf, Quetschung der 
rechten Schulter, des linken Ellbogens und des linken Mittelfußes. 
An den beschriebenen Stellen Blutunterlaufungen unter der Haut. 
Kein Verdacht auf Knochenbruch. Ueber dem Mittelfuß starke 
Schwellung, starke Druckempfindlichkeit der Metatarsen. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 141 


Linker Oberschenkel: Knöcherne Prominenz unterhalb 
des Trochanter maior; das proximale Bruchstück steht in Beuge¬ 
stellung. Verkürzung um 6 cm. 

R.B. ergibt Fraktur des linken Femur in einer oberen 10 cm 
langen Spirale. Die Spitze des peripheren Fragmentes steht in Höhe 
des Trochanter minor und zwar an der Außenseite des proximalen 
Fragmentes, letzteres ist seitlich und zwei Querfinger breit nach vorne 
verstellt vor das periphere. Die Fragmente stehen in Varusstellung 
zueinander. 

Therapie: Extension in Bardenheuerscher Oberschenkelschiene 
in Semiflexion der Hüfte und des Knies. Extensionsschlaufe nur 
am Oberschenkel, Unterschenkel in Trikotschlauch gelagert. Be¬ 
lastung ca. 20 Pfd. 

17. Oktober. Extensionsverband wird gut vertragen. 

1. März. R.B.: Teilweiser Ausgleich der Längsverschiebung; 
dabei sind die Fragmente in X-Stellung gegangen, das periphere 
Fragment hat sich an die Innenseite des proximalen Fragments be¬ 
geben und ein 10 cm langer dreieckiger Fragmentsplitter steht an der 
Innenseite der Bruchstelle. In seitlicher Ansicht leidliche Adaption 
der Fragmente. 

5. März. Zur Verkürzung der Längsextension werden um die 
Oberschenkelkondylen zirkuläre Touren nach Art der Rückerschen 
Züge gelegt. Trotz der geringsten Belastung derselben Stauung im 
Unterschenkel. (Poplitealgegend scheint nicht freigelassen gewesen 
zu sein.) Abnahme der Oberschenkelschiene. 

8. März. Längsstrecke mit regelrechten Rückerschen Zügen 
am Fuß und Lagerung des Unterschenkels auf Spreukissen, unter 
dieses Schreckerscher Schlitten. Belastung über einfache Rollen 
je 2 Pfd. 

R.B.: Die Längsverschiebung ist bis auf 1 1 /^ cm ausgeglichen. 
Seitlich stehen die Fragmente gut. Vorder-Rückansicht leichte 
X-Stellung und Dislokation des peripheren Fragments medialwärts 
um 1 1 ;2 cm. 

Ellbogengelenk und Schulter frei beweglich, Kopfwunden 
gut verheilt. 

20. April. Strecke seit einigen Tagen ab. Beinlängen gleich. 

R.B.: Gute Stellung, Massage, Elektrisieren. 

Bewegungsübungen im Kniegelenk. Linkes Bein um 1—1,5 cm 
schwächer als das rechte. 


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9. Juli. Gehen mittels zweier Stöcke möglich. Beweglichkeit 
im linken Kniegelenk besser geworden. 

7. Juni. Hackengesäßabstand links 25 cm. Gang gut, keine 
Verkürzung, Bruchstelle fast ideal verheilt. Entlassen. 

Heister V., 13 Jahre, Schülerin. Vom 30. März bis 27. Juni 1910. 

Bruch des rechten Oberschenkels, Rechtes Calcaneus und supra- 
malleoläre Fraktur des rechten Unterschenkels. Fraktur des rechten 
Kniegelenkes. 

Angeblich aus der III. Etage herausgestürzt. 

Status: Bei der Aufnahme schwer shockiert. Lippen blaß. 
Puls klein, kaum zu fühlen, 120 in der Minute. Atmung oberfläch¬ 
lich; Abdominalatmung. An den Brust- und Bauchorganen nichts 
Krankhaftes. Am rechten Oberschenkel Fraktur in der Mitte, außer¬ 
dem Knöchelbruch rechts. 

Linkes Bein steht nach innen rotiert, Krepitation im Knie¬ 
gelenk. Unter dem Knie starke Blutunterlaufung. Urin klar, ohne 
Eiweiß, ohne Blut. Aus der Scheide kommt Blut. 

30. März. Sofortige Anlegung von Extensionszügen beiderseits. 

31. März. Schamlippen stark sugilliert. Annahme einer Becken- 
f'raktur. 

Diagnose: Fractur femoris dextr., Fract. malleolus ext. dextr. 
Kontusion des linken Kniegelenkes. Beckenfraktur. 

1. April. Kind noch immer shockiert. Puls etwas besser. 

2. April. Puls besser. Verlegt zur Frakturenstation. 

5. April. Das R.B. ergab, daß eine erhebliche Verstellung der 
Fragmente im rechten Oberschenkel vorliegt, das distale Fragment 
ist nach außen und hinten disloziert. Ferner zeigt das R.B. eine 
supramalleoläre Fraktur am rechten Unterschenkel. 

R.B. des linken Kniegelenkes zeigt keine Fraktur, doch muß 
in der Gegend der Kondylen des Femur eine Fraktur sich befinden, 
da sehr abnorme Beweglichkeit und Krepitation hier besteht; das 
untere Fragment steht in X-Stellung zum oberen. 

(Die Stelle war auf der Röntgenplatte nicht sichtbar.) 

Therapie: Längsstrecke an beiden unteren Extremitäten mit 
Anwendung der Rüekerscben Züge. 

30. April. Längsstrecke abgenommen. Klagt über oftmals 
auftretende Schmerzen im rechten Fußgelenk. Die Schmerzen sind 
geringer geworden. Rechtes Bein 1 cm verkürzt. Die Röntgen- 


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Zar Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüehe. 143 


Fig. 16. 


oben 


aufnahme des linken Kniegelenkes hat einen Bruch im Kniegelenk 
ergeben. Rechte Fußsohle unempfindlich für Berührungen. 

27. Juni. Rechte Fußsohle zeigt gutes Gefühl. Steht am 
27. Juni auf. 

Geheilt entlassen. 

Steffen, E., 8 Jahre alt. Vom 17. Dezember 1910 bis 26. Fe¬ 
bruar 1911. 

Spiralfraktur femoris sin. 

Am 15. Dezember 1910 ausgerutscht und so gefallen, daß die 
Beine in die größte Spreizstellung kamen. Hierbei heftigen Schmerz 
im linken Oberschenkel bekommen; konnte nicht mehr aufstehen. 

Befund: Der linke Ober¬ 
schenkel ist im unteren Drittel 
geschwollen, Knochenreiben da¬ 
selbst. Das linke Bein erscheint 
um 4,5 cm verkürzt, Fußspitze 
nach außen gedreht. 

R.B.: Spiralbruch (siehe 
% 16). 

Therapie: Strecke Längs¬ 
zug 8 Pfd. Achtertouren um 
das Kniegelenk, 6 Pfd. 

24. Januar. Bruchenden 
stehen in guter Stellung; Ver¬ 
kürzung ausgeglichen. Spirale hat sich fast völlig eingerollt. 
Gute Callusraassen. Kniegelenkzug nach 3 Wochen abgenommen. 

7. Februar. R.B. ergab, daß die Spirale sich gut eingestellt 
batte. Beweglichkeit im Knie- und Fußgelenk regelrecht. Eine 
meßbare Atrophie ist nicht zu verzeichnen. 

Längsstrecke nach 6 Wochen abgenommen. 

14. Februar. Patientin steht auf. 

26. Februar. Gang frei und unbehindert. R.B. ergibt ideelle 
Stellung der Fragmente, sowohl von vorne, wie von der Seite. Keine 
Muskelatrophie. Beugen und Strecken unbehindert. 

Geheilt entlassen. 

Vogel, E., 6 Jahre alt. Vom 9. September 1910 bis 31. De¬ 
zember 1910. 

Oberarmbruch quer links, Spiralbruch des rechten Oberschenkels. 



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Das Kind ist von einem Balkon der IV. Etage auf die Straße 
gestürzt; sofortige Einlieferung ins Bürgerhospital vormittags 11 Uhr. 

Aufnahmebefund: Kind vollständig bewußtlos; starke Blässe 
der Haut und sichtbaren Schleimhäute; Hautabschürfungen an der 
Stirn zur Nasenwurzel hin; Pupillen mittelweit. Puls fliegend, kaum 
zu fühlen. 

Fraktur des linken Oberarmes ungefähr in der Mitte; daselbst 
Krepitation und abnorme Beweglichkeit; der Condylus internus humeri 
scheint gleichfalls abgesprengt. Starke Sugillation der Haut am 
Ellbogengelenk. 

Fraktur des rechten Oberschenkels ungefähr in der Mitte mit 
deutlicher Krepitation und abnormer Beweglichkeit. 

Therapie: Cramersche Schiene des rechten Oberarmes in 
Streckstellung; Volkmannsche Schiene am rechten Bein. Analeptica, 
Kochsalz, Heizkasten. 

R.B. vom 13. September. Oberschenkel gebrochen im untersten 
Drittel, proximales Bruchstück nach innen, distales Bruchstück nach 
außen abgewichen. Es liegt ein Spiralbruch vor, Länge der Spirale 

7 cm. Oberschenkelhals scheint frei zu sein. 

Bild von der Seite gesehen, zeigt ein Abweichen des proximalen 
Bruchstückes nach oben, des distalen nach unten. Die Verschiebung 
beträgt hier ebenfalls 7Vs—8 cm. 

Bild vom linken Oberarm zeigt Bruch des Oberarmes in der 
Mitte und Abweichen des distalen Fragments nach außen, des proxi¬ 
malen nach innen, Winkel nach innen schauend; starke Verschiebung 
ebenfalls bei der seitlichen Aufnahme, woselbst der Winkel etwas 
nach unten schaut. Starke Zersplitterung der Knochen. 

Therapie: Belastung deckenwärts. Am Oberschenkel Längs¬ 
strecke mit Achtertourenzügen um das Kniegelenk, welche sich auf 
der Innen- und Außenseite kreuzen, ohne der Kniescheibe aufzu¬ 
liegen. Längsstrecke 8 Pfd. Belastung, Züge um das Kniegelenk 

8 Pfd. Belastung. 

15. September. R.B.: Längsverschiebung bis auf 2 1 /* cm aus¬ 
geglichen. Abweichung des oberen Bruchstückes nach innen, des 
unteren nach außen 1 cm. 

Bild von der Seite aus gesehen zeigt ein Abweichen des 
distalen Fragments nach oben, es kreuzt mit seiner Spitze die 
untere Fläche des proximalen Fragments, so daß die untere 
Fläche des proximalen Fragments auf der oberen des distalen 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbrüche. 145 


liegt. Das Bein ist stark nach außen rotiert. Urin läßt das Kind 
noch unter sich. 

22. September. R.B. ergibt gute Stellung der Fragmente. Die 
Längsverschiebung ist fast völlig ausgeglichen. Die Bilder von der 
Seite zeigen ebenfalls einen Ausgleich der Längsverschiebung, jedoch 
weicht das proximale Fragment immer noch nach oben etwas ab. 

28. September. Die Strecke ist bisher gut vertragen worden. 
Ein Erkalten oder eine Gefühllosigkeit des Beines ist nicht beob¬ 
achtet worden. Im Kniegelenk kein Erguß, keine Klagen über die 
Verstärkung des Längszuges um 2 Pfd. 

Die Längsverschiebung erscheint auf dem R.B. ausgeglichen, 
besonders von der Seite her deutlich zu sehen, auch scheint sich 
das distale Fragment an der Bruchstelle um V* cm gehoben zu 
haben, so daß jetzt die obere Kante des distalen Fragments mit der 
Mitte der Höhe des proximalen Fragments abschneidet. 

Das Bild von vorne nach hinten zeigt immerhin noch eine 
Abweichung des proximalen nach innen, des distalen nach außen. 
Es wurde am 18. September ein Zug mit 4 Pfd. Belastung beider¬ 
seits angelegt, der am 29. September noch verstärkt wurde. 

R.B. des linken Oberarmes ergibt einen fast völligen Ausgleich 
der Längsverschiebung, jedoch ist die seitliche Verschiebung noch 
nicht völlig gehoben. 

Das Kind ist seit dem 15. September völlig bei Bewußtsein, 
gibt auf Fragen gute Antworten. Gute Reaktion auf seine Um¬ 
gebung. Behandlung wird weiter fortgesetzt. 

19. November. Strecke seit dem 1. November abgenommen. 
Beweglichkeit im Kniegelenk völlig regelrecht. Bruchstelle nicht 
druckempfindlich. Eine meßbare Verkürzung des Oberschenkels 
besteht nicht. Seit dem 11. November auf. Das gebrochene 
Bein wird noch leicht geschont. Oberarmbruch in idealer Stellung 
verheilt. 

3. Dezember. Am 27. November beim Spielen gefallen, wobei 
sie sich wieder einen Bruch an der alten Stelle zuzog. 

Anlegung einer Strecke mit Gruneschen Zügen. 

31. Dezember. Strecke wird gut vertragen. Knochenkittmassen 
haben sich schnell wieder gebildet. Keine Schmerzen; keine wesent¬ 
liche Druckempfindlichkeit mehr. 

Kind wird heute mit festverheiltem Knochenbruch ohne Ver¬ 
kürzung entlassen. Kniegelenk frei beweglich. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 10 


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Diedrichs, M., 12 Jahre. Vom 26. März 1910 bis 28. Mai 1910. 
Querfraktur des rechten Oberschenkels. Auf der Straße gefallen. 
Status: Oberschenkelbruch rechts in der Mitte. Verkürzung 
6 cm. Wackelbewegungen geringen Grades im Kniegelenk. 

R.B.: Querfraktur des Oberschenkels; Verstellung des proxi¬ 
malen Bruchstücks auf die Außenseite des peripheren. 

. Therapie: Sofortige Längsstrecke mit Gruneschen Zügen. 
Belastung: Längszug 8 Pfd., Grunescher Zug 6 Pfd. 


Fig. 17. Fig. 18. 



31. März. R.B. zeigt vollständigen Ausgleich der Längsver¬ 
schiebung; die Fragmente berühren sich in der halben Breite. 

15. April. Im R.B. noch leichte Winkelstellung, daher Quer¬ 
zug über die Bruchstelle nach außen. 

30. April. Im Kniegelenk leichte Wackelbewegungen mög¬ 
lich; Bruchstelle gut verheilt. 

20. Mai. Patientin steht auf. Keine Klagen. 

25. Mai. Die Bruchstelle zeigt eine gute Callusbildung und 
ist fest verheilt. Muskulatur kräftig: Gang regelrecht. Wackel¬ 
bewegungen fast vollständig verschwunden. Keine Verkürzung. 

Geheilt entlassen. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schuftbrüche. 147 


Kurtensiefen, A., 6 Jahre. Vom 24. Mai bis 23. Juli 1911. 
(Fig. 17-20.) 


Spiralbruch des rechten Oberschenkels. 

Angeblich III. Stockwerk tief heruntergefallen und den rechten 
Oberschenkel gebrochen. 

Befund: Rechter Oberschenkel stark geschwollen. Verkürzung 
annähernd 3 — 4 cm. Deutliches Knochenreiben, starke Beweglich¬ 
keit ungefähr in der Mitte. Fußspitze zeigt nach außen. 


Fig. 19. 


Fig. 20. 



R.B.: Spiralbruch des rechten Oberschenkels mit Dislokation 
des unteren Bruchendes nach oben und außen; im Röntgenbilde 
Längsverschiebung 4 cm. 

Therapie: Längsstrecke mit 10 Pfd. Belastung, Grunescher 
Zug mit 10 Pfd. Belastung. 

R.B. zeigt einen guten Ausgleich der Verschiebung. 

9. Juni. R.B. zeigt gute Callusbildung und vollständig ideale 
Stellung der Fragmente in anatomischem Sinne. 

20. Juni. Knochenbruch fest verheilt; keine Verkürzung. 

23. Juli. Strecke seit 14 Tagen ab; steht seit dem 15. Juli 
auf. Keine Schmerzen beim Umhergehen. Knie- und Fußgelenk 


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frei beweglich. Eine Verkürzung des Oberschenkels ist nicht vor¬ 
handen. Keine Atrophie. Bruchstücke stehen in idealer Stellung 

Geheilt entlassen. 

Miller, J., 3 Jahre. Vom 15. Dezember 1910 bis 5. Februar 1911. 

Spiralbruch des rechten Oberschenkels. 

Patient ist am 14. Dezember der Kasten einer Sprungfeder¬ 
matratze auf den rechten Oberschenkel gefallen. 

Befund: Im Bereich der Mitte des rechten Oberschenkels 
F raktur. 

R. B.: Spiralbruch in der Mitte des rechten Oberschenkels mit 
etwa 1 l j -2 cm Verschiebung und geringer Abweichung des proximalen 
Fragmentes nach außen, des distalen nach innen. 

Bild von der Seite zeigt keine wesentliche Abweichung. 

Therapie: Längsstrecke nach Bardenheuer mit Grune- 
schen Zügen. 

20. Dezember. R.B. zeigt, daß die Längsverschiebung eine 
geringe geworden ist. Das proximale Bruchstück scheint sich dem 
distalen anpassen zu wollen. 

5. Februar 1911. Bruch völlig verheilt. Keine Klagen. 

Geheilt entlassen. 

S. , N. 

Oberschenkelspiralbruch. 

Er fiel beim Turnen vom Reck, so daß er mit abduziertem 
Bein aufschlug. 

Befund: Spiralbruch des linken Oberschenkels mit Aus¬ 
sprengung einer Raute an der Vorderseite des Schaftes im oberen 
Teile des Femur. 

Therapie: Ruhelagerung mit auswärts rotiertem Oberschenkel 
und gebeugtem Knie. 

R.B. ergibt Spiralbruch mit langer Spirale, Aussprengung 
einer ziemlich großen Raute an der Vorderseite, erhebliche Ver¬ 
schiebung der Fragmente gegeneinander. Sofortiges Anlegen einer 
Längsstrecke mit Rückerschen Zügen am Fuß. Beide Züge werden 
belastet mit je 12 Pfd. 

5. November. Kontrolle mit Röntgenuntersuchung ergibt: Aus¬ 
gleich der Längsverschiebung der Fragmente, jedoch noch nicht voll¬ 
ständig. Die ausgesprengte Raute hat sich fast vollständig in die 
Spirallücke eingelegt. 


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Zur Kenntnis und Behandlung der .Oberschenkelhals- und -schaftbrüclie. 149 


Spätere Röntgenaufnahmen ergaben ideale Stellung. Patient 
wurde mit vollständiger Beweglichkeit entlassen. 

Biermann, M., 75 Jahre, Invalide. Vom (>. April 1910 bis 
9. November 1910. 

Oberschenkelbruch rechts. 

Vom Postwagen angefahren und hingefallen. 

Befund: Oberschenkelbruch in der Mitte. Starke abnorme 
Beweglichkeit und Verkürzung von über 4 cm.- 

R.B.: Fraktur femoris oberhalb der Mitte quer mit Verstellung 
des peripheren Fragmentes nach vorne. Starke Längsverschiebung, 
ca. 7 cm. 

Längsstrecke mit 15 Pfd. Rücker sehe Züge 12 Pfd. 

2n. April. R.B. zeigt Ausgleich der Längsverschiebung. 

22. April. R.B. : Dislokation von vorne nach hinten nicht vor¬ 
handen, seitlich steht das obere Bruchstück höher als das untere. 

27. April. Seit dem 25. April Schlitten mit Druckwirkung von 
oben auf das obere Bruchstück mittels 2 Seitenbändern, 6 Pfd. 

28. April. Dislokation in Seitenansicht geringer geworden. 

l.Juni. Keine Stellungsänderung vorhanden. Bruchstelle scheint 

fest verheilt zu sein. Nur noch Längsstrecke. 

13. Juni. R.B. zeigt nach Abnahme der Strecke ein Abweichen 
des oberen Bruchstückes nach außen. 

In Narkose Repositionsversuch; es zeigt sich, daß eine feste 
Verheilung der Bruchenden noch nicht eingetreten ist. Längsstrecke 
mit 20 Pfd. Belastung und Schlitten an der Bruchstelle mit durch¬ 
greifenden Zügen nach rechts, 16 Pfd. Der Fußrücken zeigt Blasen¬ 
bildung. Auf der Außenseite des rechten Oberschenkels hat sich in 
einer Länge von 20 cm die Haut gelöst an der Stelle, wo der alte 
Streckverband lag. 

6. Juli. Strecke wird gut vertragen. Bruch fest verheilt. 
Bewegungen im Kniegelenk noch behindert. R.B. zeigt keine 
Aenderung. 

12. Juli. Erneuerung der Strecke am 11. Juli, nachdem die 
alte sich vor einigen Tagen gelöst hatte. R.B. zeigen gute Kallus¬ 
produktion an der Bruchstelle. 

R.B. von vorn nach hinten zeigt das untere Fragment nach 
innen abgewichen mit Winkelstellung nach außen. Keine Längs¬ 
verschiebung. 


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150 Grüne. 

Seitenansicht zeigt das obere Bruchstück nach oben außen 
Längsverschiebung 1 cm. Kräftige Callusmassen. 

12. Juli. Anlegung eines Querzuges über die Bruchstelle nach 
innen. Täglich Bewegungsübungen im Kniegelenk. An der Bruch¬ 
stelle ist eine seitliche Beweglichkeit bei seitlichen Bewegungen 
möglich, bei senkrechten nicht mehr. 

16. August. Bruchstelle wird fester; keine Klagen. Bewegungs- 
Übungen im Kniegelenk. 

5. September. Bruchstelle nicht auffallend druckempfindlich. ] 
Die Muskulatur des gebrochenen Beines ist geschrumpft. Das rechte 1 
Bein 1 cm verkürzt. 

30. August. Bruch fast vollständig verheilt. Gute Callus- 
bildung. Verkürzung wird durch Beckensenkung ausgeglichen. Knie¬ 
gelenk geschwollen, geringe X-Stellung in demselben. Beugung 
bis zu einer Höhe von 20 0 möglich. Patient macht seit 20. Geh- j 
versuche im Gehstuhl. Er klagt noch über Schmerzen in dem leicht 
versteiften Fußgelenke. Leichtes Anschwellen des Unterschenkels, i 
Patient erhält seit 3 Wochen Fangopackungen. Sichtbare Zunahme 
der Beweglichkeit. 

9. November. Patient kann mittels eines Stockes gut gehen. 
Beugung im Kniegelenk bis 30 0 von der Unterlage bei aktiver 
Rückenlage. Im Kniegelenk deutliche Altersveränderungen. Um¬ 
risse unscharf. Umfang des rechten Beines 1 */* cm geringer als 
des linken. Keine Plattfußbildung. Patient fühlt sich wohl. Auf 
Wunsch entlassen. 

Webling, M., 65 Jahre. Vom 31. Dezember 1910 bis 
8. Juni 1911. 

Spiralbruch des linken Oberschenkels. 

Als Patientin eine Türe schnell zumachen und sich dabei nach 
rechts umdrehen wollte, fiel sie nach außen über. Der Fuß stand 
dabei fest auf dem Boden. Patientin verspürte einen heftigen 
Schmerz im Oberschenkel, brach zusammen und fiel auf die rechte 
Seite. > 

Befund: Rechtes Bein stark nach außen rotiert, verkürzt. 
Oberschenkelgegend stark geschwollen, druckempfindlich. Im mitt¬ 
leren Drittel deutliches Knochenreiben fühlbar; Gegend des Trochanters 
nicht druckempfindlich. 

R.B : Spiralbruch von etwa 15 cm Länge, oberes Bruchstück 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelbals- und •schaftbrücbe. 151 


nach außen und oben, unteres nach innen und hinten disloziert. 
Längsverscbiebung beträgt 3 cm, seitliche Abweichung etwa 3 bis 
4 cm. 

R.B. ron vorn nach hinten: Zeigt keine deutlich ahgrenzbare 
Dislokation, dagegen deutlichen Schrägbruch. Die beiden Spiralen 
scheinen sich hier übereinander im Scbattenbilde zu decken. 

Therapie: Längsstrecke 10 Pfd., einfache Oberschenkel¬ 
schlinge nach Grüne oberhalb des Kniegelenkes, 8 Pfd. Nach 
8 Tagen wird die Oberschenkelschlinge abgenommen und Rücker- 
Grunesche Züge am Unterschenkel angelegt. Die letzteren wurden 
deshalb angewandt, weil Patientin von vornherein einen starken Er¬ 
guß im Kniegelenk hatte. 

20. Januar. R.B. ergibt, daß die Längsverschiebung völlig 
ausgeglichen ist, jedoch das periphere Fragment mit seinem distalen 
Teile immer nach außen abweicht. Aus diesem Grunde wird ein 
Rotationszug dicht unter dem Kniegelenk nach der Innenseite an¬ 
gelegt; nach der Außenseite Zug mit 8 Pfd. Belastung am Ober¬ 
schenkel. 

8. März. Die Strecke hat sich gelockert; da die Haut der 
Patientin sehr empfindlich ist und zur Nekrose neigt, wird der Knie¬ 
gelenkzug noch beibehalten, der Rotationszug am Kniegelenk fällt 
jedoch weg. Ersterer ist vor 4 Wochen neuerdings angelegt worden. 
Da eine weitere Extension erwünscht ist, wird nur am Fußgelenk 
ein Rück er scher Zug ohne Längsstrecke angelegt. Die Kontroll- 
aufnahme vom 6. März ergibt eine gute Stellung der Fragmente, 
jedoch ist nur eine Aufnahme von vorn nach hinten vorhanden. 

10. März. Bruchstelle nicht mehr druckempfindlich. Rücker¬ 
scher Zug mit 10 Pfd. belastet. Auf der Röntgenplatte noch keine 
deutliche Callusbildung zu finden. 

Strecke seit dem 29. März ab. Kniebeugungswinkel 35 °, 
Hüfte 60°. Es werden Bewegungsübungen im Knie- und Fu߬ 
gelenk aktiv vorgenommen. 

R.B. ergibt eine ziemlich gute Stellung der Fragmente mit 
völligem Ausgleich der Längsverschiebung. Die Spirale erscheint 
15 cm lang. Bild von vorn nach hinten zeigt völligen Ausgleich 
der Längs Verschiebung. 

11. April. R.B. zeigt ideale Stellung der Fragmente, völligen 
Ausgleich der Längsverschiebung. Massage. Elektrisieren. Täglich 
Bewegungsübungen. 


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152 


Grüne. 


10. Mai. Patientin kann das Bein bis zur Senkrechten in 
Streckstellung erheben; stärkste Beugung im Kniegelenk bis zu 
einem Winkel von 45 °. Die Versteifung ergab sich aus der langen 
Ruhigstellung des Kniegelenkes. 

20. Mai. Beugung im Knie bis zu 80 0 möglich. 

8. Juni. Es besteht noch eine geringe ödematöse Schwellung. 
Beugung bis zu 90 0 ausführbar. Patientin kann im Gehstuhl ziem¬ 
lich gut gehen. Keine Verkürzung. Auf Wunsch entlassen. 


Fig. 21. Fig. 22. 



Huckele, M., 34 Jahre. Vom 10. August 1911 bis 11. Novem¬ 
ber 1911. (Fig. 21—24.) 

Querfraktur im linken Oberschenkel. 

Auf der Friesenstraße, als Patient neben seinem Fuhrwerk 
einherging, ging das Pferd durch, Patient wurde umgerissen, fiel 
und das Hinterrad des leeren Wagens ging über sein linkes Bein. 
Schmerzen im linken Bein; sofortige Einlieferung ins Bürger¬ 
hospital. 

Befund: Linker Oberschenkel im unteren Drittel stark ge¬ 
schwollen, deutliches Knochenreiben daselbst. Starke Druckempfind¬ 
lichkeit. Verkürzung 6 cm. Puls am linken Fuß deutlich fühlbar. 


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2ur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -Schaftbrüche. 153 

desgleichen ist das Gefühl nicht gestört. Am Knie sowie am Fuße 
geringe Hautabschürfungen. 

R.B. zeigt Querfraktur im unteren Drittel, und zwar mit Ver¬ 
stellung d es distalen Fragmentes nach außen. Längsverschiebung 
?on 9 cm aut der Platte. Es ist ein keilförmiges Stück aus dem 
proximalen Bruchstück ausgesprengt, das ziemlich quer und nach 
außen verlagert erscheint. 

Therapie: Längszug nach Bardenheuer, Schutzverband auf 


Fig. 23. Fig. 24. 



die Hautabschürfung. Belastung 20 Pfd. Rücker-Grunescher Zug um 
das Fußgelenk, 15 Pfd. Belastung, da das Kniegelenk hauptsäch¬ 
lich die Hautabschürfungen aufweist. 

16. August. Es hatte sich am Kniegelenk eine Blase gebildet, 
die etwa 3 cm lang und 2 cm breit war. Abtragung der Blase; 
neuer Schutzverband und Anlegung des Kniegelenkzuges mit 15 Pfd. 
Belastung und Weglassung des Rücker-Gruneschen Zuges am Fu߬ 
gelenk. 

24. August. Durchgreifender Zug seit 4 Tagen nach unten. 
Belastung von 10 Pfd. Seitenzug nach außen und innen. Knie¬ 
gelenkzug 15 Pfd., Längszug 30 Pfd. Patient liegt unruhig, macht 


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Grüne. 


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sich den Kniezug ab, weil er ihn schnürt, wodurch eine vollständige 
Verstellung der Fragmente erfolgt ist. 

25. August. Reposition der Fragmente und Beibehalten des 
Kniezuges. 

31. August. Patient ist ruhiger geworden. R.B. zeigen eine 
bessere Stellung der Fragmente. Seitliche Aufnahme zeigt fast 
ideale Stellung. Die Aufnahme von vorne nach hinten zeigt noch 
seitliche Abweichung der Fragmente, da die Querzüge nicht auf die 

Fig. 25. Fig. 26. 


R 


i 


entsprechenden Fragmentenden ein wirken. Richtigstellung der Quer¬ 
züge. Belastung am Kniegelenkszug 10 Pfd. 

14. September. Kontrollaufnahme zeigt gute Stellung (fast ideale! 
der Fragmente, sowohl von der Seite wie von vorne nach hinten. 
Die Blase ist vollständig abgeheilt. 

29. September. Bruchstücke sind gut miteinander durch Callus- 
massen verbunden, auch das abgesprengte Dreieck ist gut eingeheilt. 
Kniegelenkzug wird weggelassen. Bruchstelle durch die Muskulatur 
gut tastbar. Patient beugt sein Kniegelenk bis zum Winkel von OO 0 . 
Längsstrecke 20 Pfd. 

12. Oktober. Strecke, die allmählich auf 10 Pfd. erleichtert 


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Zur Kenntnis und Behandlung der Oberschenkelhals- und -schaftbriiche. 155 

wurde, abgenommen. Bruch fast verheilt. Bewegungsübungen im 
Bett. Bettruhe noch beibehalten. Massage der Muskulatur. Faradi- 
siereu des Beines. 

6. November. Aufstehen. Patient ist nach einigen Gehver¬ 
suchen bereits am 6. November in der Lage, gut ohne Stock im 
Krankensaal zu gehen. 

11. November. Patient geht ohne Hilfsmittel frei umher. R.B. 
haben ein sozusagen ideales Resultat ergeben. Patient kann sein 


Fig. 27. Fig. 28. 



linkes Knie regelrecht strecken und beugen. Keine Wackelbewe¬ 
gungen. Bruchstelle auch nach längerem Aufsein nicht empfindlich. 
Leichtes Anschwellen des linken Unterschenkels abends. 

Kontrollaufnahme Januar 1912. Patient geht seiner Arbeit 
nach. 40 Proz. Rente für 3 Monate, keine Aenderung. 

Schmitz, B., 20 Jahre, Schlosser. Vom 20. Juli 1911 bis 
18. Oktober 1911. (Fig. 25—28.) 

Querfraktur des rechten Oberschenkels. 

Angeblich ist ihm auf der Arbeitsstelle eine Drehscheibe gegen 
den rechten Oberschenkel geschlagen. 

Befund: In der Mitte des rechten Oberschenkels ist die Haut 


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156 Grüne. 

an der Außenseite abgeschürft, die ganze mittlere Oberschenkelpartie 
ist blutig suffuudiert und geschwollen, der Oberschenkel stark ver¬ 
kürzt; abnorme Beweglichkeit in der Mitte. 

R.B. zeigt Fraktur in der Mitte des Oberschenkels mit starker 
Dislokation ad axin, ad longitudinem et ad latus. 

Therapie: Längsstrecke nach Barden heu er mit Grune- 
schen Zügen. Belastung Längszug 20 Pfd., Kniegelenkzug 15 Pfd. 

Kontrollbild ergibt ideale Stellung der Fragmente. 

24. August. Aktive Bewegungsübungen. 

0. September. Nach 7 Wochen Strecke ab. R.B. ergaben so¬ 
wohl von der Seite wie von vorne nach hinten völlig ideale Stellung 
der Fragmente. Bewegungen in allen Gelenken regelrecht. 

25. September. Erste Aut'stehversuche; keine Schmerzen an 
der Bruchstelle. 

4. Oktober. Ständiges Wohlbefinden. Patient geht ohne Stock 
im Krankenhaus umher. Massage, Elektrisieren mit faradischein 
Strom nach Abnahme der Strecke. 

18. Oktober. Rechter Oberschenkel 2,5 cm schwächer als der 
linke. Bruchstelle so gut verheilt, daß man sie nicht tasten kann. 
Keine Verkürzung. Plattfüße beiderseits. Zur Ambulanz entlassen. 
Arbeitet zurzeit. 

Hagen, A., 52 Jahre, Bauarbeiter. Vom 26. Mai 1911 bis 
6. Oktober 1911. — Oberschenkelbruch link9 (Querbruch). 

Patient zog am 26. Mai einen Handwagen hinter sich her. 
wobei er mit einem Brikettfuhrwerk zusammenstieß. Patient wurde 
zur Erde geschleudert, als sein Wagen gefaßt wurde, und geriet mit 
dem linken Oberschenkel in die Speichen des Hinterrades des Brikett¬ 
fuhrwerks, wobei er einen Oberschenkelbruch erlitt. In die Hinter¬ 
räder geriet er aus dem Grunde, weil sein Handwagen bei dem Zu¬ 
sammenstöße um ca. 180° herumgeworfen wurde. 

Befund: Linker Oberschenkel in der Mitte stark geschwollen 
und druckempfindlich, Verkürzung 4 1 /» cm. Abnorme Beweglichkeit 
und Krepitation an der Bruchstelle. Empfindungsvermögen am Fuße 
regelrecht, desgleichen die Zirkulation. 

R.B. (von hinten): Seitliche Verschiebung des oberen Bruch¬ 
stücks nach außen, des distalen nach innen, anscheinend Querfraktur 
mit Zacke. Bild von der Seite entsprechender Befund: Oberes 
Fragment weicht nach oben ab. 


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Z ir Kenntnis und Behandlung der Obersehenkelhals- und -schaftbrüche. 157 


Therapie: Anlegung einer Läng.sstrecke nach Barden¬ 
heuer mit netzartig umfassenden Oberschenkelstreifen; Kniegelenk¬ 
zug. Belastung Kniegelenkzug 10 Pfd., Längszug 10 Pfd. Man 
fühlt deutlich das Klopfen der Dorsalis pedis. 

28. Mai. Keine Klagen über den Kniegelenkzug. Wohlbefinden. 

1. Juni. Kontrollaufnahnie ergab ein Herabsteigen der Frag¬ 
mente, jedoch ergibt die letzte Aufnahme von heute, daß das peri¬ 
phere Fragment nach oben und das proximale nach unten noch ab¬ 
weicht. Längsverschiebung ist ausgeglichen, jedoch ist noch eine 
Distraktion notwendig, um die Fragmente aneinander vorbeizuführen, 
daher Belastung des Längszuges mit 30 Pfd., Kniegelenkzuges 
15 Pfd. 

14. Juni. R.B. haben ergeben, daß ein Ausgleich der Dis¬ 
lokation eingetreten ist. Bild von vorn nach hinten zeigt gute 
Stellung; Adaption der Fragmente vorhanden. 

17. Juni. R.B.: Längsverschiebung ausgeglichen. Bild von 
vorn nach hinten zeigt leichte Distraktion der Fragmente und fast 
ideale Einstellung. Langsames Zurückgehen mit Gewichten: Längs¬ 
zug 20 Pfd., Kniegelenkzug 16 Pfd. 

14. Juli. Bild vom 11. Juli ergibt gute seitliche Stellung der 
Fragmente; leichter Kontakt der Fragmente; gute Callusbildung. 
Bewegungsübungen werden täglich vorgenommen. Patient ist in 
der Lage, das linke Bein im Kniegelenk aktiv zu beugen und zu 
strecken. Strecke ab. 

23. August. Täglich Bewegungsübungen. Beugen und Strecken 
im Kniegelenk gut möglich bis zu einem rechten Winkel. 

1. September. Steht seit dem 30. August auf. Gehübungen. 

6. Oktober. Linkes Bein 1 cm länger als das rechte. Platt¬ 
füße beiderseits, links etwas stärker. Bruchstelle gut verheilt. 
Kein Wackelknie. Beugung des linken Kniegelenks fast völlig 
regelrecht. Gang infolge der Verlängerung leicht humpelnd. Mit 
passenden Schuhen und rechter erhöhter Sohle Gang regelrecht. 
Muskulatur des linken Beines etwas schwächer als rechts. Um¬ 
fangsunterschiede ergaben sich aus folgenden Maßen: 

Wade.rechts = 33,5 cm, links = 35.5 cm, 

Oberschenkel, Mitte „ = 47 „ „ = 48,5 , (Bruchstelle). 

Beim Gehen keine Schmerzen an der Bruchstelle. Auf Antrag 
der Berufsgenossenschaft entlassen. 


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Aus dem k. k. Universitätsambulatorium für orthopädische Chirurgie 
in Wien (Vorstand: Prof. Dr. A. Lorenz). 

Zur Therapie des kongenitalen Femurdefektes. 

Von 

Dr. Alfred Saxl, 

Assistent des Ambulatoriums. 

Mit 2 Abbildungen. 

Der kongenitale Femurdefekt ist ein Bildungsfehler, der seinen 
unglücklichen Besitzer fast nur zu einem Gegenstand klinischen 
Interesses, zu einem Demonstrationsobjekt qualifiziert, während die 
therapeutischen Erfolge bei diesen Krüppeln bis jetzt recht mangel¬ 
hafte sind. Im großen und ganzen verordnet man bei Femurdefekten 
Prothesen, welche die Aufgabe haben, die Verkürzung auszugleichen 
und so dem Patienten das Gehen zu ermöglichen. Dabei gilt es 
allgemein als Hauptaufgabe, »die schlummernde Wachstumsenergie 
zu wecken und anzuregen. Dieser Aufgabe entspricht aber nichts so 
sehr, als eine fleißige Benützung des verkümmerten Beines“ (Langel. 
Aus diesem Grunde soll jegliche Entlastung der Extremität ver¬ 
hindert, es soll die Extremität nicht wie ein Amputationsstumpf be¬ 
handelt werden, dem man mittels eines kunstvollen Stützapparates 
die Körperlast abnimmt. 

Zum Ausgleich der Verkürzung empfiehlt Drehm ann die von 
Mikulicz angegebene Prothese, welche sich die Ausbildung des 
funktionellen Spitzfußes zunutze macht und dadurch eine bequeme 
und kosmetisch gute Form ermöglicht. Die Prothese besteht aus 
einer Lederhülse, welche den Unterschenkel und den in extremer 
Spitzfußstellung befindlichen Fuß umfaßt. An dieser Hülse ist ein 
einfacher künstlicher Fuß angebracht. Die Hülse liegt den Kon- 


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Zar Therapie des kongenitalen Femurdefektes. 


159 


touren des Fußgelenkes gut an, es ist deshalb eine weitere Befesti¬ 
gung durch einen Beckengürtel od. dgl. unnötig. 

Joachimsthal verwendet bei hochgradiger Verkürzung eine 
Prothese mit künstlichem Unterschenkel; derartig konstruierte Appa¬ 
rate leisteten auch uns gute Dienste. 

Bei der soeben besprochenen Behandlungsmethode, die sich 
den Ausgleich der Verkürzung bei Belastung des ver¬ 
kürzten Beines zur Aufgabe stellt, vermissen wir jedoch die Berück¬ 
sichtigung der Kontrakturen, die ein Bein mit angeborenem Femur¬ 
defekt stets besitzt. Es bestehen vor allem Kontrakturen im Hüft- und 
Kniegelenke, als deren Typus eine Beu'geabduktionskontraktur 
in der Hüfte und eine Beugekontraktur des Knies auf¬ 
zustellen ist; statt der Kniekontraktur besteht bei Fehlen des Knie¬ 
gelenkspaltes eine Winkelstellung des Femurrudimentes zur Tibia. 
— Dieser Typus der Kontraktur wird verständlich, wenn man gemäß 
den Ausführungen Re in er s die Entstehung der Deformität in eine 
sehr frühe embryonale Periode verlegt, wo der Oberschenkel zum 
Becken noch abduziert und gebeugt steht und das Kniegelenk gleich¬ 
falls noch flektiert ist. — 

Wenn sonst bei allen andersartigen Kontrakturen der unteren 
Extremität die größte Sorgfalt auf die Beseitigung der Verkrüm¬ 
mungen verwendet wird, so sehen wir gerade beim angeborenen 
Femurdefekt diese Aufgabe der Therapie vernachlässigt. 

So berücksichtigt die von Drehmann beschriebene Prothese 
die Hüft- und Kniekontraktur überhaupt nicht, da sie bloß den 
Unterschenkel und Fuß einschließt; Drehmann hebt selbst hervor, 
daß bei der gut anpassenden Prothese eine weitere Befestigung durch 
einen Beckengürtel od. dgl. unnötig sei. Auch Pürckhauer, der 
über 2 Fälle von kongenitalem Femurdefekt berichtet, behandelte 
bloß bei einem die Hüft- und Kniekontraktur, beim anderen wurde 
kein Versuch unternommen, die Verkrümmung der Hüfte und des 
Knies zu beheben, da gerade die Kürze des Oberschenkels und seine 
Beugestellung in der Hüfte als ein ausgezeichneter Stützpunkt 
für eine entsprechende Prothese eingeschätzt wurde. Nach Blencke 
soll der Stützapparat nur die bestehende Verkürzung ausgleichen. 

Und doch will es uns scheinen, daß gerade bei einer so hoch¬ 
gradigen Verkürzung, wie sie der angeborene Femurdefekt mit sich 
bringt, jede Maßnahme als willkommenes Mittel zu begrüßen ist, die 
zur reellen Verlängerung des Beines beitragen kann; je mehr 


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Saxl. 


wir dieser Aufgabe gerecht werden, desto kürzer kann die Prothese 
sein, eventuell sogar erspart und durch einen hohen Schuh ersetzt 
werden. 

Von operativen Maßnahmen bei kongenitalem Femurdefekt emp¬ 
fiehlt Dreh mann bei Adduktionsstellung des Femur, bei hocb- 

Fig. 1. 


Fig. 2. 




gradiger Coxa vara die Osteotomie, um hernach durch entsprechende 
Abduktionsstellung des Femur eine Verlängerung der Extremität zu 
erzielen. 

Für die gewöhnlich vorkommende Verkrümmung der unteren 
Extremität bei kongenitalem Femurdefekt, wobei, wie gesagt, das 
Hüftgelenk in Beugeabduktionsstellung, das Kniegelenk in Beuge- 


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Zur Therapie des kongenitalen Femurdefektes. 


161 


Stellung fixiert ist, empfehlen wir die volle Streckung des Beines 
im Hüft- und Kniegelenk. Wir durchtrennen zu diesem Zweck an 
der Hüfte vor Vornahme des modellierenden Redressements die sub¬ 
spinalen Weichteile und verfahren in ähnlicher Weise mit dem Knie¬ 
gelenke, wo im Bedarfsfälle die Kniestreckung durch die vorher¬ 
gehende Tenotomie der verkürzten Kniebeuger erleichtert wird. Die 
schon vorhandene Abduktionsstellung des Beines wird hierbei in 
jenem Maße ausgenützt, als es für die Gehfunktion verwendbar 
scheint. Das Korrektionsresultat wird durch einen Gipsverband 
fixiert, der mehrere Wochen liegen bleibt. — Im abgebildeten Falle 
wurde eine Verlängerung des verkürzten Beines um die halbe Unter¬ 
schenkellänge erzielt. — Nach Abnahme des Verbandes erhält das 
Kind zur weiteren Erhaltung der Streckstellung einen fixen von der 
Hüfte bis zum Fuß reichenden Schienenhülsenapparat, dessen Sandale 
in entsprechender Spitzfußstellung angebracht ist. Ueber die Sandale 
kommt ein Schuh mit erhöhter Sohle, oder — wenn notwendig — 
wird dem Apparat eine kurze Prothese hinzugefügt. 

Durch ein derartiges Vorgehen, das die möglichste Ver¬ 
längerung der Extremität bei kontinuierlicher Be¬ 
lastung derselben bezweckt, dürfte man noch am ehesten jene 
enormen Verkürzungen und die dadurch bedingten langen Prothesen 
vermeiden, welche man bei Patienten mit kongenitalem Femurdefekt 
in späteren Jahren antrifft, die vom Anfang an bloß mit Prothesen 
behandelt wurden. Wir haben in einem solchen Falle eine exzessive 
Kontraktur des Hüft- und Kniegelenkes beobachtet. 

Eine therapeutische Auffassung, wie sie eben besprochen 
wurde, scheint sich auch anderwärts Geltung zu verschaffen. So 
wurde, wie erwähnt, in dem einen Fall Pürkhauers die Kor¬ 
rektur der Hüft- und Kniebeugekontraktur vorgenommen. Bei mäßiger 
Abduktionsstellung des Beines ließ sich die frühere handbreite Ver¬ 
kürzung bis auf 2—3 cm ausgleichen. Aehnlich verfuhren H. A. Laan 
und M. Alegiani, der nach Tenotomie der Kniebeuger und Myo¬ 
tomien aller Muskeln, welche den Oberschenkelstumpf gegen das 
Becken gebeugt hielten, eine Verlängerung von 6 cm erzielte. Spitzy 
korrigierte nach einer Mitteilung Spisic’ bei fehlendem Kniegelenke 
die Winkelstellung zwischen Ober- und Unterschenkel durch eine 
Keilexzision. Wir würden in einem solchen Falle als schonend eres 
Verfahren die parartikuläre einfache oder doppelte Osteotomie vor¬ 
ziehen. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 11 


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162 


Saxl. Zur Therapie des kongenitalen Femurdefektes. 


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Literatur. 

U. Alegiani, Cougenito difetto del femore. Policlinica, Sez. chir. 1906, Nr. 9. 

(Ref. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1907, Bd. 18.) 

Blencke, Ueber kongenitalen Feraurdefekt. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1901, 

Bd. 9. 1 

Drehmann, Ueber kongenitalen Femurdefekt. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1903, j 
Bd. 11. 1 

Joachimsthal, Weitere Mitteilungen über angeborene Oberschenkeldefekte. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. 

H. A. Laan, Angeborener Defekt von Femur und Fibula. Nederl. Tijdscbrift 
voor Geneesk. 21. Mai 1910. (Ref. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1910, Bd. 27.) 
Pürckhauer, Ueber kongenitalen Femurdefekt. Zeitschr. f. orthop. Chir. 
1909, Bd. 2C. 

M. Reiner, Ueber den kongenitalen Femurdefekt. Zeitschr. f. orthop. Chir. 
1901, Bd. 9. 

B. Spisic, Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis des kongenitalen Femurdefektes. 
Zeitschr. f. orthop. Chir. 1907, Bd. 18. 


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XI. 


Aus der Kgl. Universitätspoliklinik für orthopädische Chirurgie zu 
Berlin (Direktor: Prof. Dr. G. Joachimsthal). 

Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans 
coxae juvenilis, zugleich ein Beitrag zu den Spät¬ 
folgen nach unblutig reponierter Hüftluxation 1 ). 

Von 

Dr. Engen Bibergeil, 

Assistent der Poliklinik. 

Mit 26 Abbildungen. 

Die Literatur der letzten Zeit über die juvenile Arthritis defor¬ 
mans hat den Beweis dafür erbracht, daß diese Affektion, wenn 
man auf sie achtet, durchaus nicht so selten vorkomrat, als es nach 
den früheren Veröffentlichungen den Anschein hatte. Sah doch 
Perthes innerhalb eines Jahres nicht weniger als 6 Fälle dieser 
Art, während Levy in der Breslauer Klinik in 2 Jahren allein 
7 Fälle diagnostizieren konnte. Wenn ich nach der Mitteilung 
eines Falles von doppelseitiger Osteoarthritis deformans coxae ju¬ 
venilis in dieser Zeitschrift, Bd. 25, nochmals auf dieses Krankheits¬ 
bild zurückkomme, so geschieht dies zum Teil aus dem Grunde, weil 
wir an unserer Poliklinik demselben unsere besondere Aufmerksam¬ 
keit zugewandt haben und in der Lage sind, über eine ganze An¬ 
zahl diesbezüglicher Fälle zu berichten, zum Teil deshalb, weil wir 
diese Affektion als wichtigen Folgezustand nach jahrelang zurück¬ 
liegender erfolgreicher Hüftgelenksreposition kennen und fürchten 
gelernt haben. 

‘,1 Auszugsweise vorgetragen in der Gesellschaft der Chariteärzte am 
12. Januar 1912. 


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Bibergeil. 


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Wenn wir zunächst unser Material hinsichtlich der patho¬ 
logischen Veränderungen am Röntgenbilde betrachten — es handelt 
sich einschließlich des früher veröffentlichten Falles um fünf Patien¬ 
ten —, so können wir zwei Gruppen voneinander trennen, solche 
mit ausgesprochener Hypertrophie des Kopfes, Verdickung und 
Verbreiterung des Schenkelhalses, und solche mit den überwiegenden 
Zeichen der Atrophie. Wenn ich an dieser Stelle eine derartige 
Trennung unserer Fälle vornehme, so will ich mich damit durchaus 
nicht denen anschließen, die eine strikte Scheidung der hyper¬ 
trophischen von der atrophischen Form der Arthritis deformans 
befürworten. Es liegt ja bekanntlich im Wesen der deformierenden 
Arthritis, daß fast stets Wucherungsprozesse mit Einschmelzungs- 
vorgängen vergesellschaftet Vorkommen. Gleichwohl kann man je 
nach dem Ueberwiegen des einen oder anderen pathologischen Vor¬ 
gangs zu einer bestimmten Gruppierung von Krankheitsfällen der 
bezeichneten Art gelangen. Pr eis er hat neuerdings vorgeschlagen, 
nach der Form des Femurkopfes eine Einteilung der Arthritis 
deformans coxae in ätiologischer Hinsicht zu treffen. Diese Ein¬ 
teilung ist nur unter Berücksichtigung der von ihm festgestellten 
primären Pfannenanomalien bei Arthritis deformans zu verstehen. 
Nun weisen aber die Oberschenkelköpfe bei der juvenilen Arthritis 
deformans, wie die Fälle anderer Autoren ebenso wie die meinigen 
zeigen, so differente Gestaltungen auf, daß es nicht möglich er¬ 
scheint, sie in eine der von Preisen angegebenen Formen ein- 
zureihen. 

Zu der Gruppe hypertrophischen Charakters gehören 3 Fälle 
unserer Beobachtungen, von denen der erste eine besonders eigen¬ 
artige Form des Kopfes aufweist. 


1. Marie M., 28 Jahre. Aufgenommen 18. Mai 1910. 

\ orgeschichte: Vater verwachsen. Patientin will als kleines 
Kind zeitweise Schmerzen in der linken Hüfte gehabt haben, deren 
Ursache sie nicht anzugeben w'eiß. Vor l 1 /* Jahren ist nun eine 
\ erschlimmeiung eingetreten, als deren Veranlassung Patientin zu 
angesti engtes Ai beiten in der Wirtschaft angibt. Eine Verletzung 
soll die Kranke nie betroffen haben. 


Als Kind will Patientin nicht gehinkt haben. Sie konnte an¬ 
geblich springen und laufen wie die anderen Kinder. 

Befund: Patientin hinkt auf dem linken Bein etwas. Bei 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 165 


Kuhelage steht das linke Bein in Mittelstellung zwischen Außen- 
und Innenrotation. Bei Bewegungen im Hüftgelenk erweisen sich 
die Abduktion als stark behindert, die Außen- und Innenrotation 
als mäßig beschränkt. Flexion 
und Adduktion sind frei. Tren- 
delenburgsches Phänomen ist 
links angedeutet. Das linke 
Bein weist gegenüber dem rech¬ 
ten eine Verkürzung um 1 1 /s cm 
auf, um welchen Betrag der 
Trochanter major linkerseits die 
Koser-Nelaton sehe Linie 
überragt. Die rechte Hüfte er¬ 
scheint ohne Veränderungen. 

Röntgenbilder (Fig. 1 a 
und 1 b): Rechtes Hüftgelenk 
ohne Veränderungen. 

Linkes Hüftgelenk: Ge- 
lenkspalt verstrichen; am oberen Pfannenrand Osteophyt. Kopf¬ 
epiphyse hat Pilzhutform angenommen und erscheint stark hyper¬ 
trophisch. Schenkelhalswinkel verkleinert. Kopf steht in ausgesproche¬ 
ner Varität. Der gesamte 
Schenkelhals erscheint we¬ 
sentlich verkürzt. Trochan¬ 
ter major nach medialwärts 
hakenförmig umgebogen, 
stark hypertrophisch. 

Leider war es mir nicht 
möglich, die Patientin zu 
einer Nachuntersuchung zu 
bekommen, so daß ich über 
den weiteren Verlauf des 
Leidens bei ihr nichts aus- 
sagen kann. Dies gelang mir 
in 2 weiteren Fällen, die 
ich gleichfalls der Gruppe 
hypertrophischen Charakters anreihen möchte, obgleich bei ihnen mehr 
ein anderes Symptom auffällt, nämlich eine ausgesprochene Varität des 
Kopfes, die man mit Levy als Coxa vara capitalis bezeichnen kann. 




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16G 


Bibergeil. 


2. Elisabeth H., 15 Jahre. Aufgenommen am 7. März 1911. 

Vorgeschichte: Früher stets gesund gewesen. Als Kind 
Masern und Scharlach. Seit etwa 3 Jahren Schmerzen in der rechten 
Hüfte, zu denen sich kurze Zeit später Hinken gesellte. Patientin 
führt ihre Erkrankung auf einen Unfall zurück, der darin bestand, 
daß sie mit dem rechten Bein beim Schwimmen in ein Gitter geriet. 

Befund: Rechtes Bein steht bei Ruhelage in leichter Ad¬ 
duktion. Die Länge der Beine differiert um 2 cm zuungunsten 
der kranken rechten Seite. Trochanter steht rechterseits über der 
Roser-Nelatonschen Linie. Bei gestrecktem Knie ist die Flexion 


Fig. 2a. Fig. 2b. 



im Hüftgelenk frei, die Abduktion wesentlich eingeschränkt: die 
übrigen Bewegungen im Hüftgelenk sind frei. Die Bewegungen 
bei gebeugter Kniehaltung sind bis auf die Abduktion frei. 
Letztere ist vollkommen unmöglich. Tr en d el enburgsches Phä¬ 
nomen rechts angedeutet. Zeichen alter Rachitis. Genua valga, 
Plattfüße. 

Röntgenbilder (Fig. 2a und 2b): Linkes Hüftgelenk frei. 

Rechtes Hüftgelenk: Hüftpfanne erscheint ohne Veränderungen. 
Kopfepiphyse erscheint hypertrophisch, zeigt eine ausgesprochene 
Varität. Schenkelhals verkürzt, verbreitert. Abstand des Trochanter 
major vom oberen Pfannenrand verkleinert. 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. J(37 


Nachuntersuchung am 26. Oktober 1911: 

Keinerlei Veränderungen gegenüber dem Befunde vom 
7. März 1911; subjektiv Besserung. 

3. Johanna W., 16 Jahre. Aufgenommen 6. April 1910. 
Vorgeschichte: Bis zum 14. Lebensjahre ganz gesund ge¬ 
wesen. Allmählich Schmerzen im linken Knie beim Liegen und 
Gehen. Patientin gibt an, ihre Beschwerden besonders beim Auf- 


Fig. 3. 



stehen nach längerem Sitzen zu spüren. Im Alter von 14 Jahren 
ist Patientin in der Schule auf das linke Knie gefallen. Ob die 
Schmerzen, die sich später im linken Knie einstellten, mit dem 
übrigens leichten Fall zusammenhingen, vermag Patientin nicht 
anzugeben. Wegen der Knieschmerzen suchte Patientin die Poli¬ 
klinik auf. 

Befund: Rechtes Bein ohne nachweisbare Veränderungen. 

Linkes Bein in leicht adduzierter Stellung, nicht verkürzt. 
Trochanter major steht 2 cm oberhalb der Roser-Nelatonschen 
Linie. Sämtliche Bewegungen bis auf die Abduktion bei gebeugtem 


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168 


Bibergeil. 


Kniegelenk frei. Die Abduktionsmüglickkeit ist aber nicht vollkommen 
aufgehoben, sondern sie gelingt bis zur Hälfte des Normalen. Gang 
ist leicht hinkend. Trendelenburgsches Phänomen ist negativ. 

Röntgenbilder (Fig. 3): Rechtes Hüftgelenk normal. 

Linkes Hüftgelenk: Hüftpfanne ohne Veränderungen. Kopf¬ 
epiphyse erscheint unwesentlich vergrößert, zeigt eine ausgesprochene 
Varität. Schenkelhals verkleinert, gegenüber der rechten Seite ver¬ 
breitert. Trochanter major etwas vergrößert. Abstand des Tro¬ 
chanter major vom oberen Pfannenrand verkleinert. 


Fig. 4 a. 



Nachuntersuchung am 31. Oktober 1911: 

Patientin ist lange Zeit mit Gehgips verbänden, Heißluft und 
Massage behandelt worden und hat innerlich Jodkali genommen. 
Sie ist vollkommen frei von Beschwerden. Nur bei Ueberanstrengungen 
klagt sie noch etwas. 

Objektiv sind bis auf den Trochanterhochstand keinerlei ^ er* 
änderungen nachweisbar. Abduktionsmöglichkeit absolut frei. 

Röntgenbild ergibt denselben Befund wie am 0. April 1910. 

Beide Fälle haben bei wiederholter Nachuntersuchung in ver¬ 
schiedenen Intervallen bei gleichbleibenden Röntgenbefunden all¬ 
mählich eine entschiedene Besserung der klinischen Symptome sowie 
des subjektiven Befindens erkennen lassen. 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 1(39 

Indem ich nunmehr zur zweiten Gruppe übergehe, wende ich 
mich zunächst einem besonders interessanten Fall zu, der in relativ 
kurzer Zeit eine wesentliche Zunahme der Veränderungen auf dem 
Röntgenbilde erkennen läßt, und auch bezüglich des klinischen Be¬ 
fundes und des subjektiven Allgemeinbefindens eine Verschlimmerung 
aufweist. 

4. Gustav N., 15 Jahre. Aufgenommen Dezember 1910. 

Vorgeschichte: Angeblich stets gesund gewesen. Kein 
Trauma. Patient gibt an, daß er drei Winter hintereinander seinen 


Fig. 4b. 



Schulweg durch fußhohen Schnee habe zurücklegen müssen, und 
führt sein Leiden auf Erkältung zurück. Vor 4—5 Monaten Be¬ 
ginn der jetzigen Erkrankung mit Schmerzen in der rechten Hüfte, 
die angeblich durch einen Heftpflasterverband behoben wurden. 
Seit etwa 5 Wochen hat der Patient Schmerzen in der linken Hüfte. 
Der gleichfalls angelegte Heftpflasterverband hatte keine Wirkung. 
Der Patient sucht deshalb die Poliklinik auf. 

Befund: Gang des Patienten hinkend; das linke Hüftgelenk 
wird beim Gehen steif gehalten. Das Becken pendelt beim Gehen 
nach links. Der Gang ist ähnlich demjenigen bei einer Hüftver¬ 
renkung. Länge der Beine beiderseits 74 cm. 

Rechtes Hüftgelenk: Adduktion in Streckstellung frei, Ab- 



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Bibergeil. 


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duktion in geringem Grade beschränkt. Drehbewegungen nach innen 
frei, nach außen leicht eingeschränkt, Flexion bei gebeugtem Knie 
frei, Abduktion wesentlich beschränkt, Adduktion frei, Rotations¬ 
bewegungen frei. 

Linkes Hüftgelenk: Adduktion in Strecksteilung frei, Abduk¬ 
tion nicht möglich (Beckenseite geht mit). Drehbewegungen nicht 
möglich; Flexion frei, aber bei extremem Versuch schmerzhaft. 
Flexion bei gebeugtem Knie frei, Abduktion vollkommen aufgehoben. 
Adduktionsbewegungen außerordentlich schmerzhaft und kaum mög¬ 
lich. Bei Rotationsbewegungen wird das Becken fixiert. 


Fig. 5 a. 



Oberschenkelmuskulatur links etwas atrophisch. 

Zeichen alter Rachitis (Genua valga, Plattfüße, Verdickung 
der Rippenknorpel). 

Trendelenburg schwach positiv. Linkes Bein in Ruhelage 
in leichter Adduktionsstellung. 

Röntgenbilder (Fig. 4a und 4b): Am rechten Hüftgelenk 
erscheinen die Konturen der Pfanne leicht unregelmäßig, wie aus¬ 
gezackt. Der Gelenkspalt zwischen Pfannenboden und Epiphyse 
erscheint verbreitert. Die Epiphyse weist gleichfalls Unregelmäßig¬ 
keiten auf: sie erscheint wie ausgefranzt. Ihre Höhe scheint nicht 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 171 

wesentlich abgenommen zu haben. Der Schenkelhals zeigt den 
normalen Winkel. Der Trochanter major ist auffallend massig und 
bischofsmützenartig medialwärts umgebogen. Dadurch erscheint der 
Abstand zwischen oberem Pfannenrandwinkel und Trochanterspitze 
verringert. Dagegen erreicht der Trochanter nicht die Höhe der 
Kopfepiphyse. 

Am linken Hüftgelenk zeigt der Pfannenboden stärkere Auf¬ 
lagerungen. Am oberen Pfannenrandwinkel sind Osteophyten sicht¬ 
bar. Auch hier erscheint der Gelenkspalt stark verbreitert. Die 
Kopfepiphyse ist zum Teil geschwunden, ihr Rest erscheint ab- 


Fig. 5 b. 






geplattet. Der Epiphysenrest weist kleine Herde subchondralen 
Knochenschwundes auf. Der Schenkelhals zeigt den normalen 
Winkel. Der Trochanter major ist auch hier auffallend massig 
und gleichfalls medialwärts umgekrümmt, so daß dadurch die Ent¬ 
fernung zwischen oberem Pfannenrandwinkel und Trochanterspitze 
verringert erscheint. Die Spitze des Trochanter major erreicht hier 
die Höhe der Kopfepiphyse. An der Epiphysenlinie des Trochanter 
major scheinen Wucherungsprozesse Platz gegriffen zu haben. 

Nachuntersuchung Ende Oktober 1911 (also 3 /± Jahre 
später). 


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172 


Bibergeil. 


Unter niediko-mechanischer Behandlung und Heißluftbädern 
ist nur eine vorübergehende Besserung eingetreten. In letzter 
Zeit sind starke Schmerzen in der linken Hüfte vorhanden, auch 
hinkt Patient stärker. 

Befund: Starkes Hinken linkerseits. Linkes Bein in der Ruhe¬ 
lage stark adduziert. Abduktion hei gebeugtem Knie ganz unmöglich. 
Rotationsbewegungen eingeschränkt. Flexion frei. Rechterseits ge¬ 
ringe Beschränkung der Abduktion aus gebeugter Kniehaltung. Sonst 
normaler Befund. 


Fig. 6. 



Röntgenbilder (Fig. 5 u und 5b): Rechtes Hüftgelenk 
weist denselben Befund wie bei der ersten Untersuchung auf. Am 
linken Hüftgelenk erweist sich der Prozeß als fortgeschritten. 

Die Kopfepiphyse sieht wie plattgedrückt aus und ist bis auf 
geringe Reste verschwunden. Der Gelenkspalt erscheint durch das 
Schwinden der Epiphyse wesentlich verbreitert. Der Schenkelhals¬ 
winkel ist unverändert, jedoch erscheint der Schenkelhals im ganzen 
stärker als früher. Die Trochanterspitze überragt jetzt die Höhe 
des Kopfepiphysenrestes. Die Osteophyten am oberen Pfannenrami 
sind verschwunden. 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 173 


Den zweiten der hierher gehörigen Fälle habe ich an dieser 
Stelle bereits mitgeteilt, so daß ich mich hier auf die nochmalige 
Darstellung des Röntgenbildes (Fig. 6) beschränke *). 

Auch in diesem Falle gelang es mir nicht, eine Nachunter¬ 
suchung auszuführen. 

Ueberblicken wir die Ergebnisse der klinischen und röntgeno¬ 
logischen Untersuchung an unserem Material, so sehen wir, daß 
sie im allgemeinen denen gleichen, die von Perthes und Levy 
in der letzten Zeit veröffentlicht worden sind. Auch wir finden 
stets einen besonders auffallenden Gegensatz zwischen Flexions¬ 
möglichkeit und Abduktionshemraung und halten diesen für außer¬ 
ordentlich bedeutungsvoll bezüglich der Differentialdiagnose gegen¬ 
über der Coxitis tuberculosa, mit der das Krankheitsbild der ju¬ 
venilen Arthritis coxae häufig verwechselt worden ist. Dieser 
Befund der Flexionsmöglichkeit bei starker Beschränkung der Ab¬ 
duktion, der ja auch in unseren Fällen trotz der Verschiedenartigkeit 
der Röntgenbefunde stets wiederkehrt, ist nach unserer Erfahrung 
für alle Stadien der Erkrankung typisch und kann daher vor der 
röntgenologischen Differentialdiagnose lediglich zu einer Verwechs¬ 
lung mit der Coxa vara Veranlassung geben. Es ist zweifellos, daß 
das Krankheitsbild der juvenilen Osteoarthritis in weitgehender 
Weise dem Symptomenbild der Coxa vara gleicht. Eine Differential¬ 
diagnose zwischen beiden Affektionen ist ohne Röntgenbild nicht 
zu stellen, um so weniger, als das Symptom der Krepitation, das 
bei der Arthritis vorhanden sein sollte, fast stets, wie auch in 
unseren Fällen, im Stich gelassen hat. Die Frage, ob der Stand¬ 
punkt Levys berechtigt ist, der die sogenannte Osteoarthritis de- 
fornians juvenilis weder klinisch noch anatomisch der echten Arthri¬ 
tis deformans an die Seite gestellt wissen will, ist so lange nicht 
mit Sicherheit zu entscheiden, als Untersuchungen an Resektions¬ 
präparaten in größerer Zahl ausstehen. Trotzdem ist es vollkommen 
berechtigt, wenn Levy die juvenile Arthritis klinisch der Coxa 
vara adolescentium an die Seite stellt. Auch darin muß ich ihm auf 
Grund eines Teiles meiner Fälle beistimmen, daß Arthritis deformans 

’) Ein weiterer Fall von doppelseitiger Osteoarthritis coxae ist jüngst 
von Wolf söhn und Brandenstein mitgeteilt worden. Er betraf einen 
34jährigen Mann, der als Kind an Gelenkrheumatismus gelitten hatte (Archiv 
f. klin. Chir. Bd. 96. Heft 3). 


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174 


Bibergeil. 


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und Coxa vara vergesellschaftet Vorkommen. Nur muß ich die Ein¬ 
schränkung machen, daß wir es in* meinen Fällen nicht mit echter 
Coxa vara zu tun haben, sondern daß lediglich der Kopf eine Varität 
zeigt, weshalb ich Levys Bezeichnung „Coxa vara capitalis* für 
solche Röntgenbilder für glücklich halte. 

Wir haben, wie unsere Bilder zeigen, eine besonders in die 
Augen fallende starke Ausbildung des Trochanter major in einem 
Teil der Fälle, auch derjenigen des progredient atrophischen Sta¬ 
diums gefunden. Worauf sie beruht, ist schwer zu sagen; auf 
diesen auffallenden Befund haben bereits Perthes und Levy die 
Aufmerksamkeit gelenkt. Letzterer hält es nicht für ausgeschlossen, 
daß die Epiphysenfuge des Trochanter major an dem Krankheits¬ 
prozesse teilnimmt. Diese Annahme erscheint mir unsicher, da die 
Hypertrophie des Trochanter auch am nicht affizierten Hüftgelenk 
gefunden wird, wie auch Perthes berichtet. Wie dem auch sein 
mag, daß die Hypertrophie vorkommt, ist nicht zu bezweifeln. Das 
möchte ich gegenüber Preis er betonen, der die Vergrößerung des 
Trochanters nie gefunden hat und der Meinung ist, daß die Ursache 
des Trochanterhochstandes bei Fehlen einer anatomischen Coxa vara 
im Beckenbau liegt. Saxl hat zweifellos recht, wenn erbeiseinen 
Untersuchungen über das Verhältnis des Trochanters zur Roser- 
N Platon sehen Linie zu dem Resultat kommt, daß es Fälle mit 
normalem Schenkelhalsneigungs- und Richtungswinkel gibt, bei 
denen ein mäßiger Trochanterhochstand vorhanden ist, und wenn 
er behauptet, daß dieses Vorkommnis sich bei verhältnismäßiger 
Kürze des Schenkelhalses oder massiger Entwicklung des Trochanter 
major insbesondere nach der Hökendimension oder einer Kombination 
beider Faktoren findet. 

Was den Verlauf der Arthritis deformans betrifft, so haben 
wir in 2 Fällen einen Stillstand der Knochendeformation mit Besse¬ 
rung der subjektiven Beschwerden feststellen können. Im Falle 4 
mit rasch fortschreitendem Schwunde der Kopfepiphyse sind sowohl 
die subjektiven Beschwerden wie die Funktionsstörungen stärker 
geworden. 

Ueber die bei der Arthritis deformans juvenilis einzuschlagemle 
Therapie scheint bisher eine Einigung nicht erzielt zu sein. Perthes 
verurteilt meine Empfehlung der Ruhigstellung mittels Gipsverbandes, 
empfiehlt vielmehr, wenn das Umhergehen nicht ohne Schmerzea 
vertragen wird, die Behandlung mit passiven Bewegungen und ; 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 175 


Massage bei ruhiger Lage im Bett. Levy schließt sich meiner 
Therapie an. Auf Grund meiner neueren Erfahrungen stehe ich 
auf dem Standpunkte, daß man individualisieren muß. Nach Preis er 
ist das Prinzip, dessen Befolgung oder Vernachlässigung überhaupt 
Erfolg oder Nichterfolg bedeutet, in das Wort zu fassen: Bewegung. 
Das trifft gewiß für viele Fälle zu. Bei einem Fall aber wie dem 
meinigen (Nr. 4), bei dem unter Uebungen, Massage und Heißluft¬ 
behandlung subjektiv und objektiv eine Verschlimmerung eingetreten 
ist, bei dem ferner röntgenologisch ein rasches Fortschreiten des 
destruierenden Prozesses deutlich in die Erscheinung tritt, dürfte 
die Uebungstherapie kontraindiziert und Gipsbehandlung in Abduk¬ 
tion und Extension um so eher angezeigt sein, als man in solchem 
Falle bestrebt sein muß, sekundäre Stellungsanomalien, eventuelle 
Subluxation, Pfannen Wanderung, wie sie auch bei der jugendlichen 
Arthritis deformans nicht infektiösen Ursprungs beobachtet worden 
sind, möglichst zu verhindern. 

Wenn ich noch einmal auf die Aetiologie der Arthritis defor¬ 
mans juvenilis zurückkomme, so beabsichtige ich nicht, alles das 
nochmals abzuhandeln, was anderwärts und auch von mir in meiner 
früheren Mitteilung ausführlich dargelegt ist. Es ist wohl insofern 
heute eine Einigung erzielt, als es für eine gewisse Zahl von Fällen 
an einer sicheren Aetiologie fehlt, und daß wir bis auf weiteres 
eine idiopathische Arthritis deformans anerkennen müssen. Preiser 
hat den Versuch gemacht, die Entstehung der Arthritis deformans 
in letzter Linie auf eine Störung oder Unterbrechung der statischen 
Einheit zurückzuführen. So werde z. B. durch ein Genu valgum 
die Richtung des Oberschenkels zur Längsachse des Körpers ver¬ 
ändert und dadurch auch der Oberschenkelkopf in der Hüftpfanne 
in einen anormalen Kontakt mit der Pfanne im Sinne der Steil¬ 
stellung gedreht. Nach seiner Meinung ist gerade das Moment der 
Rotation um die Längsachse bei Störungen der statischen Einheit 
in den verschiedensten Gelenken von hervorragender praktischer 
Wichtigkeit; denn durch dieses Prinzip kämen sich sonst gegenüber¬ 
liegende Gelenkteile außer Kontakt und aus kongruenten Gelenken 
würden inkongruente Gelenke. Indem ich hinsichtlich unseres Stand¬ 
punktes zu dieser von Preiser für die Entstehung der Arthritis 
deformans herangezogenen pathologischen Gelenkflächeninkongruenz 
auf den Schluß meiner Arbeit verweise, bemerke ich an dieser 
Stelle, daß sich zweimal bei unseren Fällen von juveniler Arthritis 


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176 


Bibergeil. 


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coxae Genua valga stärkeren Grades nackweisen ließen, das eine 
Mal bei dem Kranken, dessen Leiden einen raschen Verlauf nimmt. 

Im Anschluß an die Mitteilung unserer im Laufe dos letzten 
Jahres beobachteten Arthritisfälle Jugendlicher will ich an dieser 
Stelle Uber Spätfolgen nach reponierten Hüftluxationen berichten, 
die in das Gebiet der Arthritis deformans gehören und uns bezüg¬ 
lich ihrer Aetiologie Veranlassung geben, der Preiserscken Theorie 
der Gelenkflächeninkongruenz nochmals näher zu treten. 

Besonders wichtig erscheinen diejenigen Komplikationen, die 
spät, 5—8 Jahre nach der Einrenkung der luxierten Hüfte auftreten. 

Ich erinnere an dieser Stelle an die Mitteilungen von C u rtillet. 
Bullinger-Müller, Horvath, Froelich und Wullstein. 
Joachimsthal u. A. Sie alle hatten die Coxa vara-Bildung nach 
der Reposition der angeborenen Hüftverrenkung im Auge. Redanl. 
dem wir gleichfalls entsprechende Beobachtungen verdanken, unter¬ 
scheidet an Deformationen des oberen Femurendes einmal die Coxa 
vara (1 Fall auf mehr als 500 Operationen) und ferner die Defor¬ 
mierung und Atrophie des Femurkopfes und -lialses. In dem von 
Redard mitgeteilten Falle handelte es sich um eine Deformierung. 
Atrophie und Resorption des Kopfes und des Halses, .ähnlich den 
Veränderungen, welche man bei einigen Formen von Coxitis be¬ 
obachtet, aber anders als bei wirklicher Coxa vara*. Nach der 
Ansicht Redards, der sich auch Joachimsthal für seine Fälle 
von Coxa vara (4 Fälle bei 150 Repositionen) nach Hüftreposition 
anschließt, handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um eine Art 
von Osteomalacie. Bis auf wenige Ausnahmefalle läßt Redard j 
die traumatische Grundlage der von ihm beschriebenen Deformation 1 

j 

gelten. 

Hochgradigen Knochenschwuml beobachtete Horvath be¬ 
sonders bei den verhältnismäßig älteren Kindern, bei denen die 
Reposition verhältnismäßig sehr schwer gelang. Derartige schwere 
Repositionen betrachtet Horvath „als ein das Gelenk und den 
Schenkelknochen getroffen habendes Trauma, das sodann zu akuter 
retiektorischer Knochenatrophie (Sudeck) führt“. Ludloff erklärt 
das Entstehen der Coxa vara aus der Loslösung und Verschiebung 
der Epiphyse. 

Es darf also heute als feststehend betrachtet werden, daß Fälle 
von Coxa vara nach Luxationen nicht zu den Seltenheiten gehören. 
Besonders auffallcn müssen aber in dieser Hinsicht die Berichte 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 177 

Pürkhauers aus der Langeschen Klinik, der in 48 Proz. der 
Fälle eine erst spät einsetzende Verbiegung des nach der Einrenkung 
anfangs normalen Schenkelhalses gefunden hat, zu der sich ein 
deformierter Kopf resp. Kopfverlust als späte Folgeerscheinung ge¬ 
sellt. Das auslösende Moment für die Deformierung des Schenkel¬ 
kopfes ist nach Pürkhauers Ansicht in der Atrophie der Knochen- 
und Knorpelsubstanz des Kopfes gegeben, der von der unregelmäßig 
gestalteten Pfanne zurechtgeschliffen wird. Im Anschluß an diese 
Beobachtungen hat Egloff in einer Inauguraldissertation aus der 
Langeschen Klinik über Deformitäten des oberen Femurendes 
bei angeborener Hüftgelenk¬ 
luxation berichtet. Bei der Be¬ 
trachtung des Heilerfolges der 
Luxationsbehandlung vom ana¬ 
tomischen Standpunkt aus kommt 
Egloff zu dem Ergebnis, daß 
die anatomische Heilung in 
vielen Fällen nicht dem funk¬ 
tionellen Erfolg entspricht. Er 
findet in vielen Fällen, daß der 
Schenkelhals und Kopf, die vor 
der Behandlung und auch eine 
Zeitlang, nachdem die Patienten 
aus der Behandlung entlassen 
waren, normale Verhältnisse auf¬ 
wiesen, sich pathologisch ver¬ 
ändert haben. An Hand des 
Lang eschen Materials konnte 
er an einem gewissen Prozentsatz desselben pathologische Verände¬ 
rungen derart nachweisen, daß sich am Schenkelhalskopf zuerst 
Rauhigkeiten zeigen, der Schenkelhalskopf wird abgeschliffen und 
atrophisch, der Schenkelhals ist verkürzt, ebenfalls atrophisch und 
häufig im Sinne von Coxa vara verbogen. So findet Egloff bei 
einer Untersuchung von 200 Röntgenbildern, daß bei 52,5 Proz. 
aller Fälle sich pathologische Veränderungen am Schenkelhals und 
Kopf zeigten. 

Die Befunde Pürkhauers und Egloffs, die übrigens schon 
vorher, wenn auch nur in vereinzelten Fällen, von Horvath, 
Froelich und Redard erhoben worden sind, und die Becher 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 12 


Fig. 7. 



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Bibergeil. 


nach der unblutigen Einrenkung bei älteren Personen gefunden hat. 
haben mich veranlaßt, das mir von meinem Chef, Herrn Prof. 
Joachimstbal, gütigst für meine Feststellungen überlassene 
Luxationsmaterial einer genauen Durchsicht zu unterziehen. leb 
zog zur Untersuchung heran solche Fälle, bei denen die Reposition 
mindestens 4 Jahre zurücklag, und bemerke kurz, daß sich bei 
uns im allgemeinen nach gelungener Reposition eine einmalige 
dreimonatige Verbandperiode anschließt, der eine weitere nur bei 


Fig. 8. 



solchen Patienten folgt, deren Oberschenkel Veränderungen im Sinne 
einer Anteversion aufweisen. 


Was zunächst die anatomischen Befunde an Röntgenbildern 
betrifft, so kann ich mich Pürlih auer und Egloff voll und ganz 
anschließen; ich glaube auch, daß jedem, der viel Hüftbilder nach 
mehrere Jahre zurückliegender Einrenkung zu sehen bekommt, 
merkwürdige Veränderungen im Bereiche des oberen Femurendes 
begegnen werden. Die Durchsicht unseres Materials seit 1898 ein¬ 
schließlich der Fälle aus der Privatklientel von Prof. Joachims¬ 
thal hat mir ganz überraschende Veränderungen an Luxations- 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 179 


pfannen sowie tadellos reponierten Oberschenkelköpfen gezeigt, die 
allerdings mit der echten Coxa vara nichts zu tun haben. 

Ich stimme mit Pürkhauer darin überein, daß bisher die 
Prognose der unblutig eingerenkten Hüftluxation, was ihre ana¬ 
tomische Heilung betrifft, als viel zu günstig angenommen worden 
ist. Ich stimme Pürkhauer weiterhin auch darin bei, daß dies 
nur deshalb geschehen konnte, weil bisher viel zu wenig die Spät¬ 
resultate mittels Röntgenstrablen kontrolliert wurden. 

Wenn Pürkhauer sagt, daß die Gebrauchsfähigkeit der Ge¬ 
lenke in den meisten Fällen nicht beeinträchtigt ist, und es erstaun¬ 
lich ist, was die Patienten mit so hochgradig deformierten Schenkel- 


Fig. 9. 



halsköpfen und Schenkelhälsen ohne Beschwerden leisten können, 
so kann ich mich diesen Ergebnissen für einen Teil unserer Fälle 
vollauf anschließen. Ich hatte z. B. Gelegenheit, einen jetzt 19jährigen 
jungen Mann nachzuuntersuchen, bei dem von Joachimsthal 
im Alter von 4 Jahren, also vor nunmehr 15 Jahren, wegen einer 
angeborenen Hüftverrenkung die rechte Hüfte reponiert worden war. 
Wenn wir das Röntgenbild der eingerenkten Hüfte betrachten (Fig. 7), 
wie es sich bei der neuesten Röntgenaufnahme im November 1911 
präsentiert, so erkennen wir gewaltige Veränderungen des Kopfes, 
die denen gewisser Fälle von Arthritis deformans (vgl. den Fall 1, 
Fig. 1 b) sehr ähnlich sehen. Trotz der Schwere der anatomischen 
Veränderungen ergibt die klinische Untersuchung bei einer Trans- 


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Bibergeil. 


Position des Kopfes nach vorn absolut normale Beweglichkeit, regel¬ 
rechten Gang und Fehlen des Trendelenburg sehen Zeichens. 

Fig. 10. 



Bei anderen Fällen, deren Röntgenbilder ich wegen der inter¬ 
essanten Veränderungen an den Oberschenkelköpfen wiedergebe, kann 


Fig. 11. 



man klinisch gleichfalls von einer 
Heilung sprechen. Manfindetda- 
bei die verschiedensten Formen, 
atrophische Köpfe, völlige Zer¬ 
sprengung der Epiphyse, Varie¬ 
täten des Kopfes, hyperplastische 
Kopfbildungen; oft ist eine Form 
nach Jahren in die andere über¬ 
gegangen. Ich beziehe mich 
auf die folgenden Beispiele: 

Albert M., 2 1 /« Jahre. 

Luxatio coxae congenita sinistra 
(Fig. 8). Einrenkung am 14. Man 
1903; Nachuntersuchung am 
22. März 1909 (Fig. 9). 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 181 


Klara K., 5 3 /* Jahre. Luxatio coxae congenita sinistra (Fig. 10). 
Einrenkung am 1. Mai 1898; Nachuntersuchung am 28. März 1904 
(Fig. 11 ). 

Hans K., 6 Jahre. Luxatio coxae congenita sinistra (Fig. 12). 
Einrenkung am 9. November 1903; Nachuntersuchung am 20. März 
1909 (Fig. 13). 

Charlotte D., 8 Jahre. Luxatio coxae congenita sinistra. Ein- 


Fig. 12. 



renkung am 8. Oktober 1903. Erste Nachuntersuchung am 27. Sep¬ 
tember 1904 (Fig. 14). Zweite Nachuntersuchung am 26. März 
1909 (Fig. 15). 

Die Zweiteilung der Epiphyse im letzten Falle (Fig. 14) und in 
einem weiteren Falle, hei dem es zur Coxa vara gekommen ist 
(Fig. 16, 17, 18), veranlaßt mich, auf die Anlage der Knochenkerne 
in der Oberschenkelkopfepiphyse kurz zurückzukommen. Es steht 
fest, daß der Knochenkern des Caput femoris gegen den 10. Lebens- 
monat erscheint, daß derselbe sich rasch vergrüßei-t und bis zum 


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182 


Bibergeil. 


3. Lebensjahre zu einer normalen, halbkugeligen Gestalt des Ober¬ 
schenkelkopfes führt. Sehen wir von Mitteilungen ab, nach denen eine 
Kopfkernanlage überhaupt gefehlt haben oder der anfangs vorhandene 
Kern kleiner geworden und endlich ganz verschwunden sein soll 
(vgl. Preisers Annahme der Hypoplasie der Knochenkerne und 
Coxa vara nach Hüfteinrenkung), so ist über Variationen im Bereiche 
der Knochenkerne, etwa eine zweiteilige Anlage derselben, meines 
Wissens bisher nichts bekannt geworden. Wenn wir z. B. Fig. H 
und 17 betrachten, so sehen wir je zwei getrennte Epiphysen- 


Fig. 13. 



teile. Daß dieselben nicht aus einer gedoppelten Kernanlage 
hervorgegangen sind, erscheint mir sicher, weil vor der Einrenkung 
nur je eine einzige Epiphyse sichtbar ist. Die Entstehung dieser 
geteilten Kopfepiphyse und ihre Wiedervereinigung zu einem Ganzen 
beruht wohl auf ähnlichen Vorgängen, wie sie z. B. Alban Köhler 
sich denkt, wenn er in seinem Lexikon der Grenzen des Normalen 
und der Anfänge des Pathologischen im Röntgenbilde auf Seite 92 
schreibt: „Bei klinischen Anzeichen chronischer Coxitis kommt es 
zuweilen vor, daß man eine derbe, plattgedrückte, anscheinend in 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae iuvenilis usw. 183 


mehrere Teile zersprengte Kopfepiphyse 
findet, verquickt mit Verbiegung des 
Schenkelhalses im Sinne der Coxa vara. 

Xach kurzer Ruhigstellung im Gips 
findet man auffallenderweise wieder 
normale Beweglichkeit, und eine er¬ 
neute Röntgenuntersuchung ein Jahr 
später zeigt zur Ueberraschung die Epi¬ 
physe wieder in einem ganzen Stück.“ 

Ich denke mir die Zweiteilung der 
Epiphyse am reponierten Oberschenkel¬ 
kopf durch das Repositionstrauma ent¬ 
standen, indem ich es für möglich halte, 
daß bei der Reposition der angeborenen 
Hüftverrenkung gelegentlich ein Teil der Knorpelepiphyse abge¬ 
sprengt wird. Daß man eine solche Absprengung ( eventuell Zweiteilung) 
erst nach längerer Zeit, eventuell nach Jahren, bei Gelegenheit einer 


Fig. 14. 


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neuen röntgenologischen Untersuchung entdeckt, liegt an der erst 
später eintretenden Verknöcherung. Was man au ^ dem Röntgenbild 
einer kindlichen Oberschenkelepiphyse sieht, * s t bekanntlich nur der 




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Bibergeil. 


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bereits verknöcherte Teil der Knorpelepiphyse. Wird nun bei der 
Reposition ein Teil der noch nicht verknöcherten und daher auf 
dem Röntgenbilde unsichtbaren Knorpelepiphyse lädiert und gewalt¬ 
sam abgesprengt, so wird dieser bei der späteren Verknöcherung als 
selbständiger Teil auf dem Röntgenbilde in die Erscheinung treten 
können. Beide Teile verschmelzen späterhin miteinander und können 
dann, wie Fig. 15 zeigt (5 1 ä Jahre nach der Reposition der kongeni¬ 
talen Luxation), zur Entwicklung eines hyperplastischen Kopfes 
führen, oder wie Fig. 18 ergibt, eine Coxa vara im Gefolge haben. 


Fig. 16. 



Daß den anatomischen Veränderungen der Hüfte nach der 
Reposition auch klinische Symptom« folgen können, die denen der 
Arthritis deformans völlig entsprechen, lehrt folgender Fall: 

H. Sch., 8 Jahre alt. 

Vorgeschichte: Von Vnters Seite leiden eine Cousine an 
doppelseitiger und ein Cousin a.n einseitiger Hüftverrenkung. Der 
Knabe kam mit einer angeborenem doppelseitigen Hüftgelenkverrenkung 
als zweites Kind zur Welt. Weitere Deformitäten wies er nicht 
auf. Von Kinderkrankheiten hat er nur Masern durchgemaclit. Im 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 185 


Herbst 1906 wurde zunächst die 
linke Seite, im Frühjahr 1907 die 
rechte Seite von Prof. Joachims¬ 
thal mit vollem Erfolge ein¬ 
gerenkt, so daß Patient als völlig 
geheilt betrachtet werden mußte 
(vgl. die Röntgenbilder Fig. 19, 

20, 21). Drei Jahre konnte das 
Resultat vorzüglich genannt wer¬ 
den, da die klinischen Erschei¬ 
nungen absolut regelrecht waren, 
der Gang völlig normal war und 
subjektive Klagen fehlten. Im 
Sommer 1909 verspürte nun der 
Knabe auf einer Schweizer Reise 
beim Bergabgehen von einer klei¬ 
nen Anhöhe plötzlich Schmerzen 
im linken Oberschenkel, die trotz 
Umschlägen und Ruhe nicht verschwanden. Der Knabe schonte das 
linke Bein seitdem etwas. Er wurde im weiteren Verlaufe, da es nicht 

Fig. 18. 




Fig. 17. 



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186 


Bibergeil. 



besser wurde, von den verschiedensten Seiten untersucht. Es wurden 
Diagnosen wie Neurasthenie, Tuberkulose, Rachitis, drohende Re- 
luxation gestellt, und danach behandelte man. Nachdem Patient im 
Winter 1910 wegen der Vermutungsdiagnose „Coxitis tuberculosa‘ 
2 */* Monate in Wyk auf Föhr unter Ruhigstellung des linken Hüft¬ 
gelenks in einem Gehgipsverband verbracht hatte, waren seine 
Schmerzen gebessert. Es blieb leichtes Hinken zurück. Die weitere 
Behandlung bestand in Heißluft und Massage. Seit dem 1. Sep¬ 
tember 1911 erhält der Knabe Turnunterricht. 

Jetziger objektiver Befund: Gang des im übrigen 
kräftigen, aber für sein Alter kleinen Knaben leicht hinkend. Das 


Fig. 19. 



Hinken findet linkerseits statt. Länge der Beine differiert um */* cm 
zuungunsten der linken Seite. 

Das rechte Hüftgelenk ist absolut frei beweglich, ist frei von 
jeglichen Veränderungen. 

Linkes Hüftgelenk: Adduktion in Streckstellung frei, Abduktion 
wesentlich eingeschränkt. Drehbewegungen gut möglich. Flexion 
vollständig frei, nicht schmerzhaft. Abduktion bei flektiertem Knie 
wesentlich eingeschränkt, Adduktion frei. Auch Rotationsbewegungen 
bei gebeugtem Knie sind frei. Oberschenkelmuskulatur linkerseits 
gegenüber der rechten Seite an Umfang kaum schwächer. Trochanter 
major überragt die Roser-Nelatonsche Linie um 2 1 /* cm. Tren- 
delenburgsches Symptom linkerseits angedeutet. 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 187 

Röntgenbilder: Rechtes Hüftgelenk (Fig. 22): Kopf in der 
Pfanne, zentrale Einstellung. Epiphysenkonturen regelrecht. Leichte 
Verkleinerung des Schenkelhalswinkels. Geringe Osteophytenbildung 
etwas nach innen vom oberen Pfannenrandwinkel. 

Linkes Hüftgelenk: Kopf in der Pfanne, zentrale Einstellung. 
Gelenkspalt zwischen Pfannenboden und Epiphyse verbreitert. Pfanne 


Fig. 20. 



erscheint besonders in ihren oberen Partien aufgelockert. Ein eigent¬ 
liches Pfannendach besteht nicht. Schenkelhalswinkel etwas ver¬ 
kleinert. Die Epiphyse des Kopfes weist arge Zerstörungen auf. 
Sie ist an Höhe reduziert, erscheint in mehrere Teile zersprengt 
und nach den Seiten hin wie aufgefranzt. 

Wenn ich die Epikrise zu diesem Falle geben soll, so muß 
ich sagen, es handelt sich hier um eine Spätfolge einer ursprüng¬ 
lich tadellos geheilten Hüftgelenkluxation, die nach ihrem ganzen 


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Bibergeil. 


Symptomenbild in klinischer wie anatomischer Beziehung mit dem 
Krankheitsbild der Arthritis deformans eine so frappante Aehnlicb- 
keit hat, daß wir diese Affektion hier für vorliegend erachten müssen. 
Es ist in diesem Falle 3 Jahre nach Beendigung der Luxations¬ 
behandlung diejenige Erkrankung aufgetreten, die heutzutage unter 
der Flagge „juvenile Arthritis deformans“ segelt. Damit komme ich 
auf die Aetiologie derartiger Störungen zurück. 


Fig. 21. 



Solche Fälle scheinen bisher große Ausnahmen zu sein. 
Redard berichtete jüngst auf dem französischen Chirurgenkongreß 
über zwei derartige Patienten. Ferner findet sich in der französi¬ 
schen Literatur des vergangenen Jahres ein von van Neck be¬ 
schriebener Fall, der dem unserigen gleicht. 

Wenn Egloff mit Lange als Grund für die Deformierung 
von Schenkelhals und -köpf in seinen Fällen das Repositionstraunia 
annehmen, so halten wir dies auf Grund unserer vorherigen Aus¬ 
führungen für zutreffend. Daß ein solches Trauma unseres Erachtens 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 189 


jedoch meist nur die Disposition zur Arthritis deformans schafft, 
scheint uns aus dem eingehend beobachteten und mitgeteilten Fall 
hervorzugehen, bei dem erst 3 Jahre nach der Einrenkung die 
anatomischen und auch klinischen Erscheinungen eintraten. Ich 
glaube also, daß das Repositionstrauma die Disposition schafft. Die 
eigentliche Ursache der Erkrankung beruht wohl auf anderen Mo¬ 
menten. 

Hier könnte die von Preis er als für die Entstehung der 
Arthritis deformans ätiologisch wichtig angenommene Gelenkflächen¬ 
inkongruenz eine Rolle spielen. 


Fig. 22. 



Ich gebe hier auszugsweise die für das Verständnis nötigen 
Preisersehen Deduktionen wieder: „Ebenso sehen wir nach ab- 
gebeilten infektiösen Arthritriden, besonders wenn durch Substanz¬ 
verluste, frühere, eitrige Einschmelzung von Knorpel- und Knochen¬ 
teilen die Statik und Mechanik des Gelenks gestört ist, eine 
anatomische Gelenkflächeninkongruenz mit sekundärer Arthritis 
deformans. So zeigt z. B. die Hüfte von Patienten, welche in ihrer 
lugend eine tuberkulöse Coxitis überstanden haben, oft eine für 
den destruierten Kopf viel zu weite Pfanne; bei diesen Patienten 
stellen sich dann oft im späteren Alter, bisweilen schon in der 
Adoleszenz, Hüftbeschwerden ein, welche fälschlich für ein Rezidiv 
gehalten werden können, sich jedoch nicht nur durch den Typus 


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Bibergeil. 


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der klinischen Beschwerden, sondern auch durch prompte Besserung 
der Beschwerden, durch Verminderung der Krepitation usw. auf 
Massage und mediko-mechanische Behandlung usw. als unzweifel¬ 
hafte Arthritis deformans coxae ausweisen. Solche Fälle sind von 
Hoffa, Immelmann und mir bereits als Fälle juveniler Arthritis 
deformans coxae beschrieben worden.“ Daß auch reponierte Ober¬ 
schenkelköpfe meist nicht in die Pfanne passen, weil letztere meist 
zunächst zu klein für den Kopf ist, der sie erst zurechthöhlen soll, 
kann niemand bezweifeln, und damit wäre die Gelenkflächeninkon¬ 
gruenz von vornherein gegeben. Dazu kommt noch die Tatsache, 
daß bei luxierten Hüftgelenken die Pfanne nicht glatt und regel¬ 
mäßig ist, sondern eine unregelmäßige Oberfläche mit zahlreichen 
knöchernen und knorpeligen Erhebungen aufweist. 

Ich bin der Meinung, daß wir es bei einer gewissen Zahl von 
reponierten Hüftgelenken mit einer anatomischen Gelenkflächen¬ 
inkongruenz auf sekundär traumatischer Basis im Sinne Preisers 
zu tun haben, und glaube, die Preis ersehe Erklärung für das 
Zustandekommen der Arthritis deformans für solche Fälle akzeptieren 
zu können. 

Die Ergebnisse, zu denen mich die Untersuchungen von Pa¬ 
tienten mit längere Zeit zurückliegender Hüftreposition geführt 
haben, eröffnen insofern eine weniger ermutigende Perspektive, als 
man nie sicher Voraussagen kann, was aus einem reponierten Hüft¬ 
gelenk nach Jahren wird. 


Literatur. 

Becher, Die anatomischen und funktionellen Resultate der unblutigen Ein¬ 
renkung bei älteren Personen. Verh. d. Deutsch. Gesellsch. f. orthop. 
Chir. H. Kongreß, S. 261 ff. 

Bibergeil, Gibt es eine Osteoarthritis deformans coxae juvenilis idiopathica? 
Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 25. 

Bullinger, Müller und Curtillet, Coxa vara. Rev. d’orthop. 1907, p. 417. 
Egloff, Deformitäten des oberen Femurendes bei angeborener Hüftgelenks¬ 
luxation. In.-Diss. Jena 1911. 

Froelich, Was aus einigen geheilten angeborenen Hüftverrenkungen werden 
kann? Verh. d. Deutsch. Gesellsch. f. orthop. Chir. 1908, II, S. 277. 
Ders., Die Entstehung und Bedeutung der nach der Reposition öfters beob- 
teten Coxa vara. Verh. d. Deutsch. Gesellsch. f. orthop. Chir. 1909, S. 36ff- 


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Weitere Mitteilungen über Osteoarthritis deformans coxae juvenilis usw. 191 

Horvath, Beiträge zur Pathologie und Therapie der angeborenen Hüftverren¬ 
kung. Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 22. 

Joachimsthal, Ueber Coxa vara-Bildung nach der Reposition der angeborenen 
Hüftverrenkung. Münch, med. Wochenschr. 1909, Nr. 13. 

Levy, Beiträge zur Frage der Coxitis, Coxa vara und sog. Osteoarthritis defor¬ 
mans juvenilis (richtiger Coxa vara capitalis). Deutsche Zeitschr. f. Chir. 
Bd. 109. 

van Neck, Deformatinis femorales ans^cutives ä la reduction de la luxation 
angenitale double de la hauche. La revue medico-sociale. Juni 1911, 
S. 2 ff. 

Perthes, Ueber Arthritis deformans juvenilis. Deutsche Zeitschr. f. Chir. 
Bd. 107. 

Preiser, Die Arthritis deformans coxae und die Variationen der Hüftpfannen- 
stellung (nebst Anhang). Leipzig 1907, Vogel. 

Ders., Statische Gelenkerkrankungen. Stuttgart 1911, Enke. 

Ders., Coxa vara-Bildung nach Hüftluxation und allgemeine Hypoplasie von 
Knochenkernen. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1911, Bd. 29, Heft 1/2. 

Pörkhauer, Diskussionsbemerkungen zu Froelich. Verh. d. Deutsch. Ge- 
sellsch. f. orthop. Chir. 1909, S. 49 ff. 

Ders., Ueber Coxa vara als Folgeerscheinung der unblutigen Einrenkung der 
angeborenen Hüftgelenkluxation. Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 25. 

Redard, Ueber einige Spätkomplikationen der unblutigen Einrenkung der an¬ 
geborenen Hüftgelenksluxation. Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 23. 

Ders., Ueber die Spätresultate der unblutig behandelten Hüftgelenkluxation. 
Vortrag, geh. auf dem 24. französischen Chirurgenkongreß am 6. Ok¬ 
tober 1911. 

Saxl, Das Verhältnis des Trochanters zur Roser-N61atonschen Linie. Zeitschr. 
f. orthop. Chir. Bd. 17. 

Wulbtein, Diskussionsbemerkungen zu Froelich. Verh. d. Deutsch. Gesell¬ 
schaft f. orthop. Chir. 1908. 


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XII. 


Aus der orthopädischen Privatklinik von Dr. K. Gaugele in 

Zwickau i. S. 

Stenosierende Tendovaginitis im Bereiche des 
Processus styloideus radii. 

Von 

Dr. Paul Michaelis, 2. Arzt. 


De Quervain gebührt das Verdienst, das Krankheitsbild der 
stenosierenden Tendovaginitis am Processus styloideus radii schon im 
Jahre 1895 als erster eingehend geschildert zu haben. Er schrieb 
damals (Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte 1894, Nr. 13): 
„Die Patienten empfinden bei Bewegungen des Daumens mehr oder 
weniger heftige, von der Handwurzelgegend nach dem Daumen und 
dem Vorderarm ausstrahlende Schmerzen, so daß sie einen ergriffenen 
Gegenstand oft nicht mehr halten können. Die Palpation ergibt 
entweder ein negatives Resultat oder etwas Verdickung des dem 
distalen Radiusende aufliegenden Sehnenscheidenfaches. Dasselbe 
ist in allen Teilen ausgesprochen druckempfindlich, viel weniger oder 
gar nicht dagegen die übrige Sehnenscheide. Der Verlauf der Affek¬ 
tion ist chronisch.“ 

Kurze Zeit darauf berichtet Welti (Ein Fall von sog. chroni¬ 
scher Tendovaginitis, Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte 1896) 
über einen ähnlichen Fall. 

Im Verlaufe der nächsten Jahre geriet diese Arbeit leider in 
Vergessenheit. 

Als ich zu Anfang des Jahres 1911 einen dieser Krankheits¬ 
fälle zu beobachten Gelegenheit hatte, suchte ich vergeblich in den 
chirurgischen Handbüchern Auskunft. 

Poulsen (Kopenhagen) beschrieb von neuem — ohne Kenntnis 
der Arbeit De Quervains — diese Erkrankung als „Sehnen- 


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Stenosierende Tendovaginitis im Bereiche des Processus styloideus radii. 193 


Scheidenentzündung im ersten Fache des Antibrachiums, begleitet von 
Traktionsperiostitis am Processus styloideus radii“ (Deutsche med. 
Wochenschr. 1911, Nr. 18). 

Nach seinen Beobachtungen tritt eine geringe Geschwulst im 
Verlaufe der Sehnenscheiden auf, wodurch Schmerzen bei Bewegung 
der Sehnen (niemals Krepitation) sich einstellen. Der Processus 
styloideus, besonders seine äußere Kante, an welcher das Ligamen¬ 
tum carpi volare transversum ansetzt, ist auf Druck sehr schmerz¬ 
haft; auch ist diese Gegend deutlich geschwollen. Die Schmerzen 
können bei Bewegungen sehr heftig sein, bis in die Schulter aus¬ 
strahlen, besonders bei Abduktion und Extension des Daumens und 
bei radialer Adduktion der Hand. Zuweilen ist der Patient hier¬ 
durch in der Ausübung seines Berufes behindert. 

Ich war in der Lage, 3 Fälle dieser immerhin seltenen Krank¬ 
heit zu beobachten. 

Der erste Fall betraf einen Arbeiter, welchen ich zu begut¬ 
achten hatte. Er gab als Ursache ein Trauma an. Ferner kon¬ 
sultierte mich im Sommer 1911 eine Frau wegen desselben Leidens. 
Hier waren die Beschwerden allmählich aufgetreten. Der dritte Fall, 
welcher in unsere Behandlung kam, ist gleichfalls ein Unfall¬ 
verletzter. 

Was die Symptome anbetrifft, so möge es mir gestattet sein, die 
Krankengeschichte meines letzten Patienten anzuführen. 

Es ist ein lßjäbriger jugendlicher Arbeiter. Er will sich vor 
nunmehr 9 Monaten bei der Arbeit vergriffen haben. Es trat sofort 
ein heftiger Schmerz auf, der ihn zwang, die Arbeit niederzulegen. 
Er wurde mit Verband und Einreibungen behandelt. Es trat keine 
Heilung auf; er war während der 9 Monate nur kurze Zeit arbeits¬ 
fähig. 

Bei der Aufnahme in unsere Klinik wurde folgender Befund 
erhoben: 

Für sein Alter wohlentwickelter junger Mann. Lungen und 
Herz ohne pathologische Veränderung. In der Familie herrscht keine 
Tuberkulose, keine Gicht oder Gelenkrheumatismus. Er gab an, daß 
er seine gewohnte Arbeit nicht verrichten könne, da er an der 
Daumenseite des Vorderarmes heftige Schmerzen habe, wenn er den 
Daumen bewege oder die Hand nach ein- und auswärts führe. Die 
Schmerzen seien so heftig, daß sie bis in die Achsel ausstrahlten. 

Aeußerlich waren der Daumen und das Handgelenk vollständig 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. Io 


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194 


Michaelis. 


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normal. Etwa zwei Querfinger oberhalb des Handgelenkes zeigte 
sich von der Volarseite des Vorderarmes, nach der Dorsalseite über¬ 
greifend, eine leichte Geschwulst, welche genau dem M. abducter 
pollicis entsprach. Diese Schwellung war auf Druck sehr schmerz¬ 
haft, ebenso das radiale Sehnenscheidenfach des Ligamentum carpi 
transversum. Die Sehnenscheiden waren nicht geschwollen. Ein 
Sehnenscheidenerguß oder knirschende Geräusche ließen sich nicht 
nachweisen. Die Haut war von normaler Beschaffenheit. 

Die Ursache dieser Erkrankung ist noch ungeklärt. De Quer¬ 
vain schließt Lues und Tuberkulose vollständig aus. Zuweilen fand 
er Gicht oder chronischen Gelenkrheumatismus. Als auslösendes 
Moment spielt in der Mehrzahl der Fälle eine Ueberanstrengung 
bzw. ein Trauma die Hauptrolle. 

Was das Geschlecht betrifft, so tritt die Störung nach 
De Quervain und Poulsen fast nur bei Frauen auf. 

Dififerenzialdiagnostisch dürfte wohl nur eine Tendovaginitis 
und die sehr seltene Tuberkulose des Processus styloideus radii in 
Frage kommen. Doch glaube ich, bei den typischen Erscheinungen, 
wie sie oben näher gezeichnet sind, ist eine Verkennung aus¬ 
geschlossen. 

Die Therapie dürfte in eine konservative und chirurgische 
zerfallen. 

Der konservativen Therapie spricht Poulsen das Wort. Nach 
De Quervains und meiner Erfahrung ist sie wenig aussichtsre ich. 

Poulsen verwendet eine Appreturbandage um das Hand¬ 
gelenk mit Einschluß des Daumens. Nach 2—3 Wochen wird sie 
entfernt, Massage und leichte Uebungen schließen sich an. Patient 
„muß die Finger zu schonen lernen“. Dann verschwindet das Leiden 
allmählich, oft erst nach mehreren Monaten. Eine wenig verlockende 
Therapie in unserer hastenden Zeit, wo Zeit Geld bedeutet. 

Jodkali hat Poulsen vereinzelt geholfen. 

In ganz frischen Fällen dürfte wohl ein Versuch mit einem 
fixierenden Verband, bald mit Massage und Heißluft gemacht werden. 

Doch trotzt das Leiden meist dieser abwartenden Therapie, 
wie auch in unserem Falle. 

Dann ist der operative Eingriff indiziert, er ist so leicht, ein¬ 
fach und gefahrlos, daß ihn schließlich jeder Arzt ausführen kann. 

Ohne Kenntnis der Arbeiten De Quervains (Münch, nied 
Wochenschr. 1912, Nr. 1) ging ich folgendermaßen vor: 


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Stenosierende Tendovaginitis ira Bereiche des Processus styloideus radii. 195 


Nach Desinfektion des Operationsgebietes mit Jodtinktur an¬ 
ästhesierte ich das Gebiet mit Novokain. Ein Schnitt im Verlaufe 
des M. abductor pollicis bis zum Handgelenk legte die Fascia ante- 
brachii frei. Der Muskelbauch wölbte sich vor. Das Ligamentum 
carpi transversum ist reliefartig verdickt und schnürt deutlich die 
Sehne des M. abductor und extensor pollicis ein. Das radiale Sehnen¬ 
fach wird längs inzidiert. Die Sehnen sind sofort von dem Schnür- 
ring befreit. Die Wunde wird sofort geschlossen. 

Der Erfolg war ein erfreulicher. Patient kann sofort voll¬ 
ständig schmerzfrei den Daumen und die Hand bewegen. 

De Quervain gibt an, daß er anfangs die ganze Wand ent¬ 
fernte, später aber sich mit der Exzision der äußeren Wand be¬ 
gnügte. Einmal inzidierte er wie ich. 

Die Operation ist vollständig gefahrlos; ein Ast des N. radialis, 
welcher in das Operationsfeld fallt, läßt sich leicht schonen. 

Auch subkutan läßt sich die Trennung des Ligamentum aus¬ 
führen. 

Auf Grund meines und De Quervains Operationsbefundes 
dürfte dies wohl die einzig richtige Erklärung für diese schmerz¬ 
hafte Affektion sein: Das Sehnenscheidenfach ist durch eine chro¬ 
nische Entzündung des Ligamentum zu eng für die beiden Sehnen 
geworden, so daß sie fest eingeschnürt werden. Die Sehnen selbst 
sind nicht pathologisch verändert. Der Schmerz entsteht durch die 
sicher vermehrte Reibung, welcher die Sehnen bei Bewegungen 
ausgesetzt sind. 

Die mikroskopische Untersuchung des exzidierten Ligamentes 
zeigte eine „Verdickung des straffen Bindegewebes, keine Zeichen 
einer frischen Entzündung“. 

Dieser am Lebenden nachgewiesene Befund beweist auch die 
Unrichtigkeit der erkünstelten Erklärungsversuche PouIsens. Er 
hält eine Sehnenscheidenentzündung „für sehr wahrscheinlich“. „Es 
handelt sich hierbei um eine Periostitis, um eine Art Traktions¬ 
periostitis, durch den Druck der Sehnen oder den Anschlag auf das 
Ligamentum carpi volare. Der Prozeß ist sicher irritativer Natur.“ 


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XIII. 

Aus dem Laboratorium der chirurgisch-orthopädischen Universituts- 
poliklinik von Dr. M. Matsuoka, Kioto, Japan. 

Anatomische und radiologische Untersuchungen 
der Knochengerüste 

der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 

Von 

Dr. K. Hayashi und Dr. M. Matsuoka. 

Mit 5 Abbildungen. 

Die Literatur der durch Sektion untersuchten Fälle angeboren 
taxierter Hüftgelenke ist sehr groß. Jedoch sind die Aetiologie 
und die Pathogenese dieses Leidens zu einer befriedigenden Lösung 
noch nicht gekommen. Angeregt durch einen sezierten Fall von 
Luxatio coxae congenita duplex, den wir in unserer Klinik be¬ 
handelten, unterzogen wir die einschlägige Literatur der sezierten 
56 Fälle von angeborener Hiiftluxation einer Durchsicht und möchten 
bezüglich der pathologischen Anatomie der Knochenteile des Hüft¬ 
gelenks etwas Aufklärung geben. Zuerst lassen wir die Anamnese 
unseres Falles vorangehen. 

Huna Ito, 9 jähriges Mädchen aus Kioto. Luxatio coxae con¬ 
genita duplex. Am 21. Juni 1907 wurde die Patientin in Behand¬ 
lung genommen. 

Anamnese: Vater ist gesund, Mutter leidet an einem Uterus¬ 
leiden. Die Patientin war schlecht entwickelt und schwächlich. Sit' 
lernte erst im Lebensjahre laufen, wobei den Eltern die un¬ 
beholfene und watschelnde Haltung auffiel, die immer ärger wurde. 

Status praesens: Sehr schwächliches, anämisches Mädchen 
mit zurückgebliebener Körperentwicklung. Die Haut ist leicht ab- 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 197 


hebbar; das Unterhautfettgewebe ist sehr gering. Die Muskulatur 
ist äußerst schwach entwickelt. Die Knochenkonturen treten an 
verschiedenen Körperteilen deutlich hervor. An der Herzspitze ist 
ein anämisches Geräusch hörbar, Puls ist sehr klein und unregel¬ 
mäßig. Hochgradige Lordose der Lendenwirbelsäule und starkes 
Watscheln. Beim Gehen ermüdet die Patientin sehr leicht. Der 
Trochanter major tritt beiderseits lateral deutlich hervor und steht 
viel höher nach oben als normal. Die beiden Oberschenkel werden 

Fig 1. 




Radiograram des Beckens. Ventrodorsale Aufnahme. 

in der Hüfte leicht flektiert und adduziert gehalten. Bei der Mes¬ 
sung steht die Trocbanterspitze jederseits 5 cm oberhalb der Uoser- 
Nelatonschen Linie. Der Schenkelkopf liegt jederseits unterhalb 
und hinter der Spina iliaca anterior superior. Bei gebeugtem Ober¬ 
schenkel steht der Kopf weit hinten auf dem Darmbein. Trendelen- 
burgsches Symptom ist beiderseits sehr ausgesprochen. 

Am 21. Juni 1907 wurde das Becken ventrodorsalwärts rönt- 
genographiert. Das Radiogramm (Fig. 1) zeigt folgenden Befund: 
Das Becken steht hochgradig steil, das Pfannencavum ist jeder- 


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198 


Hayasbi und Matsuoka. 


seits mit neugebildetem Gewebe angefüllt. Es handelt sic-h um eine 
flache Pfanne an beiden Seiten. Der Y-Knorpel läßt sich noch deut¬ 
lich erkennen. Die Fuge zwischen dem Ramus inferior ossis pubis 
und dem Ramus superior ossis ischii ist noch knorpelig. Der Schenkel¬ 
kopf zeigt sich jederseits hypoplastisch und liegt unterhalb der 
Spina iliaca anterior superior. Die kurzen Schenkelhälse sind in 
Sagittalrichtung gestellt. Die beiden Trochanteren lassen sich deut¬ 
lich erkennen. 

Am 22. Juni 1907 Repositionsversuch unter Chloroformnarkose. 
Es gelang nicht, den Schenkelkopf in die Pfanne manuell berunter- 
zubringen. Am dritten Tage nach dem Repositionsversuch ging die 
Patientin nach ihrer Heimat zurück. 

Am 5. Februar 1908 wurde sie wieder in die Klinik auf¬ 
genommen. Die Gewichtsextension wurde bis zum 10. März 19v8 
ausgeführt. 

Am 11. März wurde wieder ein unblutiger Repositionsversuch 
ausgeführt, aber vergeblich. 

Am 12. März 1908 reponierten wir blutig den linken Schenkel¬ 
kopf in die Pfanne nach Resektion eines Teiles des oberen Femur¬ 
endes. 

Am nächsten Tage starb die Patientin an Herzschwäche. 

Das resezierte Knochenstück (Fig. 2) zeigt folgende 
Befunde: Makroskopisch weist es eine hochgradige Hypoplasie auf. 

Das Ligamentum teres fehlt gänzlich. Die dem 
Trochanter major zu gelegenen äußeren oberen zwei 
Drittel des Kopfes sind zerstört; infolge der bestän¬ 
digen Berührung des Kopfes mit der äußeren Becken¬ 
wand ist der Kopf im ganzen abgeflacht. Die nor¬ 
male Konfiguration des Kopfes ist nicht mehr vor¬ 
handen. Was nun den Schenkelhals anbetrifft, so ist 
er bedeutend verkürzt. Die Schenkelhalsneigung ist 
verringert, der Schenkelhalswinkel ist fast ein rechter. 
Es handelt sich um das Bild der Coxa vara. Per 
Hals ist leicht antevertiert. Röntgenologisch läßt sich 
eine Transformation der inneren Architektur und der äußeren Ge¬ 
stalt deutlich erkennen. 

Nach dem lode der Patientin wurde die rechte Hüfte samt 
dem Obei Schenkel (Tig. 3) in Alkohol konserviert und abpräpariert- 
Hie m a k 1 o s k o p i s c h e Untersuchung des oberen F e nni r* 


Fig. 2. 



Reseziertes 
Knoohciistück 
(1. linken Feraur. 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 199 

teiles ergibt folgenden Befund: Der Sehenkelkopf liegt nach oben 
von der Pfanne auf der abnorm verdickten äußeren Beckenwand. 
Infolge der Belastung durch das Körpergewicht und der Wirkung 
der Muskeln ist fast die ganze Masse des Kopfes zeistört. Die 
destruierte Fläche des Kopfes erweist sich als uneben. Vom Lig. 
teres ist auf beiden Seiten weder am Kopf noch in der alten Pfanne 
eine Spur zu entdecken. Der Kopf steht so tief, daß 
er in einem gleichen Niveau mit dem Trochanter 
inajor sich befindet. Der Schenkelhals ist deutlich 
verkürzt. Ferner bemerkt man eine deutliche Ver¬ 
schränkung der Schenkelhalsachse gegenüber der 
Knieachse, also das Bild einer Anteversion des 
Halses; infolgedessen ist der Femurkopf beinahe 
nach vorn gerichtet. Will man die Schenkelhals- 
achse in die Frontalebene einstellen, so muß man 
den Oberschenkel fast 80° nach innen rotieren. 

Der Schenkelhalswinkel beträgt beinahe 86°. Eine 
weitere Veränderung am Femur ist die Spiral¬ 
drehung seiner oberen Hälfte von innen nach vorn. 

Der Trochanter major ist mehr oder weniger ab¬ 
gerundet und nach hinten verlagert. Die Tiefe der 
Fossa trochanterica entspricht nicht der Norm. 

Der Trochanter minor steht mehr lateral. Die 
beiden Trochanteren samt der Crista intertrochan- 
terica liegen in einer gleichen Längsachse. Die 
Linea intertrochanteriea ist kaum nachweisbar. 

Zwei Lippen, Labium mediale et laterale lineae 
asperae, treffen am oberen Femurstumpfe zusammen 
und stellen eine undeutliche Erhabenheit dar, doch 
spaltet sie sich nach unten zu gegen die Epicon- 
dylen hin. Die Tuberositas glutaea und die Linea 
pectinea sind schwer bemerkbar. An der oberen Hälfte der ganzen 
Länge des Femur ist die Linea aspera nach vorn gerichtet. Die 
vordere Fläche des Femur steht nach außen und seine hintere nach 
innen. Die letztere ist glatt. An dem Schenkelhalswinkel läßt 
sich ein knöchernes Höckerchen erkennen; von diesem ausgehend 
verläuft eine erhabene Linie senkrecht nach unten an der Vorder¬ 
fläche des Femur; sie ist an der Mitte desselben verstrichen. 
Zwischen dem oben erwähnten Knochenhöckerchen und dem 





Laterale Ansicht 
des rechten Femur. 


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200 Hayashi und Matsuoka. 

Trochanter minor läßt sich eine tiefe, breite, nach unten verlaufende 
Rinne erkennen. Die Schatn- und Sitzbeinäste ziehen mehr oder 
weniger horizontal, das Foramen obturatorium ist mit seinem längeren 
Durchmesser quer gerichtet. Die Pfanne (Fig. 4) ist nach vorn 
oben verlagert. Das Cavum ist mit bindegewebiger Masse angefüllt. 
Nach Herausnehmen des Pfanneninhaltes stellt das Cavum eine ab¬ 
norme Formveränderung dar. Es ist verkümmert. Sein Boden ist 
ungleichmäßig verdickt. Die Pfanne ist nach hinten oben in die 
Länge gezogen und stellt ein zweischenkliges Dreieck dar, dessen 
Basis nach dem Foramen obturatorium gerichtet ist. Die Pfannen¬ 
ränder sind größtenteils abgeschliffen; dem Foramen obturatorium 

gegenüber fehlt der Pfannenrand gänzlich. 
Der längste Durchmesser der Pfanne be¬ 
trägt 3,5 cm. 

Das dor so ventral a ufgen om¬ 
ni ene Radiogramm des linken resezier¬ 
ten oberen Femurteiles zeigt folgenden Be¬ 
fund : Die Reste des Schenkelkopfes sind 
noch stark mit einem dünnen, schwachen 
Knorpelschatten umhüllt. Der Epiphysen¬ 
knorpel zwischen dem Kopfe und Halse 
ist schon total verknöchert. Also handelt 
es sich um eine frühzeitige knöcherne Ver¬ 
schmelzung des Kopfes mit dem Halse. 
Der Knochenkern des Trochanter major ist 
von einem dünnen Knorpelschatten verdeckt, an der Grenze der 
Diaphyse bemerkt man eine deutliche Knorpellinie. Die Compacta 
der unteren Halsseite und des inneren Femurschaftes ist dünn. 
Betrachten wir nun die Spongiosa des oberen Femurendes, so läßt 
sich feststellen, daß dieselbe in stärkerem Maße abweicht, nämlich 
in bezug auf ihre Verlaufsrichtung und die Stärke der ßälkchen- 
systeme. Die Spongiosa des Trochanter major ist sehr schwach 
und spärlich. Auf dein Radiogramm des Beckens ist die noch 
knorpelig bleibende Y-Fuge an dem Pfannencavum deutlich er¬ 
kennbar. 

Zur mikroskopischen Untersuchung des linken Femur nahmen 
wir frontale Sägescheiben des Kopfes und Halses. Diese Knochen¬ 
präparate sind in Formalin fixiert und in Alkohol nachgehärtet. 
Die Entkalkung wurde mit Formalinsalpetersäure bewerkstelligt. 



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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 201 


Fig. 5. 


Einbettung in Celloidin. Zur Färbung wurden verschiedene Me¬ 
thoden wie Hämatoxylin-Eosin, -Karmin-, van Giesonsche Fär¬ 
bung usw. angewendet. 

Schenkel köpf: Die Knorpelknochengrenze zeigt zackige 
Fortsätze der verkalkten Knorpelgrundsubstanz, die mit Häma- 
toxylin tiefblau gefärbt ist. An vielen Stellen bemerkt man blei¬ 
bende Knorpelbalken zwischen den neugebildeten Markräumen. Die 
Knorpelherde zeigen verschiedene Größe; sie sind sehr häufig mit 
osteoiden Geweben geschlossen. Die 
mittlere und obere Schicht des Kopf¬ 
knorpels bestehen fast vollständig aus 
hyalinem Knorpel; in der Grundsubstanz 
sind die Zellen sehr unregelmäßig zer¬ 
streut und verschiedenartig gruppiert. 

Man sieht eine, zwei oder mehrere Zellen 
in einer gemeinschaftlichen Kapsel. An 
vielen Stellen bemerkt man inselartig 
zerstreute, eigentümliche Gruppen von 
Knorpelzellen, die groß und blasig auf¬ 
gequollen sind. Das Zellprotoplasma ist 
hell gefärbt, fein granuliert und mit 
einem großen Kern versehen. Der 
obere Teil des Kopfes ist mit fibrösem 
Gewebe bedeckt, das aus Spindelzellen 
besteht. Es handelt sich um eine Stö¬ 
rung der chondralen Ossifikation im 
Schenkelkopf und zwar verzögerte 
Knochenbildung aus Knorpel. 

Pfanne: Die obere Schicht der 
Pfanne besteht aus fibrösem Gewebe mit spärlich zerstreuten spindel¬ 
förmigen Zellen. Die mittlere Schicht ist noch vollständig knorpelig. 
Die Grundsubstanz zeigt sich homogen und die Zellen sind gro߬ 
blasig und mit matt gefärbten Kiesenkernen versehen. Die untere 
Schicht stellt neugebildete, zackige Knochensubstanz dar; darunter 
liegen die Markräume mit Balken aus osteoidem und fertigem, kalk¬ 
haltigem Knochengewebe geschlossen. 

Zum Studium der feineren Anordnungen der Knochenbälkchen 
des rechten oberen Femurendes röntgenographierten wir ventro- 
dorsalwärts das unzersägte Präparat des letzteren (Fig. 5). Die 



Radiograinm des rechten oberen Fe¬ 
murteiles. Dorsoventr. Aufnahme. 


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202 


Hiiyashi und Matsuoka. 


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Betrachtung des Hadiogranmis ergibt, daß die Verlaufsrichtung und 
die Stärke der einzelnen Bälkchensysteme erhebliche Abweichungen 
von der Norm zeigen. Das erste Bälkchensystem, das von der Com- 
pacta des Femurschaftes, von der Trochanterenseite ausgehend, zur 
Adduktorenseite verläuft, läßt sich deutlich erkennen, dagegen ist 
das zweite, das von der Compacta der Adduktorenseite entspringend 
zur Trochanterenseite hinüberzieht, auffallend strahlendurehsicbtig 
und auf dem Radiogramm schwer nachweisbar. Im ersten Balken¬ 
system sind die Spongiosazüge mehr oder weniger gestreckt. Die 
Spongiosa des Schenkelkopfes, und zwar in seinem Innern, ist in 
bedeutend stärkerem Maße entwickelt, die Kreuzungspunkte der 
beiden Balkenzüge lassen sich deutlich erkennen. Die Spongiosa- 
bälkchen der äußeren Kopfzone, die vom Adänischen Bogen zum 
oberen Kopfpol hinüberziehen, sind bedeutend schwächer ent¬ 
wickelt. Die Spongiosabälkchen der äußeren Hälfte des Trochanter 
major sind dicht, dagegen stellen sich die der inneren Hälfte des¬ 
selben bedeutend spärlicher, schwächer und strahlendurchsichtiger dar. 
Die Epiphysenzone des Trochanter major ist noch knorpelig und 
wirft einen schmalen hellen Streifen. Die Compacta der Adduktoren¬ 
seite des Femurschaftes zeigt sich breit und dicht, dagegen die der 
Trochanterenseite schmal und strahlendurchsichtig. Ferner bemerkt 
man sehr deutlich die noch knorpelige Y-Fuge im Beckenradio¬ 
gramm. 

Aus den oben erwähnten Befunden ersehen wir, daß die von 
der Trochanterenseite entspringenden Balkensysteme, die man mit 
Wolff und Culmann als Zugbälkchen aufgefaßt hat, wegen 
funktioneller Anpassung in starkem Maße sich entwickelt haben. 
Ebenso ist die Veränderung der Kopfgestalt und die Verkürzung des 
Halses als funktionelle Anpassung zu betrachten. Mikroskopisch 
bemerkt man verspätete, ungleichmäßige Verknöcherung des Kopf- 
pols. Was die Veränderung der Knochengestalt anbetrifft, so zeigt 
sich eine deutliche Deformität. Die Darmbeinschaufeln sind äußerst 
steil gestellt, wie in allen übrigen Präparaten. Der Hals ist ante- 
vertiert. und das obere Ende des Schenkelknochens nach innen 
gedreht. 

Nun möchten wir zur Beschreibung der pathologischen Ana¬ 
tomie der knöchernen Teile bei der angeborenen Hüftgelenkluxation 
übergehen, wie sie bis jetzt von zahlreichen Forschern bei Sek¬ 
tionen festgestellt worden ist. 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 203 


A. 

1. Pathologische Anatomie des Schenkelkopfes und 
des oberen Femurstumpfes beim Fötus. 

In einein Graf sehen Falle (23 cm langer männlicher Fötus 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war der hintere Teil des 
Kopfes abgeplattet. Im Holz mann sehen Falle (28,5 cm langer 
Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war der Kopf schon 
klein im Verhältnisse zum Trochanter und Femur; er stand so 
tief, daß er vom Trochanter überragt wurde. Er war kleiner 
als der Trochanter, vom Halse kaum abgesetzt, und zeigte nicht 
die normale Rundung, sondern war mehrfach abgeplattet. In 
Holzmanns zweiten Falle zeigte der Kopf zahlreiche platte Ein¬ 
drücke und flache Wülste, die sich an seiner Oberfläche befanden. 
In einem Grawitzschen Falle (8monatiger männlicher Fötus mit 
doppelseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte der linke Kopf die Gestalt 
eines Zuckerhutes. Die beiden Femurköpfe waren kleiner als nor¬ 
mal, immer aber unverhältnismäßig viel größer als die für sie be¬ 
stimmten Pfannenräume. In einem zweiten Falle (8monatiger 
männlicher Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war der 
Uebergang vom Kopf zum Halse verstrichen. In einem dritten 
Falle (9monatiger weiblicher Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) zeigten die Köpfe keine Deformität; Hals, Trochanter und 
Epiphyse waren wohlgebildet. Cruveilhier fand einen mißge¬ 
stalteten, abgeflachten Schenkelkopf in seinem doppelseitigen Luxa¬ 
tionställe bei einem reifen Fötus. 

Aus der oben erwähnten Literatur wissen wir, daß die Luxa¬ 
tionsschenkelköpfe eine deutliche Deformität in der fötalen Zeit 
zeigen, mit Ausnahme von einem Falle Grawitzk 

2. Pathologische Anatomie des »Schenkelkopfes und des 
oberen Femurstumpfes bei Kindern, die noch nicht 
gehen gelernt haben. 

In einem Falle Bars (Stägiges Kind männlichen Geschlechts 
mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) war der linke Schenkelkopf 
bedeutend kleiner als der rechte und besaß nicht die normale Halb- 
kugelform. Der erstere war auf einer Seite abgeplattet und paßte 
sich nicht genau der Form der Gelenkpfanne an. Parise (lotägiges 
Kind) fand einen leicht abgeplatteten Schenkelkopf, der genau 
auf den äußeren Teil der Pfanne paßte, wenn man den Schenkel 


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204 


Havashi und Matsuoka. 


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in eine flektierte und nach außen rotierte Stellung brachte, fast 
so, wie die normale Stellung des Fötus im Uterus war. In einem 
zweiten Falle (2 1 /imonatiges Kind) war der Schenkelkopf normal 
gebildet und nur hinten und innen abgeplattet. An dieser Ab¬ 
flachung sah man eine fast direkt nach hinten gehende Rinne, 
zur Aufnahme des Lig. teres. In Palletas Falle (13tägiges Kindl 
war der Schenkelkopf sphärisch. In einem Falle Grawitz’ (21 tägiger 
Knabe mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) waren die Schenkel¬ 
köpfe zwar kleiner als am Parallelpräparat, immer aber noch viel 
zu groß für die flachen eigentlichen Pfannenräume. Vrolik (7mona- 
tiger Knabe mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) fand, daß der 
luxierte Schenkelkopf von der verdickten Kapsel bedeckt war, welche 
von dem oberen Rande und der Oberfläche der Pfanne selbst ent¬ 
sprang und dann sich über den ganzen Umfang des oberen Endes 
des Oberschenkels erstreckte. 

Aus der oben erwähnten Skizze der Literatur ergibt sich, daß 
der Schenkelkopf bei den noch nicht gehenden Kindern schon stark 
deformiert ist, nur mit Ausnahme eines Falles von Parise. 

3. Pathologische Anatomie des Schenkelkopfes und des 
obere n Feinurend es bei Patienten vom 2.—20. Lebensjahre. 

In einem IIorväthsehen Falle (2jähriges Kind mit recht¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war der rechte Schenkelkopf viel kleiner 
als der gesunde, und zwar betrug der größte Umfang des Schenkel- 
kopfes 55 mm, hingegen auf der gesunden linken Seite 74 nnn. 
Der rechte Kopf zeigte die durch Lorenz beschriebene medio¬ 
posteriore Abplattung in sehr typischem Maße: so hatte der Kopf 
von oben her betrachtet die Form eines etwa abgerundeten recht¬ 
winkligen Dreiecks, dessen Spitze nach hinten und außen gerichtet 
war, während seine Hypothenuse durch die abgeflachte Seite des 
Schenkelkopfes gebildet wurde. Der Knorpelüberzug des linken 
Kopfes war am trockenen Präparate so dünn und durchschimmernd. 
daß der knöcherne Kern des Kopfes im durchfallenden Licht sehr 
gut sichtbar war. Bei einem Falle Holz man ns (4jähriges Kind 
mit rechtseitiger Ilüftgelenkluxation) war der Kopf halboval, mit 
der Oberfläche nach oben schauend, wie dies bei Kindern allerdings 
nicht auffallend ist. Die Längsachse dieser eiförmigen Oberfläche 
betrug 3.9 cm, also genau diejenige der Pfanne. An der Vorder¬ 
fläche des Kopfes zog eine Rinne bis an den Hals herab. Sie 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 205 


hatte eine Tiefe von mehreren Millimetern und war von zahlreichen, 
narbig aussehenden Einsenkungen begleitet. In ihrem Grunde lag 
Bindegewebe, welches sich am Rande des Femurkopfes in das dev 
Kapsel fortsetzte. In einem zweiten Falle (20jähriger Mann mit 
doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war der Femurkopf klein und 
seine Oberfläche etwas höckerig, und zwar waren die Höcker noch 
mit glatten Knorpelscheiben überzogen, dagegen die Vertiefungen 
von rötlichem Granulationsgewebe eingenommen, dessen Oberfläche 
ebenfalls glatt war. Nichols und Bradford berichteten über 2 Fälle 
von doppelseitiger Hüftgelenkluxation (4jährige Kinder). In ihrem 
ersten Falle war der Kopf äußerst klein, unregelmäßig gestaltet 
und mit Knorpel überdeckt. Fast in der Mitte der Oberfläche des 
Kopfes befand sich eine seichte Vertiefung, welche der Ansatzpunkt 
des Lig. teres zu sein schien. In ihrem zweiten Falle war der 
Schenkelkopf klein und konisch und mit Knorpel überdeckt. Die 
Ansatzstelle des Lig. teres ließ sich deutlich erkennen, wie im 
ersten Falle. In ihrem dritten Falle (lOjähriges Kind mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war der Kopf abnorm klein, seine Ober¬ 
fläche glatt und mit Knorpel überdeckt. Die Ansatzstelle des Lig. 
teres zeigte eine deutliche Verdickung. In einem Falle Kirmis- 
sons (ßjähriges Mädchen mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) 
war der linke Schenkelkopf kegelförmig, während der rechte an 
seiner Innenseite vertieft war und eine dreieckige Form hatte. Seine 
senkrechte Achse war größer als die quere. In einem zweiten Falle 
(12jähriges Mädchen mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war 
der Scbenkelkopf atrophisch und ganz unregelmäßig geformt. Seine 
Oberfläche zeigte eine Unebenheit in starkem Maße, besonders trat 
eine senkrechte Kante hervor, welche zu der Zeit, wo die Luxation 
noch nicht vollständig war, dem hinteren Rande der Pfanne ent¬ 
sprochen zu haben schien. In einem Falle Vroliks (Sjähriges 
Mädchen mit rechtseitiger Hüftgelenkluxation) war die Konvexfläche 
des rechten Schenkelkopfes in eine ebenere verwandelt, und der 
letztere schien die Gestalt eines breiten Kegels angenommen zu 
haben, dessen Spitze sich nahe der Insertion des Lig. teres befand. 
In einem Falle Simonins (11 jähriges Mädchen mit doppelseitiger 
Hüftgelenkluxation) zeigte der Kopf eine gewöhnliche Bildung und 
war mit einem von Synovia benetzten Knorpel bedeckt. Dieser 
schien nur ein wenig abgeplattet an der Stelle, wo er sich auf die 
Fossa iliaca externa stützte. Br ose bemerkte in seinem Falle 


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Hiiyaslii und Matsuoka. 


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(löjähriger Knabe mit recbtseitiger Hüftgelenkluxation), daß der 
Sebenkelkopf klein und mißgestaltet, und daß sein oberer Teil, welcher 
dem oberen Teile der Pfanne entsprach, ohne Knorpelbezug war. ln 
einem Cru veil bi er sehen Falle (18jähriges Mädchen mit linkseitiger 
Hüftgelenkluxation) war der Sebenkelkopf etwas mißgestaltet, ab- 
geflacbt, und weniger voluminös als gewöhnlich, und mit einer 
dünnen Knorpelschicht bedeckt. 

ln den oben erwähnten Beschreibungen bemerken wir, daß 
bei älteren Patienten, vom 2. bis zum 20. Lebensjahre, der Kopt 
bald klein, bald abgeplattet, bald mißgestaltet ist. Die Deformierung 
des Koptes war viel deutlicher bei dieser Gruppe, als bei Föten und 
Kindern, die noch nicht gehen gelernt haben. In sämtlichen Fällen der 
dritten Gruppe war der Knorpel mehr oder weniger zerstört. 

4. Pathologische Anatomie des Schenkelkopfes und des 
oberen Femurendes bei Patienten vom 21.—75. Lebens- 

j a h r e. 

ln einem Falle Holz man ns (22 jähriger Mann mit recht- 
seitiger Hüftgelenkluxation) war der rechte Schenkelkopf sehr 
klein und zeigte eine plane Abplattung. In einem zweiten Falle 
(BOjähriger Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) war der linke 
Schenkelkopf klein und abgeplattet und vom Hals nur undeutlich 
abgesetzt. In einem Weihschen Falle (24jähriges Mädchen mit 
linkseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte der Knorpelüberzug des 
Schenkelkopfes eine Reihe oberflächlicher Defekte in Gestalt flacher 
Mulden und Grübchen, sonst war der Kopf überall intakt. In einem 
Falle Huttons (Bljähriger Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) 
war der linke Kopf klein und konisch geformt; der Knorpelüberzug 
von bläulicher Färbung, zeigte sich dünn und bildete keine gleich¬ 
mäßige oder vollkommene Bedeckung des Kopfes. In einem Falle 
Canto ns (32 jährige Frau mit doppelseitiger Hüftgelenkluxationi 
war der Schenkelkopf mit einer bläulichen dünnen Knorpelschicht 
bedeckt. Im anatomischen Museum der Universität zu Berlin fand 
man ein Präparat von einer 40jährigen Frau mit doppelseitiger 
Hüftgelenkluxation. Die Schenkelköpfe waren ungefähr auf ein 
Drittel ihrer normalen Größe verkleinert, von sehr unregelmäßiger 
Gestaltung und mit unregelmäßig rauher Oberfläche, die eine Art 
von Knorpelüberzug gehabt zu haben schien. In einem Sehreger- 
sehen Falle verhielt sich der laxierte Schenkelkopf selbst in seinen 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 207 


Durchmessern und in seiner Gestalt normal; nur hatte er an den 
Stellen, wo sonst das Lig. teres sich ansetzte, zwei in der Mitte 
durch eine Erhabenheit voneinander getrennte, tiefe, ungleiche, 
jedoch iiberknorpelte Eindrücke. In einem Falle (öOjähriger Mann 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) bemerkte Car noch an keine 
Spur von einem Schenkelkopfe oder -halse an beiden Oberschenkeln. 
Bei einer Greisin (mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) bemerkte er, 
daß die Schenkelköpfe klein waren. Die Stelle, wo sich das Lig. 
teres befestigte, war abgeplattet, und zeigte auf der Oberfläche eine 
dünne Knochenschicht, welche gänzlich vom Knorpel entblößt war, 
und auf deren Oberfläche sich zahlreiche, unregelmäßige Erhebungen 
und Depressionen befanden, die von kleinen Löchern durchbohrt 
waren. Ferner zeigte der Kopf beiderseits ein unförmiges Aus¬ 
sehen und war äußerlich von einer dünnen, brüchigen Knochen¬ 
schale bedeckt, während darunter sich ein schwammiges Knochen¬ 
gewebe befand, welches so weich war, daß es sich zwischen den 
Fingern zerdrücken ließ und nicht einmal dem Drucke einer ge¬ 
wöhnlichen Schreibfeder widerstand. Der Knorpelüberzug war vor¬ 
handen, jedoch nur in sehr geringer Ausdehnung; er endigte scharf 
mit einer grauen Wellenlinie, so daß der Teil des Schenkel¬ 
kopfes, der mit der äußeren Fläche des Darmbeines in Berührung 
war, entblößt blieb. In einem Falle Dollingers (Göjähriger 
Mann mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) waren die Schenkel¬ 
köpfe übernußgroß und von vorn nach hinten ein wenig abgeplattet. 
An der Anheftungsstelle des Lig. teres war der Kopfknorpel in 
der Ausdehnung eines Kreuzers entblößt und mit einer dünnen 
Bindegewebsschicht, im übrigen aber mit Knorpel bedeckt, auf 
dessen Oberfläche kleine warzige Knorpelauswüchse hervortraten. 
Nach Hinsberg (70jährige Frau mit doppelseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) war der rechte Schenkelkopf fast vollständig geschwunden. 
Die dem Darmbeine zugekehrte, abgeflachte Stelle des Femur¬ 
kopfes bestand aus einer höckerigen Knorpelplatte. Die Gestalt 
des linken Kopfes und Halses war im großen und ganzen ähn¬ 
lich, nur noch hochgradiger verändert, wie die des rechten. Ein 
Dupuytrenscher Fall betraf eine 70jährige Frau mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation. Der linke Schenkelkopf war verkleinert, 
etwas abgeflacht, unregelmäßig und ohne eine Spur des Befestigungs¬ 
ortes des Lig. teres, jedoch war er mit Knorpel überzogen, der 
dünner war als gewöhnlich. Der rechte Schenkelkopf, welcher 


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208 


Hayashi und Matsuoka. 


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größer als der linke war, hatte ebenfalls mehr von seiner natür¬ 
lichen Gestalt beibehalten, jedoch war er, wie der linke, nur von 
unvollkommenem Gelenkknorpel überzogen. Bei einer 75jährigen 
Frau mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation fand Bonmariage 
dreieckige, in der Entwicklung zurückgebliebene Schenkelköpfe. 

Aus den oben erwähnten Berichten sehen wir, daß der Schenkel¬ 
kopf in starkem Maße deformiert war. Seine Gestalt zeigte mannig¬ 
faltige Veränderungen, und zwar war er bald abgeplattet, bald nu߬ 
ähnlich, bald dreieckig. In einem Falle verschwand der Kopf voll¬ 
ständig. Der Kopf knorpel war bald zerstört, bald atrophisch. Was 
unseren einen Fall betrifft, so waren die Schenkelköpfe stark 
abgeplattet und atrophisch verkleinert. Der Kopfknorpel verschwand 
größtenteils. Die Ansatzstelle des Lig. teres ließ sich nicht er¬ 
kennen. Das Knochengewebe des Kopfes war morsch und leicht 
zerdrückbar. Die genaue histologische Untersuchung ergab, daß 
der Schenkelkopf größtenteils noch knorpelig war. Die Knorpel¬ 
zellen, von ungleichmäßiger Größe, waren unregelmäßig angeordnet. 
In den Markräumen ließen sich hier und da zerstreute, unregel¬ 
mäßig geformte Knorpelinseln erkennen. 

B. 

1. Stand des Schenkelkopfes beim Fötus. 

in einem Falle (23 cm langer männlicher Fötus mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) fand Graf, daß die Schenkelköpfe dicht 
neben den Pfannen standen. Die Luxation erfolgte beiderseits über 
dem hinteren, oberen Pfannenrand. Rechts stand der Kopf etwas 
höher als links. In einem Falle (28,5 cm langer weiblicher Fötus 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) bemerkte Holzmann, daß 
die Stellung des rechten Schenkelkopfes einer Luxatio supracotv- 
loidea entsprach, und die Vorwölbung einer knorpeligen Kuppel für 
den luxierten Kopf. In einem zweiten Falle (30,5 cm langer Fötus 
mit rechtseitiger Hüftgelenkluxation) befand sich der Schenkel¬ 
kopf auf dem Darmbein in der gedehnten Kapsel. In einem 
dritten Falle (32.5 cm langer weiblicher Fötus mit doppelseitiger 
Hüftgelenkluxation) stand der Kopf auf dem Darmbein. In einem 
vierten Falle (35 cm langer Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) befand sich der Schenkelkopf rechts dicht über und hinter 
der Pfanne in der erweiterten Kapsel, links war der Kopf auf das 
Darmbein luxiert. In einem fünften Falle (Fötus mit linkseitiger 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 209 


Hüftgelenkluxation) zeigte der Kopf dasselbe Bild wie im vierten 
Falle. In einem Falle Tourtuals (7monatiger Fötus von weib¬ 
lichem Geschlecht mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) hatte der 
Kopf die Pfanne nach unten und etwas nach innen und vorn ver¬ 
lassen, so daß er in einer flachen Vertiefung des aufsteigenden Sitz¬ 
beinastes, an der Verbindung desselben mit dem absteigenden 
Schanibeinaste, lag. In einem Falle Grawitz’ (8monatiger Fötus 
von männlichem Geschlecht mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) 
waren die Schenkelköpfe nach oben, rechts mehr nach vorn, links 
mehr nach hinten auf das Darmbein luxiert. In einem zweiten 
Falle (8monatiger Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) 
fehlte die hintere Wölbung der Pfanne, und der Femurkopf stand 
auf einer flachen Knorpelplatte oberhalb und hinter der eigentlichen 
Pfanne. Mercer Adam beobachtete bei einem noch nicht über 
8 Monate alten Fötus, daß der Kopf in einer knorpeligen Höhle 
auf dem Darmbein lag. Cruveilhier (reifer Fötus mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) fand, daß die fibrösen Gelenkkapseln 
sehr erschlafft waren, und die Gelenkköpfe nicht in den Pfannen 
lagen, sondern sich gegen die Darmbeine stützten. 

Aus den oben erwähnten Beschreibungen ersehen wir, daß der 
Kopf am häufigsten auf das Darmbein luxiert war. 

2. Stand des Schenkelkopfe.s bei Kindern, die noch 
nicht gehen gelernt haben. 

In einem Falle Bars (3tägiges Kind männlichen Geschlechts 
mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) stand der Kopf an dem oberen 
Pfannenrand, welcher an dieser Stelle behufs seiner Aufnahme etwas 
vertieft war. Paletta (13tägiges Kind mit doppelseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation) berichtete, daß die beiden Schenkelköpfe außerhalb 
der Pfanne sich befanden, jedoch ohne daß sich eine neue Pfanne ge¬ 
bildet hatte und auf dem Darmbein nahe der Spina iliaca anterior 
inferior standen. In einem Falle (2 ^monatiges Kind) Paris es lag 
der Schenkelkopf auf dem oberen Pfannenrande. 

In den oben erwähnten 3 Fällen stand der Schenkelkopf 2mal 
an dem Pfannenrande und lmal auf dem Darmbein. 

3. Stand des Schenkelkopfes bei Patienten 
vom 2.—20. Lebensjahre. 

In einem Falle Horvaths (2jähriges Kind mit rechtseitiger 
Hüftgelenkluxation) war der Schenkelkopf nach oben und außen 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 14 


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Hayashi und Matsuoka. 


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luxiert und stand in der Höhe der Spina iliaca anterior inferior, und 
zwar am untersten Teile des Darmbeinflügels. Nichols und Brad¬ 
ford fanden, daß in ihren 2 Fällen (4jährige Kinder mit doppelseitigen 
Hüftgelenkluxationen) der Schenkelkopf nach oben vorn luxiert war 
und auf dem Darmbein lag. In ihrem dritten Falle (lOjähriges Kind 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation stand der Kopf oberhalb der 
Pfanne. Im Kirmissonschen Falle (Gjähriges Mädchen mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war der rechte Schenkelkopf auf den 
hinteren Pfannenrand subluxiert, welcher an dieser Stelle vertieft war. 
während sich der linke in einer neugebildeten Gelenkhöhle befand 
und zwar in der Höhe der Spina iliaca anterior superior. In einem 
zweiten Falle (12jähriges Mädchen mit doppelseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) befand sich der Kopf in der neugebildeten Pfanne, welche 
an der hinteren und unteren Fläche der äußeren Darmbeingrube, 
etwas unterhalb der Incisura ischiadica major zwischen dieser und 
der Spina iliaca anterior inferior lag. In einem Falle Vroliks 
(8jähriges Mädchen mit rechtseitiger Hüftgelenkluxation) stand der 
Kopf auf dem hinteren Pfannenrande. Simon ins Fall (lljähriges 
Mädchen mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte das Bild einer 
Luxatio iliaca. Cruveilhierscher Fall (18jähriges Mädchen mit 
linkseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte auch das Bild einer Luxatio 
iliaca. 

In den oben erwähnten Fällen lag der Kopf 5mal auf dem 
Darmbein. In anderen 4 Fällen stand der Kopf bald nach oben 
außen, bald nach vorn, bald nach oben, bald auf dem hinteren 
Pfannenrande. In unserem Falle lag der Scherikelkopf beiderseits 
auf dem Darmbein. 

4. Stand des Schenkelkopfes bei Patienten vom 
21—75. Lebensjahre. 

Weih (21jähriges Mädchen mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) 
fand den Schenkelkopf, "welcher dicht an der Spina iliaca anterior 
inferior stand, oben und ventralwärts. Holz mann (30jähriger 
Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) bemerkte den Kopf an 
der Außenfläche der Spina iliaca anterior inferior. Ein Fall Cantons 
(32jährige Frau mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte das 
Bild einer Luxatio iliaca. In einem Falle Schregers (48jährige 
Frau mit einseitiger Hüftgelenkluxation) schwebte der Schenkelkopf 
hinten über der Pfanne. 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 211 


c. 

1. Die Luxationspfanne beim Fötus. 

Holz mann berichtete, daß bei seinem doppelseitigen Falle 
(28,5 cm langer Fötus) die alte Pfanne, die einen Schenkelkopf von 
einem Drittel der wirklichen Größe eben noch zu fassen vermochte, 
links 4 mm breit war. Rechts waren die Verhältnisse genau die¬ 
selben. In einem zweiten Falle (32,5 cm langer Fötus von weib¬ 
lichem Geschlecht mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) stellte die 
alte Pfanne sich winzig klein dar, ihr oberer Rand war durch einen 
Wulst von der Darmbeinschaufel getrennt. In einem dritten Falle 
(35 cm langer Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte die 
Pfanne eine runde Vertiefung, die rechts etwa 3 mm und links 5 mm 
im Durchmesser maß. In einem vierten Falle (Fötus mit linkseitiger 
Hüftgelenkluxation) fand man einen Spalt, der sich an der Stelle 
befand, wo die Pfanne liegen sollte. Aus diesem Spalt zog das Lig. 
teres. In einem Falle Tourtuals (Tmonatiger weiblicher Fötus mit 
linkseitiger Hüftgelenkluxation) war die Pfanne so eng, daß sie kaum 
noch den vierten Teil des Schenkelkopfes hätte fassen können. Im 
Grawitzschen Falle (8monatiger männlicher Fötus mit doppelseitiger 
Hüftgelenkluxation) waren die beiden Pfannen fast ganz gleichmäßig 
verkümmert und verkleinert. Derjenige Abschnitt der alten Pfanne, 
welcher die dem hinteren Darmbein zugelegene Wölbung gebildet 
hatte, war eingedrückt und durch eine vorspringende Leiste gegen 
eine neugebildete, dem Darmbein angebörende Körperfläche abge¬ 
grenzt. In einem zweiten Falle (8monatiger männlicher Fötus mit 
doppelseitiger Hüftgelenkluxation) lagen die Acetabula an normaler 
Stelle; sie waren sehr eng und die hintere Wölbung fehlte ganz. 
In einem dritten Falle (Fötus mit rechtseitiger Hüftgelenkluxation) 
war die Pfanne rechts stark zusammengedrückt, das Lig. teres kam 
aus der Tiefe eines queren Spalts hervor. Cruveilhier (reifer 
Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) berichtete, daß die 
Gelenkpfannen sehr seicht waren, wie die Gelenkflächen der Schulter¬ 
blätter. MercerAd ams (8monatiger Fötus) fand in seinem Falle, 
daß die alte Pfanne ihre Regelmäßigkeit hatte. 

Aus der oben beschriebenen Literatur ersehen wir, daß die alte 
Pfanne in der fötalen Zeit schon deutlich mißgestaltet war. In 
einigen Fällen fehlte die hintere Wölbung der Pfanne voll¬ 
ständig. 


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Hayashi und Matsuoka. 


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2. Die Luxationspfanne bei Kindern, die noch nicht 
gehen gelernt haben. 

Nach dem Holzmannschen Berichte (Neugeborener mit doppel¬ 
seitiger Hiiftgelenkluxation) war die Pfanne, die einen Schenkelkopf 
von einem Drittel der wirklichen Größe eben noch hätte fassen können, 
beiderseits 4 mm breit. Im Falle Bars (3tägiges Kind männlichen 
Geschlechts mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) hatte die linke 
Gelenkpfanne nicht die gleiche Tiefe wie die der rechten Seite, und 
ihre Ränder waren nicht erhaben. Am oberen Teil der Pfanne, die selbst 
zu flach war, um den Kopf einschließen zu können, war ein Knochen¬ 
rand nicht vorhanden. Nach Parise (lOtägiges Kind) war die Ge¬ 
lenkfläche, deren längerer Durchmesser die Richtung nach oben und 
außen hatte und 16 mm maß, während der kleinere nur 12 min 
hatte, ovalförmig. Die Pfanne schien auf den ersten Blick ungeteilt 
und stark nach oben geneigt zu sein; wenn man diese aber näher 
untersuchte, sah man eine hervorspringende Linie, welche das 
obere und äußere Dritteil von den zwei unteren und inneren Drit- 
teilen trennte. Der Schenkelkopf befand sich unterhalb der ersteren. 
Der Pfannenrand schien einer Art von Ortsveränderung unterworfen 
gewesen zu sein, denn während er an dem oberen und äußeren Teile 
abgeflacht und nach außen gewendet war, war er an der inneren 
Seite um 2 — 3 nun auf die Oeffnung der Gelenkpfanne vorgerückt. 
In einem zweiten Falle (2 ^monatiges Kind) hatte der luxierte Ge¬ 
lenkkopf eine nicht sehr tiefe Depression an dem Pfannenrande be¬ 
wirkt. Im Vrolikschen Falle (7monatiger Knabe mit linkseitiger 
Hüftgelenkluxation) zeigte die Pfanne sich sehr flach. 

In allen oben zitierten Fällen war die Pfanne bald flach, bald 
mißgestaltet. 

3. Die Luxationspfanne bei Patienten vom 
2.—20. Lebensjahre. 

Nach dem Horvath sehen Berichte (2jähriges Kind mit recht¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war die Luxationspfanne oval; ihr 
längerer Durchmesser betrug 22 mm, ihr breiter Durchmesser 15 mm. 
Die Ränder zeigten sich auffallend niedrig und flach. Der Limbus 
war 5 mm, am hinteren Teile 6 mm breit. Derjenige Teil des Hinter¬ 
landes, auf welchem die durch das Lig. teres gebildete kleine Quer¬ 
furche sichtbar war, fand ohne jeden scharfen Uebergang seine 
Fortsetzung in die Pfannengrube, so daß derselbe als Stütze des 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 213 

Schenkelkopfes ganz und gar ungenügend war. In einem Falle 
Schregers (2 V-jähriges Kind mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) 
war die Pfanne beiderseitig abgeflacht. Hoffa fand in einem 
Präparat (3jähriges Kind mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation), daß 
die Stelle der alten Pfanne eine bedeutende Dicke besaß. In einem 
Falle Holzmanns (4jähriges Kind mit rechtseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) zeigte der freie Rand der rechten Pfanne eine erheblich 
weitere Oeffnung als links. Entsprechend dieser Vergrößerung der 
Pfanne war das rechte Schambein 0,5 cm länger als das linke. Die 
Knochenpartien des Pfannenrandes stellten mächtige Wülste dar. 
Die Pfanne zeigte deutlich eine Dreieckform. In einem zweiten Falle 
(-Ojäliriger Mann mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) stellte die 
Pfanne ein Dreieck, wie im ersten Falle, dar. Nichols und Brad¬ 
ford fanden in ihren 3 Fällen (4jähriges Kind mit doppelseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation, 4jähriges Kind mit doppelseitiger Hüftgelenkluxätion 
und lOjähriges Kind mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) dreieckig 
deformierte Pfannen. Kirmisson (Gjähriges Mädchen mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) bemerkte eine dreieckige Gestaltver¬ 
änderung der linken Pfanne. Die Basis des Dreiecks war nach 
innen gegen das Foramen obturatum gerichtet, und die Spitze sah 
nach oben und außen gegen die Spina iliaca anterior inferior. In 
einem zweiten Falle zeigte die Pfannenhöhle die Gestalt eines Drei¬ 
ecks, wie im ersten Falle. Die Basis des Dreiecks war nach oben 
und außen gerichtet. Das Acetabulum zeigte eine beträchtliche 
Dicke und hatte eine vorspringende Knochenleiste an der Becken¬ 
seite. In einem Vroliksehen Falle (Sjähriges Mädchen mit recht¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) hatte die Pfanne auch eine dreieckige 
Gestalt. Auf ihrem hinteren Rande fand sich ein breiter, weicher 
Knorpelüberzug zur Aufnahme des luxierten Schenkelkopfes. Simonin 
fand in seinem Falle (11 jähriges Mädchen mit doppelseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation), daß die Pfanne geringe Tiefe hatte und sehr eng von 
außen nach innen war. Bei Bros« (1 ojäliriger Knabe mit recht¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war die Pfanne oblong gestaltet. Der 
größte Durchmesser der Pfanne, der fast das Doppelte des gewöhn¬ 
lichen Pfannendurchmessers betrug, war von unten und innen nach 
oben und außen gerichtet. Cruveilhier berichtete in seinem Falle 
flSjäbriges Mädchen mit linkseitiger Hüftgelenkluxation), daß die 
Gelenkpfanne verkleinert war und daß ihr Umfang so ziemlich ein 
gleichschenkliges Dreieck bildete, dessen Basis nach oben und dessen 


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Hayashi und Matsuoka. 



abgerundete Spitze nach unten gerichtet war. In einem Falle Thilos 
(20jähriger Mann mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) bestand die 
Pfanne aus einer kleinen dreieckigen Vertiefung. 

In den oben erwähnten 15 Fällen zeigte die Pfanne lOmal eine 
dreieckige Gestalt. In den übrigen Fällen zeigte die Pfanne sieb 
mehr oder weniger abgeflacht. In unserem Falle war die Pfanne 
nach hinten und oben in die Länge gezogen und stellte ein zvvei- 
schenkliges Dreieck dar. 

4. Die Luxationspfanne bei Patienten vom 21.—75. Lebens¬ 
jahre. 

Nach Holzmann (23jähriger Mann mit rechtseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation) zeigte die Pfanne eine ovale Form, welche sich von 
der normalen Stelle der Pfanne nach hinten und oben erstreckte, j 
Im zweiten Falle (SOjähriger Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation» 
stellte sich die Pfanne, die hinten von einem Wulst begrenzt war. 
ohrmuschelförmig dar. Sehr merkwürdig war der Umstand, daß der 
eben genannte hinterste oberste Abschnitt dieses die Pfanne be¬ 
grenzenden Walles niedriger war als der übrige Wulst. Er bildete 
gewissermaßen einen Sattel. Nach Weih (24jübriges Mädchen mit 
linkseitiger Hüftgelenkluxation) war der Pfannenrand fast gänzlich 
geschwunden und nur noch als ganz schmale Leiste erkennbar. Der j 
Knorpel war glatt und glänzend; die Gelenkfläche an der Pfanne ! 
war zum größten Teil von Knorpel entblößt, in der Tiefe war der 
rauhe Knorpel sichtbar. Hutton (31 jähriger Mann mit linkseitiger 
Hüftgelenkluxation) fand in seinem Falle, daß der obere und äußere 
Rand der Pfanne fehlten, die Höhle flach, ihre Oberfläche rauh oder 
uneben, und nirgends mit Knorpel überzogen war. Nach Canton 
(32jährige Frau mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war die Pfanne 
dreieckig geformt und mit der Basis nach außen gerichtet. Bei der 
Untersuchung eines Präparates einer Luxationshüfte im anatomischen 
Museum der Universität zu Berlin (40jährige Frau mit doppelseitiger 
Hüftgelenkluxation) fand man, daß die Pfannen sehr klein und drei¬ 
eckig waren. Der Pfannengrund wurde nicht von Knochenmasse 
ausgefüllt, derselbe war vielmehr glatt und der Boden der Pfanne 
sehr dünn. Nach oben und außen fanden sich Ablagerungen von 
Knochen, von denen namentlich diejenigen auf der linken Seite un¬ 
gefähr die Gestalt einer menschlichen Ohrmuschel hatten, mit einem 
nach unten und außen gerichteten, breiteren Teile; sie begannen an der 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 215 


Spina ilei anterior inferior und verliefen nach unten und außen bis 
1 1 cm von der Incisura ischiadica major entfernt. In einem Präparate 
einer Hüfte im Museum Dupuytrens (46jähriger Mann mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war die Gelenkpfanne von dreieckiger 
Gestalt, in ihrer Ausdehnung und Tiefe beträchtlich verkleinert. Der 
Knorpelüberzug fehlte gänzlich. Nach Schreger (48jährige Frau 
mit einseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte die Pfanne eine längliche, 
flache Grube, die nach hinten eng, spitzig geschlossen, nach vorn, 
gegen das Foramen ovale zu, offen und breit war. Nach Carnochan 
(GOjähriger Mann mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war statt 
der Pfanne nur eine kleine Depression sichtbar, welche den Eingang 
einer kontrahierten Höhle bildete, die von einer weichen, halb¬ 
knöchernen Ablagerung ausgefüllt war. Diese letztere war leicht 
mit der Sonde zu durchbrechen, man gelangte dann auf den wirk¬ 
lichen Pfannenrand. In einem zweiten Falle (eine Greisin mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) fand man statt einer runden Höhlung 
eine dreieckige Depression. Der obere und untere Rand dieses Drei¬ 
ecks war ziemlich gleich lang, der innere jedoch kürzer und zeigte 
eine Ausbiegung, welche wahrscheinlich ein Ueberbleibsel der Incisura 
acetabuli war. Nach Dollinger (65jähriger Mann mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) bildeten die Pfannen abgestumpfte Drei¬ 
ecke. Nach Hinsberg (70jähriges Weib mit doppelseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation) zeigte die Pfanne beiderseits eine tiefe Grube, die 
bequem das Endglied des Daumens aufnahm, nachdem man die aus¬ 
füllenden Fettmassen entfernt hatte. Beide waren von dreieckiger 
Form, an der Spitze, die nach oben stand, waren sie am tiefsten, 
die vordere und hintere Wand fielen steil ab, während nach unten 
zu die Grube immer flacher wurde. Vom Knorpel war nirgends 
mehr eine Spur vorhanden. Nach Vrolik (70jährige Frau mit 
linkseitiger Hüftgelenkluxation) zeigte die Pfanne ein fast gleich¬ 
schenkliges Dreieck, es war fast nichts von dem Labrum cartilagineum 
mehr vorhanden, ebensowenig von dem Gelenkkopfe. Die ganze 
Oberfläche der Pfanne war rauh und uneben und mit Fett aus¬ 
gefüllt. Nach Dupuytren (74jähriger Mann mit doppelseitiger 
Hüftgelenkluxation) war die linke Pfanne fast oval, sehr flach, rauh 
und mit einer gelben Fettmasse angefüllt. Auf der rechten Seite war 
die Pfanne etwas größer, das Innere derselben hatte jedoch dasselbe 
Aussehen wie auf der anderen Seite. 

In den oben zitierten 14 Fällen stellte die Pfanne 7mal ein 


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Hayashi und Matsuoka. 


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Dreieck dar. In den übrigen war die Pfanne im großen und ganzen 
verstrichen. In vielen Fällen war der Pfannenrand in starkem Maße 
deformiert. 


D. 

Die Pfannenneubildung. 

Bei einem 8monatigen Fötus fand Mercer Adam schon die 
Neubildung einer knorpeligen Höhle auf dem Darmbein. Im ersten 
Falle Kirmissons (üjähriges Mädchen mit doppelseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation) bemerkte man links in der Höhe der Spina iliaca 
anterior superior die neugebildete Gelenkhöhle, die von einem ziem¬ 
lich dünnen, verfilzten Bindegewebe gebildet wurde. In einem zweiten 
Falle (12jähriges Mädchen mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) be¬ 
merkte man drei Höhlen hintereinander liegen, welche gewissermaßen 
drei Entwicklungsstufen darstellten, welche die Luxation durchlaufen 
hatte, die erste Höhle, die am meisten nach innen und unten lag. 
war die alte Pfannenhöhle. Die zweite, mittlere Höhle lag auf 
einem reichlich entwickelten, sehr dicken, fibrösen Gewebe. Sie hatte 
die Form einer kleinen Tonne, die in der Mitte etwas breiter, an 
dem Ende dagegen schmäler war. Ueber dieser Höhle befand 
sich die dritte, die in ihren sämtlichen Merkmalen von der 
vorliegenden ganz verschieden war. Dieselbe paßte sich genau der 
Form des Kopfes an und war unregelmäßig. An der Außenseite 
der Spina iliaca anterior inferior bemerkte Holzmann (30jäbriger 
Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) eine seichte Grube von 
2—3 cm Durchmesser, in der der Schenkelkopf ruhte. Bei der Unter¬ 
suchung eines Präparates im anatomischen Museum der Universität 
zu Berlin (40jährige Frau mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) 
fand man eine Grube nach oben und außen von der Spina iliaca 
anterior inferior. In einem Falle Carnochans (eine Greisin mit 
doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war eine ovale Depression vor¬ 
handen, von ungefähr V 8 cm Tiefe in der Mitte, die auf Kosten des 
Darmbeins ausgehöhlt war. Die neue Depression fand sich auf der 
äußeren Fläche des Darmbeins, vor dem oberen Teile der Incisura 
ischiadica. An dieser Stelle wurde der Knochen bloßgelegt und das 
Darmbein schien fast durchbohrt zu sein. Es fand demnach keine 
neue Knochenablagerung zur Bildung einer neuen Pfanne statt. Vrolik 
(70jährige Frau mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) fand eine neu 
gebildete Grube nach oben und außen von der Pfanne. In einem 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 217 


doppelseitigen Luxationsfalle (74jähriger Mann) fand Dupuytren 
links vor der Incisura ischiadica eine breite, flache Depression, die 
von einem dicken, glänzenden Periost ausgekleidet war; auf dieser 
Fläche lag der Schenkelkopf. Rechts fand er vor der Incisura 
ischiadica, und beinahe in gleicher Höhe mit dem Raume zwischen 
den beiden Spinae ilei anteriores, eine breite, tiefe Depression mit 
einem knöchernen Rande, der stark ausgeprägt, rauh und unregel¬ 
mäßig war. 

In den oben zitierten 8 Fällen bemerkten wir schon beim Fötus 
die Bildung einer neuen knorpeligen Höhle, in der der Schenkel¬ 
kopf lag. In den übrigen Fällen, und zwar bei Erwachsenen, stellte 
sich eine neue Pfannenbildung dar, mit Ausnahme eines Falles Kir- 
missons, in dem zwei vertiefte Gruben auf dem Darmbein sich 
befanden. 

E. 

1. Der Schenkelhals beim Fötus. 

Bei einem Fötus (23 cm lang) fand Graf einen steil gestellten 
Schenkelhals, und zwar mit einem Winkel 131° rechts und 139 c> 
links. Mercer Adam bemerkte in seinem Falle (Smonatiger Fötus), 
daß der Schenkelhals fast horizontal stand. 

2. Der Schenkelhals bei Kindern, die noch nicht gehen 

gelernt haben. 

In einem Falle Bars (3tägiges Kind männlichen Geschlechts 
mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) war der linke Schenkelhals so gut 
wie gar nicht vorhanden. Der linke Kopf schien direkt in das Ober¬ 
schenkelende überzugehen, wobei die Achsen von Kopf und Hals 
etwas einen rechten Winkel bildeten. In einem Grawitzsehen 
Falle (21tägiges Kind männlichen Geschlechts mit doppelseitiger 
Hüftgelenkluxation) war der Halsteil nur andeutungsweise vorhanden. 

3. Der Schenkelhals bei Patienten vom 2. —20. Lebens¬ 

jahre. 

Horvath bemerkte in einem Falle (2jähriges Kind mit recht¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation), daß der Schenkelhals an der kranken 
Seite schlanker war, im übrigen hingegen im Vergleiche mit dem 
Schenkelknochen der normalen Seite keine auffallende Abweichung 
zeigte. In einem Falle Gochts (4jähriges Mädchen mit rechtseitiger 
Hüftgelenkluxation) erschien der Schenkelhals vorn verlängert, hinten 


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Hiiyjishi und Matsuoka. 


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dagegen stark verkürzt. Von oben gesehen, machte der Hals den 
ausgesprochenen Eindruck einer Retroversion. Betrachtete man da¬ 
gegen sein Richtungsverhältnis zur Querachse der unteren Femur- 
kondylen, so bestand tatsächlich eine Anteversion. Die Verdrehung 
lag dabei im mittleren und oberen Femurschafte. Holz mann fand 
in einem Falle (4jähriges Kind mit rechtseitiger Hüftgelenkluxation i 
einen kurzen Femurhals. In einem zweiten Falle (20jähriger Mann 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) fiel am rechten Femur auf. 
daß sein Hals gegen den Schaft einen viel zu großen Winkel offen 
ließ, so daß die Achsen beider Abschnitte fast eine gerade Linie 
bildeten, doch sprang der Hals nach vorn und medianwärts vor. 
Nichols und Bradford bemerkten in ihrem ersten Falle (4jährige$ 
Kind mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation), daß der Schenkelhals 
deutlich verkürzt und lateralwärts gerichtet war. Der Halswinkel 
maß 100°. In ihrem zweiten Falle (4jähriges Kind mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war der Hals kurz und der Halswinkel 
maß 110°. In einem dritten Falle (lOjähriges Kind mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) schien der Hals viel kleiner zu sein als 
der normale. Der Halswinkel maß 105°. 

In unserem Falle bemerkten wir beiderseits das Bild einer Ante¬ 
version des Halses, kombiniert mit der Spiraldrehung des oberen 
Femurteils. Der Schenkelhalswinkel maß beinahe 8(3°. 

4. Der Schenkelhals bei Patienten vom 21.—7 5. Lebens- 

j a h r e. 

Nach Weih (2 Ijähriges Mädchen mit linkseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) war der Schenkelhals deutlich verkürzt, und zwar um 2 mm, 
er hatte dabei nach Breite und Dicke so bedeutend zugenommen, 
daß er ungemein plump aussah. In einem Falle Huttons (ti 1 jähriger 
Mann mit linkseitiger Ilüftgelenkluxation) war die Achse des Schenkel¬ 
halses und -kopfes von dem Mittelstück des Knochens nach obeu 
und innen gerichtet. Bei der Untersuchung eines Präparates im 
anatomischen Museum der Universität zu Berlin fand man, daß die 
Schenkelköpfe auf den bedeutend verkürzten, horizontal stehenden 
Schenkelhälsen saßen, so daß die Spitze des großen Trochanters den 
höchsten Teil der Schenkelköpfe überragte. Nach Joachimstkal 
(47jähriger Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) war der 
Schenkelhals sagittal gestellt. Nach Carnochan (60jähriger Mann 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war der Schenkelhals kürzer 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 219 


und dünner als im Normalzustände und bildete mit der Femur- 
diapliyse einen rechten Winkel. 

Aus der oben besprochenen Literatur wissen wir, daß der 
Schenkelhals im fötalen Stadium eine deutliche Veränderung des 
Halswinkels zeigte. Der Hals war bald steil, bald horizontal ge¬ 
stellt. Bei den Kindern war der Schenkelhals verkürzt und verbogen, 
ln einem Falle fehlte dör Schenkelhals gänzlich. Bei den Patienten 
vom 2.—20. Lebensjahre war der Schenkelhals bald schlank, bald 
verkürzt. Bei den Erwachsenen nahmen die Deformitäten allmählich 
zu. Ferner war der Hals bald nach vorn, bald nach hinten gedreht. 

F. 

1. Ligamentum teres beim Fötus. 

In 4 Fällen Holzmanns (28,5 cm langer männlicher Fötus 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation, 30,5 cm langer Fötus mit 
rechtseitiger Hüftgelenkluxation, 32,5 cm langer weiblicher Fötus 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation, und 35 cm langer Fötus mit 
doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war das runde Band länger als 
normal. Turtual (7monatiger weiblicher Fötus mit linkseitiger 
Hüftgelenkluxation) fand, daß das Lig. teres am Kopfe abgerissen 
war und aus der Pfanne hervorragte. In einem Falle Grawitz’ 
(Smonatiger männlicher Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) 
war das runde Band in eine Platte verwandelt. Das rechte maß 8 mm 
und das linke 12 mm. In einem zweiten Falle (8monatiger Fötus 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) hatten die beiden runden 
Bänder eine Länge von 6 mm und zeigten sich flach. In einem 
dritten Falle (Fötus mit rechtseitiger Hüftgelenkluxation) war das 
runde Band links kurz und straft* und rechts auf 0 mm verlängert. 

Das Ligamentum teres bei Kindern, die noch nicht 
gehen gelernt haben. 

In einem Falle Bars (3tägiges Kind männlichen Geschlechts 
mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) ergab sich, daß das linke 
Lig. teres ebenso dick, aber länger war, wie das der rechten Seite. 
In einem Falle Parises (lOtägiges Kind) war das Lig. teres etwas 
länger als im Normalzustände. In einem zweiten Falle (2 1 ( i»mona- 
tfges Kind) war das Lig. teres wie im Normalzustände inseriert, 
'ehr stark und verlängert und hatte eine Länge von 22 nun. Nach 
Paletta (13tägiges Kind mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war 


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Hayashi und Matsuoka. 


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das Lig. teres überall frei, inserierte mit seinem einen breiteren 
Ende auf dem Schenkelkopfe und war mit seinem anderen Ende in 
der Tiefe der Pfanne mit Fett vermischt. Es war übrigens länger 
als im Normalzustände. 

3. Das Ligamentum teres bei Patienten vom 2. bis 

20. Lebensjahre. 

Nach Horvath (2jähriges Kind mit rechtseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) war das Lig. teres verlängert. Schreger (2 V* jähriges 
Kind mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) berichtete, daß das 
rechte Lig. teres um 2 mm länger als das linke war. Jenes war 
entzündlich stark gerötet, und die Synovialhaut erschien ringsum in 
dem Winkel, wo sie an dem Kopf anlag, nebst den Falten, welche 
sie hie und da bildete, in ihrem Parenchym durch kleine Blut¬ 
extravasate gefärbt und mit roten Gefäßen durchwebt. Holz¬ 
mann fand in seinem ersten Falle (4jähriges Kind mit rechtseitiger 
Hüftgelenkluxation) ein Lig. teres. In einem zweiten Falle (20jäh- 
riger Mann mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war es auf 
7 cm verlängert. Nichols und Bradford (4jähriges Kind mit 
doppelseitiger Hüftgelenkluxation) bemerkten anstatt des wirk¬ 
lichen Lig. teres einen dünnen fibrösen Rand, welcher sich von 
der Depression auf dem Schenkelkopfe bis zum vorderen Teile der 
inneren Fläche der Kapsel festsetzte. In einem Falle Kirmissons 
(6jähriges Mädchen mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) fehlte 
das rechte Lig. teres gänzlich. In einem zweiten Falle (12jähriges 
Mädchen mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) fehlte das Lig. teres. 
Nach Vrolik (Sjähriges Mädchen mit rechtseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) waren von dem Lig. teres nur einzelne, an dem Schenkel¬ 
kopfe befestigte Reste vorhanden. Simon in (lljähriges Mädchen 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) fand, daß das Lig. teres sehr 
verlängert war. Es bildete ein plattes Band, dessen Enden sich an 
den gewöhnlichen Stellen festsetzten. Br ose (löjähriger Knabe 
mit rechtseitiger Hüftgelenkluxation) fand in seinem Falle das noch 
erhaltene Lig. teres; es hatte die doppelte Länge. Nach Cru- 
v eil hi er (1 Sjähriges Mädchen mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) 
war das Lig. teres 3—4mal so lang als gewöhnlich. Nach R. Adams 
(lOjähriger Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) war das Lig- 
teres 3 cm lang und viel dicker als gewöhnlich. In unserem Falle 
fehlte das Lig. teres an beiden Seiten vollständig. 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 221 


4. Das Ligamentum teres bei Patienten vom 21. bis 
75. Lebensjahre. 

Nach Weih (24jähriges Mädchen mit linkseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) hatte das Lig. teres eine Länge von 3,2 cm. Es entsprang 
nämlich in der Mitte des Pfannengrundes, und zwar war es mit 
seinem Ansatzpunkt in distaler und ventraler Richtung verschoben. 
Hut ton (31 jähriger Mann mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) be¬ 
richtete, daß das Lig. teres von ungewöhnlichen Dimensionen war, 
nämlich mehr als 4 cm lang, von gelblicher Farbe, und ebenso 
dick wie die Achillessehne nahe am Calcaneus. Nach Schreger 
(48jährige Frau mit einseitiger Hüftgelenkluxation) fehlte das 
Lig. teres gänzlich. Carnochan (GOjähriger Mann mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) bemerkte, daß das Lig. teres entweder 
mit dem starken Ligamente verschmolzen oder ganz verschwunden 
war. In einem zweiten Falle (eine Greisin mit doppelseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation) fand man keine Spur vom Lig. teres. Nach Hins- 
berg (70jährige Frau mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) war 
vom Lig. teres auf beiden Seiten weder am Kopfe noch in der alten 
Planne eine Spur zu entdecken. Nach Dupuytren (74jähriger 
Mann mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) fehlte das Lig. teres 
vollständig. 

In den oben zitierten 32 Fällen fanden wir, daß das Lig. teres 
schon in der fötalen Zeit bald zerrissen, bald verlängert, bald ver¬ 
dickt war. Bei den Kindern, die noch nicht gehen gelernt haben, 
war das Lig. teres in vielen Fällen verlängert. Bei den Patienten 
vom 2.—20. Lebensjahre zeigte sich das Lig. teres bald verlängert, 
bald verdickt, bald verschwunden, bald fibrös entartet. Bei den 
Erwachsenen war das Lig. teres bald verlängert, bald vernichtet. 

G. 

1. Die Ausfüllung der Pfanne beim Fötus. 

Nach Grawitz (8monatiger männlicher Fötus mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) und Mercer Adam (8monatiger Fötus) 
war die Pfanne mit Fettgewebe erfüllt. In einem Falle Grafs 
(-3 cm langer männlicher Fötus mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) 
war die Pfanne durch ein plattes Gebilde gedeckt, das vom vorderen 
Pfannenrande entsprang und wahrscheinlich das Ligamentum teres 
darstellte. 


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222 


Hayushi und Matsuoka. 


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2. Die Ausfüllung der Pfanne bei Kindern, die noch 

nicht gehen gelernt haben. 

In dem einen Falle Parises (lOtägiges Kind) war der Pfannen¬ 
grund von einer kleinen karrnoisinroten Geschwulst eingenommen, 
die auf dem Durchschnitt eine gleichmäßige Struktur von speckiger 
Konsistenz zeigte. Diese Geschwulst, welche augenscheinlich durch 
Hypertrophie des Fettgewebes in der Pfanne entstanden war, hatte 
3—4 mm Dicke, bedeckte einen Teil der knorpeligen Oberfläche der 
Pfanne. In einem zweiten Falle (2 ^smonatiges Kind) war das 
Fettgewebe in dem Grunde nicht hypertrophisch, die Pfanne war mit 
Synovia angefüllt, welche sich beim Einschneiden der Kapsel in 
größerer Menge als im Normalzustände daraus ergoß. Ihr Rami 
w'ar mit einem fibrösen Wulst besetzt, der zum Teile die alte Pfanue 
bedeckte und hinderte, daß der Schenkelkopf bis auf den Grund 
derselben gelangen konnte. 

Paletta (13tägiges Kind) berichtete, daß der innere und 
vordere Teil der Pfanne durch ein querlaufendes Band, welches eine 
Vergrößerung des die Incisura acetabuli verschließenden Bandes zu 
sein schien, ausgefüllt war. Der andere Teil der Pfanne, nämlich 
der hintere, war zwar frei und durch keine Membran geschlossen, 
aber eine aus der Gelenkhöhle hervorgewachsene Masse, von dein 
Ansehen dichten Fettes, nahm die ganze Gelenkpfanne ein. 

3. Die Ausfüllung der Pfanne bei Patienten vom 2. bis 

20. Lebensjahre. 

Nach Horvath (2jähriges Kind mit recbtseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) war der Fundus des luxierten Gelenks, besonders der Au- 
haftungsort des Lig. teres, mit einem bräunlichgrau gefärbten Binde¬ 
gewebe ausgefüllt, so daß der Pfannenrand kaum über die Grube 
ragte. Nach Nichols und Bradford war die Pfanne in ihren 
beiden Fällen (4jährige Kinder mit doppelseitiger Hüftgelenkluxationi 
mit einem dichten fibrösen Gewebe erfüllt. In einem Falle Kir- 
missons (fijähriges Mädchen mit rechtseitiger Hüftgelenkluxationi 
vvar die Pfannenhöhle normal und zum Teil mit Fettmassen aus¬ 
gefüllt. Nach Vrolik (8jähriges Mädchen mit recbtseitiger Hüft- 
gelenkluxation) war die Pfanne zum größten Teile von einer glatten, 
gelben, gefäßreichen Masse ausgefüllt, die sich als eine Hypertrophie 
der sog. Haversschen Drüse ergab. Cruveilhier (18jährige? 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 223 

Mädchen mit linkseitiger Hüftgelenkluxation) fand in seinem Falle 
eine mit einer großen Quantität Fettgewebe angefüllte Pfanne. Nach 
dem Berichte R. Adams’ (19jähriger Mann mit linkseitiger Hüft¬ 
gelenkluxation) war die Pfanne, welche eine Haverssche Drüse ent¬ 
hielt, noch mit einem Knorpelüberzuge bekleidet. In unserem Falle 
war das Pfannencavum mit bindegewebiger Masse angefüllt. 

4. Die Ausfüllung der Pfanne bei Patienten vom 21. bis 

75. Lebensjahre. 

In einem Falle Weihs (24jähriges Mädchen mit linkseitiger 
Hüftgelenkluxation) fand sich eine geringe Menge von Fettgewebe 
im Grunde der Pfanne. Hutton (31jähriger Mann mit linkseitiger 
Hüftgelenkluxation) berichtete, daß in der Pfanne das Fett- und Ge¬ 
fäßgewebe, welches als Haverssche Drüse bezeichnet wurde, in ziem¬ 
lich großer Quantität vorhanden war. Nach Canton (32jährige Frau 
mit doppelseitiger Hüftgelenkluxation) und Schreger (48jährige 
Frau mit einseitiger Hüftgelenkluxation) war die Pfannenhöhle fast 
ganz mit Fett ausgefüllt. Carnochan (eine Greisin mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) bemerkte, daß die Substanz, durch welche 
die Pfanne ausgefüllt war, der gewöhnlich auf dem Boden der 
Pfanne liegenden Haverssche Drüse genannten Fettmasse ähnlich 
war. In einem Falle Dollingers (65jähriger Mann mit doppel¬ 
seitiger Hüftgelenkluxation) war die Pfanne anstatt mit Knorpel mit 
einer dünnen Schicht lockeren Bindegewebes überzogen, und neben 
und unter dem Querbande des Pfannenabschnittes war ein etwa 
haselnußgroßes Stück Fettgewebe zu sehen. Nach Dupuytrens 
Untersuchungen (74jähriger Mann mit doppelseitiger Hüftgelenk¬ 
luxation) war die Pfanne mit einer gelben Fettgewebsmasse aus¬ 
gefüllt, welche fast so flüssig wie Oel war. 

In den oben zitierten 21 Fällen war der Pfanneninhalt meistens 
Fettgewebe. 

Aetiologie. 

Ueber die Art der Entstehung der angeborenen Hüftgelenk¬ 
luxation finden wir eine Menge Theorien. Doch sind wir heute 
noch nicht völlig klar darüber, welches die Ursachen der angeborenen 
Hüftluxation sind. 

Als Ursache der angeborenen Hüftluxation werden angesehen: 
1. Traumen, 2. Gelenkleiden, 3. Muskelretraktion, die selbst wieder 


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Hayaahi und Matsuoka. 


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die Folge einer Störung ira Zentralnervensysteme ist, 4. fötale Para¬ 
lyse der vom Becken zum Trochanter major ziehenden Muskeln, 
5. intrauterine Belastung, 6. anthropologische Ursachen, 7. Bildungs¬ 
fehler des Hüftgelenks, welche die normale Gestaltung der Pfanne 
und des Schenkelkopfes verhindern. 

In den oben zitierten gesamten Sektionsfallen scheint die Ur¬ 
sache der Luxation ein vitium primae formationis zu sein, wie es 
schon vor mehr als 100 Jahren Paletta angegeben hatte. Wir 
bemerkten schon die Formveränderungen der das Hüftgelenk bilden¬ 
den Knochenteile beim Fötus. Nach und nach nahmen die Deformi¬ 
täten der Gelenkteile zu, und zwar bis zum gänzlichen Verschwinden 
des Kopfes und zur völligen Planierung der Pfanne. Wir fassen 
die anatomische Veränderung des Kopfes und der Pfanne als die 
primäre Ursache dieses Leidens auf, und später entsteht die Luxation 
sekundär durch andere Momente, z. B. Uterusdruck usw. 


Literatur. 

Barth, Ein Fall von angeborener Knie- und Hüftgelenkverrenkung. Archiv 
f. klin. Chir. Bd. 31, H. 3, S. 670. 

Brunn, Chirurgische Krankheiten des Oberschenkels und der Hüftgelenk* 
gegend. Deutsche Chir. 1910, Lief. 66, S. 478. 

Conrads, Ueber Luxatio femoris congenita. Diss. Würzburg 1885. 

Doliinger, Die angeborene Hüftverrenkung. Archiv f. klin. Chir. 1877. 
Bd. 20, S. 622. 

Gocht, Anatomische Untersuchungen aus dem Bereiche des kongenital ver¬ 
renkten Hüftgelenks. Zeitsehr. f. orthop. Chir. 1905, Bd. 14, S. 644. 

Ders., Weitere pathologisch-anatomische Untersuchungen aus dem Bereiche 
des kongenital verrenkten Hüftgelenks. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1908, 
Bd. 22, S. 252. 

Graf, Anatomische Untersuchungen an Becken und Hüftgelenken von Föten 
und Neugeborenen. Beitr. z. klin. Chir. 1909, Bd. 64. S. 152. 

Grawitz, Ueber die Ursachen der angeborenen Hüftgelenkverrenkungen. 
Virchows Archiv 1878, Bd. 74, S. 1. 

Gr euer, Ueber Arthritis deformans bei kongenitaler Hüftgelenkluxation. Diss. 
Halle 1907. 

Gurlt, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Gelenkkrankheiten. Berlin 
1853, S. 283. 

Hart mann. Ein seltener Befund hei kongenitaler Ilüftgelenkluxation. Archiv 
f. klin. Chir. 1907, Bd. 82, S. 203. 


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Untersuchungen d. Knochengerüste der kongenital verrenkten Hüftgelenke. 225 


Hinsberg, Beiträge zur Anatomie der kongenitalen Hüftgelenkluxation. 
Zeitschr. f. orthop. Chir. 1898, Bd. 6, S. 86. 

Hoffa, Pathologisch-anatomische Demonstration zur Operation der angeborenen 
Hüftgelenkverrenkung. Verh. des 23. deutschen Chirurgenkongr. 1894, 
Teil I, S. 21. 

Heusner, Ueber Ursachen, Geschichte und Behandlung der angeborenen Hüft- 
luxation. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1898, Bd. 5, S. 276. 

Hohmann, Zur Diagnose und Pathologie der Antetorsion und Retrotorsion 
bei der kongenitalen Hüftverrenkung. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1910, 
Bd. 25, S. 157. 

Holz mann, Die Entstehung der kongenitalen Luxationen der Hüfte und des 
Knies und die Umbildung der luxierten Gelenkteile. Yirchows Archiv 
1895, Bd. 140, S. 272. 

Horvath, Beiträge zur Pathologie und Therapie der angeborenen Hüftverren¬ 
kung. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1908, Bd. 22, S. 441. 

Joachimsthal, Beiträge zum Verhalten des Hüftgelenks bei der angeborenen 
Verrenkung. Archiv f. klin. Chir. 1901, Bd. 65, S. 1. 

Oers., Verh. des 30. deutschen Chirurgenkongr. 1901, S. 697. 

Kerner, Ueber die Form des Beckens bei Luxatio coxae congenita bilateralis. 
Zeitschr. f. orthop. Chir. 1906, Bd. 17, S. 325. 

Kirmi8son, Lehrbuch der chirurgischen Krankheiten angeborenen Ursprungs. 
(Ins Deutsche Übersetzt von Deutschländer.) Stuttgart 1899, S. 487. 

Kockel, Demonstration eines weiblichen Beckens mit angeborener Hüftluxation. 
Schmidts Jahrbücher 1896, Bd. 249, S. 80. 

Krönlein, Die Lehre von den Luxationen. Deutsche Chir. 1882, Lief. 26, S. 82. 

Leopold, Ueber die Veränderung der Beckenform durch einseitige angeborene 
Hüftluxation. Schmidts Jahrbücher 1874, Bd. 163, S. 251. 

Lorenz und Reiner, Die angeborene Hüftverrenkung. Handb. d. orthop. Chir. 
(Joachimsthal) Bd. 2, S. 65. Jena 1905—1907. 

Malgaigne, Die Knochenbrüche und Verrenkungen. Deutsch bearbeitet von 
Dr. C. G. Burger, Bd. 2. Stuttgart 1856. 

Mühlenbrock, Ueber den Einfluß der einseitigen kongenitalen oder er¬ 
worbenen Hüftgelenkluxation auf das knöcherne Becken. Diss. Würz¬ 
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Nichols and Bradford, The surgical anatomy of congenital dislocation of 
the hip-joint. Amer. journ. of the med. Sciences June 1900. 

Parise, Historische, physiologische und pathologische Untersuchungen über 
den Mechanismus der freiwilligen Verrenkungen des Hüftgelenks. 
Schmidts Jahrbücher 1843, Bd. 40, S. 74. 

l’ravaz, Ueber Luxatio spontanea femoris. Schmidts Jahrbücher 1847, Bd. 56, 
S. 338. 

Lers., Traite theorique et pratique des luxations congenitales du femur suivi 
d'un appendice sur la prophylaxie des luxations spontanees. Schmidts 
Jahrbücher 1848, Bd. 57, S. 247. 

Siiinton, Etüde sur l’anatomie de la handle chez Penfant et sur la pathogenie 
de la luxation congenitale du femur. Zentralbl. f. Chir. l w 93, Bd. 20, 
S. 1054. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 15 


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226 Hayashi und Matsuoka. Untersuchungen der Knochengerüste usw. 


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Schanz, Der Stand des Schenkelkopfes bei der angeborenen Hüftverrenkung 
und dessen Bedeutung für die Lehre von der Aetiologie der angeborenen 
Hüftverrenkung. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1900, Bd. 7, S. 534. 

Thilo, Angeborene Hüftverrenkung. Präparat einer Zwanzigjährigen. Zeitschr. 
f. orthop. Cbir. 1908, Bd. 21, S. 204. 

Vogel, Zur Aetiologie und pathologischen Anatomie der Luxatio coxae con¬ 
genita. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1905, Bd. 14, S. 132. 

Weih, Ueber den anatomischen Befund bei kongenitaler Luxation des Hüft¬ 
gelenkes. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1909, Bd. 24, S. 214. 

Wolff, Die Lehre von der funktionellen Pathogenese der Difformitaten. Archiv 
f. klin. Chir. 1896, Bd. 53, S. 831. 


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XIV. 


Ein automatischer Fixationsapparat für das 

Kniegelenk. 

Von 

Dr. Ejnar Nyrop, Kopenhagen. 

Mit 3 Abbildungen. 


Zur Auslösung der Haken, welche das Kniegelenk auf einem 
Schienenhülsenapparat fixiert halten, haben wir früher einen Bügel vorn 

Fig. 1. Fig. 2. 



über dem Knie verwandt. Dieser Bügel war erstens nicht schön (spe¬ 
ziell bei Männern), zweitens mußte er mit der Hand bedient werden. 


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228 Nyrop. Ein automatischer Fixationsapparat für das Kniegelenk. 



I 


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Indem ich eine Aenderung in der Anbringung der Haken 
(analog mit Calots und Hoffas [Schanz 1 Handbuch Fig. 1080] 
Apparaten) vorgenommen und den Bügel hinter das Knie¬ 
gelenk gelegt habe (Fig. 1), erreichte ich eine automatische 
Auslösung der Fixation, welche sich als ganz vorzüglich erwiesen 

hat und fast lautlos wirkt. Die Auslösung 
geschieht in dem Augenblick, in welchem sieb 
der Patient setzt; der Bügel wird nämlich,, 
indem er den Stuhl berührt, gegen den 
Oberschenkel gedrückt und bewirkt damit 
die Auslösung der Haken. Auf Fig. 2 sieht 
man, wie der Bügel liegt, wenn der Pa¬ 
tient sitzt; wenn er aufsteht, bewirken zwei 
kleine Federn, daß die Haken wieder ein- 
springen. 

Zu gleicher Zeit will ich die Aufmerk¬ 
samkeit auf den in Fig. 3 abgebildeten, 
sicher von Amerika stammenden Apparat 
hinlenken. Der Apparat hat den großen 
Vorteil, daß man ihn anbringen kann, fast ohne daß man ihn 
sieht, und daß er viel kräftiger und exakter als Gummizüge wirkt. 
Ich habe den Apparat mit sehr gutem Erfolg bei verschiedenen 
Formen von Pes paralyticus, bei Kindern sowohl wie bei Erwach¬ 
senen, benutzt; er läßt sich sehr leicht auf einem Schienenhülsen¬ 
apparat, wo man, wie in Fig. 2, die Fußkapsel durch einen Bügel 
im Stiefel ersetzt hat, anbringen. 



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XV. 


Aus der orthopädischen Klinik in Rungsted (Dr. Ejnar Nyrop). 

Behandlungsmethoden 
der Deformitäten der Wirbelsäule. 

Von 

Dr. Ejnar Nyrop, Kopenhagen. 

Mit 26 Abbildungen. 

In den letzten Jahren habe ich bei sowohl klinisch als auch 
ambulant behandelten Patienten mit Spondylitis Gelegenheit ge¬ 
habt, Calots Methode der allmählichen Redression des Gibbus zu 
verwenden. 

Die Technik und die Grundgedanken der Behandlung sind 
sicher so allgemein bekannt, daß ich sie hier nicht weiter zu er¬ 
örtern brauche. Bei den Patienten, die ich unter Beobachtung 
behalten und weiter behandeln konnte, habe ich Calots Verfahren 
als ein außerordentlich rationelles und praktisches kennen gelernt. 
Zu der Behandlung gehört aber in der Regel außer der speziellen 
Bandagenbehandlung eine klinische Behandlung unter möglichst 
guten hygienischen Verhältnissen. 

Als ich vor einigen Jahren vor der Aufgabe stand, mir eine 
Kh'nik zu bauen, entschloß ich mich, dieselbe auf das Land zu ver¬ 
legen, in der sicheren Voraussicht, daß fast sämtliche Patienten mit 
orthopädischen Krankheiten außer der lokalen Behandlung, sie sei 
operativ oder mechanisch, einer hygienisch-diätetischen Behandlung 
bedürfen, welche nur in einer Klinik geboten werden kann, die 
außerhalb der Stadt frei und gesund liegt. 

Seitdem die Klinik in Betrieb ist, bin ich in meinen Erwartungen 
nicht getäuscht worden. Es hat sich in immer steigendem Maße 
gezeigt, wie zuträglich es den Patienten ist, daß ihnen eine so viel¬ 
seitige Behandlung geboten werden kann. Nur so ist es mir auch 


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230 


Nyrop. 


bei chirurgischer Tuberkulose möglich gewesen, in ausgedehntem 
Grade zu verwenden, das, was ich die ,französische Methode“ nennen 
will: die Patienten während der Behandlung zu Bette liegen zu 
lassen, besonders solange Gipsbandagen gebraucht werden. Einen 


Fig. 1. Fig. 2. 



N. K., 11 Jahre. 27. September 1911. Dcrs. Pat., 8 Tage spater. 


lebenden Beweis, wie weit man die Patienten mit einer solchen 
Behandlung bringen kann, sieht man auf Fig. 3 und 4. Es ist deut¬ 
lich wahrzunehmen, wie das Wohlbefinden zugenommen hat und 
wie gesund der Patient aussieht; seit der Zeit hat er andauernd zu 
Bette gelegen und sieht jetzt noch frischer aus. 

Dieses Resultat ist nur der vereinigten Verband- und Sana- 


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Behandlungsmethoden der Deformitäten der Wirbelsäule. 


231 


toriumsbehandlung zu danken. Denn wenn sich auch durch die Ver¬ 
bände Schmerzen und Unannehmlichkeiten beseitigen lassen, er¬ 
halten wir doch erst dadurch, daß wir die Patienten ins Bett legen, 
die vollständige Ruhe und Entlastung, was besonders bei frischeren 
Fällen eine große Rolle spielt.» 

Auffallend ist das Wohlbefinden, welches die im Sanatorium 
behandelten Patienten empfinden; sie nehmen an Kräften zu und 


Fi?. 3. Fig. 4. 



P. N., 14 Jahre. 4 . September 1911 . Ders. Pat., 2 Monate später. 

Zweites Gipskorsett angelegt. 


leben völlig auf. Außerdem sind sie in Calots Verbänden nicht 
gezwungen, vollständig ruhig zu liegen, da dieselben ihnen ein 
Drehen im Bette gestatten. Dia mit einer gewöhnlichen Reklinations¬ 
vorrichtung behandelten Patienten müssen dahingegen vollkommen 
unbeweglich liegen; an und für sich ist Calots Korsett ein exakt 
geformtes Gipsbett mit fester Schulter- und Beckenfixation. 

Zur Behandlung benutze ich zuerst Gips-, später Zelluloid¬ 
korsetts (Fig. 6). Soweit es augeht, erhalten die Patienten täglich 
eine kalte Abreibung. Jedesmal, wenn durch das Rückenfenster 


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232 


Nyrop. 





hindurch die Wattekompresse gewechselt wird, wird eine sehr sorg¬ 
fältige Reinigung des Rückens mit Heusners Lösung vorgenommen. 

Zu gleicher Zeit kann man ganz bequem den Zustand des 
Gibbus kontrollieren. Ein aus irgendeinem Grund entstandener 
Decubitus behindert die weitere Kompression nicht, wenn nur die 


Fig. 5. 



L. C. L., 8 Jahre. 20. Oktober 1910. 
Wird mit Gipskorsett behandelt. 


Fig. 6. 



Ders. Pat., 8. Mai 1911. 
Zelluloidkorsett angelegt. 


Druckstelle mit Jodtinktur behandelt, etwas eingefettet und mit 
Hilfe eines „Hühneraugenringes“ aus Filz geschützt wird. Selbst 
wenn Patienten mit einem sehr starken Decubitus in Behandlung 
gekommen sind, habe ich ihn auf diese Weise vollständig geheilt. 

Patienten wie die auf Fig. 1 oder 3 abgebildeten würden es 
ja kaum ertragen, daß das Gipskorsett jedesmal, wenn es geändert 
werden soll, ohne weiteres entfernt wird; das würde eine zu große 


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I 



















Fig. 8. Fig. 9. 


Behandlungsmethoden der Deformitäten der Wirbelsäule. 


233 





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8 Jahre. *J9. September 1909. Ders. Put., l*. Dezember 1910. Ders. Pat., 11. November 1911. 

Wird ambulant behandelt. 3 Korsett angelegt. Korsett ad mod. Nyrop angelegt. 






















234 


Nyrop. 


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Erschütterung für die Wirbelsäule sein und die Entzündung leicht 
wieder zum Aufflackern bringen. Wenn man dahingegen das Gips¬ 
korsett erst entfernt, nachdem der Patient in einen Apparat wie den 
Wullsteinschen gebracht ist, und wenn man ihn, während er 
darin suspendiert ist, wäscht, ihm eine neue Unterjacke anzieht und 
dann erst ein neues Gipskorsett anlegt, so kommt der Patient ganz 
ruhig von der alten in die neue Bandage. 

In Fig. 1 sehen wir einen Patienten mit einem sehr bedeutenden 
dorsalen Gibbus. Das in Fig. 2 gezeigte vorläufige Resultat kann 
etwas überraschend erscheinen, besonders im Hinblick auf die kurze 
Zeit der Behandlung. Dabei ist zu bemerken, daß außer der eigent¬ 
lichen pathologischen Deformität eine habituelle vorgefunden wird: 
um den Rücken möglichst zu entlasten, beugt der Patient sich so 
sehr nach vorne, daß er mit den Händen die Oberschenkel stützen 
kann (was Fig. 1 deutlich zeigt). 

Verschiedene Gründe können uns leider dazu zwingen, die 
Patienten ambulant zu behandeln. In einem solchen Falle hat mich 
die Erfahrung gelehrt, daß man in der Regel ein Korsett aus Zellu¬ 
loid benutzen soll, besonders bei entfernt wohnenden Patienten; 
erstens ist dieses leichter als ein Gipskorsett, zweitens kann man sich 
mit einem solchen besser gegen das Entstehen eines lästigen Druckes 
sichern. Nur ist das Zelluloidkorsett leider viel teurer. 

Für solche Patienten ist es von großer Wichtigkeit, daß die 
Konstruktion des Korsetts auch Laien leicht verständlich ist. Hier 
sind nicht alle die Rücksichten zu nehmen wie bei einem Gipsbett, 
und die Mütter lernen leicht die Kompression des Gibbus in den 
Fällen vorzunehmen, in denen die Patienten nur ab und zu vom 
Arzt untersucht werden können. 

Für die Nachbehandlung verwenden wir ein Korsett 
ad mod. Nyrop, wie es in Fig. 9 abgebildet ist. 

Ich empfehle, beim Anlegen von Gipsverbänden den gelblichen 
französischen oder belgischen Gips zu verwenden, welcher sich viel 
besser modellieren läßt und stärker als der deutsche ist. Das 
Nähere darüber ist ausführlich bei Calot und Privat beschrieben. 


In Fig. 10 finden wir eines der vielen Beispiele, wie wenig 
Skoliose und Muskulatur miteinander zu tun haben. 

Der Patient, ein kräftig entwickelter Knabe, dessen Leiden 
niemals behandelt worden war, hatte, wie aus der Abbildung her- 


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236 


Nyrop. 


vorgeht, eine sehr bedeutende Skoliose mit stark entwickelter Rippen¬ 
deformität. Die Skoliose war noch recht mobil; wie Fig. 11 zeigt, 
konnte er die Skoliose ganz bedeutend aktiv korrigieren, ver¬ 
mochte sich sogar in der korrigierten Stellung längere Zeit auf¬ 
recht zu erhalten. Die Skoliose hatte sich mit anderen 
Worten ohne Rücksicht auf die kräftige Muskulatur 
entwickelt. 


Fig. 13. 



K. B., 10 Jahre. 13. November 1910. Folge von Paralysis spinal, infant. 

Es ist mir nicht verständlich, was man in einem Fall wie 
diesem mit einer funktionellen Behandlung erreichen soll. Die 
Muskulatur würde man kaum viel mehr stärken können, auf jeden 
Kall nicht so sehr, daß sie die dadurch noch mehr mobilisierte 
Wirbelsäule redressiert halten könnte; es würde dieses auch eine 
viel zu große Kraftanstrengung bedingen. Ueberhaupt kann ich die 
Forderung nicht verstehen, daß eine Muskelanspannung andauernd 
die Wirbelsäule gerade halten soll; dies kann vielmehr nur durch 
den Bau der Wirbelsäule und ihrer Ligamente und die richtigen 
statischen Verhältnisse geschehen. 


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Behandlungsmethoden der Deformitäten der Wirbelsäule. 237 

In Wirklichkeit können sich nur sehr wenige Patienten einer 
Klinikbehandlung unterwerfen, weil sie langwierig und kostspielig 
ist. Wir hatten in den letzten Jahren jährlich gegen 250 neue 
Fälle mit Rückendeformitäten, und waren froh darüber, daß wir 
einige von diesen nur einen Monat dazu veranlassen konnten, in der 
Klinik zu bleiben. Auch für die andern Patienten mußte gesorgt 
werden. 

Fig. 14. 



Ders. Pat., 18. Februar 1911. 


In mannigfacher Hinsicht ist es deshalb von sehr großem Wert 
gewesen, daß es uns durch die Benutzung von Ernst Nyrops 
Prinzip gelungen ist, eine wirklich rationelle Rückenstütze herzu¬ 
stellen, die aktiv beständig redressierend wirkt, im Gegensatz zu 
dem toten, passiv suspendierenden Korsett, die die Brust voll¬ 
ständig frei läßt und nicht zusammenschnürend wie ein Korsett 
wirkt, die auf beste Weise auf die Kyphose und die eingefallene 
Brust wirken kann, welche so häufig in Verbindung mit der Skoliose 
angetroffen wird, die keinen schädlichen Seitendruck auf die 
Rippendeformität ausübt, die die Schultern zurück- und die Brust 


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238 


Nyrop. 


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hervorzwingt, so daß die Haltung gut und die Atmung bedeutend 
freier wird. 

Bezüglich der detaillierten Beschreibung der Konstruktion des 
Apparates verweise ich auf eine frühere Arbeit in dieser Zeitschrift 
Bd. 26. Fig. 12 zeigt uns den in Fig. 10 abgebildeten Patienten 
mit der zum ersten Male angelegten Rückenbandage; wir sehen nicht 
nur, wie gut die Deformität korrigiert, sondern auch, wie gut die 
Haltung überhaupt geworden ist. 

Die Deformität war in diesem Falle recht bedeutend, aber bei 
weitem nicht so ausgesprochen wie bei dem Patienten in Fig. 13, 
der mit einer Bandage derselben Konstruktion behandelt wurde. 
Fig. 14 zeigt uns das Resultat nach 3 Monate langer ambulanter 
Behandlung. 

Selbstverständlich dauert die Behandlung in schweren Fällen 
lange und wird recht kostspielig, da die Bandage verändert und 
erneuert werden muß, je nachdem sich der Zustand bessert. Be¬ 
sonders hat die erste Bandage zu wirken, die auch die so häufig in 
Verbindung mit der eigentlichen Deformität zusammen angetroffene 
habituell zusammengesunkene Haltung aufrichten muß. Die Frage 
entsteht dann, ob es sich nicht ermöglichen läßt, sofort eine Be¬ 
handlung einzuschalten, durch die man schneller vorwärts kommen 
kann, und erst dann, wenn sich der Zustand gebessert hat, die 
eigentliche Stütze anzulegen. 

Diese Frage wird besonders aktuell, wenn ein Patient, wie ein 
solcher in Fig. 15 abgebildet ist, mit einer sehr bedeutenden und 
sehr fixierten Skoliose und Rippendeformität in Behandlung kommt. 

Die forcierte Mobilisierung ist ja vielfach diskutiert worden. 
\ iele Orthopäden sind Fürsprecher dieser Behandlung gewesen und 
haben sie auf verschiedene Weise durchzuführen gesucht, um die 
Methode dann eigentlich wieder zu verlassen. Der Grund war 
wohl namentlich der, daß in der Regel zu stark und zu schnell 
mobilisiert wurde, so daß die Wirbelsäule nach beendeter Behand¬ 
lung gewissermaßen wie eine Harmonika zusammenfiel. Es ist 
nämlich daran zu erinnern, daß Wirbel und Rippen bei jeder etwas 
schwereren Skoliose mehr oder weniger abnorme Formen (Keil- 
form usw.) angenommen und die Ligamente sich der neuen Gestalt 
der Wirbelsäule angepaßt haben. Das mit der Skoliosenbehandlung 
verfolgte Ziel muß deshalb wohl in einer Redression der Wirbelsäule 
zu ihrer normalen Form bestehen, aber die Transformation der 


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Behandlungsmethoden der Deformitäten der Wirbelsäule. 


239 


abnormen Wirbelsäule kann nicht plötzlich vor sich gehen, sondern 
nur durch langsame, dauernde Einwirkung. 

Außerdem ist der Grund vieler schlechter Resultate wohl 
darin zu suchen, daß es früher keine Bandage gab, die den Patienten 
wirklich in der korrigierten Stellung zu halten und den Zustand 
beständig zu bessern vermochte. Ich glaube, daß diesem 
Mangel nun durch unsere Konstruktion abgeholfen ist. 


Fig. 15. 


Fig. 16. 



M. 0., 14 Jahre. 28. Oktober 1910. 


Dies. Pat., 10. Dezember 1910. 

Die eigentliche Bandage zum erstenmal angelegt. 



Mit dieser Bandage als Grundlage habe ich in meiner Klinik 
bei mehreren Patienten mit schweren Skoliosen eine Redressions- 
behandlung durchgeführt, wovon Fig. IG uns ein Beispiel wiedergibt. 

Die Behandlung zielt darauf hin, daß die Patienten gewöhnt 
werden, eine tägliche, nicht gewaltsame Redression im Wullstein- 
schen Apparat zu ertragen. Ich verfolge damit speziell den Zweck, 
die habituelle Deformität so zu verbessern, daß die eigentliche 


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240 


Nyrop. 


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Bandage auf die pathologische Deformität zu wirken vermag. Um 
den Patienten an den Druck der Bandage zu gewöhnen, wird nach 
einiger Zeit, während der Patient in vertikale Suspension gebracht 
ist, eine gut modellierte Gipsbandage angefertigt, die, um ein Sinken 
der Schultern zu verhindern, an den Achseln krückenförmig gestaltet 
wird. Später wird die Bandage so zugeschnitten, daß möglichst viel 
von der Vorderfläche des Rumpfes freibleibt; will man einen 
größeren Druck ausüben, so kann man nach und nach Filzplatten 
einlegen. Die Bandage soll dem Patienten angelegt werden, wenn 
er in vertikaler Suspension ist; nach einigen Tagen soll er damit 
anfangen, in derselben zu schlafen. 

Wir haben mit anderen Worten ein Gipsbett konstruiert, welches 
mit Hilfe eines festen Ringes um die Hüften befestigt (die Schultern 
werden mit einem Flanellband zurückgezogen) und in vertikaler 
Suspension angelegt wird. Hierdurch erreichen wir die Anbringung 
der Bandage genau an der Stelle, wo sie sitzen soll und eine be¬ 
deutend größere Kraftentfaltung als mit einem gewöhnlichen Gips¬ 
bett. Nach meiner Erfahrung befinden sich die Patienten in dem 
Apparat sehr schnell vollständig wohl. 

Außerdem bekommen die Patienten eine Behandlung mit Frei¬ 
luftkur und Bädern. Hat sich der Zustand, in der Regel im Laufe 
von einem Monat, wesentlich gebessert, so wird die eigentliche Ban¬ 
dage angelegt, mit welcher der Patient nach Hause geschickt wird. 

Die auf diese Weise behandelten Patienten sind in der Regel 
sehr zufrieden mit den Erfolgen; sie fangen an, gut auszusehen, be¬ 
finden sich in der redressierten Stellung wohl und freuen sich 
förmlich der täglichen Redression. Mehrere, früher mit Gymnastik 
behandelte Patienten hoben geradezu hervor, wieviel besser sie sich 
bei der hier beschriebenen Behandlung befanden. 

Wenn die Patienten einige Zeit unsere Rückenbandage ge¬ 
tragen haben, können wir gewöhnlich feststellen, daß die Deformi¬ 
tät viel mobiler geworden ist; außerdem bemerkt man, daß 
die Rückenmuskulatur viel mehr Tonus erreicht hat. Ich bin sicher, 
daß dieses den federnden Eigenschaften der Bandage zuzuschreiben 
ist (w’odurch die Patienten gezwungen werden, sich aktiv aufzu¬ 
richten), in Verbindung mit ihrer langsamen, aber andauernd 
re dressierenden Kraft. 

In den sehr schweren Fällen läßt sich selbstverständlich keine 
sehr große Redression der Deformität erreichen, aber allein das 


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Behandlungsmethoden der Deformitäten der Wirbelsäule. 


241 


Aufrichten der zusammengesunkenen Stellung, der Umstand, daß 
die Schultern zurückkommen und der Brustkasten erweitert wird, 
verschafft den Patienten bedeutend günstigere Lebensbedingungen. 

In Fig. 17 und 18 finden wir eine Abbildung der Konstruktion 
der Bandage in solchen schweren Fällen. Um zu zeigen, wie kräftig 
die Bandage überhaupt wirken kann, verweise ich auf Fig. 19, auf 
der ein Patient mit Myoclonus multiplex abgebildet ist (die 
Stellung, wenn er geht); in Fig. 20 ist die Bandage angelegt. 


Fig. 17. 


Fig. 18. 



C. S., 28 Jahre. Dezember l»U. 


Dies. Fat., die Bandage angelegt. 


Bei gewöhnlichen Kyphosen verwenden wir den in Fig. 21 
abgebildeten Apparat 1 ), dessen Wirkung mehrmals in meiner früheren 


Arbeit gezeigt ist. 


Mit diesem Geradehalter haben wir mit wirklich vorzüglichem 
Resultat zahlreiche Patienten behandelt. Besonders hebe ich die 
bleichen, zart gebauten Patienten hervor, deren Kyphose mit den 
stark nach vorn gedrehten Schultern und der eingefallenen Brust so 
deutlich zutage tritt. Sind diese Patienten mit unserem Apparat — 

*) Wird für das Ausland bei Wilh. Jul. Teufel in Stuttgart fabriziert. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 16 



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Behandlungsmethoden der Deformitäten der Wirbelsäule. 


243 


mit oder ohne klinische Behandlung — gerade gerichtet worden, 
ist man erstaunt über den Tonus, der gleichzeitig dem ganzen Orga¬ 
nismus zurückgegeben wird. 

In schweren Fällen muß man den Geradehalter auf einer 
Zelluloidkapsel befestigen (wie bei Skoliosenbandagen). Wenn es 
sich um einen Fall wie auf Fig. 22 handelt, versuche ich stets zuerst 
eine tägliche starke Redression zu bewirken, wie Fig. 23 zeigt. Die 


Fig. 21. 



Kyphose hatte sich in diesem Falle sehr schnell entwickelt, und als 
der Patient eingespannt wurde, hatte er heftige Schmerzen im Rücken. 
Im Laufe eines Monats war er so gut redressiert worden, daß man 
eine Bandage (wie Fig. 24 zeigt) anlegen konnte; er war dann 
8 cm größer geworden. 

Bei leichten Skoliosen benutzten wir zuweilen den gewöhn¬ 
lichen Geradehalter in Fällen, wie auf Fig. 25 abgebildet. Das 
Resultat ist deutlich aus Fig. 26 zu sehen. Wenn eine Schulter 
niedriger steht, wird auf dieser Seite eine Krücke angebracht; um zu 


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Behandlungsmethoden der Deformitäten der Wirbelsäule. 


245 


verhindern, daß der Apparat sich dann dreht, muß auf derselben 
Seite eine Stahlfeder in den Leibgürtel eingelegt werden. 

Fig. 25. Fig. 26. 




J. B., 9 Jahre. 8. Milrz 1911. Dies. Pat., l. Dezember 1911. 

Diese Konstruktion ist besonders gut bei Patienten mit Kyphose 
und damit folgender Skoliose. 


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XVI. 

Der verbesserte Heusnerscbe Osteoklast. 

Von 

Geh. Kat Prof. Dr. L. Heusner, Barmen. 

Mit 4 Abbildungen. 

Der Heusnerscbe Osteoklast ist ein sehr vielseitig brauch¬ 
barer Apparat, welcher eine Reihe verschiedener, meist recht kost¬ 
spieliger Einzelvorrichtungen in sich vereinigt. Da es mir neuer¬ 
dings gelungen ist, die Konstruktion wesentlich zu verbessern, so 
gibt mir dies Veranlassung, seine Einrichtung und Vorzüge noch¬ 
mals zu besprechen. Dem Prinzip nach bildet das Instrument einen 
breit fassenden Parallelschraubstock, auf dessen Backen beiderseits 
zwei daumendicke Eisenstäbe stehen, auf welche Fixationsplatten 
von verschiedener Form aufgeschoben werden können. Da die 
zu fassenden Gliedmaßen wie auch das Becken nicht parallel- 
wandig, sondern konisch gestaltet sind, so muß die Möglichkeit 
gegeben sein, die zum Einspannen dienenden Platten nicht nur in 
gerader, sondern auch in schiefer Richtung gegeneinander zu führen. 
Früher waren zu diesem Zwecke auf der einen Schraubstockbacke 
zwei, auf der anderen drei feststehende Eisenstifte angebracht. Von 
letzteren diente nur der vordere, dem Glied nähere zur Aufnahme einer 
Einspannplatte, die beiden hinteren waren von kleinen Schrauben¬ 
spindeln durchsetzt, mit deren Hilfe die vordere Platte schräg ge¬ 
stellt werden konnte; die gegenüberliegende Platte stand ein für 
allemal fest. An dem verbesserten Apparat stehen beide Stiftpaare 
auf drehbaren Untersdtzen, welche ihrerseits mit Hilfe je einer 
Schraubenmutter auf den Schraubstockbacken fixiert werden können. 

Zum Verständnis der verschiedenen Anwendungsweisen sei 
folgendes bemerkt: 


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Der verbesserte Heusnersche Osteoklast. 


247 


1. Osteoklase. Ein passendes Plattenpaar wird aufgesteckt, 
das Glied eingespannt und dabei, soweit es abgebrochen werden soll, 
aus dem Maule der Platten vorstehen gelassen. Zum Abknicken dient 
ein kräftiger s /i in langer Eisenhebel und eine um das Glied herum¬ 
gelegte gepolsterte Kette. Der Hebel ist an seinem unteren Ende 
gabelförmig gespalten und die beiden Zinken laufen in Ringe aus, 
welche über einen der vorne stehenden Eisenstäbe aufgeschoben 
werden. Außerdem sind an den Gabelzinken eine Reihe von Be¬ 
festigungsknöpfen angebracht zum Einhängen der Kettenglieder. 
Durch Drehen des Hebels um den Eisenstab wird die Kette ange¬ 
spannt und das Glied abgebrochen. 


Fig. 1. 



2. Klumpfußredression. Der Unterschenkel wird dicht 
über den Knöcheln mit einem passenden Plattenpaare fest eingespannt, 
die Kette um den Fuß gelegt und durch Anziehen des Hebels die 
Korrektion vollzogen (vgl. Fig. 1). Damit die Kette bei fortschrei¬ 
tender Umbiegung vom Fuß nicht herunterrutscht, kann man sie in 
eine Schlinge aus Leinenband fassen, welche zugleich mit dem 
Unterschenkel in der gewünschten Länge festgeklemmt wird. Be¬ 
kanntlich ist es zweckmäßig, zuerst die Inllexion, in zweiter Linie 
die Spitzfüßigkeit zu korrigieren. Um den Fuß bei der ersteren 
Manipulation nach abwärts zu dirigieren, zieht man über das Glied 
vor dem Einspannen einen Trikotschlauch, dessen vorstehendes Ende 
als Zügel dient. Soll die Ferse mit tixiert werden, so werden die 
Spannbacken entsprechend weit über das Fußgelenk nach vorne 


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248 


lleusner. 


geschoben und etwaige Umfangsdifferenzen durch zwischengelegte 
Filzpolster ausgeglichen. Ich selbst habe das Bedürfnis hierzu selten 
empfunden, da die starke natürliche Befestigung des Sprungbeines 
hinreichenden Schutz und Widerstand gewährt. Zweckmäßig iät es. 


Fig. 2. 



die Schlauchbinde durch Besprayen des Fußes und Unterschenkels 
mit meiner Harzklebemasse zu fixieren. Sie bietet dann eine Schutz¬ 
decke gegen das Aufplatzen der Haut; eine weitere Sicherung 
besteht darin, daß man vor dem Andrehen der Platten die Haut¬ 
bedeckung durch kräftigen Zug an dem Schlauchende möglichst nach 
abwärts befördert. Auch soll man, ehe man zur Anwendung von 


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Der verbesserte Heusnersche Osteoklast. 


249 


Hebelkraft übergeht, zuerst mit den Händen redressieren, was immer 
die schonendste Methode bleibt und wegen des freien Hervorragens 
des eingespannten Fußes bei meinem Osteoklasten bequemer ist als 
bei den meisten anderen Instrumenten. Nach genügender Beseiti¬ 
gung der Inflexion folgt die Korrektion des Spitzfußes, wobei es 
notwendig werden kann, daß der Hebel um eine horizontale Achse 


Fig. 8. 



gedreht wird. Zu dem Ende werden auf die beiden vorn stehenden 
Eisenstäbe T-förmige Rohrstückchen von entsprechender Weite auf¬ 
gesteckt. Durch ihre horizontalen Aeste kommt dann ein starker 
Eisenstab, auf welchen die Hebelenden aufgeschoben werden (vgl. 
Fig. 2). 

Wünscht man den Hebel weder in horizontaler noch in sag- 
gitaler, sondern in schräger Richtung spielen zu lassen, so werden 
Kreuzstücke über die Stifte geschoben, deren freie Schenkel drehbar 


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250 


Heusner. 


sind. Durch untergeschobene Stellringe können beide Kreuzstücke 
in verschiedener Höhe angebracht, also eine beliebige Schr'ägstellung 
des zur Aufnahme der Hebelenden bestimmten Eisenstabes erzielt 
werden (Fig. 3). Zur Ueberwindung sehr starrer Klumpfüße ist es 
manchmal erwünscht, ein Hypomochlion unter den vorderen Fu߬ 
abschnitt zu legen, über welches derselbe entfaltet wird. Zu dem 
Zwecke dienen uns 10 cm breite, fest zusammengerollte Wollbinden. 
welche in einen Ueberzug von Kalbleder eingenäht sind und deren 
wir stets mehrere von verschiedener Dicke vorrätig haben. Nie soll 
man zu viel in einer Sitzung zu erlangen suchen. Zwar ertragen 
die Knochen und Bänder unglaubliche Quetschungen und Dehnungen. 


Fi*. 4. 



aber die Weichteile werden leicht beschädigt, und man kommt rascher 
zum Ziele mit mäßigen, etwa alle 8 —14 Tage vorgenommenen 
Stellungsverbesserungen. Die entzündliche Erweichung, welche nach 
jeder Traumatisierung unter dem nachfolgenden Gipsverbande erfolgt, 
hilft ebenfalls weiter, und am Ende der Knochenkorrektion kann 
man die letzten Weichteilwiderstände mittels Durchschneidung der 
Achillessehne und der Plantarfascie beseitigen. 

Auch den kontrakten Plattfuß kann man mit Hilfe unseres 
Apparates korrigieren und hat hierbei wohl nie mehr als eine Sitzung 
notwendig. 

3. An geborene H üftlu xation. In dieser Beziehung habeu 
wir den Apparat bei weitem am häufigsten angewendet. Da er 


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Der verbesserte Heusnersche Osteoklast. 


251 


das Becken absolut sicher fixiert, so macht er Assistenz ganz über¬ 
flüssig; der Operateur kann allein die Einrenkung vollziehen. Es 
genügen für die meisten Fälle zwei Plattengarnituren, die eine für 
das kindliche Alter, die andere für Erwachsene. Damit das Becken 
nicht nach unten ausweichen kann, wird eine der Dammgegend an¬ 
gepaßte Pelotte mit Hilfe einer quer durch den Schraubstock 
laufenden Spindel von vorne dagegen gepreßt (Fig. 4). Sehr be¬ 
quem ist die gute Beckeneinspannung, wenn man Hüftkontrakturen 
korrigieren will; man kann das mit Händekraft ausführen, doch 
ist es geratener, Längsextension des Beines zu Hilfe zu nehmen. 


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XVII. 


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Mißbildungen der Zehen. 

Von 

Dr. Engen Jacobsohn, Charlottenburg. 

Mit 6 Abbildungen. 

Für das Studium der Extremitätenmißbildungen ist das Röntgen¬ 
verfahren ein sehr wichtiges und vielversprechendes Hilfsmittel. 
Wenn man bedenkt, daß es am Lebenden oft ganz unmöglich ist. 
die einzelnen Knochenteile (z. B. Handwurzel- und Fußwurzelknochen) 
abzutasten, daß operative Eingriffe wegen Extremitätenmißbildungen 
nicht gerade allzu häufig vorgenommen werden, daß ferner genaue 
anatomische Untersuchungen bei Obduktionen ein seltenes Vor¬ 
kommnis bilden, so ist in der Tat die Röntgenphotographie oft der 
einzige Weg zum genaueren Verständnis der mißgebildeten Teile. 
Für den teratologischen Forscher ist es aber durchaus wünschens¬ 
wert und erforderlich, daß möglichst genaue Befunde festgestellt 
und möglichst zahlreiche Details fixiert werden. Erst an einer über¬ 
großen Menge von Einzelbeobachtungen, die allein verwertet keine 
wissenschaftliche Verarbeitung finden können, wird sich vielleicht 
später einmal etwas Gesetzmäßiges aufstellen lassen. Für das ätio¬ 
logisch noch so unklare und wenig erforschte Gebiet der Mi߬ 
bildungen ist jeder publizierte Fall von Bedeutung. Die Extremi¬ 
tätenmißbildungen insbesondere zeigen so viele interessante, oft gering 
ausgebildete und daher leicht übersehbare Einzelheiten, daß gerade 
ihre genaue Beschreibung von großer Wichtigkeit für den weiteren 
Ausbau der Teratologie sein dürfte. Das Röntgenverfahren wird 
dabei sicherlich eine bedeutende Rolle spielen und manche offene 
Fragen dem Verständnis nähei’bringen. 

Der Wert der Röntgenuntersuchung bei Extremitätenmißbil¬ 
dungen wird durch die hier folgenden Mitteilungen so recht illustriert. 


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Mißbildungen der Zehen. 


253 


Es handelt sich um verschiedenartige Anomalien des Fußskeletts, 
die ohne Anwendung der Röntgenstrab len entweder gar nicht dia¬ 
gnostiziert oder nur unsicher gedeutet werden konnten. 

Fall I: Partiell abortive Heptadaktylie (Fig. 1). Im 
Jahre 1909 beschrieb ich x ) Fälle von kombinierter Syn- und Poly¬ 
daktylie, die vier Generationen hindurch verfolgt werden konnten. 
Es handelte sich meist um Mißbildungen der Hände, derart, daß 
innerhalb zweier zusammengewachsener Finger ein überzähliger in 
mehr oder minder ausgebildeter Form eingeschoben war. Nur in 


Fig. 1. 



2 Fällen konnte ich die gleiche Anomalie am Zehenskelett beob¬ 
achten. Die Mißbildung bestand in einer Verdoppelung der mit der 
vierten Zehe syndaktylisch verbundenen fünften Zehe. Bei einer 
kürzlich vorgenommenen Revision dieser Röntgenbilder entdeckte 
ich nun einen kleinen Schatten, der mir bei der früheren Durch¬ 
sicht entgangen war. Dieser Schatten befindet sich zwischen der 
Basis des Metatarsus I und II. Er ist ca. 1 cm lang, x /» cm breit 
und macht durchaus den Eindruck eines rudimentär entwickelten 
VII. Metatarsus. Wir hätten es also in diesem Falle mit einer 

') Jacobsohn, Ueber komplizierte Syn- und Polydaktylie. Beitr. z. 
klin. Chir. Bd. 61, Heft 2. 


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254 


Jacobsohn. 


Polydaktylie am fibularen und tibialen Fußrande zu tun, wobei der 
fibulare Anteil sehr weit ausgebildet, der tibiale nur angedeutet ist. 
Man kann mithin von einer partiell abortiven Heptadaktylie sprechen. 
In der Literatur ist, soweit mir bekannt, ein derartiger Fall noch 
nicht beschrieben worden. Verdoppelungen entweder am fibularen 
oder am tibialen Rand sind nichts Ungewöhnliches. Das gleich¬ 
zeitige Vorkommen beider Anomalien scheint jedoch, wie gesagt, 
eine bis jetzt noch nicht beobachtete Erscheinung zu sein. 

Einmal auf diese Art der Mißbildung aufmerksam gemacht, 
richtete ich bei der Röntgenuntersuchung mein Augenmerk darauf. 

Fig. 2. Fig. 3. 



nicht nur den mißbildeten Zehenteil, sondern womöglich den größten 
Teil des Fußskeletts photographisch zur Darstellung zu bringen. 

Fall II (Fig. 2 und 3). 

Diese exaktere Untersuchung hatte auch bald einen Erfolg zu 
verzeichnen; denn ich konnte bei einem Fall von beiderseitiger Ver¬ 
doppelung der Großzehe zwischen der Basis des Metatarsus I und II 
wiederum das Rudiment eines überzähligen Teiles erkennen. Dieser 
Knochenschatten lag genau an derselben Stelle wie der bei dem 
vorigen Falle beschriebene. Er hatte dieselbe, nur etwas längere 
Form und mußte als ein supernumerärer Metatarsus gedeutet werden. 
Es fragte sich nun aber weiter, ob der überzählige Teil als ein 


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Mißbildungen der Zehen. 


255 


VI. oder VII. Metatarsus anzusprechen sei. Um diese Frage zu be¬ 
antworten, ist es nötig, die beiden Röntgenogramme etwas genauer 
zu betrachten. Das Bild (Fig. 2) des linken Fußes zeigt ein etwas 
deformiertes Großzehengelenk, die Grundphalanx ist verbreitert, die 
Endphalanx verdoppelt. Der Metatarsus ist auch ein wenig im 
Breitendurchmesser vergrößert; es läßt sich aber schwer sagen, ob 
diese geringe Verbreiterung des Metatarsus und der I. Phalanx als 
Zeichen einer Doppelanlage aufzufassen ist. Der zwischen Meta¬ 
tarsus I und II eingeschobene Knochenteil erscheint als selbständiges 
Gebilde. 

Auf dem Bilde (Fig. 3) des rechten Fußes hingegen sieht man 
deutlich am Gelenkteile des Metatarsus I eine kleine Einkerbung, 
die es wahrscheinlich macht, daß hier die Anlage eines doppelten 
Gelenkkopfes besteht. Da auch der überzählige Metatarsalknochen 
in gar keinem Zusammenhang mit dem Metatarsus I steht, so glaube 
ich, daß diese Anomalie ähnlich wie die vorhin beschriebene als 
eine partiell abortive Heptadaktylie aufzufassen ist, nur mit dem 
Unterschiede, daß diese Mißbildung ganz auf der tibialen Seite ge¬ 
legen ist, während bei Fall I die tibiale wie die fibulare Seite be¬ 
troffen war. 

Fall III: Mißbildung der Sesambeine (beobachtet wäh¬ 
rend meiner Assistententätigkeit im Allerheiligenhospital in Breslau, 
Fig. 4 und 5). 

Es handelte sich um einen jungen Mann mit ausgesprochenem 
Hallux varus. Diese Deformität ist als eine seltene zu bezeichnen 
und meist, wie auch im vorliegenden Falle, der Ausdruck einer an¬ 
geborenen Mißbildung. Beim bloßen Anblick des Fußes kann man 
sofort die Ursache des Hallux varus erkennen (Fig. 4). Man sieht 
deutlich über die Streckseite der Großzehe unter der emporgehobenen 
Haut zwei Sehnen ziehen, von denen die nach innen gelegene und 
von einem am inneren Fußrande befindlichen Höcker entspringende 
ihren Ansatzpunkt ganz am medialen Rande der Großzehe hat. In¬ 
folge dieses pathologischen Verlaufs muß naturgemäß die Zehe nach 
und nach einwärts, also in Adduktionsstellung gezogen werden. Das 
Kontgenbild (Fig. 5) zeigt aber einen noch interessanteren Befund, 
nämlich das Fehlen der Sesambeine im Metatarsophalangealgelenk 
und ihre Dislokation nach der Streckseite des Fußes an der medialen 
Seite des Os cuneiforme I. Das Fehlen eines jeglichen Sehatten- 


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256 


Jacobsohn. 


paares am Metatarsophalangealgelenk sowie die deutliche Entwick¬ 
lung zweier sesambeinähnlicher Knochen an anderer Stelle machen 
es durchaus glaubwürdig, daß diese Gebilde als verlagerte Sesam- 
beine aufzufassen sind. Der vorhin erwähnte Höcker des inneren 
Fußrandes entspricht der Stelle, an der die Ossa sesamoidea liegen. 

Die hier beschriebene Mißbildung dürfte als eine der größten 
Seltenheiten zu bezeichnen sein. In der Literatur fehlen hierüber 
jegliche Angaben. Pfitzner 1 ) schreibt über die Sesambeine: »Gänz¬ 
lich fehlen sah ich nie eins von diesen beiden, aber Ses. I fib. wird 



häufig ganz abortiv. Seltener wird Ses. I tib. abortiv, doch sah ich 
es in einem Falle, wo Ses. I fib. ziemlich gut entwickelt und typisch 
geformt war, ganz in der Gelenkkapsel verborgen und so klein, daß 
ich es erst bei genauem Nachsuchen aufzufinden vermochte.“ Von 
den Sesambeinen an der Streckseite des Metatarsophalangealgelenks 
schreibt er: „Ich selbst habe hier nie eins gefunden, dagegen gibt 
Kulmus 2 ) an, hier das Ses. I dorsale beobachtet zu haben (d. h. 
im II. Metatarsophalangealgelenk dorsal).“ 

') Pfitzner, Beiträge zur Kenntnis des menschlichen Extremitäten- 
skeletts, 2. Abt. 

2 ) Kulmus, Tabulae anatom. Amsterdam 1732. Deutsche 4. Auflage- 
Leipzig 1741. 


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Mißbildungen der Zehen. 


257 


Fall IV: Zehendislokation (Fig. 6). 

In diesem Falle ist es schwer zu sagen, ob es sich um eine 
Mißbildung oder um eine eigentümliche erworbene Deformität handelt. 
Eine 3‘2jährige Frau gibt an, schon seit der Kindheit eine falsche 
Stellung der Zehen bemerkt zu haben. Seit mehreren Jahren klagt 
sie über Schmerzen in den Zehen und in der Fußsohle. Das Gehen 
falle ihr zeitweise so schwer, daß sie sich nur mühsam fortbewegen 
könne. Beim Anblick des Fußes fallt zunächst die Subluxations¬ 
stellung sämtlicher Zehen nach dorsalwärts auf. Das Auftreten und 
Gehen erfolgt ohne Hinzutun der Zehen. Ferner erscheint die fünfte 


Fig. 6. 



Zehe etwas nach innen verschoben, man kann den vorspringenden 
V. Metatarsus fühlen. Sonst ist nichts Auffälliges zu sehen oder 
zu palpieren. Das Röntgenbild zeigt einen merkwürdigen Be¬ 
fund, der auf den ersten Blick sehr schwer zu erklären ist. Die 
fünfte Zehe sitzt scheinbar auf dem IV. Metatarsus, die vierte auf 
dem III.; die Großzehe hat ihren richtigen Platz, die zweite ist 
ein wenig, und die dritte sehr stark nach innen verschoben. Eine 
andere Deutung wäre die, daß die fünfte Zehe fehlt, die vierte und 
dritte nur je zwei Phalangen besitzen, und daß eine Zehe zwischen 
dritter und zweiter Zehe eingeschoben ist. Dieser Annahme wider¬ 
sprechen aber die beiden Phalangenteile, die zwischen den Capit. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 17 


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Jacobsohn. Mißbildungen der Zehen. 


metatarsi V—IV—III gelegen und als die Grundpbalangen des Dig. 
pedis V und IV aufzufassen sind. Man wird sich den Sachverhalt 
wohl am besten so erklären, daß man eine Umlagerung der einzelnen 
Phalangen annimmt. Phalanx I der fünften Zehe geht in fast 
rechtem Winkel von dem Metatarsus V ab, Phalanx II und III liegen 
in der Fortsetzung des Metatarsus IV, Phalanx I der vierten Zehe 
geht vom Metatarsus IV im stumpfen Winkel ab, Phalanx II und 111 
liegen in der Fortsetzung des Metatarsus III. Die dritte Zehe geht 
in starker, die vierte Zehe in geringer Adduktionsstellung von dem 
zugehörigen Metatarsus ab. Diese Erklärung erscheint mir als die 
plausibelste. Wodurch allerdings die eigentümliche Umlagerung zu¬ 
stande gekommen ist, ob schon in der embryonalen Anlage aus¬ 
gebildet oder erst im postembryonalen Leben durch äußere Einflüsse 
(Arthritis, Belastungsdeformität?) bedingt, das entzieht sich völlig 
einem genaueren Urteil. 

Die Beschreibung dieser 4 Fälle hat, wie ich glaube, zur 
Genüge bewiesen, wie erst die Anwendung der Röntgenstrahlen etwas 
Licht und Klarheit in die äußerst komplizierten Befunde der Zehen¬ 
mißbildungen gebracht hat. Sie völlig klar zu deuten, sind wir 
leider zunächst außer stände; sollten wir jedoch einst dazu kommen, 
so wird sicherlich die Röntgenuntersuchung einen erheblichen Anteil 
an dem Erfolge zu verzeichnen haben. 


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XVIII. 


Cystitis im Gefolge der unblutigen Einrichtung 
der angeborenen Hüftverrenkung. 

Von 

Dr. Carl Springer, 

Privatdozent für Chirurgie in Prag. 

Schonendes Vorgehen und möglichstes Vermeiden maschineller 
Hilfsmittel haben die unblutige Einrichtung nach der tausendfachen 
Erfahrung zahlreicher Operateure für die geübte Hand zu einem 
Eingriffe gestaltet, der, unterhalb der Altersgrenze vorgenommen, 
kaum mehr als die Gefahren der unvermeidlichen Narkose mit sich 
bringt. Unfälle und ernstere Schädigungen betreffen meist Opera¬ 
tionen im zweiten Jahrzehnt; sie haben ihre eingehende Erörterung 
in der Fachliteratur gefunden. Einen glücklicherweise nur als Selten¬ 
heitsbefund beachtenswerten Beitrag *) zu diesem Kapitel konnte ich 
seinerzeit durch die Beschreibung einer Exostosenbildung an der 
Spina a. sup. liefern. 

Eine häufigere, wenn auch nicht regelmäßig nach der un¬ 
blutigen Reposition auftretende Erscheinung bildet die Cystitis. Ihre 
Entstehung ist meiner Auffassung nach dem Wesen der Operation, 
genauer gesagt, ihrer direkten Folge, der Flexions-Abduktionsstellung 
der Oberschenkel zuzuschreiben. Sie ist eine nicht lebensgefährliche, 
aber nicht gleichgültige Erkrankung, auf deren Vorkommen in 
diesem Zusammenhänge hinzu weisen ich mich veranlaßt fühle, da 
in Lehrbüchern und den zusammenfassenden Abhandlungen über 
kongenitale Luxationen nirgends, auch in Joachimsthals Handbuch 
und in der Deutschen Chirurgie nicht davon Erwähnung getan wird. 
Sollte mir ihre Besprechung in einem Einzelartikel entgangen sein, 
so mögen diese Zeilen jedenfalls die Wichtigkeit der rechtzeitigen 
Feststellung und Behandlung unterstreichen. 

*) Springer, Diese Zeitschrift Bd. 25. 


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260 Springer. 

Unter einigen 150 Fällen von mir bisher unblutig operierter 
angeborener Hüftverrenkungen habe ich in fünf nachher eine Cystitis 
auftreten gesehen, das ist in einem Perzentsatze von 3,3 auf die 
Zahl der Kranken, nicht auf die Zahl der Operationen am einzelnen 
Gelenk berechnet. Alle fünf waren Mädchen, nur bei einem ein¬ 
zigen davon war die Luxation einseitig, bei den vier anderen bestand 
eine doppelseitige Verrenkung, die in einer Sitzung eingerichtet 
worden war. Von den operierten Knaben bekam nicht ein einziger 
eine Cystitis, weder von den einseitig, noch den doppelseitig luxierten. 
gleichgültig, ob bei letzteren einzeitig (4 Fälle) oder in zwei Akten 
eingerichtet worden war. 

Die Zahl der einseitig operierten Kinder (einseitig luxierte - 
in zwei Zeiten reponierte, doppelseitig luxierte) betrug 112, darunter 
nur 1 Fall von Cystitis, gleich nicht ganz 1 Proz.; die Zahl der 
doppelseitig gleichzeitig operierten Mädchen 34, darunter 4 Cysti- 
tiden, gleich ca. 12 Proz.! Dieser Gegensatz 1:12 weist 
ohne weiteres darauf hin, daß in den besonderen Ver- i 
hältnissen, unter denen sich beiderseits gleichzeitig 
operierte Mädchen befinden, die Ursachen für die 
Entstehung der Cystitis zu suchen sind. Es ist selbst¬ 
verständlich kein Zufall, daß ausschließlich Mädchen 
und darunter wieder mit einer einzigen Ausnahme 
gleichzeitig an beiden Hüften operierte erkrankten. 

Klinisch trugen die Blasenkatarrhe sämtlich den Charakter 
der Bact. coli-Cystitiden der Kinder; in 3 Fällen erwies dies gleich 
bei der ersten Trübung des Harnes das Deckglaspräparat des Sedi¬ 
mentes: neben reichlichen Leukozyten fanden sich massenhaft kurze 
dicke Gram-negative Stäbchen, keinerlei renale Elemente. Der 
Harn enthielt eine Spur Eiweiß. Meist trat 8—14 Tage nach der 
Operation häufiger Harndrang auf, in einem Falle mit Leibschmerzen 
verbunden. Der entleerte Urin war trüb. Die Temperaturen (in 
der Achsel gemessen) betrugen dabei durch einige Tage 37,2° bis 
37,8° C. In dem einseitigen Falle war der Zeitpunkt der Erkran¬ 
kung nicht festzustellen, das Mädchen war bald nach der Operation 
nach Hause genommen worden. Bei der Wiederkehr zum Verband¬ 
wechsel sah das Mädchen etwas blaß aus, auf Befragen gaben die 
Eltern an, daß das Kind einige Wochen an Leibschmerzen und 
Harndrang gelitten habe. Ein Arzt war nicht geholt worden. Die 
nun vorgenommene Untersuchung des Harnes ergab eine subakute 


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Cvstitis im Gefolge d. unblutigen Einrichtung der angeb. Hüftverrenkung. 261 


Cystitis. In einem anderen Falle, zugleich dem einzigen, der schwerer 
verlief, schloß sich die Cystitis an den durch einige Tage wegen 
Harnverhaltung nötigen Katheterismus an, in allen übrigen Fällen 
trat die Cystitis typisch spontan auf, ohne daß der Katheter ein¬ 
geführt worden wäre; die Kinder hatten sämtlich noch am Opera¬ 
tionstage uriniert. 

Mit Ausnahme des katheterisierten Falles klang die Cystitis 
stets ohne weitere Folgen in einigen Tagen ab. Unter Darreichung 
von Urotropin, einmal auch Griserin, wurde der Harn rasch klar, 
die Beschwerden waren geringfügig. Die Komplikation bei dem 
katheterisierten Kinde bestand in Vereiterungen der Leistendrüsen 
beiderseits, die ich inzidieren mußte. 

Wenn auch der Katheterismus unter allen Kautelen der Aseptik 
vorgenommen wurde, die genügt hatte, bei 6—7 anderen Luxations¬ 
fällen ihn ohne Infektion der Blase geschehen zu lassen, wird man 
ihm hier eine Rolle bei der Entstehung der Cystitis nicht absprechen 
können, wenngleich es möglich ist, daß sie auch ohne ihn auf¬ 
getreten wäre. Die Bedingungen für ihr Entstehen waren reichlich 
da. Die Schenkelköpfe waren bei dem 2 ^jährigen Mädchen außer¬ 
ordentlich groß, plump, stark antevertiert und sprangen nach der 
Einrichtung in den Leisten stark vor, obwohl ich ein Vordrücken 
der Köpfe, wie es mit der Ueherstreckung der Oberschenkel nach 
hinten verbunden ist, perhorresziere. Näheres in meinen früheren 
Arbeiten auf diesem Gebiete. Jedenfalls waren die Schenkelvenen 
durch die prominenten Köpfe gedrückt, denn es trat starkes Oedem 
an den Labien und Unterschenkeln auf, was sich erst in einigen 
Wochen unter Bindenwicklung und Massage verlor. Dem Oedeme 
wird sicher die Verhaltung des Harnes durch Kompression der 
Urethra zuzuschreiben sein, zum Teile wohl auch die Infektion der 
ßlase, in die allerdings auch der Katheter aus der Urethra Keime 
mitgenommen haben dürfte. Die Krankheit verlief nach Spaltung 
der Abszesse ganz gut, die Cystitis klang bald ab. Da ich. trotz 
der für Inzision und Nachbehandlung unbequemen Stellung der Beine 
die Reposition beiderseits nicht aufhob, erzielte ich beiderseits kon¬ 
zentrische Reposition. Bis auf die Inzisionsnarben hat das Kind keine 
bleibenden Schädigungen durch die Cystitis erfahren. 

Das Alter der vier doppelseitig eingerichteten Kinder schwankte 
zwischen 2*/*—4 1 /* Jahren; dementsprechend waren die Repositionen 
alle ganz glatt und leicht; besondere Gelenkverhältnisse lagen nur 


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im vorstehend geschilderten Falle vor. Bis auf ihn fanden sich auch 
keine stärkeren Oedeme außer der auch nach den glattesten Ein¬ 
richtungen vorhandenen Anschwellung der Labien, die in einigen 
Tagen zurtlckgeht. Mit Hämatomen haben diese Anschwellungen 
nichts zu tun, der beste Beweis dafür ist, daß sie sich ohne Ver¬ 
färbung der Haut verlieren. Die Einrichtung des einseitigen Luxations¬ 
falles war schwierig, da das Mädchen 10 Jahre alt war, ging aber mit 
Gipshose um die gesunde Seite*) rein manuell vor sich. Das Oedem 
der Leiste war mäßig, das Kind verließ nach wenigen Tagen das Spital. 

Geht man der Ursache der Blaseninfektion bei diesen Kindern 
nach, so kann man zunächst wohl mit Sicherheit ausschließen, daß 
es sich um ein zufälliges Eintreten handelt in dem Sinne, daß gerade 
diese Mädchen ohne äußere Ursache eine Cystitis bekommen hätten, 
die für sie keine seltene Erkrankung im Kindesalter bildet. Ein 
Perzentsatz von 12 bei einer bestimmten Gruppe der Operierten ist 
der strikte Beweis dagegen. Es fehlt auch jede besondere Orts¬ 
oder. Zeitbedingung für ein etwaiges gehäuftes Auftreten; 3 Fälle 
operierte ich im Spitale, 2 aus meiner Privatpraxis in einem Sana¬ 
torium, zeitlich liegen sie Monate und Jahre auseinander. 

Eine akute postoperative Harnverhaltung hat nur in einem Falle, 
wie erwähnt, eine Rolle gespielt, für die anderen 4 Fälle bann man 
auf sie zur Erklärung nicht reflektieren; ebensowenig sind diese 
katheterisiert worden. Auch an unvollkommene Blasenentleerung 
durch die Rückenlage und Verminderung der Mitwirkung der Bauch¬ 
presse kann man nicht denken, denn erstens müßte dazu das Vor¬ 
handensein von Residualharn nachgewiesen sein — die Miktionen 
bleiben aber bei solchen Kindern ungestört —, dann dürfte nicht 
innerhalb 1—2 Wochen die Cystitis schon auftreten, schließlich 
müßten auch die wegen anderen Operationen zu Bett liegenden 
Mädchen daran erkranken. Unter mehreren tausend Operationen 
der letzten 12 Jahre habe ich aber keine einzige beobachtet. 

Mit einiger Aussicht auf Wahrscheinlichkeit kann folgender 
Erklärungsversuch auf den Platz treten: Es handelt sich um eine 
via Urethra aufsteigende Infektion der Blase; dafür spricht, daß es 
sich allemal um Mädchen handelt, deren kurze gerade Harnröhre 
den Weg des Infektionserregers verkürzt und erleichtert. Bei den 
doppelseitig gleichzeitig operierten Mädchen ist die Anreicherung 

’) Siehe meine Bemerkungen aut dem Kongreß der Deutschen Gesell¬ 
schaft für orthopädische Chirurgie, Verhandlungsber. S. 181. 


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Cystitia im Gefolge d. unblutigen Einrichtung der angeb. Hüftverrenkung. 263 


von Infektionserregern in der Urethra aus mehreren Gründen gegeben: 
einmal durch das Stauungsödem der Schamgegend, das sich sicher 
nicht auf die Labien beschränkt, sondern auch in der Tiefe den An¬ 
fangsteil der Urethra umgreift, zweitens durch das Klaffen der Vulva 
infolge der Spreizstellung der Beine, das ihre Schleimhaut 
darin und das Orificium urethrae der Besiedelung mit Keimen der 
Umgegend im weitesten Sinne preisgibt, die durch Austrocknung 
gewiß nur erleichtert wird. Vielleicht kommt auch ein weniger 
enges Aneinanderliegen der Harnröhrenwände mit in Frage; denn 
es ist durchaus möglich, daß sich der Zug, der durch die Aus¬ 
einanderlegung und Verlängerung der Oberschenkel (durch das Ein¬ 
stellen am Pfannenorte) gedehnten Weichteile bis zur Harnröhre 
fortpflanzt und ihre Wände voneinander zieht. 

In der durch die Operation erzielten und als Verbandslage 
beibehaltenen Spreizstellung haben wir wohl die Veranlassung 
zur Entstehung zur Cystitis zu sehen, sie bewirkt das Stauungsödem 
durch die Erschwerung des venösen Abflusses und bringt die 
Vulva zum Klaffen, die bei kleinen Mädchen sonst im Aneinander¬ 
liegen der großen Labien den besten Schutz vor Austrocknung und 
grober Verunreinigung hat. Erschwert wird die Zirkulation in den 
Venen durch den Druck der in die Leiste vorspringenden reponierten 
Schenkelköpfe sowohl wie auch dadurch, daß die Venen durch die 
Einstellung der Köpfe eine Längsdehnung erfahren. Gegenüber der 
früheren Lage der Köpfe am Darmbein sind die Oberschenkel nach 
der Reposition um einige Zentimeter verlängert, der Längszug, den 
dabei die Venen erfahren, äußert sich in der Tendenz ihrer Wan¬ 
dungen, sich aneinanderzulegen, gleich wie bei einem in die Länge 
gezogenen Gummischlauch. Die regelmäßig vorhandene Stauung an 
den Labien, manchmal auch an den Unterschenkeln, ist der beste 
Beweis für die Erschwerung des zentripetalen Venenstroms, der 
einige Tage braucht, um sich den zur Ungunst veränderten Ver¬ 
hältnissen anzupässen. In geringem Maße ist er auch bei den 
leichtesten Fällen nachweisbar, die in 2 Minuten eingerenkt wurden. 

Ein Stauungsödem im Anfangsteil der Harnröhre muß aber 
wie an allen Schleimhäuten die Veranlassung zum Katarrh geben, 
mit seinen Folgen der reichlichen Epitheldesquamation, Störung auch 
der Lymphzirkulation usw. günstige Bedingungen für die Ansiede¬ 
lung von Mikroorganismen schaffen. Daß dann ein Uebergreifen 
auf die Blase erleichtert ist, wird nicht in Frage zu stellen sein. 


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Bei doppelseitig eingerichteten Mädchen treten beide Schädi¬ 
gungen in erhöhtem Maße auf und damit ist es gegeben, daß weit 
überwiegend sie an Cystitis erkrankten. Das Oedem ist ausgebreiteter, 
es betrifft beide Labien, die Entlastung durch die Collateralen fällt 
weg, da sie selbst komprimiert werden, das-Klaffen der Vulva ist 
darum viel stärker, weil beide Oberschenkel gespreizt stehen. Daß 
einmal auch bei einem einseitig reponierten Mädchen eine Cystitis 
auftrat, ist kein Widerspruch zu meiner Erklärung; sind auch die 
Schädigungen in gleicher Altersstufe bei einseitiger Einrenkung die 
weit geringeren, so ist hier in Betracht zu ziehen, daß es sich um 
ein lOjähriges Mädchen handelte, bei dem eine Verkürzung von 
6—8 cm auszugleichen, eine schwierige Reposition durchzuführen 
war, die ein größeres Trauma darstellt. Alles Gründe, ein Oedem 
zu schaffen und die Vulva zum Klaffen zu bringen. Nicht außer 
acht zu lassen ist, daß in häuslicher Pflege verkehrte Schambegriffe 
eine rationelle Reinigung der Vulva bei dem schon etwas älteren 
Mädchen mögen behindert haben, andere Möglichkeiten der Verun¬ 
reinigung durch seine eigenen Finger sind auch nicht auszuschließen. 

Wenn es die Flexionsabduktionsstellung ist, die das Entstehen 
der Cystitis verschuldet, dann sind die Aussichten gering, es in allen 
Fällen prophylaktisch zu verhüten; denn sie ist das wesentliche 
Mittel zur Heilung der angeborenen Verrenkung, auf das wir nicht 
verzichten können. Noch weniger wird es einem Operateur ein¬ 
fallen, einem Kinde unter 5 Jahren aus Rücksicht auf eine Cystitis- 
gefahr die Hüften in zwei Sitzungen zu reponieren und damit die 
Behandlungsdauer um mindestens 1 1 ji Jahre zu verlängern. Das 
Oedem nicht durch ein Operationstrauma zu vermehren, ist eine 
ohnedies schon streng beobachtete Rücksicht, die ich persönlich so 
weit treibe, nicht einmal mit dem Daumen der linken Hand mich 
an der Leiste des Patienten zu stützen. Höchstens könnte daraus 
eine Mahnung resultieren, für jene Operateure, die die Schenkel 
noch stark rückwärts drücken, dies zu unterlassen; nebenbei werden 
sie den Vorteil haben, weniger exzentrische Einstellungen und 
„funktionell gute“ Resultate zu erzielen. 

Wir können daher nur durch Abhaltung jeder Verunreinigung 
von der Vulva die Infektion der Harnröhre zu vermeiden und durch 
möglichstes Unterlassen des Katheterismus das direkte Weiter¬ 
tragen der Keime in die Blase zu verhindern trachten. Die Pfleger 
des Kindes müssen eingehend unterrichtet werden, wie sie dazu bei- 


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Cystitis im Gefolge d. unblutigen Einrichtung der angeb. Hüftverrenkung. 265 


tragen können, ebenso muß eine ständige Kontrolle des Harnes 
während der Verbandszeit angeordnet werden. Die Vulva ist nach 
jedem Harn- oder Stuhlgang in der Richtung von oben nach unten 
mit Watte und abgekochtem Wasser zu reinigen und öfter mit 
Vaseline zu bestreichen, um ihre Schleimhaut vor Austrocknung zu 
schützen. Der Katheter wird am besten dadurch vermieden, daß 
man schon einige Stunden nach der Operation die Kinder zum 
Harnlassen anhält. Sehr unterstützend ist dabei das Vorsummen 
der Mütter oder Wärterinnen eventuell das Eintauchen der Unter¬ 
arme in laues Wasser. Vor allen Dingen dürfen die Kinder nicht 
in der ungewohnten Lage auf dem Steckbecken zum Urinieren an¬ 
gehalten werden aus unbegründeter Rücksicht auf das unbequeme 
Hantieren mit dem eingegipsten Becken. Das Thronen auf dem 
Topfe ist dem Kinde ein so festsitzendes taktiles und statisches 
Erinnerungsbild, daß es auf gewohnten Bahnen viel eher die ge¬ 
sperrten Schleusen öffnet, als in der ihm ganz neuen Rückenlage. 

Die Kinder harnen übrigens meist auch ohndies noch am 
Operationstage von selbst, aber es besteht doch nach der unblutigen 
Einrichtung eher für den ersten Tag eine Harnverhaltung als wie 
nach anderen Operationen auch in den Beckengegenden. Ich er¬ 
innere mich nicht, unter hunderten von operierten Hernien, Mast¬ 
darmpolypen und -fissuren Kinder katheterisiert zu haben — im 
Gegensatz zum Verhalten der Erwachsenen — während in den 
150 Fällen unblutiger Reposition doch etwa 7—8mal die künstliche 
Entleerung der Blase nötig wurde. Nur in 2 Fällen davon mußte 
dies mehrmals geschehen. 

Sind wir nicht imstande vorzubeugen, so sind wir verpflichtet, 
das Auftreten der Cystitis so zeitig als möglich zu erkennen und 
sie sofort zu behandeln. Ersteres geschieht durch tägliches Be¬ 
sichtigen des Harnes, die Therapie ist einfach und erfolgreich durch 
Darreichung interner Mittel. Blasenspülungen sind überflüssig, 
höchstens bedenklich durch die Gefahr, neues Infektionsmaterial aus 
der Urethra in die Blase zu tragen. 

Es wäre mir von größtem Wert, die Erfahrungen anderer 
Operateure größeren Materiales auf dem Gebiete dieser nicht ge¬ 
fährlichen, aber auch nicht gleichgültigen Komplikation der segens¬ 
reichen unblutigen Operation kennen zu lernen. 


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Referate. 


Prof. Dr. F. A. Schmidt, Schularzt und Fried r. Schroeder, städt. 
Tuminspektor in Bonn, Orthopädisches Schulturnen, Haltungsfehler und 
leichte Rückgratsverkrümmungen im Schulalter, deren Verhütung und Be¬ 
kämpfung durch geeignete Uebungen. Druck und Verlag von B. G. Teubner 
in Leipzig und Berlin 1911. 

In der vorhegenden Schrift haben es die Verfasser unternommen, die Ent¬ 
stehung der Wirbelsäulenverkrümmungen und die für das Schulalter geeigneten 
Maßnahmen gegen die leichteren Formen derselben darzustellen. Im ersten Teil 
werden von Schmidt die Anatomie und Mechanik der Wirbelsäule und de> 
Rumpfes und die Formen und Ursachen der Rückgratsverkrümmungen be- 
sprochen. 

Hier sind in besonderen Abschnitten die Wirbelsäule, die einzelnen Wirbel, 
die Bänder und die Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule geschildert. 

Ein weiterer Abschnitt gilt den bewegenden und haltenden Muskeln für 
Wirbelsäule und Rumpf. Verfasser schildert anschaulich die Plastik eines normal 
muskulösen Rumpfs im Gegensatz zum Rückenschwächling. Jede Muskelgrupp 
wird in ihrer Bedeutung für die Bewegung und Atmung gebührend gewürdigt, 
und es wird jetzt schon darauf hingewiesen, daß Atmungs- und andere Rumpf¬ 
bewegungen bei der Gymnastik miteinander möglichst in Einklang gebracht 
werden müssen. Speziell diesem Punkte ist nachher ein besonderer Abschnitt 
gewidmet. 

Nun folgt die Form der Wirbelsäule als Ganzes und die Entwicklung dieser 
Form im Laufe der Wachstumsjahre. Verfasser kommt auf die eigentümliche 
Beobachtung zu sprechen, wonach bei Schuluntersuchungen im 13.—14. Lebens¬ 
jahre ein kleinerer Prozentsatz von Skoliosen gefunden wurde, als in den früheren 
Schuljahren, und schließt daraus, daß in diesem Alter eine Anzahl von Skoliosen 
wieder verschwinden. Er glaubt, daß das hauptsächlich mit Haltungsfehlern 
geschehe. 

(Es mag hierbei aber auch die Tatsache in Betracht kommen, daß im früheren 
Kindesalter wegen der viel stärker entwickelten Elastizität des Skeletts lokale 
Fehler ihre W irkungen auf größere Distanz geltend machen. Später kommen 
in nächster Nachbarschaft gelegene kompensatorische Veränderungen hinzu, 
welche das Gleichgewicht wieder hersteilen und die Deformität maskieren. — 
Der Referent.) 

Bei der Besprechung der Sitzhaltung, wobei der Wechsel der Becken¬ 
stellung gegenüber dem Stehen im glücklichen Gegensatz zu so vielen ähnlichen 


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Referate. 


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Besprechungen nachdrücklich hervorgehoben ist, betont er, daß die ungleiche 
Ermüdung beider Seiten Anlaß zur asymmetrischen Haltung gebe, um so mehr, 
als hier die Gleichgewichtserhaltung lediglich den Rumpfmuskeln überlassen ist. 

Nach diesen einleitenden Bemerkungen werden in den Abschnitten 11—20 
zuerst die Wirbelsäulenverkrümmungen nach ihren Formen und sodann nach 
ihren Ursachen besprochen. Der runde, der hohlrunde Rücken, 
der flache Rücken, die übermäßige Lendeneinbiegung 
(Lordose) finden hier ihren Platz. Es sind hier schon einige Uebungen an¬ 
gegeben, welche nach des Verfassers Ansicht bei einzelnen dieser Deformitäten 
verwendbar sind. 

Verfasser macht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Anfänge 
der seitlichen Rückgratsverkrümmungen, der Skoliose, weit zurückreichen 
in die ersten Jahre des Kindes- und Schulalters. Das und die weitgehende Bei¬ 
ziehung der Rachitis und anderer Störungen des Knochenwachstums unter die 
Ursachen der Rückgratsverkrümmungen zeigen deutlich, daß er in dieser Dar¬ 
stellung nicht den üblichen Bahnen gefolgt ist, wie sie jahrzehntelang infolge 
toter Kopierarbeit durch die Lehrbücher gewandert sind und noch wandern, 
sondern sich die Errungenschaften der Neuzeit zunutze gemacht hat. 

Auch die Uebersicht über die verschiedenen Formen der Wirbelsäulen¬ 
krümmungen lehnt sich ebenfalls im wesentlichen an die heute allgemein an¬ 
genommenen Einleitungsgrundsätze an. Nur in bezug auf die habituelle oder 
Sehulskoliose w r eicht Verfasser von den heute geltenden Anschauungen ab. Er 
neigt mehr nach der Seite derjenigen, welche in dieser Form eine, auf Grund 
bestimmter Haltungen entstandene Skoliose erblicken, während gerade als ein 
Ergebnis der Forschungen der letzten Jahre die Erkenntnis angesehen werden 
darf, daß sich das Kind vielmehr hält, wie es gewachsen ist, und daß erst 
in zweiter Linie, in verschwindenden Ziffern Verkrümmungen Vorkommen 1 , bei 
welchen eine bestimmte, von außen aufgezwungene Haltung 
den Ausschlag gibt. Diese bestimmte Haltung findet der Verfasser bei 
der Schreibhaltung, wobei er ausdrücklich dreierlei Schreibhaltungen erwähnt. 

Dieser Auffassung entsprechend schreibt der Verfasser auch der Muskel¬ 
schwäche einen außerordentlichen Einfluß auf die Entstehung der Skoliose zu. 
Er schließt seine Abhandlung mit der Betonung der Wichtigkeit besserer Aus¬ 
bildung der Muskulatur bei der Schuljugend als Vorbeugemittel gegen die Skoliose. 
Er erwähnt ausdrücklich, daß alle schweren und mittleren Rückgratsverkrüm¬ 
mungen, bei welchen schon der sog. Rippenbuckel, d. h. das in der Vorbeuge- 
haltung deutliche, einseitige Vorspringen der Rippenwinkel vorhanden ist, in 
die Behandlung des Arztes gehören, daß somit die im zweiten Teil beschriebenen 
lebungen für Schule und Haus in erster Linie vorbeugender Art, 
und ausreichend nur für Rücken Schwächlinge, sowie für 
leichtere Fälle beginnenden Schiefwuchses zu betrach¬ 
ten seien. 

Der zweite Teil ist betitelt: „Uebungen zur Geraderichtung 
der Wirbelsäule und Erzielung guter Haltung, an Hand 
der beigegebenen Uebungsbilder erläutert 1 '. 

Diese Uebungen nehmen hauptsächlich die Rumpfmuskulatur in An¬ 
spruch. Sie sind von Schroeder aufs genaueste beschrieben. Ganz besonders 


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Referate. 


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ist darauf Rücksicht genommen, auf welche Punkte der Uebende seine Kräfte 
konzentrieren muß, damit d i e Bewegung statt finde, die er beabsichtigt, z. B. 
wie er die Rückwärtsbewegung gestalten soll, damit der Lendenteil der Wirbel¬ 
säule festgestellt wird, und eine Rückwärtsbewegung in der Brust wir beLsaule 
statt findet, in welcher sie bekanntlich außerordentlich schwer ist. 

Es ist nicht zu verkennen, daß bei diesen Uebungen nicht sowohl Rück¬ 
sicht genommen ist auf die Arbeit der Muskulatur, als auf die äußerste Aus¬ 
nutzung der Dehnbarkeit und Bewegung in den Gelenken. Das zeigt sich be¬ 
sonders in den tiefen Rumpfbeugeübungen im Kniestand mit Sitzen auf den Fersen, 
in dem Beinheben in der Rücklingslage bis zum Ueberschlag u. a. m. Wir möchten 
deshalb viele von diesen Uebungen ebensosehr als Gelenkigkeitsübungen, als ah 
Kräftigungsübungen bezeichnen. Manche bewegen sich hart an der Grenze des 
Akrobatentums. 

Ueber die Art und Weise nun, wie die Uebungen in die Lebensführung, 
in den Stundenplan des Kindes einzufügen seien, über die Zahl und Zeit der 
Uebungen und die damit zu verbindenden Vorsichtsmaßregeln werden keinerlei 
bestimmte Vorschläge gemacht. 

Bei der Aktualität des Themas sei es mir gestattet, den Rahmen des den 
Inhalt angebenden Referates zu überschreiten und einige kritische Bemerkungen 
beizu fügen. 

Aus obigen Angaben geht hervor, daß die Verfasser den Stoff nicht ge¬ 
meinsam bearbeiteten, sondern ihre Arbeit streng geteilt haben. Während der 
eine, soviel es der Umfang und der Zweck einer populären Schrift gestattet, sich 
in die Ursachen, das Wesen und die Mechanik der Wirbelsäulendeformitäten 
vertieft und damit noch da und dort geeignete Winke für die Behandlung ver¬ 
bindet, stellt der andere die Ausführung gymnastischer Rumpf Übungen dar. 

Beide Teile sind in ihrer Art vorzüglich abgefaßt; aber wenn man sie ver¬ 
gleicht, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß bei ihrer Abfassung 
verschiedene Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind. Dort der ärztliche, hier 
der rein gymnastische. 

Wenn sich auch diese Gesichtspunkte da und dort sehr eng berühren, so 
entbehren die beiden Teile aus diesem Grunde doch eines inneren organischen 
Zusammenhangs. Nach der Auseinandersetzung der Ursachen und des Verlauf? 
der Rückgratsverkrümmungen, nach dem Titel „Orthopädisches Schulturnen, 
Haltungsfehler und leichte Rückgratsverkrümmungen im Schulalter, deren Ver¬ 
hütung und Bekämpfung durch geeignete Uebungen,“ erwartet der Leser. Laie 
und Fachmann im zweiten Teil etwas anderes als hier geboten ist; denn hier findet 
er eine genaue Beschreibung von Rumpfübungen, welche auf Erzielung von Ge¬ 
lenkigkeit in der Wirbelsäule und Ausbildung der Rumpfmuskulatur hinarbeiten, 
also nicht eine Anleitung zur Behandlung, wenn auch diese Beschreibung, 
wie die hier vorliegende mustergültig durchgeführt ist. 

Freilich werden mir die Verfasser entgegnen, daß sie ausdrücklich an 
mehreren Stellen betont haben, daß die Uebungen mir für Rückenschwächlinge 
und Skoliosen leichtesten Grades bestimmt sind. Ganz gewiß lassen sich mit 
denselben auch nur in solchen Fällen Resultate erzielen. Für schwächliche jüngere 
Kinder mit schwachem Skelett sind aber eine Anzahl dieser Uebungen unbedingt 
nicht geeignet. 


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Referate. 


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Nach unserer Auffassung entspricht demnach der Inhalt des Buches nicht 
der Aufschrift, die ihm die Verfasser gegeben haben. Die beschriebenen Uebungen 
sind allgemein verwendbar, mehr für kräftige ältere Kinder geeignet, ver¬ 
dienen also nicht das Prädikat orthopädischer Uebungen. Sie 
wirken nur geraderichtend, aufrechthaltend bei verhältnismäßig unversehrtem 
normalem Skelett. 

Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß Uebungen, die orthopädischen 
Wert haben sollen, zeitlich in bestimmter Weise ausgedehnt werden müssen, 
und daß die übrigen, oben erwähnten Faktoren für das Resultat in hohem Grade 
mitentscheidend sind. Es kann auch nicht verschwiegen werden, daß verschiedene 
dieser Uebungen keineswegs geeignet wären, einen orthopädischen Effekt zu 
erzielen, daß vielmehr durch die übermäßige Betreibung der Gelenkigkeitsübungen 
manchen Fällen von Skoliosen oder Kyphosen Vorschub geleistet würde. Man 
denke nur an den Schlangenmenschen, der im aufrechten Stehen einen gewaltigen 
runden Rücken hat. 

Es müssen demnach bei dieser Gymnastik ihre Allgemein Wirkung, die 
Stärkung des Knochen- und Muskelsystems und der daraus hervorgehende günst ige 
Einfluß auf die Entwicklung des Bewegungsapparates der Kinder als Haupt¬ 
wirkung bezeichnet, und ihre orthopädische Wirkung müßte auf diesem 
Wege gesucht werden. Ist das aber richtig, so müssen wir nochmals hervor¬ 
heben, daß das nicht orthopädische Gymnastik ist, dann gehört sie mit hinein 
in den Rahmen des Gesundheits- und des Schulturnens, derjenigen Wohltat, 
deren heutzutage jedes Schulkind, wie wir wünschen möchten, in weit ausgedehn¬ 
terem Maße, als das heute geschieht, teilhaftig zu werden das Recht hat. 

Ich wende mich also an dieser Stelle giundsätzlich gegen die Auffassung, 
daß symmetrische, wenn auch noch so exakt ausgedehnte gymnastische Be¬ 
wegungen ohne weiteres als orthopädisches Schulturnen bezeichnet werden dürfen. 

„W ir haben heute gehört, daß es ein orthopädisches 
Schulturnen nicht gibt,“ schloß der letzte Redner am deutschen Turn- 
lehrertag in Darmstadt — selbst ein Turnlehrer — die Besprechung über 
dieses Thema, und ich bin der Meinung, das war ein richtiges, ein vernünftiges 
und unter den vorliegenden Verhältnissen ein tapferes Wort. Die Schuljugend 
soll turnen, täglich turnen, und sie soll so turnen, daß auch schwache Kinder 
mitmachen können, es soll aber nicht etwas in die Schule hineingetragen werden, 
was nicht hineingehört. 

Orthopädische Maßnahmen, orthopädische Gymnastik sind Sache des 
orthopädisch gebildeten Arztes, und sollen im Zusammenhang mit geeigneten 
ärztlich geleiteten Anstalten getrieben werden. Ihre Ueberwachung und Ge¬ 
staltung für den einzelnen Fall und ihre Organisation eignet sich infolge der hierfür 
nötigen Kenntnisse auch nicht für jeden praktischen Arzt, auch nicht für jeden 
Schularzt. 

Ich kann mich deshalb nicht damit zufrieden geben, daß eine ärztliche 
Ueberwachung garantiert sei, und weiter beweist gerade das vorliegende Buch, 
daß hier leicht eine unrichtige Auffassung Platz greifen kann. Obwohl sein ärzt¬ 
licher Teil von einem auf dem Gebiete des Turnwesens und der Jugendhygiene 
so erfahrenen, einsichtsvollen, hochverdienten und immerfort mit Begeisterung 
weiter arbeitenden Arzte verfaßt ist, so bringt es nach unserer und wohl der 


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Referate. 


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Mehrzahl der Fachorthopäden Meinung doch eine unrichtige Auffassung in diese 
Frage. 

Man wird mir entgegnen, daß es aber doch sehr wünschenswert sei, daß 
schwächliche Kinder einen Sondertu munterricht — nicht Sondertum kurse- 
genießen, falls es nicht möglich sei, die tägliche Turnstunde für alle Kinder durch¬ 
zuführen. Das will ich nicht bestreiten; dann nenne man aber das Kind beim 
richtigen Namen und spreche nicht von orthopädischer Gymnastik, sondern von 
hygienischem oder Spezialtumen usw. 

Man wird mir weiter den Vorwurf machen, das sei ein Streit um die Form, 
um das Wort. 

Diesem Vorwurf gegenüber muß ich erwidern: 

Im Grunde genommen wollen wir, die Schulärzte, die Turnlehrer, soweit 
sie das orthopädische Schulturnen befürworten und die Fachorthopäden alle das¬ 
selbe. Wir haben das Bestreben, etwas Energisches zur Hebung und Bekämpfung 
der Rückgratsverkrümmungen zu tun. Ich glaube aber, es ist im Interesse der 
Sache, das scheint mir sogar aus den Ausführungen des Verfassers im ersten Teil 
hervorzugehen, daß nicht der Weg des sog. orthopädischen Schulturnens gewählt 
werde, auf welchem dieses ganze Gebiet über kurz oder 
lang den Laien in die Hände gespielt und damit einem 
immer blühenderen Kurpfuschertum ausgeliefert wird. 

Es ist auch zu berücksichtigen, daß ganz gewiß bei Verallgemeinerung 
dieses orthopädischen Schulturnens es nicht bei der Behandlung der leichtesten 
Formen bleiben wird, sondern es werden nach und nach alle möglichen schwereren 
Formen und Fälle mit hingezogen, und es ist weiter zu berücksichtigen, daß ein 
solches System den Einfluß des Arztes mehr und mehr verkleinert, und der Nicht- 
fachmann in dieser Frage, der Turnlehrer, die Oberhand gewinnt. 

Meiner Meinung nach bleibe dem Arzte was des Arztes ist. Orthopädische 
Behandlung ist nicht gleichbedeutend mit irgend einem Tumsystem. 

Dann muß ich allerdings aber auch einen energischen Appell an meine 
Spezialkollegen richten. Sie mögen jeder an seinem Platze mit aller Kraft dafür 
einstehen und arbeiten, daß die Kinder, die orthopädische Behandlung brauchen, 
dieselbe wirklich auch finden. Sie mögen sich selbst die Mühe nicht verdrießen 
lassen, sich persönlich in die orthopädische Gymnastik einzuarbeiten. Sie 
mögen darauf hinwirken, daß die Schule sich der Einsicht nicht länger verschließe, 
daß sie immer noch mehr für die physische Erziehung tun muß. Nicht nur die 
pädagogische, auch die hygienische Schulreform ist durch zu führen, und dazu 
gehört nicht zuletzt die Einführung einer täglichen Körperübungsstunde. 

l T m jedem Mißverständnis vorzubeugen, wiederhole ich zum Schlüsse 
nochmals: 

Ich beanstande mit Ausnahme einiger weniger der empfohlenen Uebungen. 
die ich für schwächliche Kinder nicht geeignet halte, in keiner Weise die Aus¬ 
führungen und Vorschläge der beiden Verfasser, die sich ja jeder auf seinem 
Gebiete große Verdienste erworben und auch im vorliegenden Buche die Frucht 
gründlicher Studien niedergelegt haben, sondern nur die Art der Kombination 
ihrer Arbeiten und die daraus hervorgehende Art, Organisation 
und Auffassung der Hilfe für die mit Rückgratsverkrümmungen be¬ 
hafteten Kinder. 


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Ich zweifle nicht daran, daß sich auch hierin eine Einigung wird erzielen 
lassen. Ich darf in dieser Hinsicht auf meine früheren Veröffentlichungen über 
diesen Gegenstand aufmerksam machen. Schultheß - Zürich. 

FriedrichDes sauer und B. W i e s n e r, Leitfaden des Röntgenverfahrens. 
Mit 131 Abbildungen und 4 Tafeln. Vierte umgearbeitete und vermehrte 
Auflage. Otto Nemnich, Leipzig 1911. 

Die neue Auflage des Leitfadens ist vollständig umgearbeitet und bis auf 
die letzte Zeit ergänzt. Es ist jedoch das bewährte System beibehalten, den 
physikalischen und rein technischen Teil dem Physiker und Techniker zu über¬ 
lassen, während die medizinische Seite, beginnend mit der Technik der Auf¬ 
nahme, von Aerzten bearbeitet wird. Es ist auf diese Weise wieder gelungen, 
ein gutes Buch zu schaffen, das in alle Teile der weitverzweigten röntgenologi¬ 
schen Wissenschaft einführt. Ueber Einzelheiten in der Aufnahmetechnik kann 
man anderer Auffassung sein; als direkter Fehler muß aber die Darstellung des 
Kompressionsverfahrens bezeichnet werden, an der Referent schon bei der dritten 
Auflage Anstoß nahm. Es ist nicht Möglich, mit einem Apparat, wie dem be¬ 
schriebenen und abgebildeten, eine richtige Kompression auszuüben; der An¬ 
fänger bekommt hier ein durchaus falsches Bild. 

F. W o h 1 a u e r - Charlottenburg. 

Eugen Joseph, Lehrbuch der Hyperämiebehandlung akuter chirurgischer 
Infektionen. Theorie und Praxis für Aerzte und Chirurgen. Mit einem Vor¬ 
wort von Prof. August Bier. 16 Tafeln und 14 Abbildungen und 
Kurven im Text. Verlag von Dr. W. Klinkhardt, Leipzig 1911. 

In der von Bier gegebenen Einleitung zu der von Joseph nieder¬ 
geschriebenen Klinik der Stauungshyperämie heißt es wörtlich: „Das Buch soll 
in erster Linie ein praktischer Ratgeber sein.“ In der Tat ist der Verfasser des 
Werkes diesem Postulat in vollstem Maße gerecht geworden. Daß daneben die 
theoretische Bearbeitung der Lehre von der Hyperämiebehandlung nicht zu kurz 
gekommen ist, beweisen Josephs ausführliche Darlegungen über die Ver¬ 
änderung des Blutstroms durch die Entzündung, über den entzündlichen Lympb- 
strom und Stauungshyperämie und andere Kapitel. Besonders wertvoll wird das 
Joseph sehe Buch demjenigen sein, der sich mit den allgemeinen Indikationen 
und Kontraindikationen der Stauungshyperämie vertraut machen will, denen ein 
l>e8onderer Abschnitt gewidmet ist. Auch die allgemeine Technik der Hvper- 
ämisierung findet eingehende Besprechung. In weiteren Teilen erweist Verfasser 
an Hand ausgedehnter praktischer Erfahrungen, die er an den Kliniken in Bonn 
und Berlin unter Bier gesammelt hat, den Wert der Stauungsbehandlung beim 
Furunkel und Karbunkel, bei der Lvmphangitis, dem Erysipel und der Lymph¬ 
adenitis, bei der Mastitis, bei Panaritien und Phlegmonen der Sehnenscheiden, 
sowie bei der Behandlung kranker Knochen und Gelenke. Den Beschluß des 
Lehrbuchs bilden Erörterungen über die frühzeitige und prophylaktische Wirkung 
der Stauungshyperämie. Ein erschöpfendes Literaturverzeichnis ist dem Werke 
beigefügt, das jedem, der auf dem von B i e r beschrittenen Pfade weiterschreiten 
will, eine wesentliche Arbeitserleichterung gewähren dürfte. 

B i b e r g e i 1 - Berlin. 


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Referate. 


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W innethOrr, Reasons for the state care of the crippled and deformed; some 
of the problems involved. American journal of orthopedic surgery, No- 
vember 1911. Vol. IX, p. 218. 

Der Autor tritt für die Verstaatlichung des Krüppelwesens ein. Er verspricht 
sich von dieser gerechtere Aufnahmebedingungen für die Krüppel, glaubt, daß 
dem Staat geeignetere Erziehungsmethoden für die Krüppel zur Verfügung ständen, 
und hofft, daß die Krüppelheime unter staatlicher Aufsicht Ausbildungszentren 
für die Aerzte werden könnten. Bibergeil - Berlin. 

R. du Bois-Reymond, Deutsches Turnen und gymnastische Systeme. 
(Vortrag in der Berliner ortliop. Gesellsch. in der Sitzung vom 6. November 
1911.) Berliner klin. Wochenschr. 1911, Nr. 50. 

Verfasser erkennt den gymnastischen Systemen, die sich die systematische 
Ausbildung der einzelnen Muskelgruppen zum Ziele setzen, keinen Vorzug vor 
den verwickelteren Gerätübungen des deutschen Turnens zu. Er bekämpft 
die Anschauungen der Anhänger der gymnastischen Systeme, welche die Leibes¬ 
übungen als eine Art prophylaktischer Orthopädie auffassen, die systematisch 
eine harmonische Entwicklung der Bewegungsorgane herbeiführen soll, und 
glauben, daß die bewußte Tätigkeit zu Willenskraft und Aufmerksamkeit erziehe. 
Harmonisch“ ist Sache des persönlichen Geschmackes und, die Ausbildung 
bestimmter Muskelgruppen für sich allein ist unmöglich, ohne daß nicht noch 
eine sehr große Zahl anderer mit in Tätigkeit gesetzt wird. Er sieht den Haupt* 
fortschritt, den die Uebung hervorbringt, in einer vollkommenen Koordination 
der Muskeltätigkeit. Und hierin sind beide Turnarten einander ziemlich gleich. 

Verfasser betrachtet die Leibesübungen ihrem eigentlichen Wesen nach 
als Aeußerung eines Kunsttriebes und will sie daher auch nur von ästhetischen 
Gesichtspunkten aus beurteilt wissen. Maier- Aussig. 

A 1 e x a n d r i d e s, Die Sehwerlinie des menschlichen Körpers bei stehender 
Stellung. Ihre Lage in bezug auf die Füße. Diss. München 1911. 

Nach einigen physikalischen Vorbemerkungen bespricht Alexandrides 
die bisher veröffentlichten Methoden zur Bestimmung des Schwerpunktes des 
menschlichen Körpers, vor allem die von L o v e 11 und Reynolds, die er 
nachgeprüft hat. Auf Grund dieser seiner Untersuchungen ist er zu der Ansicht 
gekommen, daß der von diesen Autoren angegebene Apparat mit Leichtigkeit 
zu konstruieren ist und es gestattet, auf einfache und ziemlich exakte Weise die 
Schwerlinie des menschlichen Körpers bei aufrechter Körperhaltung und ihn 
Beziehung zu den verschiedenen Körperstellen zu bestimmen. Die Sehwerlinie 
trifft die Füße bei aufrechter Körperhaltung und gleich weit stehenden Fersen in 
einer bestimmten Entfernung von dem hinteren Rande der Fersen. Diese Ent¬ 
fernung ist in gewisser Beziehung von der Fußstellung unabhängig. Sie ist bei 
der Fußstellung mit nach vorn gerichteten oder eher etwas medial gerichteten 
Fußspitzen um 0,5—1,5 cm kleiner als die Entfernung der Tuberositas oss. meta- 
tarsalis V. vom hinteren Fußrande bei zusammenstehenden Fersen und mäßig 
abduzierten Fußspitzen um ebensoviel dahinter. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 


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Referate. 


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Nebel, Zwanzig Jahre Erfahrungen mit Dr. Gustav Zanders medikomechaniSchefr 
(d, h. vom Arzt geleiteter — durch Apparate vermittelter) Heilgymnastik. 
Arch. f. Orthopädie Bd. 11, Heft 1. 

Nebel erzählt, wie er dazu kam, sich der Zander sehen mechanischen 
Gymnastik zu widmen. Er beschreibt dann weiter in seinem „die Behandlung 
allgemeiner Ernährungsstörungen“ überschriebenen Artikel, wie die Bewegungs¬ 
kuren auf die Ernährung des gesunden, des über- und des unterernährten Körpers 
wirken, und wie günstige Erfolge er zuerst in den beiden letzteren Fällen durch 
richtig dosierte und streng überwachte Gymnastik hatte. Einige einschlägige 
Rezepte sind beigefügt. Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

Leopold Freund, Zur Bandagenbehandlung der Gasteroptose. Wiener 
med. Wochenschr. 1911, Nr. 50. 

Verfasser hat röntgenologisch das Verhalten der bei der Behandlung der 
Gasteroptose verwendeten Bandage untersucht. Um die Beziehungen zwischen 
der Bandage und dem gedehnten Magen genau studieren zu können, wurde die 
Pelotte der Bandage aus Celluloid von der Stärke der üblichen Pelotten her¬ 
gestellt und entlang dem oberen Rande ein Bleidraht befestigt, der die Lage der 
Pelotte im Röntgenbilde markierte. Es zeigte sich nun, daß durch die Pelotte 
nur eine geringe Haltung der unteren Magengrenze, hingegen ein großer Teil 
des Magens komprimiert und gegen die Rückwand der Bauchhöhle gedrückt wurde. 
Hierdurch wird eher noch eine Vermehrung der Beschwerden erzeugt, da die 
Passage des Inhalts von der Cardia zum Pylorus erschwert wird. 

Auf Grund dieser Feststellungen ließ Freund eine Bandage herstellen, 
die den anatomischen Verhältnissen besser angepaßt ist. Auf radioskopischem 
Wege wurde der Umriß der großen Kurvatur des gefüllten ptotischen Magens 
hergestellt, nach der so ermittelten Linie der obere Rand der Pelotte geformt 
und diesem entlang ein Bleidraht befestigt. Die Pelotte wurde nicht der Mitte 
des Abdomens entsprechend an der Leibbinde befestigt, sondern unter Kontrolle 
des Röntgenschirms so an der Leibbinde angebracht, daß die große Kurvatur 
genau in den oberen Abschnitt der Pelotte hineinpaßte. Durch den Druck einer 
Feder und durch elastische breite Riemen, welche um den Bauch herum zu dem 
hohen mit festen Einlagen versehenen Rückenstück hinziehen, wurde die Pelotte 
fixiert. Die Binde wird in Rückenlage der Patientin erst nach der Mahlzeit an¬ 
gelegt und so lange getragen, bis der Magen entleert ist. Eine Röntgenskizze 
zeigt, daß die Haltung des kaudalen Endes des Magens etwa 8 cm beträgt und 
daß der aufsteigende Schenkel des Magenschlauches jetzt nicht mehr vertikal 
sondern stark geneigt zieht, so daß die Hubhöhe wesentlich verringert und der 
Austritt des Mageninhaltes erleichtert wird. H a u d e k - Wien. 

Fritzsche, Zur Perimetrie der Gelenke. Münch, med. Wochenschr. 1911, 
Nr. 48. 

Beschreibung der Konstruktion und Anwendung eines Apparates zur 
Messung der Gelenkexkursionen, der nach den Angaben von Prof, de Q uervai n 
von der Finna James Jaquet A.-G. in Basel hergestellt wird und die Messung 
und graphische Darstellung der Gelenkfunktion gestattet. Einzelheiten sind 
im Original nachzusehen. S c h a r f f - Flensburg. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 13 


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Referate. 


Fritzsche, Zur Perimetrie der Gelenke. (Nachtrag zu obiger Arbeit in Nr. 48 
der Münch, med. Wochenschr.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 5i 

Fritzsche teilt noch mit, daß L u d 1 o f f einen aus dem Schultheß* 
sehen Nivelliertrapez hervorgegangenen Apparat zur Winkelmessung der Extre¬ 
mitätengelenke verwendet hat. L u d 1 o f f benutzt zur Messung der Seitwärts- 
drehungen des Kopfes den Kompaß, den er auf dem Scheitel des zu Untersuchen¬ 
den fixiert. L u d 1 o f f hat auch noch einen komplizierteren, in drei verschiedenen 
Achsen einstellbaren Apparat zur Perimetrie der Gelenke konstruiert. 

Scharff- Flensburg. 

Semeleder, Unauffällige Prothese, (k. k. Gesellsch. d. Aerzte, Wien, 10. No¬ 
vember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 49. 

Vorstellung eines 18jährigen Mädchens, dem Semeleder wegen einer 
Verkürzung des Beines um 24 cm eine Prothese konstruierte, die es gestattet, 
mit dem Fuß des kranken Beines den 24 cm unterhalb befindlichen künstlichen 
Fuß zu bewegen. Scharff - Flensburg. 

Pels-Leusden, Praktische Winke zur Gipsverbandtechnik. Deutsche med. 
Wochenschr. 1912, Nr. 3. 

Pels-Leusden benutzt nur noch Gipsbinden, die aus gewöhnlichen 
Mullbinden hergestellt sind. In den 13 Jahren, seitdem er mit den Gipsmullbinden 
arbeitet, nachdem er vorher die Appreturbinden in mehrjähriger Praxis kennen 
gelernt hat, hat er als den Nachteil der letzteren gegenüber den ersteren folgendes 
empfunden: Zunächst erstarren die Appreturgipsbindenverbände sehr langsam. 
Zweitens wird bei dem Einlegen der Appreturbinden in Wasser — und das ist 
nach Verfassers Meinung auch der Grund für das langsame Erstarren der Ver¬ 
bände — eine große Menge Wasser lediglich zum Verkleistern der Stärke gebunden. 
Das bedingt für den Anfang ein viel größeres Gewicht des Verbandes und eine lang¬ 
same Abgabe des überflüssigen Wassers durch Verdunsten. Drittens liegen natur¬ 
gemäß die Gipspartikelchen viel weiter auseinander, der Verband ist unförmiger, 
er gibt auch beim Anlegen auf die Haut, z. B. beim Abformen eines Körperteils, 
keinen so exakten Abguß wie bei Verwendung von Mullgipsbinden. Viertens 
haftet der Gips in den Appreturbinden nicht so gut wie in den Mullbinden, da 
er in die schon mit Kleister angefüllten Maschen nicht eindringen kann. Endlich 
ist eine Appreturbinde mehr als das Doppelte teurer als eine Mullbinde, was nur 
dann nicht ins Gewicht fallen könnte, wenn die aus ersterer hergestellten Verbände 
den aus der letzteren hergestellten überlegen wären, und das ist nach Autors 
Meinung nicht der Fall. Diesen vielen Nachteilen steht nur ein einziger, aber 
auch nur sehr bedingter Vorteil gegenüber, das ist die etwa leichter zu erlernende 
Herstellungsart der Appreturgipsbinden. Bibergeil - Berlin. 

Ferdinand Fuchs, Ein Beitrag zur Lehre der Osteogenesis imperfecta. 
Virchows Archiv 1912, Bd. 207, Heft 1. 

Bericht über ein frisches Präparat aus der Sammlung des Straßburger 
Pathologischen Instituts. Der Fall betriflt einen totgeborenen Knaben. Es inter¬ 
essieren die mikroskopischen Befunde: Die Knochenbildung in den ersten Deck¬ 
knochen des Schädels fehlt entweder ganz oder steht in den ersten Anfängen oder 


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Referate, 


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ist zurückgeblieben (Calvaria membranacea). Die Grenzen zwischen Epiphysen 
und Diaphysen der Röhrenknochen zeigen normale Verhältnisse bezüglich der 
Knorpelwucherung, Form, Struktur und Anordnung der Zellen. Die enchondrale 
Knochenbildung zeigt an und für sich normalen Verlauf, ist aber sehr gering. 
In den Diaphysen sind zahlreiche Knorpelreste, aber nur sehr wenig Knochen- 
bälkchen anzutreffen. Die periostale Knochenbildung fehlt an einigen Stellen 
ganz, sonst ist sie recht gering; das Periost ist stellenweise dünner. Man kann von 
hochgradiger Dystrophia periostalis sprechen. Die Zahl der Osteoblasten ist 
überall etwas geringer, in den Röhrenknochen ist das Markgewebe vermehrt, 
sozusagen alles andere überwuchernd. 

Die Verkürzung der Extremitäten in dem von Fuchs beschriebenen Fall 
beruht nicht auf Frakturen. Er bezieht sie auf Störungen der enchondralen 
Knochenbildung. Ist sie sehr mangelhaft oder fehlt sie fast ganz, dann bleibt 
das Längenwachstum aus, die Knochen sind infolge ganz ungenügender Entwick¬ 
lung der Diaphysen kurz, unverhältnismäßig plump, wenig brüchig, aber biegsam, 
etwas federnd; die Epiphysen erscheinen hingegen viel zu groß und zu breit — 
es liegt eine zweite Art von Fällen von Osteogenesis imperfecta mit stark ver¬ 
kürzten Extremitäten vor. Die Weichheit der Schädelknochen beruht auf einer 
geringen Funktionstüchtigkeit der Osteoblasten. Aetiologisch ist in dem Falle 
nichts zu ermitteln gewesen. Die Lebensfähigkeit der Kinder, die mit Osteogenesis 
imperfecta behaftet sind, hängt von dem Grade der Erkrankung ab. Nach der 
Ansicht des Verfassers stellen die leichteren Grade von Osteogenesis imperfecta 
mit ziemlich normalem Längenwachstum die Osteopsathyrosis dar. Mit Chondro¬ 
dystrophia foetalis hat die vorliegende Erkrankung nichts zu tun. 

Bibergeil - Berlin. 

F. S i e g e r t. Der chondrodystrophische Zwergwuchs (Mikromelie). Ergebnisse 
der inneren Medizin und Kinderheilkunde. Verlag von Julius Springer, 
Berlin 1912. Bd. 8, S. 64. 

In dem vorliegenden Artikel handelt Verfasser allein den chondrodys¬ 
trophischen Zwergwuchs, die Chondrodystrophie (Kaufmann), die Achondro- 
plasie (P a r r o t) ab. Von Mikromelie nach Kassowitz’ Empfehlung zu 
sprechen, ist nach Ansicht S i e g e r t s nicht ratsam, da immer wieder Ver¬ 
wirrung eintreten muß, wenn ein klinisches Symptom in den Vordergrund rückt, 
das bedingt sein kann durch erworbene multiple Frakturen oder Verkrümmungen 
(Rachitis), durch periostale und endostale Wachstumsstörungen (Osteogenesis 
imperfecta), angeborene Mißbildung (Phokomelie) und primäre Störung des Prim¬ 
ordialknorpels (Chondrodystrophie). Verfasser wendet sich dann der Aetiologie 
des Leidens zu. Er betont, daß keineswegs eine krankhafte Funktion oder Be¬ 
schaffenheit der Schilddrüse in Betracht kommt. Das Schilddrüsensekret des 
Fötus ist im intrauterinen Leben absolut bedeutungslos, auch bei der Athyreosis 
congenita. S i e g e r t gibt eine Zusammenstellung der bisher überlebenden Fälle 
nach Geschlecht und Alter. Aus dieser geht hervor, daß das weibliche Geschlecht 
nicht in besonderem Grade zur Chondrodystrophie neigt und weiter, daß 
Chondrodystrophiker häufiger am Leben bleiben als früh zugrunde gehen. Ver¬ 
fasser bespricht eingehend Symptomatologie, pathologische Anatomie, Verlauf, 
Diagnose, Komplikationen und Therapie des Leidens. Die Diagnose „Chondrodys- 


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Referate. 


trophie* 1 wird beherrscht von dem Mißverhältnis der infolge der primären Störung 
des Knorpelwachstums verkürzten Extremitäten zum Rumpf, die angeboren ist 
und bis zum Abschluß des Wachstums dauert. Der chondrodystrophische Zwerg: 
unterscheidet sich also vom echten Zwerg durch dieses Mißverhältnis, im Gegensatz 
zu dessen proportionaler Kleinheit. Der athyreotische und der kretinistisehe 
Zwerg zeigen ähnlich wie der echte Zwerg allgemeinen Zwergwuchs, ebenfalls wie 
bei der Rachitis erst nach der Geburt einsetzend, ohne fötale Erkrankung des 
primordialen Knorpels, aber ungleichmäßig auftretend und die Proportion des 
Körpers störend ohne einseitige Mikromelie, sondern im Sinne des Fortbestehens 
der kindlichen Skeletteile. Bei ihm, wie beim echten Zwerg, bleiben die epiphy- 
sären Knorpel unverbraucht bis ins hohe Alter, während sie beim chondrodys¬ 
trophischen Zwerg vorzeitig verbraucht werden. Siegert berichtet im Ver¬ 
laufe der Besprechung der pathologischen Anatomie der Chondrodystrophie von 
einem ömonatigen Mädchen mit einseitiger Chondrodystrophie des ganzen Körpers. 

Bibergeil - Berlin. 

L o m m e 1, Zwergwuchs. (Naturwissenschaftl.-med. Gesellsch. zu Jena, 23. No¬ 
vember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 52. 

Vorstellung zweier 26jährigen Männer (Zwillinge) mit Zwergwuchs. Die 
Extremitäten sind sehr kurz, stark verkrümmt. Das Röntgenbild zeigt an den 
kurzen und gekrümmten Diaphysen plumpe, pilzförmige Epiphysen, deren Mi߬ 
gestalt die falsche Richtung und schlotternde Beschaffenheit der Gelenke bedingt 
Watschelnder Gang; keine Hüftluxation. Es handelt sich um Chondrodystrophie. 

S c h a r f f - Flensburg. 

W. Dibbelt, Neue experimentelle Untersuchungen über die Pathogenese der 
Rachitis. Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 7. 

Die experimentell bei Hunden durch kalkarme Nahrung erzeugten Knochen¬ 
veränderungen sind den bei der Rachitis bestehenden im wesentlichen analog zu 
setzen; die sich ergebenden Unterschiede sind rein quantitativer Art. Sie sind 
aus den Versuchsbedingungen und den allgemeinen physiologischen Verhältnissen 
erklärbar. Der Schluß, daß die kalkarme Nahrung die Ursache der Rachitis sei, 
ist unberechtigt. Trotzdem kann man für einen Teil der Fälle von Rachitis diese 
Genese annehmen; denn die Erfahrung hat gelehrt, daß ein Teil der Rachitisfälle 
durch Kalkdarreichung zur Heilung gebracht werden kann. Bei einem größeren 
Teil der Fälle besteht ein primärer Kalkmangel in der Nahrung nicht, und sie 
lassen sich durch Darreichung von Kalksalzen keineswegs günstig beeinflussen. 
Bei diesen Fällen ist das Wesen der Rachitis in einer Störung des Kalkstoffwechsels 
zu suchen. Es blieb noch übrig, nach der auslösenden Ursache oder der Patho- 
kinese der Rachitis zu suchen. Nach D i b b e 11 s Untersuchungen führen Stö¬ 
rungen des Verdauungsmechanismus, durch welche Stoffe, vor allem wohl Phos¬ 
phate in abnormer Menge in die unteren Abschnitte des Darmkanals gelangen, zu 
starken Kalkverlusten. Verfasser glaubt, durch das Experiment am Hund den 
Nachweis geliefert, zu haben, daß diese starken Kalkverluste die pathokinetische 
Ursache der Rachitis darstellen. Er entschied diese Frage durch Untersuchungen 
über den Einfluß der Kalkverluste auf das Knochenwachstum. Die bei Tieren 
erzielten Knochenveränderungen gleichen denen bei einem 15 Wochen alten Kinde 
mit beginnender Rachitis. Bibergeil - Berlin. 


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Referate. 


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A. Orgler, Der Kalkstoffwechsel des gesunden und des rachitischen Kindes. 
Ergebnisse der inneren Medizin Und Kinderheilkunde. Verlag von Julius 
Springer, Berlin 1912. Bd. 8, S. 142. 

Die Mehrzahl der Rachitiker hat einen Kalkansatz, der unterhalb der 
Norm liegt. Die Ursache des zu geringen Ansatzes kann einmal darin liegen, 
daß einem Kinde zu wenig Kalk in der Nahrung zugeführt wird; zweitens kann 
wohl die Zufuhr ausreichend sein, aber die Ausnutzung des Kalks ist so ungenügend, 
daß der Kalkansatz geringer ist als normal. Der Grund für diese schlechte Aus¬ 
nutzung kann einmal darauf beruhen, daß der Kalk im Darm in uuresorbierbarer 
Form sich befindet, oder daß im Darm Substanzen entstehen, die dem Organismus 
Kalk entziehen; zweitens kann es sich aber um eine Storung im intermediären 
Stoffwechsel handeln, sei es, daß die Knochenzellen nicht fähig sind, den Kalk 
aufzunehmen, oder daß der Kalk in schwer assimilierbarer Form im Blute kreist, 
so daß die zur Aufnahme bereiten Zellen ihn aus den Säften nicht an sich fesseln 
können. Verfasser macht eingehende Mitteilungen über den Kalkmangel in der 
Nahrung, den Kalkstoffwechsel des Säuglings, den Einfluß des Nahrungseiweißes, 
des Fettes und der Kohlehydrate auf den Kalkansatz, wobei eigene Versuche 
berücksichtigt werden; er bespricht ferner den Einfluß von Salzen auf den Kalk¬ 
stoffwechsel, denjenigen des Lebertrans auf den Kalkansatz. Orgler kommt 
zu der Annahme, daß der Rachitis eine Störung des intermediären Stoffwechsels 
zugrunde liegt. Sie kann auf zwei Wegen zustande kommen; erstens: die im 
Blute kreisenden Kalkverbindungen sind beim Rachitiker anders zusammen¬ 
gesetzt, oder das Blutplasma hat eine andere Zusammensetzung als normal, so 
daß die Kalksalze schwerer assimilierbar sind als in der Norm; infolgedessen 
kann das Knochengewebe, das eine normale Ansatzfähigkeit für den Kalk hat, 
die schwer assimilierbaren Verbindungen nicht auf nehmen. Zweitens: die im 
Blute kreisenden Kalkverbindungen haben eine normale Beschaffenheit; die 
Knochenzeilen sind aber nicht imstande, den Kalk aus diesen, für den normalen 
Knochen gut assimilierbaren Verbindungen an sich zu reißen. Orgler glaubt, 
daß man für das Zustandekommen der Rachitis eine herabgesetzte Assimilations¬ 
fähigkeit des Knochengewebes für Kalk auf jeden Fall annehmen müsse. Erst 
wenn man über diese Frage im klaren ist, wird man an die weitere Frage gehen 
können, welcher Bestandteil des Knochengewebes an der geringen Assimilation 
des Kalkes schuld ist. Bibergeil- Berlin. 

Fraenkel, Skelettveränderungen bei kongenitaler Syphilis. (Biolog. Abteil, 
d. ärztl. Vereins in Hamburg, 28. November 1911.) Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1912, Nr. 2. 

Demonstration der Präparate und Röntgenbilder des Skeletts von zwei tot- 
geborenen und einem 7 Wochen alten Kinde mit kongenitaler Syphilis. Es 
handelte sich bei allen dreien um schwere Formen von Osteochondritis, die zu 
multiplen Epiphysenlösungen geführt haben, in Kombination mit hochgradiger 
Periostitis ossificans. An der Darmbeinschaufel fand sich dieselbe Erkrankung, 
die sonst nur die Röhrenknochen und die Rippen befällt. Der Röntgenbefund 
wurde durch die anatomische Untersuchung bestätigt. 

Scharff- Flensburg. 


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Referate, 


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S i c k, Multiple Exostosen und Enchondrome. (Med. Gesellsch. zu Leipzig, 
\l. Juli 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 47. 

Vorstellung eines 11jährigen Knaben mit multiplen Exostosen und En- 
chondromen und Demonstration der Röntgenbilder. Die Erkrankung hat bereits 
zu erheblichen Störungen (Plattfuß, Ulnarflexion der Hand, Fingerdeformitäten 
usw.) geführt. Scharff - Flensburg. 

S i m m o n d s, Ueber sog. multiple Myelome. (Aerztl. Verein in Hamburg, 7. No¬ 
vember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 47. 

Ein 63jähriger Arbeiter erlitt durch Sturz einen Oberarmbruch und starb 
3 Wochen später an Pneumonie. Bei der Sektion fanden sich zahlreiche vom 
Knochenmark ausgehende Tumoren, die sich histologisch als Plasmome erwiesen. 
Die Verletzung wird als Betriebsunfall anerkannt. Scharff« Flensburg. 

Bauer, Myositis ossificans. (Gesellsch. f. innere Medizin u. Kinderheilkunde, 
Wien, 9. November 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 48. 

Vorstellung eines Kindes mit multipler progressiver Myositis ossificans. 
Seit V 2 Jahr haben sich Knocheneinlagerungen in den tiefen Muskeln des Halses 
und des Schultergürtels sowie in den Kopfnicken! ausgebildet. Außerdem auf¬ 
fallende Kleinheit beider Daumen, der kleinen Finger und der großen Zehen, 
ferner Valgussteilung der Hände, exostosenartige Vorsprünge an beiden Schulter¬ 
blättern und schiefgeschlitzte Augen. Scharff - Flensburg. 

Dalla Vedova, Contributo alla conoscenza delle ossificazioni da trauma 
(con speciale riguardo alle forene consecutive alla lussazione posteriore del 
gomito). Archivio di ortopedia 1911, Anno XXVIII, Fascicolo V. 

Ossifikationen der parartikulären Gewebe sind häufig auftretende Folge¬ 
erscheinungen nach Luxationen im Ellbogengelenk nach hinten. Nach Angaben 
verschiedener Autoren fand sich in 60—80 Proz. von Fällen nach Luxationen 
eine Myositis ossificans. Die Ansicht Machols, daß eine Ossifikation nur nach 
reponierten, unkomplizierten Luxationen zu finden sei, findet Verf. in der 
Literatur nicht genügend bestätigt. Auf Grund seiner Untersuchungen über 
den Verlauf solcher Fälle kommt er zu dem Schluß, daß es sich bei der ossi¬ 
fizierenden Myositis nicht um einen neoplastischen Vorgang handele, sondern 
daß die Neubildung auf eine einfache entzündliche (aseptische) Gewebsirritation 
zurückzuführen sei. Hinsichtlich der Frage, ob die Verknöcherungen periostalen 
Ursprungs seien oder auch ohne Mitwirkung des Periosts denkbar seien, ent¬ 
scheidet sich Verf. fiir die erstere Annahme. Das Vorkommen von Verknöche¬ 
rungen nach Traumen in weichen Geweben ist so zu verstehen, daß die ver¬ 
schobenen Periostteile die Größe der ossären Neubildungen angenommen haben, 
da sie offenbar ein größeres Wucherungsvermögen beim Menschen besitzen, ab 
es in der experimentellen Pathologie nachweisbar ist. Ein anderes Beweismittel 
für den pathogenetischen Ursprung der Ossifikationen bildet die mikroskopische 
Untersuchung. Bei Vorhandensein eines Hämatoms erfolgt sehr selten die Ossi¬ 
fikation, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß ausgetretenes Blut keine 
osteogenetische Fähigkeit besitzt (Ankündigung eines beschließenden Artikels). 

Bibergeil- Berlin. 


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Referate« 


279 


G. Hol'zknecht, Ueber Bursitis mit Konkrementbildung. Wiener med. 
Wochenschr. 1911, Nr. 43. 

Die bei Schleimbeutelaffektionen subakuter und chronischer Natur ein¬ 
tretende Bildung von kalkhaltigen Konkrementen hat häufig Einklemmungs¬ 
erscheinungen zur Folge. In den Bursen der Muskeln der Beckenfemurgruppe 
kommen solche Steine vor, die vielleicht darauf hinweisen, daß sich aus einer 
Bursitis eine Peribursitis entwickelt hat, wodurch dann die hierbei vorhandenen 
ischialgischen Schmerzen zu erklären sind. 

Eine häufige Lokalisation der Bursitis sind die Bursa sunacromialis und 
subdeltoidea, die Steine, die sich hier entwickeln, können durch plötzliche Ein¬ 
klemmung zwischen Acromion und Tuberculum majus Erscheinungen hervor- 
mfen, die eine Verwechslung mit Kontusion, Fraktur und wegen des Druck¬ 
punktes auch mit Tendovaginitis ermöglichen. Der röntgenologische Nachweis 
des Bursolithen gibt dann die Aufklärung. Die Therapie dieser Einklemmung s- 
crscheinungen verursachenden Bursolithen war bisher eine chirurgische, bestehend 
in operativer Entfernung der Steine« 

Holzknecht macht nun darauf aufmerksam, daß Haenisch 
durch längere Beobachtung solcher Bursolithen feststellen konnte, daß diese 
nicht selten allmählich kleiner werden und endlich ganz verschwinden. Auf 
Grund dieser Beobachtungen ward es sich empfehlen, bei derartigen Bursolithen 
im allgemeinen auf die operative Entfernung zu verzichten und physikalische 
Verfahren anzuwenden, die besonders die meist rheumatische Grundlage des 
Leidens und die vorhandene Muskelatrophie berücksichtigen. 

H a u d e k - Wien. 

Haenisch, Therapeutisch-prognostische Bemerkungen zur Bursitis calcarea. 

Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. XVIII, Heft 2. . 

Auf Grund seiner Erfahrungen ist Haenisch zu der Ansicht gekommen, 
daß die Größe des Kalkschattens keinerlei Anhaltspunkte für die subjektiven 
Beschwerden abgeben kann und auf der anderen Seite auch keineswegs irgend¬ 
welche prognostischen Schlüsse zuläßt. Man soll es deshalb in allen Fällen dieser 
Erkrankung, auch bei noch so großem Schatten, zunächst mit der konservativen 
Behandlung versuchen. Erst im Notfall wird man die Operation empfehlen, die 
nach den in der Literatur niedergelegten und nach des Verfassers eigenen Erfah¬ 
rungen günstige Aussichten bietet, sofern sich der Operateur bewußt ist, daß er 
eventuell mit einer festen Verwachsung zwischen der mit Detritusmassen, Kalk 
und auch Knochensubstanz angefüllten Bursa und der Gelenkkapsel zu rechnen 
hat, wodurch eine Eröffnung des Gelenks mitunter unvermeidlich werden kann. 

Blencke - Magdeburg. 

Reichmann, Entstehung von Gelenkmäusen vom röntgenologischen Stand¬ 
punkt. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. XVIII, Heft L 

Nach des Verfassers Ansicht kann die röntgenologische Untersuchung nur 
jene Ansichten über die Entstehung von Gelenkmäusen gelten lassen, die ihnen 
Knochensubstanz zuschreiben. Am besten entspricht dieser Voraussetzung die 
Annahme von Barth, daß die Corpora libera aus Knorpel- und Knochen- 
spongiosa bestehen und außerdem während langer Zeit durch Adhäsionen mit 
dem Mutterboden ernährt werden und so wachsen. Blencke- Magdeburg. 


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280 Referate. 

A. E. Garrod, On auscultation of joint«. Laneet, 28. Januar 1911, 

Verfasser lenkt die Aufmerksamkeit auf das wichtige Hilfsmittel der Aus¬ 
kultation bei Gelenkerkrankungen. Beginnende ARektionen der artikularen 
Strukturen und der Gelenke selbst, die bei der Palpation noch normal erscheinen, 
können dadurch festgestellt werden. Auch eine Differentialdiagnose ist möglich, ] 
hinsichtlich der Frage, ob Knochen und Knorpel betroffen sind, oder nur die 
Synovialmembranen und die die Gelenke umgebenden Weichteile. Die Aus- ; 
kultation wird mittels eines binaurikulären Stethoskops vorgenommen. Während 
der Untersuchung wird das Gelenk aktiv oder passiv langsam gebeugt und ge¬ 
streckt, Bei Blutergüssen ist kein Geräusch wahrnehmbar, ebensowenig nach 
Verfassers Erfahrungen bei tuberkulösen Gelenkerkrankungen und bei den akuten 
Formen von rheumatischer Arthritis. Bei beginnender Osteoarthritis können 
abnorme Geräusche schon vor der Feststellung subjektiver Beschwerden wahr¬ 
genommen werden. Bibergeil - Berlin. 

Schepelmann, Ueber den Einfluß der Heißluftbehandlung auf Gelenk- 
ergüsse. Experimentelle Untersuchungen. Medizinische Klinik 1911, Nr. 51. 

Verfasser hat auf Anregung von Wullstein Versuche derart gemacht, 
daß er in das rechte Kniegelenk mittelgroßer Kaninchen desselben Wurfs je } J t ccm 
lOprozentiges Jodoformglyzerin mit einer Pravazschen Spritze injizierte. Die 
Hälfte der Versuchskaninchen wurde zweimal täglich Vf 2 Stunden mit den Hinter¬ 
beinen in einen Heißluftkasten gesteckt, sonst aber wie die Kontrolltiere behandelt. 
Durch tägliche Röntgenaufnahmen ließ sich die Resorption des Jodoformglyzerins ! 
genau verfolgen und sehr exakt festst eilen, w r ann der letzte Rest verschwunden 
war. Die Resorption vollzog sich bei den mit Heißluft behandelten Kaninchen 
l 3 / 4 mal rascher als bei den Kontrolltieren. Bibergeil - Berlin. 

H. Hochhaus, Ueber die Behandlung akuter und subakuter Gelenkentzün- \ 
düngen mittels Extension. Therapie der Gegenwart 1912, Heft 1, S. 10. 

Verfasser glaubt, für die recht hartnäckigen Fälle von Gelenkentzündungen 
mit starker teigiger Schwellung und außerordentlicher Schmerzhaftigkeit, wie 
sie der gonorrhoischen Gelenkaffektion eigen sind, sowie für einzelne Formen 
des subakuten und chronischen Gelenkrheumatismus und manche Nachschül** 
der akuten Arthritis rheumatica in der Extension einen sehr schätzenswerten 
Zuwachs unserer Heilmethoden empfehlen zu können. Die Länge der Zeit, welche 
man gebrauchte, bis die große Schmerzhaftigkeit geschwunden und Bewegungen 
möglich wurden, war im Einzelfalle sehr verschieden. Im ganzen war der Erfolg 
in 10 Fällen ein ausgesprochen guter, in 3 Fällen war der Effekt befriedigend, 
und nur in zweien wurde durch Stauung und Hyperämie mehr erreicht. Die 
Wirkung der Extension ist hei den vom Verfasser behandelten Erkrankungen 
sicher zum Teil auf die Ruhigstellung der Gelenke zurückzuführen; daneben 
muß die bew irkte Distraktion der Gelenkenden auch auf den entzündlichen Prozeß 
selber günstig ein wirken und fiir die Resorption des Exsudats vorteilhafte Be¬ 
dingungen schaffen. Bibergeil - Berlin. 

M a r s h a 11, Some com ment s upon the probable direct ion of future progress 
in treatment of chronic joint diseases. Boston medical and surgical joumal, 
Vol. CIA V, Xr. 10. 

Allgemein gehaltener Artikel, in welchem Verfasser zu dem zweifellos 


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Referate. 


281 


gerechtfertigten Schlüsse kommt, daß bei der Behandlung von chronischen Gelenk¬ 
erkrankungen ein größerer Erfolg erst dann nachweisbar sein dürfte, wenn auf 
folgende drei Hauptfaktoren der größte Wert gelegt wird: 1. auf genaue Diagnose 
mit Zugrundelegung der ursächlichen Momente, 2. auf richtige Wahl und An* 
Wendung der Arzneimittel und 3. auf genaueste Ausführung der Anordnungen 
des Arztes von seiten der Patienten. Bibergeil - Berlin. 

George R. Elliott: X-ray studies of chronic arthritis; together with a 
criticism of present-day Classification. American Journal of orthopedic surgery, 
November 1911, Vol. IX, p. 153. 

Verfasser gibt Röntgenbilder von 25 Fällen chronischer Entzündung der 
Hand- und Fingergelenke. Sie zeigen sämtlich Knorpelusuren, Osteosklerose, 
Knochenneubildung an den Fingerphalangen, knöcherne Ankylosen und andere 
Veränderungen mehr. Ist das Radiogramm auch zur Bestimmung des äußeren 
Typus der Arthritis von Wichtigkeit, so wird man zur Spezifizierung der Affektion, 
d. h. zur Differentialdiagnose, stets die Aetiologie zu Hilfe nehmen müssen. Die 
bisherige Einteilung der Gelenkentzündungen in hypertrophische und atrophische 
hält Verfasser nicht für geeignet, da beide Typen oft in demselben Falle zu 
finden sind. Bibergeil- Berlin. 

Charles F. Painter, Prognosi* in chronic arthiitis. American joumal of 
orthopedic surgery, November 1911, Vol. IX, p. 168. 

Bei der chronischen Arthritis kann man eine bestimmte Prognose nicht 
stellen, da unsere bakteriologischen Kenntnisse bezüglich der Infektion zu gering 
sind, und da nach Verfassers Ansicht die chronischen Gelenkaffektionen zweifellos 
auf einer Mischinfektion beruhen. Im allgemeinen scheinen Gonokokken-, Strepto¬ 
kokken- und Pneumokokkeninfektionen die Gelenkstrukturen stärker anzugreifen 
als diejenigen gastro-intestinalen oder anderen infektiösen Ursprungs. Oft bedingt 
veränderte Lebensweise sichtliche Besserung, wie überhaupt die Möglichkeit einer 
richtigen physikalischen Therapie, gesunde Umgebung usw. die Prognose be¬ 
deutend günstiger zu stellen erlaubt. Das Geschlecht hat keinen Einfluß, doch 
ist die Prognose bei schwerer periartikulärer Arthritis in jugendlichem Alter viel 
schlechter als z. B. bei sog. Stillscher Krankheit. Mit Rezidiven ist bei infektiösen 
und rheumatischen Arthritiden stets zu rechnen. Bei der atrophischen oder neuro* 
genen Form ist die Prognose weit günstiger. Tritt dieser Typus jedoch in Ver¬ 
bindung mit einer Infektion auf, so daß das Zentralnervensystem und mit ihm 
die peripheren Nerven angegriffen werden, welche die Gelenke versorgen, so ist 
der Ausgang gewöhnlich sehr schlecht. Bei der chronischen hypertrophischen 
Arthritis tritt oft Besserung und Stillstand ein, vollkommene Heilung ist jedoch 
ausgeschlossen. Bei jedem Fall von Arthritis chronica ist in der Prognose größte 
Vorsicht geboten. Bibergeil- Berlin. 

E. Ebstein, Zur klinischen Verwertung der Ueberstreckung in verschiedenen 
Gelenken. (Med* Gesellsch. zu Leipzig, 11. Juli 1911.) Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1911, Nr. 47. 

Ebstein weist darauf hin, daß die Hyperextensionsfähigkeit in den 
Fingergelenken häufig zusammen mit Plattfußbeschwerden vorkommt und auf 
einer angeborenen Schlaffheit im ganzen Bandapparat beruht. 

S c h a r f f - Flensburg. 


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282 


Referate. 


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Bering, Ueber Gelenkerkrankungen bei erworbener Syphilis. Deutsche med. 

Wochenschr. 1912, Nr. 9. 

Von 11 Fällen hatten 9 in ihren Symptomen und in ihrem klinischen Ver¬ 
lauf eine große Aehnlichkeit. Der Charakter der Krankheit war sein’ schleichend. 
Unter nur geringen subjektiven Symptomen entwickelte sich innerhalb von 
Wochen ein seröser Erguß; er vergrößerte sich, je länger eine geeignete Behand¬ 
lung ausblieb. Wohl kam es hin und wieder zu einer spontanen Besserung; 
doch war der Prozeß im allgemeinen progredient. Die Kapselerkrankung doku¬ 
mentierte sich durch eine deutlich fühlbare Verdickung. Während in diesen 
9 Fällen eine langsame Entwicklung des Krankheitsbildes eintrat, trat in 2 Fällen 
eine ganz akute Entzündung ein. Die Lues hatte in den Bering sehen Fällen 
4mal ein Fußgelenk, 4mal ein Kniegelenk, 3mal ein Sterno-Claviculargelenk und 
2mal ein Ellbogengelenk befallen. Eine polyartikuläre Arthritis beobachtete 
Bering 2mal, 2 und 4 Jahre nach der Infektion. Sowohl im Früh- als auch 
im Spätstadium kann die Gelenklues mono- und polyartikulär auf treten. Von 
den 11 Fällen des Verfassers waren 7 zur Zeit der Gelenkaffektionen frei von 
anderen syphilitischen Erscheinungen. In 4 Fällen beobachtete er neben der 
Gelenklues Spätsyphilide, 2mal Gummata, 2mal tuberoserpiginöse Syphilide. 
Röntgenologisch hat Verfasser in seinen Fällen einige Male eine geringe Auf¬ 
faserung des Knochens feststellen können und nur in einem Falle ausgedehntere 
Veränderungen der Knochen. Das Röntgenbild bot jedoch nichts absolut Charak¬ 
teristisches. Bei 10 von den 11 Fällen war die Wassermann sehe Reaktion 
positiv. Wahrscheinlich hat die Gelenklues ihren primären Sitz in der Gelenk¬ 
kapsel. Dahin gelangen die Spirochäten nur wegen des geringeren Gefäßreichtumä 
weniger häufig als in andere Organe. Wird die Gelenksyphilis frühzeitig erkannt 
und behandelt, dann ist die Prognose günstig. Unbehandelte Fälle enden schlie߬ 
lich mit schweren Gelenkstörungen. Bibergeil - Berlin. 

Pollak, Arthritis luetica. (Gesellsch. f. innere Medizin u. Kinderheilkunde. 

Wien, 9. November 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 48. 

Vorstellung eines Kindes, das seit 6 Wochen geschwollene Kniegelenke 
und zeitweise leichte Fieberbewegungen hat. Wassermann positiv. In einem 
anderen Fall sah P o 11 a k bei einem 11jährigen Mädchen einen intermittierenden 
Hydrops genu, der nach Salvarsan verschwand. In beiden Fällen war Saüzyl 
ohne Erfolg gegeben werden. Scharff - Flensburg. 

Felix Hagen, Die Behandlung der Gonorrhöe und ihrer Komplikationen mit 

Gonokokkenvaccine. Med. Klinik 1912, Nr. 7. 

Den Orthopäden interessiert aus dieser Arbeit, daß die Behandlung mit 
Gonokokkenvaccine bei ausgesprochenen abgekapselten gonorrhoischen Gelenk¬ 
entzündungen eines Versuches wert ist. Die bei den Versuchen angewandten 
Präparate — das Arthogen Schling und das Reiter sehe Gonokokken- 
vaccin (Friedrich-Wilhelnistädtische Apotheke, Berlin) — unterscheiden sich nicht 
in ihrer Wirkungsweise. Im allgemeinen tut man gut, mit möglichst kleinen 
Dosen von 0,2 zu beginnen und nach dem Grade der Reaktion allmählich zu 
steigen. Bibergeil - Berlin. 


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Referate, 


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Zieler, Die gonorrhoischen Allgemeinerkrankungen. Med. Klinik 1912, Nr. 0, 
Den Orthopäden interessieren aus diesem umfassenden Artikel die Ab? 
schnitte über den gonorrhoischen Gelenkrheumatismus, die Erkrankung der 
Sehnenscheiden, der Schleimbeutel, der Muskehl und Knochen. Bei zweifelhaften 
Gelenkerkrankungen kann zur Stützung der Diagnose der Nachweis spezifischer 
Antikörper mit Hilfe der Komplementbildungsmethode verwendet werden, des¬ 
gleichen die akute entzündliche Reaktion erkrankter Gelenke einige Stunden 
nach der Einspritzung einer Gonokokkenvaccine. Das Röntgenverfahren kann 
in zweifelhaften Fällen sehr zur Klärung beitragen. Die Gelenkenden zeigen bei 
gonorrhoischer Erkrankung eine fleckweise, verschwommene Aufhellung ohne 
sekundäre Knochenverdickungen oder Defekte. Die Aufhellung wird bald diffus 
und kann zum völligen Verlust des Strukturbildes führen. Wesentlich seltener 
als Gelenke und Sehnenscheiden werden die Schleimbeutel ergriffen, besonders 
dort, wo sie in direkter Verbindung mit Gelenken oder Sehnenscheiden stehen, 
am häufigsten die Schleimbeutel der Fersengegend (die Achillodynie, die aber 
auch auf gonorrhoische Periostitis zurückgeführt worden ist). Meist tritt die Er* 
krankung plötzlich und doppelseitig auf. Knochenerkrankungen werden fast aus- 
schließlich als periostale Entzündungen im Anschluß an Erkrankungen der Gelenke 
und Sehnenscheiden beobachtet und rezidivieren mit diesen. Echte, auf gonor¬ 
rhoischer Allgemeininfektion beruhende Erkrankungen der Knochen sind in 
seltenen Fällen als gonorrhoische Osteomyelitis beobachtet worden. 

Bibergeil- Berlin. 

Plehn, Zur Kenntnis der Wirkungsweise der Phenylchinolinkarbonsäure (Ato- 
phan) bei chronischer Gicht. Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 3. 

Mit Atophan läßt sich eine rasche Beseit igung der Beschw erden und ei r e weit¬ 
gehende Eesserung der lokalen Entzündungserscheinungen selbst in Fällen erreichen, 
in denen der übrige Heilapparat vorher versagt hat. Die Atophanbehandlung ermög¬ 
licht dadurch, daß sie die Schmerzen und sonstigen Erscheinungen rasch verschwin¬ 
den läßt, alsbaldigen Beginn der Bewegungstherapie, die ja das beste Vorbeugungs¬ 
mittel für Gichtrezidive ist und ihre Folgen am wirksamsten beseitigt. Die viel¬ 
wöchige Anwendung des Mittels wird dadurch erleichtert, daß große Gaben auch 
nach P1 e h n 8 Erfahrungen nicht notwendig zu sein scheinen. Er ist mit drei- 
his viermal täglich 0,5 g ausgekommen, hat aber selbst 4 g anstandslos vertragen 
sehen. Plehn faßt die Vorzüge des Atophans dahin zusammen: Es steigert 
die Hamsäureausscheidung bei den meisten chronisch Gichtkranken bis auf das 
Doppelte und weiter. Die Mehrausscheidung dauert bei ihnen länger als bei 
Gesunden. Die Wirkung auf die lokalen Entzündungserscheinungen ist gewöhnlich 
ausgezeichnet. Schaden ist bis jetzt von dem Atophan nicht beobachtet worden. 

Bibergeil- Berlin. 

Weintraud, Weitere klinische Erfahrungen mit Atophan nebst Bemerkungen 
über Gicht und harnsaure Diathese. Therapeutische Monatshefte, Januar 1912. 
Unmittelbar nach dem ersten Auftreten der Schmerzen verabfolgt, kupiert 
Atophan den akuten Gichtanfall oft vollständig in einigen Stunden, selbst bei 
Verwendung von nur wenigen Tabletten ä 0,5 g. Dem Rückgang der Schmerzen 
folgen, sobald der Kranke erst wieder imstande ist, Bewegungen in dem be¬ 
fallenen Gelenk auszuführen, schnell der Abfall der entzündlichen Schwellung 


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Referate. 


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und die Resorption von Gelenkergiissen. Ist am 3. oder 4. Tage hach Verbrauch 
von etwa 10 g Atophan keine genügende Wirkung erzielt, so hat es meist keinen 
Zweck, das Mittel weiter zu geben. Man setzt besser 3—4 Tage ganz aus und 
beginnt dann von neuem und mit einer stärkeren Dosierung (3—5 g täglich) 
2—3 Tage lang. Dann bleiben nur ausnahmsweise entzündliche Gichtgelenke 
ganz unbeeinflußt, wenigstens hinsichtlich der Schmerzen. Weintraud wider¬ 
rät bei chronischen Gichtbeschwerden, weil unwirksam, das täglich fortgesetzte 
Einnehmen einer einmaligen Dosis von Atophan. Bei der Atophanwirkung im 
akuten Gelenkrheumatismus hat man den Eindruck, daß der ganze Krankheits¬ 
prozeß direkt günstig beeinflußt wird. Nach den vorliegenden Beobachtungen 
hat es schon seine gute Berechtigung, bei allen möglichen Formen von Gelenk¬ 
schmerzen und besonders bei fieberhaften Gelenkentzündungen das Atophan zu 
versuchen. Als einzige beachtenswerte Nebenerscheinung bei der Darreichung des 
Atophans ist das Ausfallen der Harnsäure und ihrer Salze im Urin zu bemerken. 
Wo Steinbildung in den Harnwegen schon vorliegt, ist Atophan kontraindiziert. 
Um Steinbildung zu vermeiden, empfiehlt Weintraud bei Auftreten starker 
Niederschläge im Urin mehr Wasser trinken oder Natron nehmen zu lassen. 

Bibergeil - Berlin. 

R e t z 1 a f f, Ueber Atophantherapie bei der Gicht, Deutsche med. Wochensckr. 
1912, Nr. 9. 

In dem Atophan besitzen wir eine den Nukleinstoffwechsel beeinflussende, 
harnsäuremobilisierende Substanz, die gichtspezifisch genannt werden kann. 
Nach den Erfahrungen Retzlaffs vermag das Atophan in vielen Fällen einen 
Gichtanfall zu kupieren bzw. den schon ausgebrochenen Anfall in der Dauer 
wesentlich abzukürzen. Bei Nierenentzündung und Nephrolithiasis erscheint für 
die Medikation des Atophans eine gewisse Vorsicht geboten, da mitunter eine 
allerdings meist geringgradige Nierenreizung eintritt. Als beste Dosis empfiehlt 
Verfasser eine tägliche Atophanmedikation von 2 bis 3 g; diese Dosis verabfolgt 
er 4—5 Tage lang. Als besonders günstige Darreichungsperiode erscheint ihm 
die Zeit unmittelbar vor und nach dem Anfall. Bibergeil - Berlin. 

Thom, Zur Behandlung der Knochenbrüche mit Hebelwirkung. Zeitschr. für 
ärztliche Fortbildung 1911, Nr. 24. 

Um Knochenbruchverschiebungen besonders ad axin mit großer Kraft 
auszugleichen, empfiehlt Thom einen Apparat, der aus zwei Metallschienen be¬ 
steht, die parallel zu einander verlaufen, rechtwinklig nach oben umbiegen und 
sich dann oben zu einer Schiene vereinen, in deren Mitte eine Schraube ein¬ 
gelassen ist mit einer Pelotte, die die Fragmente nach unten drücken soll. Das 
Praktische an diesem Apparat ist, daß er sich selbst durch die entgegengesetzt 
wirkende Kraft der Pelotte und der Metallschienen hält. 

B1 e n 6 k e - Magdeburg. 

Ernest Pendleton Magruder, The operative treatment of fractures. 
New York medical journal p. 1271, 23. Dezember 1911. 

Verfasser bespricht die Indikationen für die operative Behandlung der 
Frakturen; er kann sich den extremen Standpunkten von König einerseits, 
der jede Fraktur mit beträchtlicher Dislokation operiert, und v. Eiseisbergs, 
der nur Patellarfrakturen operativ angreift, nicht anschließen; er wählt den 


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Referate. 


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Mittelweg und kommt zu folgenden Schlüssen: Bei unkomplizierten Frakturen 
ist die Operation indiziert, wenn eine starke Dislokation besteht und die korrekte 
Anlagerung unmöglich ist, bei Gelenkfrakturen, wenn eine Ankylose droht. 
Die besten Erfolge hat man, wenn man nach exakter Anlagerung die Fragmente 
näht. Schußfrakturen sollen wie komplizierte Frakturen behandelt werden? 
Magruder gibt in solchen Fällen stets Tetanusantitoxin. 

F. Wohlauer - Charlottenburg. 

B a r b e t, Le traitement des pseudarthroses en g£n6ral et en particulier par les 
grelles. Rev. de chir. XLIV. September und Oktober 191L 

Bezüglich der Behandlung der Pseudarthrosen gelangt B a r b e t am 
Schlüsse seiner großangelegten Arbeit etwa zu folgenden Ergebnissen: 

Die größte Anzahl von Pseudarthrosen verdankt ihre Entstehung lokalen 
Gründen, nämlich Weichteilinterposition, Zertrümmerung und mangelhafter Ent¬ 
fernung von Splittern, Eiterung, Von manchen Autoren wird ein Teil der Pseud- 
arthrosenentstehung auf Abnormitäten der Sekretion der Drüsen mit innerer 
Sekretion zurückgeführt. B a r b e t hält es für nicht ausgeschlossen, daß dieser 
letzte Grund manchmal die durch lokale Gründe bedingte Verzögerung der 
Konsolidation in ungünstigem Sinne unterstützt. Daraus ergibt sich, daß Organo¬ 
therapie, manchmal allein, häufiger mit lokalem Eingreifen vergesellschaftet, bei 
Pseudarthrosen anzuwenden sein wird. 

In der Hauptsache muß die Behandlung eine operative sein. 

Zu vermeiden wird Pseudarthrosenbildung sein, wenn man die schwierigen 
Fälle, besonders die mit Muskelinterposition, schon frühzeitig operiert, und wenn 
man die Splitter wieder implantiert. 

In Ausnahmefällen, bei denen jede lokale Störung operativ ausgeschältet 
worden ist, kann man die Callusproduktion durch Reiben der Fragmente, eventuell 
durch Blutinjektion anregen, bei gleichzeitiger Allgemeintherapie. Massage und 
Umhergehenlassen unterstützen die Konsolidation in wertvoller Weise. 

Die Resektion oder die Anfrischung der Fragmentenden mit allenfalls 
notwendiger Reposition sind die Methoden der Wahl bei Pseudarthrose; sie sollen 
mit möglichst geringem Substanzverlust durchgeführt werden, unter Umständen 
kombiniert mit Transplantation. 

Wenn keine Neigung zur Dislokation der Fragmente nach der Resektion 
besteht, so soll man wie bei frischen Brüchen nur äußerlich schienen. Im anderen 
Falle zieht B a r b e t der Knochennaht in der Regel Agraffen, Klammem, bei den 
großen Knochen den Lambotteschen Apparat vor. 

Transplantationen sind indiziert, 1. wenn ohne erkennbaren lokalen Grund 
die Knochenproduktion sistiert, 2. wenn irreparable Substanzverluste am Knochen 
vorliegen. 

Hierbei ist der Autoplastik stets der Vorzug vor Hetero- oder Homoplastik 
zu geben. Das Transplantat hat aus Knochen und Periost zu bestehen; die freie 
Autoplastik ist fast ebenso befriedigend wie diejenige mit temporärem Stiel, 
aber wesentlich weniger gut als die mit permanentem Stiel, mag dieser häutig 
oder muskulös-faszial sein. Letztere Methoden sollen möglichst oft angewandt 
werden; ihr Hauptreprasentant ist die Ueberpflanzung der Fibula in die Tibia. 

Peltesohn - Berlin. 


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Referate. 


Eduard Rehn und Wakabayashi, Die homoplastische Transplantation 
des Intermediärknorpels im Tierexperiment. Arch. f. klin. Chir., Bd. 97, 
Heft 1, S. 1. 

Rehn und Wakabayashi verpflanzten bei ihren Tierversuchen die 
Epiphysenfuge nicht als schmales Scheibchen, sondern in Zusammenhang mit der 
intakt gelassenen Epiphyse. Das mitverpflanzte Diaphysenstück wurde so groß 
bemessen, daß von seiner Seite her eine mechanische Verletzung der Knorpelfuge 
nicht stattfinden konnte. Es wurde eine typische halbe Gelenkverpflanzung 
vorgenommen. Dadurch daß die Autoren das Radiusköpfchen zum Gegenstand 
ihrer Eingriffe machten, sicherten sie sich in Gestalt der Ulna eine ausgezeichnet 
fixierte Schiene und konnten zugunsten einer frühzeitigen funktionellen Inanspruch¬ 
nahme auf jede weitere Fixation verzichten. Man wählte 2 Monate alte Kanin¬ 
chen zu den Versuchen und verwandte, was für das Gelingen der Experimente 
von allergrößter Tragweite ist, zu einer jeweiligen Versuchsgruppe stets Tiere 
eines und desselben Wurfes. Bei zwei Kaninchen wurden bei den einzelnen Versuchen 
unter vorsichtiger Eröffnung des Cubitalgelenkes und Durchtrennung seiner Liga¬ 
mente das Radiusköpfchen soweit mobilisiert, daß eine feine Giglische Draht¬ 
säge schlingenförmig eingeführt werden konnte. So gelang es leicht unter voll¬ 
kommener Schonung des Periostes der Säge den gewünschten Angriffspunkt zu 
geben und ohne Setzen mechanischer Insulte, wie durch Pinzette und ähnliche 
Instrumente, das Transplantat in gewünschter Ausdehnung zu gewinnen. Es 
folgt der homoplastische Austausch ohne Fixierung durch Bolzen oder Aehnliches, 
Raffende Kapsel- und Muskelnähte genügten fast stets, um das transplantierte 
Knochenstück in der ihm gegebenen normalen Lage zu befestigen und zu erhalten. 

In sämtlichen 12 Versuchen, deren Ergebnisse ausführlich besprochen werden, 
wurde der Zweck, das Transplantat zu einer reaktionslosen Einheilung zu bringen, 
erreicht. Bei den ideal ausgefallenen Versuchsgruppen zeigt eich der Zwischen¬ 
knorpel bis zum Ablauf der vierten Woche durchaus auf der Höhe seiner pro¬ 
duktiven Tätigkeit, an welcher sich sämtliche Abschnitte gleichmäßig beteiligen. 
Weder in der Neubildung von Knorpel, noch in der Ossifikation ist ein Mangel 
an Intensität nachzmveisen. Nach Ablauf obiger Frist macht sich in der Ver¬ 
kalkungszone eine Aufnahme von Marktrümmem in einzelnen leeren Knorpel¬ 
kapseln bemerkbar. Ein degcnerativer Zustand, welcher im Sinne eines anor¬ 
malen pathologischen Verhaltens des Intermediärknorpels zu deuten wäre, ist 
hierin nicht zu erblicken. Die längste Beobachtung erstreckte sich über 15 Wochen, 
und das mitgeteilte Untersuchungsprotokoll zeigte, daß der Zwischenknorpel 
nach dieser Frist in letzten Ueberresten nachzuweisen war. 

Bei zwei Versuchen, bei welchen nach der Operation im Verlaufe der 
Heilung eine Dislokation des Transplantats eingetreten war, zeigte, trotzdem 
eine vollkommen reaktionslose Einheilung erfolgt war, der Zwischenknorpel 
ausgedehnte tiefgreifende Veränderungen. Besonders hochgradige Degenerations¬ 
prozesse fanden die Autoren bei einem Kaninchen nach 4 l /*wöchiger Beobach¬ 
tungsdauer; sie glauben für einen bestimmten Teil derselben ein histologisch 
nachweisbares unscheinbares subperiostales Hämatom verantwortlich machen 
zu dürfen. Für die übrigen Veränderungen, welche sich allerorts abspielen und 
in Aufquellung und Auffaserung der Grundsubstanz neben Zelldegeneration 
ihren Ausdruck finden, kann einzig die Ursache in der fehlerhaften Einheilung 


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und den dadurch bedingten gestörten Zirkulation- und Emährungsverhältnissen 
gesucht werden. Wie außerordentlich wichtig dieser letztere Faktor für das gute 
Gelingen der Zwischenknorpelverpflanzung tatsächlich ist, illustriert der zweite 
Fall, bei welchem es weder zu einem Hämatom noch zu anderweitigen Störungen, 
abgesehen von der erheblichen Dislokation gekommen war. 

Neben zahlreichen degenerativen Vorgängen ließ sich eindeutig feststellen, 
daß die produktive Tätigkeit hochgradig herabgesetzt war, ein Zeichen stark 
verminderter Lebensfähigkeit des Intermediärknorpels. Aus alledem geht zur 
Genüge hervor, wie außerordentlich empfindlich das genannte Organ und wie 
fein abgestimmt dasselbe in seinen Lebensäußerungen ist. Gerade diese negativen 
Befunde beweisen die Richtigkeit der Annahme der Autoren, daß es allein die 
sachgemäß modifizierte Versuchsanordnung war, welche sie günstige Erfolge 
erzielen und zu anderen Schlüssen kommen ließ, als sie Enderlen aus dem 
Helfericlischen Untersuchungsmaterial ziehen konnte. 

Uber einen ersten Versuch, die auf experimentellen Befunden fußenden Er¬ 
fahrungen und Erwägungen auf das Gebiet der praktischen Chirurgie zu über¬ 
tragen, haben die Autoren bereits in einer früheren Arbeit (s. diese Zeitschrift 
Bd. 29, S. 591) berichtet. Es handelt sich um ein vierjähriges Kind, dem die 
ganze linke Ulna wegen eines Tumors entfernt werden mußte und eine einem 
Knaben lebenswarm entnommenen Fibula in der Weise transplantiert wurde, 
daß das Fibulaköpfchen distal, der Malleolus extemus proximal zu liegen kam. 
3 1 / 2 Monate nach der Transplantation zeigte die Epiphysenlinie röntgenologisch 
sich noch vollkommen unverändert. Es wird abzuwarten sein, ob sie imstande 
sein wird, durch entsprechende Proliferation das bis dahin ausgezeichnete klinische 
Resultat zu einem dauernd guten zu erhalten. JoachimsthaL 

Enderlen, Transplantation. Deutsche med. Wochenschr. 1911, Nr. 49. 

Von diesen in der Form eines klinischen Vortrages gehaltenen Ausführungen 
der Würzburger Chirurgen interessieren den Orthopäden diejenigen Abschnitte, 
in denen von der Knochen- und Gelenktransplantation, von den Sehnen- und 
Nervenüberpflanzungen die Rede ist. Die freie Transplantation der Sehne gelingt 
sowohl, wenn man das Material von demselben Individuum entnimmt, als auch, 
wenn es von einem anderen stammt. Bedingung für ein gutes Resultat ist nur 
die baldige funktionelle Inanspruchnahme des Pfröpflings. Die Transplantation 
von Nervenstücken hielt man nach den ersten Erfolgen für gesichert. Spätere 
Untersuchungen haben gezeigt, daß die Restitution nicht etwa dem Wieder- 
zusammenwachsen der durchschnittenen Nervenenden zu verdanken war, sondern 
daß die Fasern von der Einpflanzungsstelle in den transplantierten Nerven hinein¬ 
gewachsen waren. Ueber die histologischen Vorgänge bei der Knochentrans¬ 
plantation ist viel diskutiert worden. Zurzeit darf man wohl sagen, daß lebend¬ 
frischer Knochen ohne Periost nach der Transplantation zugrunde geht, daß aber 
auf Kosten des absterbenden Knochens neuer gebildet wird. Toter oder maze¬ 
rierter Knochen heilt bedeutend langsamer ein als frisch verpflanzter. Lebend- 
frischer, mit Periost bekleideter Knochen heilt nach der Transplantation ein 
und verwächst knöchern, besser bei der Auto- als bei Homoiotransplantation. 
Das Periost bleibt am Leben, der Knochen stirbt ab und wird durch neugebildeten 
ersetzt. In der Praxis bedienen wir uns daher mit Vorteil frischen, lebenswarmen. 


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.Referate. 


mit Periost gedeckten Knochens, der entweder demselben Individuum entstammt 
oder einem anderen Menschen bei einer notwendigen Operation entnommen wird. 
Das eventuell mitübertragene Knochenmark ist in bescheidenem Grade eben¬ 
falls befähigt, Knochen zu bilden. Bei Pseudarthrosen oder größeren Substanz¬ 
verlusten nach Geschwulstoperationen an langen Röhrenknochen greifen wir 
zur Knochenbolzung. Diese kann auch zur Versteifung paralytischer Gelenke, 
zur Arthrodese, verwendet werden. Bringt dieser Enderlensehe Vortrag 
im ganzen nichts Neues, so gewährt er dennoch einen guten Einblick in den der¬ 
zeitigen Stand der Transplantationsfrage. Bibergeil - Berlin. 

Pau lH. Römer, Experimentelle Poliomyelitis. Ergebnisse der inneren Medizin 
und Kinderheilkunde Ed. 8, S. 1. Verlag von Julius Springer, Berlin 1912. 

Verfasser hat seine Ausführungen auf die Besprechung derjenigen 
Tierexperimente beschränkt, die das Studium der Heine-Medinschen Krank¬ 
heit zum Gegenstand haben. Zur Abfassung der vorliegenden Schrift mußte 
Römer besonders geeignet erscheinen, da er sich seit Jahren speziell mit 
der Erforschung der Aetiologie der Poliomyelitis beschäftigt hat. So führten 
ihn seine ersten ätiologischen Untersuchungen, die er. zu einer Zeit begann, als 
die Kinderlähmung noch nicht epidemisch bei uns auftrat, bald zu der Ueber- 
zeugung, daß ein färberisch leicht darstellbarer und leicht züchtbarer Mikro¬ 
organismus als Erreger der Heine-Medinschen Krankheit nicht in Betracht kommen 
könne. Im Jahre 1909 gelang Landsteiner im Verein mit Popper der 
Nachweis, daß die akute Poliomyelitis des Menschen auf den Affen übertragbar 
ist und bei diesem Versuchstier ein klinisch und histologisch der Erkrankung des 
Menschen sehr ähnliches, um nicht zu sagen, identisches Krankheitsbild erzeugt. 
Nicht viel später konnte festgestellt werden, daß die akute Poliomyelitis durch 
intracerebrale Verimpfung von Affe zu Affe weiter übertragbar ist. R ö m e r ist es 
insgesamt nur in 3 von 5 untersuchten Fällen gelungen, das Virus im Affen so 
zur Haftung zu bringen, daß es von Affe zu Affe weiter verimpft werden konnte. 
Beim experimentell krank gemachten Affen zeigen sich fast ebenso vielgestaltige 
Symptomenbilder wie bei dem natürlich erkrankten Menschen. Sehr auffallend 
ist, daß bei den Affen, trotzdem sie intracerebral geimpft werden, die Lähmungs¬ 
erscheinungen in der übergroßen Mehrzahl der Fälle spinale sind. Aus den bis¬ 
herigen Untersuchungen geht hervor, daß man bei der klinischen Beobachtung 
mit Poliomyelitisvirus infizierter Affen das vielfältige Bild der Heine-Medinschen 
Krankheit des Menschen sehr getreu wiederfindet, welche Eingangspforte man 
auch für die künstliche Infektion wählen mag. Zum sicheren Nachweis des leben¬ 
den Poliomyelitisvirus kann vorläufig der Affe nicht entbehrt werden. Nach der 
morphologischen Seite kann es heute noch nicht charakterisiert werden; jedenfalls 
gehört es nicht zu den Bakterien. Die mikroskopisch nachgewiesenen Verände¬ 
rungen im Rückenmark infizierter Affen entsprechen sehr genau den beim Men¬ 
schen sich findenden poliomyelitischcn Läsionen. Sie erweisen sich als eine nicht 
eitrige, infiltrative Entzündung von lymphozytärem Typus, die als disseminierte 
Erkrankung sowohl die Pia wie sämtliche Teile der nervösen Substanz des Zentral¬ 
nervensystems befallen kann, besonders gern aber sich in der grauen Rückenmarks¬ 
substanz mit Eevorzugung der Vorderhörner etabliert. Nach der Ansicht Römers 
erscheint es als eine gut gestützte Annahme, wenn man die mit lymphatischen 


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Apparaten gut ausgestattete Rachen- oder Darmschleimhaut als die vomehmlichste 
Eingangspforte des Virus betrachtet. Seine Weiterverbreitung erfolgt vom Ort 
des ersten Eindringens aus in kontinuierlicher Weise auf dem Lymphwege, sowohl 
auf den die Gefäße umscheidenden als auf den in der Nervensubstanz verlaufen¬ 
den Lymphbahnen. Der Prozeß ist zum großen Teil eine primär interstitielle 
Affektion. Daneben kommt aber auch ein primäres Ergriffensein der Ganglien¬ 
zellen vor, das jedoch in der Mehrzahl der Fälle gegen die interstitiellen Prozesse 
zurücktritt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß beim Menschen nach Ueberstehen 
der Heine-Medinschen Krankheit Immunität gegen die gleiche Erkrankung für 
mehr oder weniger lange Zeit zurückbleibt. Versuche von Römer lehren, daß 
das Serum von Individuen, die die Heine-Medinsche Krankheit überstanden 
hal)en, spezifisch wirksame Antikörper besitzt, während das Serum normaler 
Menschen sich unwirksam erweist. Bibergeil - Berlin. 

Robert B. Osgood and William G. Lucas, Transmission experiments 
with the virus of poliomvelitis. Journal of the American medical asso- 
ciation, 18. Februar 1911, Vol. 56, p. 495. 

Die Verfasser haben Versuche über die Uebertragbarkeit des Virus der 
Poliomyelitis auf Affen gemacht und durch intercerebrale Impfung des Nasen¬ 
schleims erkrankter Tiere die Krankheit über mehrere Tiere hinweg hervorrufen 
können. Sic schließen sich der Ansicht von H e x n e r und Levis an, die die 
Nasenschleimhaut als den Infektionsträger angesprochen haben. Durch ihre 
Untersuchungen hat sich gezeigt, daß das Virus der Poliomyelitis sich noch in 
der Nasenschleimhaut findet, wenn schon einige Monate seit der akuten Läh¬ 
mungsperiode verflossen sind, und daß es sich hier noch länger hält als im Zentral¬ 
nervensystem. Uebertragungen von Affe zu Affe außer durch Einimpfung haben 
die Verfasser nicht beobachtet, trotzdem die Tiere in engster Gemeinschaft ge¬ 
halten wurden und mit Absicht dieselben Gerätschaften zum Fressen benutzten. 

F. Wohlauer* Charlottenburg. 

Walter, Epidemische Kinderlähmung und Trauma. Monatschr. f. Unfallheil¬ 
kunde 1911, Nr. 8. 

Der Patient leidet an einer im September 1909 erworbenen fieberhaften 
Krankheit, die zu ausgedehnter Funktionsunfähigkeit der Vorderhömer der 
grauen Rückenmarksubstanz geführt hat und die sich jetzt vornehmlich in einer 
Schwäche des rechten Armes, in einer teilweisen Lähmung des gleichseitigen 
Beines und in einer vollkommenen Paralyse des linken geltend macht. Er ist 
hierdurch zurzeit gänzlich erwerbsunfähig. Die Erkrankung selbst ist ohne Zweifel 
als epidemische Kinderlähmung aufzufassen, bei der mit der Möglichkeit eines 
ursächlichen Zusammenhanges mit dem erlittenen Unfall gerechnet werden muß, 
weil erstens der Patient ein schweres Trauma gerade derjenigen Körperregion 
erlitt, die nach ihrer anatomischen Lage das Organ beherbergt, das später von 
der Infektionskrankheit befallen wurde und weil zweitens seit dem Tage des Un¬ 
falls bis zu dem Ausbruch der Erkrankung fortwährend Schmerzen und Müdig¬ 
keitsgefühl in den später erkrankten Gliedern bestanden hat. Drittens muß nach 
Walter berücksichtigt werden, daß die Inkubationszeit, die nach den klinischen 
und experimentellen Erfahrungen durchschnittlich auf etwas mehr als eine Woche 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 19 


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berechnet werden muß, tatsächlich in dem vorliegenden Falle den Zeitraum vom 
Unfall bis zum Auftreten der ersten Lähmungen ziemlich genau ausfüllt. 

Blencke* Magdeburg. 

Alexander Gregor and L. B. Hopper, Clinical observations on an 
epidemy of acute poliomyelitis in Cornwall. Proceedings of the Royal society 
of medicine, Vol. 5, Nr. 1, November 1911. Clinical section. 

Die Verfasser haben im Sommer 1911 eine Epidemie von akuter Polio¬ 
myelitis beobachtet und zwar 42 Erkrankungen. Die Hauptzahl der Fälle kamen 
in einer kleinen, alten und sehr schmutzigen Stadt vor. Merkwürdig war, daß 
der Vater eines Patienten ein Pferd besaß, welches im Stall umfiel und eine Läh¬ 
mung des Nackens und des Vorderviertels hatte. Dies geschah eine Woche, 
bevor das Kind krank wurde. Kurze Zeit später erkrankte ein Knabe, des^n 
Vater in dem Hause des kranken Pferdes gewesen war. 

Von Interesse war, daß die Kinder der Stadt in den durch die Abwässer 
verunreinigten Bächen zu baden pflegen — von den Erkrankten hatte aber kein5 
gebadet oder war in den Wässern herumgewatet. Diese Tatsache steht mit der 
Erfahrung der Epidemie in Massachusetts in Widerspruch, wo 67 von 150 Kindern 
in verunreinigtem Wasser gebadet hatten. 

Weiter war die Beobachtung interessant, daß in der Zeit der Epidemie 
bei Erwachsenen, besonders Frauen zahlreiche Erkrankungen an Herpes zoster 
vorkamen, die mit Verstopfung, starken Schmerzen und allgemeinem Unbehagen 
einhergingen. 

Das Alter der Patienten schwankte zwischen 10 Monaten und 50 Jahren; 
die Erkrankung kommt also auch bei Erwachsenen vor, jedoch betrafen die Falle 
von Lähmungen der Beine alle Kinder unter 8 Jahren. Alle Fälle vom Gehirn- 
typus starben. Die Mortalität betrug im ganzen 25,5 Proz. Von 21 Patienten 
waren 14 männlichen, 7 weiblichen Geschlechts. 

Das hervorstechendste und in jedem Falle vorhandene Symptom war eine 
Störung im Verdauungstraktus: entweder Verstopfung oder Durchfall oder beides. 
Sonst waren die verschiedenartigsten Erscheinungen an allen Organen vorhanden, 
die referendo sich nicht wiedergeben lassen. Nur ein Patient genas völlig, die 
anderen wurden mehr oder weniger für ihr Leben geschädigt. 

Die Verfasser unterscheiden vier Gruppen: den encephaloiden Typ. den 
allmählich auf- und absteigenden, den plötzlichen und den vorübergehenden 
Typ — sie belegen alle mit Krankengeschichten. 

F. W o h 1 a u e r - Charlottenburg. 

Müller, Ueber die bulhäre Form der epidemischen Kinderlähmung. Münch, 
mcd. Wochenschr. 1912, Nr. 4. 

Bei der epidemischen Kinderlähmung kommen neben den rein spinalen 
Foimen auch solche mit bulbarer Beteiligung und auch rein bulhäre Formen vor. 
Die richtige Diagnose zu stellen ist in solchen Fällen oft sehr schwer; das wichtigste 
Symptom des fieberhaften Vorstadiums, Hyperästhesie bei freiem Sensoriuni 
setzt sehr frühzeitig ein und verschwindet bald wieder. Die Infektion mit 
dem Virus der Kinderlähmung läßt sich meist auch daran erkennen, daß 
sich bei eingehender Kontrolle auch objektiv Kennzeichen einer gleichzeitigen 
leichten Rückenmarksaficktion (Verlust von Sehnenreflexen, Schwächezustündc 


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der Extremitätenmuskulatur) feststellen lassen. Müller fordert die Anzeige¬ 
pflicht für alle, auch die sporadischen Fälle von frischer Kinderlähmung. 

S c h a r f f - Flensburg. 

Lachowski, Ueber hysterische Hemiplegie. Diss., Greifswald 1911. 

Lachowski bringt die ausführlichen Krankengeschichten zweier in der 
Greifswalder psychiatrischen Klinik beobachteten Fälle von hysterischer Hemi¬ 
plegie. Die Fälle boten eine Reihe hysterischer Stigmata dar, so daß die Dia¬ 
gnose auf hysterische Lähmung als vollständig gesichert erschien. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Berger, Die Chirurgie der peripherischen Nerven. Deutsche med. Wochenschr. 
1911, Nr. 49. 

Da aus den Lehrbüchern nicht ein völlig zutreffendes Bild von dem ganzen 
Umfange der modernen Arbeit in der Nervenchirurgie zu gewinnen ist, hat eö 
Berger unternommen, die literarischen Einzelleistungen auf diesem Gebiet 
in einer gesonderten Besprechung zusammenzufassen. Verfasser berichtet über 
Arbeiten, die sich lediglich oder wenigstens im Hauptzwecke mit theoretischen 
oder experimentellen Fragen zur Nervenchirurgie beschäftigen. Er bespricht die 
neueren Versuche der Plastik und Anastomose, die Bemühungen im Kampfe 
gegen die spinale Kinderlähmung, die Neurolyse, Nervendehnung, Neurektomie 
und Neurotomie. Zum Schluß geht er auf die Nervennaht und die Bedeutung 
peripherischer Nervenlähmungen in der Unfallpraxis ein. 

Bibergeil - Berlin. 

Berger, Die Chirurgie der peripherischen Nerven. Spezieller Teil. Deutsche 
med. Wochenschr. 1911, Nr. 52. 

In diesem zweiten, der speziellen Chirurgie der peripherischen Nerven 
gewidmeten Abschnitte gibt Verf. in ausführlichster Weise die Literatur der 
letzten Jahre über dieses wichtige Gebiet wieder. Große Fortschritte sind zu 
verzeichnen. Obenan steht die Förstersche Operation. Au9 der Literaturüber¬ 
sicht, die Berger über die Förstersche Operation mitteilt, ergibt sich, daß es 
nicht an kritischen Stimmen fehlt. So hat zwar Codi vi 11 a bei 16 Operationen 
im ganzen genommen nicht unwesentliche Besserungserfolge zu verzeichnen; er 
meint aber, daß man mit den sonst üblichen Eingriffen, wie Teno-Myotomien usw., 
zu einem ähnlichen Resultat hätte gelangen können. Allison und Schwab 
stehen auf dem Standpunkt, daß die Gefährlichkeit der Försterschen Operation 
nicht im Verhältnis zu den Erfolgen stehe. Auch Cushing spricht sich kritisch 
über die Erfolge der Operation aus. Biesalski behandelt zunächst mit un* 
blutigen und blutigen Redressements mit nachfolgenden Gipsverbänden und 
Apparaten nebst medikomechanischer Behandlung. Sodann ist nur in den 
Fällen, bei denen der Krampf so beträchtlich ist, daß die betroffenen Glieder 
wie in Gelenkankylose unbeweglich fixiert sind, die Förstersche Operation an- 
zuschließen. Stoffel reseziert die motorischen Nervenfasern der betreffenden 
Muskelkomplexe an den Endzweigen des Muskelastes, an dem Muskelast selbst 
oder an den betreffenden großen Extremitätennerven. Er rühmt ebenso wie 
Vulpius die Ungefährlichkeit des Eingriffs im Vergleich zur Försterschen Ope¬ 
ration und seinen raschen Erfolg. Aus dem Gebiete der Ischias interessiert 


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Referate. 


die Feststellung Garas, der die Symptomatologie dieses Leidens um ein r Ab- 
dominaldruck8ymptom tt bereichert hat, die Druckempfindlichkeit des Processus 
spinosu8 des letzten Lendenwirbels, welche mit „einfach verblüffender Regel¬ 
mäßigkeit“ (Antwort unter 124 Fällen 118mal) bei einer bestimmten Unter- 
suchungstechnik auszulösen ist. Ebenfalls in den Bereich des Abdomens hinein 
führen die symptomatologischen und therapeutischen Hinweise Plates: mit 
der Ischias scoliotica sei stets eine Myalgie des M. ileopsoas verknüpft und za 
behandeln. Bibergeil - Berlin. 


Meyer, Ueber einen Fall von Sehnentransplantation bei ausgedehnten Läh¬ 
mungen infolge Poliomyelitis anterior acuta. Diss., Erlangen 1911. 
Meyer gibt zunächst eine kurze Uebersicht über die Operationsmethoden 
bei Folgezuständen von Poliomyelitis sowie über das Wesen dieser Krankheit, 
um dann über einen Fall zu berichten, der mit gutem Erfolg in der Erlanger 
chirurgischen Klinik wegen ausgedehnter Lähmungen infolge von Poliomyelitis 
anterior acuta operiert wurde. Blencke - Magdeburg. 

Nathaniel Allison and SidneyJ. Schwab, The results of muscle 
groups isolation in the treatment of the paralyses of the extremities. 
American joumal of orthopedic surgery, November 1911, VoL IX, p. 224. 
Verfasser versuchen Lähmungen, Spasmen, Athetosen und schwere Formen 
von Tic dadurch zu bessern, daß sie die betroffenen Muskelgruppen isolieren 
Dies geschieht durch Alkoholinjektionen in Lösungen von 50—95 Proz., die in 
die Bahnen der Nervenschafte eingespritzt werden. Die ergriffenen Muskeln 
werden dadurch zeitweilig ausgeschaltet, die Antagonisten gekräftigt, und so wird 
ein richtiges Muskelgleichgewicht hergestellt. Die besten Resultate haben die 
Verfasser bei Littlescher Krankheit erzielt. Bibergeil - Berlin. 

Menciere, Traitement chirurgical de la paralysie spasmodique du membre 
superieur. Congr. franc. de chir. Paris, 6. Oct. 1911. — Annales de chir. 
et d’orthop. 1911, p. 817. 

Bei der spastischen Lähmung der oberen Extremität mit ihrer so typischen 
Haltung geht Menciere mit folgender Operationstechnik vor: 1. Verlängerung 
der Sehne des Pectoralis major gegen die spastische Adduktion und zur Ee 
möglichung der Armerhebung, 2. Verlängerung des Biceps, 3. des Pronator 
teres mit oder ohne Osteotomie des Radius (gegen die Pronationskontraktur). 

4. Transplantation des Palmaris longus auf die Radialextensorengruppe, sowie 

5. des Adductor pollicis longus auf den Extensor pollicis, 6. Verlängerung des 
Flexor und Adductor pollicis brevis, womit der in die Hohlhand eingeschlagene 
Daumen meist befreit ist. 

Richtig kombiniert, ergeben diese Operationen gute kosmetische und 
funktionelle Resultate. Pe 11es o hn-Berlin. 

P u s s e p, Operative Behandlung der spastischen Lähmung der oberen Extremität. 
Russki Wratsch Xr. 2—3, 1912. 

Verfasser weist auf die Erfolglosigkeit jener Arten der Behandlung (Teno- 
tomie, Alkoholinjektion) der spastischen Lähmungen hin, welche bis zur Vcr- 


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öffentlichung Försters und T i e t z e s auf dem VII. Kongreß der Deutschen 
Gesellschaft für orthopädische Chirurgie geübt wurden. 

Weiter setzt er die bekannten Angaben Försters vom Wesen der 
spastischen Lähmung auseinander und teilt die von Förster in seiner Arbeit 
(Ergebnisse der Chirurgie und Orthopädie) zusammengestellte Statistik der nach 
seiner Methode operierten Fälle mit. Es folgt die Beschreibung der Operation, 
wie sie Verfasser ausführt. Er entfernt die Wirbelbogen subperiostal. Nach Ent¬ 
fernung des Processi spinosi wird in den Zwischenraum zweier Wirbelbogen, neben 
den entfernten Dornfortsätzen, die scharfe Zangenspitze eingeführt und der Bogen 
durchtrennt; weiter werden die Knochenteile Schritt für Schritt mit der Lu er¬ 
sehen Zange entfernt. Die Blutung ist dabei minimal. Die Bogen werden bis zu 
den Querfortsätzen entfernt. Verfasser begnügt sich nicht mit dem Durchschneiden, 
sondern reseziert einen Teil der hinteren Wurzeln. Er spricht sich für die ein¬ 
seitige Ausführung der Operation und gegen den Vorschlag von G u 1 e c k e aus. 

P u s s e p operierte wegen spastischer Lähmung 6 Fälle. 

Verfasser kommt zu folgenden Schlüssen: In allen seinen Fällen konnte 
man nach der Operation eine bedeutende Verminderung oder sogar vollen Schwund 
der krampfartigen Kontrakturen feststellen. Es wurde auch eine bedeutende 
Besserung der willkürlichen Bewegungen beobachtet. 

Die Nachbehandlung ist von größter Bedeutung; in vielen Fällen müssen 
Tenotomien nachfolgen. Die Sensibilität hat sich in den operierten Fällen ziem¬ 
lich schnell wiederhergcstellt. Die Förster sehe Operation gibt nach Ver¬ 
fassers Meinung auch bei so schwerer Form des Leidens sehr gute Resultate; 
selbstredend kann man bei spastischer Lähmung der oberen Extremität, wo 
besonders feine Bewegungen und feine Koordination derselben notwendig seien, 
niemals solch einen Effekt erreichen, wie an der unteren Extremität, zu deren 
befriedigende ? Funktion die Möglichkeit der gröberen Bewegungen schon genügt. 

F r u m i n - Kiew. 

Stoffel, Eine neue Operation zur Beseitigung der spastischen Lähmungen. 
Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 47, 

Stoffel berichtet aus der Vulpiusschen Klinik über 12 Fälle, bei denen 
er durch eine Operation am motorischen Nerven die spastischen Kontrakturen 
bei Littlescher Krankheit usw. beseitigen konnte. Er reseziert aus dem den 
spastischen Muskel versorgenden motorischen Nerven ein Stück und zwar so 
viel, daß der spastische Muskel das Muskelgleichgewicht nicht mehr stören 
kann. Durch die Nachbehandlung soll dann der Antagonist des spastischen 
Muskels gekräftigt werden. Die Schwierigkeit ist, nicht zu viel und nicht zu 
wenig zu resezieren; auch empfiehlt Stoffel, sich vorher durch Studium an 
der Leiche die nötigen Kenntnisse über die innere und äußere Topographie des 
Nerven zu verschaffen. Die beigefügten Bilder und Krankengeschichten zeigen 
ütmrraschende Erfolge der Operation. S c h a r f f - Flensburg. 

Karl Doerr, Die Operation von Mingazzini-Foerster in der Behandlung der 
Tabes. Wiener med. Wochenschr. 1911, Nr. 45. 

Verfasser macht in seiner Arbeit darauf aufmerksam, daß M i n g a z z i n i, 
der zuerst die Durchschneidung der hinteren Rückenmarkswurzeln bei Tabes 


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empfohlen hat-, für diese Operation bestimmte Indikationen festgelegt hat, die 
hier nochmals in Erinnerung gebracht werden. Diese sind: 1. Die Operation soll 
nur in den Fällen von Tabes inferior ausgeführt werden, welche mit unertriig 
liehen, durch keine andere Therapie zu lindernden Schmerzen in den unteren 
Extremitäten und im Bereiche des Magens einhergehen. , 2. Die Operation ist 
nicht nur unnütz, sondern schädlich bei Tabes superior und im ataktischen 
Stadium der Tabes. 3. Es muß auf die sorgfältige Naht der Dura geachtet 
werden, um den Abschluß von Liquor cerebrospinalis zu vermeiden. 

H a u d e k - Wien. 

Heile, Zur Försterschen Operation: Spastische Zustände und sensible Krisen 
(Tabes) durch Resektion der hinteren Stränge des Rückenmarks zu bessern. 
Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 3. 

Heile berichtet über 2 Fälle von Försterscher Operation. Der erste 
betraf ein 4jöhriges Kind mit Littlescher Krankheit, der Erfolg der Operation 
war gut. Im zweiten Fall hat Heile bei einem 32jährigen Mann wegen gastri¬ 
scher Krisen die 7., 8. und 9. Dorsalwurzel beiderseits entfernt. Es kam zu einer 
Querschnittslähmung, an deren Folgen der Patient nach 4 * Monaten zugrunde 
ging. Trotz der Lähmung traten von der 5. Woche nach der Operation an die¬ 
selben kolikartigen Krampf zustande des Magens mit folgendem Erbrechen auf. 
genau wie vor der Operation. Bei der Autopsie ergab sich, daß das Rückenmark 
an der Operationsstelle vollkommen erweicht und in seinen Hintersträngen ganz 
zerstört war, ferner fanden sich myelitische Veränderungen und bindegewebige 
Verdickungen und zellige Infiltration der Gefäßwände, namentlich der Intima. 
Diesen Veränderungen gibt Heile die Schuld am Zustandekommen der Er¬ 
weichung des Rückenmarks und rät deshalb, Fälle mit luetisch-myelitischen 
Prozessen von der Försterschen Operation auszuschließen. Der Fall zeigt, daß 
die Förstersche Operation nicht bei allen Fällen von gastrischen Krisen nützen 
wird. S c h a r f f - Flensburg. 

E x n e r, Förstersche Operation, (k. k. Gcsellsch. d. Acrzte, Wien, 10. November 
1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 49. 

Vorstellung eines Knaben, dem vor einem Jahre w ? egen Littlescher 
Krankheit der 5. Lumbal- und der 2. und 3. Sakralnerv beiderseits mit gutem 
Erfolg reseziert worden waren. S c h a r f f - Flensburg. 

Kotzenberg, Litt lösche Krankheit. (Aerztl. Verein in Hamburg, 24. Ok¬ 
tober 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 45. 

Vorstellung eines Kindes, bei dem Kotzenberg durch die Foerster¬ 
sehe Operation die Spasmen beseitigen konnte. Scharff - Flensburg- 

Kimm a, Heber Sehnennaht. Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 5. 

K i m m a hat in der Wilmsschen Klinik verschiedene Sehnennähte auf 
ihre Haltbarkeit und Widerstandskraft geprüft. Als Material wurden verwertet 
die Beugesehnen am ^ orderarm von frischen Leichen, als Nahtmaterial diente 
nur Seide. Auf Grund dieser Untersuchungen ist nach Kimma die Wilmssche 
Naht wegen ihrer starken Resistenz in Verbindung mit ihrer Einfachheit und 
der Y\ ideiStundskraft bei hoher Belastung am meisten zu bevorzugen. Eine 


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große Haltbarkeit zeigte auch die Langesche Naht, doch trat bei Belastung ein 
Gleiten der Fäden an der Sehne und dadurch eine starke Diastase der Sehnen¬ 
enden ohne Reißen der Nähte ein. Bei der großen Festigkeit der Sehnennähte 
erscheint es nicht nötig, sie nach der Naht längere Zeit ruhig zu stellen, Wilma 
läßt vielmehr schon kurz nach der Naht aktive Bewegungen machen, um Ver¬ 
wachsungen zu vermeiden. Scharff- Flensburg. 

Bum, Anpassung und Gewöhnung an Unfallfolgen, (k. k. Gesellsch. d. Aerzte, 
Wien, 27. Oktober 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 46. 

Bum erklärt zunächst, was unter „Anpassung“ und „Gewöhnung“ zu 
verstehen ist, und bespricht sodann die Grundsätze bei Behandlung von Unfall¬ 
verletzten, die die zukünftige Funktion und damit die Gewöhnung an die Unfall¬ 
folgen erleichtern können. Bum geht besonders auf die Behandlung der Frak¬ 
turen ein und empfiehlt möglichst kurze, die Zirkulation nicht beengende Immo¬ 
bilisierung, vielmehr möglichst baldige Mobilisierung. Den Gehverband verwirft 
Bum und empfiehlt statt dessen Extensionsverbände (gegebenenfalls nach 
Zuppinger), bei komplizierten Frakturen Steinmannsche Nagelextension. 
„Das Prinzip des häufigen Verbandwechsels behufs Aenderung des Gelenk - 
winkeis im Sinne künftiger Funktion sollte zum bindenden Gesetz werden.“ 

Scharff- Flensburg. 

L i n i g e r, Die Bewertung der Erwerbsfähigkeit bei Arm- und Beinamputationen. 
Monatschr. f. Unfallheilkunde 1911, Nr. 12. 

L i n i g e r führt aus seiner reichen Praxis eine Reihe von Amputations¬ 
fällen an, die den Unterschied zwischen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Unfall- 
und des Invalidengesetzes dartun sollen. Die Amputation eines Beines oder eines 
Armes macht den Menschen allein nach eingetretener Gewöhnung an das künst¬ 
liche Bein respektive an den Arm nicht invalide, es müssen noch sonstige un¬ 
günstige Nebenumstände, wie Alter, allgemeine Körperschwäche, Minderwertig¬ 
keit der anderen Extremität, ungünstige Beschaffenheit des Stumpfes usw. hinzu¬ 
kommen. Man sieht an den beschriebenen Fällen, wie außerordentlich groß 
die Gewöhnung an die Amputation von Gliedern, insbesondere von Beinen wirken 
kann, namentlich natürlich bei solchen Leuten, die keinen Anspruch auf eine 
Honte haben. Die Unfallverletzten hatten sämtlich starke Beschwerden an 
ihren Stümpfen, sie gingen mit den künstlichen Beinen sehr schlecht. Die künst¬ 
lichen Arme erklärten sie überhaupt für die Arbeit als wertlos und sie bestritten 
auf das energischste, daß sie überhaupt noch zu irgendeiner wesentlichen Arbeit 
fähig seien. Die Leute dagegen, denen keine Unfallrente zustand, die arbeiten 
mußten, weil sie sonst nichts zu leben hatten, klagten, trotzdem ihre Stümpfe 
nicht besser waren als die der erstgenannten, und trotzdem sie im Durchschnitt 
schlechtere künstliche Glieder hatten als diese, in keiner Weise. Sie erklärten 
mit einem gewissen Stolze, daß sie sich trotz ihrer Verstümmlung für arbeits¬ 
fähig hielten. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

V u 1 p i u s, Eitrige Hirnhautentzündung nach Kniequetschung — Tod als mittel¬ 
bare Unfallfolge. Monatschr. f. Unfallheilkunde 1911, Nr. 8. 

V u 1 p i u s gibt einen Auszug aus den Unfallakten wieder, die ihm behufs 
Erstattung eines Obergutachtens vorgelegt wurden. Er kam zu der Ansicht, 


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Referate. 


daß der in diesem Fall an Hirnhautentzündung erfolgte Tod als mittelbare Folge 
des Betriebsunfalles anzuerkennen sei, durch den sich der Verletzte eine Quetschung 
der Kniegelcnkgegend zugezogen hatte, welch? zur Eiterung geführt hatte. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Hammer, Zur Technik der Umfangmessung bei Begutachtungen. Münch, 
med. Wochenschr. 1911, Nr. 51. 

Hammer hat durch die Firma Ludwig Dröll in Frankfurt a. M. ein Band¬ 
maß anfertigen lassen, das nur 1 cm breit und nur 75 cm lang ist. Es ist mit 
einem kleinen drehbaren Handgriff versehen, der es gestattet, von einem be¬ 
liebigen Punkte einer Extremität zunächst den Abstand nach einem Knochen¬ 
punkt zu bestimmen und dann unter Drehung des Bandmaßes um 90° — hei 
festgehaltenem Handgriff — an dieser Stelle den Umfang zu messen. 

Scharff - Flensburg. 

Brüning, Einfaches Verfahren zur Ermittlung von Linkshändern. Münch, 
med. Wochenschr. 1911, Nr. 49. 

Wenn man mit der einen Hand einen Kreis auf sich zu, mit der anderen 
von sich fort schlägt, so gelingt es nur für einige Sekunden, die beiden Kreide 
in entgegengesetzter Richtung mit dem Zeigefinger zu beschreiben. Sobald 
man die Bewegung beschleunigt, wird die eine Hand unsicher, führt unregelmäßige 
Bewegungen aus und folgt schließlich der anderen Hand. Brüning hat nun 
gefunden, daß bei einem Rechtshänder stets die linke Hand der Bewegung der 
rechten folgt, während bei einem Linkser immer die linke Hand die Führung 
behält. Man kann auf diese Weise z. B. bei Untersuchung von Unfallpatienten 
feststellen, ob diese Linkser sind. Scharff- Flensburg. 

G o e b e 1 und Mann, Lähmung nach Esmarchscher Blutleere. Breslauer chir¬ 
urgische Gesellsch., 13. November 1911. Zentralbl. f. Chir. 1911, Nr. 51. 

Die Vortragenden berichten über drei Fälle von Armlähmung, die sie im 
Verlaufe eines Sommers nach Esmarchscher Blutleere beobachten konnten. 

Blencke - Magdeburg. 

Gont ermann, Ein neuer Handgriff zur Narkose. Zentralbl. f. Chir. 1911. 
Nr. 50. 

Der von Gon term ann angegebene Handgriff soll nach Möglichkeit 
das Vorziehen der Zunge mit der Zange und das Kieferhalten ersetzen und ihre 
Nachteile für den Patienten ausschalten. Er besteht in der Hauptsache darin, 
daß ein breitgefaßter, 3—4 cm dicker, fester runder Stieltupfer unter rotierenden 
Bewegungen auf der Zungenoberfläche bis auf den Zungengrund vor die Epi¬ 
glottis eingeführt wird, bis man die Zunge auf demselben ruhen hat. Durch Vor¬ 
drucken desselben in der Richtung nach der Regio submentalis läßt sich die Zumie 
nach vorn heben. Die Epiglottis folgt dieser Bewegung, und so wird der Kehl¬ 
kopfeingang frei. In dem Aufsaugen des Schleimes durch den Tupfer, der des¬ 
halb auch öfter gewechselt werden muß, liegt ein weiterer Vorteil. 

Blencke - Magdeburg. 

Friediger, Ueber eine akute Benzinvergiftung beim Säugling. Münch, med. 
Wochenschr. 1912, Nr. 5. 

Friediger berichtet über einen Fall von Benzinvergiftung bei einem 


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einige Wochen alten Kinde, die dadurch entstanden war, daß Heftpflasterverbände 
mit Benzin entfernt wurden. Das Benzin wurde beim Verdunsten eingeatmet, 
zum Teil wohl auch von der damit gereinigten Haut resorbiert und rief nun bald 
schwere Vergiftungserscheinungen hervor, die aber unter geeigneter Behandlung 
(Bäder, Eiweißwasser innerlich) wieder verschwanden. 

S c h a r f f - Flensburg. 

Taskinen, Ueber den Einfluß der Massage auf die Resorption. Zeitschr. f. 
physikalische u. diätetische Therapie 1912, Heft 1. 

Verfasser hat Patienten intramuskulär gefahrlose Flüssigkeiten, wie Me¬ 
thylenblau und Natrium salicylicum, injiziert. Auf diese Weise wollte er erforschen, 
wie schnell dieselben nach der Einspritzung unter Massage im Urin Vorkommen. 
Aus seinen Versuchen geht hervor, daß sich z. B. das Sälizyl nach der Massage 
nach einer Zeit von 26,7 Minuten im Urin äußerte und ohne Massage erst nach 
dem Verlauf von 39,2 Minuten. Aus den Versuchen des Verfassers geht hervor, 
daß die Massage die Resorption in sehr bedeutendem Maße beschleunigt. 

Bibergeil- Berlin. 

Jerusalem, Zur Heilstättenbehandlung der chirurgischen Tuberkulose, 
(k. k. Gesellsch. d. Aerzte, Wien, 24. November 1911.) Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1911, Nr. 51. 

Jerusalem stellt drei Mädchen im Alter von 10—17 Jahren vor, die 
im Sanatorium Grimmenstein bei Aspang durch Sonnenbestrahlung von tuber¬ 
kulösen Gelenkerkrankungen ganz befreit oder wesentlich gebessert wurden. In 
der Anstalt wurden bisher 24 Fälle in dieser Weise meist mit gutem Erfolg be¬ 
handelt. Scharff - Flensburg. 

J. Bungart, Ueber Versuche mit Tuberkulin in der Behandlung der chirur¬ 
gischen Tuberkulose. Zeitschr. f. Chir. Bd. 113, S. 243. 

In der chirurgischen Klinik der Krankenanstalt Lindenburg-Köln (Chef¬ 
arzt Prof. Ti 1 mann) wurden nach Bungarts Bericht in den letzten 2 Jahren 
an 20 Patienten Tuberkulinkuren mit Kochs Alttuberkulin angestellt. Zu den 
Versuchen wurden alle Formen der chirurgischen Tuberkulose, wie sie in Be¬ 
handlung kamen, herangezogen. Die operativen Eingriffe wurden der besseren 
Beobachtung wegen auf das Notwendigste beschränkt. Sie bestanden im wesent¬ 
lichen in Entfernung von bereits abgestorbenen oder wenigstens im Absterben 
begriffenen Gewebsteilen, also in Inzision von Abszessen, Punktion von Ergüssen, 
Ausräumung von nekrotischen Knochenherden u. dgl. Zweckmäßige orthopädische 
Operationen wie Arthrodesen wurden, wo solche in Betracht kamen, angcschlossen. 

Nach den Erfahrungen des Autors ist das Tuberkulin in der Hand eines 
vorsichtigen sachkundigen Arztes als ein unschädliches Mittel anzusehen. Für 
viele Fälle muß ihm ein w r ohltuender Einfluß auf den Allgemeinzustand der 
Kranken zuerkannt werden. Es trägt vielfach in auffallender Weise zur Hebung 
des Kräfte- und Ernährungszustandes bei und wirkt in manchen Fällen auch 
günstig auf die Temperatur ein. Es greift in ähnlichem Sinne wie die allbekannten 
hygienisch-diätetischen Maßnahmen an und kann diese in ihrer Wirksamkeit 
wertvoll unterstützen und ergänzen. Einen direkten Einfluß auf den Verlauf 
der lokalen Affektionen vermißt man. Das Tuberkulin ist nach Bungarts. 


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Erfahrungen vor allen Dingen in den Fällen anzuwenden, in denen man nach 
der bisherigen Erfahrung im allgemeinen mit konservativen Maßnahmen aus- 
kommen zu können glaubt oder auskommen muß, weil man aus irgendwelchem 
Grunde nicht operativ Vorgehen kann. Die hier in Betracht kommenden Krank¬ 
heitsformen bilden die Hauptdomäne für die Tuberkulintherapie; das Mittel 
leistet dabei auch vielfach Vortreffliches, wofern es nur mit Vorsicht und mit 
Ausdauer angewandt wird. Aber auch eine notwendig gewordene Operation 
bildet keine Kontraindikation gegen eine Injektionskur. 

Bungart empfiehlt bei allen Patienten zunächst mit kleinen Dosen 
zu beginnen und dann der Toleranzgrenze jedes Falles entsprechend bald schneller, 
bald langsamer mit den Dosen zu steigen. Man sah den günstigen Einfluß des 
Tuberkulins schon bei Darreichung von relativ kleinen Dosen, konnte aber keine 
wesentliche Vermehrung der sanierenden Wirkung des Mittels feststellen bei 
den Fällen, wo man möglichst schnell vorwärts ging und so rasch zu hohen Dosen 
kam. So entschied man sich für die milde immunisierende Methode Sahlis, 
da man die Vorzüge des forcierten Verfahrens der Düsseldorfer Schule nicht 
anzuerkennen vermochte und vor allen Dingen seine vielgerühmten überragenden 
Erfolge vermißte. Joachimsthal. 

Dresel, Beiträge zur Therapie chirurgischer Tuberkulose mit Alttulierkulin 
Koch. Diss., Heidelberg 1911. 

Bei den 16 Fällen chirurgischer Tuberkulose, die mit Alttuberkulin Koch 
behandelt wurden und über die Dresel berichtet, sah er eigentlich gar keinen 
Nutzen von dieser Behandlung, vielmehr bei Patienten mit verschiedenen Lokali¬ 
sationen der Tuberkulose noch nachteilige Folgen. Auch konnte er in den chir¬ 
urgisch behandelten Fällen kaum eine Unterstützung der Ausheüung durch die 
Injektionen feststellen. Blencke - Magdeburg. 

Max Jerusalem, Zur Sonnenlichtbehandlung der chirurgischen Tuberkulose. 
Wiener med. Wochensehr. 1911, Nr. 33. 

Verfasser bespricht in eingehender Weise die Sonnenlichtbehandlung der 
chirurgischen Tuberkulose, wie sie in Leysin geübt wird, und erörtert, welche 
Einflüsse die außerordentlichen Heilwirkungen, die dort erzielt werden, herbei 
zuführen imstande sind. Angeregt durch diese Erfolge, hat Jerusalem den 
Versuch unternommen, auch in der Heimat die Sonnenlichtbehandlung anzu¬ 
wenden. Er hat vorerst in der Stadt bei Krankenkassenpatienten Sonnen best rah- 
lung versucht und berichtet über 4 Fälle von chirurgischer Tuberkulose, die auf 
diesem Wege (Bestrahlungen von 5, 55, 148 und 133 Stunden) geheilt wurden. 
Weiterhin hat er es versucht, die Heliotherapie im Mittelgebirge in einer See¬ 
llöhe von 760 m (Sanatorium Grimmenstein) durchzuführen. Auch hier wurde 
in 4 derart behandelten Fällen ein recht befriedigendes Resultat erzielt. 

(Seither hat Verfasser noch eine Anzahl weiterer günstiger Resultate in 
der k. k. Gesellsch. der Aerzte in Wien vorgestellt. Referent.) 

Jerusalem tritt auf Grund seiner bisher gemachten Erfahrungen 
wärmsten* dafür ein, daß die Heliotherapie auch in unseren Bergen zur Anwendung 
gebracht werde. Haudek - Wien. 


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Referate. 


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Krall, Chirurgische Tuberkulose. (Naturhist.-med. Verein zu Heidelberg, 12. De¬ 
zember 1011.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 3. 

Vorstellung mehrerer Fälle von chirurgischer Tuberkulose, die durch 
Röntgenbestrahlung teils geheilt, teils erheblich gebessert wurden. 

8 c h a r f f - Flensburg. 

Bail le ul, Etüde anatomo-pathologique et radiographique de la tuberculose 
des petita os longs de la main et du pied chez l’enfant. Rev. d’orthop. 
1911, Nr. 5, p. 397, Nr. 6, p. 547. 

Bailleul bespricht vom pathologisch-anatomischen Standpunkt das 
ganze Gebiet der Tuberkulose der kurzen Röhrenknochen und zeigt, wie sich 
die einzelnen Formen derselben im Röntgenbild präsentieren. Er geht zuerst 
auf die in floridem Stadium befindlichen Tuberkulosen ein, wobei er in Dia- 
physentuberkulose (Spina ventosa) und Tuberkulose der Epiphysenzone einteilt. 
Ausführlich wird auf die Spätfolgen dieser Erkrankungen eingegangen und 
dabei gezeigt, zu welchen Deformitätenformen die verschiedene Lokalisation 
der Tuberkulose an der Hand und am Fuß führt. 

Aus seinen Ausführungen zieht Bailleul nur insofern therapeutische 
Schlüsse, als er auf den Wert konservativer Behandlung hinweist, ohne aller¬ 
dings chirurgische Eingriffe völlig zu perhorreszieren. Im einzelnen überläßt 
es Bailleul dem Leser, aus der Beschreibung der entstandenen Deformitäten 
Schlüsse auf die richtige Behandlung zu ziehen. Pel t e so hn-Berlin. 

Tugendreich, Halbseitige Hypertrophie der Extremitäten. (Verein für 
innere Medizin u. Kinderheilkunde zu Berlin, 22. Januar 1912.) Münch, 
med. Wochenschr. 1912, Nr. 5. 

Vorstellung eines 1'/^jährigen Knaben, der von Geburt an eine halbseitige 
Hypertrophie der Extremitäten aufwies. Scharff - Flensburg. 

Adolfo Lopez Durän, Notas clinicas de cirurgia ortopödica. Madrid 1911. 

Verfasser hat mehrere Artikel zu einer kleinen Monographie zusammen- 
gefaßt. In der ersten Mitteilung berichtet er über seine Versuche, in Ankylose 
ausgeheilte Gelenke durch Einpflanzung der von W i 11 i a m 8. B ä r im American 
joumal of orthopedic surgery 1909 empfohlenen Membran beweglich zu gestalten. 
Er hat diese Operation in 2 Fällen ausgeführt, bei einem 10 jährigen Patienten 
mit einer juvenilen Arthritis deformans coxae und einem 20jährigen Patienten 
mit einer Handgelenksankylose. In beiden Fällen hat er einen Erfolg erzielt. 
In einem zweiten Aufsatz gibt Verfasser einen kurzen Beitrag zur Osteoarthritis 
neurogenen Ursprungs. W'eiter behandelt er die Frage der Deformitäten des 
Unterkiefers durch den Druck von Extensionsvorrichtungen, die am Unterkiefer 
angreifen. In drei selbst beobachteten Fällen hat Verfasser neben Deformitäten 
an den Zähnen Subluxationen des Unterkiefers beobachtet. In einem vierten 
Aufsatz bespricht Duran die Frage nach der zweckmäßigsten Therapie fungöser 
Entzündungen. Er behandelt sie mit Injektionen einer Mischung von Cera alba 3, 
Paraffin, liquid. 2 und Vaselin 24 Teilen. In einem letzten Aufsatz berichtet 
Verfasser über seine günstigen Erfolge bei dem Verschluß von Knochenhöhlen 
nach der Methode von Mosctig-Moorhof. Bibergeil- Berlin. 


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Referate. 


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James K. Young, The operative treatment of congenital wry-neck. Ameri¬ 
can joumal of orthöpedic surgery, November 1911, Vol. IX, p. 248. 

Verfasser hat in 4 Fällen von Schiefhals die offene Operationsmethode 
angewandt. In dem ersten tenotomierte er sowohl die stemale wie die klavi- 
kulare Portion des M. sterno-cleido-mastoideus, im zweiten die stemale Portion 
und den Ansatz am Proc. mastoideus, im dritten die cleido-occipitale Portion 
sowie die Ansatzstelle am Proc. mastoideus und endlich im vierten nur den cleido- 
occipitalen Teil. Nach Verfassers Erfahrung ist die vertikale Inzision direkt 
über dem zu trennenden Teil die beste. Die geeignetste Zeit zur Operation ist 
zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahre, vor der stärksten Wachstums¬ 
periode. Bibergeil - Berlin. 

MarquösetRives, Un cas de cotc cervicale. Soc. des Sciences m6d. de Mont¬ 
pellier. Montpell. mAd. 1911, p. 424, 30. Juni 1911. 

Fall von linkseitiger Halsrippe bei einem 17jährigen jungen Mann, der 
bereits in der Kindheit eine linkseitige Clavicularfraktur erlitten hatte. Jetzt 
war wiederum ein Bruch der linken Clavicula an der früheren Stelle eingetreten. 
Ob die Halsrippe als Hypomochlion bei der Entstehung dieser Fraktur eingewirkt 
hatte, lassen die Verfasser dahingestellt. Die Halsrippe als solche verursacht 
keine Störungen. Peltesohn - Berlin. 

H. A. L a a n, Angeborener Defekt der Pektoralmuskeln. NederL Tijdschr. 
v. Geneesk., 13. Januar 1912. 

7jähriger Knabe. Vom M. pectoralis major bestand links nur die Clavicular- 
portion; der M. pectoralis minor fehlte ganz. Die Mm. rhomboides, serratus major, 
deltoides und latissimus dorsi waren links weniger deutlich entwickelt. Das linke 
Schulterblatt war in allen Abmessungen 1 cm zu klein, stand 3 cm zu dicht an 
der Wirbelsäule und 1,5 cm zu hoch. Die Wirbelsäule zeigte eine leichte totale 
Biegung nach links. Der linke Brustumfang war 29,5 cm, der rechte 32 cm. Der 
linke Arm war 1,5 cm zu kurz, die Hand etwas zu klein; der Umfang des linken 
Oberarmes war gleich demjenigen des rechten. Das Schlüsselbein war zu kurz. 
An Stelle des Knorpels der dritten und vierten Rippe fand sich ein bindegewebiger 
Strang. Auf der Höhe der dritten Rippe war ein Defekt im Sternum von etwa 
1 cm, so daß der ganze Defekt 5 cm betrug. Beim Pressen und Husten trat die 
L ;nge hervor; man erhielt den Eindruck, daß an dieser Stelle auch die Inter¬ 
kostalmuskeln fehlten. Die Haut bildete nach dem Arm eine Flughaut ohne 
Muskelfasern. L a a n nimmt als Ursache den Druck vom Arm oder vom Kopf 
(oder von beiden) in der sechsten bis neunten Entwicklungswoche an, wobei durch 
direkten Druck Muskeln und Knochen (resp. Knorpel) schwanden, durch Druck 
auf die Nerven und Gefäße die langen Schultermuskeln in ihrer Entwicklung 
leicht gehemmt wurden. van Assen - Rotterdam. 

Gayet et Blanc-Perdusset, Paralysie du nerf r^current gauche dans 
un cas de scoliose cervicale primitive. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 1, p. 5. 

Die Autoren beschreiben einen Fall von Cervicodorsalskoliose mit Parese 
des Nervus recurrens. Es handelt sich um eine 52jährige Frau, die die 
Klinik wegen Hustenanfällen und Schlingbeschwerden aufsuchte. Daneben be- 


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standen Kopfschmerzen und vasomotorische Störungen im Gesicht. Die Unter¬ 
suchung ergab eine nach links konvexe Halsskoliose und kompensatorische 
Dorsalskoliose; den Interferenzpunkt bildete der 3. Halswirbel. Das rechte 
Schulterblatt zeigte Hochstand. Die Skoliose war vom 12. bis 14. Jahre auf¬ 
getreten, und zwar zuerst am Halsteil; sie wird von den Autoren als die primäre 
Deviation angesprochen und auf habituelle Schiefhaltung des Kopfes nach rechts 
bei der Arbeit zurückgeführt. Es bestand * weiterhin eine reine Mitralstenose 
ohne weitere Störungen. Die ferner vorhandene Heiserkeit beruhte auf einer 
Lähmung des linken Stimmbandes. Da der Arcus aortae, wie radiologisch fest¬ 
gestellt wurde, infolge der Skoliose nach abwärts verschoben war, so muß an¬ 
genommen werden, daß durch ihn der Nervus recurrens gezerrt und auf diese 
Weise die Lähmung des linken Stimmbandes entstanden ist. 

Peltesohn- Berlin. 

L o h f e 1 d t, Ueber einen seltenen Fall von Corpusfraktur des IV. Halswirbels. 
Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. XVIII, Heft I, S. 60. 

Der 20jährige Patient war bei einem Kopfsprung mit dem Mittelkopf auf 
Grund gestoßen. Neben heftigen Schmerzen im Nacken, zwischen den Schulter¬ 
blättern und in der Brust beim Atemholen bestand eine Parese beider Arme und 
ein erhebliches Herabgesetztsein der Schmerzempfindlichkeit der rechten unteren 
Extremität und der rechten unteren Körperhälfte bis zur Mamilla hinauf. Die 
Röntgenplatte zeigte eine Fraktur des Corpus des IV. Halswirbels, und zwar 
sah man neben einer geringen Kompression des betreffenden Wirbelkörpers eine 
vollkommene Absprengung eines dreieckigen Stückes desselben, welches isoliert 
dicht vor dem Wirbelkörper lag. Die Processus spinosi des III. und IV. Hals¬ 
wirbels klafften etwas weiter als normal. Blencke - Magdeburg. 

Chrysospathes, Zur Behandlung der Stemumvorwölbungen resp. Hühner¬ 
brust. Zentralbl. f. chirurg. u. mechan. Orthopädie Bd. 5, Heft 10. 

Chrysospathes empfiehlt einen einfachen und billigen Apparat zur 
Behandlung der Hühnerbrust, der vor dem „komplizierten“ Wollenberg- 
sehen den Vorteil hat, auch tagsüber getragen werden zu können. Er besteht 
aus einer dem Sternum auf liegenden Pelotte, die einen federharten Querstab 
trägt, dessen Länge der Thoraxbreite entspricht, und an dessen Enden je eine 
Schnalle sich befindet. Ein Lederriemen wird vom Rücken her mit seinen beiden 
Enden an den Schnallen der Querschiene befestigt. Zwei weitere Riemen gehen 
von seiner hinteren Mitte aus über die Schultern nach der Pelotte, um ein Ab¬ 
rutschen nach unten zu verhüten. Das seltenere Abgleiten nach oben verhütet 
eventuell ein nach unten gehender Riemen, der an der Hose befestigt wird. Ein 
anderes Hilfsmittel dagegen besteht darin, daß man auf die Enden der Querschiene 
der Pelotte je eine kleine senkrechte Schiene festnietet, an deren Enden je wieder 
eine Schnalle befestigt ist. In diese vier Schnallen greifen von hinten her die 
unter und über die Schultern geführten Riemen. Bei beiden Pelottenarten wird 
der Druck auf die seitlichen Thoraxpartien vermieden. Als unterstützende Uebung 
empfiehlt Chrysospathes das nach hinten Ueberbiegen auf dem Wolm 
oder dem Knie. Chrysospathes sah verhältnismäßig oft Sternumdefor¬ 
mitäten, die er alle auf Rachitis zurückführt. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 


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Referate. 


Schcpelmann, Demonstration keilförmiger Schaltwirbel der Brust- und 
Lendenwirbelsäule. (Verein der Aerzte in Halle a. S., 13. Juli 1911.) Münch, 
med. Wochenschr. 1911, Nr. 47. 

Schcpelmann zeigt die Röntgenbilder von 2 Fällen aus der Wull- 
steinschen Klinik. Im ersten Fall fand sich ein überzähliger, keilförmiger 3. Lenden¬ 
wirbel, der eine starke Verbiegung der Lendenwirbelsäule nach links verursachte. 
Die Zahl der Lendenwirbel ist auf sechs vermehrt, der Schaltwirbel zeigt doppelte 
Anlage der Querfortsätze auf seiner konvexen Seite. Im zweiten Fall fand sich 
unterhalb des 4. Brustwirbels ein hochgradig keilförmig abgeschrägter Schalt¬ 
wirbel, der an seiner linken konvexen Seite eine wohlausgebildete Rippe trägt, 
während an der ganz schmalen konkaven rechten Seite ein etwa 4 cm langes 
Rippenrudiment sitzt. Der Patient hat 13 Brustwirbel, ferner links 13, rechts 
12 wohlausgebildete Rippen, außerdem rechts eine 13. rudimentäre Rippe*. 

Scharff - Flensburg. 

Kirmisson, Compte rendu du Service orthopedique au Sanatorium de Hendaye 
pour l’annee 1910. Rev. d’orthop. 1911, Nr. 6, p. 547. 

Kirmisson gibt den jährlichen Bericht über die im Verwaltungsjahre 
1910 auf Kosten der Stadt Paris im Sanatorium in Hendaye behandelten 
skoliotischen Mädchen. 

Von den 46 am 31. Oktober 1910 anwesenden Patientinnen wurden ge¬ 
heilt 21, gebessert 16, blieben stationär 9. Diese letzten 9 wurden als ungeeignet 
entlassen. 

Gegenüber den Vorjahren erscheint die Zahl der Ungeheilten sehr hoch, 
sie betrügt fast 20 Proz. Diese Mißerfolge werden durch die Heilungen wett¬ 
gemacht. Die große Zahl der Mißerfolge ist mehr zufällig; sie hängt von der 
getroffenen Auswahl ab. Kirmisson meint, man sollte derartig aussichtslose 
Fälle gar nicht erst nach Hendaye schicken; es sei also besseres Ausstichen der 
geeigneten Fälle erwünscht, leider aber wegen der mannigfachen Schwierig¬ 
keiten unmöglich. 

Bezüglich des Alters ergibt sich, daß von den 21 geheilten nur 5 unter 
10 Jahren, dann ebensoviel über 13 Jahren waren: der Rest von 11 war zwischen 
10 und 13 Jahren alt. Daraus geht nach Kirmissons Ansicht hervor, dah 
die erstgenannten für die orthopädische Gymnastik noch zu unverständig, die 
zweite Gruppe infolge der Fixation der Skoliose in diesem Alter schon zu 
alt sind. 

Stationär blieben die Fälle mit mehreren ausgesprochenen Krümmungen. 
Von den Geheilten hatte nur 1 Mädchen eine dreifache Skoliose, 8 eine solche 
mit Krümmung und einer Gegenkrümmung, die übrigen 12 eine einfache Lumbo- 
dorsalskoliose. 

Das Allgemeinbefinden, ausgedrückt in Gewichtszahlen, war ein sehr 
günstiges. Nur 2 Mädchen verloren an Gewicht; auch hierbei lag das Optimum 
zwischen 10 und 12 *'2 Jahren. 

Die 46 Behandlungen haben in einer Tabelle Platz gefunden, in der die 
Diagnose von den zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen Maßen gefolgt ist. 
Letztere beziehen sich auf die Abweichung der Dornfortsatzlinie vom Lot, auf 
den Brustumfang bei Ein- und Ausatmung, das Gewicht und die Größe der 
Kranken. (Die angewendete Messung der Skoliose durch Messung der Ab- 


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Referate. 


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weichung der Domfortsatzlinie vom Lot gibt leider kein sehr klares Bild von 
der ursprünglichen Deformität und dem Erfolg der Behandlung. Ref.) 

P e 11 e s o h n - Berlin. 

Robert Soutter, Scoliosis with marked structural change and rotation. 
Boston medical and surgical journal, Vol. CLXIV, Nr. 16. 

Durch streng durchgeführte Behandlung, Korsetts, Apparate, Gymnastik, 
sind selbst in Fällen von schwerster Skoliose mit Strukturveränderungen und 
Rotation relativ günstige Resultate zu erzielen. Das allgemeine physische Be¬ 
finden ist dabei stets zu berücksichtigen. Abbildungen zeigen die guten Resultate 
des Verfassers. Bibergeil - Berlin. 

Edville Gerhardt Abbott. Simple, rapid and complete reduction of 
deformity in fixed lateral curvature of the spine. New York medical journal, 
24. Juni 1911. 

Dreiviertel aller Skoliosenfälle sind eine Folge von dauernd schlechter 
Haltung, wie sie z. B. beim Schreiben am Pult eingehalten wird. In den wenigsten 
Fällen ist Krankheit die Ursache der Skoliose. Eines der hauptsächlichsten 
Momente bei der Korrektur dieser wie überhaupt jeder Deformität ist die über¬ 
korrigierte Stellung des betroffenen Teils. Bibergeil- Berlin. 

Lange, Der obere Gegenhalt bei den Skolioseapparaten. Zentralbl. f. Chirurg, 
und mechan. Orthopädie Bd. 5, Heft 12. 

Lange steht auf dem jetzt wohl überall anerkannten Standpunkte, 
daß man bei der Behandlung der Skoliosen höheren Grades ohne Lagerungs- 
apparate und Korsetts nicht auskommt. Sic müssen nur alle dem Prinzip ent¬ 
sprechen, das obere und untere Ende der skoliotischen Biegung zu fixieren und 
den korrigierenden Druck am Scheitel der Biegung auszuüben. Lange ver¬ 
wendet zu diesem Zwecke in der Armenpraxis Celluloidkorsetts, in der Privat¬ 
praxis Stahlschienenkorsetts. Das prinzipiell Neue an seinen letzten Modellen 
ist der Gegenhalt an der dem Rippenbuckel entgegengesetzten Halsseite. Alle 
Einzelheiten sollen in einer späteren, ausführlichen Arbeit erörtert und illustriert 
werden. Vorläufig wird nur mitgeteilt, daß diese Redressionsapparate in 2 Jahren 
des Versuchs die Erwartungen weit übertroffen haben. Lange läßt die Apparate 
nachts und einen halben Tag tragen und gleichzeitig aktive redressierende Uebungen 
vornehmen. Korsett ohne Uebungen hält er mit Schultheß für einen Kunst- 
fehler, wenn eine Skoliose noch besserungsfähig ist. 

Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

H. J. Gauvain, The mechanical treatment of spinal caries. Lancet, 

4. März 1911. 

Die Behandlung der frischen Wirbelkaries besteht in absoluter Ruhig- 
Stellung der Wirbelsäule, möglichster Vorbeugung jeder Deformität, Vermeidung 
jeglichen interossären Druckes am Krankheitsherd und Überwinden des Muskel¬ 
spasmus. Auf diesen ist bei der Pottschen Krankheit bisher zu wenig geachtet 
worden. Verfasser zeigt an Abbildungen einen Apparat, der im Prinzip nach 
dem in Berck-sur-Mer benutzten konstruiert wurde und nur einige kleine Ab¬ 
änderungen erfahren hat. Bibergeil- Berlin. 


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Referate. 


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Men n e, Ueber die Erfolge der Laminektomie bei Lähmungen infolge von Spon¬ 
dylitis tuberculosa. Diss. Halle 1911. 

Menne bespricht die Indikationen und Kontraindikationen sowie die 
Aussichten der Laminektomie, um dann auf Grund eingehenden Literatur¬ 
studiums die Erfolge derselben zu betrachten, und zwar rechnet er zu den 
Erfolgen alle jene Fälle, bei denen die Lähmungen längere Zeit beseitigt wurden 
und nicht wiederkehrten. Er konnte aus der ihm zugänglichen Literatur 
132 Fälle von Laminektomien zusammenstellen, von denen 48 geheilt, 26 ge¬ 
bessert und 24 vorübergehend gebessert wurden. Von den 48 Geheilten sind 5 
später gestorben, aber bei keinem war die Lähmung wiedergekehrt. Todesfälle 
fanden sich im ganzen 51. Aus dieser Statistik geht nach des Verfassers Ansicht 
zur Genüge hervor, daß die Laminektomie keineswegs „trostlose 44 Resultate 
liefert, wie es von mancher Seite behauptet wird. Seiner Meinung nach finden 
sich so viele erfolgreiche Operationen bei frischer Spondylitis mit Paraplegien, und 
ihre Schädigungen sind so gering, daß der Versuch gerechtfertigt erscheint, auch 
bei noch florider Tuberkulose regelmäßig diese Operation auszuführen, zumal es 
dann noch am ehesten gelingt, den noch nicht so ausgedehnten kariösen Herd 
fast ganz auszuräumen. Zum Schluß bringt der Verfasser dann noch die Kranken¬ 
geschichten zweier Fälle, die an der Hallenser Universitätsklinik zur Operation 
kamen. In dem einen Fall trat Exitus ein, in dem anderen war der Erfolg ein 
sehr guter. Blencke - Magdeburg. 

H. D. R o 11 e s t o n, Spondylose rhizomölique. Proceedings of the Royal society 
of medicine, Vol. 5, Nr. 1. Clinical section, p. 12. 

49jähriger Mann mit Spondylose rhizomdlique. Vor 18 Jahren Gonorrhöe; 
während ihres Bestehens erkrankte der linke Mittelfinger mit Ausgang in Ver¬ 
steifung. 4 Jahre nach dem Tripper begannen Schmerzen und Bewegungsbehin- 
derungen in den Hüftgelenken aufzutreten, nach weiteren 3 Jahren Schmerzen in 
der Wirbelsäule. Die Erkrankung der Wirbelsäule schritt fort, und seit 5 Jahren 
besteht völlige Versteifung; dabei treten anfallsweise starke Schmerzen auf. 
Es handelt sich um einen ausgebildeten Fall der Erkrankung. Auch das Kiefer- 
gelenk und die großen Extremitätengelenke sind befallen. Die Röntgenaufnahmen 
der Wirbelsäule und der Hüftgelenke zeigen schwere arthritische Veränderungen, 
streckenweise Ankylosen. 

Rollest on wünscht Ansichten zu hören, ob die Erkrankung als gonor¬ 
rhoische oder paragonorrhoische aufzufassen sei, in dem Sinne, daß durch die 
Gonorrhöe der Organismus des Patienten geschwächt und so anderen Schädlich¬ 
keiten leichter ausgesetzt worden ist; oder endlich, ob sie vollkommen unabhängig 
von der Infektion ist. 

C a r 1 e s s fragt, wie lange die Gonorrhöe bei dem Patienten bestanden 
hat, er hat einen Patienten gesehen, der die gleichen arthritischen Erscheinungen 
zeigte und 8 Jahre zuvor eine Gonorrhöe akquiriert hatte. Dieser Patient hatte 
aber nie ganz den Ausfluß verloren. 

R o 11 e s t o n erwidert, daß bei seinem Patienten die Gonorrhöe 4 Wochen 
bestanden hat und nachher vollkommen ausgeheilt war. Er glaubt vor allem 
aus diesem Grunde, daß die Gonorrhöe nicht als veranlassende Ursache — wenig¬ 
stens allein — anzuschuldigen ist. F. W o li 1 a u e r - Charlotten bürg. 


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Referate. 


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Lance, La spondylite typhique. Gaz. des hop. 1911, p. 1918. 

Referierende Zusammenfassung unserer Kenntnisse über die Spondylitis 
typhosa. Trotz zahlreicher Literaturangaben können diese indessen keinen An¬ 
spruch auf Vollständigkeit machen. Peltesohn - Berlin. 

Forbes Fraser and Thomas Mc Pherson, Acute Osteomyelitis of 
the vertebral column. Lancet, p. 1543, 2. Dezember 1911. 

Die Verfasser haben einen Patienten mit akuter Osteomyelitis der Wirbel¬ 
säule beobachtet, operiert und geheilt. Es handelte sich um einen 9 Jahre alten 
Knaben, der mit dem Gesäß auf den Boden gefallen war; zuerst hatte er nur 
geringe Schmerzen, die sich am nächsten Tage steigerten und mit Fieber einher¬ 
gingen. 3 Tage nach dem Unfall wurde der Knabe ins Hospital gebracht; er 
klagte über heftige Rückenschmerzen, das linke Bein war flektiert, und der Kopf 
lag fixiert flach auf dem Bett. Jeder Versuch, das Bein zu strecken oder den Kopf 
zu heben, machte dem Knaben rasende Schmerzen. 2 Zoll linkerseits vom Dom- 
fortsatz des HI. Lendenwirbels fand sich eine besonders schmerzhafte Stelle. 
Die Domfortsätze selbst waren nicht schmerzhaft, auch war die Wirbelsäule 
in Seitenlage beweglich. Die Hüft- und die Ileosacralgelenke schienen nicht 
erkrankt zu sein. Keine Lähmung der Beine; die Kniereflexe fehlten, aber die 
Hautreflexe waren vorhanden. Unter abwartender Behandlung verschlechterte 
sich der Zustand, abgesehen von der Verschlimmerung der nervösen Symptome 
trat jetzt auch Schmerzhaftigkeit an dem III. und IV. Lendenwirbeldomfortsatz 
auf; am nächsten Morgen wurde eine explorative Operation beschlossen. Bei 
einer langen Inzision entlang dem äußeren Rande des linken Erector trunci und 
Eingehen von da in die Tiefe wurde nichts gefunden. Es wurde dann von einem 
zweiten Schnitt aus die linke Seite der Whrbelbögen freigelegt, zwischen dem 
dritten und vierten punktiert und dicker grau-grüner Eiter entleert. Die Operation 
wurde durch Entfernen des dritten und vierten W T irbelbogens vollendet. Die 
Innenseite des dritten Wirbelbogens war schwarz und nekrotisch; der Wirbel¬ 
kanal voll von Eiter und Lymphe. Reinigung der Dura mater, die nach Entfernung 
des Eiters wJeder frei pulsierte. Der Eiter enthielt Staphylokokken in Reinkultur. 
Nach Einlegung eines Drains wurde die W'unde geschlossen. Die Nachunter¬ 
suchung 2V 2 Jahre später zeigt den Knaben bei guter Gesundheit, die Wirbel¬ 
säule ist etwas schwach — Patient trägt ein Stützkorsett. 

Verfasser besprechen im Anschluß an ihren Fall die Literatur. Die Er¬ 
krankung kommt gewöhnlich im Alter unter 20 Jahren vor; gewöhnlich geht ein 
leichtes Trauma vorher, manchmal ist aber eine lokale Sepsis — Furunkel — 
die Ursache. Die Erkrankung beginnt mit hohem Fieber und äußerst starken 
Schmerzen. Nur die sofortige Operation kann den Kranken retten, dabei ist 
die Mortalität zwischen 60 und 75 Proz. Die Krankheit ist mit Typhus, Pneu¬ 
monie, Peritonitis und akuter Spinalmeningitis verwechselt worden, w as bei dem 
wechselnden und irreführenden Charakter des Leidens nicht verwunderlich ist. 

F. Wohl a u e r - Charlottenburg. 

Witt ich, Ueber tumoröse Wirbelkaries. (Naturwissenschaft!, med. Gesellsch. 
zu Jena, 15. Juni 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 50. 

Bei einem 27jährigen Mann wurde im Februar 1911 der rechte Hoden 
wegen einer Geschwulst exstirpiert, die sieh als ein Mischtumor mit Drüsen- 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX IM 20 


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Referate. 


schlauchen, Epithel und Knorpelinseln erwies. Mitte April Schmerzen im Hai«, 
dann Lähmung der Arme und Beine. Tod unter den Erscheinungen der Atem¬ 
lähmung. Bei der Sektion fanden sich Caries des 3. Hals- und 5. Brustwirbels, 
Kompression des Halsmarkes, Geschwulstknoten in Lunge und Leber usw. 
die mikroskopisch dasselbe Bild wie der Hodentumor zeigten. 

Scharff- Flensburg. 

Masao Sumita, Zur Lehre der sogenannten Freundschen primären Thorax¬ 
anomalien. Zeitschr. f. Chir. Bd. 113, Heft 1—2, S. 49. 

Nach Sumita sind die von Freund als ein prädisponierendes Moment 
zur Entstehung der Spitzentuberkulose beschriebene abnorme Kürze und scheiden¬ 
förmige Verknöcherung des 1. Rippenknorpels nur als verschiedene Formen 
von Knorpelwachstumsstörungen anzusehen, welche durch Veränderungen der 
allgemeinen oder lokalen Ernährungs- und Funktionsverhältnisse herbeigeführt 
werden. Sie sind nicht spezifisch und kommen nicht nur am 1. Rippenknorpel, 
sondern auch manchmal an anderen Rippenknorpeln vor; die besonderen ana¬ 
tomischen und physiologischen Verhältnisse des ersteren schaffen aber zweifellos 
eine bedeutend höhere Disposition zur Ausbildung dieser Veränderungen, und 
die ausgeprägteste Veränderung ist daher auch häufig an der 1. Rippe zu finden. 
Freund hat zweifellos diese Veränderung des Rippenknorpels überschätzt, 
indem er sie für die Entstehung des Thorax phthisicus und der Lungenspitzen¬ 
tuberkulose verantwortlich gemacht hat. Es kommt ihr nach 8 u m i t a > 
Auffassung diese Bedeutung nicht zu. Vielmehr kann die Funktions- und Wachs¬ 
tumsschwäche der betreffenden Thoraxpartie, welche zur Ausbildung eines Zu¬ 
standes wie Thorax phthisicus günstig ist, auch am leichtesten und deutlichsten 
das Wachstum des 1. Rippenknorpels beeinflussen und liier Zustände abnormer 
Kürze oder scheidenförmiger Verknöcherung herbeiführen. Die scheidenförmige 
Verknöcherung ist nicht als vom Perichondrium ausgehend zu betrachten, wie 
Freund und andere angenommen hatten, sondern beruht auf einem abnormen 
Weiterschreiten der peripherischen Ossifikation und ist stets in nachweisbarer 
Kontinuität mit der Rippen- oder Sternumspongiosa. 

Die Gelenkbildung des 1. Rippenknorpels hat nach S u m i t a s Unter¬ 
suchungen kein so bedeutungsvolles Verhältnis zur Spitzentuberkulose; 
sie ist häufig eher als ganz zufällige Erscheinung, bedingt durch irgendein trauma¬ 
tisches Moment, anzusehen. Sie kann aber auch bei abnorm langem, sonst un¬ 
verändertem, also gut biegsamem Knorpel Vorkommen. 

Die von Freund als primäre Ursache des Emphysems angegebenen 
Ri])]X‘nknorpeIVeränderungen sind nichts anderes als ein Resultat der abnorm 
frühzeitig und hochgradig eintretenden senilen Knorpelveränderung (Präsenilis- 
mus), bedingt durch eine örtliche Ernährungs- und Wachstumsstörung bei dieser 
Krankheit. Die gleichzeitig vorhandene Thoraxdilatation ist nur als eine durch 
die Grundkrankheiten bedingte Begleiterscheinung aufzufassen; kombinieren sich 
diese Veränderung des Knorpels und die Thoraxdilatation in gewissem Alter, so 
bildet sieh ein typischer starr dilaticrtcr Thorax aus. Die von 
Freund auf Grund seiner Auffassung von den Thoraxveränderungen vor¬ 
geschlagenen O p e r a t i o n e n bei Lungentuberkulose können nach 
S u in i t a s Dafürhalten nur im Umfang der folgenden beschränkten Indikation 
ausgeführt werden: Bei beginnender oder schon bestehender JSpitzentuberkulose 


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Referate. 


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ist, solange über eine günstige Wirkung keine entscheidenden Beobachtungen 
vorliegen, die Operation abzulehnen. Für den prophylaktischen Zweck ist sie 
offenbar viel zu eingreifend; sie ist nur ausnahmsweise in Kombination mit der 
sonst als aussichtsvoller erscheinenden und als leichter ausführbar anerkannten 
Methode der gymnastischen Atemübung anzuwenden. Die von Freund vor¬ 
geschlagene Operation beim Emphysem ist nicht durch Beseitigung 
der primären Ursache, wie er es auffaßt, sondern aus ganz anderem Grunde von 
Einfluß (vielleicht durch die Einengung des Lungen Volumens auf dem Wege 
der Rippenverkürzung im Sinne des partiellen extrapleuralen Pneumothorax — 
Friedrich), als eine empfehlenswerte, wohltätige Operation zu betrachten. 
Sie wirkt direkt erleichternd auf die subjektiven Beschwerden und richtet sich 
gleichzeitig auch gegen die unangenehmen Komplikationen (Zirkulationsstörung, 
Beteiligung des rechten Herzens). Joachimsthal. 

S e 1 i g. Ein Fall von Spondylolisthesis traumatica. Monatsch. für Unfall¬ 
heilkunde 1911, Nr. 12. 

Selig veröffentlicht einen Fall von Spondylolisthesis traumatica aus der 
Vulpiusschen Heilanstalt, der über Jahre hinaus beobachtet werden konnte. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

M i 1 n e r, Spontanfrakturen an 4 (oder 7) Rippen bei einer Tabischen. (Med. 
Gesellsch. zu Leipzig, 7. November 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, 
Nr. 51. 

M i 1 n e r stellt eine 47 Jahre alte Frau vor mit vier frischen und drei oder 
vier geheilten Spontanfrakturen von Rippen infolge von Tabes. Ueber den ge¬ 
brochenen Rippen starke Weichteilschwellung, wegen der vom erstbehandelnden 
Arzt Probepunktion (Diagnose: tuberkulöser Senkungsabszeß) mit negativem 
Ergebnis gemacht war. Entstanden sind die Frakturen wahrscheinlich dadurch, 
daß eine infolge der Anästhesie der Rippen nicht genügend gemäßigte Muskel¬ 
anspannung plötzlich auf die vielleicht abnorm brüchigen Rippen eingewirkt hat. 

S c h a r f f - Flensburg. 

Mex Mitchell, A note on Sprengels deformity. British medical journal 
p. 140(>, 25. November 1911. 

Verfasser berichtet über einen Fall von Schulterblatthochstand. Es wurde 
eine Inzision zwischen Wirbelsäule und Scapula gemacht und ein derber Ge- 
websstrang durchtrennt. Bei der Revision nach 6 Monaten zeigte sich keine 
Besserung des Befundes. F. Wohlauer- Charlottenburg. 


H. W. H a r d i n g, A case of Sprengels deformity. British medical journal 
p. 1407, 25. November 1911. 

Angeborener Schul terblatthochstand bei einem 12jährigen Knaben. Ver¬ 
fasser nimmt an, daß das Leiden durch eine Verkürzung des Trapczius und sekun¬ 
däre Atrophie des Levator anguli scapulae bedingt ist, und wirft die Frage auf, 
ob die geringere Größe des Schulterblattes auf Rechnung der mangelnden Funk¬ 
tion des Arms zu setzen ist. 

F. Wohlauer- Charlottenburg. 


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Referate. 


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Otto G. K i 1 i a n i, An Operation for paralytic shoulder joint due to infantile 
paralysis. Annals of surgery, Januar 1910. 

Verfasser machte bei einer Patientin, die nach einer Kinderlähmung eine 
vollkommene Paralyse einer Schulter zurückbehalten hatte, folgende Operation: 

9 Zoll lange Inzision am vorderen Rande des Deltoideus. Freilegung (kr 
Kapsel, die zu a / 4 Teilen vom Humerus losgelöst wurde. Der freie untere Rand 
der Kapsel wurde nun an das Periost des Humerus ungefähr 2 l 2 Zoll tiefer an¬ 
genäht. Während dessen wurde der Arm in die horizontale Lage gebracht. Pie 
lange Sehne des Biceps wurde stark durch Raffung verkürzt. Hierdurch wurde 
der 2 l / 4 Zoll herunterhängende Kopf des Humerus an die Cavitas glenoidalU 
herangebracht. Nun erfolgte die völlige Ablösung der Fasern des M. deltoideus 
und des M. tmpezius von Clavicula und Acromion und die Vereinigung ihrer freien 
Ecken durch Katgut-Kupfemähte, so daß die Schulterteile von Trapezius und 
Deltamuskel eine einzige Muskelmasse bildeten. Der Arm wurde in Abduktion ge¬ 
halten. Nach 7 Tagen Heilung der Wunde. Die Abduktionsstellung wurde noch 
14 Tage beibehalten. Nach 3 Wochen konnte Patientin den Arm schon etwa? 
abduziercn. Eine vollkommene Abduktionsmöglichkeit ist, da die Lähmung 
9 Jahre bestanden hat, nicht zu erwarten. Bibergeil - Berlin. 

Menciere, Paralysie de Tepaule par impotence du grand dentele et du trapeze 
scapulaire. Arch. provinc. de chir. 1911, Nr. 11, p. 625. 

Es handelt sich in dem von Menciere operierten Fall um einen 18jährigen 
jungen Mann mit Dystrophia musculorum progressiva, bei dem die Haupt¬ 
erscheinungen am Schultergürtel rechts lokalisiert waren. Die Scapula stand 
flügelförmig ab infolge Lähmung der oberen Portion des Trapezius und des Sem* 
tus anterior. Deltoideus, Pectoralis, Biceps, Latissimus dorsi usw. waren nur 
wenig atrophisch. 

Der Kranke wünschte den Arm wieder senkrecht erheben zu können. 
Da alle elcktrotherapeutischcn Maßnahmen versagten, entschloß sich Men- 
c i k r e zur Operation. 

In Anlehnung an den Vorgang von v. Eiseisberg und von D u v a 1 
schritt er zur Fixation der Scapula an den Rippen in folgender Weise. Bei er¬ 
hobenem Arm Schnitt längs dem medialen Rand der Scapula; Ablösung des 
Trapezius und Rhomboideus. Subperiostale Freilegung der 5. bis 7. Rippe. 
Annäliung des medialen Scapularandes mit Silberdraht an diese Rippen. Zum 
Schluß Eingipsen des Armes in elevierter Stellung. Der funktionelle Erfelg 
war sehr gut, wie die beigegebenen Photographien nach der Operation zeigen, 
und war noch über 2 Jahre später vorhanden. 

Bei dieser Operation ist Wert darauf zu legen, daß die Nervi intcrcostak* 
geschont werden, da andernfalls später starke Schmerzen auftreten. Aus mecha¬ 
nischen Gründen muß die Scapulaannähung schon an der 5. Rippe erfolgen. 
Muskeltransplantationen sind überflüssig. Die Fixierung des Armes in elevierter 
Stellung durch Gipsverband nach der Operation ist notwendig, damit feste Ver¬ 
einigung zwischen Scapula und Rippen erfolgt, und zwar so, daß nachher die 
Margo mcdialis scapulae von oben innen nach unten außen schräg verläuft. 

Peltesohn - Berlin. 


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Referate. 


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G e o, F. B o y e r, The complete histo-pathological examination of the nervous 
system of an unusual case of obstetrical paralysis forty-one years after.birth, 
and a review of the pathology. Proceedings of the royal society of medicine, 
Vol 5, Nr. 2, Dezember 1911, Neurological section p. 31. 

Fall einer 41jährigen Frau, die an einer Geburtslähmung des rechten Arms 
litt und an einer interkurrenten Krankheit zugrunde ging. B o y e r hat eine 
genaue histologische Untersuchung des gesamten Nervensystems vorgenommen 
und bespricht unter Zugrundelegung von Zeichnungen und Mikrophotogrammen 
die Befunde. Es würde hier ein Referat zu weit führen, die Schlußfolgerungen 
des Verfassers nehmen allein drei Druckseiten ein. Die Lektüre der Arbeit ist 
sehr zu empfehlen. F. Wohlauer- Charlottenburg. 


L a m 6 r i s, Luxatio humeri habitualis. Holländische Gesellsch. f. Chir. Sitzung 
vom 21. Oktober 1910. Zentralbl. f. Chir. 1911, Nr. 52. 

L a m 6 r i s teilt die Ursachen der habituellen Schulterverrenkung in drei 
Gruppen: 1. Abreißung der Muskeln vom Tuberculum maius oder Fraktur dieses 
Tuberculum. 2. Frakturen am Vorderrande der Cavitas glenoidalis. 3. Erweite¬ 
rung und Erschlaffung der Kapsel. Er wandte in drei Fällen die von C1 a i r- 
m o n t und Ehrlich angegebene Muskelplastik (siehe diese Zeitschrift Ed. 24, 
S. 315) aus dem Deltoides an. Trotz der im ersten Falle wieder eingetretenen 
Verrenkung war die subjektive und objektive Besserung in allen Fällen eine 
so bedeutende, daß Lam^ris glaubt, die Methode für gewisse Fälle empfehlen 
zu können. Blencke - Magdeburg. 

Lehmann, Nochmals zur Kasuistik'der Frakturen am oberen Humerusende. 
Monatschr. für Unfallheilkunde 1911, Nr. 9. 

Lehmann bringt einen zweiten Fall von Fraktur des Collum anatomicum 
humeri, dessen Diagnose durch das Röntgenbild bestätigt wurde. Es handelte 
sieh auch hier wiederum, um einen Bruch des anatomischen Halses und der Tuber¬ 
cula, und zwar diesmal um einen Einkeilungsbruch. Da der erstbehandelnde 
Arzt die Diagnose nicht gestellt, vielmehr den Patienten für gesund erklärt hatte, 
•^rätLehmann doch möglichst schnell unter Anwendung der Röntgenstrahlen 
die richtige Diagnose zu stellen, zumal in solchen Fällen, bei denen starke Schwel¬ 
lung und Schmerzhaftigkeit gewisse Schwierigkeiten bei der Untersuchung be¬ 
reiten. Blencke- Magdeburg. 

Prescott leBretin, Traumatic arthritis as a late complication of fracture 
of the upper extremity. American journal of orthopedic surgery, Novem¬ 
ber 1911, Vol. IX, p. 179. 

Bericht über 5 Fälle von subakuter und chronischer Arthritis der Hand- 
und Schultergelenke nach Traumen, die diese Gelenke betroffen hatten. Die 
Patienten waren Frauen von 35—69 Jahren. Die Behandlung der Frakturen 
hatte in guter Einrichtung und frühzeitigem Beginn von Massage und passiven 
Bewegungen bestanden. Die Arthritis zeigte sich daun plötzlich wenige Wochen 
nach dem Unfall. Ferner griff die Entzündung auf die Sehnen über, so daß Ver¬ 
wachsungen die Folge waren. Röntgenologisch konnte Knochenatrophie nach- 


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Referate. 



gewiesen werden; Muskelatrophie war unverkennbar. Die Affektion besserte sich 
in allen Fällen nur sehr langsam. Bibergeil - Berlin. 

Gaye t, Osteosarcome de rextrcmitö sup^rieure de Fhum^rus. Resection de la 
moitie de cet os. Guerison. Soc. de chir. de Lyon. 15 Juni 1911. Rev. de 
chir., T. 44, p. 646. 

Nach Resektion von 15 cm der ganzen proximalen Hälfte des Humerus 
wegen Sarkoms bei einer 31jährigen Frau wurde ein Schienenapparat mit Erfolg 
angelegt, der das Schlottern des seines Skeletts beraubten Oberarms verhinderte. 

Peltesohn - Berlin. 

A maudrut, Un cas de sarcome periostique de l’extremite superieure de 
Fhumerus, examen radiographique. Rev. d’orthopedie 1911, Nr. 6, p. 557. 

Bericht über ein periostales Sarkom am oberen Humerusende bei einem 
13jährigen Knaben. Es wurden während der Beobachtungszeit von 2 Monaten 
drei Radiogramme aufgenommen. Sie werden genau besprochen. Bemerkenswert 
ist, wie zuerst die Diaphyse intakt ist; in Höhe der Metaphyse ist eine dunkle 
Zone vorhanden; das Periost ist kelchartig am Ende der oberen zwei Fünftel 
abgehoben. Die lamellenartige Abhebung des Periosts ist auffällig. Erst später 
kommt es zur Zerstörung der Diaphyse. Die fortschreitenden Veränderungen 
veranschaulicht Verf. gut in der Weise, daß er Pausen der verschiedenen Radio¬ 
gramme aufeinanderlegt und zu einer Figur vereinigt. Man sieht so recht 
deutlich das allmähliche Fortschreiten des Tumors. Peltesohn-Berlin. 

Morest in. De l’intervention precoce dans les fractures di bras compliquecs 
de paralysie radiale. Soc. de chir. de Paris, p. 1179, 25. Oktober 1911. 

M o r e s t i n hat dreimal wegen Radialislähmung infolge Humerusbruelu* 
operiert; zwei der Kranken hat er bis zur Heilung verfolgen können. Die Opera¬ 
tionen wurden 1 Tag, 3 Wochen und 2 Wochen nach der Fraktur ausgefülirt; sic 
bestanden in Befreiung des Nerven von Callus, Aufspießung usw\ und Verlagerung 
in Weichteilmassen. Der Zustand des Nerv.n selbst war verschieden, eine Zer¬ 
reißung war in keinem Falle vorhanden. Im ersten Falle war nach einem Monat 
noch keine Reaktion im Nerven nachweisbar. Im zweiten Fall konnten bereits 
am ersten Tag nach der Operation geringe Streckbewegungen ausgeführt werden, 
es trat völlige Heilung ein. Aehnlich günstig verlief der dritte Fall. Die Frak¬ 
turen wurden teils genäht, teils nur reponiert; sie konsolidierten rasch. 

M o r e s t i n tritt für frühzeitige Operation in Fällen von Fraktur mit 
Nervenlähmung ein, da die Operation leichter und wirksamer ist, als die Spät¬ 
operation. 

In der Diskussion sprechen sich Quenu, 8 a v ä r i a u d und S c h w a r u 
gegen die Frühoperation aus. Handelt es sich, wie in den M o r e s t i n schon 
Fällen, nur um Kontusionen des Nerven, dann ist die Prognose auch ohne 
Operation günstig, wenn die Fragmente gut stehen, w T as im Röntgenbild kon¬ 
trolliert werden kann. 

Morestin sieht keinen Vorzug im Abwarten. Die Radialislähmung. 
die einen Oberarmbruch begleitet, ist eine absolute Indikation zum sofortigen 
Eingriff. Peltesohn - Berlin. 


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Referate. 


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Treves, Les fractures de l’exträmitä införieure de l’hum^rus chez Fenfant (r6sul- 
tats 61oign£s). Paris, chez Steinheil 1911. 

Der Verfasser hat es in der vorliegenden, mit nicht weniger als 421 Text¬ 
figuren und 10 Tafeln ausgestatteten Arbeit unternommen, die Endresultate 
der Behandlung der Brüche des distalen Humerusendes beim Kinde festzustellen. 
Er hat 163 Kinder röntgenologisch nachuntersuchen können; unter ihnen waren 
79 suprakondyläre, 42 solche des Condylus extemus, 34 des Condylus internus, 
5 Epiphysenlösungen, 2 T-Brüche. Die Mehrzahl der Frakturen betraf Kinder 
zwischen 5 und 10 Jahren. 

Alles in allem ist die Prognose dieser Brüche keine so schlechte, wie in 
der Regel angenommen wird. Ihren ungünstigen Ruf verdanken diese Brüche 
dem Umstande, daß nur die anscheinend schlecht geheilten Kinder längere Zeit 
in Beobachtung bleiben; manches nach J / a Jahr noch mittelmäßige Resultat 
ist aber nach 2 Jahren von selbst tadellos geworden. 

T r & v e 8 empfiehlt den Gipsverband als das beste Mittel, die reponierten 
Fragmente auch der suprakondylären Humerusbrüche zu erhalten. Früh¬ 
zeitige Operationen, z. B. primäre Knochennaht, sind auf die irreponiblen Lu¬ 
xationen, komplizierte Brüche und Frakturen mit Lähmungen zu beschränken. 
Auch Spätoperationen sind erst dann angezeigt, wenn feststeht, daß eine spontane 
Besserung nicht mehr zu erwarten ist; das ist aber unter 2 Jahren nicht möglich. 

Es ist erstaunlich, die Heilungstendenz der Natur zu beobachten. Bei 
den suprakondylären Humerusbrüchen, bei denen das distale Fragment nach 
hinten und oben disloziert ist und das Ende des proximalen bis tief in die Ellen¬ 
beuge vorspringt, resorbiert sich diese Ecke mit der Zeit so vollkommen, daß 
ein ideales Resultat entsteht. 

Cubitus varus ist eine sehr häufige, Cubitus valgus eine sehr seltene Kom¬ 
plikation der suprakondylären Brüche. Progressiven Cubitus valgus infolge von 
Wachstumsstörung des abgebrochenen Condylus erkennt Trdves nicht an; 
er meint, daß in solchen Fällen die mangelhafte primäre Reposition und die Hyper¬ 
trophie des nicht abgesprengten Condylus die Verbiegung bewirkt hat. 

Unter Berücksichtigung der guten anatomischen und funktionellen Spät¬ 
resultate bei einigermaßen richtiger Verbandbehandlung kommt es kaum vor, 
daß noch Nachoperationen nötig werden. Peltesohn - Berlin. 

Ugo Trine i, Contributo allo studio radiografico delle fratture del gomito nei 
bambini. Archivio di ortopedia anno XXVIII, No. 5. 

Eine genaue Kenntnis der Ellbogenfunktion ist erst seit der Entdeckung 
der Röntgenstrahlen möglich. Die Frakturen des Ellbogengelenks, deren genaue 
Kenntnis gleichfalls der Radiographie zu verdanken ist, kommen am häufigsten 
im Kindesalter zwischen 3 und 14 Jahren vor. Man kann folgende Typen unter¬ 
scheiden: 1. den suprakondylären Bruch, 2. den Bruch des äußeren Condylus, 
3. den Bruch der Epitrochlea, 4. den Bruch des inneren Condylus, 5. den Bruch 
des Epicondylus, 6. den suprakondylen-intcrkondylen Bruch in Form von T, V, 
Y, 7. den Kocher sehen diakondylen Bruch, 8. den isolierten Bruch der Trochlea, 
9. den Bruch des Condylus radialis, 10. den Bruch des Radiushalses, 11. den Bruch 
des Olekranon, 12. den Bruch des Processus coronoideus, 13. Abreißungen der 
Epiphysen und 14. vollständige Frakturen. Am häufigsten sind die Frakturen 


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312 


Referate. 


des äußeren Condylus, die fast stets vor dem 15. Lebensjahr auftreten. Es folgen 
an Häufigkeit die suprakondylären Brüche und die Frakturen der Epitrochiea. 
Nach eingehender Besprechung der Anatomie des Ellbogens zeigt Verfasser Röntgen¬ 
bilder verschiedenster Frakturen; zum Teil sind es eigene Fälle, zum Teil Beob¬ 
achtungen aus der pädiatrisch-chirurgischen Klinik des Professors G a 11 i. Auf 
fast allen Bildern, und zwar hauptsächlich auf den kurz nach dem Trauma auf¬ 
genommenen ist die enorme Loslösung vom Periost auffallend* Was die Behand¬ 
lung betrifft, so warnt Verfasser vor zu häufiger Anwendung von Massage und 
passiven Bewegungen, da oft die Bildung von Verknöcherungen an den Muskel¬ 
ansätzen in der Nähe des Ellbogengelenks dadurch begünstigt wird. Eine blutige 
Reposition hält Verfasser nur für indiziert bei starker Rotation, bei intraartikulärer 
Einkeilung oder Fragment Verschiebung, die die Funktion behindert. Die besten 
Resultate hat T r i n c i mit Gewichtsextension erzielt. 

Bibergeil- Berlin. 

Hart mann, Die Behandlung der medialen Epicondylusbrüche. Arch. für 
Orthopädie Bd. 11, Heft 1. 

Die medialen Epicondylusbrüche, die am häufigsten im 10.—20. Letans- 
jahre Vorkommen, sind meistens als traumatische Epiphysenlösungen anzusehen. 
Sie treten gewöhnlich durch indirekte Gewalt auf und sind stets extrakapsulär. 
Die häufigste Dislokation ist die nach unten innen in die Gelenkbeuge, dem Zuge 
der Bänder und Muskeln folgend. Der Nervus ulnaris wird nach Hart ma uns 
Erfahrungen nicht tangiert, da er weit außerhalb verläuft. Dagegen verursacht 
die Dislokation des Epicondylus durch die Störung der Fixation des Ligamentum 
collaterale medium ein Abrutschen der beiden Voitferarmknochen nach der ent¬ 
gegengesetzten äußeren Seite. Die Folge derartiger Brüche ist, wenn sie über¬ 
sehen werden, eine schwere Funktionsstörung des Ellbogengelenks. Hart¬ 
mann zeigt nun an der Hand einschlägiger Krankengeschichten, wie man diesen 
Störungen am besten begegnet und derartige Brüche am besten behandelt. Gelingt 
die unblutige Reposition und Retention nicht, so muß zur Operation mit Nagelung 
geschritten we rden. P f e i f f e r - Frankfurt a. M. 

Patel, Fracture de rextremite inferie re de Thum^rus datant de quarante- 
cinq ans. Soc. des scienc. med. de Lyon. Rev. de chir., T. 44, p. 650. 

Demonstration eines 58jährigen Mannes, der vor 45 Jahren einen mit fast 
völliger Ankylose geheilten Bruch des Ellbogengelenkes erlitten hat. Trotzdem 
ist der Patient kaum behindert, da das Schultergelenk kompensatorisch eine außer¬ 
ordentliche Beweglichkeit erlangt hat, wobei das Scapulohumeralgelenk sehr 
schlaff, das Schulterblatt stark nach außen disloziert befunden wird. 

Peltesohn - Berlin. 

B o c k e n h e i m e r, Luxatio divergens antibrachii, durch Operation geheilt; 
nebst einigen Bemerkungen über moderne Gelenkoperationen. Münch, med. 
Wochenschr. 1011, Nr. 48. 

Bocken lieimor berichtet über einen Fall von veralteter Luxatio 
divergens antebrachii, bei dem er, da die unblutige Reposition nicht gelang, 
blutig reponierte. Es ertolgtc glatte Heilung mit vollständiger Wiederherstellung 
der Funktion des Gelenks. Bock e n h e i m c r empfiehlt für Gelenkoperationen 


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Referate. 


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die Beachtung folgender Regeln: Man soll stets unter Blutleere operieren, bei 
Knie-, Fuß-, Ellbogen- und Handgelenk kann Venenanästhesie, beim Schulter- 
und Hüftgelenk muß allgemeine Narkose angewendet werden. Peinlichste Asepsis, 
sorgfältigste Blutstillung ist unbedingt nötig. Nach der Naht wird das Gelenk 
dtTrch Gipsverband ruhig gestellt. Nach 8 Tagen Entfernung der Nähte und 
des Gipsverbandes, der nun durch einen Streckverband ersetzt wird. Zugleich 
Beginn der Nachbehandlung mit aktiven Bewegungen, später auch Apparat¬ 
übungen, Heißluft und Massage. Für Meniscusluxationen oder Verdacht darauf 
empfiehlt Bockenheimer prinzipiell Eröffnung des Kniegelenks, ebenso 
Eröffnung des Handgelenks bei Verletzung der Handwurzelknochen. 

Scharff - Flensburg. 

Saiger, Beitrag zur Myositis ossificans circumscripta, resp. zum parostalen 
Gallus. Arcli. f. Orthopädie Bd. 11, Heft 1. 

Saiger bespricht im Anschluß an einen selbst beobachteten Fall von 
traumatischer Myositis ossificans des Brachialis internus die Aetiologie, die Sym¬ 
ptome, Diagnose, Prognose und Therapie dieses Leidens. Die Ursache sind meist 
schwere, stumpfe, direkte Traumen. Die Frage, ob die Verknöcherung vom 
Periost ausgeht oder vom Muskel, beantwortet Saiger dahin, daß beides möglich 
ist und vereint vorkommt. Die Symptome sind Schmerz, Schwellung, Druck¬ 
empfindlichkeit und rasches Wachsen des Tumors, der frühestens am fünften 
Tage spätestens nach 4 Monaten auftritt. Die Diagnose wird durch das Röntgen¬ 
bild gesichert. Die Prognose ist günstig. Die Therapie beschränkt sich auf konser¬ 
vative Behandlung (Ruhe, Heißluft, feuchte Verbände), nur in ganz dringenden 
Fällen Operation. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

Z o n d e k, Demonstration eines Falles von traumatischer Myositis ossificans. 
(Berliner med. Gesellsch., 1. November 1911.) Münch, med. Wochenschr. 
1911, Nr. 45. 

Es handelt sich um Verkalkung des Muse, brachial, int. nach einem 
Trauma. Scharff- Flensburg. 

R. Dalla Vedova, Contributo alla conoscenza delle ossificazioni da trauma 
con speciale riguardo alle forme consecutive alla lussazione posteriore del 
gomito). Archivio di ortopedia 1911, Fascicolo VI, p. 481. 

Der Luxation des Ellbogengelenks nach hinten folgen oft knöcherne Neu¬ 
bildungen in den parostalen und paraartikulären Geweben. Erstere sind Folgen 
von Periostverletzungen, letztere rühren von einer traumatischen Myositis her; 
sie sind daher als „traumatische Ossifikationen“ zu bezeichnen. Sie befinden sich 
in einem steten Ausgleich, d. h. auf eine Zeit des Wachstums folgt eine solche 
der mehr oder minder langsamen oder auch vollständigen Rückbildung. Das 
häufige Vorkommen von Verknöcherungen nach Ellbogenluxationen verschlechtert 
natürlich die Prognose dieser Erkrankung, selbst wenn sie zur Zeit erkannt und 
reponiert worden ist. Eine Prophylaxe gegen die Ossifikation ist unmöglich; 
doch kann bei genauer Kenntnis der Affektion diese vielleicht doch etwas ein¬ 
geschränkt werden. Die Therapie sei exspektativ. Knochenneubildungen bilden 
eine Kontraindikation gegen mediko-mechanische Nachbehandlung. 

Bibergeil - Berlin. 


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Referate. 


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V i a n n a y, Fracture de l’olecrane et suture fibro-p6riostique. Soc. des Sciences 
medic. de St. Etienne. Rev. de chir., T. 44, p. 385. 

Demonstration eines 14jährigen Knaben mit Fractura olecrani, bei welchem 
vor einem Monat die Periost naht mit Kat gut ausgeführt worden ist. Feste Ver¬ 
heilung mit fast freier Beweglichkeit. Peltesohn- Berlin. 

E s a u, Ueber die isolierte Fraktur des Processus styloideus ulnae. Areh. für 
Orthopädie Bd. 11, Heft 1. 

E s a u konnte 6 Fälle der ziemlich seltenen isolierten Fraktur des Processus 
styloideus ulnae beobachten. Der Bruch entsteht entweder durch direkte Ge¬ 
walt oder durch Zug. Der häufigste Mechanismus ist der, daß ein Mensch auf 
die Hand fällt, dabei die Hand dorsal und radialwärts sehr stark flektiert, und 
daß dabei das Ligamentum collaterale carpi ulnare plötzlich und gewaltsam üWt 
dehnt wird. Die Dislokation geschieht distal und radialwärts, wenn das Stück dem 
Zuge der Hand folgt; bei Einwirkung des Stoßes von der Handfläche her wird 
eine ulnare Verschiebung proximalwärts möglich sein. Die Symptome sind meist 
sehr gering, manchmal treten auch sofort Schmerzen, Schwellung und Druck¬ 
empfindlichkeit auf, zuweilen zeigen sich diese Erscheinungen auch erst nach 
Wochen. Das Röntgenbild sichert die Diagnose. Die Prognose ist getrübt wegen 
unter Umständen erst viel später auftretender chronischer Beschwerden. Thera¬ 
peutisch rät E s a u, keine langdauemde Fixation vorzunehmen, sondern medico- 
mechanische Behandlung und Heißluft anzuwenden. Bei fortdauernden Be¬ 
schwerden wird man das Fragment exstirpieren müssen. 

Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

De Quervain, Ueber das Wesen und die Behandlung der stenosierenden 
Tendovaginitis am Processus styloideus radü. Münch, med. Wochensckr. 
1912, Nr. 1. 

De Quer v a i n faßt seine Erfahrungen, die er seit dem Jahre 189,’) 
an einer Reihe von Kranken gemacht hat und die auch von anderen Beobachtern 
bestätigt werden, in folgende Sätze zusammen: „Es kommt besonders bei weib¬ 
lichen Individuen bisweilen ohne ersichtlichen Grund, bisweilen aber unter dem 
Einfluß von Ueberarbcitung zu einer relativen Verengerung des Sehnenscheiden- 
faches des Extensor pollicis brevis und des Abductor pollicis longus, welche zu 
mehr oder weniger heftigen, nach dem Ellbogen und nach dem Daumen hin 
ausstrahlenden Schmerzen führt. Diese Beschwerden zeigen bald den Charakter 
von akuten Schüben, bald einen von Anfang an mehr chronischen Verlauf. — 
Histologisch läßt sich nur eine Verdickung der Wand des Sehnenscheidenfaches 
nach weisen, ohne entzündliche Veränderungen. — Die Behandlung besteht in 
frische i Fällen in Kälteanwendung, Ruhigstellung, Druckverband, in schleppenden 
Fällen in Revulsion oder Wärmebehandlung, in ganz hartnäckigen Fällen in 
offener oder subkutaner Durchtrennung des Sehnenscheidenfaches. Die Heilung 
ist in allen bisher operierten Fällen, von denen ein Bericht erhältlich war, eim* 
bleibende gewesen“. Scharff - Flensburg. 

W i 1 m s, Knochenimplantation. (Xaturhist.-med. Verein zu Heidelberg, 12. De¬ 
zember 1911.) Münch, med. Wochensehr. 1912, Nr. 3. 

Bei einer schlecht geheilten Radiusfraktur wurde das verschobene Bruch- 


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stiick des Radius herausgenommen und die Knorpelfläche mit wenig Knochen 
allein auf das untere Radiusende aufgesetzt, um wieder normale Gelenkverhältnisse 
zu schaffen. Glatte Heilung. Funktion der Hand wesentlich gebessert. 

Scharff- Flensburg. 

S. Fosdick Jones, Bilateral congenital dislocation of the lower end of the 
ulna. American joumal of orthopedic surgery, November 1911, Vol. IX, 
p. 199. 

Verfasser berichtet über einen Fall von bilateraler angeborener Verrenkung 
des unteren Ulnaendes; es handelt sich jedoch nicht um eine Madelungsche De¬ 
formität, da diese stets erworben ist und stets eine Verbiegung des Radius 
auf weist, die im vorliegenden Fall fehlt. Die Handgelenksdeformität wurde 
von der jetzt 60jährigen Patientin im Alter von 12 Jahren bemerkt, doch hatte 
sie bisher keine Beschwerden gehabt. Wegen eines Sarkoms an einem Oberarm 
mußte die Amputation des betreffenden Armes erfolgen, die es Verfasser er¬ 
möglichte, die kongenitale Ulnaluxation einer eingehenden Untersuchung zu 
unterziehen, welche das Fehlen jeglicher erworbener Veränderungen im Bezirk 
des Handgelenks ergab. Bibergeil - Berlin. 

F ü r n r o h r, Hemmungsbildung des rechten Arms. (Nürnberger med. Gesell¬ 
schaft u. Poliklinik, 26. Oktober 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, 
Nr. 3. 

Bei einem sonst gesunden jungen Mann ist der rechte Oberarm gut aus- 
gebildet, vom Vorderarm ist nur ein etwa 10 cm langer Stummel vorhanden, an 
dessen Innenseite eine kleine, etwa einmarkstückgroße Hand sitzt. Alle Finger, 
nur wenige Millimeter lang, tragen an ihrem Ende einen kleinen, wohl ausgebildeten 
Xagel. Scharff- Flensburg. 

Röpke, Knochcntransplantation. (Naturwisscnschaftl. med. Gesellsch. zu 
Jena, 18. Mai 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 48. 

Röpke stellt einen im Sommer 1910 operierten 15jährigen Knaben vor, 
bei dem er wegen eines myelogenen Sarkoms des linken Radius die erkrankte 
Knochenpartie auf eine Strecke von 11 cm reseziert hatte. Der Defekt wurde 
durch einen von der Ulna desselben Armes genommenen Knochenperiostspahn 
ausgefüllt. Die Einheilung erfolgte unter Erzielung einer guten Funktion des 
Armes. Scharff- Flensburg. 

C r a in e r, Beitrag zur operativen Behandlung kongenitaler Vorderarmknochen¬ 
defekte. Zentralbl. f. chirurg. u. mechan. Orthopädie lid. 5, Heft 11. 

Cramer hat bei einem teilweisen Defekt des Radius bei einem 4jährigen 
Kinde Os triquetrum und Os lunatum exstirpiert, das distale Ulnaende gekürzt 
und die Extensorensehnen gerafft. Gipsverband in dorsc-ulnarer Abduktions¬ 
stellung für 4 Wochen; Primärheilung, Massage und Bewegungsübungen. Nach 
4 Jahren bestand die gute Handstellung noch, trotzdem die vordere Ulnaepiphyso 
zum größten Teil abgetragen war. Da die Ulna aber immer noch die vorderste 
Radiuspartie überragt hatte, war sie an die Stelle der exstirpierten Karpaikrochen 
getreten, während das distale Radiusende trotz eines vorhandenen Epiphysen- 


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Referate. 


kemes nur wenig gewachsen war. Immerhin könnte später noch durch Wachs¬ 
tumshemmungen der Ulna eine ulnare Abduktionsstellung auftreten, die dann 
durch Kontinuitätsresektion zu beseitigen wäre. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

Gasne, La maladie de Madelung. Rev. d’orthop. 1911, Nr. 5 u. 6, p. 437 u.493. 

In der eine Reihe eigener Fälle und die gesamte Literatur berück¬ 
sichtigenden Monographie bespricht Gasne die Madelungsche Deformität, Die 
Schlußfolgerungen, zu denen er gelangt, sind etwa die folgenden: Die Made¬ 
lungsche Deformität (in Frankreich vielfach auch Radius curvus genannt! ist 
vornehmlich durch eine Biegung des Radius charakterisiert; die Luxation des 
Capitulum ulnae ist eine sekundäre Erscheinung und von sekundärer Bedeutung 

Es kommen zwei Typen der Deformität vor: Bei dem gewöhnlichen 
Typus ist der Radius so gebogen, daß die Konkavität palmarwärts sieht, und 
die Ulna dorsalwärts luxiert. Umgekehrt bei dem zweiten Typus: Die Kon¬ 
kavität des Radius sieht dorsalwärts, das Ulnaköpfchen ist palmarwärts luxiert. 
In beiden Fällen zeigt der Carpus dieselbe die Deformität in übertriebener 
Weise vortäuschende Richtung. 

In bezug auf die Aetiologie wurden angeschuldigt: Heredität, Entzün¬ 
dungen, Traumen, endlich Spätrachitis. Bei der Gleichheit der pathologischen 
Befunde in fast allen Fällen kann man nicht umhin, die Madelungsche Sto¬ 
rung als eine Krankheit sui generis aufzufassen und nicht als einen Symptomen- 
komplex. 

Gasne ist der Meinung, daß ausschließlich Rachitis (tarda) die Ursache 
der Affektion oder vielmehr ihres wichtigsten Elements, der Radiusverbiegung, 
ist. Hierfür sprechen die Röntgenbilder, die denen von Rachitis tarda durch¬ 
aus gleichen, sich nur in der Hochgradigkeit der Veränderungen unterscheiden. 
Heredität, entzündliche Erscheinungen und Verletzungen spielen nur insofern 
eine Rolle, als sie den Ausbruch der lokalen Erweichung des Knochens er¬ 
leichtern oder eine Dislokation im distalen Radioulnargelenk herbeüühren können, 
die dann zu späterer Verbiegung des Radius disponiert. 

Die Therapie ist verschieden, je nach dem Zeitpunkt, zu welchem der 
Kranke in Behandlung tritt. Solange das Leiden noch frisch ist, nach Gasnes 
Auffassung die Rachitis tarda also noch floride ist, sind nur konservative Ma߬ 
nahmen angezeigt, nämlich sofortige Arbeitseinstellung, Ruhigstellung in ab¬ 
nehmbarer Manschette, Massage, Elektrizität usw. Ob damit der Gang der 
Affektion aufgehalten wird, erscheint Gasne fraglich. Erst spät, nach Auf¬ 
hören aller Schmerzen, und wenn die Rachitis als ausgeheilt zu betrachten ist- 
soll operiert werden. Schräge Osteotomie des Radius mit folgendem Redresse¬ 
ment und Fixierung im Gipsverband gibt gute Resultate. 

P el t es ohn-Berlin. 

G i u 1 i o A n z i 1 o t t i, Sopra una deformitä del polso tipo Madelung. Archivio 
di ortopedia 1911, Fascic-olo VI, p. 537. 

Es gibt drei Theorien zur Pathogenese der Madelungschen Deformität, 
eine nervöse Ursache, eine inuskulo-ligamentäre und eine ossäre Aetiologie. In 
dem vom Verfasser beschriebenen Falle handelt es sich um trophische Störungen 
der Knochen als prädisponierendes Moment, begleitet von Muskelläsionen, die 
sich auf die Beugeseite des Unterarms und der Hand erstrecken. Der Patient 


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Referate. 


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i at die Deformität etwa ein Jahr. Er erwarb sie nach einem Sturz, wobei er sich 
eine Luxation im Ellbogengelenk mit schweren Abreißungen zugezogen hatte. 
Dieses Trauma steht mit der Madelungschen Deformität indirekt in Zusammen¬ 
hang, indem durch den Unfall schwere Nerven- und Muskelschädigungen resul¬ 
tierten, die das Bild der Volkmannschen ischämischen Kontraktur hervorriefen. 
Verfasser hält bei dem bestehenden Leiden einen operativen Eingriff nur dann 
für indiziert, wenn schwere funktionelle Störungen vorhanden sind. Dann macht 
er eine Osteotomie des Radius zur Streckung seiner Epiphyse. 

Bibergeil - Berlin. 

J a c o b, Subluxation ancienne et irr^ductible du s6milunaire avec fracture du 
scaphoide. Bull, de la soc. de chir. de Paris. 26. Juli 1911, p. 1066. 

Es handelt sich um einen 22jährigen Soldaten, der vor 1V 2 Monaten auf 
die hyperextendierte Hand gefallen war. Es bestand eine irreponible Luxatio 
ossis lunati volarwärts sowie eine Querfraktur des Naviculare. Exstirpation 
des Lunatum und des mit ihm in Zusammenhang gebliebenen unteren Naviculare- 
fragments führten, da bereits 8 Tage post operationem medicomechanisch die 
Nachbehandlung begonnen wurde, zu sehr guter funktioneller Heilung. 

Peltesohn - Berlin. 

Lebouc, Les fractures isolees des os du carpe (scaphoide except6). These de 
Paris 1911. 

In einer die gesamte Literatur berücksichtigenden Arbeit bespricht L e- 
b o u c die Frakturen der Handwurzelknochen mit Ausnahme des Os naviculare. 
Ihre Kenntnis datiert erst seit der Röntgenära. Die rechte Hand wird viel häufiger 
von diesen Frakturen betroffen als die linke; es handelt sich fast stets um indirekte 
Brüche infolge von Sturz auf die Hand. Am häufigsten bricht das Os lunatum; 
es sind entweder Kompressions- oder Rißfrakturen. Das Os capitatum weist zwei 
typische Bruchformen auf, entweder besieht ein Abbruch des Kopfes, oder der Bruch 
sitzt direkt an der Basis. — Frische Handwurzelbrüche können vermutet, manch¬ 
mal sogar beim Nachweis zirkumskripter Druckschmerzhaftigkeit genau diagnosti¬ 
ziert werden. Bei alten Brüchen des Lunatum kommt noch Muskelatrophie, 
Verschmälerung des Zwischenraums zwischen Radius und Basis des Metacarpus III, 
ferner Schmerz bei Druck auf die letztgenannte Stelle hinzu. — Im Gegensatz 
zu den Brüchen des Capitatum, Hamatum usw. sind die Kompressionsbrüche 
des Lunatum von ungünstiger Prognose, da fast stets Arthritiden folgen. L e- 
b o u c rät zu nur kurzer Immobilisation bei diesen Brüchen. 

Peltesohn - Berlin. 

Dcutschländer, Tuberkulose des Os naviculare. (Aerztl. Verein in Ham¬ 
burg, 19. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 1. 

Bei einem 55jährigen Patienten war nach anstrengendem Bergaufschieben 
eines Rades starke Schmerzhaftigkeit in der Gegend des Os naviculare aufgetreten. 
Im Radiogramm fand sich eine kraterförmige Höhle, die operativ beseitigt w urde. 
Heilung. Schar ff - Flensburg. 

Duncan C. L. F i t z w r i 11 i a m s, Congenital flexion of the proximal inter- 
phalangeal joints of the fingers. Proceedings of the Royal soeiety of medicine. 


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Referate. 


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Vol. 5, Nr. 2, Dezember 1911. Section for the study of disease in children, 
p. 59. 

Fitzwilliams zeigt 3 Fälle von kongenitaler Flexionskontraktur im 
ersten Interphalangealgelenk: einen 1jährigen Knaben mit Erkrankung beider 
kleinen Finger und Ringfinger, während die Mittelfinger nur mäßig ergriffen 
sind; einen 9 Monate alten Knaben, bei dem beide kleinen Finger befallen sind, 
an den anderen Fingern ist starke Hyperextension möglich; die Kniebänder 
sind so schlaff, daß die Gelenke disloziert werden können; es bestehen auch 
noch andere kongenitale Defekte, Hydrocephalus, doppelseitiger Pes equino- 
varus, doppelseitige Inguinalhemie; endlich ein 18jähriges Mädchen, das die 
Persistenz der Erscheinung bis ins erwachsene Alter zeigt. Alle Finger mit Auf¬ 
nahme des Daumens sind deformiert, wobei die Schwere der Deformität nach 
den kleinen Fingern hin zunimmt. Im Anschluß daran bespricht Fitz Williame 
die Frage nach Entstehung, Befund und Behandlung. Er hat in seinen Fällen 
keinen hereditären Einfluß beobachten können und hält die Erkrankung für 
eine kongenitale Deformität. 

Parker Weber fragt, ob nicht fehlerhafte Haltung im Uterus die 
Deformität bedingen kann, die Veränderungen an Knochen und Bändern sind 
dann sekundäre. 

John Thomson glaubt nicht an diese Entstehungsursache. Seiner 
Ansicht nach sind die Veränderungen an den Gelenkenden das Primäre und 
Hauptsächliche. 

Der Vortragende schließt sich dieser Ansicht an, da nicht einzusehen 
ist, warum gerade nur das proximale Interphalangealgelenk durch eine fehlerhafte 
Lage im Uterus verändert werden soll, außerdem spricht das gleichzeitige Vor¬ 
kommen von anderen Mißbildungen für einen Anlagefehler. 

F. Wohlauer* Charlottenburg. 

P a ul Gl ä ß n e r, Ueber angeborene Verbildungen im Bereiche der oberen 
Extremität. Deutsche med. Wochenschr. 1911, Nr. 50. 

Bericht über eine größere Reihe von zum Teil seltenen Verbildungen, die 
Verfasser in der chirurgischen Universitätspoliklinik der Charit^ in Berlin zu 
sehen bekommen hat. Es handelt sich zunächst um Verbildungen, die im engsten 
Zusammenhang stellen mit dem Bilde der typischen kongenitalen Klumphand. In 
den drei mit geteilten Fällen sind eine Reihe von Störungen vorhanden, deren 
erstes Glied die typische Klumphand mit vollkommenem Radius- und Daumen- 
defekt darstellt, in deren Mitte dieselbe Deformität steht mit partiellem Radius¬ 
defekt und mangelhafter Entwicklung des Daumens und an deren Ende eine im 
ganzen wenig verbildete Hand sich findet, die nur eine leichte radiale Ablenkung an 
der Ulna und einen mangelhaft entwickelten Daumen erkennen läßt. Des weiteren 
beschreibt Verfasser 2 Fälle von partiellem kongenitalem Ulnadefekt # mit Syn- 
daktylien und eine Syndaktylie, welche durch amniotische Abschnürungen ent¬ 
standen ist. Auf Grund der Beobachtung, daß die Träger von angeborenen Ver¬ 
bildungen im Bereiche der Finger sich derart an den Zustand gewöhnen, daß sie 
es noch zu recht erheblicher Geschicklichkeit in ihren Händen bringen, ist G 1 ä ß- 
ner zu der Ueberzeugung gekommen, daß man vielleicht bei der Beseitigung 
von Syndaktylien ganz kleiner Kinder etwas sparsamer sein sollte, als dies bisher 
geschieht. Bibergeil- Berlin. 


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Referate. 


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Amaudrut, Un cas de luxation m^tacarpo-phalangienne du m6dius gauche. 

Rev. d’orthop. 1912, Nr. 1, p. 95. 

Ein 11 jähriger Knabe erlitt bei einem Fall auf die linke Hand eine Luxa¬ 
tion des Mittelfingers. Die Phalanx ist dorsalwärts über den Metacarpus geschoben. 
Auch in Narkose war die unblutige Reposition nicht möglich. Ein von der lateralen 
Seite eingeführtes Tenotom durchschneidet nun die sämtlichen Weichteile auf 
der Dorsalseite des Gelenks (außer den Sehnen). Danach deutliches Einschnappen 
unter Zug. Gipsverband. Heilung. Peltesohn - Berlin. 


Bienvenue, Un cas de pouce supptementaire k trois phalanges. Rev. d’orthop. 
1912, Nr. 1, p. 91. 

Die Mißbildung bestand in einem überzähligen Daumen der linken Hand, 
der aktiv beweglich war. Der am Platz befindliche regelrechte Daumen hatte 
2 Phalangen. Sein Metacarpus war am Ende gespalten und trug den überzähligen 
aus 3 Phalangen bestehenden Daumen. Der überzählige Finger wurde ampu¬ 
tiert. Die basale Phalanx war mit dem Metacarpusstummel durch eine knorp¬ 
lige Masse verbunden; ob sie zum Metacarpus oder zur Grundphalanx gehörte, 
war nicht zu entscheiden. Peltesohn - Berlin. 

Bennecke, Zwei Fälle von Brachydaktylie. (Naturwissenschaft!.-med. Ge- 
sellsch. zu Jena, 7. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 5. 

Demonstration der Röntgenbilder. Fall 1 betraf eine 50jährige Frau, 
bei der an beiden Händen 4. und 5. Finger verkürzt waren und zwar infolge ab¬ 
normer Kürze besonders des 4. und weniger des 5. Metacarpus; an den Phalangeal- 
knochen keine Abnormitäten. Im 2. Fall fand sich bei einem 30jährigen Mädchen 
nur am linken Fuß eine abnorme Verkürzung der 4. Zehe, und zwar waren Meta- 
taraus und Grund- und Mittelphalanx zu kurz. Die 5. Zehe bestand nur aus 
2 Phalangen. In beiden Fällen war Heredität nicht nachzuweisen. 

Scharff - Flensburg. 

Wrede, Syndaktylie des Daumens und der Großzehe. (Naturwissenschaft!, 
med. Gesellsch. zu Jena, 7. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 
1912, Nr. 5. 

Vorstellung eines ein Jahr alten Mädchens. Keine Heredität. An der linken 
Hand eine häutige Verwachsung zwischen Daumengrundglied und Zeigefinger¬ 
glied, eine zweite zwischen den Grundgliedern des 3. und 4. Fingers. Am linken 
Fuß doppelte Großzehe, in ganzer Ausdehnung häutig verwachsen mit der 2. und 
3. Zehe, ebenso rechts. Scharff- Flensburg. 

Kennerknecht, Ueber die Behandlung der Spina ventosa mit Pyrogallol- 
salbe. Münchner med. Wochenschr. 1912, Nr. 10. 

Kennerknecht teilt die Krankengeschichten von 8 Fällen mit, die 
im Hamburgischen Seehospital Nordheimstiftung in folgender Weise behandelt 
wurden: Die erkrankten Glieder wurden täglich eine halbe Stunde lang in Seifen¬ 
wasser gebadet und dann mit Pyrogallolsalbe verbunden, zunächst mit lOprozen- 
tiger, dann, bei leichter Hautreizung mit 5prozentiger und diese wurde schlie߬ 
lich durch 2prozentige Salbe ersetzt. Zuweilen kam es zur Ausstoßung kleiner 
Sequester, in anderen Fällen wurden Sequester unter der Pvrogallolbehandlung 


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Referate. 


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völlig resorbiert. Leichtere Fälle heilten in 3—4 Monaten, vorgeschrittenere Fällt* 
mit Fistelbildung brauchten ein Jahr und länger. Wegen des guten kosmetischen 
und funktionellen Resultates ist die konservative Therapie der operativen bei 
weitem vorzuziehen. S c h a r f f - Flensburg. 

Mohr, Coccygodynie als Unfallfolge. Monatschr. für Unfallheilkunde 1911, Nr. 8. 

Mohr bespricht zunächst die Ursachen der Coccygodynie, um dann über 
einen Fall zu berichten, bei dem die Beschwerden nach der Exstirpation des Stei߬ 
beins dieselben geblieben sein sollten. Das Steißbein war an seiner Gelenkver¬ 
bindung mit dem Kreuzbein abgebrochen gewesen. Mohr hielt die von der 
Patientin vorgebrachten Beschwerden zum mindesten für übertrieben, da er¬ 
fahrungsgemäß nach Entfernung des verletzten Knochens alle Beschwerden ganz 
oder größtenteils zu schwinden pflegen, und erklärte die Verletzte, soweit Unfall¬ 
folgen in Frage kommen, wieder für voll arbeitsfähig. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Mark H. Rogers, Psoas abscess from lumbar retroperitoneal lymph-glands. 

American joumal of orthopedic surgery, November 1911, Vol. IX, p. 232. 

Beschreibung von 7 Fällen von Psoasabszessen. Verfasser vertritt die 
Ansicht, daß als ursächliches Moment die in der Lumbalgegend gelegenen retro- 
peritonealen Lymphdrüsen in Frage kommen. In zwei Fällen entstand die Infektion 
durch Tuberkelbazillen, in den anderen fünf durch verschiedene pyogene Bakterien. 
Differentialdiagnostisch kommen Erkrankungen der Wirbelsäule, des Hüftgelenks, 
der Beckenorgane und des Wurmfortsatzes, der Nieren und des Schleimbeutels 
am M. ileopsoas in Betracht. Nach Eröffnung und Drainage der Abszesse er¬ 
folgte in allen Fällen Heilung. Bibergeil - Berlin. 

Müller, Zwei Fälle von traumatischer Coxitis. Monatschr. für Unfallheilkunde. 

1911, Nr. 8. 

Zwei Fälle von traumatischer Coxitis, die Müller kurz nacheinander 
zu beobachten Gelegenheit hatte, erweckten in ihm die Vermutung, daß diese 
Erkrankung eine Krankheit sui generis sei und sich in Aetiologie, Prognose, 
Verlauf und Ausgang nicht unwesentlich von der tuberkulösen unterscheidet und 
zu ihr sich etwa so verhält wie die K ü m m e 11 sehe Spondylitis zu der tuber¬ 
kulösen Spondylitis. In beiden Fällen wurde ein außerordentlich leichtes Trauma 
als Ursache der Erkrankung festgestellt, das anfangs kaum beachtet wurde und 
erst später Beschwerden machte. In beiden Fällen war der Verlauf ein außer¬ 
ordentlich milder, das Allgemeinbefinden blieb ein gutes, nur stellte sich ganz 
allmählich eine charakteristische Bewegungshemmung im Hüftgelenk ein, die in 
dem einen Fall durch Behandlung fast völlig zurückging, im anderen stationär 
blieb. Bei jenem wurde die sofort eingeleitete Massage- und Bewegungstherapie, 
deren Anwendung bei der tuberkulösen Coxitis doch geradezu als Kunstfehler 
bezeichnet werden muß, nicht nur sehr gut vertragen, sondern führte auch eine 
ganz offenkundige Besserung des Zustandes herbei. Blencke - Magdeburg. 

Landwehr, Ueber 3 Fälle von Solutio epiphyscos capitis femoris (Coxa vara 
traumatica). Zentralbl. f. Chirurg, u. mechan. Orthopädie Bd. 6, Heft 1. 

Landwehr beschreibt eingehend 3 Fälle von Epiphysenlösung des 
Femurkopfes bei jugendlichen Individuen. In der Epikrise neigt er dazu, die 


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Referate. 


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Aetiologie der Schenkelhakdeformitäten während der Adoleszenz in einer Ver¬ 
letzung der Kopfepiphysenscheibe zu suchen. Tatsächlich verknöchert diese 
Epiphyse zuletzt, die Belastungsverhältnisse sind ungünstig, einem Abgleiten 
des einmal gelockerten Gefüges steht nichts mehr im Wege. Dabei sind die an¬ 
fänglichen Beschwerden gering. Bei der Ausbildung der späteren Knochendefor¬ 
mität spielt die posttraumatische Osteoporose eine größere Rolle als die epiphysäre 
Wachstumsstörung. Darum muß bei jeder Hüftverletzung die Diagnose genau 
präzisiert werden und die ärztliche Beobachtung lange fortgesetzt werden. Die 
pathologischen Vorgänge, welche die Wanderung der Epiphyse am Kopf ver¬ 
ursachen, sind noch unklar. Jedenfalls tritt Landwehr für die Lorenz- 
sche Ansicht der Wesensgleichheit der sog. idiopathischen oder statischen und 
der traumatischen Coxa vara ein. Der Rachitis räumt er nur eine accessorische 
Bedeutung ein. Die Therapie ist noch nicht spruchreif. Bei vollständiger An¬ 
kylose erscheint eine Pseudarthrose mit Beinverkürzung, wie sie nach Resektion 
eintritt, als das kleinere Uebel; zumal bei dem für solche Kranke nötigen Sitzen 
wird letzterer Zustand vorzuziehen sein. Bei geringeren Bewegungsstörungen 
im Hüftgelenk ist natürlich unblutiges Vorgehen (Repositions- und Dehnungs¬ 
versuche) angezeigt. Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

John Ridlon, Report of a case of coxa vara, with X-ray pictures before and 
after the development of the bony deformity. American joumal of orthopedic 
surgery, November 1911, Vol. IX, p; 189. 

Verfasser bestätigt die oft gemachte Wahrnehmung, daß dicke Kinder mit 
unentwickelten Sexualorganen im Jünglingsalter zur Coxa vara neigen, durch die 
Wiedergabe eines von ihm beobachteten Falles. Es handelt sich um einen 11jährigen 
Knaben, der ein Jahr vor Auftreten der Deformität auf die linke Hüfte gefallen 
war, ohne daß er nachhaltige Schmerzen davon gespürt hätte. Nach Ablauf 
dieser Zeit bildete sich eine typische Coxa vara, die auf dem Röntgenbild jedoch 
erst nach Ablauf eines weiteren Jahres sichtbar wurde. Dies veranlaßt den Ver¬ 
fasser zu dem Schluß, daß die Symptome einer Coxa vara auch ohne Epiphyseo- 
ly.se denkbar sind, und die Coxa vara hier wohl als eine Folge allzu großer Weich¬ 
heit der Knochen aufgefaßt werden muß. Zur Behandlung der Coxa vara emp¬ 
fiehlt Verfasser Abduktionsverband als Gehgipsverband. Bibergeil - Berlin. 

Goebe 1 und Goerke, Ungewöhnliche Osteomyelitisform. Breslauer chir. 
Gesellsch., 3. November 1911. Zentralbl. f. Chir. 1911, Nr. 51. 

Es handelt sich um einen 20jährigen jungen Mann, bei dem sich im 
Jahre 1907 nach einem Fall auf die rechte Hüfte eine Osteomyelitis des Femur¬ 
halses mit Beteiligung des Hüftgelenks ausgebildct hatte. Er wurde verschiedent¬ 
lich operiert, und es hatte sich eine starke feste Ankylose des Hüftgelenks ein¬ 
gestellt. Das Röntgenbild zeigte eine blasige Auftreibung des Halses, der mit 
Kopf und Schaft des Femur eine Linie bildete, und eine Periostitis ossificans des 
oberen Femurendes. Die Periostwucherung machte im Röntgenbilde den Ein¬ 
druck einer Totenlade, in der das Femur als Sequester erhalten schien. Nach 
Auftreten zahlreicher Fisteln an verschiedenen Stellen des Körpers kam schließlich 
der ganze Prozeß nach 4 Jahren zum Stillstand. Die Stellung des Femur wurde 
durch eine Osteotomia subtrochanterica verbessert. B1 e n c k e - Magdeburg. 

Zeitschrift fiir orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 21 


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Referate. 


Krall, Ostitis deformans. (Naturhist.-med. Verein zu Heidelberg, 12. Dezember 
1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 3. 

Vorstellung eines Falk*s von Ostitis deformans beider OberschenkelkGpfe 
mit enormer Auftreibung derselben und Luxation der linken Hüfte. 

Scharff - Flensburg. 

Hoffman n, Osteomyelitis chronica als Unfallfolge. Monatschr. für Unfall¬ 
heilkunde 1911, Nr. 12. 

Es handelte sich um einen 18jährigen Patienten, der eine Infraktion des 
linken Schenkelhalses erlitten hatte. Im Anschluß hieran hatte sich eine langsam 
entstandene Knochen- und Knochenmarkentzündung am linken Oberschenkel 
ausgebildet. Blencke - Magdeburg. 

Bouchacourt, Presentation de deux radiographies ayant trait ä une fracture 
du col du femur traitee par le vissage simple des os. Bull, de la soe. 
de radiologie med. de Paris. Oct. 1911, p. 270. 

Verfasser betont die Häufigkeit der mangelhaften Reposition gebrochener 
Gliedmaßen, wie sie sich aus der Durchsicht der im Laufe von 7 Jahren auf* 
genommenen einschlägigen Bilder ergibt. Es genüge nicht, die Bruchstücke in 
eine zur Tragrichtung parallele Achse zu stellen. Er zeigt die aus dem Röntgen¬ 
bild ersichtliche Ueberlegenheit blutiger Methoden, so z. B. bei einer Fractura 
colli femoris intracapsularis, bei der Verschraubung der Fragmente vor 4 Mo¬ 
naten mit bestem Erfolg bezüglich der Stellung ausgeführt worden ist. 

Pel tesoh n- Berlin. 

V a 11 a s, Fracture sous-trochanteriennc vicicusement consolidee; osteotomie; 
suture autogöne des fragments. Soc. de chir. de Lyon. 15. Juni 1911. Rev. 
de chir., T. 44, p. 645. 

Folgender Fall von Fractura subtrochanterica spricht dagegen, daß man 
die Fragmente nach Adaptation metallisch miteinander befestigen soll, und dafür, 
daß man mit einfachen Mitteln auskommt: Mit Dislokation seit 4 Monaten kon¬ 
solidierte subtrochantere Fractura femoris. Anfrischung der Bruchenden; Zu¬ 
spitzung des oberen Fragments und Hineinbringen in die Markhöhle des unteren 
führten zu schneller funktionell sehr guter Heilung. Peltesohn - Berlin. 

Sedan, Sur les attitudes du membre inferieur dans les luxations de la hanche. 
Gaz. des höp. 1911, p. 1255. 

Vier verschiedene traumatische Luxationen des Hüftgelenks sind nach der 
Einstellung des Kopfes möglich, die Luxatio iliaca, ischiadica, pubica, obtura- 
toria. Die beiden ersteren sind hintere, die letzteren vordere. Die erste und die 
dritte sind Luxationen nach oben, die beiden anderen nach unten. Die hinteren 
Luxationen bedingen stets Einwärts-, die vorderen stets Auswärtsrotation- Die 
Luxationen bedingen mehr weniger hochgradige Flexion des Oberschenkels. Die 
Stellung des Trochanter ist bei den verschiedenen Luxationen dadurch bestimmt, 
daß das Ligamentum Bertini unveränderlich lang ist, demnach der Trochanter 
stets die gleiche Entfernung von der Spina ant. inferior aufweist, wodurch mit 
anderen Worten die vier Stellungen des Trochanter einen Kreisbogen beschreiben. 
Die von dem jeweiligen Standort des luxierten Kopfes zu diesem Kreisbogen 


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Referate. 


323 


gezogene "Tangente gibt die Richtung des Oberschenkels für die vier genannten 
Hüftluxationen an» Peltesohn - Berlin. 

C h 1 u m s k y, Beiträge zur Aetiologie und Therapie der kongenitalen Hüft¬ 
gelenksluxation. Zentralbl. f. chir. u. mech. Orthop., Bd. V, Heft 10. 

Nach Chlumskys Ausführungen sind wir in der Erkenntnis der Aetio¬ 
logie der angeborenen Hüftverrenkung trotz einer Unmasse von Arbeiten über 
diese Frage nicht viel weiter gekommen als vor 20 Jahren. Chlumsky liefert 
nun aus seiner Erfahrung einige interessante Beiträge, die zur Klärung der Aetio¬ 
logie dienen können. Zweimal beobachtete er Hüftgelenksluxation bei Kindern 
verbunden mit Kryptorchismus der luxierten Seite. Dies bestätigt die Theorie 
von Unverträglichkeit des Druckes auf den Hoden und dadurch auch den Zwang 
zur Innenrotation des Oberschenkels. Hierdurch würde sich auch die größere 
Häufigkeit beim weiblichen Geschlecht erklären. Die Behauptung LeDamanys 
und Saigets, daß eine Luxation bei lebensfähigen Neugeborenen nicht vor¬ 
komme, konnte Chlumsky durch Röntgenuntersuchungen widerlegen, ebenso 
erwies sich die weitere Behauptung dieser beiden Autoren, daß eine Subluxation 
der Hüfte sich mit der Zeit von selbst restituiert, als unrichtig. In der Therapie 
konnte auch Chlumsky öfters Mißerfolge sehen, indem die unblutige Ein¬ 
renkung zuweilen nicht gelang, zuweilen auch, besonders bei leichten Repositionen, 
eine Reluxation eintrat. Einmal sah er eine Coxitis sich in einem noch nicht 
reponierten Gelenk entwickeln. Bezüglich der Technik bemerkt er, daß er meist 
über den hinteren unteren Pfannenrand einrenkt, sich aber nicht fest an Regeln 
bindet. Die Streckung der Muskeln unterläßt er, wenn die Operation glatt ge¬ 
lingt; Verbanddauer bei flacher Pfanne 3 /., Jahr mit 2—3maligem Verbandwechsel. 
Der Verband wird in der Stellung angelegt, in der das Köpfchen am besten liegt; 
die starke Abduktion des Oberschenkels soll oft keine konzentrische Stellung des 
Köpfchens ergeben. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

V u 1 p i u s. Ein Präparat von repomertor kongenitaler Hüftluxation. Zcntral- 
blatt f. Chirurg, u. mechan. Orthopädie, Bd. 5, Heft 12. 

V u 1 p i u s beschreibt ein seltenes Präparat einer reponierten angeborenen 
Hüftverrenkung, bei der 3 Monate nach der Reposition der Tod an einer inter¬ 
kurrenten Infektionskrankheit eingetreten war. An diesem Präparat war die 
Gelenkkapsel äußerlich ohne Besonderheiten, das Lig. teres nur ein dünnes Häut¬ 
chen, der Kopf leicht abgeflacht, aber sonst gut gebildet. Der Schenkelhals 
war kurz, es bestand Coxa vara und starke Anteversion des oberen Femurendes. 
Die Gelenkkapsel war hinten und außen sehr dick, Fältelung war nicht mehr 
vorhanden. Der Limbus cartilagineus war durch eine Spalte vom Pfannenrande 
getrennt. Die Pfanne selbst war leicht oval, zum Teil mit straffem Fettgewebe 
ausgekleidet; ihr knöcherner Pfannenboden war nicht unerheblich verdickt. Ein 
Röntgenbild zeigte die Inkongruenz von knöcherner und fibrös-knorpeliger Pfanne. 
Während die erstere flach tellerförmig erschien — also ungünstig für die Reten¬ 
tion — umschloß der Knorpel und das fibröse Gewebe einen Hohlraum, in dem 
der Kopf tief und sicher stand. Der Kopf paßte gut in diese Pfanne. Somit 
vollzieht sich eine so rasche Kapselschrumpfung und Anpassung, daß schon 
3 Monate nach der Reposition geradezu normale Kapselverhältnisse vorliegen. 


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Referate. 


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Ob sich das Fettgewebe des Pfannengrundes in Knorpel umwandelt, ist fraglich. 
In jedem Falle aber ist nach 3 Monaten eine Pfanne vorhanden, die in allen Dimen¬ 
sionen genügt, um dem Gelenk ausreichende Festigkeit zu gewähren. 

Pfeiffer* Frankfurt a. M. 

P r e i s e r, Coxa vara nach Einrenkung von angeborener Hüftluxation. (Aerztl. 
Verein in Hamburg, 5. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911,Nr.51. 

Preiser hat 2 Fälle beobachtet, bei denen die anfangs vorhandene 
Knochenkemanlage des Schenkelkopfes sich zurückbildete. Es fand sich zugleich 
eine Hypoplasie der Handwurzelkeme. Im Hessingapparat wurde ein guter 
Gang erzielt. S c h a r f f - Flensburg. 

James Warren Sever, The causes and treatment of paralytic dislocation> 
and subluxations of the hip-joint. Boston med. and surgical joumal, Vol.CLXY. 
Nr. 9. 

Die Durchsicht der Literatur über paralytische Luxationen und Subluxa¬ 
tionen des Hüftgelenks ergibt folgendes: 1 die große Wichtigkeit der intakten 
Antagonisten, 2. das Vorherrschen des dorsalen Typus der Luxationen, 3. die 
Seltenheit einer infrapubischen Luxation, 4. die günstige Prognose in nicht zu 
alten Fällen, bei denen die Kontrakturen noch gestreckt und die Luxationen 
reponiert werden können, 5. die günstige Wirkung einer Arthrodese des Hüft¬ 
gelenks. Die beiden Muskeln, die der Lähmung häufig entgehen, sind die Ad¬ 
duktoren und der Tensor fasciae latae. Die Veränderungen am Femur und Aceta- 
bulum, die in Coxa valga und einem abgeflachten und verlängerten Acetabulum 
bestehen, sind gewöhnlich konstant. Die Deformität, d. h. Subluxation oder 
Luxation im Hüftgelenk, ist eine direkte Folge des Mangels an genügender Muskel- 
unterst ützung nach infantiler Lähmung. Sie tritt erst auf, wenn die Lähmung 
über ein Jahr bestanden hat. Die Behandlung besteht in Verbesserung der Kon¬ 
trakturzustände durch Streckung und Reposition der Hüftluxation. Einfache 
Einrenkung der Hüfte mit folgendem Gipsverband ist nach Verfassers Meinung 
nicht anzuraten, da häufig Atrophie entsteht; dagegen ist in allen Fällen eine 
komplette oder partielle Arthrodese indiziert. Verfasser warnt jedoch vor einer 
gleichzeitigen Arthrodese des Hüft- und Kniegelenks desselben Beins, da die Bc- 
wegungsmöglichkeit zu sehr darunter leidet. Bibergeil - Berlin. 

Eckstein, Destruktionsluxation. (Verein Deutscher Aerzte in Prag, 13. Ok¬ 
tober 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1911, Nr. 47. 

Demonstration der Röntgenbilder eines 4jährigen Knaben, bei dem es 
im Säuglingsalter zu einer Zerstörung des Caput femoris und zur Spontanluxation 
infolge von Osteomyelitis gekommen war. Reposition des oberen Fetnurentle> 
in die schlecht ausgebildete Pfanne, wo es noch nach 5 Monaten im Bilde sicht¬ 
bar ist. Scharff - Flensburg. 

R o c h e r, I^a hauche ä ressort. Gaz. des höp. 1911, p. 445 u. p. 493. 

R o c li e r, der selbst eine schnellende Hüfte hat, gibt auf Grund der jetzt 
37 Fälle (29 Männer, 0 Frauen) umfassenden Literatur eine genaue Studie dieser 
Affektion. Er selbst hat 3 Fälle untersuchen können. 

Er schaltet alle Fälle aus, bei denen das Schnappen nicht durch ein Ueber* 


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Referate. 


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springen eines Sehnenstreifens an der Außenseite des Oberschenkels über den 
Trochanter hervorgerufen wurde. 

Das Phänomen des Schnappens entsteht nach ihm auf folgende Weise: 
beim Flektieren des Oberschenkels macht der Trochanter eine Schaukelbewegung 
nach hinten; beim Vorwärtsneigen des Beckens springt ein Sehnenstreifen nach 
vom. In dem Moment, in dem Trochanter und Sehnenstreifen außer Kon* 
takt geraten, entsteht das Geräusch. 

Kocher ist der Meinung, daß es sich bei allen Patienten, die hierbei über 
Schmerzen klagen, um Simulanten handelt; umsomehr als kein Typus von Aus¬ 
strahlung der Schmerzen jemals festzustellen ist. Auch die Nebenerscheinungen, 
nie Skoliose, anscheinende Verkürzung der Extremität, werden geschickt vor¬ 
getäuscht, manchmal nur um Interesse zu erwecken. 

Die von Zur Verth und G a u g e 1 e gegebenen Einteilungen in will¬ 
kürliche und habituelle, resp. in periartikulär und artikular entstehende schnellende 
Hüfte billigt er nicht. Nach R o c h e r ist sie eine funktionelle, nicht pathologische 
Eigentümlichkeit, die auf verschiedenen anatomischen und physiologischen Ur¬ 
sachen beruhen kann. Sie kann ausnahmsweise zur Krankheit werden aus ver¬ 
schiedenen, uns bisher nicht völlig bekannten Gründen, Bursitiden, Entzündungen 
und Verdickungen von Sehnenstreifen usw. Der Krankheitsverlauf, den diese 
Patienten durchmachen, ist gewöhnlich der, daß das Schnappen der Hüfte in 
geringem Grade schon lange bestanden hat, und daß der Patient aus irgend einem 
Grunde (um Interesse zu erwecken usw.) das Schnappen mehrfach hervorzu- 
mfen beabsichtigt, bis er es durch Uebung regelmäßig ausführen kann. Die 
unwillkürliche ist also eine Vorstufe der willkürlich schnellenden Hüfte. 

Der schnappende Sehnenstreifen ist nach Kocher der vordere Rand der 
Sehne des Glutaeus maximus; Zur Verths Bezeichnung dieses Streifens als 
Tractus cristofemoralis sei unanatomisch. Das Hindernis, das beim Vor- und 
Zurückschnappen überwunden wird, wird entweder durch den Trochanter selbst 
oder durch paratrochanterische Knochenvorsprünge (wie er sie anatomisch in 
verschiedenen Formen nachweisfcn konnte) gebildet. 

Therapeutisch ist hervorzuheben, daß sich mangels irgendwelcher Be¬ 
schwerden eine Behandlung der Anomalie durchaus erübrigt, Interne Medikation 
führt, wenn nervöse Disposition Schmerzen oder unangenehmes Gefühl an der 
Stelle der schnappenden Hüfte hervorrufen sollte, zum Ziel. Er selbst hat nie¬ 
mals chirurgisch einzugreifen brauchen, referiert aber über die bisher angewen¬ 
deten Verfahren. Peltesohn - Berlin. 

Waegne r, Zur Behandlung veralteter Oberschenkelbrüche. Monatschr. für 
Unfallheilkunde 1911, Nr. 9. 

Nach den Erfahrungen des Verfassers ist bei veralteten, in fehlerhafter 
Stellung der Fragmente verheilten Diaphysenbrüchen des Oberschenkels nach 
blutigem Eingriff eine gewaltsame Reposition der ad longitudinem dislozierten 
Fragmente durch einmaliges Einschreiten nicht zulässig, es bedarf hierzu einer 
allmählichen permanenten Extension. Die bei Diaphysenbrüchen des Ober¬ 
schenkels bei weitem am häufigsten vorkommende Form von Dislokation (ab¬ 
gesehen von der Längsrichtung) ist diejenige des unteren Fragments nach hinten, 
eine Dislokation, die offenbar durch die Kontraktion der Wadenmuskeln hervor- 


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I 


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Referate. 


gerufen und dauernd unterhalten wird. Um diese zu beseitigen, muß der Unter¬ 
schenkel in Beugestellung gebracht werden. Eine Kombination von permanentem 
Zug und beliebiger Beugestellung des Unterschenkels gestattet in trefflicher Weise 
das Steinmann sehe Verfahren, welches nicht nur bei frischen, sondern gerade 
auch bei veralteten Brüchen am sichersten alle Formen der Dislokation beseitigt, 
in dem es in schonender Weise die retrahierten Muskeln dehnt und frühzeitige 
Uebungen gestattet. B 1 e n c k e - Magdeburg. 



E 


1 


Kirmisson, Fracture compliquee de la cuisse gauche. Extraction etc. Bull, 
de la soc. de chir. de Paris, 26. Juli 1911, p. 1069. 

Ki r m i s s o n stellt einen 10jährigen Knaben vor. Derselbe hatte eine 
komplizierte Fractura femoris am distalen Ende im November 1910 erlitten. 
bildete sich eine Fistel an der Außenseite; die Fraktur wurde nicht fest. Pas 
Röntgenbild ergab, daß die Fistel mit einem 10 cm langen Sequester von der 
ganzen Diaphysendicke in Verbindung stand. Der Sequester wurde, ebenso wie 
einige kleine weitere Splitter, operativ entfernt; dann wurde Langsextension 
angelegt. Es kam zu einer reellen Verkürzung von nur 3 cm, was darauf zurück¬ 
zuführen ist, daß das Periost den ganzen übrigen Defekt von 7 cm durch 
Knochenneubildung ausfüllte. Eine Vereinigung der Knochenenden durch Naht 
nach der Entfernung des Sequesters hätte eine Verkürzung von 10 cm lierki- 
geführt, wäre daher fehlerhaft gewesen. Peltesohn - Berlin. 

F. Kroiss, Beiderseitige Ruptur der Kniestrecksehnen. Prager med. Wochen¬ 
schrift 1911, Nr. 45. 

Im Anschlüsse an den Bericht über einen Fall mit beiderseitiger Ruptur 
der Quadricepssehne befaßte sich Verfasser mit der Erörterung der Frage, in¬ 
wieweit neben den mechanischen Momenten auch noch gewisse pathologische 
Zustände den Quadriccps bzw. seine Sehne zur Zerreißung direkt disponieren. 

In dem Falle von Kroiss waren die beiden Sehnen in Zwischenräumen 
von 6 Jahren gerissen. Es wurde auf beiden Seiten die Sehnennaht einige Zeit 
nach der Verletzung gemacht. Im Anschlüsse an die zweite Operation wurde auch 
eine histologische Untersuchung der Sehne, die Kalkablagerungen in der Sehne und 
im Bindegewebe, sowie Wucherungen der Gefäßadventitia ergab, vorgenoinmen. 

Der Umstand, daß Zerreißungen des Quadriceps auch ohne besonderes 
äußeres Trauma, resp. ohne daß jene mechanischen Momente gegeben waren, 
die eine Erklärung für die Zerreißung geben konnten, war Veranlassung nach 
solchen pathologischen Verhältnissen zu suchen; die Literatur weist eine Zahl 
derartiger Fälle auf, in denen pathologische Verhältnisse vorhanden waren. 

Bezüglich der Therapie steht Verfasser auf dem allgemein geteilten Stand¬ 
punkte, daß nur die völlige Zerreißung des Streekapparates die strikte Indikation 
zu möglichst baldiger operativer Vereinigung der Stümpfe gibt. 

H a u d e k Wien. 

(»runewald, Die eigenartige Abmagerung der Streckmuskeln und ihre Be¬ 
ziehungen zu dem typischen Kniegelenksschmerz und der typischen Hiift- 
verkrümmung (Kontraktur). Monat sehr, für Unfallheilkunde 1911, Nr. 11. 

Wenn bei akuten Kniegelenkseikrankungen und -Verletzungen, wie es ja 
fast stets der Fall ist, eine Schwächung des vierköpfigen Oberschenkelstreck- 


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Referate. 


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muskels eintritt, so wird die äußere Hälfte des Gelenkes entlastet, das Gleich¬ 
gewicht des Gelenkdruckes dadurch gestört und die innere Seite empfängt eine 
verhältnismäßig starke Pressung, die sich als typischer Schmerz an der Innen¬ 
kante, im Gelenkspalt, am inneren Oberschenkelknochen und an der inneren 
Hälfte des Schienbeinknochens bemerkbar macht. Er verschwindet bei längerer 
Ruhe oder wenn man die Muskelwirkung durch Eingipsen des Kniegelenks aus¬ 
schaltet. Auch die Zwangsstellungen bei Entzündungen der Hüfte sowohl wie 
des Knies machen nach des Verfassers Ansicht eine besondere Theorie nicht er¬ 
forderlich. Sie sind das Ergebnis des gestörten Muskelgleichgewichts, dessen 
wesentlichster Ausdruck an der Hüfte durch die vorzugsweise Beteiligung des 
großen Gesäßmuskels, am Knie durch diejenigen des vierköpfigen Streckers 
hervorgebracht wird. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

I s h i m o t o and K a n c k o, Fracture of the internal epicondyle of the 
femur. American joumal of orthopedic surgery, November 1911, Vol. IX, 
p. 241. 

Die Symptome einer Fraktur am inneren Epicondylus des Femur sind 
Schmerzen im Knie bei Bewegungen, Bluterguß, Erguß ins Kniegelenk und 
Krepitation bei Bewegungen. Die Prognose ist gut. Fünf von den Verfassern 
beschriebene Fälle heilten gut, bei einem Falle blieb eine Schwäche des Beines 
zurück. Die Behandlung besteht in Massage, Bädern, Gymnastik, Heißluft. 
In einem Falle wurde durch Operation ein gutes Resultat erzielt. 

Bibergeil - Berlin. 

W i 1 m s, Knochentransplantation bei Genu valgum. (Naturhist.-med. Verein 
zu Heidelberg, 12. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 3. 

Bei einer 15jährigen Patientin, die infolge von Osteomyelitis eine Wachs¬ 
tumsstörung des Condyl. ext. femor. und daher Genu valgum hatte, wurde der 
Condyl. int. femor. einer eine Stunde vorher verstorbenen Frau an Stelle des ver¬ 
kümmerten eingesetzt. Da nach erfolgter Einheilung das Genu valgum noch nicht 
völlig ausgeglichen war, verpflanzte Wilms auf den angefrischten transplan¬ 
tierten Condylus die Radiusepiphyse von einem bei einem Unfälle abgerissenen 
Arm; zugleich wurde das mediale Gelenkband durch Sehnen von dem erwähnten 
Arm ersetzt. Auch diese Plastik gelang. Die Stellung des Beines ist gut, das 
Gelenk frei beweglich, doch schlotternd, so daß Patient noch eine Hülse tragen 
muß. S c h a r f f - Flensburg. 

G h i 11 i n i, Le redressement force manuel pour la correction du genu valgum. 
Modification du procödö opöratoire. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 1, p. 1. 

Ghillini bekämpft die Ansicht, daß beim manuellen Redressement des 
Genu valgum eine Epiphysenlösung eintritt ; es findet nicht einmal Zerreißung 
der Kniebänder statt. Seine Röntgenbilder zeigen, daß es zu einer Kompression 
der Diaphysentrabekeln an der Seite des Druckes, zu einer Verlängerung an der 
lateralen Seite des Beines kommt. Er führt das Redressement des Genu valgum 
über einen viereckigen Klotz in Seitenlage des Kranken aus. Der Oberschenkel 
wird auf dem Klotz fixiert; der freischwebende Unterschenkel wird unter gleich¬ 
zeitigem Zuge in die Varität gedrückt. Peltesohn - Berlin. 


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A. E. J o h n s o n, Transverse fractures of the patella. Lancet, 21. Januar 1911. 

Unter 20 im Laufe von 13 Monaten im Middlesex-Hospital behandelten 
Fällen von Fraktur der Patella fanden sich drei transversale Brüche ohne Trennung 
der Fragmente. An Hand derselben bespricht Verfasser diese Affektion. Eine 
genaue Diagnose, die von größter Wichtigkeit ist, ist nur mit Hilfe der Röntgen« 
strahlen möglich. In den beschriebenen Fällen wurde nach Bettruhe von wenigen 
Tagen ein abnehmbarer Gipsverband angelegt und sogleich mit Massage und 
aktiven und passiven Bewegungen begonnen. Es erfolgte glatte Heilung mit 
tadelloser knöcherner Vereinigung. Auf eine solche ist besonderes Gewicht zu 
legen, da nur bei fibröser Verwachsung eine erneute Fraktur oder eine Ruptur 
des Ligamentum patellae zu befürchten sind. Bibergeil* Berlin. 

L e r i c h e, M6fait de la suture m6tallique de la rotule. Soc. de chir. de Lyon. 
15. Juni 1911. Rev. de chir., T. 44, p. 646. 

Bei einem wegen Fraetura patellae mit Drahtnaht behandelten Patienten 
bestehen seitdem Schmerzen, seit einem halben Jahr auch Hydarthros genu. 
offenbar eine Folge der Drahtnaht. Die Metallnaht der Knochenbrüche ist oft 
schädlich. Peltesohn* Berlin. 

Claeys, Un cas de luxation congenitale de la rotule. Rev. d’orthop. 1912 
Nr. 1, p. 31. 

Bericht über einen 40jährigen voll arbeitsfähigen Gärtner, der eine Lu* 
xation der linken Patella seit frühester Kindheit hatte, die der Verfasser als 
kongenital ansieht. Es fand sich bei dem sonst gesunden Mann außer der per¬ 
manenten Seitenverschiebung der Kniescheibe Genu valgum und Auswärts¬ 
rotation des Unterschenkels. Palpatorisch und radiologisch erwies sich der Con- 
dylus lateralis femoris kleiner als der der gesunden Seite; auch die Längenmaße 
von Femur und Tibia waren geringer. 

Die genannten Umstände sprechen für den kongenitalen Charakter der 
Anomalie. Das Primäre war hier die Kleinheit des lateralen Femurcondylus; 
das Genu valgum ist sekundär. 

In wenigen anderen Fällen ist die Atrophie des M. vastus internus ätio¬ 
logisch anzuschuldigen. Sie beruht, ebenso wie die kongenitale Condyluskleinheit, 
mit Ausnahme der Fälle von echter Vererbung auf intrauterin abgelaufenen 
Nervenkrankheiten. Selten scheint die primäre Ursache eine angeborene Gelenk¬ 
bänd erschlaffheit zu sein. Peltesohn - Berlin. 

Rudolf Kuh, Die kongenitalen Luxationen des Kniegelenkes. Prager med. 
Wochensehr. 1911, Nr. 40. 

Im Anschluß an einen Fall von angeborener einseitiger Kniegelenksluxation 
nach vorne bespricht Verfasser die pathologische Anatomie und die Aetiologie 
resp. den Entstehungsmechanismus der Deformität. Seine Auseinandersetzungen 
entsprechen den Dreh mann sehen Mitteilungen und bringen nichts Neues. 
In dem betreffenden Falle, der auch mit Pes valgocalcaneus kombiniert war, ge¬ 
lang die Reposition durch Druck und Gegendruck auf Tibiakopf und Femur* 
kondylen leicht; zur Erhaltung des Resultates wurd? ein Schienenhülsenapparat 
getragen. H a u d e k * Wien. 


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Jung, Beitrag zur Luxatio genu congenita anterior. Arch. f. Orthop., Bd. XI, 
Heft 1. 

Jung beschreibt ein seltenes Präparat von angeborener Kniegelenks¬ 
verrenkung nach vorn, das von einem 14 Monate alten, an Pneumonie zugrunde 
gegangenen Mädchen stammt. Seine Knochen waren um ein Drittel dünner als 
die des gesunden Beines, der Muse, quadriceps war schwach und blaß. Der 
mediale Gastrocnemiuskopf war nach außen verlagert, ebenso der Nervus tibialis. 
Die Patella, die in vivo nicht gefühlt werden konnte, war vorhanden, aber sie 
war kaum ein Drittel so groß wie die gesunde und lag dem Femur nicht an, 
sondern war in ein Fettpolster eingebettet. Unter- und Oberschenkel bildeten 
einen nach außen offenen Winkel von 145 °. Die Tibia artikulierte nur mit der 
Vorderfläche der Femurkondylen. Das obere Drittel der Tibia war bogenförmig 
nach hinten gekrümmt. Die Gelenkkapsel war anscheinend sehr schlaff, die 
Menisci und die inneren Ligamente waren vorhanden. Der Knorpelüberzug der 
Femurepiphyse war an verschiedenen Stellen atrophisch. Epikritisch bemerkt 
Jung, daß sein Befund das oft beschriebene Fehlen der Patella erkläre. Tat¬ 
sächlich sei sie stets vorhanden, nur schwer fühlbar und röntgenologisch nicht 
darstellbar, weil sie rein knorpelig sei. Die Verlagerung des Gastrocnemiusur- 
sprunges nach außen ist bisher nur einmal beschrieben worden. Die Verkrümmung 
des oberen Tibiaendes ist nicht die Folge einer Epiphysenlösung, sondern eine 
Belastungsdeformität infolge von Gehversuchen. Sie ist insofern von praktischer 
Bedeutung, als sie den orthopädischen Erfolg einer operativen Reposition des 
Änderten Gelenkes beeinträchtigen kann. Die Aetiologie ist dunkel. Jung 
vermutet, daß in seinem Falle, der mit abnormer Schlaffheit der Finger- und 
Zehengelenke kompliziert war, eine primäre fötale Erkrankung multipler Gelenke 
erst Ernährungsstörungen, dann abnorme Schlaffheit ihrer Kapseln hervor¬ 
gerufen habe. P f e i f f e r -Frankfurt a. M. 

J. W. Evans, Subluxation of the knee. Lancet, 28. Januar 1911. 

Verfasser berichtet über 2 Fälle von Subluxation des Kniegelenks mit 
Verletzung des intraartikulären Semilunarknorpels. Am häufigsten reißt der 
vordere Teil desselben bei plötzlichen Rotationsbewegungen des gebeugten Knie¬ 
gelenks ab. Die klinischen Symptome der Verletzung bestehen in Schmerzen 
beim Strecken des Knies, in Schwellung als Folge einer traumatischen Synovitis, 
in der Möglichkeit, den dislozierten Knorpel an der Innenseite der Patella zu 
fühlen und das gestreckte Knie in lateraler Richtung hin und her zu bewegen. 
Die Behandlung besteht in ungefähr sechswöchiger Fixation des Gelenks in Streck¬ 
stellung oder in schweren Fällen in Exzision des Knorpels. Hierbei ist auf strengste 
Asepsis zu achten, da eine Infektion bei dem Zustand der traumatischen Synovitis, 
in der sich das verletzte Gelenk während der Operation meist befindet, sehr zu 
fürchten ist. Bibergeil - Berlin. 

Most, Rotationsluxation im Kniegelenk mit Inversion der Patella. Breslauer 
chirurgische Gesellsch., 13. November 1911. Zentralbl. f. Chir. 1911, Nr. 51. 

Bei der 44jährigen Patientin, die von einem Automobil erfaßt woiden war, 
handelte es sich um eine vollkommene Luxation der Tibia nach hinten mit Außen- 
rotation des Unterschenkels um 90°. Die Patella war lateralwärts verlagert. Nach 


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Erweiterung einer an der Außenseite des Kniegelenks gelegenen, mit diesem kom¬ 
munizierenden Wunde zeigte es sich, daß die Patella nicht allein lateralwärts 
über die Kondvlen hinweg luxiert, sondern auch noch um 180 0 lateralwarts um 
ihre Achse gedreht war. Ihre Reposition gelang erst nach seitlichen Einkerbungen 
der Quadricepssehne; alsdann gelang auch die Reposition der taxierten Tibia. 
Mit Bezug auf den Mechanismus der Verletzung glaubt Most, daß eine forcierte 
Auswäxtsdrehung des Unterschenkels mit Ueberstreckung des Kniegelenks statt* 
gefunden hat, während gleichzeitig der Oberschenkel mit den Femurkondylen 
nach vom geschoben oder die Tibia nach hinten gedrängt wurde. 

B 1 e n c k e • Magdeburg. 

O. L. Addison, Two cases of partial Subluxation of knee-joints, with volun- 
tary production of noise during flexion and extension. Proceedings of the 
Royal society of medicine. Section for the study of disease in children Vol. 5, 
Nr. 1, p. 9, November 1911. 

A d d i 8 o n stellt zwei Geschwister, ein 9- und ein Cjähriges Kind vor, 
die folgende Krankheitszeichen aufweisen: ausgesprochenes Genu valgum, Hyper 
extension der Kniegelenke und Geräusche in den Gelenken bei der Beugung und 
Streckung. Das ältere Kind hat noch Exostosen an den oberen Tibiaenden. 
Beide haben rachitische Knochenveränderungen. Addison fragt nach der 
Ursache der Erkrankung. In der Diskussion bemerkt T u b b y, daß es sich 
in diesen Fällen um das sog. schnappende Knie handelt. Er glaubt dafür eine 
plausible Erklärung gefunden zu haben. Zuerst bestehe ein Genu valgum, dann 
Bilde sich eine starke Erschlaffung der Kniebänder aus und infolgedessen eine 
beträchtliche seitliche Beweglichkeit. Bei Genu valgum werden der Biceps und 
das iliotibiale Band kontrakt; man sieht eine merkwürdige Bewegung am Ende 
der Ueberstreckung und der Beugung und hört dabei ein eigentümliches Geräusch. 
Seine Ansicht ist, daß die Ursache dieser Erscheinungen die Kontraktion des 
Biceps und iliotibialen Bandes in einem gewissen Moment der Bewegung darstelle. 
Der Biceps war normalerweise ein Beuger des Gelenks, jedoch bei Ueberstreckung 
wird er Extensor; bei extremer Extension oder Hyperextension tritt der Bicej* 
plötzlich in Aktion, treibt die Tibia nach auswärts und reibt sie mit ihrer Ober¬ 
fläche an den Kondylen des Femur; bei extremer Beugung hat der Biceps seine 
größte Spannung und treibt die Tibia wiederum gegen das Femur und erzeugt 
dabei das merkw iirdige Geräusch. Addison hält diese Erklärung für richtig- 

F. W o h 1 a u e r - Charlottenburg. 

M a s s a b u a u, L'entorse du gcnou, son traitemenl. Montpellier medical. 

21. Mai 1911, p. 481. 

Bei den Distorsionen des Kniegelenks hält Massabuau folgende beiden 
Punkte für die wichtigsten der Behandlung: Befreiung des Gelenks vom Blut¬ 
erguß und Verhinderung der Muskelatrophie und der Gelenksteifigkeit. 

Er empfiehlt warm folgendes von T h o o r i 8 angegebene Verfahren, das 
hauptsächlich die Atrophie des Quadriccps bekämpft. Sofort nach dem Trauma 
und meist ohne Punktion wird mit aktiven Streckbewegungen (nicht mit Flexion>- 
bew’cgungen) des Knies begonnen, indem der Kranke den Unterschenkel gegen 
den Oberschenkel streckt oder Unter- und Oberschenkel gestreckt erhebt. Pie 
so geleistete Kontraktion des Quadriccps soll in regelmäßigen Intervallen und 


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gleichen Zwischenräumen während 5—6 Tagen 150—200inal pro Tag ausgeführt 
werden. Der Quadriceps hat eine genügende Kraft wiedererlangt, wenn das 
Zeichen des „Entweichens der Kniescheibe“ wiedergekehrt ist. Dieses besteht 
darin, daß die Kontraktion die mit 2 Fingern fußwärts gedrückte Patella unter 
den Fingern hindurch nach oben zieht. Ist das der Fall, dann läßt man den 
Kranken auf stehen und mit steif gestrecktem Knie umhergehen, wobei er den 
Fuß einwärts gedreht auf setzen soll. 

Bei diesem Vorgehen ist die Kniedistorsion in 15—20 Tagen vollständig 
geheilt. Peltesohn- Berlin. 

H. A. La a n, Meniskusabreißung im Kniegelenk. Nederl. Tijdschr. v. Genees- 
kunde, 9. Dezember 1911. 

Drei Fälle, in denen einmal der Meniscus lateralis, einmal eine dem Meniscus 
lateralis aufsitzende Cyste mit gallertigem Inhalt, einmal der Meniscus medialis 
und ein vom Condylus medialis femoris losgelöstes Knorpelstück entfernt wurde. 
In den zwei erstgenannten Fällen gutes Resultat, im letztgenannten mußte wegen 
der starken Gelenk Veränderungen ein Stützapparat getragen werden. 

van Assen - Rotterdam. 

F. Brünin g. Die Verletzungen der Zwischenknorpelscheiben des Kniegelenks 
und ihre Behandlung. Arch. f. klin. Chir., Bd. 97, Heft 2, S. 360. 

Brüning gibt im Anschluß an fünf im Garnisonslazarett Rastatt be¬ 
obachtete Fälle einen Ueberblick über die Verletzungen der Zwischenknorpelscheiben 
dos Kniegelenks und ihre Behandlung. Im allgemeinen soll jeder Fall zunächst 
konservativ behandelt werden. Die Indikation zur Operation ist in frischen Fällen 
nur dann gegeben, wenn die konservative Behandlung versagt hat. Veraltete 
J’dUe sind immer operativ anzugreifen. Die Exstirpation des Meniscus entweder 
in ganzer Ausdehnung oder in der Ausdehnung der Ablösung bringt fast immer 
eine weitgehende Besserung, meist aber Heilung. In der großen Mehrzahl der 
l älle erzielt man ein Gelenk, das den Anforderungen des täglichen Lebens voll 
genügt, in der Hälfte der Fälle ein Gelenk, das sogar den gesteigerten Anforde¬ 
rungen des militärischen Dienstes gewachsen ist. I)a die Operation nicht un¬ 
gefährlich ist und nicht immer einen sicheren vollen Erfolg verspricht, so soll sie 
nur auf strikte Indikation hin vorgenommen werden. J o a c h i m s t h a 1. 

K 11 i o 11 G. Brackett and Robert B. O s g o o d, The popliteal incision 
for the removal of ..joint mice“ in the posterior capsule of the knee-joint. 
A report of cases. Boston medical and surgical Journal, 28. Dezember 1911, 
Nr. 26. 

Verfasser berichten über 4 Fälle von Gelenkmäusen, die im hinteren Knie¬ 
gelenksraum lagen und zu groß waren, um nach vorn gebracht und von einem 
vorderen Schnitt aus entfernt zu werden. Um den hinteren Kapselraum zu er¬ 
reichen, v ird in der Kniekehle etwas nach innen von der Mittellinie eine in der 
Längr'richtung liegende 10 cm lange Inzision gemacht. Im oberen Ende des 
Schnittes stellen sich die Gastrocnemiusköpfe dar; nachdem man sie voneinander 
getrennt hat, kommen die großen Gefäße und Nerven zum Vorschein, sie werden 
nach außen gezogen, und nun gelangt man hei stumpfem Vorgehen auf die ge¬ 
spannte hintere Gelenkkapsel, in der man den Fremdkörper leicht palpicren und 


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fixieren kann. Bei Inzision in die Kapsel stellt sich der Körper von selbst dar. 
Die vier Patienten der Verfasser sind mit Erfolg auf diese Weise operiert worden. 

F. Wohlauer - Charlottenbure. 

Hermann W. Marshall und Louis A. O. Godder, Some comments 
upon the results of operative measures for knee affcctions. Boston medical 
and surgical joumal Vol. CLXV, Nr. 12. 

Eine Umfrage an 60 Patienten, die im Massachusetts-Hospital wegen 
Knieaffektionen operiert worden sind, hat ergeben, daß 56 Kranke mit den Erfolgen 
der Eingriffe zufrieden waren. Es handelt sich um chronische Synovitis ohne 
Zotten- und Lipombildung, bei der eine Arthrotomie ohne Entfernung von Gelenk¬ 
teilen ausgeführt w r ordcn ist, um intraartikuläre Neubildungen, die entfernt wurden, 
um Lipome der Gelenkhöhlen, die exstirpiert wurden, und um luxierte Semilunar¬ 
knorpel. Die Resultate der blutigen Operation sind nach den Erfahrungen der 
Autoren sehr günstig. Selbstverständlich ist die Frage der Indikationsstellung 
in jedem Falle zu berücksichtigen. Bibergeil - Berlin. 

J. B. S e 1 d o w i t s c h, Zur Behandlung der Tuberkulose des Kniegelenks. 
Arch. f. klin. Cliir., Bd. 97, Heft 1, S. 109. 

Seldowitsch berichtet über das von ihm gesammelte Material der 
chirurgischen Abteilung des Städtischen Obuchow-Krankenhauses für Frauen 
zu St. Petersburg, welches die letzten 15 Jahre umfaßt und die Tuberkulose des 
Kniegelenks betrifft. Leider fehlen Angaben über Dauerresultate. Im ganzen 
hat Seldowitsch 182 Fälle gesammelt. Von diesen wurde in 57 Fällen die 
Resektion, in 9 Fällen die Arthrotomie und in 2 Fällen die primäre Amputation 
vorgenommen. 

Für Erwachsene, die gezwungen sind, sich selbst Existenzmittel zu ver¬ 
schaffen, muß man nach Seldowitschs Ansicht die Indikationen zur Re¬ 
sektion erweitern. Man darf nicht zu viel Zeit für die Anwendung von konser¬ 
vierenden Maßnahmen hergeben, wenn man sicher ist, daß es nicht gelingen wird, 
den Kranken auch nach der Entlassung aus dem Krankenhause wenigstens für 
einige Zeit in günstige hygienische Verhältnisse zu bringen. Kranke mit Tuber¬ 
kulose des Kniegelenks soll man an Ort und Stelle, nämlich in den Gouverne¬ 
ments-, noch besser in den Kreis- und Revierkrankenhäusem operieren und nicht 
in die Groß-, bzw. Residenzstädte schicken. An Ort und Stelle w’äre in bezui: 
auf solche Kranke mehr als auf alle anderen das Prinzip der ambulatorischen 
Behandlung oder der häuslichen Patronage anwendbar und wohltuend, welche 
denselben den für sie äußerst schädlichen und in Großstädten unvermeidlichen 
langwierigen postoperativen Aufenthalt im Milieu der großen städtischen Kranken¬ 
häuser erspart und das Landleben ermöglicht. Wie mangelhaft dieses auch sein 
mag, so ist es für die im wesentlichen sehr einfache und bei günstigem Verlauf 
lediglich auf die Ueberwachung des Kranken und seltenen Verbandwechsel hinaus¬ 
gehende Nachbehandlung immerhin besser als der Aufenthalt im Krankenhause. 

Joachims t h a 1. 

Payr, Operative Mobilisierung ankylosierter Gelenke. (Med. Gesellsch. zu 
Leipzig, 21. November 1911.) Münch, mcd. Wochenschr. 1912, Nr. 4. 

Vorstellung von 2 operierten Fällen von knöcherner Knieankylose. Payr 


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hat die Operation am Kniegelenk bisher 12mal ausgeführt, darunter 3mai mit 
gutem Erfolg; 5 mit ungenügender Technik operierte Fälle wurden wieder steif, 
4 Fälle befinden sich noch in Behandlung. S c h a r f f - Flensburg. 

Gustav Eckstein, lieber parartikuläre Korrektur der Kniegelenksankylosen 
tuberkulösen Ursprungs. Prager med. Wochenschr. 1911, Nr. 19. 

Verfasser tritt für die parartikuläre Korrektur der winkligen Kniegelenks¬ 
ankylosen gegenüber dem forcierten Redressement und der Gelenksresektion ein 
und zeigt an einigen Fällen die erzielten Resultate. Bei Ankylosen mit Winkel¬ 
graden von 130° bis nahe an 90° genügt die Osteotomie am Femur, bei An¬ 
kylosen von 90° und darunter muß noch die Osteotomie der Tibia angefügt werden, 
die am besten einige Wochen später gemacht wird. Die Osteotomie soll keine 
vollständige sein, der Rest des Knochens wird infrangiert. Bei jüngeren Indi¬ 
viduen kann man am Femur die Osteotomie, an der Tibia die Osteoklasie machen. 
Verfasser ist mit seinen Resultaten sehr zufrieden und hat auch ziemlich be¬ 
deutende Korrekturen der Verkürzung erzielt. H a u d e k - Wien. 

Engelhard, Zur Behandlung der Kniebeugekontraktur. Zentralbl. f. chir. 
u. mech. Orthop., Bd. V, Heft 11. 

Engelhard empfiehlt zur Beseitigung von leichten Kniekontrakturen 
einen in der Lange sehen Klinik üblichen Gipsverband, der Becken und Ober¬ 
schenkel umfaßt und über der Gelenkfläche der Femurkondylen endigt. Das 
untere Drittel des Oberschenkels muß vorn gut gepolstert und die Kniekehle 
gut ausgeschnitten werden; das Tuber ischii ruht auf einem Sitzring. An dem 
Verbände wird nun in der Richtung des Oberschenkels ein Steigbügel aus Band¬ 
stahl befestigt, der so lang sein muß, daß das Ende des Bügels bei Spitzfu߬ 
stellung von den Zehen gerade noch erreicht wird. Durch Bindenzüge wird nun 
der Unterschenkel gegen den Bügel herangeholt. Zu beachten ist dabei, daß 
man den Zug nur auf die obere Hälfte des Unterschenkels wirken läßt, um die 
Subluxation nach hinten zu vermeiden, und daß man nur die geeigneten Fälle 
aussucht, d. h. frische Kontrakturen, die bei Bewegungsversuchen nicht mehr 
schmerzen. Natürlich kann man durch die Bindenzüge auch falsche Rotations¬ 
stellungen wirksam bekämpfen. Man redressiert nur so weit, bis Schmerzen auf- 
treten, und geht alle 4—6 Tage eine Etappe weiter bis zur vollen Korrektur, 
zuweilen sogar bis zur Ueberkorrektur. Dies Resultat erhält man im Gips- 
verbande noch 8—14 Tage aufrecht und gibt dann eine einfache Kniehülse, um 
Rezidive zu vermeiden. Durch aktive und passive Bewegungen soll dann mög¬ 
lichst die Beweglichkeit im Kniegelenk wieder erreicht werden (!). Für alle 
Kniekontrakturen, die sich nicht mehr auf die angegebene Weise redressieren 
lassen, empfiehlt sich die Osteotomie, um im Gesunden operieren zu können. 

Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

Deutschländer, Tabische Arthropathie. (Aerztl. Verein in Hamburg, 

19. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 1. 

Vorstellung einer Frau mit Arthropathie eines Kniegelenks, die sich als 
Eriihsymptom einer Tabes entwickelt hat. Behandlung konservativ, Hessing¬ 
apparat. S c h a r f f - Flensburg. 


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B a i 11 e u 1, Deformation du membre infTrieur consecutive a une ostcite de 
Pextremit^ sup£rieure du tibia. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 1, p. 75. 

Beschreibung eines Falles von Genu valgum bei einem 10jährigen Mädchen. 

Es war dadurch zustande gekommen, daß im 4. Lebensjahr ein tuberkulöser 
Herd auf der lateralen Seite der proximalen Tibiaepiphysenzone das Wachstum 
hier zum Stillstand gebracht hatte. Gleichzeitig bestand eine reelle Verlängerung 
des Femur offenbar durch Reizung der Wachstumszone. Bei dem gekennzeich¬ 
neten Sitz der Ursache des Genu valgum verschwand dieses nicht bei Flexion, 
wie es bei dem rachitischen Genu valgum der Fall ist. Supracondyläre Osteo¬ 
tomie führte zu wesentlicher Verringerung der Deformität. 

Peltesohn* Berlin. 

RobertoAles8andri, Frattura bilaterale delle tuberosita tibiali da strappa- 
mento (malattia di Schlatter o apoffsite?). Arehivio di ortopedia 1911, Fas- 
cicolo VI, p. 526. 

Es handelt sich um einen Fall von doppelseitiger Fraktur der Tuberosita* 
tibiae durch Abreißung, wie er bisher in der Literatur noch nicht beschrieben worden 
ist. Das Einzigartige liegt hier in dem Umstand, daß kein eigentliches Trauma 
vorlag, sondern daß der 15jährige Patient beim Spiel plötzlich so heftige Schmer- , 
zen in beiden Knien verspürte, daß er hinfiel und nicht imstande war, sich wieder j 
aufzurichten. Die Anamnese ergab, daß in der Kindheit eine Valgität des rechten 
Knies Vorgelegen hat und 14 Monate vor dem jetzigen Unfall Schmerzen in der j 
Tubcrositas der Tibia jederzeit aufgetreten sind. Verfasser nimmt an, daß 
damals eine partielle Lösung erfolgte, die jetzt bei der Anstrengung, die zur 
Verhütung des Sturzes von dem Patienten gemacht wurde, zur kompletten Ab¬ 
reißung führte. Verfasser hält die Läsion für entzündlichen Ursprungs, doch 
könnte es sich auch um eine Wachstumsanomalie oder eine Störung der Ossi¬ 
fikation handeln. In offener Operation wurden die Fragmente — linkerseits 
waren deren zwei — vereinigt; es erfolgte Heilung mit ungestörter Funktion. 

Bibergeil - Berlin. 

Fuji i. Zur Kenntnis der Pathogenese der solitären Knochencyste. Zeit.sehr, 
f. Chir. Bd. 113, Heft 1-2, S. 1. 

F u j i i berichtet über 2 Fälle von Knochencysten. 

ln dem ersten entstand bei einem 41jährigen kräftigen Manne nach einem 
heftigen Trauma eine große solitäre, mehrkammrige Cyste in dem rechten Fibula¬ 
köpfchen. Die mikroskopische Untersuchung des in toto exstirpierten Tumor* 
ergab, daß die Struktur nicht überall gleich war. Während die dünnste Partie 
der Cystenwandung ausschließlich aus streifigem Bindegewebe und neugebilckten 
Knochcnbälkchcn bestand, fand man in den dickeren Partien der Cystenwandung, 
in den Massen am Boden der Cyste und in der Scheidewand ein an Spindelzellt n 
und vor allein an Riesenzellen sehr reiches Gewebe. Diese Schicht wurde durch 
ein ziemlich dicht gefügtes Bindegewebe nach außen abgegrenzt. An der Innen¬ 
wand fand man keine regelmäßige Zellenbekleidung. Auch Knorpel war nicht 
zu sehen. Aus diesen Befunden konnte man mit Sicherheit feststellen, daß die 
Cystenbildung mit der sogenannten genuinen Knochencyste nichts zu tun hatte, 
sondern daß sie nachträglich aus der Erweichung irgendeines Gewabes entstanden 
sein mußte, w obei die Erweichung eines chondromatösen Knotens siebe: 


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auszuschließen war. Es bleiben nur zwei Entstehungsmöglichkeiten übrig, näm¬ 
lich Riesenzeliensarkom oder Ostitis fibrosa mit Riesenzellensarkom im Sinne 
von v. Recklinghausen. Fujii faßt seinen Fall als Riesenzeilensarkom 
auf und schreibt diesem die Entstehung der Cyste zu. 

In dem zweiten Fall entstand bei einem 11jährigen Knaben, welcher höchst¬ 
wahrscheinlich an einem der Hämophilie ähnlichen Zustande litt, langsam, an¬ 
geblich ohne vorangehendes Trauma, eine Anschwellung des ersten linken Meta- 
carpus. Durch die Operation wurde dieselbe als eine mit dunkelrotem flüssigem 
Blut vollständig gefüllte einkammrige Cyste konstatiert. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung stellte es sich heraus, daß das Knochenmark nicht zu sehen, auch 
Epithel- wie Endothelauskleidung nicht zu entdecken war. Osteoklasten waren 
nur spärlich vorhanden. Sie wurden alle ausschließlich in Howshipschen Lakunen 
gefunden und waren außer an diesen Stellen nicht zu sehen. Die Neubildung 
von Knochenbälkchen geschah nur an der äußeren Partie der Knochencyste 
und zwar von der Innenfläche des Periosts aus, w'o sie palisadenartig parallel 
aneinander gereiht w'aren. Knorpel war nicht zu sehen. Das Gew'ebe, welches 
die Räume zwischen den einzelnen Knochenbälkchen ausfüllte und sich weiter 
nach innen fortsetzte, bestand aus ziemlich zellreichem streifigem Bindegewebe. 
In dieser Bindegewebsschicht waren reichliche Gefäße enthalten, welche mit dem 
Cysteninnern frei kommunizierten. — Es handelt sich hier um eine Blutcyste 
ira Knochen. Joachimsthal. 

M o t y, Traitement des fractures de la jambe par Tappareil de Raoult-Deslong- 
champs modifte. Gaz. des höp. 1911, p. 937. 

M o t y empfiehlt sowohl als Notverband wde als definitiven Verband bei 
Unterschenkelbrüchen die Verwendung der Raoulschen Schiene. Sie besteht 
aus Zinkblech, das nach einem Papiermodell in Form einer in einer Ebene aus¬ 
gebreiteten, den Unterschenkel und den Fuß einschließenden Hülse zurecht¬ 
geschnitten vorrätig gehalten, oder aus einer großen Zinkblechplatte ad hoc ge¬ 
schnitten werden kann. Entsprechend dem Hacken w ird ein Loch hineingeschnit¬ 
ten. Nach Reposition des Bruches, wobei sich M o t y die rechtwinklige Flexion 
des Knies wegen der damit verbundenen Muskelentspannung bewährt hat, wird 
die Hülse nach Polsterung um Fuß und Unterschenkel herumgelegt und durch 
Gurtbänder straf! angezogen. Die Kranken können sehr bald aufstehen. Wegen 
ihrer Einfachheit, Leichtigkeit des Materials und UnVerderblichkeit eignet sich die 
Zinkblechhülse als Kriegsschiene besonders. Peltesohn - Berlin. 

Boursan et Tillaye, Osteomyelite grave avec absces sous-periostiques 
multiples sans foyers intra-osseux. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 1, p. 87. 

Fall von Osteomyelitis bei einem 6jährigen Mädchen mit multiplen Herden 
an den Beinen, seit 8 Tagen bestehend. Mehrere subperiostal gelegene Abszesse 
werden inzidiert. Am 4. Tage Tod. Die Sektion ergibt keine Herde im Mark, 
sondern sämtliche Abszesse gehen von der Corticalis subperiostal aus. In der¬ 
artigen Fällen soll von Aufmeißelung der Knochen abgesehen werden. Selbst 
einfache Bohrlöcher führen zu Knochennekrose. Peltesohn- Berlin. 

SirFrederic Eve, Myeloid sarcoma of tlie tibia. Resection of upper third 
of tibia, followed by bolting of thc bones together v. itli living fibula. Pro- 


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ceedings of the Royal society of medicine, Vol. 5, Nr. 1, November 1911. 
Clinical section, p. 1. 

18jähriges Mädchen mit einem myeloiden Sarkom des proximalen Tibia- 
endes. Operation: Freilegung des Kniegelenks, Abtrennung des Tumors von 
der Arterie und Vena poplitea und den umgebenden Geweben. Absagung der 
Tibia unterhalb des Tumors. Anfrischung der Gelenkfläche des Femur. Dann 
wurde die Fibula freigelegt, von ihren Muskeln befreit, dabei auf Erhaltung des 
Periosts gesehen und dann ein ca. 15 cm langes Stück von ihrem oberen Ende 
entfernt. Nun wurde in der Längsrichtung ein Loch in Femur und Tibia gebohrt 
und das Fibulastück in diese Löcher gebolzt, so daß die beiden Knochen über 
4 1 / 2 cm entfernt blieben. Prima intentio. Die Vereinigung der Knochen ist 
fester geworden. Patientin kann das Bein von der Unterlage erheben, Stehen auf 
dem Bein ist noch nicht versucht worden. Von Zeit zu Zeit aufgenommene 
Röntgenbilder zeigen, daß die Fibula allmählich an Umfang durch Knochen- 
neubüdung zugenommen hat, und daß der Zwischenraum zwischen Femur und 
Tibia kleiner geworden ist, indem neuer Knochen von dem Periost und den 
Sägeflächen hineinwächst. Es besteht daher die Hoffnung, daß das Bein wieder 
gebrauchsfähig werden wird. Verfasser fügt zwei Beobachtungen hinzu, die für 
die Gutartigkeit der myeloiden Sarkome hinsichtlich der Rezidive sprechen. 
Er hat ein Fibulasarkom, das schon in die Muskulatur durchgebrochen war, durch 
Exzision der oberen Hälfte der Fibula behandelt, der Patient ist nach 8 Jahren 
rezidivfrei; ferner ein Tibiasarkom von Tennisballgröße durch Auskratzung 
operiert; nach 4 1 / 2 Jahren kein Rezidiv. F. Wohlauer - Charlottenburg. 

S a 1 o m o n, Die heute gebräuchlichste Methode der Unterschenkelamputation. 
(Vereinigung nordwestdeutscher Chirurgen. Lübeck, 28. Oktober 1911.) 
Zentralblatt f. Chir. 1911, Nr. 50. 

S a 1 o m o n hat die Amputationsfälle der chirurgischen Universitätsklinik 
zu Greifswald und der chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses zu 
Altona aus den letzten 10 Jahren einer Nachuntersuchung unterzogen, die zu 
folgendem Ergebnis geführt hat: Ausgezeichnete tragfähige Stümpfe sind durch¬ 
weg mit der Methode der osteoplastischen Deckung des Knochenstumpfes nach 
G r i 11 i und P i r o g o f f erzielt w orden. Diesen Fällen steht der nach Biers 
Angabe gebildete osteoplastische Stumpf nicht nach, da er, obgleich er jahrelang 
nicht direkt belastet w r orden ist, trotzdem seine volle Tragfähigkeit behalten hat. 
Jene Methoden sind aber nur am distalen Ende von Femur und Tibia auszu- 
führen, und die Biersche Methode hat den Nachteil, daß sie komplizierter und 
nur bei streng aseptischen Wundverhältnissen zu gebrauchen ist, und daß die 
Stumpfversorgung die Opferung eines weiteren Stückes vom Knochenschaft er¬ 
fordert. Auch die nach der Wilmsschen Methode gebildeten Amputations- 
stümpfe besaßen eine gute Tragfähigkeit ; diese Methode läßt sich aber auch nur 
in dem distalen Teil des Ober- und Unterschenkels an wenden. Die besten Re¬ 
sultate lieferte die Bungesche Methode, die nach des Verfassers Ansicht sich 
als das Normalverfahren einbürgern wird. Ein Hauptfaktor zur Erzielung eines 
tragfähigen Stumpfes ist die frühzeitig einsetzende mediko-mechanische Stumpf¬ 
behandlung nach Hirsch. 

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Braeunig, Ueber die Unterschenkelamputationen der Rostocker chirurgischen 
Universitätsklinik. (Vereinigung nordwestdeutscher Chirurgen zu Lübeck, 
28. Oktober 1911.) Zentralbl. f. Chir. 1911, Nr. 50. 

Auf Grund seiner Nachuntersuchungen der amputierten Fälle kommt 
Braeunig zu der Ansicht, daß mit jeder der gebräuchlichen Methoden trag¬ 
fähige Stümpfe zu erzielen sind, wenn nicht in der Art des Grundleidens bedingte 
schwere Störungen der Wundheilung eintreten. Die Hauptbedingung für die Er¬ 
zielung tragfähiger Amputationsstümpfe ist die, daß so schnell als möglich die 
Stümpfe planmäßig an die Belastung nach der von Hirsch angegebenen Me¬ 
thode gewöhnt werden. Blencke - Magdeburg. 

P. Maynard H c a t h, Intra-uterine fracture of tibia and fibula with ab- 
sorption of bone. Proceedings of the Royal society of medicine Vol. 5, Nr. 1, 
November 1911. Section for the study of disease in children p. 10. 

4 Monate altes Kind. Bei der Geburt war das linke Bein unterhalb des 
Knies kürzer als das rechte. Der Unterschenkel ist nach vom gebogen an der 
Grenze vom unteren und mittleren Drittel. Hinten eine Delle in den Weichteilen* 
Die Knochen fühlen sich hier unregelmäßig an und zeigen abnorme Beweglich¬ 
keit. Keine anderen Deformitäten. Normale Geburt in Schädellage, keine Um¬ 
schnürung des Beins. Die Röntgenaufnahme zeigt eine Fraktur des Tibiaschaftes 
mit einem beträchtlichen Herd von Rarefizierung um die Frakturstelle herum. 

Aehnliche Rarefakte finden sich auch am unteren Ende von Tibia und Fibula. 

Das Kind weist keine Zeichen von kongenitaler Lues auf, Wassermannsche 

Reaktion ist aber noch nicht ausgeführt. Das Kind ist das achte in der 

Familie. 

T u b b y hat ungefähr 30 derartige Fälle beobachtet, die er folgender¬ 
maßen klassifiziert: kongenitale Deformität oder Fraktur der Tibia, bei Vor¬ 
handensein von Tibia und Fibula oder mit Defekt der letzteren. Es sind ent¬ 
weder noch Verkrümmungen oder Verkrümmung und Fraktur vorhanden. Der 
vorliegende Fall unterscheidet sich von anderen dadurch, daß weder eine Grube 
noch eine Narbe über der Vorderseite der Tibia sich findet. Diese sind durch 
Adhäsionen oder Amnionstränge verursacht, und man hat auf diese Weise die 
Entstehung der Mißbildungen erklärt. Therapeutisch kommt nur die ortho¬ 
pädische Behandlung in Betracht. Derartige Fälle werden durch chirurgische 
Eingriffe absolut ungünstig beeinflußt. F. W o h 1 a u e r - Charlottenburg. 

Lexer, Operation w r egen habitueller Luxation der Peronea!sehnen. (Natur- 

wissensch. med. Gcsellsch. zu Jena, 9. November 1911.) Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1911, Nr. 51. 

Nach Freilegung des Malleolus extemus wurde an der hinteren Seite des 
Knöchels zuerst mit einem kleinen Hohlmeißel eine seichte Längsrinne zur Auf¬ 
nahme der Sehnen geschaffen, darauf wurde der Knöchel mit einem dicken Bohrer 
durchbohrt. Durch dieses Bohrloch wurde sodann die durch doppelte Teno- 
tomie vom linken Vorderarm gewonnene Sehne des Palmaris longus so hindurch¬ 
gezogen, daß sie die Peronealsehnen schleifenförmig umfaßte und fest hielt. Nach¬ 
dem die Enden der Sehnenschleife einfach geknotet waren, wurde das eine Ende 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 22 


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Referate. 


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an der Außenseite des Knöchels, das andere, längere, noch hinter den Sehnen 
am Periost fest genäht. Heilung per primam, Beweglichkeit gut und ohne Be¬ 
schwerden. S c h a r f f - Flensburg. 

V u 1 p i u 8, Zur Bekämpfung der pathologischen Innenrotation der Füße. Zen- 
tralbl. f. Chirurg, u. mechan. Orthopädie Bd. 6, Heft 1. 

V u 1 p i u 8 hat den von Chlumsky angegebenen Spiralzug zur Aus¬ 
wärtsrotation der Beine dadurch bequemer und für die Eltern angenehmer ge¬ 
macht, daß er ihn in zweierlei Weise zum Aushängen einrichtete. Besonders 
einfach erscheint seine zweite Modifikation, die darin besteht, daß ein feiner Stahl¬ 
haken, der am unteren Ende des Gummizuges befestigt ist, in eine Lederschleife 
paßt, die außen vom an der Stiefelsohle sitzt. Ein Griff genügt dann, um den 
Zug auszuhängen und zu verbergen. Referent läßt ihn übrigens seit Jahren 
unter den Strümpfen am bloßen Leibe tragen, wo er auch nicht auffällt. Er 
findet seinen distalen Halt an einem wildledemen Fersenzug mit Steigbügel aus 
Leinenband. Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

C h a 1 i e r, L’apon^vrosite plantaire da ns les fractures de jambe. Rev. d’orthup. 
1912, Nr. 1, p. 43. 

C h a 1 i e r berichtet über eine eigenartige Erkrankung der Aponeurosis 
plantaris, die er bereits früher auf Grund zweier Fälle zum Gegenstände einer 
Publikation gemacht hat und die er selbst nunmehr im ganzen 8mal beobachten 
konnte. Hiervon waren 6 Fälle Folgen von Unterschenkelbrüchen, 3 weiten¬ 
derartige Fälle finden sich in der Literatur. Es handelt sich um eine Entzündung 
der Aponeurose, die manchmal zum Hohlfuß führt. Sie betraf stets sonst gesunde 
Männer der arbeitenden Klasse zwischen 26 und 48 Jahren. Die Frakturen waren 
in normaler Weise geheilt oder in Heilung. Die Aponeurositis trat entweder früh, 
etwa 40 Tage post trauma, oder spät, nach 3 Monaten auf und fing vielfach mit 
Schmerzen in der Fußsohle, manchmal unmerklich an. Bei der Untersuchung 
fühlt man einen oder mehrere Knötchen von Bohnen- bis Mandelgröße von großer 
Härte. Die Aponeurose selbst ist namentlich am inneren Rande stark verdickt 
und verkürzt. Nach 2—4 Monaten verschwindet die Erkrankung meistens spontan; 
in Chaliers Fällen trat niemals Hohlfuß ein; doch geht aus der Literatur 
(Ledderhose) hervor, daß letzteres eint re teil kann. Die Diagnose ist leicht; 
bei manchen Patienten, die keine Schmerzen haben, muß auf die Affektion be¬ 
sonders gefahndet werden. Histologisch fand sich in einem untersuchten Falk- 
Bindegewebsbildung und kleinzellige Infiltration an den knotig verdickten Steilen. 

Die Pathogenese scheint so zu liegen, daß in den meisten Fällen die Unter¬ 
schenkelfrakturen, seltener andere Untersehenkelerkrankungen den Anstoß zu 
Aponeurositis gegeben haben. Folgende Punkte sind zur Erklärung des Leidens 
heranzuziehen: Zirkulationsstörungen in der Fascia plantaris, vielleicht gelegent¬ 
lich durch unzweckmäßigen Gipsverband, Läsionen der Faszie bei den ersten Geh¬ 
versuchen oder durch bloße Immobilisationen, endlich Allgemeinaffektionen, wie 
Alkoholismus, Rheumatismus, Fettleibigkeit, Tuberkulose. 

Therapeutisch ist Ruhe geboten, die oft allein ausreicht, speziell dann 
anzuraten ist, wenn keine Schmerzen bestehen. Bei persistierenden Beschwerden 
i nd beginnender Retraktion der Faszie ist die Exstirpation der Knoten in- 


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diziert. Ist bereits Hohlfuß eingetreten, dann muß dio Aponeurotomie resp. die 
Aponeurektomie ausgeführt werden. 

Prophylaktisch scheint die Verkürzung der Fixationsdauer und die An¬ 
legung von die Zirkulation nicht behindernden Verbänden von Wichtigkeit. 

Peltesohn- Berlin. 

Gramer, Beitrag zur Behandlung des Hohlfußes. Arch. f. Orthopädie Bd. 11, 
Heft 1. 

Cramcr beschreibt 6 Fälle von Hohlfuß und schildert eingehend die 
von ihm eingeschlagene Therapie. Er teilt die Hohlfüße ihrer Genese nach ein 
in kongenitale, paralytische, idiopathische und artefizielle. Die Beschwerden, 
welche die Hohlfüße machen, sind Schmerzen im Fuß, Tarsalgien, stelzender 
Gang, leichtes Umknicken. Bezüglich der Behandlung streiten sich noch die 
blutigen Operationen mit unblütigen Osteoklasen um den Vorrang. C r a m e r 
selbst bevorzugt die blutigen Operationen, die in Knochen- und Weichteilope- 
rationen zerfallen. Bestimmte Angaben über das beste Verfahren lassen sich 
nicht machen; die besten Fingerzeige geben hier die Röntgenbilder, die jedes¬ 
mal angefertigt werden sollten. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

K i r m i s s o n, Patbogenie et traitement du pied plat valgus douloureux (Tarsalgie 
des adolescents de Gosselin). Rev. d’orthop. 1911. Nr. 6, p. 481. 

In dem Aufsatz über den kontrakten Plattfuß wendet sich Kirmisson 
gegen die Poncetsche Hypothese der tuberkulösen Aetiologie dieses Leidens und 
wehrt sich energisch dagegen, daß er je dieser Theorie zugestimmt habe. Er 
halt nach wie vor den entzündlichen Adoleszentenplattfuß für eine Folge über¬ 
mäßiger Beanspruchung; prädisponierend wirkt Gelenkrheumatismus. Gegen die 
Poncetsche Theorie sprechen verschiedene Gründe. Seine Erfahrung lehrt ihn, 
daß tuberkulöse Individuen unter den Beteiligten die Ausnahme bilden, daß 
letztere vielmehr gewöhnlich ein vorzügliches Allgemeinbefinden zeigen. Weiterhin 
kämen bei kleinen Kindern niemals Tarsalgien vor; finden sich solche, dann 
liegt echte Knochentuberkulose vor, wie ein mitgeteilter Fall beweist. Gegen 
Poncet spricht auch der Umstand, daß erfahrungsgemäß kontrakter Plattfuß 
geradezu niemals in der Privatpraxis angetroffen wird. Das läßt sich nur mit 
der Annahme vereinbaren, daß die Tarsalgie auf mechanischem Wege entsteht. 

In klinischer Beziehung ist die Tatsache bemerkenswert, daß die 
Tarsalgie bei zwei Gruppen von Patienten vornehmlich angetroffen wird: 1. bei 
jungen, ungewöhnlich hoch aufgeschossenen Leuten mit sehr großen Extremi¬ 
täten und mit trophischen Anomalien (bläuliches Aussehen, starkes Schwitzen 
der Hände und Füße), und 2. bei proportioniert gebauten Kranken, meist weib¬ 
lichen Geschlechts, mit kleinen, dicken, gedrungenen und fettreichen Füßen. 

Findet man bei Kranken mit Tarsalgie, daß sich der hängende Fuß gut 
adressieren läßt und erst beim Auftreten die Wölbung abgeflacht wird, dann 
handelt es sich stets primär um Bändererschlaffung. 

Therapeutisch ist folgendes Vorgehen empfehlenswert. Läßt die Kon¬ 
traktur trotz Bettruhe nicht nach, dann soll man in Narkose redressieren; 
rezidiviert die Deformität nach mehrmaligem Redressement, dann soll man nach 
Ogston operieren. Trotz der vorzüglichen Resultate bildet letzteres Vorgehen 
die Ausnahme. 


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Kurz wird noch die Konstruktion des Plattfußstiefels besprochen, der 
folgende Eigenschaften besitzen muß und dann die herausnehmbaren Einlagen 
ersetzt: Mediale Erhöhung der Sohle und des Hackens; Fortführung der hin¬ 
teren Kappe nach medial und vorn und Verstärkung derselben, Adduktion des 
vorderen Teils des Stiefels (Metatarsus) gegen den hinteren (Tarsus). 

Pel tes oh n- Berlin. 

V u 1 p i u s, Die Heidelberger Plattfußeinlage. Münch, med. Wochenschr. 1911, 
Nr. 46. 

Die Einlage wird nach einem Gipsverband angefertigt und bestellt aus 
zwei Ledersohlen, zwischen die Längsstreifen und Querfedem aus gut gehärtetem 
dünnen Bandstahl eingefügt werden. Die Einlage ist leicht, elastisch und haltbar. 

S c h a r f f - Flensburg. 

Lange, Piattfußbeschwerden und Plattfußbehandlung. Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1912, Nr. 6. 

Polemik gegen die Arbeit von Vulpius in Nr. 46, 1911 der Münchner 
med. Wochenschrift. Vor allem verteidigt Lange seine Zelluloidstahldrahteinlage. 
die er der von Vulpius empfohlenen Lederstahleinlage vorzieht. Als besondere 
Vorzüge seiner Einlage hebt Lange hervor, daß sie allen Anforderungen, welche 
die individuelle Plattfußbehandlung stellt, viel besser als andere Einlagen ent¬ 
spricht, einfach herzustellen, leicht und doch haltbar ist und einen vollständig 
festen Außenrand hat und dadurch das Abrutschen des Fußes von der schief 
gestellten Einlage verhindert. Lange unterscheidet 5 Gruppen je nach dem 
Sitz der Schmerzen und den anatomischen Veränderungen: 1. die Schmerzen 
treten am Dorsal teil, entsprechend Talus, Naviculare und Cuneiforme I und 11. 
und an der Plantarseite, entsprechend dem Längsgewölbe, auf (Pes planus); 2. beim 
Pes valgus bestehen Schmerzen an den Knöcheln oder im Talokrural- oder 
Talocalcaneusgclenk; 3. Pes plano-valgus; 4. Schmerzen an der Ferse, a) durch 
Valgussteilung des Calcaneus mit lokaler Periostitis oder Tendovaginitis im 
Tibialis posticus, b) in der Mitte der Ferse durch Periostitis oder Exostose; 
5.: Schmerzen im Vorderfuß infolge von Senkung des 2., 3. oder 4. Metatarsus. 
Dies sind die wichtigsten Typen der Plattfuß Beschwerden, die sich miteinander 
kombinieren können. Für alle Beschwerden kann die Langesche Einlage helfen. 

Scharff- Flensburg. 

Vulpius, Zur Einlagenbehandlung des Plattfußes, und Lange, Erwiderung. 
Münch. med. Wochenschr. 1912, Nr. 10. 

Polemik über die Vorzüge und Nachteile der Langeschen und Vulpius- 
sehen Einlage. Scharff - Flensburg. 

T h i 1 o, Plattfuß und Klumpfuß. Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 1. 

Thilo weist zunächst darauf hin, daß die Abplattung des Fußgewölbe* 
nicht das charakteristische für den Plattfuß ist, sondern die Drehung des Fuße* 
um seine Längsachse. Der Plattfuß entsteht durch eine Drehung des Fuße* 
auf seine innere Kante, der Klumpfuß durch Drehung auf die äußere Kante. 
Dementsprechend bekämpft Thilo bei der Behandlung des Plattfußes vor 
allem die Innenkantung und zwar zunächst durch seine Drahtschiene, die anfangs 
als Liegeschiene, später als Gehschiene verwendet wird. Sodann gibt er Stiefel 


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mit „amerikanischen Sohlen“, die am Innenrande um 1,5 cm vorstehen. Dieser 
Innenrand und der gleichfalls nach innen verschobene Absatz werden durch 
je ein queres Stück Bandeisen verstärkt. Plattfußeinlagen benutzt Thilo 
gar nicht. Dieselben Vorrichtungen verwendet Thilo auch gegen Klumpfuß, 
nur umgekehrt wirkend. Außerdem führt Thilo sowohl bei Klumpfuß wie 
bei Plattfuß zuweilen die Tenotomie der Achillessehne aus und erreicht danach 
durch Anlegung seiner Schienen eine Verkürzung der Dorsalflexoren. Die 
Schienen benutzt Thilo auch bei frischen Lähmungen, um eine fehlerhafte 
Stellung zu verhüten und durch Verkürzung der Antagonisten die geschwächten 
Muskeln zu kräftigen. Scharff - Flensburg. 

Vogel, Ein Hilfsmittel zur Redression und Retention des Klumpfußes. Zentralbl. 
f. chirurg. u. mechan. Orthopädie Bd. 5, Heft 12. 

Vogel empfiehlt seinen von Eschbaum verfertigten Apparat zur 
Redression und Retention von Klumpfüßen, der aus Aluminiumhülsen für Fuß 
und Unterschenkel besteht und einer Pclotte, die, dem prominentesten Teile des 
Tarsus aufsitzend, mittels Gummizügen gegen ihn gepreßt wird. Dasselbe Gummi¬ 
band, das die Pelotte festpreßt, zieht die vordere Fußpartie herum. Der Apparat 
bewirkt also Dorsalflexion, Abduktion und Pronation des Vorderfußes. Er eignet 
sich nur für größere Kinder, und soll hauptsächlich nachts getragen werden. 
Seine Vorzüge sind die Einfachheit der Anwendung, die dauernde Weiterwirkung 
der redressierenden Kraft und die Möglichkeit, diese Kraft an der am stärksten 
pathologisch veränderten Partie des Fußes angreifen zu lassen. 

Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

Lorenz, Behandlung des kongenitalen Klumpfußes. (K. k. Gesellsch. d. Aerzte, 
Wien, 1. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 1. 

Lorenz gebraucht das modellierende Redressement und den immobili¬ 
sierenden Gipsverband. Der Verband reicht bei Säuglingen bis zur Mitte des 
Oberschenkels (bei nahezu rechtwinklig gebeugtem Knie) und soll nicht überall 
zirkulär sein. Ueber Fußrücken, Knöchel, Patella und Kniekehle müssen Fenster 
angebracht werden. Die Fixation eines gesunden Gelenkes führt nicht zu 
Kontraktur oder Ankylose, wohl aber die Fixation tuberkulöser großer Gelenke, 
doch ist eine knöcherne Ankylose, besonders des Hüftgelenks, für den Patienten 
oft besser als ein bewegliches Gelenk. Scharff - Flensburg. 

Judet, Traitement du pied bot congenital chez l’enfant. Bull, de la soc. 
de l’internat des hop. de Paris. April 1911, p. 191. 

Judet verwirft die blutigen Operationen bei der Behandlung des Klump¬ 
fußes im Kindesalter. Das Redressement führt bei kleinen Kindern stets zum 
Ziel. Um diese oft recht ermüdende Arbeit für den Operateur zu verringern, 
bedient er sich einer den Fuß fest fassenden Zange. Sie trägt an ihren Branchen 
je eine viereckige, mit dicker Gummilage bedeckte Pelotte, von denen die eine 
gegen die Branche beweglich ist. Jede einzelne Komponente des Varoequinus 
wird korrigiert. Dann folgt Gipsverbandbehandlung. In der Diskussion wird 
gefragt, ob auch bei 7- und 8jährigen Kindern das Redressement zum Ziel 
führt, da hierbei doch die meisten französischen Chirurgen mit Tarsektomien 
aller Art Vorgehen. Judet hat derartige Fälle bisher nicht redressiert, zweifelt 
aber nicht daran, daß es möglich ist. Peltesohn-Berlin. 


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Erb, Zur Klinik des intermittierenden Hinkens. Münch, med. Wochenschr. 
1911, Nr. 47. 

Erb weist zunächst nochmals auf die große Bedeutung des Tabakabusu* 
für die Entstehung des intermittierenden Hinkens hin und bringt sodann einige 
Krankengeschichten, darunter die eines Falles von intermittierenden Störungen 
der Arme, Schulter usw., die durch Gehen ausgelöst werden. Es waren dabei 
nur Schmerzen vorhanden; alle Bewegungsstörungen der Arme und Hände fehlten. 
Erb führt die Störungen auf eine durch Tabakintoxikation entstandene hoch¬ 
gradige Arteriosklerose aller Aeste des Anfangsteils der Aorta zurück; zugleich 
auf eine dadurch verursachte vasomotorische Neurose in den gleichen Gefä߬ 
gebieten. S c h a r f f - Flensburg. 

Wrede, Fall von Sehnenverknöcherung des lateralen Kopfes des Flexor hallucis 
brevis an einem Tabesfuß. (Naturwissenschaftl.-med. Gesellsch. zu Jena, 
7. Dezember 1911.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 5. 

Das stachelartige Knochenstück von der Länge eines Drittels des Meta« 
carpus primus ist von dem lateralen Sesambein durch einen gelenkspaltartigen 
Zwischenraum getrennt. S c h a r f f - Flensburg. 

Groß, Autoplastie par la methode italienne apres une amputation de ChoparU 
Rev. n\6d. de Test. Rev. de chir. T. 44, p. 651. 

Ein 40jähriger Mann hatte nach Exartikulation des Fußes im Chopartschen 
Gelenk wegen Eiterung einen sich nicht überhäutenden Stumpf zurückbehalten. 
Der Defekt wurde durch einen aus der gesundseitigen Wade entnommenen Weich¬ 
teillappen autoplastisch gedeckt. Es trat Heilung ein, nachdem erst noch die 
Achillessehne des amputierten Fußes durchschnitten worden war. 

Peltesohn - Berlin. 

G o e b e I , Klinische Bemerkungen zur Luxation im Talo-navikulargelenk. Arch. 
f. Orthop., Bd. XI, Heft 1. 

Goebel fand in einem Falle von traumatischer Luxation des Kahn¬ 
beines nach oben, die blutig reponicrt werden mußte, als Repositionshindemis 
die Sehne des Muse, tibialis anticus, die unter die Tuberositas des Kahnbeines 
geschlungen war. Nach Beseitigung des Hindernisses gelang die Einrichtung 
leicht durch kräftige Inflexion der Fußwurzel und Abduktion des Vorderfußes. 
Indessen mußte das Kahnbein, um eine Reluxation zu vermeiden, durch einen 
Nagel am Kopf des Talus fixiert werden. Hierdurch wurde, w T ie in zwei anderen 
ähnlichen Fällen, die Funktion des Fußes nur insofern ungünstig beeinflußt, als 
der Gang etwas Plumpes und Tappendes bekam, weil zugleich mit dem Talo- 
navikulargelenk auch das untere Sprunggelenk außer Funktion gesetzt wurde. 
Indessen war die Funktion des Fußes auffallend schmerzfrei, trotzdem sich ini 
Röntgenbiidc arthritische Veränderungen in den Wurzelgelenken zeigten. Diese 
sind immer die Folge fast aller den Fuß treffcB^er Gewalt ein Wirkungen; sie be¬ 
schränken sich aber nicht nur auf das betroffene Gelenk, sondern befallen das 
ganze Fußwurzelsystem. Auf Grund seiner Erfahrungen in 3 Fällen glaubt 
Goebel annehmen zu müssen, daß bei den engen funktionellen Beziehungen 
des unteren Sprunggelenkes zum Talonavikulargelenk dessen künstliche Ar- 


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Referate. 


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throdesierung in vorgeschrittenen Fällen von Arthritis deformans der Schmerz¬ 
haftigkeit der Gelenke ein Ende macht. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

Vanverts et Deroide, Un cas de luxation mödio-tarsienne partielle. Rev. 
d’orthop. 1912, Nr. 1, p. 23. 

Die Autoren berichten über einen Fall von Luxatio medio-tarsea. Der 
Patient war mit dem linken Bein in einen 80 cm tiefen, einen niedrigen Wasser¬ 
hahn am Boden auf weisenden Schacht geraten. Es fand sich klinisch eine deut¬ 
liche Einsattelung zwischen Talus und Naviculare auf dem Dorsum pedis. Das 
Röntgenhild zeigte Talus und Calcaneus an normaler Stelle, der übrige Teil des 
Fußes war plantarwärts verschoben und flektiert. Heftigste Schmerzen. Am 
3. Tage Reposition in Narkose, wonach die Schmerzen fast verschwunden waren. 
Es war noch eine Nachkorrektur ohne Narkose nötig. Funktionelle Störungen 
bestanden noch nach mehreren Monaten. Die Luxatio mediotarsea ist sehr selten; 
ihre Diagnose nur mit Zuhilfenahme der Radiographie möglich, ebenso wie die 
Feststellung der vollständig gelungenen Reposition. Die Schmerzen rühren zum 
Teil von einer gleichzeitig vorhandenen Distorsion des Talocalcanealgelenks her. 

Peltesohn - Berlin. 

J. B. Christopherson, Lead bullet removed from metatarsal bone after 
23 years. Lancet 2. Dezember 1911, p. 1545. 

Verfasser hat einem Araber eine Bleikugel vom IV. Metatarsus sinister 
entfernt, die 23 Jahre darin gesessen hatte. Der Patient hatte, trotzdem er viel 
laufen mußte, keine Beschwerden, bis er 14 Tage vor der Aufnahme ins Hospital 
eine Schwellung und ein Gefühl der Spannung im Fuß bemerkte. Die 4. Zehe war 
kürzer und an der Basis des IV. Metatarsus war eine Verdickung zu fühlen. Das 
Röntgenbild zeigte den Fremdkörper im Knochen, ein Befund, der den Verfasser 
sehr überraschte, da der Patient behauptet hatte, die Kugel sei herausgekommen, 
und er habe sie selbst in der Hand gehabt. Bei der Operation zeigte sich, daß 
die Bleikugel, vom Umfang eines Daumennagels, nahe der Basis des Knochens 
liegend, völlig von Knochengewebe umschlossen war; sie lag in einer runden 
glatten Höhle, die nach Entfernung der Kugel einem kleinen Acetabulum glich. 
Der Knochen war scheinbar von der Kugel frakturiert worden, und bei Heilung 
der Fragmente hatte sich eine Cyste um die Kugel gebildet. Auffallend ist, daß 
der Patient 23 Jahre ohne jede Beschwerde viel gelaufen ist. 

F. Wohlauer - Charlottenburg. 

P. Maynard H e a t h, Gigantism of forepart of foot. Prooeedings of the 
Royal society of medicine, Vol. 5, Nr. 1, November 1911. Section for the 
study of disease in children, p. 12. 

öjähriges Mädchen. Bei der Geburt wurde eine Deformität des rechten 
Fußes bemerkt — eine Vergrößerung der 2. Zehe, die im Alter von 3 Monaten 
amputiert wurde. Seitdem ist der Vorderteil des Fußes mehr gewachsen als der 
Rest des Körpers. Die große Zehe ist nach innen gebogen, aber nicht sehr ver¬ 
größert. Die 3. Zehe ist stark vergrößert und nach außen gebogen. Zwischen 
diesen beiden Zehen findet sich eine runde, elastische, derbe Schwellung, die 
mehr an der Sohle als am Fußrücken ausgeprägt ist und sich bis zur Mitte des 
Fußes erstreckt. Auf der Höhe der Schwellung findet sich die Narbe der früheren 


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Referate. 


Operation. Das Röntgenbild zeigt eine Vergrößerung des Metatarsus II und das 
Fehlen der Phalangen. An dem Kinde sind keine anderen Deformitäten vor¬ 
handen und auch in der Familie keine derartigen Mißbildungen. Heath will 
einen Keil aus der Geschwulst entfernen, um dem Kinde das Tragen eines Stiefels 
zu ermöglichen. 

T u b b y hält die Erkrankung für ein kongenitales diffuses Lipom. Er 
hat mehrere Fälle operiert und mikroskopisch untersucht. Diese Fälle machten 
klinisch einen malignen Eindruck, histologisch zeigten sie aber die Charakteri¬ 
stika des normalen Gewebes, mit einer Ausnahme: die Läppchen waren größer 
als normal und zwischen dem Stroma und den Läppchen fanden sich einige 
runde und Spindelzellen. Von autoritativer anatomischer Seite wurde aber keine 
maligne Erkrankung angenommen. Die Schwellung tritt nach der Operation 
immer wieder auf — so daß T u b b y zur Amputation in größerer Entfernung 
rät, in diesem Fall zur Amputation des Fußes im Gelenk. 

F. Wohlauer - Charlottenburg. 

N a t z 1 e r, Zur mechanischen Behandlung von Zehen- und Fingerdeformitäten. 
Zentralbl. f. chirurg. u. mechan. Orthopädie Bd. 5, Heft 10. 

Die von N a t z 1 e r angegebenen Apparate zur Korrektur von Finger- 
und Zehendeformitäten greifen prinzipiell nicht an den oft schmerzhaften kon¬ 
vexen Stellen an, sondern wirken durch elastischen Zug von unten her. Die 
Vorrichtung zur Bekämpfung der Hammerzehen besteht aus einem schnürbaren 
Lederschuh, dessen Sohle bis an die Metatarsalköpfchen reicht. Von seinem 
Rücken gehen je nach Bedarf — gewöhnlich drei — Stahlschienen aus, die im 
stumpfen Winkel nach oben vorne ziehen, bis sie die Zehen etwa 2 cm überragen. 
Diese Schienen tragen vom Metallknöpfchen, an die durch Gummistreifen unter¬ 
brochene Lederriemen befestigt werden. Die Züge fassen die Zehen von unten, 
stellen sie grade und fixieren sie gut in der gewünschten Stellung. Der Apparat 
kann bei ambulanter Behandlung nur nachts gebraucht werden. Natürlich kann 
man auch seitlichen Zug anwenden, wenn man die Stahlschienen seitlich anbringt. 
In leichten Fällen gelingt die Heilung in ca. 6 Wochen. Sind starke Schrumpfung?- 
kontrakt uren eingetreten oder Veränderungen des Gelenkknorpels oder Knochens, 
so kann der Apparat nur bessernd wirken. Hier tritt die operative Behandlung 
in ihr Recht. Aehnlich werden Fingerdeformitäten behandelt. Hier kann man 
die abgebogenen Stahlschienen auf einer stärkeren auf Hand und Unterarm liegen¬ 
den Schiene anbringen, die mit zirkulären Gurten befestigt wird, eventuell natürlich 
auch an Lederhülsen. Die Apparate sind einfach, leicht und billig herzustellen 
und sollen das gleiche leisten wie alle zu ähnlichen Zwecken konstruierten teuren, 
komplizierten und w r enig haltbare Vorrichtungen. 

Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

Berliner orthopädische Gesellschaft. (Sitzung vom 6. No¬ 
vember 1911.) Berliner klin. Wochenschr. 1911, Nr. 50. 

Wagner-Hohenlobbese bekämpft in der Diskussion zu dem 
Vortrage von R. du Bois-Reymond teilweise die Ansichten des Vor* 
tragenden und ist nur in einem Punkte mit ihm im Einverständnis, nämlich in 
der Verwerfung der zurzeit üblichen Freiübungen und Stabübungen zum angeb¬ 
lichen Zweck der Ausbildung einzelner Muskelgruppen. 


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Referate. 


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Kölliker, Zur Technik der Sehnen* und Nerventranspl&ntation: 

K ö 11 i k e r legt ein von ihm angegebenes Instrument zur subkutanen 
Sehnen- und Nerven Verlagerung vor. Weiter hat das Instrument den Zweck, 
den zu vernähenden Querschnitt der Sehne oder des Nerven vor jeder Quetschung 
zu schützen. 

Weigert, Ergebnisse der Behandlung angeborener Hüftluxationeu (mit 
Lichtbildern und kinematographischen Vorführungen): 

11 Fälle, davon 3 doppelseitig, die in einer Sitzung eingerenkt wurden, 
ßinonatige Gipsbehandlung; in allen Fällen anatomische Reposition und Heilung. 
In 2 Fällen Coxa vara. Maier- Aussig. 


Berliner orthopädische Gesellschaft. Sitzung vom 8. Januar 
1912. Berliner klin. Wochenschr. 1912, Nr. 9. 

M. Cohn demonstriert Röntgenbilder von Ostitis fibrosa, Karzinomatose 
der Knochen und Osteomalacie und berichtet über Heilerfolge an erweichten 
Knochen durch Röntgenbestrahlung der Ovarien. 

Joachi m^thal, Verdoppelung der Kniescheibe: Nach Joachims¬ 
thals Erfahrung beginnt die Verknöcherung der Patella in der Regel im sechsten 
Lebensjahre. Findet von mehreren Ossifikationspunkten aus eine Verknöcherung 
statt und vereinigen sich die verschiedenen Kerne nicht, so kommt es zu den 
äußerst seltenen Fällen einer Doppelbildung der Kniescheibe, und diese kann Anlaß 
zu irrtümlicher Annahme eines Patellarbruches geben. Joachimsthal sah ein 
Präparat, an dem das laterale Viertel beiderseits durch einen gerade durchgehenden 
Spalt von dem inneren Teile abgetrennt war, und konnte auch die deutliche Ver¬ 
zahnung der Spaltränder erkennen. Ferner berichtete Joachimsthal über ein 
33jähriges Mädchen mit spastischen Kontrakturen in beiden Kniegelenken, an denen 
die beträchtlich langen Kniescheiben etwa 2 cm von der Spitze nach oben eine 
von vorn nach hinten fast durch die ganze Dicke hindurchgehende Trennungs- 
lime aufwiesen. Schließlich fand Vortragender bei einem 14jährigen Patienten, 
daß an der Spitze der Patella in einer Ausdehnung von 1 cm ein zweiter Knochen¬ 
kern vorgelagert war. Ein Verschmelzen mit dem Hauptknochen wäre im weiteren 
Verlauf des Wachstums nicht ausgeschlossen, doch glaubt Joachimsthal 
in Rücksicht auf den breiten Spalt, daß die Trennung doch eine dauernde bleiben 
dürfte. 

Derartige Fälle mahnen zur Vorsicht bei Beurteilung von Verletzungs¬ 
lolgen. Maier- Aussig. 

Gesellschaft der Charitäärzte. Sitzung vom 11. Januar 1912. 
Berliner klin. Wochenschr. 1912, Nr. 9. 

Joachimsthal, Ueber Störi.ngen der periostalen und enchondraen 
Knochen bildung. (Lichtbildervo; trag.) 

Peltesohn, Ueber Gelenkdeformitäten der unteren Extremitäten und 
ihre paraartikuläre Korrektur: 

Vortragender zieht die orthopädische Resektion und die paraartikuläre 
Korrektur bei Hüft- und Kniedeformitäten nach Tuberkulose in Parallele und 
gibt der letzteren den Vorzug vor der ersteren. Bei winkligen Knieankylosen 
genügte stets eine suprakondyläre Osteotomie am Femur. 


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Referate. 


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Ehringhaus, Zur Pathologie und Therapie der Syndaktylie: 

Ehringhaus zegt Lichtbilder von einem 14 Monate alten Mädchen, 
das an den Fingern der rechten Hand Schnürfurchen mit ihren Folgeerscheinungen, 
an den Fingern der linken Hand Syndaktylie des 2. und 3. Fingers, sowie Ver¬ 
wachsungen der Fingerkuppen des L, 2. und 4. Fingers aufwies. Auch a i der 
linken Hand nimmt der Vortragende als Ursache der Mißbildung einen äußeren 
Einfluß an, nämlich die Wirkung eines engen amniotischen Bandes, das wie eine 
Zwangsjacke die Finger zusammen preßte und ihre vollkommene Abgrenzung 
verhinderte. Die Therapie bestand links in der Trennung der drei häutig mit¬ 
einander verwachsenen Fingerkuppen sowie in der Trennung der Syndaktylie 
nach Zeller-Piqu6. 

Bibergeil, Osteoarthritis deformans juvenilis coxae: 

Schmerzen in der Hüfte oder im Knie und hinkender Gang führen den 
Patienten zum Arzt. Freie Flexion, stark beschränkte Abduktion, Trochanter¬ 
hochstand und Trendelenburgsches Phänomen sind die klinischen Symptome. 
Krepitationen, wie sie Z e s a s angibt, konnte Bibergeil nicht finden. Patho¬ 
logisch-anatomisch handelt es sich teils um hyperplastische, teils um atrophische 
Prozesse bis zum vollständigen Schwund der Kopfepiphysen. Auch im Anschluß 
an unblutig reponierte Hiiftluxationen können neben Coxa vara ebenfalls solche 
Zustände öfters bemerkt werden; dabei können aber solche Patienten klinisch 
als vollkommen geheilt erscheinen. 

Blank, Synostosis radioulnaris: 

Bl a n k stellt einen Fall von doppelseitiger proximaler Verwachsung 
von Radius und Ulna vor. Die Diagnose ist nur mittels Röntgenphotographie 
zu stellen. Es werden oft gleichzeitig noch andere Störungen am Knochensystem 
beobachtet. Hier wurde noch eine Verwachsung zwischen Os capitatum und 
Os hamatum festgestellt. Blank nimmt an, daß es sich um einen Atavismus 
handelt. Jede operative Therapie war bisher erfolglos. 

Maier- Aussig. 

Niederländischer Verein für Chirurgie. (Versammlung 7. Mai 
1911.) Nederl. Tijdschr. v. Geneesk., 25. November 1911. 

Schoemaker stellt verschiedene Patienten von 34—82 Jahren vor, bei 
denen nach Fractura colli femoris durch einen Gehgipsverband in leichter Ab¬ 
duktion bei starker Einwärtsrotation ein sehr gutes Resultat erzielt worden ist. 

van Stockum zeigt eine Patientin, die er wegen beiderseitiger Talus¬ 
fraktur mit starker Läsion der Talusunterfläche mit sehr gutem Erfolg auf der 
linken Seite operiert hat. Er machte die Arthrodese des Talocalcanealgelenkes. 
Die verschiedenen Fußbewegungen werden gut ausgeführt/die Patientin hat links 
keine Beschwerden mehr (nach beinahe zwei Jahren) und kommt mit der Bitte, 
auch den rechten Fuß zu operieren, van Stockum hat diese Operation 
auch mit gutem Erfolg bei Calcaneusfrakturen (sog. „Fracture par 4crasement“) 
gemacht. 

van Assen - Rotterdam. 


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Original frum 

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XIX. 

Aus der königl. orthopädischen Universitäts-Poliklinik zu München. 

(Vorstand: Prof. Dr. F. Lange). 

Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfnßes. 

Von 

Dr. Rudolf Pttrckhauer. 

Mit 14 Abbildungen. 

Wenn ich es in nachfolgender Arbeit unternehme, eine Fu߬ 
deformität aus dem Halbdunkel stiefmütterlicher Behandlung zu 
ziehen, so wurde ich dazu bestimmt, weil ich bei der Sichtung 
unseres großen, klinischen und poliklinischen Materials den Eindruck 
erhielt, daß der Pes calcaneus excavatus doch nicht zu den großen 
Seltenheiten gehört, wozu er allgemein in der Literatur gerechnet 
wird. Seit der grundlegenden Arbeit Nicoladonis über den Pes 
calc. und der ausgezeichneten Arbeit Witteks über den Pes calc. 
traumaticus gibt es nur wenige Arbeiten, die auf die Anatomie dieser 
Deformität überhaupt des Näheren eingehen, und doch wurde uns 
gerade in letzter Zeit durch die Untersuchungsmethode der Röntgen¬ 
durchleuchtung ein Hilfsmittel an die Hand gegeben, das die Er¬ 
kennung und richtige Beurteilung des Leidens wesentlich vereinfacht 
hat. Und mit dem Fortschritt der plastischen Chirurgie haben sich 
die Aussichten auf Heilung dieser Deformität so gebessert, daß man 
beute die Operation am Hacken-Hohlfuß als eine der dankbarsten be¬ 
zeichnen kann, die wir in der orthopädischen Chirurgie aufweisen 
können. 

Wenn ich die beiden Fußdeformitäten, den Hacken- und Hohlfuß 
in der nachfolgenden Arbeit zusammennehme, so hat dies seinen 
Grund darin, daß der Begriff des Hohlfußes sich in praktischer Be¬ 
ziehung nur schwer von dem des Hackenfußes und umgekehrt trennen 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 23 


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Pürckhauer. 


läßt, daß der Hohlfuß sehr häufig nur ein sekundäres Symptom des 
Hackenfußes ist, wenn damit auch nicht gesagt sein soll, daß der 
Hohlfuß als reine Form nicht auch vorkommt. Jedenfalls haben 
beide das hohe Gewölbe, die mehr oder weniger große Steilstellunr 
des Calceanus, den steil abfallenden Tarsal- und Metatarsalteil des 
Fußskelettes, die Annäherung des vorderen und hinteren Fußteiles 
gemeinsam, was eine Verkürzung der Basisfläche des Fußes und 
Verlegung des statischen Gleichgewichtes zur Folge hat. Diese zu 
beseitigen und den kurzen, hochgewölbten Fuß zu einem normalen, 

möglichst tragfähigen zu machen, 
ist die Aufgabe der modernen 
Orthopädie. 

Der angeborene Hacken* 
fuß ist zunächst nichts als ein 
stark dorsalflektiert gehaltener 
Fuß, der eine Plantarflexion meist 
infolge Verkürzung seiner Dorsal- 
flektoren über den rechten Win¬ 
kel hinaus nicht zuläßt. Vir 
finden ihn nicht selten mit einem 
alternierenden Equino-valgus oder 
Equino-varus der anderen Seite 
vergesellschaftet. Legt man die 
Sohlenflächen beider Füße inein¬ 
ander, so sehen wir, daß dieselben 
genau ineinander passen; wirer¬ 
halten so die ursprüngliche Lage in utero rekonstruiert (s. Fig. 1). 

Ein reiner angeborener Hackenfuß ist nur eine große Selten¬ 
heit; fast ausnahmsweise steht der Fuß zugleich in Valgussteilung. 
Es erklärt sich dies wohl aus der fehlenden, normal supinierenden 
Wirkung der Achillessehne. Dieselbe ist den beiden Unterschenkel¬ 
knochen auf innigste genähert und zugleich nach außen gedrängt 
und dem Malleolus ext. genähert; die Peronei sind dementsprechend 
je nach dem Grade der bestehenden Dorsalflexion von ihrer Nische 
hinter dem Mall. ext. gedrängt und auf oder vor demselben luxiert. 
Die Wadenmuskulatur ist im allgemeinen magerer; der Gastro- 
cnemius ist aber nicht gelähmt, sondern nur überdehnt, so daß die 
Theorie einer intrauterin durchgemachten Poliomyelitis, wie sie von 
manchen Seiten angenommen wird, hier sicher nicht stimmt. Die 


Fig. 1. 



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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


349 


Dorsalflektoren befinden sich im Zustand der Verkürzung, sie spannen 
sich mehr oder weniger straff und gleichmäßig als Brücke über das 
dorsalflektierte Gelenk hinüber und lassen unter sich eine tiefe Furche 
liegen. Entsprechend der Fixation des dorsalflektierten Füßchens 
in utero ist aber nicht nur die Muskulatur, sondern vor allem die 
vordere Sprunggelenkkapsel verkürzt, die ein Haupthindernis bei der 
Plantarflexion bildet. 

Heusner (Archiv für klin. Chirurgie, 69. Bd.) hält den an¬ 
geborenen Hacken-Hohlfuß für eine Spielart des Klumpfußes, welcher 
auf die nämliche Entstehungsursache wie jener zurückgeführt werden 
müßte. Er hat in einer Arbeit über den angeborenen Klumpfuß 
(XVIII. Kongreß der Deutschen Chirurgie) nachzuweisen versucht, 
daß ,derselbe eine in die 6.—8. Lebenswoche zurückreichende Hem¬ 
mungsbildung darstellt, welche durch Verengerung der Schwanz¬ 
kappe des Amnions im Zusammenwirken mit einem starken, physiolo¬ 
gischen Nabelbruch ensteht, indem dadurch die natürlichen Evolutionen 
des noch weichen Fußskeletts mechanisch behindert und im Sinne 
der Klumpfußbildung beeinflußt werden“. 

Für die Heusnersehe Anschauung spricht folgender in unserer 
Klinik vorgekommener Fall: 

A. W. Aus gesunder Familie stammend, hat links einen Klump¬ 
fuß mäßigen Grades mit ausgesprochener Supination des Calcaneus 
und des Vorderfußes; zugleich besteht Syndaktylie der dritten und 
vierten Zehe, sowie mangelhafte Entwicklung der ersten und zweiten 
Zehe. Rechts besteht ein ausgesprochener Hacken-Hohlfuß mit 
mangehafter Entwicklung der dritten und vierten Zehe. An der 
Grenze des unteren und mittleren Drittels des Unterschenkels be¬ 
findet sich eine querverlaufende tiefe Schnürfurche (Amnionfurche); 
an der rechten Hand befindet sich ebenfalls eine tiefe Schnürfurche; 
die zweite Phalanx des dritten Fingers ist stark verkümmert. Die 
wahrscheinliche intrauterine Haltung: Planta des linkseitigen Varus 
auf die Planta des rechtseitigen Valgus gesetzt, läßt sich zwanglos 
rekonstruieren. Was das Fußskelett betrifft, so steht die Röntgen¬ 
aufnahme des angeführten Falles im Einklang mit den von Meßner 
beschriebenen Abnormitäten des Fußskeletts bei angeborenem Hacken¬ 
fuß. Meßner weist auf die exzessive Entwicklung des Talushalses 
hin, der in seinen Größenverhältnissen in keinem Verhältnis zum 
Taluskörper steht, und beinahe den größten Teil des ganzen Talus 
ausmacht. An der oberen Fläche des Talus befindet sich an dem 


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Piirckhauer. 


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Fig. 2. 


Uebergang zum Körper eine tiefe Furche, diese tiefe überknorpelte 
Aushöhlung des Talushalses beschreibt auch schon Nicoladoni, 
und sie findet sich (s. Fig. 2) wieder in dem Röntgenogramm meines 
Falles. In diese Furche begibt sich der artikulierende Teil der 
unteren Tibiaepiphyse hinein. Auch bei uns findet sich ein abnorm 
entwickelter langer Hals des Talus gegenüber dem kurzen Teil des 
Taluskörpers. Weiter berichtet Meßner: „Was die Veränderungen 
des Calcaneus betrifft, so sind diese analog denen des Talus. Wie 
am Talus der Hals, so ist es am Calcaneus der Proc. anterior, 
welcher exzessiv in die Länge gewachsen ist. Der Proc. ant. bildet 
mehr als die Hälfte von der ganzen Länge des Knochens; der eigent¬ 
liche Calcaneus ist sehr kurz, vorn höher als unter normalen Um¬ 
ständen. Das Sustentaculum ist schwächer entwickelt als bei nor¬ 
malem Präparat ebenso wie die demselben aufsitzende 
Gelenkfläche, welche mit dem Sprungbein artiku¬ 
liert. Sie ist nicht wie unter normalen Verhält¬ 
nissen gerade nach oben, sondern nach innen ge¬ 
richtet. Der Calcaneus hat sich mit seiner vor¬ 
deren Gelenkfläche, während sich die Hacke 
senkte, außen hinauf gedreht neben die vordere 
Gelenkfläche des Talus, und die Gelenkfläche der 
beide Knochen verbindenden Achse liegt horizon¬ 
tal, während sie unter normalen Verhältnissen schräg von innen 
oben nach außen unten geht.“ 

Genau dieselben Verhältnisse am Calcaneus sind an dem Röntgen¬ 
bilde des oben beschriebenen Falles und an den Röntgenbildern an¬ 
derer von mir untersuchten Hackenfüße zu sehen. Das Sustentaculum 
öffnet sich infolge Senkung des Calcaneuskörpers nach abwärts in 
einem nach hinten offenen Winkel. Die Richtungslinie des Calcaneus 
ist nicht wie unter normalen Verhältnissen horizontal, sondern sie 
verläuft etwa schräg von innen oben nach außen unten. Die übrigen 
den Tarsus bildenden Knochen sind außer dem Cuboid noch nicht 
ossifiziert, und daher auf dem Röntgenbild nicht zu sehen; es läßt 
sich somit aus ihnen auch kein Schluß über die Gestalt der einzelnen 
Knochen und der Richtungslinien der Gelenkflächen, vor allem dem 
Chopartschen Gelenk, ziehen. Jedenfalls geht aus dieser Be¬ 
schreibung hervor, daß auch schon bei angeborenen Hackenfüßen 
Veränderungen am Fußgelenke und an der Lage der einzelnen Knochen 
zueinander vorhanden sind, die Nicoladoni leugnet. 



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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hoblfußes. 


351 


Für die Therapie des angeborenen Hackenfußes oder wie 
ihnNicoladoni nennt, des Pes calc. cong. surs. flex., kommt also 
nur die Beseitigung der Verkürzung der Dorsalflexoren und die 
Dehnung der vorderen Sprunggelenkkapsel in Betracht, die gering¬ 
gradigen Veränderungen am Fußskelett bieten der Therapie kein 
weiteres Hindernis. Sind die Dorsalflexoren einmal gedehnt und 
eine normale Plantarflexionsmöglichkeit geschaffen und erfährt der 
Fuß später seine richtige Belastung, so wird auch die Knochen¬ 
umformung in die richtigen Bahnen gelenkt. Es ist keine Frage, 
daß geringgradige Hackenfüße ohne jegliche Therapie allein durch 
die Beschwerung des Fußes durch die Bettdecke in der Ruhe und 
durch die Belastung beim Gehen und Stehen durch allmähliches 
Senken des Vorderfußes besser werden. Bei höheren Graden von 
Hackenfüßen leistet uns, vorausgesetzt, daß die Kinder noch jung in 
Behandlung kommen, eine zweckmäßige Fixierung des Fußes in mög¬ 
lichster Spitzfußstellung gute Dienste. Wir bedienen uns zu diesem 
Zwecke einer nach Abguß hergestellten Zelluloidstahldrahtschiene 
nach Lange, die je nach dem gleichzeitig bestehenden Valgus oder 
Varus als Innen- oder Außenschiene angelegt wird. Diese Behand¬ 
lung ist selbstverständlich längere Zeit hindurch fortzusetzen. Kommen 
die Kinder bei stärker ausgebildeten Hackenfüßen nicht gleich im 
ersten Lebensjahr in Behandlung, so kommen wir auch nicht mehr 
um das stumpfe Redressement, d. h. Dehnung der Dorsalflexoren 
und der vorderen Sprunggelenkkapsel in Narkose herum, selbst die 
Tenotomie der sich allzu stark anspannenden Dorsalflexoren ist in 
einzelnen Fällen nicht zu umgehen. In diesem Falle raten wir, unter 
allen Umständen die treppenförmige Tenotomie nach Bayer aus¬ 
zuführen. Wenn wir auch selbst noch keine schädigenden Folgen 
der queren Tenotomie gesehen haben, so könnte doch einmal der 
Fall eintreten, daß die auseinandergewichenen und durch die lange 
Fixationsperiode auseinandergehaltenen Sehnenstücke nicht mehr sich 
vereinigen. 

Der angeborene Hackenfuß kann lange Zeit hindurch als 
solcher in seiner rein dorsal flektierenden Form erhalten bleiben, 
ohne daß sich stärkere Veränderungen am Fußskelette einstellen. 
Dies kann sich jedoch im Laufe der Zeit insofern ändern, als die 
Richtungslinie des Calcaneuskörpers eine mehr oder weniger steile 
Form einnimmt, so daß der Proc. ant. des Calc. zu einem Proc. 
infer. wird. Diese Form des Hackenfußes bezeichnet Nicoladoni 


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Pürckhauer. 


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als Pes calc. sensu strictiori im engeren Sinn. Nicoladoni hat 
zwar in seiner Einteilung des Hackenfußes, die heute noch ma߬ 
gebend ist, diese Form des Hackenfußes als lediglich durch Paralyse 
der Achillessehne bedingt, angenommen. Er nimmt an, daß die 
reine Form des Pes calc. niemals angeboren ist, daß sie sich nur 
bei Erwachsenen vorfindet und sich nur allmählich entwickelt. Dieser 
Satz ist in seiner ganzen Ausdehnung sicher nicht ganz richtig. Es 
ist kein Zweifel, und ich kann dies an der Hand verschiedener 
Röntgenbilder und Krankengeschichten nachweisen, daß auch an¬ 
geborene Hackenfüße zur Steilstellung des Calcaneus 
führen können. Und warum sollte auch bei angeborenen Hacken¬ 
füßen nicht dieselbe Ursache, die Nicoladoni für die reine Form 
des Hackenfußes annimmt, zur Steilstellung des Calcaneus fuhren 
können? 

Nicoladoni weist als erster nach, daß die Steilstellung des 
Calcaneus eine einfache Ausfallsfolge der am Proc. post. calc. an¬ 
setzenden Wadenmuskulatur und des dadurch bedingten Ueberwiegens 
der gesunden Sohlenflächenmuskulatur ist. Der Calcaneus ist als 
beweglicher Knochen zwischen die Kräfte der hohen Wadenmus¬ 
kulatur und die kurze Fußsohlenmuskulatur eingeschaltet. Fällt der 
Zug der Wadenmuskulatur weg, so gibt der Calcaneus dem Zug der 
Sohlenflächenmuskulatur nach und dreht sich allmählich um seine 
horizontale Achse, so daß sein hinterer Abschnitt sich senkt und 
sein vorderer sich erhebt. Auf die Entstehungsart des Pes calc. 
im reinen Sinne und auf die Veränderungen, die hierbei die Knochen 
und Gelenke des Fußskeletts erfahren, werde ich später noch kurz 
zurückkoramen. Hier möchte ich nur betonen, daß bei angeborenen 
Hackenfußen dieselben Kräfte maßgebend sind. Wenn auch die 
Achillessehne beim angeborenen Hackenfuß nicht gelähmt, sondern 
nur überdehnt ist, so kommt sie, weil ihr durch die Ueberdehnung 
der natürliche Tonus fehlt, als funktionierender Muskel doch nicht 
mehr in Frage gegenüber der gesunden, kräftigen Sohlenmuskulatur, 
die ständig am Tuber calc. wirkt. Eine Drehung des Calcaneus 
um seine horizontale Achse, eine Senkung seines hinteren Abschnittes 
und ein Erheben seiner vorderen, also eine Steilstellung des 
Calcaneus muß hier beim angeborenen Hackenfuß genau so die Folge 
sein, wie beim paralytischen. Natürlich erfolgt diese Drehung des 
Calcaneus nur allmählich. Sie wird aber, je älter ein mit an¬ 
geborenem Hackenfuß zur Welt gekommenes Kind wird, auch um so 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


353 


stärker. Sie wird auch um so stärker werden, je mehr der Fuß in 
Anspruch genommen wird, d. h. je stärker die Plantarmuskeln durch 
Auftreten des Fußes innerviert werden. Bei jedem angeborenen 
Hackenfuß wird früher oder später eine Steilstellung des Calcaneus 
eintreten. Ich habe die einschlägigen Krankengeschichten der letzten 
3 Jahre aus unserer Klinik zusammengestellt. Dieselben erstrecken 
sich auf Kinder vom 1.—12. Lebensjahr. An der Hand einer Serie 
von Hackenfußen kann ich das allmähliche Zunehmen der Steilstellung 
des Calcaneus sehr gut verfolgen. 

Während wir in dem oben beschriebenen Falle die reine Dorsal¬ 
flexion des Pes calc. mit nur geringer Eichtungsveränderung des 
Calcaneus vor uns haben, sehen wir aus dem Röntgenbilde eines 
4jährigen Jungen schon eine deutliche Senkung des hinteren Cal- 


Fig. 3. Fig. 4. 



caneusabschnittes (Fig. 3). Eine Linie, welche vom höchsten Punkt 
des Proc. post. calc. zur am weitesten vorspringenden Spitze des 
Proc. ant. calc. gezogen wird, die „Calcaneusrichtungslinie“ nach 
Wittek, schneidet bei rechtwinklig gestelltem normalen Fuß die 
Verlängerungsachse der Tibia unter einem rechten Winkel oder, was 
ich für noch richtiger halte, sie verläuft der unteren Epiphysen¬ 
linie der Tibia parallel (siehe Fig. 4 nach Wittek). Die hintere 
Begrenzung des Calcaneus und der größere Teil der Gelenkfläche des 
Proc. anter. mit dem Cuboid stehen senkrecht zu der Calcaneus¬ 
richtungslinie und sind daher untereinander wieder parallel. Ziehen 
wir diese Linie bei unserem 4jährigen Jungen, so ergibt sich fol¬ 
gendes: Die Calcaneusrichtungslinie schneidet die Epiphysenlinie 
unter einem Winkel von 30 °, die hintere und vordere Begrenzungs¬ 
linie des Calcaneus stehen senkrecht auf der Calcaneusrichtungslinie, 
bilden aber mit der Tibiaepiphysenlinie einen Winkel von 60°. 


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Pürckhauer. 


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Die Form des Calcaneus ist nicht verändert. Aber der Calcaneus 
hat sich um seine frontale Achse um einen Winkel von 30° ge¬ 
stellt. Durch das Heranziehen des Calcaneus an den Vorderfuß in¬ 
folge des Zuges der Sohlenmuskulatur ergibt sich die notwendige 
Folge, daß eine Verkürzung des Fußes im allgemeinen stattfindet. 
Daß es sich um einen angeborenen Hackenfuß handelt, ergibt die 
Anamnese und die interessante, auf eine uterine Raumbeengung hin¬ 
deutende Tatsache, daß wir neben dem Pes calc. noch eine aus¬ 
gesprochene Coxa valga mit Subluxation des Kopfes nach oben 
fanden, die eine Verkürzung der Extremität um 2 Vs cm ver¬ 
ursachte. Den deutlichsten Beweis aber erbrachte die Operation 
selbst, bei der ein stark überdehnter, im übrigen mit guten Muskel- 

Fig. 5. Fig. 6- 

ü 

fasern versehener Gastrocnemius vorgefunden wurde. Die aktive 
Dorsalflexion des Fußes war eine übertrieben große. Sie betrug 45 °, 
während die Plantarflexion nur gerade bis zum rechten Winkel mög¬ 
lich war. 

Bei unserem dritten Fall sehen wir die Calcaneusrichtungslinie 
die Epiphysenlinie der Tibia unter einem Winkel von 40° schneiden. 
Die vordere und hintere Begrenzung des Calcaneus steht auf der 
Calcaneusrichtungslinie senkrecht, während sie die Epiphysenlinie 
mit einem Winkel von 50° schneidet (siehe Fig. 5). Der Calcaneus 
hat sich also um seine horizontale Achse um einen Winkel von 
40° gedreht. 

Das Bild stammt von einer 9jährigen Patientin, die mit an¬ 
geborenen Hackenfüßen zur Welt kam. Die Autopsia quoad operat. 
ergab, wie schon die elektrische und funktionelle Prüfung vor der 



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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


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Fig. 7. 


Operation feststellte, keine Lähmung des Gastrocnemius, sondern 
nur eine Ueberdehnung desselben. 

Die Fig. 6, die von einem 10jährigen Mädchen stammt, zeigt 
schon eine hochgradige Steilstellung des Calcaneus. Die Calcaneus- 
richtungslinie schneidet die Tibia unter einem Winkel von 45°. Der 
Calcaneus hat sich also in seiner frontalen Achse in einem Winkel 
von 45° gedreht, wodurch eine nicht unbedeutende Verkürzung des 
ganzen Fußes gegenüber dem normalen resultiert. Wir sehen also 
hier schon eine ausgesprochene Steilstellung des Calcaneus. Sie ist 
schon so stark, wie wir sie sonst nur bei erwachsenen paralytischen 
Hackenfüßen vorfinden (Fig. 7). Noch stärker ist die Steilstellung 
bei unserem fünften Fall, einem 13jährigen Mädchen, mit ange¬ 
borenem Hackenfuß. Hier bildet die 
Calcaneusrichtungslinie mit der Tibia¬ 
epiphysenlinie einen Winkel von 70°, 
der Calcaneus hat sich also hier um 
seine frontale Achse nahezu um einen 
rechten Winkel gedreht, so daß die 
Sagittallinie der Tibia mit der Calcaneus¬ 
richtungslinie fast parallel läuft. Die 
Dorsalflexion war auch in diesem Falle 
eine abnorm große, bis 45°, während 
die Plantarflexion bis zum rechten Winkel 
gelang. Die Muskeln waren bei der 
Autopsia quoad operat. sämtlich erhalten, 
der Gastrocnemius war stark überdehnt. 

Wir sehen also aus diesen sechs Bildern, daß auch bei an¬ 
geborenen Hackenfußen mit dem zunehmenden Alter 
die Steilstellung des Calcaneus allmählich, aber sicher 
erfolgt, daß auch hier die nämlichen Kräfte wie beim paraly¬ 
tischen Hackenfuß zu dieser Stellungsänderung führen. Die Steil¬ 
stellung ist also nicht nur, wie Nicoladoni glaubt, bei Er¬ 
wachsenen, sondern auch bei jugendlichen Individuen 
anzutreffen. 

Ist nun diese Steilstellung des Calcaneus wirklich nur eine 
Drehung um eine frontale Achse? Wenn dies der Fall ist, so muß 
sich der vordere Teil des Calcaneus, also der Proc. ant. des Cal¬ 
caneus um denselben Winkel nach aufwärts und rückwärts drehen, 
als sich der hintere Teil des Calcaneus nach vorwärts und abwärts 



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Piirckhauer. 


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begibt. Eine derartige Drehung des Calcaneus kann aber nicht 
ohne gleichzeitige Beteiligung des Talus stattfinden und ohne Aende- 
rung in der Gelenkverbindung mit dem Cuboid. Der Calcaneus ist 
mit dem Talus nur um eine Achse drehbar, die schief von hinten 
unten nach vorne oben gerichtet ist. Sie verläuft durch das Sprung¬ 
bein und das Fersenbein und zwar durch das mediale Ende des 
Sinus tarsi. Es ist somit um diese Achse nur eine Bewegung im 
Sinne der Pro- und Supination möglich. 

Die Bewegung um diese Achse kommt nur dann in Frage, 
wenn neben der Steilstellung beim Hackenfuß zugleich eine Valgus- 
oder Varusstellung des Calcaneus erfolgt. Eine Bewegung um die 
frontale Achse gegen den Talus ist nur in ganz geringem Maße 
möglich, jedenfalls kommt sie praktisch nicht in Frage. Wir können 
also in dieser Richtung den Talus gegen den Calcaneus als fest ver¬ 
ankert betrachten. Es muß logischerweise bei der Steilstellung des 
Calcaneus, d. h. bei der Senkung des hinteren Abschnittes und bei 
der Hebung des vorderen Teiles derselben der Talus ebenfalls aus 
seiner normalen Yerlaufsrichtung gehoben werden. 

Die Richtungsachse des Talus verläuft von hinten oben nach 
vorne unten (siehe Fig. 4). Es ist dies eine Verbindungslinie, welche 
durch die Mitte des Talushalses zur Mitte der navikularen Gelenk¬ 
fläche des Kopfes geht. Da nun der Calcaneus mit dem Talus als 
fest verankert zu betrachten ist, so muß bei der Steilstellung des 
Calcaneus die Richtungslinie des Talus geändert werden. Tatsäch¬ 
lich ist dies an unseren Röntgenbildern mehr oder weniger nach¬ 
weisbar. (Auch Wittek hat bereits auf diese Tatsache aufmerk¬ 
sam gemacht.) Nun müßte aber bei der enormen Steilstellung des 
Calcaneus, wie wir sie bei unseren hochgradigen Pedes calcanei an¬ 
treffen, die häufig bis zu einem rechten Winkel gebt, der Talus 
auch um denselben Winkel nach oben gedreht werden. Eine der¬ 
artige proportionale Mitbewegung des Talus konnte ich aber nirgends 
konstatieren. Es mußte daher noch ein anderes Moment mitwirken, 
das eine derartige Steilstellung des Calcaneus verursachen kann. 

Erinnern wir uns der Tatsache, daß der Calcaneus bei den 
Hackenfüßen zwischen zwei ungleich wirkenden Muskelzügen, den 
gesunden Sohlenmuskeln und dem überdehnten funktionsunfähigen 
Gastrocnemius eingeschaltet ist, daß die gesunde Sohlenmuskulatur 
bei jedem Schritt zu erneuten Kontraktionen innerviert wird, also 
beständig am Tuber calcanei zieht, so muß besonders bei dem im 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


357 


Wachstum begriffenen Calcaneus der Kinder nicht nur eine Ver¬ 
änderung in der Verlaufsrichtung, der Strukturbälkchen, sondern es 
muß auch dem Gesetze der stärkeren Inanspruchnahme an der In¬ 
sertionsstelle der kurzen Plantarmuskeln am Tuber calcanei ein ent¬ 
sprechend stärkeres Wachstum der Knochensubstanz erfolgen. So 
sehen wir denn die Form des Calcaneus, wie schon Nicoladoni 
beschreibt, ganz erheblich im Sinne des stattfindenden Zuges und 
der stattfindenden Beanspruchung verändert. Einen Durchschnitt 
durch einen normalen Calcaneus und durch einen pathologisch ver¬ 
änderten Calcaneus gibt Nicoladoni in seiner Abhandlung über 
den Pes calcaneus (Fig. 8 a pathologischer Calcaneus, Fig. 8 b nor¬ 
maler Calcaneus). Er gibt hierzu folgende 
Schilderung: „Beim normalen Sagittal- 
schnitt folgt auf die Ecke b eine lange, 
senkrecht stehende Linie b c, welche zur 
Insertion der Achillessehne dient. Diese 
Linie ist am Sagittalschnitt des Pes cal¬ 
caneus nicht eine einfache, sondern zeigt bei 
dem Punkt e eine Abknickung; hier findet 
sich eine Ecke, welche an normalen Cal¬ 
canei nicht gefunden wird, über welche 
Ecke hinaus die Fasern der Achillessehne 
zu verfolgen sind. Hierauf folgt die Tu- 
berositas ossis calc. e d; sie sieht beim nor¬ 
malen Knaben nach ab- und rückwärts, bei 
dem Präparat des Pes calc. jedoch zeigt sie 
sogar eine leise Erhebung nach vorne e d. 
zeigt die untere Kontur des Fersenbeinkörpers eine deutliche Aus¬ 
kehlung, welche an normalen Calcanei vollständig vermißt wird. — 
Dieser Konturenvergleich zeigt, daß der Calcaneus des Pes calc. in 
seinem hinter dem Talocalcanealgelenk gelegenen Anteil entschieden 
nach abwärts verbogen wurde. 

Entsprechend demselben Gesetz der Inanspruchnahme sehen 
wir am Tuber calcanei ein engmaschiges Netz fester kalksalzhaltiger 
Knochenbälkchen, während am Proc. posterior weite kalksalzarme 
Strukturbälkchen die geringe Inanspruchnahme dieses Teiles des 
Calcaneus verraten. 

Die Anschauung Nicoladonis, daß die Entstehung des 
Hackenfußes auf eine einseitige Zugwirkung der gesunden kurzen 


Fig. 8. 



Vor dieser Tuberositas 


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Pürckhauer. 


Plantarmuskulatur am Tuber calcanei zurückzuführen ist, ist wohl 
jetzt allgemein anerkannt. 

Wie rasch es zur Steilstellung des Calcaneus kommen kann, 
darüber geben uns die von Wittek in seiner Abhandlung über 
den traumatischen Pes calc. mitgeteilten Fälle Aufschluß. Er teilt 
einen Fall mit, wo schon 3 Wochen nach stattgefundener Durcb- 
trennung der Achillessehne ein Tiefstand der Hacke beobachtet 
wurde, wie wir ihn bei paralytischen Hackenfüßen erst nach Jahren 
beobachten können. 

Ohne auf den traumatischen Pes calc. näher einzugehen, 
möchte ich nur den durch die Hand des Arztes verursachten Hacken¬ 
fuß mit einigen Worten streifen, wie er nach Eingriffen bei 
Durchtrennung der Achillessehne beobachtet wird. Wittek be¬ 
schreibt in der oben genannten Arbeit 3 Fälle von traumatischem 
Hackenfuß, von denen einer nach Durchtrennung der Achillessehne 
bei Littlescher Gliederstarre entstand. Wir haben in unserer 
Klinik Gelegenheit gehabt, die Folgen der queren Achillotenotomie 
bei mehreren auswärts operierten Fällen von Little scher Glieder¬ 
starre zu beobachten. In 2 Fällen mußten wir die doppelseitig 
fehlende Achillessehne durch eine Sehnenverpflanzung ersetzen, ln 
den anderen Fällen konnten wir nur mit großer Mühe durch Sdiienen- 
apparate einen einigermaßen befriedigenden Erfolg erzielen, nachdem 
die Genehmigung zur Operation verweigert worden war. Bei den 
Patienten — es handelt sich im ganzen um 5 Fälle, welche wir inner¬ 
halb 4 Jahren mit derartigen Operationsresultaten zu sehen bekamen — 
wurde in frühester Kindheit wegen bestehender Spitzfüße die Achilles¬ 
sehne auswärts quer tenotomiert und die Füße in übertriebener 
Hackenfußstellung fixiert. Wenn auch eine Wiedervereinigung der 
durchtrennten Achillessehnenteile stattgefunden hatte, so war diese 
nun doch so verlängert und geschwächt, daß sie den in beständigem 
Kontraktionszustand befindlichen kurzen Sohlenmuskeln nicht das 
nötige Gegengewicht entgegensetzen konnte; eine ausgesprochene 
Steilstellung des Calcaneus war die Folge dieser Operation, Vir 
machen deshalb in allen Fällen von spastischen Lähmungen die 
treppenförmige Tenotomie der Achillessehne und vermeiden so ein 
zu weites Auseinanderrücken der durchschnittenen Sehnenteile. 

Kach dieser Besprechung der Skelettveränderung am unteren 
Sprunggelenk möchte ich nur kurz noch die Veränderungen streifen, 
die sich beim Pes calc. am vorderen Sprunggelenk, dem sog. 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


359 


Chopartschen Gelenk, vorfinden. Das Chopartsche Gelenk besteht 
aus zwei gesonderten Gelenken, dem Gelenk zwischen Talus und 
Navikulare einerseits und zwischen Calcaneus und Guboid anderseits. 
Der vor dem Chopartschen Gelenk gelegene Teil des Fußskeletts 
kommt wegen der nahezu starren Verbindung der einzelnen Skelett¬ 
teile untereinander kaum in Betracht. Die ganze Skelettanlage des 
normalen ruhenden Fußes bildet bekanntlich ein Nischengewölbe, 
das auf drei Punkten ruht. Es ist am höchsten am inneren Fu߬ 
rand und fällt nach vorne hinten und außen ab, so daß der äußere 
Gewölbebogen flacher und kürzer ist. Den Schlußteil des Gewölbes 
bildet der Sprungbeinkopf am Chopartschen Gelenk. Die Fu߬ 
punkte des Gewölbes sind: das Tuber calcanei, die Tuberositas meta- 
tarsi V und das Cap. oss. met. I, die miteinander das Unterstülzungs- 
dreieck des Fußes bilden. Beim Pes calcaneus werden infolge des 
Muskelzuges zwischen Fersenbein und Vorderfuß die Unterstützungs- 
punkte des Fußes einander genähert, wodurch naturgemäß der äußere 
und innere Bogen des Fußgewölbes stärker gespannt werden. Je 
mehr nun das Fußgewölbe gespannt und je kürzer es wird, desto 
höher muß es werden, und um so höher muß besonders der Schlu߬ 
stein des Gewölbes, der Taluskopf, treten. Am Chopartschen Ge¬ 
lenk dokumentiert sich dieser Vorgang durch ein Klaffen des Gelenk¬ 
spaltes auf der Dorsalseite; dieses Klaffen wird erleichtert durch 
die normalerweise schlaffen Gelenkbänder des Fußrückens. Während 
also am oberen Bogen des Fußrückens eine Spannung und dadurch 
ein Auseinanderweichen der Gelenkverbindung stattfindet, wird am 
unteren Bogen ein Zusammenpressen die Folge sein, die allmählich 
in der Konfiguration der Knochen ihren greifbaren Ausdruck findet: 
das Navikulare sowohl wie das Cuboid werden sich allmählich 
mehr der Keilform nähern, deren Basis oben, deren Spitze nach 
unten sieht. 

Am normalen Fuß sitzt der Talus auf dem Calcaneus so auf, 
daß er nach innen überhängt; die Schwerlinie des Körpers, welche 
durch die Mitte der Unterschenkelknochen und den Talus gezogen 
wird, fällt nach innen von dem Unterstützungspunkt des Calcaneus. 
Der normal belastete Fuß steht also schon etwas in Pronations¬ 
stellung. Beim Pes calcaneus paralyticus ist gewöhnlich nur der 
Gastrocnemius gelähmt, sehr häufig fehlt auch der Tibialis posticus, 
während die Pronatoren meist sehr gut erhalten sind. Die Folge 
wird neben der Calcaneusstellung noch eine Vermehrung der natür- 


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Piirckhauer. 


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liehen Pronationsstellung des Fußes sein. Wir werden einen Pes 
calcaneus valgus haben. Dieser Pes calcaneus valgus zeichnet sich 
häufig durch eine eigentümliche, längs verlaufende mediane Furche 
aus, welche durch die Mitte des Zehenballens in die Planta pedis 
ausläuft. Ich glaube, daß dieselbe wohl der Ausdruck des gut er¬ 
haltenen, im Sinne der Pronation wirkenden Peroneus longus ist, 
den schon Jeanette als die Ursache vieler Hohlfüße bezeichnete. 
Auf die näheren Variationen der Hackenfußstellung, wie sie sich je nach 
Lähmung der einzelnen Muskeln ergeben, will ich nicht näher eingelien. 

Bei der Besprechung des angeborenen Hackenfußes habe ich 
die Therapie desselben bis zu dem Zeitpunkte besprochen, wo Ver¬ 
änderungen des Fußskelettes anatomisch und klinisch noch nicht 
nachzuweisen sind. Wir haben gesehen, daß man dabei meist mit 
einfachen orthopädischen oder orthopädisch-chirurgischen Eingriffen 
auskommen kann. Anders verhält es sich aber, wenn die oben be¬ 
sprochenen Veränderungen am Skelett, insbesondere die Steilstellung 
des Calcaneus, im Entwickeln begriffen sind, oder wenn dieselben 
schon einen mehr oder weniger hohen Grad erreicht haben. Ich 
glaube nachgewiesen zu haben, daß die anatomischen Veränderungen 
am Calcaneus auch beim angeborenen Hackenfuß im Laufe der Zeit 
ebenso hochgradig werden können als beim paralytischen oder trau¬ 
matischen Pes calcaneus. Und so sind auch für therapeutische Ma߬ 
nahmen dieselben Gesichtspunkte maßgebend. Der leitende Grund¬ 
satz aller therapeutischen Vornahmen muß uns sein, für den Ausfall 
der überdehnten resp. gelähmten Wadenmuskulatur Ersatz zu schaffen 
und dadurch dem Zuge der straffen kurzen Sohlenmuskulatur wirk¬ 
sam entgegenzutreten. 

Bekommen wir einen angeborenen oder seit längerer Zeit ab¬ 
gelaufenen paralytischen Hackenfuß, bei welchem eine Erholung des 
Gastrocnemius sicher als ausgeschlossen zu betrachten ist, in Be¬ 
handlung, so wird uns das aufgenommene Röntgenbild darüber auf¬ 
klären, inwieweit sich die Calcaneusrichtungsliuie von der normalen 
entfernt. Dieselbe verläuft, wie wir oben auseinandergesetzt haben, 
bei rechtwinklig gestelltem normalen Fuß parallel zur Unterschenkel- 
epiphvsenlinie. Sie wird bei allen Hackenfüßen mit letzterer einen 
Winkel bilden; geht dieser Winkel über einen halben rechten hinaus, 
so werden wir gezwungen sein, neben dem plastischen Ersatz des 
Gastrocnemius auch eine plastische Operation am Fußskelett selbst 
vorzunehmen. 


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Zar Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 361 

Es würden jedoch diese später zu besprechenden plastischen 
Operationen keinen vollen kosmetischen und dauernd praktischen 
Erfolg erzielen, wenn wir nicht vor der Vornahme des blutigen 
Eingriffes eine auf die Beseitigung der bestehenden Deformität hin¬ 
zielende orthopädische Behandlung vorausgehen lassen würden. Es 
muß der Grundsatz jeder Behandlung des Pes calcaneus sein, vor 
allen anderen Eingriffen ein modellierendes Redressement des Fu߬ 
skelettes vorzunehmen und den Fuß durch die Vornahme zu einer 
möglichst normalen äußeren Gestaltung zu führen. Zur Erreichung 
dieser modellierenden Umgestaltung des Fußskelettes sind die ver¬ 
schiedensten Apparate in Benützung. Ich führe nur die Namen 
Heusner, Redard, Beely und Stille an, die durch Angabe 


Fig. 9. 



sinnreicher Apparate sich ein Verdienst um das Redressement des 
Pes calcaneus erworben haben. Das Prinzip aller dieser Apparate 
besteht darin, den Fuß auf eine starre Fußplatte zu fixieren und 
das Fußgewölbe durch einen senkrecht von oben nach unten wir¬ 
kenden Schraubenzug abzuflachen. Diesen Apparaten haftet nun fast 
allen der Nachteil an, daß die Ferse nicht genügend nach hinten 
gezogen werden kann. Codivilla und in neuerer Zeit Galeazzi 
haben diesem Nachteil durch Abänderung des ursprünglichen Stille¬ 
schen Apparates abgeholfen und wollen dadurch ausgezeichnete Re¬ 
sultate erreicht haben. Auf die Beschreibung dieser Apparate will 
ich nicht näher eingehen. Ich möchte nur in kurzem die Methode 
beschreiben und in einer Abbildung erläutern, die Lange seit Jahren 
anwendet. Sie hat den Vorteil, daß sie ohne Beschaffung eines 
eigenen kompendiösen Apparates mit einfachen Mitteln allen An- 


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Pürckhauer. 


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forderungen gerecht wird. Die Methode beruht auf der Anbringung 
geeigneter Bindenschraubenzüge, ähnlich wie wir sie bei den Re¬ 
dressements aller Fußdeformitäten ausüben. Der zu adressierende 
Fuß ist oberhalb der Malleolen fest, durch Gummikissen geschützt, 
in unserem Osteoklasten eingespannt (siehe Fig. 9). Ein Träger¬ 
gurt, der zugleich mit dem Fuß in den Osteoklasten unverrückbar 
eingespannt ist, verläuft um den Calcaneus, fixiert ihn kräftig nach 
rückwärts und hält dadurch den Fuß in möglichster Spitzfußstellung. 
Ein zweiter Trägergurt verläuft um die Fußsohlen direkt über den 
Zehenballen, er ist mit einer Schraube am Kopfende des Patienten 
in Verbindung. Durch Anziehen dieser Schraube wird der Fuß all¬ 
mählich in Dorsalflexion gebracht; während der Calcaneus unver¬ 
rückbar nach hinten gehalten wird, spannt sich die Plantarnius- 
kulatur und die Plantarfascie ad maximum. Ein dritter Gurt wird 
uun über den höchsten Punkt des Fußrückens gelegt und mit einer 
am Fußende des Rahmentisches angebrachten Schraube in Verbin¬ 
dung gebracht. Dieser Zug läuft also den beiden ersten Zügen 
direkt entgegen; mit seiner Hilfe ist es möglich, einen derartigen 
Druck auf die Knochen des Fußgewölbes auszuüben, daß man die¬ 
selben direkt nach unten gegen die Fußsohle durchdrücken kann. 
Durch wechselseitiges Anziehen der Schrauben machen wir sehr 
bald aus dem Pes excavatus einen Pes planus. Spannen sich die 
Weichteile derart, daß ein Einriß bevorsteht, und ist das Redresse¬ 
ment noch kein genügendes, so kann man durch eine subkutane 
Durchschneidung der Plantarfascie und einer Tenotomie der Plantar- 
muskulatur abhelfen. 

Ist durch das modellierende Redressement eine gute äußere 
Fußform erreicht, so legen wir den Fuß für die Dauer von 14 Tagen 
bis 4 Wochen in einen möglichst korrigierenden Gipsverband und 
zwar in maximaler Spitzfußstellung. Ist das Redressement ein ge¬ 
nügendes und schonendes gewesen, so können wir gleich den zweiten 
Akt der Operation anschließen: den Ersatz des Gastrocnemius 
durch Sehnen Verpflanzung. Doch raten wir im allgemeinen 
nicht, die Sehnen Verpflanzung gleich nach dem Redressement vor¬ 
zunehmen, da wegen der bei jedem stärkeren Redressement ein¬ 
tretenden Sugillationen und Zerreißungen die Gefahr besteht, daß 
die verpflanzten Sehnen mit der Umgebung Verwachsungen ein- 
gehen, womit natürlich ihre aktive Beweglichkeit eingebüßt und ihr 
Zweck verfehlt wäre. 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 363 

Der Ersatz- des Gastrocnemius stößt bei dem angeborenen 
Hackenfuß nie, bei dem paralytischen nur selten auf Schwierigkeiten. 
Bei dem angeborenen Pes calcaneus besteht ja nur eine Ueber- 
dehnung, d. h. eine Verlängerung des Gastrocnemius. Will man zu 
seiner Verstärkung nicht einen gesunden Muskel opfern, so kommt 
die Verkürzung desselben in Frage. Wir haben dieselbe häufig 
gemacht und zwar mittels der von Lange angegebenen Raffnaht 
und können nur über gute Resultate speziell beim Hackenfuß be¬ 
richten. Wenn uns nun aber auch die Raffung sehr selten im Stich 
gelassen hat, so bleibt doch oft die gewünschte kräftige Funktion 
des verkürzten Muskels aus, der eben doch offenbar während der 
langen Zeit seiner Untätigkeit stark gelitten hat. Deshalb machen 
wir möglichst neben der Raffung der Achillessehne die Durchflech- 
tung der Achillessehne in ihrem untersten Drittel mit dem Peroneus 
longus und .die periostale Vernähung derselben auf den Proc. 
post. calc. 

Bei dem paralytischen Hackenfuß dagegen sind wir auf den 
reinen Ersatz des Gastrocnemius durch einen funktionstüchtig er¬ 
haltenen Muskel angewiesen. Wir verwenden gewöhnlich den Pero¬ 
neus longus. Ist derselbe nicht genügend kräftig, so nehmen wir 
auch den Peroneus brevis, zugleich aber dessen Antagonisten, den 
Tibialis post., in ganz seltenen Fällen haben wir auch noch einen 
der Flexoren verwendet. Diese Muskeln vernähen wir genau in der 
oben angegebenen Weise auf den Proc. post. calc. in möglichst guter 
Spannung und der Haltung des Fußes in Spitzfußstellung. Wie 
kräftig diese Muskeln später wirken, zeigt ein Patient, bei welchem 
wir anfangs Juni dieses Jahres eine Verpflanzung der Peronei und 
des Tibialis post, als Ersatz für den gelähmten Gastrocnemius auf 
den Proc. calc. ausgeführt haben. Derselbe vermochte Mitte Sep¬ 
tember 1800 g, also nahezu 4 Pfund, mit der Fußspitze nach ab¬ 
wärts zu drücken. Die Fußform des Patienten ist normal, die Geh¬ 
fähigkeit desselben wird nur mehr durch die anderweitig vorliegende 
Lähmung der Becken- und Oberschenkelmuskulatur beeinträchtigt. 

Die Verpflanzung des Peroneus longus hat noch einen zweiten 
Erfolg insofern, als durch dessen Abtrennung eine Ursache der Hohl¬ 
fußbildung wegfällt. Duchenne hat schon früher auf die Bedeu¬ 
tung des Peroneus long. als Hohlfußbildner hingewiesen. 

Das Redressement mit nachfolgender Sehnenverpflanzung hat 
uns in einer Anzahl von Hackenfußoperationen ausgezeichnete Re- 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 24 


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Pürckbauer. 


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sultate gegeben. Meist hat man zu diesen Operationen noch die 
Tenotomie der Plantarfascie oder Durchschneidung der kurzen 
Plantarmuskulatur hinzuzufügen. Es ist aber kein Zweifel, daß es 
Fälle gibt, bei welchen wir mit diesen Operationsmethoden allein 
nicht mehr auskommen. 

Hat sich einmal die Steilstellung des Calcaneus über einen 
bestimmten Winkel hinaus vollzogen, so müßten wir, um den Cal¬ 
caneus in seine normale Stellung zu bringen, eine so vollkommene 
Lockerung in den Gelenkverbindungen vornehmen, daß dieselbe nicht 
ohne Einfluß auf die übrigen Gelenke des Fußes sein könnte. Ganz 
abgesehen davon, daß die maximal verkürzten Weichteile und Bänder 
einen derartigen Eingriff nur durch wiederholte Redressements zu¬ 
ließen, bis die nun wichtige Sehnenverpflanzung ausgeführt werden 
kann. Die Behandlung des Hackenfußes würde dadurch eine äußerst 
schwierige und langdauernde. 

Durch die plastische Operation am Fußskelett selbst 
ist uns aber eine Methode in der Behandlung des Hackenfußes an , 
die Hand gegeben, die diese Uebelstände ausschaltet und die Hacken¬ 
fußoperationen zu einem relativ harmlosen Eingriff macht und die 
Behandlungsdauer wesentlich abkürzt. 

Wenn man von der eingreifenden Arthrodese des Talocrural- 
gelenkes, wie sie früher von Volkmann vorgeschlagen und aus¬ 
geführt wurde, absieht, so stehen uns zwei Operationsmethoden am 
Fußskelett zur Wahl, die die Tatsache für sich haben, daß durch 
sie die Knochen selbst als Ursache der Deformierung angegriffen 
werden. Die eine Methode geht von dem Gedanken aus, den Hohl¬ 
fuß zu beseitigen, und nimmt an dem höchsten Bogen des Fu߬ 
skelettes eine Keilresektion vor. Durch die Beseitigung der Hohl¬ 
fußdeformität soll zugleich eine Korrektion der Calcaneusstellung 
nach hinten erfolgen. Robert Jones meißelt aus dem Tarsus 
einen Keil heraus ohne Rücksicht auf die beteiligten Knochen; er 
verursacht dadurch eine Ankylose im Chopartschen Gelenk. Laurent 
nimmt aus dem Navikulare und dem Cuboid einen Teil heraus unter 
Schonung der Gelenkflächen. Hof mann verlegt den höchsten Punkt 
der Hoblfußdeformität in die Keilbeinreihe und nimmt eine Enuklea¬ 
tion der drei Keilbeine vor mit Resektion des Cuboid und der Meta* 
tarsalbasen. Von diesen drei Operationsmethoden ist die von Laurent 
die wenigst eingreifende, während die von Hofmann empfohlene 
gerade das Gegenteil ist. Ganz abgesehen von der Verkürzung des 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


365 


Fußes, die durch eine derartige Resektion eintreten muß und die 
bei dem ohnehin schon kürzeren Fuß gewiß nicht erwünscht sein 
kann, ist es mir noch sehr zweifelhaft, ob er durch seine Methode 
eine Korrektion der Calcaneusstellung wirklich bekommt. Und wenn 
er sie bekommt, so müßte er auch dafür sorgen, sie zu erhalten. 
Die verkürzte Plantarmuskulatur und die Weichteile der Fußsohle, 
die durch seine Methode gar nicht in Angriff genommen werden, 
werden, wenn die Fixation im Qipsverband aufhört, in kürzerer oder 
längerer Zeit sicher zum Rezidiv führen, da für einen Ersatz des 
antagonistisch wirkenden Gastrocnemius nicht Sorge getragen ist. 
Hof mann glaubt, eine Durchtrennung der geschrumpften Weich- 
teile der Planta pedis sei zwecklos, da sie ja nicht die Ursache der 
Deformität beseitigen. Damit setzt er sich aber in Gegensatz zu 
Nicoladoni, Wittek u. a., die gerade die Ursache der Hacken- 
und Hohlfußbildung auf die überwiegende Wirkung der kurzen 
Plantarmuskulatur schieben. Jedenfalls ist die von Hofmann vor¬ 
geschlagene Methode nicht für die Beseitigung des paralytischen 
Hackenhohlfußes zu empfehlen. Sie ist eingreifender wie die Me¬ 
thode von Jones und Laurent, schützt nicht vor Rezidiv und 
verursacht zu der schon bestehenden Verkürzung des Fußes noch 
eine weitere Verkürzung. Die Methode von Laurent haben 
wir in einem Falle doppelseitig angeborenen Hohlfußes angewendet, 
bei der die Steilstellung des Calcaneus eine minimale war. Wir 
haben durch die ausgeführte Operation beiderseits ein sowohl kos¬ 
metisch als praktisch befriedigendes Resultat ohne Verkürzung der 
Füße erzielt. 

Im allgemeinen jedoch können wir der Methode, die ihren 
Angriffspunkt vor das Fußgelenk verlegt, deshalb nicht das Wort 
reden, weil die Steilstellung des Calcaneus gar nicht berücksichtigt 
wird, und wir halten die zweite Methode, die die Steilstellung des 
Calcaneus selbst angreift, für die weit einfachere, schonendere und 
vor Rezidiven sichere. Es war Hoffa, der zuerst eine Abmeiße- 
lung des unteren Teiles des Calcaneus und eine Verschiebung dieses 
Teiles nach hinten vorschlug, ganz ähnlich wie sie Gleich bei 
seiner Plattfußoperation, nur in umgekehrter Richtung, ausführt. In 
letzter Zeit hat Galleazzi wieder auf diese Methode hingewiesen. 
Er veröffentlicht eine Reihe schöner, die Vorzüglichkeit dieser 
Methode beweisender Bilder. Er verbessert die von Hoffa vor¬ 
geschlagene geradlinige Abmeißelung in eine kreisförmige und ver- 


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Pürckhauer. 


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ineidet auf diese Weise, daß ein vorderer Sporn am stehenbleibenden 
Calcaneus gebildet wird. Wir können die Angaben Galleazzis 
Ober die Vorzüglichkeit dieser Methode nur bestätigen, da wir sie 
seit 4 Jahren in ausgedehnter Weise gebrauchen. Nach Abtrennung 
der Weichteile am Proc. anter. calc. und Abmeißelung des unteren 
Fortsatzes des Calcaneus fixieren wir uns mittels eines durch die 
Haut durchgeschlagenen, bis in den Calcaneus reichenden verzinnten 
Stahlstiftes den abgemeißelten Calcaneusfortsatz und fügen sofort 
entweder die plastische Verkürzung der Achillessehne oder die 
periostale Sehnenverpflanzung auf den abgemeißelten Calcaneusfort¬ 
satz an. Wir sichern uns durch diesen Stift die Lage des Calcaneus- 
fortsatzes und das Resultat der periostalen Sehnenverpflanzung. Die 
Fixierung der Calcaneusscheibe nach hinten ist auch nach der Durch¬ 
trennung der Plantarweichteile meist sehr schwierig. Die Scheibe 
sucht immer wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückzurutschen, 
So daß wir uns zu dieser Fixierung mittels des verzinnten Stahl¬ 
stiftes entschlossen haben. Der Stift wird nach 14 Tagen, ohne 
daß Patient irgend eine Empfindung davon hat, entfernt. Irgend¬ 
welche nachteilige Folgen von dieser Fixierung haben wir ebenso¬ 
wenig wie bei der Codivillaschen Nagelextension gesehen. 

Da uns unsere Resultate und die Zahl der operierten Fälle — 
es handelt sich um 25 auf die oben angegebene Methode operierte 
Fälle innerhalb 4 Jahren — ein abschließendes Urteil gestatten, 
können wir die kombinierte Weichteilknocbenplastik als die nahezu 
ideale Methode aller Hackenhohlfußoperationen bezeichnen. Wir 
erreichten in allen unseren Fällen eine fast normale Fußform, der 
praktische Erfolg war in allen Fällen, wo wir noch einigermaßen 
gutes Muskelmaterial vorfanden, ein sehr guter: die Patienten ver¬ 
loren vor allem den unschönen stelzenden und unsicheren Gang und 
waren sehr kurze Zeit nach Entlassung bedeutend leistungsfähiger 
wie vor der Operation. Die aufgenommenen Röntgenbilder von 
früher operierten Fällen bestätigen die von Galleazzi beschriebene 
Tatsache, daß der operierte Calcaneus eine vollständig physiologische 
Gestalt angenommen hat, und die Anordnung der Strukturbälkchen 
von der eines normalen Fersenbeines nicht mehr zu unterscheiden ist. 


Im nachfolgenden füge ich zur Illustration meiner Ausfüh¬ 
rungen auch einige einschlägige Krankengeschichten mit dazuge¬ 
hörigen Photographien bei: 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


367 


Fig. 10 n. 


1. Antonie G., 18 Jahre alt, stammt von gesunden Eltern. 
Mit 2 Jahren machte sie eine schwere Kinderlähmung durch, von 
der eine teilweise Lähmung des linken 
Beines übrig blieb. Patientin trägt 
seit längerer Zeit einen Apparat, der 
ihr das Gehen ermöglicht. 

Status: Das ganze linke Bein 
ist im Wachstum zurückgeblieben; es 
ist kürzer als das rechte; die Musku¬ 
latur des Ober- und Unterschenkels 
ist bedeutend schwächer als die der 
rechten. Es besteht eine Beugekon¬ 
traktur im Knie von 150°, die sich 
passiv nicht strecken läßt. Der 
linke Fuß ist im ganzen verkümmert; 
er ist um ein Drittel kürzer als der 
rechte; der Fuß steht in ausgesproche¬ 
ner Calcaneus - excavatus - Stellung. Von den Muskeln des Unter¬ 
schenkels funktioniert der Gastrocnemius nur sehr schlecht, ebenso 



Fig. 10 b. Fig. 10 c. 



die Peronei und der Tib. posticus; die übrigen Muskeln funktionieren 
gut. Patientin hinkt sehr stark; die Verkürzung des Beins beträgt 
4 cm. 


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Pürckhauer. 



Das aufgenommene Röntgenbild des Fußes zeigt sehr starke 
Steilstellung des Calcaneus; die Calcaneusrichtungslinie bildet mit 
der Unterschenkelepiphysenlinie einen Winkel von 70°. 

In Aethernarkose: 1. Suprakondyläre Keilosteotomie des Fußes 
mit Erhaltung der hinteren Brücke. 2. Calcaneusplastik von einem 
Schnitt an der Innenseite; Abtrennung der Fascia plantaris, gerad¬ 
linige Abmeißelung des hinteren Fußsatzes des Calcaneus, Verschie¬ 
bung desselben nach hinten oben und Fixierung desselben durch 
verzinnten Stahlstift. 3. Raffung der Achillessehne, die gute Muskel¬ 
fasern aufweist, mittels Langescher Raffnaht, nachdem sich die 
Peronei der Tib. postie. und der Plex. dig. longus beim Nachsehen 


Fi g. 11 a. 



völlig gelähmt zeigen. — Gips und Spitzfußstellung und Streckung 
im Knie. — Nach 14 Tagen Entfernung des Stahlstiftes und der 
Nähte. Nach 6 Wochen wird Patientin mit einer kurzen Kniehülse 
und einer Schuheinlage entlassen. 

Am 3. Juli 1911 — l 1 /* Jahre nach der Operation — wird 
folgender Befund erhoben: Das linke Knie ist vollkommen gestreckt 
und frei beweglich. Der linke Fuß steht in leichter Spitzfußstellung; 
der Calcaneus excavatus ist vollkommen beseitigt; die Achillessehne 
arbeitet kräftig und spannt sich sehr gut an; aktive Dorsalflexion 
bis zum rechten Winkel; aktive Plantarflexion um 40° möglich. 

Fig. 10a zeigt den Fuß vor der Operation; Fig. 10b nach 
der Operation; Fig. 10c in seiner Exkursionsmöglichkeit nach der 
Operation. 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 369 

Fig. 11a gibt das Röntgenogramm vor der Operation wieder 
und zeigt die starke Steilstellung des Calcaneus. Fig. 11 b zeigt 
die Umformung des Calcaneus nach der Operation; der Sporn an 
der Basis des Tub. calc. zeigt die Nachteile der geradlinigen Ab- 
uieißelung, die wir nun nach dem Vorschlag Galleazzis in eine 
halbkreisförmige umgeändert haben. 

2. Marie M., 6 Jahre, machte mit einem Jahre Poliomyelitis 
durch; im Anschluß daran Lähmung des rechten Fußes. 

Befund: Das ganze rechte Bein, insbesondere der Fuß, 
ist bedeutend schwächer entwickelt als links. Es besteht ein aus¬ 
gesprochener Hackenhohlfuß mit Neigung zum Valgus. Von den 


Fig. 11b. 



Muskeln des Unterschenkels sind gelähmt: der Gastrocnemius, der 
Tib. posticus und der Flex. digit. Das Röntgenbild zeigt ausge¬ 
sprochene Steilstellung des Calcaneus. 

6. Mai 1909. Redressement des Hohlfußes mittels Schrauben¬ 
zuges; es gelingt, den Hohlfuß nahezu vollständig zu beseitigen. — 
Gips in möglichster Korrektionsstellung. 

15. Mai 1909. Abnahme des Gipsverbandes. Der Hohlfuß geht 
wieder in die ursprüngliche Stellung zurück; deshalb in Narkose: 
Calcaneusplastik nach der oben beschriebenen Weise und Vernähung 
beider Peronei, da sich der Tib. posticus als gelähmt erweist, auf 
den nach hinten oben verschobenen Proc. post. calc. 

Nach 10 Tagen Entfernung des Nagels; nach weiteren 14 Tagen 
Entlassung der Patientin mit Einlage und Nachtschiene. 


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370 


Pürckhauer. 


24. Oktober 1910. Der Fuß steht in leichter Spitzfußstellung; 
der Hackenhohlfuß ist vollkommen beseitigt; die Plantarflexion ge¬ 
lingt um 30°, die verpflanzten Peronei spannen sich sehr kräftig 
bei der Plantarflexion an und vermögen ein Gewicht von 1600 g 
wegzudrücken, die Dorsalflexion gelingt bis zum rechten Winkel. 

Die Fig. 12 a und b zeigen den Fuß vor und nach der Operation. 

Die Fig. 13 a und b zeigen das Röntgenogramm vor und nach 
der Operation; in Fig. 13 b ist besonders schön die Umformung des 
Calcaneus zu sehen, der von einem normalen kaum zu unterschei¬ 
den ist. 



3. Babette K., 11 Jahre alt, wurde ohne Kunsthilfe in Schädel¬ 
lage geboren; das rechte Füßchen wurde nach Angabe der Eltern 
an dem Kind innen an den „Unterschenkel gezogen“; mit l z Jahr 
wurde von einem Arzt ein Gipsverband angelegt, den das Kind längere 
Zeit trug, doch offenbar mit wenig Erfolg. Das Kind könne jetzt 
nur mehr */ 4 Stunde gehen und trete meist nur mit der Ferse auf. 

Befund: Der rechte Fuß ist im ganzen bedeutend kürzer als 
der linke; er ist ein ausgesprochener Hackenhohlfuß mit Neigung 
zum Valgus. Von den Muskeln des Unterschenkels ist kein einziger 
gelähmt; auch der Gastrocnemius zeigt Leben, ist aber stark über¬ 
dehnt. Der Fuß kann aktiv weit über die Normale dorsalflektiert, 
werden, während die Plantarflexion nur bis zum rechten Winkel 
gelingt. Der Calcaneus steht nach dem aufgenommenen Röntgen¬ 
bild außerordentlich steil. 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 


371 


10. Juni 1910. Calcaneusplastik nach der oben beschriebenen 
Weise. Da der Tib. postic. schlechte Muskelfasern aufweist, werden 

Fig. 13 a. 



beide Peronei durchflochten, durch den unteren Teil der Achilles¬ 
sehne durchflochten und periostal an den Proc. post. calc. mittels 

Fig. 13 b. 



vier starker Seidenfäden vernäht. Die Heilung verläuft ohne 
Störung. 

13. November 1911. Der Fuß ist immer noch kürzer als der 
linke, doch ist der Unterschied lange nicht mehr so auffallend wie 


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372 


Pürckhauer. 



vor der Operation. Der Hackenhohlfuß ist vollkommen beseitigt; 
das Gewölbe normal hoch. Der Fuß kann bis 60° dorsalflektiert 
und bis 120° plantarflektiert werden, wobei sich die verpflanzten 


Fig. 14 a. 



Peronei außerordentlich kräftig anspannen. Das Kind kann 3 Stun¬ 
den ohne Beschwerden gehen. 

Das aufgenommene Röntgenbild vor und nach der Operation 



wird in Fig. 14 a und b wiedergegeben. In Fig. 14 b vom 13. No¬ 
vember 1911 ist die Meißellinie selbst noch gut zu sehen; die 
Konturen des Calcaneus gehen aber vollkommen glatt ineinander 


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Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 373 

über; die Anordnung der Strukturbälkchen ist die eines normalen 
Calcaneus. Die Calcaneusrichtungslinie ist nahezu parallel der Unter¬ 
schenkelepiphysenlinie. 

Charakteristisch für diejenigen paralytischen Hackenhohlfüße, 
die nur mäßige Steilstellung des Calcaneus aufweisen und durch 
Sehnenverpflanzung allein sich bessern, ist nachstehender Fall: 

4. Heinrich S., 3*/« Jahre, war früher ganz gesund; im An¬ 
schluß an einen Fall erkrankte der kleine Patient mit l 1 /* Jahren 
unter fieberhaften Erscheinungen. Seit dieser Zeit setzt der Kleine 
beim Qehen das Füßchen nur mit der Ferse auf. 

Befund: Der kräftige, gut genährte Junge hält das rechte 
Füßchen in ausgesprochener Hackenfußstellung dorsalflektiert, so daß 
die Ferse in der Verlängerung des Unterschenkels steht; das Fü߬ 
chen ist bedeutend kürzer als das linke; beim Auftreten wird das 
Füßchen zuerst auf den Hacken aufgesetzt, dann kommt aber auch 
der Vorderfuß in Berührung mit dem Boden, zugleich knickt der 
Fuß in Valgussteilung um. Die aktive Dorsalflexion gelingt bis 45°; 
die Plantarflexion bis 110° wird ausgeführt durch die Peronei. Von 
den Muskeln des Unterschenkels sind gelähmt der Tibial. postic., 
stark geschwächt und überdehnt der Gastrocnemius. 

Das Röntgenbild zeigt mäßige Steilstellung des Calcaneus; 
jedenfalls beträgt die Drehung um die horizontale Achse nicht über 
30°; es wurden deshalb nach vorausgegangenem Schraubenredresse¬ 
ment die sehr guten Peronei angeflochten, und nachdem die über¬ 
dehnte Achillessehne gerafft ist, wird periostal an der Proc. post, 
calc. vernäht. 

Das Resultat der Operation ist ein sehr befriedigendes: der 
Hackenhohlfuß ist verschwunden. Der Patient tritt mit der ganzen 
Sohlenfläche auf, ohne mehr umzukippen. Die aktive Dorsalflexion 
gelingt bis 60°, die aktive Plantarflexion bis 130°; hierbei spannen 
sich die verpflanzten Peronei sehr kräftig an. 


Literatur. 

Nicoladoni, Ueber den Pes calcaneus. Archiv f. klin. Chir. Bd. 26, Heft 2. 
Wittek, Ueber den Pes calc. träum. Archiv f. klin. Chir. Bd. 64, Heft 5 u. 6. 
Heusner, Ueber Entstehung und Behandlung des Hohlfußes. Archiv f. klin. 
Chir. Bd. 69, Heft 1 u. 2. 


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374 Pürckhauer. Zur Pathologie und Therapie des Hacken-Hohlfußes. 

Petersen, Zum Mechanismus des Plattfußes. Archiv f. klin. Chir. Bd. 69. 
Heft 1 u. 2. 

Wette, Zur operativen Behandlung des schmerzenden Hohlfußes. Beitr. l 
klin, Chir. Bd. 47, Heft 2. 

Hofmann, Die Resektion des Lisfrancschen Gelenkes zur Therapie des Hohl¬ 
fußes, Beitr. z. klin. Chir. Bd. 60, Heft 3. 

Galeazzi, Beiträge zur Therapie des paralytischen Hohlfußes. Zeitschr. f. 
orthop. Chir. Bd. 28. 

Hoffa, Referat Handbuch der praktischen Chirurgie von Bergmann usw. 
Volkmann, Ibid. 

Beely, Ibid. 




\ 


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XX. 


Aus der orthopädischen Heilanstalt von Dr. K. Gaugele-Zwickau. 


Ueber die Abkürzung der Gripsfixationsdauer bei 
der angeborenen Hüftverrenkung. 

Von 

Dr. K. Gängele, 

leitendem Arzt des Krüppelheimes Zwickau Marienthal. 

Mit 4 Abbildungen. 

Wohl alle Autoren sind sich darüber einig, daß die Gipsver¬ 
bandsdauer bei der Behandlung der angeborenen Hüftverrenkung 
zumal bei kleinen Kindern nicht zu kurz gewählt werden darf, 
wenn man die Reluxation vermeiden will. Autoren, wie Lorenz, 
Lange pflegen auch heute noch eine Fixationszeit von 5—10 Mo¬ 
naten beinahe immer einzuhalten. Bloß bei älteren Kindern wird 
von den meisten Autoren eine kürzere Fixationszeit empfohlen. 

Nur wenige Stimmen sind dafür eingetreten, die Zeit des Gips¬ 
verbandes überhaupt abzukürzen. 

Schultze-Duisburg scheint als erster an Stelle des Gipsver¬ 
bandes einen Lagerungsapparat empfohlen zu haben, der in Bd. XII 
dieser Zeitschrift beschrieben und abgebildet ist. Schultze legte 
nach der Einrenkung zuerst einen Gipsverband für ungefähr 10 Tage 
an und brachte die Kinder gleich danach auf seinen Apparat. 
Dieser bestand aus zwei mit auswechselbarem Polster versehenen 
Brettern, eines für den Rumpf, das andere für das eingerenkte Bein. 
Durch Riemen wurde der kleine Patient zunächst 2—3 Monate in 
Lorenzscher Primärstellung gehalten. Allmählich wurden dann 
wohl Abduktion und Flexion gemindert, bis zur schließlicken Streck¬ 
stellung. Die Kinder lernten schon nach einigen Tagen auf dem 


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376 Gaugele. 

Brett leidlich gut sitzen. Die Ankündigung seiner Resultate ist bis 
jetzt nicht erfolgt *). 

Hoeftman ging noch radikaler vor, indem er einen Gips¬ 
verband überhaupt nicht mehr anlegte. Der von ihm benutzte 
Apparat ist in Bd. XVII dieser Zeitschrift ebenfalls beschrieben und 
abgebildet. Die von ihm dabei versuchte Einrenkung mit sofortiger 

Ueberführung in Streck¬ 
stellung ist, wie er auf dem 
Kongreß 1911 mitteilte, 
wieder von ihm verlassen 
worden. 

Schanz dürfte, so¬ 
weit V eröffentlichungen vor¬ 
liegen, der einzige sein, der 
seit Jahren konsequent und 
mit guten Resultaten eine 
starke Verkürzung der Gips¬ 
verbandszeit durchführte 
Der erste Verband dauert 
bei Schanz nur 8 Tage; 
nach Röntgenkontrolle wird 
ein zweiter Verband für un¬ 
gefähr 4 Wochen angelegt, 
dem noch ein kürzer dauern¬ 
der dritter Verband folgt- 
Die Gipsfixationszeit dauert 
meist 6 Wochen, selten bis 
zu 9 Wochen, manchmal 
sogar unter 6 W r ochen. 

Danach legt Schanz 
eine der Hoeftmanschen 
nachgebildete Bandage an. 
welche von den Brustwarzen bis an die Knie reicht. Die Bandage 
gestattet Flexionsbewegungen in jeder, vom Arzt zu regulierenden 
und gewünschten Ausschlagsweite, während Adduktionsbewegungen 
unmöglich sind. Die Abduktion wird allmählich durch Verstellen 
der Bandage gemildert; die Bandage wird 3—4 Monate getragen. 

Angeregt durch eine kurze Mitteilung von Schanz vor meh- 

’) Schultze ist, wie er mir mitteilte, von dem Verfahren abgekommen 


Fig. 1. 



Goc gle 


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Ceber die Abkürzung der Gipsfixationsdauer bei der angeb. Hüftverrenkung. 377 

reren Jahren ging auch ich dazu über, nur mehr kurzdauernde Gips¬ 
verbände anzulegen. Zwei Jahre lang (1908 und 1909) habe ich 
nahezu sämtliche Kinder nur ungefähr 10 Wochen im Gipsverband 
gehalten, indem ich in geeigneten Fällen, namentlich bei älteren 
Kindern, den ersten Verband nur 4 Wochen, einen zweiten 3 Wochen 
und einen dritten ebenfalls nur 3 Wochen liegen ließ. Die Stellung des 
Gipsverbandes war je nach 
der mehr oder weniger aus¬ 
gebildeten Antetorsion ver¬ 
schieden, manchmal in leich¬ 
ter Innenrotation, meistens 
aber in Lorenz scher Pri- 
märstellung. Im ersten Gips¬ 
verband wurde außerdem die 
gesunde Seite bis zum Knie 
mit eingegipst, in den spä¬ 
teren Verbänden nur die 
kranke Seite bis an das 
Knie. Zur Nachbehandlung 
ließ ich einen einfachen, von 
meinem Vorgänger über¬ 
nommenen Hüftkorb tragen, 
mit Bügel für den Sitzknor¬ 
ren. Außerdem trug dieser 
Beckenkorb eine leichte 
Lederpelotte, welche auf den 
Trochanter drückte. Ein 
derartiger Beckenkorb kann 
natürlich nur dann eine Wir¬ 
kung ausüben, wenn er sehr 
straff angezogen wird. Da 
dies meist von seiten der 
Eltern nicht geschah, begann ich allmählich an seiner Wirksamkeit 
und an seinem Wert überhaupt zu zweifeln. 

Ich möchte hierbei nur nebenbei bemerken, daß meine Re¬ 
sultate im allgemeinen gute waren. 

Ich sah allerdings auch von Zeit zu Zeit eine Reluxation. 
Und dies bewog mich, doch wieder zu einer Verlängerung der 
Fixationszeit überzugehen, obwohl ich ausdrücklich bemerken 


Fig. 2. 



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Original frorn 

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378 Gaugele. 

möchte, daß ich selten so rasche Resultate erzielte, als in den 
beiden genannten Jahren. 

Es war mir jedoch unsympathisch, nachdem ich mit der kurzen 
Fixationszeit zum Teil sehr gute und vor allem so rasche Resultate 
erzielt hatte, die Kinder 8—10 Monate lang im Gipsverband zu 
fixieren. Wenn wir nun heute auch längst gelernt haben, die Gips¬ 
verbände längere Zeit rein zu halten, so sind wir doch noch bei 
der zum großen Teil ambulant stattfindenden Behandlung der Hüft¬ 
verrenkung auf den guten Willen und den Reinlichkeitssinn der 
Eltern angewiesen und bekommen oft genug die Gipsverbände, zu¬ 
mal bei Säuglingen, in schauderhaftem Zustand wieder zum Ver¬ 
bandwechsel in die Klinik. 


Fig. 3. 



Auch leidet, worauf schon Schultze hinweist, die genaue 
Kontrolle doch immerhin unter den Gipsverbänden, obwohl ich gerade 
diese Gefahr bei meinen, den Rumpf hoch umfassenden und das 
Knie der erkrankten Seite mit einschließenden Verbänden nicht hoch 
einschätze. 

Ein wichtigerer Grund gegen die Gipsverbände ist die doch 
nicht so sehr selten eintretende Rigidität der Gelenke. Dazu kommt 
noch ein ziemlich starker Widerwillen mancher Eltern gegen die 
Gipsverbände, ganz abgesehen von den Unannehmlichkeiten, die der 
Gipsverband zumal für größere Kinder mit sich bringt. 

Aus diesen Gründen suchte ich mir durch eine Bandage Er¬ 
satz für den Gipsverband zu schaffen (die Gipsfixation selbst habe 


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Ueber die Abkürzung der Gipsfixationsdauer bei der angeb. Hüftverrenkung. 379 

ich auf die Dauer von 15 Wochen in drei Verbänden wieder ver¬ 
längert). 

Ich benützte zu der Bandage unseren alten Beckenkorb und 
verband mit ihm mittels eines Scharniergelenkes eine Oberschenkel¬ 
schiene, welche mir eine Fixation des Oberschenkels in jeder beliebigen 
Stellung zum Rumpfe gestattet. Fig. 1 und 2 zeigen ein Kind mit 
diesem Beckenkorb von vorn und von hinten, Fig. 3 und 4 den¬ 
selben Beckenkorb für ein Kind mit doppelseitiger Hüftgelenks¬ 
verrenkung. 

Besonders wertvoll ist mir an dem Beckenkorb, daß ich auch 
gerade bei der Antetorsion einen gewissen Grad von Innenrotation 
des Oberschenkels erreichen kann. Der Apparat ist in jeder Werk- 


Fig. 4. 



statte leicht anzufertigen; er ist auch von den Eltern leicht zu be¬ 
dienen. 

Mein Beckenkorb wird natürlich nur für diejenigen Kollegen 
in Frage kommen, die Versuche mit Abkürzung der Gipsfixations¬ 
zeit machen wollen; auf Grund meiner Erfahrungen kann ich nur 
dazu raten. Wie Schanz ganz richtig bemerkt, fällt bei diesem 
abgekürzten Verfahren die Nachbehandlung so gut wie ganz weg; 
jede forcierte Nachbehandlung ist im Gegenteil streng zu vermeiden, 
da wir so gut wie nie eine stärkere Rigidität der Gelenke sehen 
und von der Gymnastik, zumal, wenn sie von den Eltern ausgeführt 
werden soll, eher Schaden als Nutzen zu erhoffen ist. Dagegen 
lasse ich in meinem Beckenkorb vom ersten Tag an Gehversuche machen. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 25 


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380 Gaugele. Abkürzung der Gipsfixationsdauer bei der angeb. Hüftverrenkung. 

Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich in einem ge¬ 
wissen Gegensatz zu Schanz betonen, daß ich durchaus nicht der 
Ansicht bin, daß eine Fixationszeit im allgemeinen von 6—10 Wochen 
genügt. Sie genügt sicher sehr häufig, wie ich aus meinen Jahren 
1908 und 1909 weiß. Die kurze Fixationszeit gibt sogar viel 
raschere Resultate, als man bei längerer Fixationszeit überhaupt 
erreichen kann. Trotzdem möchte ich aber auf Grund einiger Re- 
luxationen, die ich erlebte, nicht eine Herabsetzung der 
Fixationszeit überhaupt empfehlen, sondern nur eine 
Verkürzung der Gipsverbandfixation. An Stelle des Gips¬ 
verbandes, den ich jetzt, wie gesagt, auf ungefähr 15 Wochen be¬ 
schränke, kann ich den oben beschriebenen Beckenkorb dringend j 
empfehlen, da er wohl die Vorteile des Gipsverbandes, nicht aber 
seine Unannehmlichkeiten besitzt. 


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XXI. 


Aus der chirurgisch-orthopädischen Universitätsklinik von 
Dr. M. Matsuoka, Kioto, Japan. 

Bericht über 700 Fälle von Spondylitis tubercnlosa. 

Von 

Dr. K. Hayashi und Dr. H. Matsuoka. 

Mit 2 Abbildungen. 

Im Zeitraum vom 18. Juli 1906 bis zum 14. März 1910 unter¬ 
suchten wir 700 tuberkulöse Spondylitiker in unserer Universitäts¬ 
klinik. Die sämtlichen Kranken standen lange Zeit unter unserer 
Beobachtung. Es ist nun unsere Aufgabe, über diese 700 Fälle 
zu berichten. 

Die Tuberkulose der Wirbelsäule ist eine häufige Erkrankung, 
besonders im Kindesalter. Nach Hoffas Statistik kommen auf 
1444 Deformitäten 142 Fälle von Wirbeltuberkulose. Danach hätte 
die tuberkulöse Kyphose unter den Deformitäten eine Frequenz von 
9,83 Proz. 

Wir finden unter 5378 Deformitäten, die im Verlauf von 
4 Jahren in unserer Universitätsklinik zur Behandlung kamen, 
700 Fälle von Spondylitis tuberculosa, also 13,01 Proz. Unter dem 
oben erwähnten, von uns und Hoffa behandelten klinischen Mate¬ 
rial von 6822 Deformitäten befanden sich 842 Fälle von Spondy¬ 
litis tuberculosa, also 12,33 Proz. 

Was das Alter in unseren Fällen betrifft, so gibt uns folgende 
Tabelle Aufschluß: 

Im 1.—5. Lebensjahre standen 103 = 14,71 Proz. 

„ 6.—10. , „ 97 = 13,86 „ 

„ 11.-15. „ . 67 = 9,57 „ 

„ 16—20. , „ 87 = 12,43 * 


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382 


Hayashi und Matsuoka. 


Im 21.—25. Lebensjahre standen 

119 = 

17,00 Proz. 

© 

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I 

co 

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r 

n 

ff 

113 = 

16,14 „ 

. 31.—35. 

n 

ff 

54 = 

7,71 , 

, 36.—40. 

fi 

fi 

30 = 

4,28 . 

. 41.-45. 

fi 

fi 

16 = 

2,28 , 

„ 46.-50. 

fi 

ff 

4 = 

0,57 „ 

, 51—55. 

fi 

fi 

5 = 

0,71 . 

, 56.—60. 

fi 

ff 

8 = 

0,43 , 

. 61. 

ff 

fi 

2 = 

0,28 . 


Die Tabelle zeigt uns, daß in unseren 700 Fällen die Spondy¬ 
litis tuberculosa zwischen dem 21. und 25. Lebensjahre mit einem 
Prozentsatz von 17,00 am häufigsten auftritt. 

Also rechnen wir 

für das 1. Dezennium einen Prozentsatz von 28,57 

9 

n * n 

fi v 3 - n' 

4 

fi fi “• n 

fl ff 9 . * 

* , o. 

7 

f> if • • fi 


, 33,14 

, 12,00 
. 2,85 

. 1,14 

. 0,28 


Nach den deutschen statistischen Angaben von Drehmann, 
Mohr, Vulpius und Wullstein lieferte das erste Jahrzehnt die 
überwiegende Anzahl der Fälle von Spondylitis tuberculosa. 

Es erkrankten bei unseren Fällen die Kranken 


im 

1. Lebensjahre 

3 mal 

im 15. Lebensjahre 13mal 

fi 

2. 

ff 

14 

fl 

„ 16- 

71 

12 , 

fi 

3. 

ff 

27 

ff 

, 17. 

„ 

13 , 

•» ■ 

4. 

ff 

34 

ff 

, 18. 

T» 

14 , 

fi 

5. 

ff 

25 

ff 

. 19. 

ff 

22 , 

fi 

6. 

fl 

30 

ff 

„ 20. 


25 , 

fi 

7. 

ff 

18 

m 

. 21. 

ff 

28 , 

ff 

8. 

V 

18 

ff 

„ 22. 

ff 

22 . 

fi 

9. 


20 

ff 

, 23. 

fl 

26 , 

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10. 

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11 

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, 24. 

ff 

20 . 

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11. 

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21 


„ 25. 

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23 . 

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12. 

* 

13 

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„ 26. 

fl 

26 , 

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13. 

„ 

8 

ff 

. 27. 

71 

26 , 

fi 

14. 

7 ) 

13 

ff 

, 28. 

ff 

21 , 


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Bericht über 700 Fälle von Spondylitis tuberculosa. 


383 


im 

29. Lebensjahre 

16mal 

im 

44. 

Lebensjahre 

lmal 

ff 

30. 

ff 

23 

ff 

ff 

45. 

ff 

5 „ 

ff 

31. 

ff 

16 

ff 


46. 

ff 

0 „ 

ff 

32. 

ff 

6 

ff 


47. 

ff 

0 „ 

ff 

33. 

ff 

17 

ff 

ff 

48. 

ff 

1 n 

ff 

34. 

ff 

6 

ff 

ff 

49. 

ff 

2 „ 

ff 

35. 

ff 

9 

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50. 

ff 

1 , 

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36. 

ff 

6 

ff 


51. 

ff 

1 , 

ff 

37. 

ff 

7 

ff 

ff 

52. 

ff 

0 „ 

ff 

38. 

ff 

3 

ff 

ff 

53. 

ff 

1 , 

ff 

39. 

ff 

7 

ff 

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54. 

ff 

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40. 

ff 

7 

ff 

»» 

55. 


2 

“ 1 r» 

ff 

41. 

ff 

5 

ff 


58. 

ff 

1 « 

ff 

42. 

ff 

3 

ff 

ff 

62. 

ff 

1 , 

ff 

43. 

ff 

2 

ff 


65. 

ff 

1 . 


Die letzterwähnte Tabelle zeigt uns, daß die Wirbeltuberkulose 
am häufigsten im 4. Lebensjahre einsetzt. 

Wenn wir das Vorkommen der tuberkulösen Spondylitis in 
den verschiedenen Jahren graphisch darstellen, so finden wir, daß 
die Zahl der Spondylitiker sich vom 1.—4. Lebensjahre allmählich 
vermehrt und vom 5. bis zum 13. Lebensjahre allmählich vermindert. 
Vom 14. bis zum 21. Lebensjahre vermehrt sich wieder die Zahl der 
Patienten und vom 22. bis zum 65. Lebensjahre vermindert sie sich 
wieder. 

Was das Geschlecht der Patienten betrifft, so war 383mal das 
männliche und 317mal das weibliche Geschlecht betroffen, d. h. 
54,71 Proz. betreffen das erstere und 45,20 Proz. das letztere. Nach 
unseren Zahlen erkrankt um 9,51 Proz. häufiger das männliche Ge¬ 
schlecht als das weibliche. 

Wir möchten der Tabelle, die W ul 1 stein im Handbuch der 
orthopädischen Chirurgie, herausgegeben von Joachimsthal, zu¬ 
sammengestellt hat, unsere Resultate anreihen (siehe S. 385 oben). 

Diese Tabelle zeigt uns, daß unter 7651 Fällen 4087, d. h. 
53,42 Proz., das männliche, und 3564, d. h. 40,58 Proz., das weib¬ 
liche betreffen. 

Aus diesen Zahlen geht hervor, daß das männliche Geschlecht 
sich dem weiblichen gegenüber etwas in der Mehrzahl befindet, doch 
ist der Unterschied nicht groß. 


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Bericht über 700 Fälle von Spondylitis tuberculosa. 


385 


r 

'J' . : 

Autoren 

*» •« 

Zahl 

der 

Fälle 

Männliches 

Geschlecht 

Fälle Proz. 

Weibliches 

Geschlecht 

Fälle | Proz. 

1 

öeuthner ...... 

280 

145 

51,80 

1 

135 

48,20 

2 

Billroth . . . . , . 

61 

35 

57,30 

26 

42,70 

3 

Bradford ..... 

294 

152 

51,70 

142 

48.30 

* 4 

Dollinger. 

700 

357 

51,00 

343 

49,00 

5 , 

Drachmann. 

161 

77 

45,30 

88 

54,70 

' 6 

Fischer .. 

600 

261 

52,20 

239 

47,80 

» 7 

Gibney ....... 

2455 

1329 

54,10 

1126 

45,90 

8 

Jaffe. 

82 

44 

53,70 

38 

46,30 

9 1 

Little . 

320 

151 

47,20 

169 

52,80 

10 

Lorenz . 

251 

128 

.51,00 

123 

49,00 

11 

Menzel. 

702 

396 

55.00 

306 

45.00 

12 

Mohr i. . ■. , ... . 

137 

69 

50,30 

68 

49,70 

13 

Nebel. 

136 

83 

61,00 

53 

39,00 

14 

Taylor. 

411 

234 

56,90 

177 

43,10 

15 

Vulpius ....... 

96 

50 

52.00 

46 

48,00 

16 

Wullstein ..... 

365 

197 

53,50 

168 

46,10 

17 

Matsuoka und Hayashi . 

700 

383 

54,71 

317 

45,29 


Summa 

7651 

4087 

53,42 

3564 

46,58 


Alle Wirbel können tuberkulös erkranken, doch stellen einzelne 
die Prädilektionsstellen der tuberkulösen Erkrankung dar. Unter 
700 klinischen • Fällen finden wir 37, d. h. 5,28 Proz., in den Hals¬ 
wirbeln, 374, d. h. 53,43 Proz., in den Brustwirbeln, und 289, d. h. 
41,29 Proz., in den Lendenwirbeln. Also erkrankt am häufigsten die 
Brustwirbelsäule, dann die Lenden-, und drittens die Halswirbelsäule. 



Autoren 

* | 

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Hals¬ 

wirbel 

Brustwirbel 

Lenden¬ 

wirbel 



«5.2 

■SiZ 










2 

Fälle 

Proz. 

Fälle 

1 Proz. 

Fälle 

Proz. 

1 

Billroth und Menzel . ' 

694 

_ 

185 

26,50 

310 

44,60 

199 

28,90 

2 

Nebel. 

61 

— 

7 

11.40 

27 

44,30 

27 

44,30 

3 

Beuthner . 

. — 

50 

4 

6.80 

38 

64,40 

17 

28,80 

4 

Billroth. 

— 

54 

18 

33,30 

15 

27,80 

21 

38,90 

5 

Dollinger.| 

— 

538 

63 

11,70 

321 

59,60 

154 

38,60 

6 

Drachmann. 

. — 

161 

7 

4.00 

103 

64.00 

51 

32,00 

7 

Mohr. 

— 

49 

19 

39,00 

23 

47,00 

7 

14,00 

8 

Sayre. . . . ' . . 

! — 

222 

11 

5,00 

174 

78,50 

37 

16,70 

9 

Townsend. 

— 

380 

30 

8,00 

76 

20,00 

274 

72.00 

10 

Vulpius . 

— 

96 

18 

18,70 

64 

66,60 

14 

14,60 

11 

Watermann und Jäger . 

— 

1000 

66 

6,60 

709 

70,90 

225 

22,50 

12 

Wullstein. 

j — 

167 

40 

24,00 

72 

43,10 

55 

32,90 

13 

Matsuoka und Hayashi 

1 — 

700 

37 

5,28 

374 

53,43 

2*9 

41,29 


Summa 

4181 

505 

12,03 

^ 2306 

55,20 1 

1370 

32,76 


und zwar . . 

— 

3426 

313 

9,13 

1969 

57,47 

1144 

33,41 


und .... 

i 755 

— 

192 

25,40 

337 

44,70 

| 226 

29,90 


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386 


Hayashi und Matsuoka. 


Wir fügen zu der Tabelle nach Wullstein die von uns ge¬ 
fundenen hinzu (siehe S. 385 unten). 

Welcher Wirbel bildet am häufigsten den höchsten 
Teil der Kyphose? In unseren 700 Fällen bildete der 5. Lenden¬ 
wirbel am häufigsten den höchsten Teil des Buckels. Unter den 
sämtlichen Patienten fanden wir den Gibbus 573mal, und zwar 13mal 
in der Halswirbelsäule, 339mal in der Brustwirbelsäule und schlie߬ 
lich 221mal in der Lendenwirbelsäule. Es fehlte der Gibbus 127mal. 
und zwar 24mal in der Hals-, 30mal in der Brust- und 73mal in 
der Lendenwirbelsäule. 

Es bildete den höchsten Teil des Gibbus 


der 6. Halswirbel 

3mal 

der 

9. Brustwirbel 

41mal 

„ 7. 

10 , 

r> 

10. 

36 , 

„ 1. Brustwirbel 

11 , 

„ 

11. 

23 . 

o 

n — • * 

13 , 

n 

12. 

43 , 

. 3. 

18 . 

n 

1. Lendenwirbel 

44 , 

, 4. 

16 , 

* 

2. 

34 , 

» 5. 

21 , 

» 

3. 

50 , 

, <3. 

31 , 


4. 

38 , 

. 7. 

41 , 

n 

5. 

55 , 

. 8. 

45 „ 




Pathologische 

Anatomie. 

Die Infektion des 

Wirbel- 


knochens geschieht auf hämatogenem Wege durch Verschleppung 
der Tuberkelbazillen von einem primären Herde, gewöhnlich in den 
Lungen oder in den Bronchialdrüsen resp. in den Lungenhilusdrüsen. 
Als ein Beispiel der Drüsentuberkulose des Lungenhilus, kombiniert 
mit der Spondylitis dorsalis, hat Matsuoka einen röntgenologisch 
untersuchten Fall im 94. Band der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie 
berichtet (Ein Beitrag zur Röntgendiagnostik der kindlichen Lungen¬ 
drüsentuberkulose bei Malum Pottii). 

Die Tuberkulose im Wirbelkörper entsteht entweder an der 
vorderen peripheren Region, oder in der vorderen subperiostalen 
Wachstumszone, oder in der epiphysären Schicht, oder in der sub¬ 
chondralen Wachstumszone, oder in der zentralen Zone, in der Gegend 
des ursprünglichen Knochenkernes, oder schließlich in der kombi¬ 
nierten Form. Diese letztere sahen wir in einem von einem Spondy- 
litiker entnommenen Brustwirbelpräparat. 

Bei der Spondylitis tuberculosa kommen Störungen von seiten 


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Bericht über 700 Fälle von Spondylitis tuberculosa. 


387 


des Rückenmarks vor. Es gibt vier Möglichkeiten, welche zu 
Alterationen des Rückenmarks führen können. Wir unterscheiden 
danach 1. eine mechanische Theorie, 2. eine entzündliche Theorie, 
3. eine anämische Theorie, 4. eine Stauungstheorie. 

Welche Veränderungen das Rückenmark und die Spinalhäute, 
die von einem Spondylitiker mit motorischer Lähmung der Beine 
genommen wurden, zeigen können, möchten wir in folgendem kurz 
skizzieren. Ich stelle die Krankengeschichte voran: 

M. Kubo, 31jähriger Apotheker aus Kioto. Am 22. Juni 1900 
wurde der Patient in unsere Klinik aufgenommen. 

Anamnese: Hereditäre Belastung war nicht nachweisbar. 
Im Juni 1905 bekam er plötzlich ein Frostgefühl mit Schmerzen im 
Rücken und in der Bauchgegend. Allmählich trat eine Störung des 
Ganges auf. Etwas später bekam der Patient eine totale motorische 
Lähmung der Beine mit gleichzeitig eintretenden Blasen-Mastdarm- 
störungen. Im August 1905 trat eine Besserung der Rückenmarks- 
alfektion auf. Nach einem Monate flackerte wieder der Krankheits¬ 
prozeß auf. Der Patient konnte nicht mehr gehen, dazu traten noch 
Urin- und Kotinkontinenz. Ferner trat eine Anästhesie im Unter¬ 
leib und in den Beinen auf. 

Status praesens am 21. Juni 1906: Schwächlicher, sehr 
blaß aussehender Mann. Fettpolster sehr gering, Muskulatur atrophisch. 
Die Brustwirbelsäule ist vollständig steif, man bemerkt einen deut¬ 
lichen Gibbus in der Gegend des Dornfortsatzes des 8. Brustwirbels. 
Der Patient leidet an Phthisis pulmonis utriusque, kombiniert mit 
Pleuritis sicca dextra. Die Sensibilität und Motilität der Arme sind 
durchaus normal, ebenso ist die Reflexerregbarkeit intakt. Die 
Sensibilität der Beine ist deutlich herabgesetzt, die Sehnenreflexe 
sind gesteigert. Fußclonus läßt sich deutlich nachweisen. Inconti¬ 
nentia alvi und urinae. Die aktive Beweglichkeit der Beine ist 
total geschwunden, die passive Bewegung möglich unter Ueber- 
windung eines starken Widerstandes. Jeder Lagewechsel des Körpers 
macht dem Patienten heftige Schmerzen im Brustteile der Wirbel¬ 
säule. Man bemerkt einen handtellergroßen Decubitus in der Kreuz¬ 
beingegend. Ferner bemerkt man zwei spontan durchgebrochene, 
Eiter sezernierende Fisteln im Rückenteile. 

Klinische Diagnose: Korapressionsmyelitis durch Karies 
des 8. Brustwirbels, Lungen-Pleuratuberkulose. 


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388 


Üayashi and Matsuoka. 


Behandlung: Orthopädische Behandlung, Elektrotherapie, 
Schmierseifenkur und Jodkali innerlich. 

Verlauf: Am 24. November 1906 erfolgte der Exitus letalis 
durch Kollaps. 

Der durch die Sektion entnommene erkrankte Teil der Brust- 
wirbelsäule zeigt folgenden Befund: 

Der 8. Wirbelkörper ist am stärksten destruiert. Nach der 
Durchsägung des Wirbelpräparates in sagittaler Richtung finden sich 
die Wirbelbögen relativ intakt. Auf der sagittalen Schnittfläche der 
Wirbelkörper bemerkt man verkäste Herde teils im zentralen, teils 
im epiphysären, teils im vorderen peripheren Teile. An einigen Stellen 
sind die Zwischenwirbelscheiben käsig destruiert. An der Außen¬ 
fläche der Dura, welche dem höchsten Teil des Gibbus entspricht, 
läßt sich ein taubeneigroßer verkäster Abszeß erkennen. Der letztere 
ist kapselartig von einer dicken, festen bindegewebigen Membran 
umschlossen und mit der unterliegenden Dura fest verwachsen. An 
dieser Stelle ist die Dura unter das Niveau der angrenzenden Teile 
versenkt. Diese eingezogene Dura ist hochgradig verdickt und hie 
und da mit Gefäßen injiziert. Nach der Durchschneidung der Dura 
zeigt die letztere eine feste Verwachsung mit den weichen Häuten. 
Nach Ablösung der Verwachsung der Dura vom Wirbelkanal wurde 
die erstere mit dem Rückenmark zusammen herausgenommen. Man 
sieht keine bedeutende Verengung des knöchernen Wirbelkanals an 
der dem höchsten Teil des Gibbus entsprechenden Stelle. An dieser 
Stelle ist das Rückenmark teils durch einen taubenei- j 
großen Abszeß komprimiert, teils durch die verdickten ( 
Rückenmarks häute, besonders durch die Dura abge- 
schn ü rt. 

Histologische Untersuchung. Das Rückenmark mit den 
Häuten zusammen wurde in Formalinlösung gehärtet und in Alkohol 
übertragen. Einbettung in Celloidin. Serienschnitte. Färbung der 
Schnitte mit Eosin-Hämatoxylin oder nach van Gieson. Die Dura ist 
im ganzen verdickt. Am dicksten ist diese in der umschnürten 
Partie des Rückenmarkes, und zwar an der dem höchsten Teil des 
Gibbus entsprechenden Stelle. An vielen Präparaten lassen sich zahl¬ 
reiche Rundzelleninfiltrate im verdickten Duragewebe erkennen. Die 
Wurzeln scheinen ziemlich gut erhalten; an vielen Stellen sind sie 
mit neugebildetem Gewebe durchwachsen. Die weichen Häute sind 
außen mit der Dura und innen mit dem Rückenmark verwachsen. 


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Bericht über 700 Fälle von Spondylitis tuberculosa. 


389 


Fig. 2. 




= Rucken- 
nark. 

= Dura. 

= Eiter. 

= Verdickte 
>yog. Mem¬ 
bran. 

= Mit Blut¬ 
elementen 
gefüllt. Bl ut- 
reriß. 




* 

410 



/• 

',30 





230 







200 


ö. 4 

100 


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Original frorn 

UNIVERS1TY OF CALIFORNIA 









390 


Hayashi und Matsuoka. . 


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Die Querschnitte des Rückenmarkes samt den Rückenmarkshäuten 
zeigen mannigfaltige Formveränderungen. Sie sind bald oval, bald 
kartenherzförmig, bald abgeplattet. Am höchsten Teil der Kyphose 
ist das Rückenmark deutlich verkleinert, wie eine kleine Federspitze 
Die Einteilung der einzelnen Felder des Rückenmarkes läßt sich 
nicht mehr erkennen. Der Zentralkanal ist vollständig obliteriert. 
Durch den Degenerationsprozeß sind die Ganglienzellen völlig de- 
struiert. Mit der Zerstörung der Nervenfasern tritt die Proliferation 
des Gliagewebes auf. Die ganze Fläche des Querschnitts des Rücken¬ 
markes zeigt ein Bild von derbem, faserigem Gewebe, das aller 
Nervenelemente beraubt ist. An vielen Stellen der Schnittpräparate 
sieht man erweiterte, bald dünn-, bald dickwandige Gefäße. Die 
Lumina der letzteren sind mit Blutelementen ausgefüllt. 


Es handelt sich im oben erwähnten Fall um eine hochgradige 
Entartung des Rückenmarkes, die teils durch die Kompression des 
Kongestionsabszesses und teils durch die Abschnürung der verdickten 
Rückenmarkshäute hervorgerufen worden ist. 

In unseren 700 Fällen traten 173mal motorische Störungen. 
21mal Sensibilitätsstörungen, 148mal Steigerung der Sehnenreflexe 
der Beine und 2mal völliges Verschwinden der Reflexerregbarkeit 
an den letzteren auf. 

Was die Häufigkeit der Senkungsabszesse betrifft, so beob¬ 
achtete Dollinger (Die Behandlung der tuberkulösen Wirbelent- 
zündung, Stuttgart 1896) in seinen 700 Fällen 154mal Senkungs- j 
abszesse. Wir fühlten 227mal Abszesse in unseren 700 Fällen. 

Es war ein 


rechtseitiger lliacal- und Psoasabszeß . 
linkseitiger * * » 

rechtseitiger Lumbalabszeß .... 

linkseitiger „ .... 

rechtseitiger Rückenabszeß .... 

linkseitiger * .... 

rechtseitiger Glutäalabszeß .... 

linkseitiger „ .... 

rechtseitiger Femoralabszeß ... 

linkseitiger n .... 

Abszeß in der rechten Brustwand . . 

„ in der hinteren Kreuzbeingegend 


82mal, 
83 . 

7 . 

8 , 

8 , 

4 , 

6 , 

5 * 

6 , 
11 , 

3 , 

1 , 


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Bericht über 700 Fälle von Spondylitis tuberculosa. 


391 


Abszeß an der rechten Halsseite . . . lmal, 

Retropharyngealabszeß.1 „ 

Abszeß in der rechten Bauchwand ... 1 „ 

Nach den oben erwähnten Zahlen finden wir die Senkungs¬ 
abszesse bei 32,42 Proz. der Spondylitiker. Nach Vulpius wird 
der Kliniker in etwa 24,5 Proz. der Fälle die Anwesenheit von 
Abszessen nachweisen können. Es ist aber zu bemerken, daß die 
Abszesse, besonders im Brustraum, der klinischen Beobachtung ent¬ 
gehen; erst durch die Röntgenuntersuchung können wir die An¬ 
wesenheit von Abszessen nachweisen. 

Symptome: Als das initiale Symptom beobachteten wir am 
häufigsten die Fixation der Wirbelsäule mit mehr oder weniger steifer 
Haltung. Im etwas späteren Stadium traten die Schmerzen bald in 
dem erkrankten Herde der Wirbelsäule, bald im Wurzelgebiet 
auf, besonders beim Lagewechsel des Körpers. Ueber Druck¬ 
schmerzen an den erkrankten Dornfortsätzen klagten die Patienten 
relativ selten. Nächst der Fixation stand die Deformität der 
Wirbelsäule. Je nach dem Sitz des Krankheitsherdes war die 
Wirbelsäule bald kyphotiscl), bald lordotisch verkrümmt, bald nach 
der Seite gedreht. Diese seitliche Deviation entstand am häufigsten 
in der Höhe des Gibbus uud trat am seltensten in der Lendenwirbel¬ 
säule auf. 

Unter Marksymptomen fanden wir am häufigsten die Motilitäts¬ 
störungen der Beine, und zwar erst spastische, dann später schlatfe 
Lähmungen. Die Störungen der Sensibilität wie auch die der 
Blasen-Mastdarmfunktion kamen relativ selten und meist spät zur 
Entwicklung. 

Röntgenologische Untersuchung: Radiologisch können 
wir die groben pathologischen Vorgänge und Formveränderungen der 
Wirbel wahrnehmen. Ferner können wir radiologisch die der Wirbel¬ 
säule zu gelegenen Abszesse, die klinisch nicht nachweisbar sind, 
besonders im Brustraum sehr deutlich erkennen. Am häufigsten 
finden wir die rundlichen oder ovalen, symmetrisch zu beiden Seiten 
der Wirbelseite gelegenen Schatten, welche die Kongestionsabszesse 
hervorrufen. Die Schattentiefe hängt teils von der Beschaffenheit 
des Inhaltes, teils von der Dicke der Wand der pyogenen Membran 
ab. Trotz des Verschwindens der klinischen Symptome sieht man 
noch den Schatten, der durch die schwartig umgewandelte, dicke 


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392 


Hayaahi und Matsuoka. 


Wand dea Abszeßherdes erzeugt wird. Ob die die erkrankten Wirbel 
umschließenden Schatten entweder durch die Abszesse oder durch 
die schwartig verdickten Abszeßwände hervorgerufen werden, ist 
schwer zu entscheiden. 

Prognose: Nach unseren Erfahrungen ist die Prognose der 
Wirbeltuberkulose nicht ganz ungünstig. Der Prozeß kommt zum 
spontanen Stillstand, die destruierten Krankheitsherde werden durch 
neu sich bildendes Knochen- und Bindegewebe fixiert. Sehr oft 
bleibt die Deformität der Wirbelsäule, am häufigsten der Gibbus 
zurück. Durch langdauernde orthopädische Behandlungen können wir 
die Kyphose zur besseren Stellung korrigieren. Die Kompressions¬ 
myelitis zeigt eine relativ günstige Prognose, besonders bei Kindern. 
Wir haben zahlreiche Fälle von geheilter Paraplegie bei ortho¬ 
pädischer Behandlung gesehen. 

Therapie: Neben einer allgemeinen diätetischen und hygieni¬ 
schen Behandlung der Tuberkulose müssen wir die erkrankten Herde 
fixieren und von dem auf ihnen lastenden Druck befreien. Zu diesem 
Zwecke sind verschiedene Apparate und Bandagen konstruiert worden. 
Viele Behandlungsmethoden fesseln leider den Patienten ans Bett 
und entziehen ihm außer der Bewegung auch die frische Luft. 
Nach unseren Erfahrungen scheint die Anlegung des Gipsverbandes 
die einfachste und bequemste unter allen Behandlungsmethoden zu 
sein. Wir legten die Gipsverbände den Patienten in allen Stadien 
der Wirbeltuberkulose und bei Erkrankungen in allen Abschnitten 
der Wirbelsäule mit gutem Erfolge an. Vor der Anlegung des Gips¬ 
verbandes muß die Wirbelsäule rekliniert und gleichzeitig die Wirbel¬ 
deformität korrigiert werden. Bei der Tuberkulose der Halswirbel¬ 
säule und des oberen Teiles der Brustwirbelsäule wird die ganze 
Wirbelsäule mit dem Kopf und Becken zusammen eingegipst, 
während der Gesichtsteil und die beiden Ohrengegenden freigelassen 
werden. Bei der Tuberkulose des unteren und mittleren Abschnitts 
der Wirbelsäule legen wir den Gipsverband um den Rumpf und das 
Becken und kombinieren ihn mit der Extension mittels des Jury- 
masts und der Kopfschlinge. Bei der Spondylitis lumbalis werden 
der Rumpf und das Becken eingegipst. Bei der Spondylitis, kom¬ 
biniert mit Kompressionsmyelitis, wird der Gipsverband in Bauch¬ 
lage des Patienten unter dem Zug am Kopf nach oben und nach 
unten an beiden Beinen angelegt. Um die Muskelkontraktur aus- 


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Bericht über 700 Fälle von Spondylitis tuberculosa. 


393 


zuschalten, narkotisieren wir sehr häufig die Patienten, besonders 
die kleinen Kinder, bei der Anlegung des Gipsverbandes. 

Als InjektionsflQssigkeit in die Abszeßböhlen verwenden wir ge¬ 
wöhnlich das lOprozentige Jodoformglyzerin. Oefters injizierten wir 
die Wismut-Vaselinmischung in die Abszeßböble nach der Punktion 
und Entleerung des Inhaltes. Dreimal bemerkte Matsuoka typi¬ 
sche Wismutvergiftungen. Ueber diese berichtete er im 102. Band 
der Deutschen Zeitschrift'für Chirurgie; unter 700 Fällen Lamin- 
ektomierter nur einmal in einem Falle mit Lähmung der Beine, 
jedoch ohne Erfolg. 


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XXII. 


i 


i 

\ 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das 

deutsche Heer 1 ). 

Von 

Dr. Kurt Sichert, Dr. Ernst Simon, 

Oberarzt im Inf.-Regt. Nr. 27, kommandiert z. chir. Akt. d. Oberarzt im Iuf-Regt. Nr 
Krank» nanst. Altstadt-Magdeburg (Dir. Prof. Dr. II a 1> s). 

Mit 1 Kurve. 


Meine Herren! Das Thema des heutigen Abends führt uns in 
ein fast rein militärärztliches Gebiet der medizinischen Wissenschaft. 
Zwar ist der Name „Fußgeschwulst“ schon alt, ihn hat in den 
fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Breithaupt geprägt 
Jedoch über das eigentliche Wesen dieser beim Militär so häufigen 
Erkrankung hat uns erst die neuere Zeit Klarheit gebracht. Wie 
in so vielen ärztlichen Zweigen hat auch hier das Röntgenverfahren 
manche dunkle Frage gelöst und falsche Ansichten und Auffassungen 
richtig gestellt; es seien hier die Arbeiten von Stechow, Schulte, 
Kirchner erwähnt. Heute wissen wir, daß unter Fußgeschwulst 
eine Verletzung der Mittelfußknochen zu verstehen ist. Im folgenden 
wollen wir uns nur mit den Verletzungen der Metatarsi befassen, 
die auf dem Marsche entstehen. 

So häufig das Leiden im Heere ist, so gut es klinisch jedem 
Militärarzt bekannt ist, so wenig herrscht auch bis in die neueste 
Zeit Einigkeit in der Auffassung der Entstehungsweise. Es ist nicht 
gut möglich, sich ein abgeschlossenes Bild von dieser Erkrankung 
zu machen, ohne die Momente, die beim Stehen und Gehen eine 
Rolle spielen, genau zu kennen. Es sei mir daher gestattet, einige 
kurze Bemerkungen hierüber vorauszuschicken. 

Unter den Autoren, die sich mit diesen Fragen beschäftigt 

*) Nach einem Referat, gehalten in der Vereinigung der Sanitätsoffiziere 
des IV. Armeekorps. 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 395 

haben, ist eine Uebereinstimmung darüber, auf welchen Stützpunkten 
der Fuß ruht, bisher nicht erzielt worden. Von jeher ist der Fuß 
als ein Gewölbe angenommen worden, über Art und Bau desselben 
gehen aber die Ansichten weit auseinander. Aeltere Autoren, wie 
Szymanowski, bezeichnen es als Kreuz-, Kuppel- oder Nischen¬ 
gewölbe. Lorenz hat bei seinen gründlichen Untersuchungen die 
Theorie der Längswölbung aufgestellt und unterscheidet ein inneres 
und äußeres Gewölbe. Letzteres wird vom Calcaneus, Cuboid und 
den beiden letzten Metatarsen gebildet, ersteres vom Talus, Navi- 
culare, den Cuneiformia und den ersten drei Mittelfußknochen. Stütz¬ 
punkte für den äußeren Bogen sind Tuber calcanei und die Köpfchen 
der zwei letzten Metatarsen, für den inneren die Köpfchen der drei 
inneren und der Taluskörper, der sich auf den äußeren Bogen auf¬ 
stützt, und so diesem die Hauptlast des Körpergewichts überträgt. 
Dieser Lorenzschen Theorie tritt v. Meyer entgegen, er hält die 
Verbindung von Cuboid und Metatarsus V nicht für genügend fest, 
um die vordere Stütze zu bilden, v. Meyer hebt die statische 
Wichtigkeit des dritten Mittelfußknochens hervor. An anatomischen 
Präparaten konnte er die übrigen Metatarsi fortnehmen, ohne daß die 
Standfestigkeit des Fußes verloren ging. Das von ihm angenommene 
mittlere Längsgewölbe besteht aus Metatarsus und Cuneiforme IH, 
Cuboid und Calcaneus. Die inneren und äußeren Metatarsen sollen 
als seitliche Streben zur Balance bei schiefer Belastung und Un¬ 
ebenheiten des Bodens dienen. Auch Hoffa nimmt entsprechend 
v. Meyers Theorie ein mittleres Längsgewölbe an, ebenso 
Ajevoli, doch ist nach des letzteren Meinung das Gewölbe nicht 
starr, sondern aus vier durch Scharniere verbundenen Stücken be¬ 
stehend zu betrachten. Bossi spricht von fünf derartigen mit 
Scharnieren verbundenen Bögen, die gegen einen gemeinsamen End¬ 
punkt, den Calcaneus, konvergieren. In der Erkenntnis der Schwierig¬ 
keit, den Talus in dieses Gewölbe einzuordnen, und von einfachen 
mathematischen Erwägungen ausgehend, hat Rieding er den Fuß 
mit einem symmetrischen Brückengewölbe verglichen, das durch den 
Talus einseitig belastet wird. Als Scheitel gilt die Stelle, wo Navi- 
culare, Cuboid und Cuneiforme III an der Plantarseite Zusammen¬ 
treffen. Steudel wiederum schließt sich der Lorenzschen Theorie 
der zwei Bögen an. 

In diese Kontroverse hat neuerdings Engels Licht zu bringen 
versucht, indem er sich von der Betrachtung der äußeren Form 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. ßd. 26 


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396 


Siebert und Simon. 


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freigemacht und seine Untersuchungen am Lebenden mit Bilfe der 
ßöntgenstrahlen angestellt hat, um einerseits die Knochenstruktur, 
anderseits die Verschiebungen der Knochen bei Belastung und 
Nichtbelastung des Fußes erkennen zu können. Seit den Wolff- 
schen Forschungen wissen wir, daß in der Spongiosa die Resultante 
der Zug- und Druckwirkung auf die Knochen zu erkennen ist, 
während die äußere Form noch durch andere Momente (wie Ansatz 
der Muskeln und Bänder, Gelenkbewegungen) beeinflußt wird. Nach 
Engels’ Forschungen nun soll das Fußskelett nicht aus Gewölben, 
sondern aus einem System geradliniger Streben bestehen, die durch 
Muskeln und Bänder in ihrer Lage erhalten werden. Interessant 
ist, daß die mathematischen Erwägungen Riedingers in der 
Spongiosastruktur Engels’ eine Stütze finden und anderseits die 
Lorenz sehen Bögen etwa den vorderen Streben entsprechen; unter¬ 
schiedlich ist nur die stärkere Belastung der Hauptstrebe, die im 
wesentlichen dem inneren Bogen Lorenz’ gleichzusetzen ist. 

Für unsere Frage ist nun von außerordentlicher Wichtigkeit, 
festzustellen, welches die vorderen Stützpunkte des Fußes sind. Im 
großen und ganzen stehen sich hier zwei Ansichten gegenüber. Die 
einen meinen, als vordere Stützpunkte kämen die Köpfchen des I. 
und V. Metatarsus in Betracht, die anderen sprechen von den Köpf¬ 
chen des II. und III. Mittelfußknochens. Beely hat 1882 aus Unter¬ 
suchungen über die Abnützung der Schuhsohlen, über Gipsabdrücke 
gefunden, daß die Gegend des II. und III. Metatarsalköpfchens als 
vordere Stützpunkte in Frage kommt, v. Meyer hat, wie schon 
erwähnt, den III. Metatarsus allein angenommen, betont aber die 
Wichtigkeit der inneren Strebe für den Gehakt, indem beim Stehen 
der Talus die Hauptlast auf das tragende Gewölbe, beim Gehen aber 
das Naviculare auf die große Zehe übertrage. Lazarus glaubt, 
daß der II. Mittelfußknochen allein der vordere Stützpunkt sei, da 
er am längsten und an der Basis fest fixiert ist, und durch ihn der 
eigentliche Scheitel des Gewölbes geht. Seitz hält in 57 Proz. 
aller Fälle die Köpfchen des I. und V. Mittelfußknochens für die 
vorderen Stützpunkte. Schon aus anatomischen Gründen wäre es 
unwahrscheinlich, daß der besonders kräftige Metatarsus I nicht auch 
als Stütze des Fußskelettes dienen sollte. Betrachtungen über die 
Schwielenbildung, Versuche beim Auftreten in feuchtem Lehm, Be¬ 
obachtungen im Spiegelbild über Anämisierung der Sohle beim Auf¬ 
treten auf eine Glasplatte führen ihn zu dem Schluß, daß immer zuerst 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 397 

und am stärksten die Gegend des I. und V. Mittelfußköpfchens be¬ 
lastet wird. Die Beelysehen Befunde an den Gipsabdriicken 
hält er für Uebergänge zum Pathologischen, da auch er in einer 
Anzahl yon Fällen eine Abplattung des vorderen Quergewölbes ge¬ 
funden hat, die bei höheren Graden zu Beschwerden und Schmerzen 
Anlaß geben können. Die Bedeutung des Vorderfußschmerzes und 
sein Zusammenhang mit dem vorderen Quergewölbe ist neuerdings 
von Lehr, Hasebroek, Hohmann, Schanz, Lange u. a. m. 
betont worden. Letzterer steht bezüglich der Gewölbebildung und 
der vorderen Stützpunkte auf der Seite von Seitz und hält das 
Niedersinken der Gegend des II.—IV. Metatarsalköpfchens für patho¬ 
logisch, allerdings eine bei den schuhbekleideten Kulturvölkern un- 
gemein häufige Erscheinung. Die Wichtigkeit des vorderen Quer¬ 
gewölbes hebt auch Blecher hervor. Er sagt wörtlich: „Wichtig 
für die vorliegende Frage ist das Verhalten des frontalen Gewölbes 
des Fußes, das im Mittel- und Vorderfuß architektonisch deutlich an 
dem Gewölbeschlußsteinen ähnlichen II. und III. Keilbein, den Basen 
und distalen Schaftenden der mittleren Mittelfußknochen erkennbar 
ist. . . Infolge der hier noch vorhandenen Geyvölbebildung berühren 
die Köpfchen der mittleren Mittelfußknochen im Stehen nicht die 
Unterlage . . . Solange diese Gewölbebildung erhalten bleibt, be¬ 
rühren auch im Gehen die Köpfchen des II.—IV. Mittelfußknochens 
nicht den Boden.“ Gegen die Ansichten von Seitz und Blecher 
wendet sich Momburg. Ein vorderes Quergewölbe erkennt er nicht 
an, gestützt auf die Versuche von Beely und v. Meyer, sowie 
eigene Forschungen, besonders gestützt auf die Tatsache, daß das 
frontale Gewölbe sich ohne besondere Kraftanstrengung in einen 
nach oben konkaven Bogen verwandeln läßt. Auf Grund einer 
Reihe von Untersuchungen an Gipsabdrücken belasteter und unbe¬ 
lasteter Menschen im Gehen und Stehen, Gehen und Stehen auf den 
Zehen, Hüpfen auf den Zehen eines Fußes und schließlich im 
schnellen Lauf, ferner durch Forschungen an Röntgenbildern, anato¬ 
mischen Präparaten und auf Grund physikalischer Erwägungen 
kommt Momburg zu dem Resultat, daß die Köpfchen des II. und 
III. Metatarsus die vorderen Stützpunkte des Fußgewölbes sind und 
hinsichtlich der Belastung gewissermaßen eine Einheit bilden. 
Diese Ansicht ist trotz mancher Gegner zurzeit wohl die verbreitetste 
und soll den folgenden Ausführungen als Grundlage dienen. 

Nicht minder wichtig wie die Bestimmung der vorderen Stütz- 


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Siebert und Simon. 


punkte für unsere Frage ist die Erforschung des Gehaktes. Die 
Arbeiten von Braune und Fischer haben Über diesen Punkt 
Klarheit gebracht und die Feststellungen der Gebrüder Weber und 
v. Meyers als nicht zutreffend erwiesen. Im Gegensatz zu v. Meyer 
müssen wir einen „ Wanderschritt u anerkennen, dessen durchschnitt¬ 
liche Länge 80 cm beträgt bei 120 Schritten in der Minute. Jedes 
Bein zeigt während eines Doppelschrittes ein zweifaches Verhalten. 
Während einer Periode, deren Dauer die eines einfachen Schrittes 
übertrifft, steht es auf dem Boden und übt einen Druck gegen den¬ 
selben aus. Während einer zweiten Phase, deren Dauer kürzer als 
die einfache Schrittdauer ist, und zwar um so viel, als die erste 
Periode über dieselbe hinausgeht, hat es sich vom Boden gelöst, 
hängt frei am Becken und schwingt um den Mittelpunkt des Hüft¬ 
gelenkes von hinten nach vorn. Diese Schwingung ist nach Fischer 
mehr der Einwirkung der Muskulatur als dem Einflüsse der Schwere 
zuzuschreiben, also keine reine Pendelschwingung. Das schwingende 
Bein wird am aufstützenden vorbeigeführt, während letzteres mit 
ganzer Sohle aufsteht. Aufgesetzt wird das schwingende Bein in 
leichter Beugestellung, mit ganzer Sohle steht es erst auf, wenn das 
stützende Bein seine Schwingung bereits begonnen hat. Während 
der Periode des Aufstehens dreht sich der Fuß zuerst um einen 
annähernd festen Punkt seiner Ferse, darauf bleibt er längere Zeit 
in Ruhe und steht dabei mit der ganzen Sohle auf. Endlich wickelt 
der Fuß sich vom Boden ab, indem er sich um einen immer weiter 
nach vorn wandernden Punkt der Sohle dreht. Die Gangbewegungen 
fallen nach Fischer bei der mit feldmarschmäßigem Gepäck aus¬ 
gerüsteten Person fast ebenso aus wie bei der unbelasteten, jedoch 
sind bei der ersteren die seitlichen Schwankungen größer, besonders 
nach links, wohl infolge der einseitigen Belastung durch Gewehr 
und Seitengewehr. Ferner ist die Schrittlänge kürzer, 72 cm gegen 
80 cm, und die Füße werden breiter gestellt. Bemerkenswert ist 
auch noch, daß der Fuß mit der ganzen Sohle länger aufsteht als 
im unbelasteten Zustande. Ueber die Tätigkeit der Mittelfußknoclien 
hat Fischer, wie aus einem Briefe an Momburg hervorgeht, 
exakte Untersuchungen nicht angestellt. Des Letzteren Gipsabdrücke 
zeigen bei feldmarschmäßig ausgerüsteten Personen, daß die Köpf¬ 
chen des II. und III. Metatarsus sich am tiefsten eindrücken bzw. 
daß diese Gegend am meisten belastet ist. Die gleiche Stellung 
findet sich beim unbelasteten Gang und beim Gehen auf den Zehen. 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 399 


Ganz anders sieht das Profil beim schnellen Laufen und beim HUpfen 
auf den Zehen eines Fußes aus. Hier steht das Köpfchen des I. Meta¬ 
tarsus am tiefsten, hier übernehmen also das erste Mittelfußköpfchen 
und die große Zehe das Heben und Vorwärtsstoßen der ganzen Körper¬ 
last, wozu sie vermöge ihrer Stärke und ihres ausgebildeten Muskel¬ 
apparates durchaus geeignet sind. Momburgs Ansicht ist nicht 
allgemein anerkannt, vielmehr betonen die Anhänger der sog. alten 
Lehre, nach der die vorderen Stützpunkte die Metatarsi I und V sind, 
daß auch beim Gang die Köpfchen des H. und III. Mittelfußknochens 
verhältnismäßig wenig oder gar nicht belastet sind, daß vielmehr 
die Abwicklung von dem I. Metatarsus und der großen Zehe besorgt 
wird. Auf die übrigen sonst noch aufgestellten Theorien näher ein¬ 
zugehen, würde zu weit führen. 

Entsprechend den verschiedenen Anschauungen über die Stütz¬ 
punkte des Fußes ist natürlich auch die Zahl der Ansichten über 
die Entstehungsweise der Fußgeschwulst eine nicht gerade geringe. 
Einige wollen wir hier kurz wiedergeben. Schulte glaubt, daß für 
gewöhnlich die Last des Körpers von sämtlichen Mittelfußknochen 
gemeinsam getragen wird. Sobald nun durch irgendeinen Zufall 
beim Abspringen oder Abgleiten die Last auf einen der drei mitt¬ 
leren Metatarsen allein übertragen wird, wird in der Regel dessen 
Festigkeit nicht ausreichen; die Folge ist ein Bruch, und zwar an 
der Stelle der stärksten Krümmung und geringsten Festigkeit, das ist 
im mittleren Drittel. Stechow nimmt an, daß das Leiden durch 
Stöße, die den Fuß von vorn treffen, z. B. Anstoßen des schwingenden 
Fußes an ein Hindernis auf unebenem Boden, verursacht wird, in¬ 
dem die Stöße, die sonst von dem I. Metatarsus abgefangen werden, 
bei parallel gestellten Füßen die meist vorspringenden II. und 
III. Mittelfußknochen beschädigen. Nach Herholds Ansicht 
werden nach Abwicklung der Ferse nicht nur die Köpfchen der 
ersten drei Metatarsen belastet, sondern auch die Mittelfußknochen 
selbst haben für einen Augenblick den Druck der Körperlast aus¬ 
zuhalten. Der I. Metatarsus ist dazu vermöge seiner Stärke wohl 
geeignet, nicht so der II. und III., und die Folge ist die in Frage 
stehende Verletzung. Sleeswijk stellt die Behauptung auf, daß 
unter zu schwerer Belastung die Mittelfußknochen beim Abwickeln 
des Fußes einknicken. Die Länge und geringe Beweglichkeit des 
II. und III. Metarsus sollen die Häufigkeit ihrer Beteiligung er¬ 
klären. Eine große Bedeutung schreibt er der Ermüdung zu, da 


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400 


Siebert und Simon. 


dann die zur Erhaltung der nach oben konvexen Bogenform dienenden 
großen und kleinen Beuger ausfallen. Weiter mißt er der „festen, 
eisenbeschlagenen und kaum biegsamen Sohle“ einen erheblichen 
Anteil zu. Rittershausen gibt folgende Erklärung: Beim Ab¬ 
wickeln des Fußes nimmt bei gesteigerter Körperlast der Boden¬ 
druck an den Köpfchen, der Muskelzug an den Basen der Metatarsen 
zu, und bei genügend langer Einwirkung dieser nach oben kon¬ 
vergierenden Gewalten wird die natürliche Bogenform der Mittel¬ 
fußknochen nach oben eingebogen, eingeknickt oder gebrochen. 
Meiser und Hamann stimmen im allgemeinen mit dieser Ansicht 
überein. Muskat macht die eigenartige Belastung des II. und 
III. Metatarsus durch das „Stillgestanden, Marschieren im Tritt, 
Parademarsch“ verantwortlich; bei letzterem soll außer der Last des 
Körpers noch der Faktor des Schwunges mitsprechen. Auch Thal- 
witzer nimmt den Parademarsch als wesentliche Ursache der Fu߬ 
geschwulst an, doch hat diese Ansicht eine weitere Anerkennung 
nicht gefunden und dürfte durch die Arbeiten von Demuth als 
widerlegt zu betrachten sein. Kirchner meint, die Fußgeschwulst 
entstehe beim Auftreten der Köpfchen des II. und III. Metatarsus auf 
eine Bodenerhöhung, wenn auf den I. Metatarsus, den eigentlichen 
Träger der Körperlast, bei Ermüdung und zu starker Belastung das 
Körpergewicht nicht mehr herübergewälzt werden könne. Blecher 
führt wörtlich aus: „Die Fußgeschwulst entsteht durch eine abnorme 
Belastung der mittleren, normalerweise nicht belasteten Mittelfu߬ 
knochen ; sie tritt entweder durch eine plötzliche Einwirkung äußerer 
Umstände — wobei eine bestimmte, zeitlich umschriebene Veran¬ 
lassung angegeben wird — oder infolge Einsinkens des Mittelfußge¬ 
wölbes bei starker Ermüdung ein. Im letzten Falle wird keine 
Ursache oder die Marschanstrengung im allgemeinen angegeben/ 
Nach Homburgs Ansicht, der auch ich mich anschließen möchte, 
muß man sich den Vorgang etwa so vorstellen. Der feldmarsch¬ 
mäßig ausgerüstete Soldat geht im Wanderschritt auf der Straße, 
der Fuß steckt in einem Stiefel mit dicker, starrer Sohle. Bei Un¬ 
ebenheiten des Weges stellt sich die Sohle schief, der Fuß wickelt sich 
gleichsam auf einer schiefen Ebene ab. Die Sohlenränder stehen 
nicht in gleicher Höhe und die Folge ist, daß bei Höherstehen des 
inneren oder äußeren Fußrandes der II. bzw. III. Metatarsus mehr 
belastet werden. Infolge des fein ausgeprägten Tastgefiihles springen 
der I. bzw. der IV. und V. Mittelfußknochen helfend ein und über- 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 401 

nehmen einen Teil der Körperlast. Nach längerem Marsche aber 
oder größeren Anstrengungen in schwierigem Gelände ermüden die 
Muskeln, die Hilfe bringen können, das Tastgefühl der Fußsohle 
wird abgeschwächt, der Muskelsinn herabgesetzt. Die kräftige 
Wadenmuskulatur ermüdet weniger leicht und wickelt den Fuß über 
die Köpfchen der II. und III. Mittelfußknochen ab, auf denen allein 
somit die gesamte Körperlast ruht. Die Festigkeit dieser Knochen 
wird in erhöhtem Maße beansprucht und versagt, sobald die Elasti¬ 
zitätsgrenze überschritten wird. Die Folge ist Knochenhautentzün¬ 
dung oder Knochenbruch, je nachdem die Körperlast stärker oder ganz 
auf einen der beiden mittleren Metatarsen allein einwirkt. Auch der 

IV. Metatarsus kann und wird ja auch in seltenen Fällen betroffen, 
nämlich wenn die Stiefelsohle sehr schief steht. Dann können sich 
II. und III. Mittelfußknochen nicht mehr anstemmen, während der 

V. infolge seiner größeren Beweglichkeit gegen die Fußwurzel aus¬ 
weicht. In analoger Weise entsteht die Fußgeschwulst beim Laufen 
über Sturzäcker, Springen über Gräben usw. Nach dem geschilderten 
Entstehungsmodus müßten vorherrschend Quer- oder leichte Schräg¬ 
brüche gefunden werden, ein Splitterbruch wäre so schwerlich zu 
erklären und dürfte mehr die Folge direkter Gewalteinwirkung sein. 

Was nun die Häufigkeit der Verletzung des II. Metatarsus an¬ 
langt, so möchten wir neben der Länge als wichtig anführen, daß 
derselbe beim Gang des Ermüdeten, der die Fußspitze einwärts setzt, 
und so bei Unebenheiten des Weges leichter mit höher stehendem 
innerem Sohlenrand auftritt, demgemäß mehr der stärkeren Belastung 
ausgesetzt ist. 

Im Anschluß hieran sei Einiges über die schon mehrfach er¬ 
wähnte Ermüdung gesagt. Die einen verstehen darunter die Er¬ 
müdung der Muskeln, andere sprechen von veränderter Festigkeit 
des Knochens, lassen sie aber zum Teil als belanglos wieder fallen. 
Dü ms mißt einer vorbereitenden Ostitis, die allerdings röntgenologisch 
nicht nachzuweisen ist, eine große Rolle zu, und sieht darin ein 
Analogon zur sog. Trommlerlähmung. Morn bürg betont die „Er¬ 
müdung“ der Knochen, wobei eine herabgesetzte Biegungsfestigkeit 
gemeint sein soll. Blech er wiederum will hiervon nichts wissen, 
denn es wäre nicht einzusehen, warum dann nicht dauernde Ver¬ 
biegungen, wie bei der Osteomalacie und Rachitis die Folge wären, 
oder warum nur die Metatarsen, niemals die anderen Knochen der 
unteren Extremitäten, die doch in gleicher Weise belastet werden, 


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Siebert und Simon. 



S 


fl 


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die gleichen Erscheinungen bieten. Die Erwiderung Momburgä, 
daß diese in ihrer Strebefestigkeit, nicht in der Biegungsfestigkeit 
wie die Metatarsen, beansprucht werden, scheint uns die Einwände 
nicht zu entkräften. Unseres Erachtens spielt die Ermüdung der 
Muskeln die Hauptrolle, denn beim nicht ermüdeten Gang wird ja 
gar nicht die Last vom II. und III. Metatarsus allein getragen, 
diese werden nur am stärksten belastet, die anderen Mittelfu߬ 
knochen springen, wie schon erwähnt, bei Bedarf helfend ein. 
Anders bei der Ermüdung. Da sind auch Tastgefühl, Muskel- und 
Gelenksinn herabgesetzt, der ganze Mensch ist ermüdet, und so kommt 
es viel leichter zu dem schiefen Auftreten mit Höherstehen eines der 
beiden Sohlenränder und dementsprechender Mehrbelastung eines der 
mittleren Metatarsi, ohne daß die übrigen einen Teil der Last mit¬ 
übernehmen. Die Unebenheiten des Weges werden bei der Er¬ 
müdung und der oft großen Staubbildung leicht übersehen, auch 
bietet schlechtes Pflaster, das nicht immer vermieden werden kann, 
günstige Gelegenheit, den Fuß schief aufzusetzen. Aus diesen Dingen 
erklärt sich wohl auch die große Häufigkeit des Leidens beim Militär, 
die Seltenheit in der Zivilbevölkerung. Abgesehen davon, daß der 
Zivilist im allgemeinen weniger belastet ist, wohl niemals in so 
großer Kolonne und in solche Staubwolken eingehüllt geht und sich 
bei schlechten Straßen Verhältnissen den relativ besten Wegestreifen 
aussuchen kann, gönnt er sich vor allem bei Uebermüdung Rast und 
Ruhe, was dem Soldaten aus militärdienstlichen Gründen meist nicht 
möglich ist. 

Es blieben nun noch einige Worte über den Zeitpunkt zu 
sagen, in dem die Fußgeschwulst am leichtesten eintreten kann. 
Nach Kirchners Meinung ist es der Moment des Aufstehens des 
Fußes mit ganzer Sohle. Diese Ansicht aber widerspricht den 
Druckkurven Fischers, denn es träte die Verletzung gerade zur 
Zeit des geringsten Druckes ein. Hamann meint, die Fraktur 
entstehe in der ersten Hälfte der Abwicklung. Nach Meiner er¬ 
folgt sie im Moment des Abstoßes, nach Blech er entweder beim 
Erheben der Ferse, wenn das Fußgewölbe eingesunken ist und die 
Köpfchen des II. und III. Metatarsalknochens den Fußboden be¬ 
rühren, oder im weiteren Verlauf der Abwicklung, beim Abstoßen, 
sofern dieses beim Ermüdeten lediglich vom kräftigen Triceps surae 
besorgt wird. Mombürg läßt die Verletzung in der Phase zwischen 
Abwickeln des einen und Aufsetzen des anderen Fußes entstehen. 


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Die Faßgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 403 

Diese Auffassung steht mit den Diagrammen Fischers im Einklang 
und scheint uns die richtige zu sein. Aus diesen Druckkurven ist 
ferner zu entnehmen, daß dieselbe in der fraglichen Periode für den 
linken Fuß steiler und zu höheren Gewichten ansteigt als für den 
rechten, woraus ein häufigeres Befallensein des linken Fußes re¬ 
sultieren müßte, bedingt durch die stärkere linkseitige Belastung mit 
Gewehr, Seitengewehr, Schanzzeug. Zum Schlüsse noch einige Worte 
über die Verletzungen, die das gleiche Bild wie die Fußgeschwulst 
bieten und als solche im weiteren Sinne aufgefaßt werden müssen, 
z. B. die Verletzungen der Metatarsi beim Turnen. Die Ursache 
ist auch hier die einseitige Belastung eines der drei mittleren 
Metatarsi. Zwar fällt hier der Faktor der Ermüdung fort, jedoch 
kann man ungezwungen die Schnelligkeit der in Frage kommenden 
Bewegungen dafür anschuldigen, daß die anderen Mittelfußknochen 
nicht mehr helfend einspringen können. Ob die „Ermüdung der 
Knochen“, wie Momburg annimmt, auch hierbei eine gewisse Rolle 
spielt, scheint uns recht fraglich. Man müßte dann schon mit ihm 
annehmen, daß durch Ueberanstrengung eine gewisse Sprödigkeit 
der Knochen längere Zeit hindurch anhält. 

Gehen wir nunmehr zum klinisch-statistischen Teil über, so ist 
in der Literatur der letzten Jahre als Grundlage für den Schwell¬ 
fuß fast durchweg eine Metatarsalfraktur angenommen, und wir 
brauchen nur Namen wie Wilms, Borchardt und Nasse an¬ 
zuführen. Periostitiden sind seltener. Ihr Vorkommen wird all¬ 
gemein unter Hindeutung auf die durch Ueberanstrengung beim 
Marschieren entstehende Knochenhautentzündung am Schienbein zu¬ 
gestanden. Entzündungen der Sehnenscheiden, des tief gelegenen 
Bandapparates, die „Syndesmitis metatarsea“ sind heute zu streichen. 

In der deutschen Armee erkrankten im letzten Dezennium jähr¬ 
lich etwa 12000 Mann, d. h. 22,5 pro Mille der Heeresstärke, die 
Zahl schwankt genauer zwischen 12904 und 11811, und man gewinnt 
den Eindruck, als sei die Erkrankung in langsamem, aber sicherem 
Abnehmen. 

Die Gesamtsumme in den einzelnen Armeekorps ist sehr ver¬ 
schieden. Einzelne, z. B. das Garde-, I., II. und III. Korps stehen 
immer über dem Durchschnitt, haben hohe Ziffern, andere, das XV., 
XVHI. und III. bayrische stets weit unter ihm, nehmen die tiefste 
Stelle ein, ebenso steht das IV. mit 16,8 pro Mille erheblich unter ihm. 


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Siebert und Simon. 


Die Fußgeschwulst ist eine typisch militärische Erkrankung; 
ihre Ursache muß man in den Eigentümlichkeiten des militärischen 
Dienstes, seinen Anstrengungen und Uebungen suchen. In der 
Aetiologie spielt die wichtigste Rolle der lange Marsch, die „Ueber- 
anstrengung* beim Marschieren. Die Mehrzahl der Verletzten kann 
daher kein bestimmtes Trauma, keine sichere Ursache angeben. 
Beim Marschieren haben sie geringfügige Schmerzen verspürt, sie 
sind noch längere Strecken gegangen, abends haben sie eine 
Schwellung beobachtet, die sie durch Kühlen zu vertreiben suchten 
Erst als am nächsten Tage infolge erneuten Marschierens, infolge 
Exerzierens die Beschwerden stärker wurden, das Gehen fast un¬ 
möglich geworden war, haben sie sich krank gemeldet; die meisten 
tun es innerhalb der ersten 2 Tage; manche aber sind so unemp¬ 
findlich, daß sie Tage, ja fast 2 Wochen noch umherlaufen. 

Unter den 402 Fällen des IV. Armeekorps haben wir 195mal 
Ueberanstrengung beim Marschieren, 194mal eine Krankmeldung 
innerhalb des ersten Tages, 96mal innerhalb des zweiten gefunden 

Von nicht geringer Bedeutung ist die Körpergröße. Das 
preußische Gardekorps mit dem größten Ersatz steht immer über 
dem Durchschnitt. Einwandsfreier, in die Augen springender wird 
der Einfluß der Körperlänge, wenn man innerhalb der Regimenter 
die einzelnen Kompanien vergleicht. Es ergibt sich dann, daß mit 
der Zunahme der Körpergröße die Zahl der Schw.ellfüße wächst. Wir 
haben vier Regimenter, zwei in einer Großstadt, zwei in kleinen 
Städten ausgewählt und gefunden, daß die Mehrzahl der Erkrankten, 
ja bis zur Hälfte dem I. Bataillon und zwar der ersten Kompanie 
angehörten (siehe Tabelle I). Aehnlich ist es mit Brüchen mehrerer 
Mittelfußknochen und den Rezidiven. 

Tabelle I. 


Regiment 

Gesamt¬ 

davon beim j 

bei der 

zahl 

I. Bataillon 

1. Komp. 

Reg. I Kleinstadt 

133 

59 

! 

! 27 

, II 

80 

40 

15 

„ III Großstadt 

35 

13 

1 3 

. IV 

30 

12 

1 7 


Von großem Einfluß ist ferner das Straßenpflaster. Schon 
Scholtze hat 1908 gezeigt, daß zwei Kompanien, die siebente und 
achte eines Regiments, die getrennt von den übrigen in einem Block 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 405 


lagen, dessen Zufahrtsstraßen ein ganz besonders schlechtes Pflaster 
hatten, jahrelang die höchste Ziffer aufwiesen. Durch diese holperigen 
Straßen mußten die beiden Kompanien von jeder Uebung zurück- 
kebren, durch diese gingen sie zur Hauptkaserne, in der Küche und 
Speiseräume lagen. Auch bei den vier zum Vergleich herange¬ 
zogenen Regimentern fällt dieser Unterschied auf. Die beiden in 
einer Garnison mit gutem Straßenpflaster gelegenen hatten zusammen 
65 Fälle, die beiden anderen mit schlechtem 213, jene hatten 4mal 
mehrfache Brüche und nur 1 Rückfall, für diese lauten die ent¬ 
sprechenden Zahlen 12 und 20. Der unebene Boden ist zweifellos 
ein günstiges Moment für die Entstehung einer Fußgeschwulst. 
Wiederholt ist einwandsfrei festgestellt, daß durch Marschieren über 
Rübenfelder, durch Auftreten auf Wurzeln, durch Gehen auf hartem, 
gefrorenem, gepflügtem Boden Mittelfußknochenbrüche zustande 
kamen, die sofort stechende Schmerzen verursachten. 


Tabel le II. 



Okl 

SOY 

Dez 

Jan. 

Febr 

Marz 

<\pril 

Mai 

Juni 

Juli 

Au ff 

Srpt. 

6%o 













5*00 













9°oo 












/ M 

3°oo 











-7 


2%o 








. 

...♦. 




1%C 






Jtr . 







0%o 



... 

. . 









01/06 " - %o 

11 

16 

0,93 

0,98 

1,0 

19 

2,0 

2,9 

2,5 

2,9 

2,9 

9.9 

OS09 . %o 

12 

1,1 

0,68 

0,83 

072 

1.2 

16 

2.3 

2.2 

2,3 

2,5 

5,0 

Abwhefc Zahl 
08/09 

6H 

596 

371 

998 

388 

699 

867 

1267 

1251 

1299 

1376 

2666 
i_ 


Mit der Größe der Belastung des Körpers wächst die Gefahr 
einer Schädigung des Mittelfußskeletts. Sie ist auch eine Ursache 
dafür, daß im Sommer die Zahl der Fußgeschwülste höher ist als 
im Winter. Die Belastung der Soldaten ist ungleich, die linke 
Seite hat mehr zu tragen als die rechte. Links trägt er meist das 
Gewehr, links trägt er stets Seitengewehr, Wassersäcke, Spaten und 
das schwere Schanzzeug. Daher wird der linke Fuß häufiger be¬ 
troffen als der rechte. Unter 375 Mittelfußknochenbrüchen waren 
201 links-, 174 rechtseitig. Je länger der Marsch, je weniger die 


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Siebert und Simon. 


I 


i. 


i 



4 


4 


S 4 


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Leute an ihn gewöhnt, je größer die Zahl der aufeinanderfolgenden 
Marschtage, desto starker die Ermüdung, desto häufiger die Ver¬ 
letzungen. Im Winter finden Uebungen kaum statt, erst im März 
beginnt die Truppe über Exerzierplätze hinaus in die weitere Um¬ 
gebung auszurücken, im Frühjahr fangen die Uebungen auf dem 
Truppenübungsplatz an. Mit dem Anwachsen dieser größeren An¬ 
forderungen steigt die Zahl der Erkrankungen. Sie sind selten 
vom Oktober bis Februar, sie werden häufiger im März und lang¬ 
sam steigt während der Sommermonate die Kurve in die Höhe, um 
im September ihren Höhepunkt zu erreichen (siehe Tabelle II) 1 ). 

Das Jahr 1911 macht insofern eine Ausnahme, als die Kurve 
im Juli und August bedeutend Fällt und im September fast senk¬ 
recht in die Höhe geht. Von 52 im Juni fällt die Zahl auf 35 im 
Juli, 48 im August, um im September auf 168 zu gelangen. Den 
Grund hiefür muß man in der kolossalen Hitze suchen, die gerade 
in diesen Monaten Juli und August herrschte, weswegen die Truppen 
seltenere und kürzere Uebungen veranstalteten. 

Die Rekruten sind die weniger Trainierten, ihre Füße müssen 
erst an die Anstrengungen gewöhnt werden. Sie stellen daher das 
Hauptkontingent. Pauzet wies schon 1887 hierauf hin. Er glaubte, 
daß die geringere Beteiligung des älteren Jahrgangs auf der größeren 
Geschicklichkeit und Muskelkraft der Beine, der besseren Achtsam¬ 
keit beim Marschieren beruht. Von den 12 657 Mann des Jahres 1908 
gehörten 10 457 dem ersten, 1616 dem zweiten, 548 dem dritten 
oder höheren Dienstjahre an, von den 402 des IV. Armeekorps 
325 dem ersten, darunter 13 Einjährige, 52 dem zweiten; 16 waren 
Unteroffiziere und 3 Reservisten. 

Daß Parademarsch und Turnen Fußgeschwülste machen, soll 
nicht geleugnet werden. Daß aber der Parademarsch als solcher, 
seine Vorübungen, der sog. langsame Schritt, bei dem die Körper¬ 
last auf den Mittelfuß gelegt wird, ganz besonders hiezu geeignet 
ist, ist bereits widerlegt. Unter meinen 402 Fällen ist nur 5mal 
Parademarsch als Ursache verzeichnet, dagegen relativ häufig, d. h. 
in 10 Proz. das Turnen, besonders das Springen und Eskaladieren. 

Ob langes Stillstehen, wie Tillmanns angibt, zu Metatarsal- 
schädigung Anlaß geben kann, darüber gehen die Ansichten aus¬ 
einander. In der übrigen Literatur und in den uns zur Verfügung 


9 Abdruck aus Sanitätsberichte über die königlich preussische Armee. 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 407 


gestandenen Krankenblättern habe ich diese Ursache nicht ge¬ 
funden. 

X- oder O-Beine, Platt- oder Hohlfuß sind von nebensächlicher 
Bedeutung für die Entstehung der Fußgeschwulst. Einige (Hiller- 
Kirchner) vielmehr sehen in dem Plattfuß geradezu eine Art von 
Prophylaxe. Gerade das normale Fußgewölbe scheint am häufigsten 
befallen zu werden, denn unter den 17 Leuten, die an beider¬ 
seitiger Fußgeschwulst erkrankten, hat keiner eine sichere Anomalie 
gehabt. 

Wenn nun der II. und 1H. Metatarsus wirklich Stützpunkte 
des Fußes sind, so müssen wir Verletzungen dieser beiden am 
häufigsten antreffen; hinzukommt, daß der II. der längste ist. In 
der Tat war unter 192 linkseitigen Brüchen 93mal der II. und 80mal 
der III. betroffen. Auch Borchardt und Nasse kommen zu dem 
gleichen Ergebnis. In 90 Proz. ist nach ihrer Erfahrung der II. 
und III. frakturiert. 

Das Hauptsymptom ergibt sich aus dem Namen. Die teigige 
Schwellung des Fußrückens, die unter Umständen ganz erheblich 
sein kann und besonders in den ersten Tagen deutlich ist, ist ja 
die Veranlassung zu der Krankheitsbezeichnung gewesen. Das 
Oedem nimmt meist die ganze Breite ein und gibt keinen Finger¬ 
zeig, welcher Knochen etwa verletzt ist. Tagelang können die 
»Sehnenzwischenräume“ verstrichen sein. Selten, viel seltener als 
man eigentlich annehmen sollte, entdeckt man auch bei ganz frischen 
Fällen die Zeichen eines Blutergusses. Im Gegenteil, die weiße, 
blasse Farbe des Oedems fällt besonders auf. Nur 8mal unter den 
402 Fällen ist eine blaue oder gelbliche Verfärbung der Haut ver¬ 
zeichnet gewesen. Daß Blutergüsse bei Mittelfußbrüchen durch 
Ueberfahren, Huftritt usw. stets vorhanden sind, ist von vornherein 
einleuchtend. 

Ein Symptom, das Aufschluß gibt, welcher Knochen erkrankt 
ist, ob Fraktur oder Periostitis wahrscheinlich sind, ist der Druck¬ 
schmerz. Ist er zirkumskript, erheblich, so dürfen wir erstere an¬ 
nehmen, erstreckt er sich über ein größeres Gebiet, ist er nicht sehr 
stark, so ist meistens letztere vorhanden. Ganz besonders leicht 
wird die Differentialdiagnose in den frischen Fällen, wo noch keine 
starke Anschwellung der Weichteile störend wirkt. Finden wir beim 
Betasten des Knochens von der Fußsohle (Wilms) oder zwischen 
je zwei Fingern vom Fußrücken und von der Sohle aus heftigen 


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Siebert und Simon. 


Druckschmerz, so liegt ein Bruch vor. Das wichtigste differential¬ 
diagnostische Symptom ist der Schmerz bei Zug an der Zehe 
(Wilms) oder bei Stauchung. Durch diese Prüfung wird die lokale 
Empfindlichkeit der Weichteile infolge der entzündlichen Reize 
an der Verletzungsstelle ausgeschaltet und man prüft nur die der 
eventuellen Bruchstelle. Gerade die Stauchung scheint uns hierzu 
ganz besonders geeignet (Narath). Abnorme Beweglichkeit und 
Krepitation sind nur selten zu fühlen. Einmal hindert das Oedem 
daran, ja es kann direkt irreführen. Zudem liegen die Metatarsen 
so fest in Muskeln, Sehnen, Bändern fixiert, daß, wenn die abnorme 
Beweglichkeit so häufig zu fühlen wäre, röntgenologisch viel öfter 
eine Verschiebung der Fragmente zi^ sehen wäre. Selten ist dies ! 
der Fall. Eine ungeheure direkte Gewalt gehört dazu, diese straffen j 
Verbindungen zu sprengen. Wie oft sieht man an den Röntgen¬ 
bildern der frischen Brüche, selbst bei genauester Betrachtung, keine j 
Bruchlinie, denn der Bruch erfolgt oft subperiostal (de Quervain». 
Man muß häufig nach 8 oder 14 Tagen aus diesem Grunde eine » 
zweite Aufnahme machen. Erst die Callusbildung gibt dann sicheren 
Aufschluß. Ist sie ringförmig, „umfaßt sie den Knochen, wie der 
knollige Auswuchs den Stamm einer Birke“, so liegt eine Fraktur 
vor, ist sie spindelförmig, eine Seite, die Innen- oder Außenseite 
verdickt, der Markraum durch Callus nicht unterbrochen, so eine 
Periostitis. Und gar nicht selten finden wir auch nach dieser Zeit 
keinen Callus, und doch hat eine Verletzung des Metatarsalskeletts 
Vorgelegen. Meist wird in solchen Fällen eine Reizung oder Ent¬ 
zündung der Knochenhaut Vorgelegen haben, die ja ohne Residuen 
ausheilen können. Ein interessantes Symptom hat Momburg an¬ 
gegeben: „Drückt man bei aufstehendem Fuße, so daß die Zehen 
ebenfalls auf der Unterlage auf liegen, oberhalb des Köpfchens auf 
den verletzten Mittelfußknochen, so hebt sich bei vorliegendem Bruch 
manchmal die Spitze der Zehen von der Unterlage ab.“ 

Der Bruch ist, da der Knochen über seine Elastizität hinaus 
gebogen wird, ein Quer- oder leichter Schrägbruch. Splitterbrüche 
sind äußerst selten und dann meist Folgen der Einwirkung einer 
erheblichen direkten Gewalt. 

Die Therapie ist einfach und im wesentlichen die gleiche für 
beide Erkrankungsformen und unterscheidet sich hauptsächlich durch 
ihre Länge, strengste Bettruhe, bei Periostitiden etwa 10—14 Tage, 
bei Frakturen etwa 20—21 Tage, Hochlagern, feuchte Verbände oder 


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Die Fußgeacbwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 409 

Heißluft scheinen die geeignetste Behandlung zu sein, bei ersterer 
käme vielleicht noch die Anwendung von Jod in Frage. Alsdann emp¬ 
fiehlt es sich, die Kranken aufstehen und mit Schnürschuhen, nie in 
Pantoffeln umhergehen zu lassen. Treten Oedem und Schmerzen 
wieder auf, wird der auf Druck unempfindliche Callus wieder emp¬ 
findlich, so ist erneute Bettruhe erforderlich. Rückfalle sind meist 
Folgen zu früher Belastung des Fußskeletts bei noch nicht völlig 
festem Callus. Sind die Kranken mehrere Tage außer Bett, ohne 
daß Erscheinungen erneut auftraten, geblieben und viel umherge¬ 
gangen, auch dann noch ist es zweckmäßig, sie in der nächsten 
Zeit von den größeren Marschübungen zu befreien. Bei der meist 
nach vierwöchiger Behandlung erfolgenden Entlassung ist der Callus 
gewöhnlich im Zurückbilden, er bleibt noch lange fühlbar und be¬ 
schränkt weder die Dienst- noch die Erwerbsfähigkeit. Der Forde¬ 
rung Marös, Bettruhe bis zum Schwinden des Callus anzuwenden, 
dürfte wohl keiner nachkommen. 

Man hat viele Behandlungsmethoden, bald diese, bald jene 
versucht, bald mehrere zusammen, ohne besonders günstige Re¬ 
sultate zu erzielen oder die Behandlungsdauer zu verkürzen. Von 
den noch viel benutzten Methoden scheint der Gipsverband die un¬ 
geeignetste zu sein, jedenfalls für die gewöhnliche Form der 
Mittelfußbrüche. Fixierende Verbände sind, wenn irgend möglich, 
zu vermeiden. Für Brüche, die keine Verschiebung zeigen, genügen 
einfache Schienen, welche das Glied ruhig lagern (Wilms). Nach 
Bardenheuer ist zudem der Gipsverband sogar schädlich, da er 
die funktionelle Behandlung ausschließt, Gelenke fixiert, Atrophien 
macht. Er empfiehlt Längsextension des ganzen Beines, Extension 
der gebrochenen Metatarsen zehenwärts etwa 3 Wochen lang, läßt 
vom zehnten Tage an Bewegungen machen und etwa 6 Wochen das 
Bett hüten. 

Eine wenig zweckentsprechende Behandlungsart ist die Massage, 
die man für gewöhnlich doch dort anwendet, wo kein Callus sich 
bildet oder wo man reichlichen haben will. Ein starker Callus ist 
aber nicht erwünscht, da er auf die benachbarten Mittelfußknochen 
drückt, sie mechanisch behindert und Zirkulationsstörung unterhält. 
Er verlängert also nur die von vornherein schon nicht kurze Be¬ 
handlungsdauer. Viele warnen vor der Massage (Kirchner) und 
Wil ms rät, die Bruchstelle freizulassen. 

An Stelle der feuchten Verbände, Heißluft werden heiße Um- 


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Siebert und Simon. 


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schlage, Sandbäder (Eulenburg) und Stauen gelobt und emp¬ 
fohlen. Mit letzterem glaubt vor allem Mombürg sehr günstige 
Resultate zu erzielen. 

Bl ec her und v. Heuß haben Verbände mit Heftpflaster oder 
Klebrobinden angegeben. Sie wollen nicht die Behandlungsdauer 
kürzen, sondern die Kranken möglichst bald ohne Schmerzen auf¬ 
stehen und gehen lassen. Schon am dritten Tage verlassen die 
Leute das Bett, nehmen in Schnürschuhen am Innendienst teil, nach 
3 Wochen wird der Verband abgenommen. Sie vermeiden dadurch 
eine Lazarettbehandlung und verhindern die Atrophie der Muskulatur, 
welche die lange Bettruhe zur Folge hat. Muß man dies ohne 
weiteres zugeben, so wird dieser sicherlich nicht gering zu schätzende 
Vorteil doch erheblich durch die verhältnismäßig große Gefahr einer 
zu starken Callusbildung gemindert. Mombürg hat ferner darauf 
hingewiesen, daß diese Verbände unzweckmäßig sind, da ihre Autoren 
von fälschen Voraussetzungen ausgehen. Sie stellen ein frontales 
Gewölbe her, machen I. und V. Metatarsus zu Stützpunkten und 
heben II. und III. vom Boden ab. Durch diesen Umstand können 
die Leute sehr bald auftreten, ohne wesentliche Schmerzen zu ver¬ 
spüren. Die Anwendung dieser Verbände ist auf dem Marsche 
nützlich, da es gelingen kann, frische Verletzungen bis zum nächsten 
Eisenbahn- resp. Unterkunftsorte marschfähig zu erhalten, um sie 
von dort aus in das Lazarett zu schicken. Auch für den Krieg er¬ 
scheint uns von diesem Gesichtspunkte das Verfahren geeignet. 

Um den Metatarsalschmerz zu beseitigen, hat eine im Prinzip 1 
ähnliche Behandlung v. Bayer empfohlen. Er gibt zur Entlastung 
des II. und III. Mittelfußknochens eine Einlage. 

Die Behandlungsdauer schwankt im IV. Korps zwischen 3 und 
80 Tagen; die niedrige Zahl erklärt sich daraus, daß es sich um 
Leute bandelt, die ihre Dienstzeit erfüllt, der Sehnsucht nach der 
Heimat ihre Beschwerden unterordneten; im Durchschnitt beträgt 
sie 22 Tage; eine bestimmte Behandlungsdauer von vornherein fest¬ 
zusetzen, ist unpraktisch, nur von Fall zu Fall läßt sich die Wieder¬ 
herstellung der Dienstfähigkeit bestimmen. 

Die Prognose ist günstig; die Zahl derer, bei denen noch 
längere Zeit Störungen der Gehfähigkeit bestehen, ist gering und 
die derer, welche wegen dieses Leidens dienstunbrauchbar werden, 
ist kaum nennenswert, etwa 0,4—0,5 Pro mille; die Ursache ist 
meistens dauernder Schmerz infolge Drucks durch überstarken Callus. 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 411 


Unter den 402 Fällen ist keiner an dieser Verletzung dienstunfähig 
geworden. 

Andere Behandlungsart und -länge erfordern diejenigen Brüche, 
bei denen im Anfang eine große Dislokation, eine Winkelstellung 
besteht. Hier finden wir auch ausgedehntere Quetschung der Weich¬ 
teile. In Narkose muß die Reposition gemacht und es kann ein 
Gipsverband angelegt werden, wenn man nicht die Bardenheuersche 
Extension bevorzugt. 

Was die Prophylaxe anbetrifft, so finden wir schon in der Feld¬ 
dienstordnung hierfür einige wichtige Hinweise: 

»Allmähliche Steigerung der Marschleistungen ist bei den 
Uebungen im Auge zu behalten,* die Belastung des Mannes wächst 
schrittweise bis zur völligen Kriegsausrüstung. 

„Auch, wo Eile geboten, müssen bei längerem Marsch ange¬ 
messene Rasten eingelegt werden, um die Truppe kampffähig an 
den Feind zu bringen.“ 

„Befohlene Erleichterungen im Anzug bleiben bestehen (auch 
beim Marsch durch Ortschaften).“ Zur Kräftigung der Beinmusku¬ 
latur, zur Hebung der Energie und Schärfung der Aufmerksamkeit 
empfehlen sich reichliche Turnübungen und Turnspiele. 

Ein sehr geeignetes Mittel, die Zahl der Erkrankungen auf 
das Minimum zu beschränken, ist strengste Marschdisziplin. Es ist 
eine alte Erfahrung, je geschlossener, je geordneter der Marsch ist, 
je strenger das seitliche Ausweichen und Nachziehen einzelner Leute 
verboten und verhindert wird, um so weniger Fußkranke kommen 
vor. Selbstverständlich muß man der Fußbekleidung im weitesten 
Sinne große Fürsorge widmen. 

Fassen wir unsere Ausführungen kurz zusammen, so er¬ 
gibt sich: 

1. Unter Fußgeschwulst ist eine Verletzung der Mittelfu߬ 
knochen zu verstehen. 

2. Die vorderen Stützpunkte des Fußes beim Gehen und Stehen 
sind die Köpfchen des II. und III. Metatarsus. 

3. Die Fußgeschwulst entsteht in der Regel auf dem Marsche 
infolge schiefer Abwicklung des Fußes und dementsprechender Mehr¬ 
belastung eines der mittleren Mittelfußknochen. 

4. Die Verletzung tritt ein in der Periode zwischen Abwickeln 
des einen und Aufsetzen des anderen Fußes. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 27 


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Siebert und Simon. 



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5. Die Fußgeschwulst ist meist ein Quer- oder leichter Schräg¬ 
bruch des II. oder III. Mittelfußknochens; die linke Seite erkrankt 
häufiger als die rechte. 

6. Die meisten Kranken gehören dem ersten Dienstjahre an. 

7. Alle Fußgeschwülste gehören in das Lazarett. Die Be¬ 
handlung besteht am besten in Bettruhe, Ruhigstellung und leichte 
Hyperämie machenden Verbänden. 

8. Alle Fußgeschwülste sind auch am Ende der Behandlung 
zu röntgen. 

9. Unter Nr. 155 des Rapportmusters sind nur echte Fufce- 
schwülste zu führen, nicht solche, die durch Quetschung, Huf¬ 
schlag usw. entstanden sind. 


Literatur. 

1. Ajevoli, Studio su la pathogenesi del piede piatto statico. mechanico. 

Arch. di ortopedia 190*2, Nr. 3. 

2. Bai sch, Der Plattfuß. Ergehn, d. Chir. 

3. Bardenheuer und Gräßner, Die Technik der Extensionsverbände. 

4 . v. Bayer, Zur Behandlung des Metatarsalschmerzes. Münch, med. Wochen¬ 

schrift 1909. 

5. Beely, Zur Mechanik des Stehens. Archiv f. klin. Chir. Bd. 27. 

6. v.Bergmann-v. Bruns, Handbuch der praktischen Chirurgie. 

7. Bischof f-Sch j erni ng, Lehrbuch der Militärhygiene. 

8. Blech er, Fußgeschwulst, Knochenbruch und Knochenhautentzündung. 

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9. Ders., Entstehung der Fußgeschwulst. Ebenda 1903, Nr. 1. 

10. Ders., Einfluß des Parademarsches auf die Entstehung der Fußgeschwulst. 

Med. Klinik 1905, Nr. 3. 

11. Ders., Zur Entstellung der Fußgeschwulst. Deutsche Zeitschr. f. Chir. 

Bd. 74, Nr. 24. 

12. Ders., Die Behandlung der Fußgeschwulst mit Heftpflasterverbänden. 

Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1907, H. 21. 

13. Bossi, Piede piatto. Arch. die ortopedia 1904, Nr. 3 und 4 . 

14. Braune und Fischer, Der Gang des Menschen. 1. Teil, Leipzig 1895. 

15. Bum, Anpassung und Gewöhnung an Unfällfolgen. Med. Klinik 1912. 

16. Demnth, Der Parademarsch und seine vermeintliche Schädlichkeit. Deutsche 

militärärztl. Zeitschr. 1904, H. 12. 

17. Dlims, Marschgeschwulst und Mittelfußbrüche. Vortrag, gehalten in der 

Mod. Gesellsch. in Leipzig. 6. Dez. 1904, ref. Deutsche med. Wocbenschr. 
1905, Nr. 12 und Münch, med. Wocbenschr. Nr. 5. 

18. Engels, Leber den normalen Fuß und den Plattfuß. Zeitschr. f. orthop. 

Chir. Bd. 12, II. 3. 


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20. Exerzierreglement für die Infanterie. 

21. Felddienstordnung. 

22. Fischer, Der Gang des »Menschen. 2.—6. Teil. 

23. Freund, Frakturen der Metatarsalknochen. Wien. med. Wochenschr. 1910. 

24. Hamann, Ueber sog. Frakturen der Metakarpal- und Metatarsalknochen usw. 

Dissertation. Greifswald 1902. 

25. Hasebroek, Ueber Mittel- und Vorderfußbeschwerden und deren Behand¬ 

lung. Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 11. 

26. Helferich, Frakturen und. Luxationen. 

27. Herhold, Ueber Verletzungen der Metatarsalknochen. Gedenkschrift für 

Dr. Rud. v. Leuthold, Berlin 1906, Bd. II. 

28. v. Heuß, Behandlung der Fußgeschwülste. Deutsche militärärztl. Zeit¬ 

schrift 1908. 

29. Hi de, Beiträge zur Kasuistik der Fußgeschwulst. Deutsche militärärztL 

Zeitschr. 1910. 

30. Hill er, Gesundheitspflege im Heere. 

31. Hoffa, Lehrbuch der Orthopädie. 

32. Hohmann, Ueber den Vorderfußschmerz. Zentralbl. f. chir. und mechan. 

Orthop. 3, H. 1. 

33. Kirchner, Ueber das Wesen der Fußgeschwulst. Wiesbaden 1898. 

34. Der«., Die Fußgeschwulst. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1899, H. 2. 

35. Ders., Die Aetiologie der indirekten Metatarsalfrakturen. Archiv f. klin. 

Chir. Bd. 77, Nr. 15. 

36. Ders., Welches ist der gefährlichste Moment für die Entstehung eines 

Mittelfußknochenbruches beim Gehen. Deutsche med. Wochenschr. 1906, 
Nr. 28. 

37 . Der8., Der zwanglose Gang und die beim Gehen entstehenden Mittelfu߬ 

knochenbrüche. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1905, Nr. 8. 

38. Krumbein, Zur Behandlung der Mittelfußknochenbrüche. Deutsche militär¬ 

ärztliche Zeitschr. 1910. 

39. Lazarus, Zur Morphologie des Fußskeletts. Morphol. Jahrb. 24, 1896. 

40. Lex er, Allgemeine Chirurgie. 

41. Lorenz, Die Lehre vom erworbenen Plattfuß. Stuttgart 1883. 

42. Meiser, Fortschr. auf d. Geb. d. Röntgenstr. IV, S. 108. 

43. Messerer, Ueber Elastizität und Festigkeit der menschlichen Knochen. 

Stuttgart 1880. 

44. v. Meyer, Statik und Mechanik des menschlichen Fußes. Jena 1886. 

45. Meyer, Ueber die sog. Fußgeschwulst der Soldaten. Korrespomlenzbl. f. 

Schweiz. Aerzte 1902. 

46. Momburg, Die Behandlung der Fußgeschwulst mit künstlicher Stauungs¬ 

hyperämie. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1904, Nr. 1. 

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in der Freien Vereinigung der Chirurgen Berlins 1905. Deutsche med. 
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48. Ders., Die Entstehungsursache der Fußgesclnvulst. Deutsche Zeitschr. f. 

Chir. Bd. 73, Nr. 22. 


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Siebert und Simon. 


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49. Der8., Die zwei- und mehrfache Teilung der Sesambeine der großen Zehe. 

Deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. 86, Nr. 19. 

50. Ders., Der Gang des Menschen und die Fußgeschwulst. Bibliothek von 

v. Coler-v. Schjerning Bd-25, 1908. 

51. Muskat, Die. Brüche der Mittelfußknochen in ihrer Bedeutung für die 

Lehre von der Statik des Fußes. Samml. klin. Vortr. N. F. Nr. 76. 

52. De Quervain, Spezielle chirurgische Diagnostik. 

53. Reichel, Lehrbuch der Nachbehandlung von Operationen. 1909. 

54. Riedinger, Mechanik des Fußgewölbes als Grundlage der Lehre von den 

Fußdeformitäten. Zentralbl. f. Chir. Nr. 15, 1897. 

55. Ders., Klinische Aetiologie des Plattfußes. Zeitschr. f. orthop. Chir. Nr. 11. 

56. Rittershausen, Zur Frage der Fußgeschwulst. Deutsche militärärztl. 

.Zeitschr. 1899, Nr. 1. 

57. Savariaud, Journ. de med. de Paris 1910. 

58. Schanz, Schmerzende Füße. Deutsche med. Woclienschr. 1902, Nr. 42. 

59. Ders., Fortschritte in der Behandlung der Insufficientia pedis. Deutsche 

med. Wochenschr. 1909, Nr. 2 . • 

60. Schjerning, Ueber die Fußgeschwulst. Vortrag in der Freien Vereinigung 

der Chirurgen Berlins 1905. Deutsche med. Wochenschr. 1905, Nr. 10. 

61. Schmidt, Ueber Fußgeschwulst. Vortrag in der Wissenschaftlichen Ver¬ 

einigung der Sanitätsoffiziere des XI. Armeekorps, ref. Deutsche militär- 
. ärztliche Zeitschr. 1905, H. 2. 

62. Schmiz, Bruch dreier Mittelfußknochen. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 

1902, H. 4. 

63. Seholtze, Mittelfußknochen- und Wadenbeinbrüche. 1908. 

64. Schulte, Die sog. Fußgeschwulst. Archiv f. klin. Chir. Bd. 55, Nr. 39. 

65. Schumberg, Hygiene des Marsches und der Truppenunterkunft. Vortrag 

(ärztliche Kriegswissenschaft), gehalten 20. Oktober 1901. 

66. Seitz, Die vorderen Stützpunkte des Fußes unter normalen und patholo¬ 

gischen Verhältnissen. Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 8. 

67. Sleeswijk, Warum kommt die Fußgeschwulst beim Militär am meisten 

vor? Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1900, Nr. 11 . 

68. Starke, Fußödem und Röntgenstrahlen. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 

1897. 

69. Statistische Sanitätsberichte über die kgl. preußische Armee von 

1902 ab. 

70. Stechow, Brüche der Mittelfußknochen, eine häufige Ursache von Fuß- 
. ödem. Vortrag auf dem IX. Internat. Kongr. f. Hygiene u. Demogr. zu 

Madrid 1898. 

71. Ders., Fußödem und Röntgenstrahlen. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 

1897, Nr. 11. 

72. Ders., Das Röntgenverfahren. Bibliothek v. Coler Bd. 18. 

73. Steudel, Mechanik des Fußgewölbes. Zentralbl. f. Chir. 1897, Nr. 50- 

74. Thalwitzer, Zur Aetiologie der Fußgeschwulst. Deutsche militärärztl. 

Zeitschr. 1902, H. 8. 

75. Ders., Der Parademarsch. Vortrag auf der 76. Versammlung deutscher 

Naturforscher und Aerzte, Dresden 1904. 


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Die Fußgeschwulst und ihre Bedeutung für das deutsche Heer. 415 


76. Thiele, Ueber Frakturen der Metatarsalknochen durch indirekte Gewalt 

Deutsche med. Wochenschr. 1899, Nr. 10. 

77. Ders., Weiterer Beitrag zur Frage nach der Ursache der Fußgeschwulst 

Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1900, Nr. 3. 

78. Tiedemann, Häufigkeit und Wesen der Fußgeschwulst Dissertation. 

Berlin 1904. 

79. Tillmann8, Lehrbuch der Chirurgie. 

80. To bald, Zur Kasuistik der Mittelfußknochenbrüche. Deutsche militärärztl. 

Zeitschr. 1903, Nr. 9. 

81. Villaret und Paalzow, Sanitätsdienst und Gesundheitspflege im deut¬ 

schen Heere. 

82. Weisbach, Die sog. Fußgeschwulst. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1877. 

83. Wolff, Die Lehre von der funktionellen Knochengestalt. Virchows Archiv 

Bd. 155, Nr. 11. 

84. Wullstein-Wilms, Lehrbuch der Chirurgie. 


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XXIII. 


Aus der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses zu Forli. 

Heber primäre Angiofibrome der Muskeln 
als Ursache von Deformitäten. 

Von 

Prof. Dr. Santo Solieri, Oberarzt. 

Im Jahre 1905 berichtete Putti über 2 Fälle von primären 
Angiomen der Muskeln, welche zu bedeutenden Deformitäten der 
Unterextremitäten geführt hatten. Die Beobachtungen sind von 
großem Interesse nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Pathologie 
und der chirurgischen Klinik, sondern auch unter demjenigen der 
Orthopädie. Im ersten Fall handelte es sich um einen 33jährigen 
Mann, bei dem ein kavernöses Angiom des linken Gastrocnemius 
eine Equinovarusstellung des Fußes herbeigeführt hatte. Im zweiten 
Fall nahm das sehr diffuse Angiom die Glutaei und den Gastro¬ 
cnemius des linken Beines eines 29jährigen Mannes ein, bei welchem 
die Extremität nach und nach eine abduzierte Stellung im Hüft¬ 
gelenk, eine flektierte Stellung im Kniegelenk und eine hyperexten¬ 
dierte Stellung im Sprunggelenk angenommen hatte. In beiden Fällen 
führte die Abtragung des Tumors mit nachfolgender Verlänge¬ 
rung der Achillessehne nach Bayer zur Heilung und korrigierte 
die Deformität. 

Nach der Veröffentlichung Puttis sind meines Wissens keine 
ähnlichen Beobachtungen von anderen Autoren mitgeteilt worden, 
weshalb ich es für zweckmäßig halte, eine persönliche Beobachtung 
zu veröffentlichen, welche einerseits diejenigen von Putti bestätigt, 
anderseits sich zu verschiedenen Betrachtungen über den der De¬ 
formität bei der Diagnose der primären Angiome der Muskeln 
beizumessenden Wert eignet. 


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Ueber primäre Angiofibrome der Muskeln als Ursache von Deformitäten. 417 


P. E., 16 Jahre alt, aus Forli. Aufgenommen am 15. Juni 
1911, entlassen am 15. Juli 1911. 

Die Mutter ist gesund; normale Geburt. Außer Typhus als 
Kind hat Patient keinerlei Krankheiten durchgemacht. Keine erbliche 
Belastung, keine Syphilis. Im Alter von 9 Jahren hatte er eine Haut¬ 
krankheit an der vorderen Region des linken Oberschenkels, welche 
ungefähr einen Monat dauerte und zu Schorfbildungen führte. Man 
sagte, es sei das Feuer vom heiligen Antonius (Herpes zoster). 
Der Kranke erinnert sich, daß von da an ein Schmerz an der vor¬ 
deren Fläche des Oberschenkels zurück blieb, welcher sich beim Gehen 
bemerkbar machte; in der Ruhe wurde er nicht verspürt. Die Pal¬ 
pation an der erwähnten Region war sehr schmerzhaft. Der 
Schmerz verstärkte sich im Laufe der Jahre immer mehr;, in letzter 
Zeit war das Gehen erschwert, da Patient den Unterschenkel 
nicht beugen konnte. Von Beruf ist Patient Schneider. Es ge¬ 
lang ihm, die typische Berufsstellung anzunehmen, d. h. den linken 
Unterschenkel über den rechten zu kreuzen; doch konnte er sie 
nicht einhalten, da ihm das Gewicht des nicht vollkommen schlot¬ 
ternden Unterschenkels ernstliche Beschwerden an der vorderen Region 
des Oberschenkels verursachte. Bereits seit einigen Jahren hatte 
der Jüngling das Auftreten von einigen Knötchen in der Dicke des 
Fleisches der vorderen Region des Oberschenkels bemerkt, welche 
sich allmählich vergrößert hatten und dann auf Druck schmerzhaft 
geworden waren. 

Objektive Untersuchung: Patient ist von regelmäßigem 
Knochenbau, zeigt spärliches Fettpolster und kräftige Muskulatur. 
Er geht auf einen Stock, welchen er in der rechten Hand trägt, ge¬ 
stützt, wobei er das linke Bein gestreckt und im Kniegelenk steif 
hält. Wenn das linke Bein zur Ausführung des Schrittes nach vorn 
gesetzt werden soll, vollführt Patient eine leichte Sensenbewegung nach 
außen. Aufgefordert, diesen Gang zu ändern, erklärt Patient, daß 
ihm dies unmöglich sei, da er beim Versuch, den Unterschenkel zu 
beugen, ein schmerzhaftes Spannungsgefühl an der vorderen Region 
des Oberschenkels empfinde. 

Bei der Inspektion in Rückenlage des Patienten erscheint die 
Haut der Unterextremitäten normal. Die Muskulatur der vorderen 
Region der Oberschenkel ist links et\vas vorspringender als rechts, 
doch werden keine Unregelmäßigkeiten oder umschriebenen An¬ 
schwellungen bemerkt. Bei der Palpation dagegen fühlt man in 


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418 


Solieri. 


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der Dicke des Quadriceps femoris, und zwar anscheinend im oder 
am M. rectus ant., eine Reihe von Knotenbildungen von verschie¬ 
dener Größe, ziemlich regelmäßiger Oberfläche, fibröser Konsistenz, 
auf Druck schmerzhaft, in rosenkranzartiger Anordnung längs der 
Achse der Extremität. Versetzt Patient die Streckmuskeln des Ober¬ 
schenkels in Kontraktion, so scheint sich Sitz, Größe und Kon¬ 
sistenz der erwähnten Knotenbildungen nicht zu ändern. Die aktiven 
und passiven Beugebewegungen des Kniegelenks sind durch dtn 
Schmerz, der in der Region des Quadriceps ausgelöst wird, be¬ 
schränkt. Jedoch ist es offenbar, daß das Kniegelenk gesund ist. 
Die in Profilstellung vorgenommene radioskopische und radiographi¬ 
sche Untersuchung läßt keine ausgeprägten positiven Erscheinungen 
erkennen, welche die Diagnose aufklären könnten. Nur ist der 
durch die Muskelmassen gegebene zarte Schatten links an einigen 
Stellen weniger homogen als rechts. 

Die Untersuchung aller übrigen Organe des Körpers war 
negativ, Urin normal. Konstante Fieberlosigkeit. 

Es wurde die Diagnose auf Neurofibromatose gestellt. Diese 
Vorstellung wurde bestärkt durch den langen Verlauf der Krank¬ 
heit, ihren Beginn mit einer Hauterkrankung, welche als von dys¬ 
trophischer Natur gedeutet werden konnte, durch die Anwesenheit 
der rosenkranzartig wie längs des Verlaufes eines Nerven, welcher 
im speziellen Fall eine Abzweigung des Cruralis sein konnte, an¬ 
geordneten Knotenbildungen, durch die so ausgeprägte Schmerzhaf¬ 
tigkeit sowohl bei der Palpation als bei den aktiven und passiven 
Bewegungen. Ich gestehe, daß der Deformität nicht der Wert bei¬ 
gemessen wurde, der ihr, wie ich jetzt glaube, zukommt. 

Operation am 19.Mai 1911. LumbaleTropokokainanästhesie. 
Hautschnitt von der Spina il. ant. sup. bis an den oberen Rand 
der Kniescheibe auf einer durch die beschriebenen Anschwellungen 
bezeichneten Linie. Das Unterhautzellgewebe erscheint normal. 
Nach Eröffnung der Fascie sieht man sofort, daß die pathologisch¬ 
anatomische Alteration ihren Sitz in dem M. rectus ant. hat und 
durch ein Angiom gebildet ist, welches ein Gewebe von fibrösem 
Aussehen darstellt, das an die Stelle des Muskels selbst getreten 
zu sein scheint. Der Muskel wird in seiner ganzen Länge abge¬ 
sucht, um zu sehen, ob die Neubildung irgendwie umschrieben sei, 
d. h. ob irgend ein Teil des Rectus verschont und in situ zu be¬ 
lassen sei. Es läßt sich jedoch leicht konstatieren, daß der Muskel 


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lieber primäre Angiolibrome der Muskeln als Ursache von Deformitäten. 419 


in seiner Gesamtheit befallen ist, weshalb zu seiner gänzlichen Ab¬ 
tragung geschritten wird. Das Messer folgt bei der Präparierung 
dem perimuskulären Zellgewebe des Rectus; aus dem Zellgewebe 
treten in den Muskel die arteriellen und venösen Aeste von kaum 
größerem Volumen als normal ein. Die Durcbscbneidung des Mus¬ 
kels erfolgt nach unten auf der Sehne zwei Fingerbreit über dem 
oberen Rand der Kniescheibe, nach oben an der Insertion an der 
Spina il. ant. sup. Ein Versuch, den Muskel weiter nach unten, 
d. h. vor der tendinösen Portion, zu durchschneiden, hatte eine so 
weite vaskuläre Kaverne eröffnet, daß ein Zeigeßnger hineinging. 
Bei der Synthese der Gewebe brachte ich unten die inneren Ränder 
der beiden Vasti auf der Mittellinie aneinander und den Sartorius 
verlagerte ich derart, daß sein Fleisch an der Vereinigungsstelle 
zwischen dem unteren Drittel und den zwei oberen Dritteln mit 
dem resezierten Stumpf der Patellarsehne verwuchs. Naht der Fascie 
und der Haut. 

Die Wunde heilte per pritnam, und der Operierte konnte 
20 Tage nach dem Eingriff die chirurgische Abteilung verlassen. 

Sofort als der Operierte wieder zu gehen begann, erklärte er, 
daß das Schmerz- und Spannungsgefühl an der vorderen Region des 
Oberschenkels verschwunden sei und er ohne Beschwerde und An¬ 
strengung den Unterschenkel gegen den Oberschenkel vollständig 
beugen könne. Bei der Nachuntersuchung, ca. 1 Monat nach seiner 
Entlassung aus dem Krankenhaus, waren jedes Hinken und jede De¬ 
formität der linken Unterextremität verschwunden. Der Jüngling 
ging frei, fuhr Rad und empfand in beiden Beinen die gleiche 
Energie. — 

Um eine Vorstellung von den Folgen des destruktiven Ein¬ 
griffs, der ausgeführt hatte werden müssen (totale Resektion des 
Rectus femoris), und des orthopädischen Kunstgriffes zu bekommen, 
der angewendet worden war, um einigermaßen für die fehlende 
Wirkung des Rectus Ersatz zu schaffen, machte ich in einem Ab¬ 
stand von fast 5 Monaten von der Operation folgende Proben. 

9. November 1911. — Ich lasse den Patienten sich auf einen 
eisernen Tisch setzen, wobei die entblößten Beine von der Tisch¬ 
kante herabhängen und die Arme gekreuzt gehalten werden. Unter 
der rechten Ferse wird ein Gewicht von 1 Kilo befestigt und der 
Operierte aufgefordert, die vollständige Streckbewegung des Unter- 


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Schenkels gegen den Oberschenkel nacheinander und rhythmisch bis 
zu vollkommener Erschöpfung der Kraft zu machen. Die Bewegung 
wird 1503mal in 50' ünd 15" mit einem mittleren Rhythmus tod 
32 Bewegungen in der Minute ausgeführt. Ich halte es nicht für 
zweckmäßig, in derselben Sitzung einen gleichen Versuch an dem 
linken operierten Bein zu machen, da die allgemeine Ermüdung das 
Resultat hätte beeinflussen können. Daher wird der Jüngling auf¬ 
gefordert, sich am folgenden Tag zur nämlichen Stunde einzufinden, 
und ihm anempfohlen, an dem Tage die nämlichen Beschäftigungen 
innezuhalten wie am ersten Versuchstag (Schneiderarbeit in sitzen¬ 
der Stellung). 

10. November 1911. — Gleiche Versuchsbedingungen. Von dem 
linken Bein wird die Extensionsbewegung 2422mal in 80' und 44" 
mit einem mittleren Rhythmus von 30 Bewegungen in der Minute 
ausgeführt. In Anbetracht des auffallenden Resultates, welches für 
eine größere Energie in der operierten Extremität sprach, wird der 
Jüngling aufgefordert, sich am nächsten Abend zur Wiederholung 
einer Kontrollprobe an der gesunden rechten Extremität einzufinden. 

11. November 1911. — Gleiche Versuchsbedingungen. Von dem 
rechten Bein wird die Extensionsbewegung 1801mal in 64' und 20" 
ausgeführt mit einem mittleren Rhythmus von 28 Bewegungen in 
der Minute. 

Als Gegenprobe der oben angeführten Ergebnisse wird am 
folgenden Tag (12. November 1911) der Versuch wie folgt gemacht: 
Nachdem Patient die gewöhnliche Stellung eingenommen hat, wird 
unter jede Ferse ein Gewicht von 2 Kilo befestigt und er aufgefor¬ 
dert, die Unterschenkel bis zur Erschöpfung in vollständiger und for¬ 
cierter Extension zu halten. Das rechte Bein sank nach 11 Minuten 
herab, das operierte linke Bein nach 13 Minuten und 20 Sekunden. 

Aus diesen Versuchen dürfte, auch wenn man von dem Be¬ 
trag absieht, der sich in den Zahlen zugunsten der linken Extremität 
ergibt, zum mindesten geschlossen werden können, daß die linke 
Unterextremität infolge der durchgemachten Operation nichts von 
ihrer Leistungsfähigkeit bei der Extensionsbewegung des Unter¬ 
schenkels gegen den Oberschenkel eingebüßt hat. — 

Das exzidierte anatomische Stück, das die ganze Masse des Rectus 
femoris umfaßte, wird vor der Zerlegung in 4prozentiger Formol- 
lösung gehärtet, damit sich die Gefäßhöhlen nicht ihres Inhalts ent- 


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l'eber primäre Angiofibrome der Muskeln als Ursache von Deformitäten. 421 


leerten. Die mit zartem lockeren Zellgewebe bekleidete Oberfläche 
des Muskels zeigt eine beträchtliche Gefäßanhäufung, welche in den 
beiden oberen Dritteln am ausgesprochensten ist. Diese Gefä߬ 
bildungen haben kein regelmäßiges Aussehen, sondern erscheinen als 
ebenso viele Kröpfe oder hie und da vorspringende Beulen von bläu¬ 
licher Farbe. Bei Herstellung von Querschnitten an dem Stück spürt 
man, daß das Gewebe von sehr harter gleichsam fibröser Konsistenz 
ist. An den Schnittflächen sieht man eine enorme Menge von Gefäß- 
lakunen von verschiedenem Volumen, die einen mit koaguliertem 
Blut gefüllt, die anderen durch frische oder ältere Thromben throm- 
bosiert. Nur sehr wenige sind leer und klaffend. Nirgends beob¬ 
achtet man oder hört man unter dem Messer Phlebolyten knirschen. 
Die Verteilung der Gefäßhöhlen ist keine gleichmäßige, obwohl sie 
in jedem Teil sehr entwickelt sind; sie überwiegen in den beiden 
oberen Dritteln. Eine große blutleere Höhle mit erschlafften Wänden 
durchzieht fast zentral die ganze Länge des Muskels. Sie ist so 
weit, daß auch an dem gehärteten Stück ein kleiner Finger in sie 
eingeführt werden kann. Es ist diejenige, welche bei der Operation 
nahe der oberen Sehneninsertion eingeschnitten wurde. 

Es werden Paraffineinbettungen von Gewebsblöckchen aus den 
verschiedenen Teilen des Muskels vorgenommen. Färbung mit Häma- 
toxylin und Eosin, mit v. Gieson und nach dem Verfahren von 
Ünna-Tänzer für die elastischen Fasern. 

Die Erscheinung, die alsbald schon bei geringer Vergrößerung 
auffiillt, ist das enorme Mißverhältnis zwischen Bindegewebe und 
Muskelgewebe. Das ganze Perimysium, von dem äußeren zu dem, 
welches Faser von Faser isoliert, hat eine große Entwicklung auf 
Kosten des Muskelgewebes erlangt, welches an einigen Stellen spär¬ 
lich, an anderen fast gänzlich verschwunden ist. Immerhin würde 
man fehlgehen, wenn man dieses Bild in jedem Teil für identisch 
hielte, weil das Verhältnis zwischen fibrösem Gewebe (welches jedoch 
immer überwiegt) und Muskelgewebe verschieden ist, je nachdem, 
ob der mikroskopische Schnitt zur einen oder anderen Zone des 
Muskels gehört. Außerdem ist zu bemerken, daß, wahrscheinlich 
infolge der unregelmäßigen Neubildung des Bindegewebes, die An¬ 
ordnung der Muskelbündel in Territorien 1., 2., 3. Ordnung keine 
scharfe ist; die Muskelfasern sind unregelmäßig in mehr oder weniger 
dickes Bindegewebe eingelagert. Sämtliche Mikroskopfelder sind 
äußerst reich an vorwiegend kapillaren Gefäßen oder an blutgefüllten 


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Höhlen von verschiedener Form, größerer oder geringerer Weite, 
ausgekleidet mit Bindegewebe, welches in ihr Lumen Scheidewände 
und Sporen entsendet, wodurch sie in kleinere Felder geteilt werden. 

Dies die grobe Struktur. Bei stärkerer Vergrößerung werden 
dann noch interessantere Erscheinungen beobachtet. 

Das neugebildete Bindegewebe zeigt an einigen Stellen die 
Charaktere des reifen Typus, d. h. kompakte Fasern mit spärlichen 
zellulären Elementen mit zarten, länglichen und gut gefärbten 
Kernen. Diese Form überwiegt wesentlich in den dicken Balken¬ 
netzen, welche die Hauptbündel der Muskelfasern trennen, und um 
die Arterien und die größeren Gefäßlakunen. An anderen Stellen 
dagegen zeigt sich das Bindegewebe von jungem Typus, fast von 
dem des Granulationsgewebes mit Reichtum an neugebildeten Gefä߬ 
zapfen, Spindelzellen mit reichem Chromatinnetz (Fibroblasten). 
Hie und da um kleine Kapillaren oder kleine Arterien besteht eine 
echte kleinzellige Infiltration. Ebenfalls häufig ist der Befund von 
Zellen mit granulösem Protoplasma und ovalem Kern, die den typi¬ 
schen Mastzellen sehr ähnlich sind. Ein eigenartiger Befund, der 
auch von Putti beschrieben worden ist, besteht in der Anwesenheit 
eines weitmaschigen Bindegewebes, ähnlich dem Fettgewebe, welches 
sich zuweilen in der Dicke des fibrösen Bindegewebes zeigt. Die 
durch diese Maschen gebildeten Lücken sind fast immer leer, einige 
jedoch sieht man von einer verdünnten und alterierten Muskelfaser 
eingenommen. Ich schließe mich der Ansicht Puttis an, daß dieses 
Gewebe nicht als Fettgewebe anzusehen ist, sondern aus den Rück¬ 
bildungsprozessen resultiert, welche das Muskelgewebe befielen und 
die wir jetzt beschreiben werden. 

Bei den Muskelfasern (welche in Bündeln von sehr unregel¬ 
mäßiger Größe vereinigt sind) ist in sämtlichen Präparaten die 
große Varietät des Volumens charakteristisch, die sowohl im Längs- 
wie im Querschnitt manifest ist. Einige haben in der Tat nahezu 
das gewöhnliche Volumen bewahrt, und diese sind es auch, welche 
die normale gestreifte Struktur des Protoplasmas aufweisen und 
normal das Aussehen und die Verteilung der Kerne des Sarkolemms. 
Andere dagegen, und zwar ist dies die größere Anzahl, sind mehr oder 
weniger verdünnt und ab und zu auch ganz schmächtig und zeigen 
das Protoplasma ganz und gar homogen oder feinkörnig, und unregel¬ 
mäßig und reicher als gewöhnlich die Verteilung der Kerne an der 
Peripherie. Die Anwesenheit derartiger Muskelfasern innerhalb der 


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Ueber primäre Angiofibrome der Muskeln als Ursache von Deformitäten. 423 


Lakunen des oben angedeuteten scheinbaren Fettgewebes läßt mich 
schließen, daß dasselbe wirklich das von in Atrophie verfallenen 
oder degenerierten Muskelfaserbündeln übrig gebliebene innere 
Perimysium darstellt. Die Längsschnitte des Gewebes sind in dieser 
Hinsicht recht demonstrativ, da sie die Muskelfasern von nicht 
mehr gleichförmigem Kaliber, fast rosenkranzartig oder zerstückelt, 
dünner als normal, in den bindegewebigen Scheiden, in denen zahl¬ 
reiche Kapillargefäße liegen, verteilt sehen lassen. In einigen 
Strecken befinden sich parallel verlaufende Kapillaren und Muskel¬ 
fasern innerhalb einer und derselben Bindegewebslakune. 

Die Blutgefäße zeigen sich, wie bereits erwähnt, von außer¬ 
ordentlichem Reichtum; in geringer Anzahl jedoch sind die Venen, 
zahlreich die Arterien und die großen Gefäßkavernen, zahllos die 
Kapillaren. Die Venen haben keine sich sehr von der gewöhnlichen 
entfernende Struktur. Was bei den Arterien vorherrscht, ist die 
Dicke der Wand, welche 3—4mal stärker als normal ist und haupt¬ 
sächlich auf die glatte Muskularis entfällt. Das Gefäßlumen ist 
immer sehr eng, die Intima durch einschichtiges und gut erhaltenes 
Endothel gebildet. Die Adventitia verschmilzt direkt mit dem kom¬ 
pakten fibrösen Bindegewebe, in dem die arteriellen Gefäße liegen. 
Die Arterien scheinen das Ausstrahlungszentrum der dicken Binde- 
gewebsbalken. Die Kapillaren liegen dagegen größtenteils in dem 
jungen Bindegewebe und im alveolären Gewebe. Sie erscheinen in 
jeder Richtung durchschnitten, quer, längs und schräg, und bilden 
wunderschöne elegante Netzwerke. An vielen Stellen läßt sich die 
Bildung von Zapfen und neugebildeten Gefäßschlingen beobachten, 
um die herum sich eine bedeutende kleinzellige Infiltration befindet. 
Sowohl die Arterien als die Venen wie auch die Kapillaren ent¬ 
halten gut erhaltene rote Blutkörperchen. In sämtlichen Präparaten 
sind, bald mehr bald weniger, die Gefäßlakunen zu sehen, welche den 
Partien, in denen sie vorhanden sind, das Aussehen eines kavernösen 
Gewebes geben. Sie sind von nicht konstanter Weite, einige so breit, 
daß sie in einen großen Schnitt eines mikroskopischen Präparates 
nicht hineingehen; ihre Form ist rund, gestreckt, polygonal usw. 
Die sie trennenden Septen sind bald grob, bald schmächtig, bald 
diskontinuierlich, derart, daß zwei oder mehr Lakunen untereinander 
kommunizieren. Von den fibrösen Wänden gegen die Mitte der 
Kavernen sich schiebende Sporen zeigen deutlich, daß dieselben in 
einigen Fällen aus der Konfluenz von benachbarten Höhlen durch 


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Atrophie oder Ruptur der Scheidewände resultieren. Die Wand be¬ 
steht aus fibrösem kompaktem Bindegewebe und ist im Innern mit 
einem flachen Endothel ausgekleidet. Der Inhalt besteht zuweilen 
aus gut erhaltenem Blut, zuweilen ist er durch mehr oder weniger 
junge oder bereits in Organisation begriffene thrombotische Gebilde 
gegeben. Im Inhalt einiger durch Eosin homogen rot gefärbter 
Höhlen erscheinen jene Vakuolen, welche von Pupovac für ein 
künstliches Produkt der Härtung gehalten wurden. Phleboblasten 
ist es mir nicht möglich gewesen anzutreffen. Hie und da, häufiger i 
aber in der Nähe der Kavernen, sieht man in der Dicke des Binde¬ 
gewebes und auch zwischen den Muskelfasern Infiltrationen von | 
roten Blutkörperchen oder Blutfarbstoff, welche zweifellos mit älteren j 
oder neueren Blutungen in das pathologische Gewebe in Zusammen- j 
hang zu bringen sind. j 

Die nach dem Verfahren von Unna-Tänzer nachgewiesenen I 
elastischen Fasern bilden Netze, welche ohne regelmäßige Struktur 
oder Verteilung in den die Muskelgewebsbündel isolierenden binde¬ 
gewebigen Septen verlaufen; jedoch scheinen sie sich zu Windungen 
und Ringen um die mittel- und kleinkalibrigen Gefäße und um die 
großen kavernösen Bildungen zu ordnen. Indem sie sich in kleinere 
Bündel zerlegen, treten die Fasern in die die Lakunen voneinander 
trennenden Septen ein, verschwinden aber in den kleineren Septen i 
und in den sich in die Höhlen hineinschiebenden Sporen. — j 

Kommen wir nun auf Grund der histologischen Untersuchung 
zur Besprechung der in dem spezifischen Fall zu stellenden patho¬ 
logisch-anatomischen Diagnose, so ist an die Klassifikation zu er¬ 
innern, welche Muscatello von den Angiomen der Muskeln gegeben 
hat, nämlich kapilläre, arterielle, venöse und kavernöse. 
Wollte man nun diese Einteilung als eine absolute betrachten, so 
ließe sich der von uns beobachtete Tumor in keiner der Kategorien 
unterbringen, insofern wir nicht nur Neubildung von Blutkavernen, 
sondern auch eine höchst ausgeprägte Neubildung von Kapillaren 
haben. Außerdem ist es nicht möglich, eine sekundäre Rolle der 
Neubildung des Bindegewebes zuzuschreiben; ist diese doch eine so 
aktive, daß sie erlaubt, jedes Entwicklungsstadium des Gewebes, vom 
embryonalen zum reifen bündelförmigen, zu erkennen. Die gleichen 
Betrachtungen macht im großen und ganzen Putti hinsichtlich der 
eigenen Fälle und derjenigen von Pupovac, Riethus, Keller 


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Ueber primäre Angiofibrome der Muskeln als Ursache von Deformitäten. 425 


und Sutter. Nach Virchow, Robin und Vincent wird das 
kavernöse Angiom der Muskeln durch ein neugebildetes fibröses 
Gewebe gebildet, in welchem sich weite unregelmäßige Räume, 
begrenzt von einer mehr oder weniger dicken mit Endothel aus¬ 
gekleideten Wand, befinden, in welchen die Elemente des Blutes 
normal oder alteriert enthalten sind. Muscatello sagt bei Mit¬ 
teilung der Beobachtung eines venösen Angioms, daß inmitten eines 
das stark vermehrte Perimysium darstellenden Binde¬ 
gewebes zahlreiche klaffende, enorme, dünnwandige Gefäße von 
venösem Aussehen vorhanden sind. Auch in den Fällen von Mar- 
gar ucci und von Monzardo waren höchst zahlreiche Bluträume 
in einem neugebildeten fibrösen Gewebe angeordnet. Daher dürfte 
für diese Tumore die Bezeichnung Angiofibrome der Muskeln 
passender erscheinen, wobei je nach der vorwiegenden Entwicklung 
der verschiedenen Gefäßarten dies durch die nähere Bezeichnung 
als kavernöses, kapilläres, arterielles, venöses Angio- 
fibrom zum Ausdruck gebracht werden könnte. Die Mischformen 
würden dann durch entsprechende Wortverbindung bezeichnet. So 
wäre in unserer Beobachtung eigentlich von kapillar-kavernösem 
Angiofibrom zu sprechen. 

Was die Entwicklung derartiger Neoplasmen anbelangt, so wurde 
von einer Seite (Weil) als pathogenetisches Moment eine fettige 
Entartung der Gefäßendothelien oder ein Prozeß der Atrophie der 
endothelialen Tunica und des umgebenden Bindegewebes betrachtet, 
wodurch es dann zu Rückbildungserscheinungen kommen sollte. 
Virchow nahm an, daß die Ektasie der Gefäßwand von der ver¬ 
ringerten Widerstandskraft der Wand selbst infolge der zum Nach¬ 
teil der glatten Muskelelemente entstandenen Bindegewebsneubildung 
abhängig sei. Als das Primäre würde Virchow also einen de- 
generativen Prozeß der Gefäßwände betrachten. Jedoch scheint, 
wenigstens in meiner Beobachtung, ein progressiver Prozeß der 
Gefäße, nämlich die Neubildung der Kapillaren, das Fundamentale 
zu sein. Dieselbe ist in der Tat so imponierend und auf den ganzen 
Muskel verbreitet, daß man nicht umhin kann, sie als primär und 
charakteristisch zu betrachten. Unzweifelhaft folgt auf die Neu¬ 
bildung der Kapillaren rasch die Organisation eines Bindegewebes, 
welches sich aus dem jungen, fast granulationsähnlichen Gewebe 
entwickelt, das die äußersten Gefäßzapfen bis an das reife fibröse 
Gewebe begleitet. Aus dieser invadierenden Fibrosis ergibt sich all- 


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mählich die Entartung und der Untergang der Muskelelemente. 
Nicht schwierig scheint mir die Deutung der übrigen beobachteten 
histopathologischen Erscheinungen. Die Verdickung der Tunica 
media muscularis der Arterien kann als Hypertrophieerscheinung in¬ 
folge der funktionellen Anstrengung zur Blutversorgung eines über¬ 
mäßig vergrößerten und resistenteren Bettes angesprochen werden. 
Der ,Ursprung der Blutlakunen und -kavernen ist zwar zum Teil als 
konsekutiv zur Dilatation der noch nicht durch ein kräftiges Ge¬ 
webe gestutzten Wände von neugebildeten Gefäßen, die demnach 
dem intravaskulären Druck nicht standhalten konnten, zu deuten, 
zum Teil aber als auf der Verschmelzung von benachbarten Gefäßen 
beruhend zu betrachten, wie die Form der Kavernen, der Ueberrest 
der intralakunären Septen und die sich in das Lumen hineinschiebenden 
Sporen beweisen. In dieser Hinsicht glaube ich, daß die Funktion 
des Organes, in dem der Gefäßtumor sich entwickelt, nicht außer 
acht gelassen werden darf, nämlich die Kompression, der die Masse 
durch die Kontraktion der noch übrigen Muskelfasern unterworfen 
ist. Es ist leicht einzusehen, daß bei dem Akt der Kontraktion durch 
die Drucksteigerung, welche auf die feinwandigen Gefäße einwirkt, 
diese zerreißen und das enthaltene Blut entweder in andere an¬ 
stoßende Gefäßhöhlen oder in die Interstitien der Gefäße austreten 
lassen müssen. Im ersten Falle bekommen wir die Bildung von Blut¬ 
lakunen, welche durch den gleichen Mechanismus noch weiter werden 
können, im zweiten die interstitielle Blutung, welche durch die auf 
die allmähliche Resorption folgenden Erscheinungen die fibröse Um¬ 
bildung des Muskels zu einer noch intensiveren machen wird. 

Nach und nach jedoch, sei es infolge der Vermehrung des 
angiomatösen Gewebes, sei es infolge der Verdickung des Binde¬ 
gewebes, verliert der Muskel sein differenziertes kontraktiles Element 
und somit seine Funktion. Die an seine Stelle getretene mehr oder 
weniger starre Masse wird durch Retraktion die Insertionspunkte 
des so alterierten Muskels anzunähern streben und sie fixieren. Daraus 
erklärt sich, wie unter bestimmten Umständen das Angio- 
fibrom der Muskeln Ursache von Deformitäten werden kann, indem j 
es Kontrakturen oder Abweichungen von den normalen Linien schafft 
Immerhin sind zur Entstehung einer Deformität verschiedene 
Bedingungen notwendig. Vor allem muß der Muskel fast in seiner 
Totalität ergriffen sein (in anderen Worten, das Angiom darf nicht, 
wie es häufig vorkommt, zirkumskript sein). Dann muß der Sit?. 


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Ueber primäre Angiofibrome der Muskeln als Ursache von Deformitäten. 427 


und die anatomische Anordnung des Muskels derart sein, daß die 
Substitution seines Fleisches durch ein nicht kontraktiles und fast 
unausdehnbares Gewebe als Nacherscheinung zu einer äußerlichen 
Abweichung von der statischen und dynamischen Figur des Teiles 
führt. Ein Blick auf die nachstehende Tabelle, welche den Sitz 
verzeichnet, an dem bis jetzt die Muskelangiome angetroffen wurden, 
zeigt, daß es nicht in sämtlichen Fällen möglich gewesen ist, eine 
Deformität zu beobachten. 


Tabelle. 

Kopf: 3 Beobachtungen. Masseter (Baiardi, Pantaleoni). 
Innerer Rectus des Auges (Bossalino). 

Hals: 8 Beobachtungen. M. trapezius (Hulke, Muscatello, 
Karew, Ski, Coletti, Alessandri). Tiefe Muskeln des Halses 
(Maisonneu ve, Karewski). 

Thorax: 7 Beobachtungen. M. dentatus major (Muscatello), 
M. pectoralis major (Vincent, Ollier, Quönu), Musculi inter- 
costales (Campbell de Morgan, Saio, Baika, Baiardi). 

Abdomen: 4 Beobachtungen. M. rectus (Warnek, Rosciano, 
Margarucci). Bauchmuskeln (Pupovac). 

Oberextremitäten: 14 Beobachtungen. M. deltoideus (Coote), 
M. triceps brachii (Lebert, Meyer, Margarucci, Baika). 
Flexoren des Vorderarmes (Demarquay, Volkmann, Tillaux, 
Magou, Delagenifere, Meyer, Baika). M. pronator quadratus 
(Mahar). M. supinator longus (Demarquay). Eminentia tenaris 
(Virch o w). 

Unterextremitäten: 27 Beobachtungen. M. glutaeus maximus 
(Putti), M. glutaeus medius (Baiardi), M. quadriceps femoris 
(Coote, Denouvilliers, Robin, Pupovac, Muscatello, Bon¬ 
net, Steele, Petersen, Monzardo, Kirmisson, Solieri). 
Rectus internus (Campbell de Morgan), Wadenmuskeln (Deraar- 
quay, Campbell de Morgan, Le Dentu, Margarucci, 
Petersen, Putti, Giudice). Muskeln des Fußes (Polano, 
Baiardi). Sitz ungewiß (Baika, Berand, Liston). 

Unbekannter Sitz: 4 Beobachtungen (Paget, Keller, Riethus, 
S u 11 e r). 

Wenn jedoch die Deformität vorhanden ist, muß sie als wich¬ 
tige Erscheinung für die Diagnose angesehen werden. In meiner 

Zeitschrift f&r orthopädische Chirurgie. XXX Bd. 28 


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Beobachtung war es ein Unrecht, daß diesem Symptom die schuldige 
Bedeutung nicht beigemessen wurde, und dies hat zu dem Irrtum 
in der Diagnose beigetragen, welche von den meisten Autoren nicht 
anders als auf dem Operationstisch gestellt wurde. Die am häufigsten 
an Stelle des muskulären Angiofibroms diagnostizierten Läsionen 
sind: kalter Abszeß infolge bazillärer Ostitis, Neurom, Neurofibrom. 
Lipom, Sarkom der intermuskulären Scheiden. Das langsame Wachs¬ 
tum, der durch die Bewegungen ausgelöste Schmerz, die Konsistenz 
und die Form des Tumors, der radiographische Befund sind keine 
Erscheinungen, die als charakteristisch und derartig betrachtet werden 
könnten, daß sie Aufklärung für eine sichere Diagnose geben würden. 
In bezug auf den radiographischen Befund, welcher zuweilen aller¬ 
dings durch die Anwesenheit von kleinen, scharfen, runden, um¬ 
schriebenen Schatten im Bereich einer bestimmten Muskelregion, die 
durch die Phlebolyten gegeben sind, demonstrativ ist, muß bemerkt 
werden, daß er jedoch nicht konstant ist, insofern die Phlebolvten 
häufig fehlen, nicht anders als in meinem Fall. Anderseits geben die 
radiographischen Schatten manchmal zu einer irrtümlichen Deutung 
Veranlassung, wie Mahar nach dem radiographischen Bild urteilte, 
es handle sich um einen von dem Knochen stammenden Tumor, wäh¬ 
rend es in Wirklichkeit ein Phlebolyt war, welcher, in einem Angioin 
des M. pronator quadratus entwickelt, mit dem Knochen in Kontakt 
stand. Von der Deformität darf, da sie mit der Diffusion des 
Krankheitsprozesses (Fibroangiomatosis) und mit der Physiologie des 
affizierten Muskels in Zusammenhang steht, gesagt werden, daß sie 
eine Erscheinung von hohem, positivem Wert bildet, wenn 
sie vorhanden ist, und von geringem, negativem Wert, wenn 
sie nicht vorhanden ist. 

Die Prognose der Krankheit ist nicht so sehr an ihre Natur 
als an ihren Sitz, ihre Ausdehnung und die erforderliche operative 
Behandlung gebunden. Denn die Restitutio ad integrum wird nur 
dann erhalten werden können, wenn an die vollständige Exstirpation 
eines fibroangiomatösen Tumors, welcher eventuell einen ganzen 
Muskel von wesentlicher Funktion einnimmt, eine orthopädische 
Operation angeschlossen werden kann, welche imstande ist, den 
zuerst durch den Tumor und dann durch dessen Abtragung ver¬ 
ursachten funktionellen und dynamischen Schaden abzustellen. Es 
leuchtet ein, daß in jedem einzelnen Fall der zur Reparation des 
Verlustes des exzidierten Muskels geeignete chirurgische Kunstgriff 


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Ceber primäre Angiofibrome der Muskeln als Ursache von Deformitäten. 429 

Frucht der Erfahrung des Chirurgen in bezug auf die anatomische 
Region, an der er operiert, wird sein müssen. 


Literatur. 

Liston, Med. Chir. Transactions 1848, Vol. XXV, p. 120. 

Coote, London med. Gazette Vol. X. p. 413, 2. Serie 1850. 

Lebert, Traite d’anat. pathol. Vol. I, p. 213. 

Muisonneuve, Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1891, p. 595. 

Robin, Gaz. med. de Paris 1854, p. 348. 

Karewski, Die chirurgischen Krankheiten des Kindesalters, S. 714. 
Demarquay, Union med. T. XII, p. 587, 1861. 

Campbell de Morgan, Med. Chir. Review 1864. 

Poland, Zit. bei Campbell, Lancet 1869, Vol. I, p. 668. 
Tiilaux-Magon, Bull, de la Soc. anat. de Paris 1875. 

Paget, Lectures on Surg. Pathol. 1876, p. 583. 

Vincent-Ollier, Lyon med. 1877, T. 26, p. 634. 

Cornil, Bull, de la Soc. anat. 1890, Ser. 5, T. IV, p. 225. 

Denouvilliers, Zit. bei Demarquay. 

Le Den tu, Clin. chir. de Paris 1892, p. 120. 

Delageniere, Arch. prov. de Chir. 1894. 

Bon net, These de Toulouse 1894. 

Petersen, In.Diss. Kiel 1894. 

Bossalino, Graefes Arch. f. Ophthalm. 1895. 

Warnek, Zentralbl. f. Chir. 1896, S. 183. 

Virchow, Pathol. des tumeurs Ser. 4, p. 60. 

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XXIV. 


Aus der I. chirurgischen Abteilung der Cölner Akademie für praktische 
Medizin (Geh. Med.-Rat Prof. Dr. B. Bardenheuer). 

Traumatische solitäre Knochenzysten. 

Von 

Dr. Richard Felten und Dr. Felicitas Stoltzenberg. 

Wyk auf Föhr-Südstrand. 

Mit 2 Abbildungen. 

Man wird heute nicht ohne triftigen Grund eine solitäre 
Knochenzyste als traumatisch bezeichnen. Besonders nachdem 
v. Recklinghausen kürzlich die meisten Fälle solitärer Knocben- 
zysten nach kritischer Prüfung auf den Boden einer fibrösen Ostitis 
gestellt und den Entwicklungsgang einer Knochenzyste unter Zu¬ 
sammenfassung zahlreicher Untersuchungen seiner Schule in klarer 
Weise gezeichnet hat: Bei erkranktem Knochen oder Gesamtskelett 
cirkumskripte „metaplastische Malazie“, die zu fibromatöser oder 
auch osteofibromatöser Neubildung führt, wobei gelegentlich ange¬ 
troffenes Knorpelmaterial als „absonderliche Modifikation junger 
Knochensubstanz“ zu betrachten ist; sekundäre Hohlraumbildung 
durch richtige Erweichung, einen degenerativen Prozeß, bei dem 
eine Blutung oder blutige Infiltration eine Rolle spielt. 

Für das Trauma bleibt dabei nur der Platz einer die vor¬ 
handene Krankheit offenbarenden Zufälligkeit; und der gleiche ist 
ihm seitVirchow von allen Autoren angewiesen worden, wie ver¬ 
schieden sie auch immer die Entstehung einer Knochenzyste je nach 
Befund und Deutung ihres Falles geschildert haben, ob als Er¬ 
weichungszyste persistierender Knorpelreste, als Fibroenchondrom, als 
Erweichung rekartilaginierten Knochens, als Riesenzellensarkom oder 
als Osteodystrophia cystica juvenilis. 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


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Zwar darf man behaupten, das Trauma sei der konstanteste 
Faktor in der Vorgeschichte solitärer Knochenzysten. Man findet 
es in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit einigermaßen aus¬ 
führlicher Anamnese berichtet; genaue Zahlen geben wir weiter 
unten an der Hand der aufgestellten Tabelle. 

Es fällt bei einer vergleichenden Durchsicht der Kasuistik — 
zunächst rein zeitlich — eine merkwürdige Verschiedenheit der Be¬ 
ziehungen zwischen Trauma und Knochenzyste auf; der Zeitraum, 
der zwischen dem Trauma und der Manifestation der Zyste liegt, 
variiert außerordentlich. Er kann gleich Null sein, d. h. bei der 
Untersuchung auf die traumatische Knochenschädigung wird zugleich 
die vollentwickelte Zyste entdeckt; er kann mehrere Monate, kann 
2—10, ja selbst 18 Jahre betragen. Das Trauma fällt dann in eine 
Zeit, wo keinerlei Anzeichen einer Knochenkrankeit vorhanden sind, 
und diese können noch viele Jahre danach völlig fehlen. 

Aus dieser zunächst verwirrenden Mannigfaltigkeit läßt sich 
bei vergleichender Uebersicht eine deutliche Gesetzmäßigkeit heraus¬ 
lesen. Es ergibt sich eine Sonderung der traumatischen Zufälle in 
zwei große, gut zu trennende Gruppen: die erste umfaßt die Fälle, 
bei denen zur Zeit des Traumas kein Beweis, ja nicht einmal die 
leiseste Berechtigung eines Verdachts auf eine bestehende Knochen¬ 
erkrankung vorliegt, bei denen vielmehr zwischen Trauma und den 
frühesten Symptomen einer Knochenzyste ein längerer — mindestens 
einige Monate umfassender Zeitraum liegt. Zur zweiten Gruppe 
zählen die Fälle, in denen der Unfall zur Entdeckung der Knochen¬ 
zyste geführt hat. Die meisten Knochenzysten unserer Literatur 
haben beide Traumen durchgemacht, das frühe, dem Beginn der 
Erkrankung vorausgehende, das man vielleicht mit einem zweck¬ 
mäßigen Namen, der keinen ursächlichen Zusammenhang konstruiert, 
Initialtrauma nennen könnte, und das zweite, das die ausgebildete 
Knochenzyste trifft und offenbart und etwa als symptomatisches 
bezeichnet werden kann. 

Wir haben zur Zeit in der deutschen Literatur etwa 68 Fälle 
isolierter Knochenzysten, von denen 19 mit keiner oder ganz unge¬ 
nauer Anamnese und einer (Fujii) mit Hämophilie ausscheiden. 
Unter den übrigen 48 Fällen wird 9 mal ein Trauma nicht ange¬ 
geben oder auch vereinzelt ausdrücklich verneint. 39 mal finden 
wir in regelmäßiger Wiederholung ein Initialtrauma als Anfang, ein 
symptomatisches Trauma als Schluß der Knochenzystenanamnese. 


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Felten und Stoltzenberg. 


Nur einige wenige Fülle bieten insofern eine gewisse Komplikation, 
als sie nach regelrecht vorangegangenem Initialtrauma in dichter 
Aufeinanderfolge mehrfache traumatische Zufälle aufweisen, dereu 
letzter zur Entdeckung der Knochenzyste führte. Die Frage ist da¬ 
bei, ob nicht bereits zur Zeit der früheren Unfälle die Zyste vor¬ 
handen und einer genauen Untersuchung zugänglich war. 

In mehr als 81 Proz. der Fälle gleicht also die Vorgeschichte der 
Knochenzyste in den Hauptpunkten dem folgenden, der Publikation 
v. Haberers entnommenen Beispiel (Tabelle Nr. 35): 

19jübriges Mädchen. Vor 8 Jahren Fall auf Glatteis. Bruch des linken 
Oberarmes. Glatte Heilung, keine Schmerzen. — Jetzt bei schneller Bewegung 
des linken Armes Fraktur des Humerus. Es findet sich eine Zyste in der 
Humerusdiaphyse. 

Was nun die Bedeutung des Traumas für die Knochenzyste 
betrifft, so läßt sich von dem zweiten, dem symptomatischen Trauma 
zweifellos behaupten, daß alles, was bisher von seiten der Chirurgen 
und Pathologen über die nebensächliche, zufällige Rolle des Trau¬ 
mas geäußert wurde, hiefür Geltung hat. Die Parallele zwischen 
der Spontanfraktur eines durch bösartige Neubildung zerstörten 
Skeletteils und der leichten Verletzlichkeit eines durch Zystenbildung 
verdünnten Knochens kann nicht verkannt werden. 

Ungleich schwieriger ist die Frage nach der Bedeutung des 
Initialtraumas zu beantworten. Unter den gesammelten 39 Fällen 
war 20mal eine Fraktur, 19mal eine Kontusion mit tage- bis 
wochenlanger Gebrauchsbehinderung die Folge. An ein zufälliges 
Zusammentreffen ist bei der hohen Zahl von 81,25 Proz. eines vor¬ 
handenen Initialtraumas wohl kaum zu denken. Dagegen ist die 
Wahrscheinlichkeit für die Fälle mit fehlendem Initialtrauraa nicht 
von der Hand zu weisen, daß dies bei dem jugendlichen Alter der 
Patienten und der Länge des verstrichenen Zeitraums in Vergessen¬ 
heit geriet und so der Anamnese verloren ging. 

Angesichts der aus unserer Statistik gewonnenen Zahlen können 
wir nicht umhin, der Diskussionsbemerkung Benekes zu Möncke- 
bergs Breslauer Vortrag über Zystenbildung bei Ostitis fibrosa zu¬ 
zustimmen: „Ich möchte ganz kurz meinen Standpunkt dahin aus¬ 
sprechen, daß ich in allen derartigen Fällen solange als möglich 
versuchen würde, diese Bildungen aus traumatischen Veränderungen, 
bezw. reparatorischen Vorgängen im Anschluß an Frakturen, Stoß, 
Fall oder sonstige Erschütterungen irgend welcher Art zu erklären.* 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


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Schwer begreiflich ist es jedenfalls, wie Lexer „die Frage 
der rein traumatischen Entstehung“ mit der Gegenfrage widerlegen 
will: „Denn warum sieht man nicht diese Veränderungen nach den 
zahlreichen Knochenbrüchen und schweren Kontusionen?“ 

Daß freilich an die zahlreichen Knochenbrüche und schweren 
Kontusionen Knochenzysten sich so selten anschließen, muß seinen 
Grund darin haben, daß die pathophysiologischen Bedingungen für 
Zystenbildung im Knochen komplizierter Natur und daher nur selten 
gegeben sind. 

Welcher Art sie sind, davon wissen wir heute nur wenig zu 
sagen. Die wenigen Autoren, die ihrer Zyste eine traumatische 
Ursache zugeschrieben haben, begnügen sich mit kurzem Hinweis. 
Ben da und Bötticher haben nur ganz allgemein von einer un¬ 
mittelbar traumatischen Entstehung gesprochen; Fleischhauer 
hält Traumen oder Blutungen infolge von Barlow, Hämophilie usw. 
für die wahrscheinliche Ursache. Anschütz glaubt nach eigenen 
Beobachtungen und denen anderer doch manchmal das Trauma für 
die Entstehung der Ostitis fibrosa verantwortlich machen zu können. 
Für drei seiner Fälle ist ihm jedenfalls die traumatische Entstehung sehr 
wahrscheinlich. Konjetzny, der den zweiten Anschützschen 
Fall mikroskopisch untersuchte, bestätigt diese Vermutung. Er 
kommt am Ende der vorzüglichen, weiter unten noch genauer an¬ 
geführten Beschreibung zu dem Schluß: „In unserem Fall läge es 
nahe, den Prozeß als das Produkt einer Störung in der Fraktur¬ 
heilung bezw. Kallusvegetation aufzufassen, die in erster Linie durch 
den Verlust normaler Ossifikationstendenz und ausgedehnter fibröser 
Unwandlung des Markes charakterisiert ist.“ 

Beneke hat seinen Wunsch nach traumatischer Deutung der 
Knochenzyste zum Vater folgender Hypothese werden lassen: Ein 
traumatischer, intraossaler Bluterguß wird nicht resorbiert, und da 
die starre Wandung eine Narbenschrumpfung nicht zuläßt, entsteht 
eine Zyste. Diese rundet sich ab und vergrößert sich allmählich, 
indem sich bei allen kleinen Erschütterungen, die den Knochen in 
der Folgezeit treffen, der erzeugte Innendruck allseitig fortpflanzt. 

Experimentell ist der Frage nur Lexer nähergetreten. Er 
hat drei Tierversuche angestellt, deren negativen Ausfall er als eine 
Widerlegung der traumatischen Entstehung ansieht. Zweimal wurde 
beim Hunde die untere Femurmetaphyse, einmal beim Kalb die obere 
Humeru8metaphyse angebohrt, die Spongiosa in möglichst großer 


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Felten und Stoltzenberg. 


Ausdehnung zerstört, die Höhlung mit Blut gefüllt — im letzten 
Fall wurden noch Knorpelstückchen zugefügt — das Bohrloch fest 
verschlossen und in allen 3 Fällen nach 3 Monaten statt einer Zyste 
harte, dichte Spongiosa gefunden. 

Die Hoffnung, für eine so seltene Bildung die pathophysio- 
logischen Bedingungen im Experiment nachschaffen zu können, muß 
bescheiden sein. Wenn dabei der erste Griff mißlingt, so ist die 
Beweiskraft weder nach der einen noch nach der anderen Richtung 
zwingend. 

Durch einige theoretische Erwägungen läßt sich immerhin das 
verschwommene Bild der traumatischen Entstehung etwas schärfer 
zeichnen. Mit dieser ist eine intraossale Blutung, wie sie Beneke 
annimmt, eng verknüpft. Aus dem Inhalte der nach Jahren ge¬ 
fundenen Zyste lassen sich freilich sichere Schlüsse nicht ziehen. 
Daß dieser häufig blutig verfärbt oder auch fast rein blutig erschien, 
kann auf Rechnung einer durch das letzte, symptomatische Trauma 
veranlaßten Blutung zu schreiben sein. Gewöhnlich ist die Flüssig¬ 
keit von leicht galleähnlicher Farbe — gelblich, grünlich oder bräun¬ 
lich ; manchmal wird sie mit Synovia verglichen. Interessant ist das 
Ergebnis einer chemischen Untersuchung im dritten Pfeifferschen 
Fall, ohne daß wir ihr besondere ätiologische Beweiskraft zuschreiben 
möchten: „Die Flüssigkeit ist von leicht galleähnlicher Farbe, sie 
gibt mit Salpetersäure und Jod intensive Gallenfarbstoffreaktion. Im 
Sediment spärliche rote Blutkörperchen; die stark hämatoidinbaltige 
Flüssigkeit ist sehr eiweißreich. Wahrscheinlich ist sie das Um- 
wandlungsprodukt eines alten Blutergusses.“ 

Die Blutung setzt Gefäßläsionen voraus, wie sie veranlaßt 
werden durch geringe Substanzverschiebungen im Knochen, die sich 
dem palpatorischen und röntgenologischen Nachweis entziehen. Teils 
mag es sich dabei im Anschluß an Spongiosazertrümmerung um 
Zerreißungen des Kapillarnetzes und feinster Gefäßchen handeln, 
teils auch um Anspießung oder Verletzung durch Abscherung größerer 
in Haversschen Kanälen verlaufender Gefäßbündel. Im ejrfeton Fall 
wird — immer eine mäßige Ausdehnung der Knochenläsion voraus¬ 
gesetzt — die Blutung und die Schädigung des bindegewebig- 
knöchernen Gerüstes geringfügig sein. Im zweiten Fall läßt sich die 
Entstehung beträchtlicher Blutungen und Ernährungsstörungen der 
umgebenden Knochenpartie wohl vorstellen. 

Ist z. B. bei der Abscherung eines Haversschen Kanals zu- 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


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nächst nur der zartere, läsiblere venöse Gefäßteil verletzt — ab¬ 
gequetscht oder zerrissen, so muß es im Verzweigungsgebiet der 
erhaltenen Arterie zu venöser Stase mit allen konsekutiven Schä¬ 
digungen oder direkter venöser Blutung kommen. Ist die Arterie 
mit verletzt, so folgt bei einfacher Eröffnung ihres Lumens eine 
stärkere arterielle Blutung, bei Verlegung des Lumens wiederum 
venöse Stase und Ischämie in ihrem Verzweigungsgebiet. 

Die unerläßliche Vorbedingung für die Entstehung einer solchen 
venösen Stauung und folgenden beträchtlichen Ernährungsstörung der 
betroffenen Gewebe ist aber die fehlende oder nur ganz geringe 
Möglichkeit zur Bildung eines Kollateralkreislaufes. Als wesent¬ 
lichste Frage erhebt sich daher die nach der Gefäßversorgung der 
betroffenen Knochenabschnitte. 

Wie längst bekannt ist und wie mehrfach in der Literatur an¬ 
geführte Auszählungen bestätigen, wird in der überwiegenden Mehr¬ 
zahl der Fälle die Metaphyse langer Röhrenknochen von der Knochen¬ 
zyste heimgesucht. Dieser müßten also gewisse, in dem Sinne von 
Endarterien ausgebildete Gefäßeigentümlichkeiten zugehören, wie sie 
in dieser Vollendung bei Erwachsenen selten und auch an anderen 
Abschnitten jugendlicher Knochen gewöhnlich nicht Vorkommen. 

Ueber das Gefäßsystem der langen Röhrenknochen haben uns 
Langer und Lex er unterrichtet: die Diaphysen werden von ein 
oder zwei Arteriae nutritiae versorgt, deren zahlreiche Zweige in der 
Jugend wenige und feinere, im ausgewachsenen Zustand häufigere 
und weite, netzartige Kommunikationen haben. Die Epiphysen be¬ 
sitzen eine größere Zahl von Gefäßen, die von der Peripherie auf 
den Knochenkern zustreben und ihn mit einem reich verzweigten 
Netz umgeben. Die Metaphysen sind am gefäßreichsten, die Arterien 
dringen von der Peripherie her in einzelnen Büscheln gegen die 
Knorpelfuge vor, sind bei jugendlichen Knochen durchweg reine End¬ 
arterien und bleiben das stellenweise auch im erwachsenen Knochen. 

Das Gebiet dieser jugendlichen Endarterien ist nun — gleich¬ 
falls im jugendlichen Alter — die eigentliche Domäne der Knochen¬ 
zyste. Hier sind infolge der mangelnden Möglichkeit einer kolla- 
teralen Blutversorgung alle Vorbedingungen zur Entwicklung 
hochgradiger venöser Stase und anschließender ischämischer Gewebs¬ 
schädigung gegeben, auf deren Bedeutung Bardenheuer erst kürz¬ 
lich hinwies. Der dem verletzten Gefäß entsprechende Knochen¬ 
kegel wird seiner Ernährung beraubt. 


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Felten und Stoltzenberg. 


Das weitere Schicksal dieser intraossalen Blutung ist zweifel¬ 
haft; auch wissen wir über die Einzelheiten normal verlaufender 
intraossaler Blutbeseitigung an anderen Knochenabschnitten wenig. 
Aus der Frakturenlehre kennen wir die geringen plastischen und 
organisatorischen Fähigkeiten des Endosts; dort liegen aber die Ver¬ 
hältnisse infolge der Beteiligung der Kompakta und des Periosts 
wesentlich anders. Im Gebiet der metaphysären Endarterien wird 
die Resorption und Organisation eines Blutergusses noch kompliziert 
durch den Einschluß eines Knochenstücks, das infolge von Ischämie 
der Atrophie und Resorption verfällt. 

Daß der Knochenabschnitt resorbiert wird, steht fest; sonst 
käme es eben weder zur Bildung einer Cyste noch zu der sogen, 
tumorbildenden Ostitis fibrosa. Ob aber der Bluterguß sofort resor¬ 
biert oder zunächst organisiert wird, ist fraglich. Beneke glaubt an 
ein Ausbleiben der Resorption und wohl auch Organisation und an¬ 
schließend an einen direkten Uebergang des Blutergusses in die Zyste. 
Konjetzny schließt sich dem an, indem er sagt: * Für unseren 
Fall steht es fest, daß sich tatsächlich primär zystische Hohlräume 
aus Hämorrhagien entwickeln können dadurch, daß diese aus irgend 
einem Grund nicht organisations- oder resorptionsfähig sind, mag 
nun der Grund in den Hämorrhagien selbst oder in dem umliegen¬ 
den Gewebe liegen. Und es ist daher nicht unberechtigt, mit 
Beneke für manche Fälle, in denen .das histologische Verhalten 
darauf hinweist, diese Zysten in Analogie zu den traumatischen 
Hirnzysten zu setzen.“ 

Anschütz dagegen hält die Bildung einer kompakten fibrösen 
Masse, die er die turnorbildende Form der Ostitis fibrosa nennt, für 
das erste Stadium, die zystische Erweichung für das zweite. Man 
müßte dabei annehmen, daß der Bluterguß zunächst organisiert wird, 
daß es zu einer Hyperproduktion fibrösen Gewebes kommt und daß 
dieses später im Zentrum einschmilzt. 

Der außerordentlich wechselnde Befund hat uns nicht zur Ge¬ 
winnung einer derartigen Gesetzmäßigkeit kommen lassen. Es gibt 
Zysten — unser eigener, am Schluß beschriebener Fall gehört da¬ 
zu — wo keine Spur von fibröser Wandauskleidung gefunden wurde, 
sondern die Spongiosa mit freistehenden Bälkchen die Höhlung um¬ 
gab. Hier ist die Annahme einer direkten Umwandlung des Blut¬ 
ergusses in die Zyste durch Resorption am ungezwungensten. 

Die Ueberzahl der Zysten besitzt eine bindegewebige Tapete 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


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von variierender Stärke, die sich als organisierter Fibrinbelag der 
Zystenwandung auffassen läßt. Vereinzelte Fälle endlich zeigen 
starkes Uebergewicht des bindegewebigen Teiles gegenüber dem 
zystischen. In dicke fibröse Kegel und Zylinder sind spärliche kleine 
Hohlräume eingesprengt, ja diese können nur angedeutet sein. Hier 
ist die Gerinnung und Organisation des Blutergusses fast vollkommen 
und unter einer solchen Ueberproduktion straffen Bindegewebes ein¬ 
getreten, daß man gleichsam von einem Knoc henkeloid sprechen 
könnte. 

Nach unserer Ansicht handelt es sich bei diesem Wechsel der 
Befunde nicht um ein Nacheinander, sondern ein Nebeneinander: 
Resorption und Organisation gehen Hand in Hand, bald überwiegt 
das eine, bald das andere; gewöhnlich tritt die Organisation zurück. 

Die Ursachen dieser individuellen Verschiedenheiten sind ebenso 
unklar wie die für das schwankende Verhalten der Blutresorption, 
-gerinnung, -Organisation in anderen Körperabschnitten und Körper¬ 
höhlen. 

Das mikroskopische Bild der meisten Zysten ist mit der An¬ 
nahme solcher Rückbildungsprozesse von alten Blutungen sehr wohl 
vereinbar, wie ja auch namhafte Pathologen diese histologischen 
Befunde nicht als schlechthin entzündliche oder blastomatöse, son¬ 
dern als resorptive deuten. So sagt Lubarsch: „Es mag vielleicht 
nicht ganz richtig sein, wenn man diese tumorähnlichen Gebilde 
schlechthin als entzündliche Neubildungen bezeichnet, und man 
könnte vielleicht dafür den Namen Einschmelzungs- und Resorptions- 
bildungen Vorschlägen.“ 

Zellreiches Mark- und Granulationsgewebe, Anhäufungen von 
Fremdkörperriesenzellen, die mit Abbauprodukten des Hämoglobins 
beladen sind, freie Körner und Schollen von Blutpigment, zellarme, 
fibröse, derbe Schwarten, alle sind als Begleiterscheinungen alter 
Blutergüsse verständlich. Konjetzny hat von seinem Fall eine so 
mustergültige Schilderung gegeben, daß wir sie wenigstens im kurzen 
Autorreferat der Münch, med. Wochenschrift wiederholen möchten: 

„Der Tumor zeigte wohl eine gewisse Expansion, aber nicht die Spur 
einer destruktiven Invasion in die Umgebung, was in einer dicken Kapsel¬ 
bildung zum Ausdruck kam. Auf einem Durchschnitt fielen bis bohnengroße 
braunrote Herde ins Auge, die teils zweifellose Blutkoagula darstelltcn, teils 
als glattwandige Hohlräume mit einer öligen biaunroten Flüssigkeit angefüllt 
waren. Das Augenfällige im mikroskopischen Hilde waren einmal große 
hämorrhagische Herde, dann stellenweise zellreiches ricscnzellhaltiges (jewebe 


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Felten und Stoltzenberg. 


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mit Blutpigmentablagerungen, endlich zellarmes Gewebe mit reichlich binde¬ 
gewebiger bzw. osteoider Zwischensubstanz. Die hämorrhagischen Herde ver¬ 
halten sich in zweierlei Art. Die einen sind von rundlicher Beschaffenheit, 
scharf gegen die Umgebung abgegrenzt. Es liegen zystische, glattwandige 
Hohlräume vor, denen freilich jegliche endotheliale bzw. epitheliale Auskleidung 
mangelt. Selten bildet die direkte Begrenzung ein mehr oder weniger voll¬ 
ständiger Stamm von Riesenzellen. Andere der hämorrhagischen Herde zeigen, 
infolge einer organisatorischen Invasion von der Umgebung her, allmähliche 
Uebergänge in diese, ln den meisten der Herde sind die roten Blutkörperchen 
zusammengesintert, verklumpt bzw. durch amorphes eisenhaltiges Pigment sub 
stituiert. Dazwischen finden sich gröbere und feinere Fibrinzöge und Netze. 
Das zellreiche Gewebe geht in kontinuierlicher Aufeinanderfolge in das durch 
reichliche Zwischensubstanz ausgezeichnete Bindegewebe über. Zwischen Riesen- 
zellen und Pigmentablagerung besteht eine bestimmte Korrelation, insofern 
Riesenzellen nur dort vorhanden sind, wo bräunliches Pigment, das amorph, 
körnig bis schollig ist und Eisenreaktion gibt, deponiert ist. Da die meisten 
der Riesenzellen die Plasmazellenreaktion geben, massenhaft Pigment in ihrem 
Leib enthalten, so kann diese Wechselbeziehung nur in einer Fremdkörper 
Wirkung des Pigmentes bzw. in resorptiven Vorgängen zu suchen sein. Das 
zellreiche Gewebe besteht aus gleichmäßig angeordneten spindligen Zellen, die 
nicht die Spur einer Polymorphie im Lu barschschen und Borstschen £iune 
aufweisen. Ä 

Daß bei diesen Prozessen weder von einer malignen Neu¬ 
bildung noch yon einer Entzündung im pathologisch-anatomischen 
Sinne, einer eigentlichen Ostitis, die Rede sein kann, liegt auf der Hand. 

Zum Schluß berichten wir in Kürze über einen hier beob¬ 
achteten Fall solitärer Knochenzyste in der Patella, dessen trau¬ 
matische Aetiologie infolge der Eigenart des Befundes unzweifelhaft 
erscheint. 

Am 25. September 1911 wurde der 14jährige Laufjunge 
Franz G. aufgenommen, der über seine Erkrankung folgendes er¬ 
zählte: Vor 7 Wochen drangen dem Patienten, der bei einem Stein¬ 
bruchbesitzer arbeitete, bei der Explosion eines Sprengkörpers Metall¬ 
splitter in die Haut beider Vorderarme und Hände und in die rechte 
Kniegegend. Patient wurde am Knie von dem Meister verbunden 
und konnte Weiterarbeiten. Nach etwa 4 Wochen bekam er 
Schmerzen im rechten Kniegelenk, besonders nachts und wenn er 
das Bein längere Zeit in Streckstellung gehalten hatte. Die letzten 
14 Tage konnte Patient nicht mehr arbeiten; beim Gehen klagt er 
aber nicht über Schmerzen. 

Vor 2 Jahren hatte Patient Diphtherie, sonst ist er stets ge¬ 
sund gewesen. 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


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Befund: Dem Alter entsprechend entwickelter Junge in 
mäßigem Ernährungszustand. Temperatur und Pulszahl normal. 
Am Herzen über der Spitze leichte systolische Unreinheit. Lunge 
gesund. 

Am Knochensystem keine Zeichen von überstandener Rachitis. 
Geringe Karies der Backenzähne, die Schneidezähne gut entwickelt. 
An beiden Vorderarmen und Händen befinden sich mehrere blau¬ 
rote, prominierende Narben, in denen sich zum Teil kleine, feste 
Partikelchen fühlen lassen. 


Fig. 1. 



Das rechte Kniegelenk zeigt normale Konturen, ist frei beweg¬ 
lich und bei Bewegungen nicht schmerzhaft. Am Außenrande der 
Patella, etwa in der Höhe ihrer größten Breite, befindet sich in der 
Haut eine linsengroße, weißliche Narbe; etwas fußwärts davon ist 
auf der Patella ein kleiner Höcker zu fühlen. 

Das Röntgenbild zeigt im unteren Abschnitt der Patella den 
Schatten eines kleinen Metallstückes. Im Zentrum der Kniescheibe 
ist eine haselnußähnliche, glattwandige Zystenbildung zu erkennen, 
in deren tiefstem Punkte der Metallsplitter liegt (Fig. 1). 

Therapie: Am 28. September Operation in Blutleere (Dr. 
Stoltzenberg). Längsschnitt am Außenrande der Patella. Das 


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Felten und Stoltzenberg. 


präartikuläre Fettgewebe wird schichtenweise abpräpariert, ebenso der 
seitliche Knorpelüberzug der Patella in der Gegend des oben be¬ 
schriebenen Höckerchens. Dies stellt sich als eine Periostverdickung 
dar. Im Knorpel sieht man an entsprechender Stelle einen feinen 
bräunlichen Punkt. Es werden einige flache Scheiben von der Pa¬ 
tella abgetragen, wobei das Gelenk an einer kleinen Stelle eröffnet 
wird. Darauf wird eine im Zentrum der Kniescheibe gelegene, etwa 
1 r ii cm lange, 1 cm breite und cm tiefe, allseitig von spongiösem 
Knochen umgebene Höhle sichtbar, in deren Grunde ein kleiner 
Metallsplitter liegt. Die Cyste ist ausgefüllt von hellbräunlicher. 
fadenziehender Flüssigkeit. Die wandbildende Spongiosa besitzt 
keine Membranbekleidung. Stärkere Auslöffelung der Höhle wird 
unterlassen, um eine Fraktur der Patella durch Perforation der dünnen 
Wandung auf jeden Fall zu vermeiden. Extraktion des Metall¬ 
splitters. Schluß der Gelenkkapsel. Naht der Hautwunde. Asep¬ 
tischer Verband. Lagerung auf Volkmannsche Schiene. 

3. Oktober. Wunde am Knie völlig reaktionslos verklebt. 
Das Knie wird ohne Schmerzen gut bewegt. Temperaturanstieg, 
typisches Scharlachexanthem, leichte Angina. Isolierstation. 

4. Oktober. Entfernung der Nähte aus der Wunde, die per 
primam intentionem verheilt ist. Verlegt nach der Scharlacbstation. 
Dort konnte 14 Tage post operationem der Verband ganz fortge¬ 
lassen werden. 

Nach (3 Wochen von der Scharlachbaracke geheilt entlassen, 
stellte sich Patient hier wieder vor. Wir fanden an der Außenseite 
des Knies eine lineare Narbe; die Gelenkkonturen waren bis auf 
eine leichte Abflachung am lateralen Rande der Kniescheibe völlig 
normal. Das Gelenk war frei beweglich. Beschwerden wurden 
nicht mehr empfunden. Die Röntgenuntersuchung ergab folgenden 
Befund (Fig. 2): Eine Höhlenbildung ist noch deutlich erkennbar, 
doch sind die Grenzen unscharf, und die Aufhellung ist nicht so klar 
wie auf dem ersten Bild. Man darf daher wohl an eine beginnende 
knöcherne Ausfüllung der Zyste glauben. 

Die traumatische Herkunft unserer Zyste wird durch den Fund 
eines Metallsplitters in ihr dokumentiert. Das Initialtrauma besteht 
hier in dem Eindringen eines mit beträchtlicher Vehemenz auftreifen- 
den Fremdkörpers, der eine direkte Spongiosa- und Gefäßläsion ver- 
anlaßte. Zu einem symptomatischen Trauma ist es nicht gekommen, 
da die Zy ste wegen des Verdachts auf Fremdkörper ungewöhnlich 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


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früh zur Untersuchung und Röntgendurchleuchtung gelangte. Da¬ 
durch, daß die Zvste breit eröffnet wurde und so teilhaben konnte 
an den günstigen resorptiven und organisatorischen Fähigkeiten des 
Periosts, ist die Aussicht auf Heilung gut, wie dies auch von der 
Mehrzahl derartig behandelter Knochenzysten berichtet wird. 


Tabelle. 

A1 m e ri n i [ l, 2], Zeitschr. f. Krebsforsch. 1909. 

17jähriges Mädchen. Vor 2 l /* Jahren fiel sie von einem Baum auf die 
linke Hüfte. 6 Tage Bettruhe. Nach 2—3 Monaten Verdickung an der Stelle 
des Traumas. Allmähliche Verkürzung und Verkrümmung. Tumor im oberen 
Drittel des Femur. 

12jähriger Knabe. Vor 3 Jahren Fall von einer heubeladenen Karre, 
Stoß gegen die rechte Hüfte. Für einige Tage Schmerzen. Tumor in der 
Gegend des rechten Trochanter. 

A n s c h ü t z [3, 4 , 5], Münch, med. Wochenschr. 1908 , Nr. 32 und 
1909, Nr. 40. 

13jähriger Junge. Vor 5 Jahren Fractura humeri sin. durch Fall auf 
den Arm. Volle Heilung. Vor 1 , /2 Jahren neue Fraktur an gleicher Stelle. 
Heilung in 4 Wochen. Leichte Schwellung bleibt zurück. Vor V* Jahre beim 
Hängen am Reck Schmerzen und Schwellung, keine Fraktur. Im Röntgenbild 
Zyste im oberen Drittel. 

36jähriger Mann. Vor 6 Monaten Malleolarfraktur mit Gipsverband be¬ 
handelt. Nach 3 Wochen Anschwellung des Malleölus externus, die 5 Monate 
hindurch unverändert bleibt. Operationsbefund vgl. Text. 

Zyste im Calcaneus. 

Beck [6. 7, 8], Archiv f. klin. Chir. 1902, Bd. 70. 

10jähriger Knabe. Vor 11 Monaten schwere Kontusion am oberen Ende 
der rechten Tibia. Neuer Fall vor 10 und 3 Monaten. Seit dem letzten Trauma 
Hinken, spindelförmige Anschwellung der Tibia. Zyste im oberen Drittel. 

13jähriges Mädchen. Infolge eines Unfalles Schmerz und Anschwellung 
am linken Malleolus internus. Zyste. 

lljähriges Mädchen. Vor einem Jahre schwere Kontusion des rechten 
Unterschenkels. Allmähliche Anschwellung und Schmerzhaftigkeit. Zyste im 
'oberen Drittel. 

Bockenheim er [9], Archiv f. klin. Chir. 1906, Bd. 81. 

17jähriges Mädchen. Vor 12 Jahren Fall. Bruch des rechten Ober¬ 
schenkels. Glatte Heilung. 6 Jahre beseliwerdefrei. Dann Schmerzen an der 
alten Bruchstelle, langsame Verdickung. Vor 4 Jahren Fall, Bruch an der 
alten Stelle. Heilung, aber zunehmende Beschwerden und Auftreibung. Zyste 
im oberen Teil des rechten Femur und in der rechten Tibia. 


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442 


Felten und Stoltzenberg. 


Boström [10, 11, 1*2], Festschr. z. Naturforschervers. in Freiburg 1883. 

25jährige Frau. Zyste des Beckens. 

30jähriger Mann. Zyste im Calcaneus. 

Zyste der I. Phalanx des rechten Mittelfingers. 

Bötticher [13], Verhandl. der Deutschen Ges. f. Chir. 1904 (s. a. 
Mönckeberg). 

25jährige Frau. Vor l 1 /* Jahren indirektes Trauma des linken Ober¬ 
armes mit heftigem Schmerz und Anschwellung. Nach 5 Wochen Besserung. 
Nach einigen Monaten erneute Schmerzen und knochenharte Auftreibung. 
Zyste im oberen Teil des Humerus. 

Braun [14, 15], Beitr. z. klin. Chir. 1907, Bd. 52. 

18jährige8 Mädchen. Seit mehreren Jahren Anschwellung des linken 
Schienbeins. Anamnestisch wenig herauszubekommen. Zyste inmitten der 
linken Tibia. 

18jährige8 Mädchen. Der linke Arm sei nie ganz in Ordnung gewesen 
und schon seit langen Jahren verdickt. Zyste im oberen Teil des Humerus. 

Decken [16, 17], Dissertation. Gießen 1909. 

14jähriger Junge. Keine ausführliche Anamnese. Anschwellung der 
linken Wade seit 1 */* Jahren. Zyste in der unteren Hälfte der Fibula. 

19jähriger Mann. Vor 5 Monaten Fall auf den rechten Ellbogen. 8 Tage 
Schmerzen, dann völlige Herstellung. Nach 4 Wochen Steifigkeit des Armes. 
Allmähliche Auftreibung des Condylus externus. Zyste im unteren lateralen 
Humerus teil. 

Deetz [18], Dissertation. Straßburg 1898. 

18jiihriges Mädchen. Vor 8 Jahren Fall auf dem Eise auf das rechte 
Knie. Seit einem Jahre geringe Anschwellung unterhalb des Knies. Zyste im 
oberen Drittel der Tibio. 

Drees mann [19], Zentralbl. f. Chir. 1904, Nr. 46. 

Zyste einer Phalanx des Zeigefingers bei einer 28jährigen Frau. Ana¬ 
mnese fehlt. 

Dumreicher [20], Wochenschr. d. Wien. Aerzte 1868, Nr. 6. 

Fraktur des linken Humerus vor 10 Jahren. Danach langsame An¬ 
schwellung. Zyste. 

Fleischhauer [21, 22], Deutsche med. Wochenschr. 1905, Nr. 19. 

20jiihriges Mädchen. Zyste der rechten Beckenschaufel. Anamnese fehlt. 

Zyste des Femur nach Schußfraktur vor 11 Jahren. 

Fujii [23, 24], Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1911, Bd. 113. 

41jähriger Mann. Vor 4 Jahren glitt Patient aus und schlug mit dem 
Fibulaköpfchen heftig gegen einen Stein. Starker Schmerz, der nach einigen 
Tagen verschwand. Nach längerer Zeit tritt an dieser Stelle eine langsam 
wachsende Anschwellung auf. Zyste des oberen Fibulaendes. 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


443 


lljähriger Knabe. Seit einigen Monaten Anschwellung des ersten linken 
Metakarpus ohne vorausgegangenes Trauma. Hämophilie. Zyste. 

Gehring [25, 26],. Dissertation. Jena 1910. 

14jähriges Mädchen. Keine genaue Anamnese. Am Tage vor der Auf¬ 
nahme Stoß gegen den rechten Oberarm. Fraktur im oberen Drittel quer 
durch eine Zyste. 

löjähriges Mädchen. Kein Trauma angegeben. Seit 4 Monaten Schmerz 
und allmähliche Schwellung des äußeren Endes der linken Clavicula. Zyste. 

Glimm [27, 28], Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1905, Bd. 80. 

12jähriger Knabe. Niemals Beschwerden. Vor 3V* Wochen Fall auf 
die linke Seite. Schmerzenfim linken Oberschenkel. Allmähliche Auftreibung 
unterhalb des Trochanters. Zyste. 

25jähriger Mann. Vor 2 Jahren Fall aus Höhe von 3 m. Schwere Kon¬ 
tusion der rechten Tibia mit starkem Bluterguß. Nach 3 Wochen Besserung. 
Allmähliche Anschwellung und Schmerzen. Zyste des oberen Tibiateiles. 

Gottstein [29—32], Jahresber. d. schles. Ges. f. vaterl. Kultur 1903. 

Zweimal Zyste in der oberen Humerusmetaphyse, zweimal in der oberen 
Femurmetapbyse. „In 3 Fällen waren Frakturen der betreffenden Körpergegend 
vorausgegangen. * 

v. Haberer [33—37], Archiv f. klin. Chir. 1905, Bd. 76, 1907, Bd. 82, 
1910, Bd. 93. 

14jähriger Junge. Vor 5 Jahren Kontusion der rechten Schulter und 
Fraktur des Humerus. Glatte Heilung. Vor 4 und 3 Jahren erneute Fraktur 
des Humerus mit glatter Heilung. Danach Knochenzystenbildung im oberen 
Drittel des Humerus röntgenologisch festzustellen, die ziemlich stationär blieb. 

18jähriger Mann. Vor 7 Jahren Fractura huraeri dext im oberen Drittel. 
Heilung ohne Beschwerden. Nach einem Jahre und weiteren 8 Monaten aber¬ 
malige Fraktur, nach deren Heilung beträchtliche Verdickung zurückbleibt. Zyste. 

19jähriges Mädchen. Vor 8 Jahren Fall bei Glatteis. Bruch des linken 
Oberarmes. Glatte Heilung, keine Schmerzen. Jetzt bei schneller Bewegung 
Spontanfraktur. Zyste in der Mitte der Diaphyse röntgenologisch festgestellt, 
die nach 2 Jahren spontan geheilt ist. 

18jähriger Mann. Vor 10 Jahren üeberfahrung, Bruch des linken Ober¬ 
schenkels. Völlige Heilung. Seit 3 Jahren leichte Verkrümmung der Bruch¬ 
stelle, die allmählich zunahm und schmerzte. Zyste im oberen Femurdrittel. 

31jährige Frau. Seit 2 Jahren Schmerzen im rechten Oberarm. Vor 
5 Wochen Fraktur beim Heben eines Kindes. Zyste im oberen Humerusteil. 

v. Hacker [38, 39], Wien. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 1. 

lljähriges Mädchen. Knochenzyste des Humerus. 

13jähriges Mädchen. Zyste des Humerus. 

Helbing [40], Verh. d. deutschen Ges. f. Chir. 1902. 

ö’/sjähriger Junge. Vor 3—4 Jahren nach einem Fall heftige Schmerzen 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 29 


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444 


Felten und Stoltzenberg. 


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im rechten Knie. Danach, ohne daß etwas zu fühlen war, Schonung des Beins, 
später Schmerz und Ermüdbarkeit. Zyste unterhalb des Trochanters. 

Kaposi [41, 42], Jahresber. d. schles. Ges. f. vaterl. Kultur 1903. 

15jähriges Mädchen. Bruch des Oberschenkels, nach einem Jahr aber¬ 
malige Fraktur. Zyste. 

9jähriger Knabe. Zyste im proximalen Teil des rechten Oberarms. Keine 
Anamnese. 

Kehr [43], Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1896, Bd. 43. 

6jährige r Junge. Vor 2 Jahren Fall, Schmerzen am linken Oberschenkel 
dicht unterhalb des Trochanters, keine Verkürzung oder Difformität. Nach einigen 
Tagen Bettruhe Heilung. Im Laufe der nächsten IVa Jahre öfters Schmerzen. 
Vor 7 Monaten Fractura femoris sin. im unteren Drittel. Glatte Heilung. \or 
2 Monaten Spontanfraktur unterhalb des Trochanters. Zyste. 

Koch [44], Archiv f. klin. Chir. 1902, Bd. 68. 

löjähriger Bursche. Stürzte vor 5 Jahren in vollem Laufe hin und zog 
sich einen Bruch des rechten Oberschenkels zu, der nach 5 Wochen heilte. 
Jetzt plötzlicher Schmerz bei der Arbeit, Spontanfraktur unterhalb des rechten 
Trochanters. Zyste. 

König [45], Archiv f. klin. Chir. 1898, Bd. 56. 

15jähriges Mädchen. Seit 3 Jahren Schmerzen im rechten Bein und 
Hinken. Jetzt nach Fall Fraktur unterhalb des Trochanters. Zyste im oberen 
Drittel. 

Konjetzny, Münch, med. Wochenschr. 1903, Nr. 40 (s. Anschütz.- 

Körte [46], Deutsche Zeitschr. f. Chir. 18S0, Bd. 13. 

29jährige Frau, die vor 18 Jahren gefallen war und sich den Ober¬ 
schenkel gebrochen hatte. Allmähliche Verbiegung und schmerzhafte An¬ 
schwellung der Bruchstelle. Zyste. 

Lex er [47], Verb. d. deutschen Ges. f. Chir. 1906 und ) Archiv f. klin. 
Chir. 1903. Bd. 71 und 1906, Bd. 81. - 

14jähriger Knabe. Vor 4 Jahren Fall auf die rechte Schulter. Danach 
14 Tage Schwellung und Schmerz. Ein Jahr später fühlte er bei schwerem 
Heben Schmerzen im rechten Oberarm, allmähliche Anschwellung. Zyste im 
oberen Humerusteil. 

Miessner [48], Dissertation. Erlangen 1884. 

lSjähriger Mann. Im siebenten Jahre beim Schlittschuhlaufen Bruch des 
rechten Femur dicht über dem Knie. In 5 Wochen Heilung. Nach 6 Jahren 
Fall und Bruch an gleicher Stelle. Langsame Heilung mit Verkrümmung und 
anhaltender Schwäche. Im selben Jahre und abermals nach 2 Jahren wieder 
Fraktur. Heilung mit vollständig nach hinten verbogenem Bein und Geh- 
Unfähigkeit. Nach 3 Jahren Amputation. Große Zyste im unteren Femurteil. 


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Traumatische solitäre Knochenzysten. 


445 


v. Mikulicz [49—51], Verh. der Naturforschervers. Breslau 1904. 

Zwei Zysten im oberen Humerusende, eine im oberen Femurende mit 
gleichzeitiger geringerer Veränderung in der Tibia. Anamnesen fehlen. 

Pfeiffer [52—54], Beitr. z. klin. Chir. 1907, Bd. 53. 

41jährige Frau. Seit einigen Monaten Schmerz im unteren Drittel des 
linken Oberschenkels. Im siebzehnten Jahre „Kniegelenksentzündung*. Zyste. 

22jährige Frau. Vor 9 Monaten Fall aufs rechte Knie. Seitdem Schmerz, 
allmähliche Anschwellung. Vor 3 Wochen Umknicken auf ebenem Boden. 
Danach Verschlimmerung. Zyste in der Mitte des rechten Oberschenkels. 

20jährige Frau. Seit 3 Jahren langsam wachsende Geschwulst im unteren 
Drittel des rechten Oberschenkels. Zyste. 

Röpke [55], Archiv f. klin. Chir. 1910, Bd. 92. 

14jähriges Mädchen. Anamnese sehr kurz: Bisher immer gesund. Am 
Tage vor der Aufnahme Stoß gegen den rechten Oberarm. Fraktur. Zyste 
im oberen Drittel. • ... 

Schlange [56—60], Archiv f. klin. Chir. 1887, Bd. 36 und 1893, Bd. 46. 

14jähriger Knabe. Vor l 1 /* Jahren starke Kontusion des linken Unter¬ 
schenkels, die 8 Wochen lang Beschwerden machte. Vor 3—4 Jahren erneutes 
Trauma, das wieder einige Wochen Bettruhe veranlaßte. Vor 6 Wochen aber¬ 
malige Kontusion. Seitdem dauernd heftige Schmerzen und Gebrauchsunfähig¬ 
keit. Zyste im oberen und mittleren Drittel der Tibia. 

14jähriger Junge. Vor 8 Jahren ohne auffindbaren Grund Hinken. All¬ 
mähliche Verkürzung und Verkrümmung des rechten Beines. Zyste handbreit 
unter dem Trochanter. 

lSjähriger Mann. Vor 5 Jahren Fraetura femoris sin. Glatte Heilung 
ohne Verkürzung. Nach mehreren Monaten Schmerzen, allmähliche Verkrüm¬ 
mung und Verkürzung. Zyste im oberen Drittel. 

7jähriges Mädchen. Vor 4 Jahren Fall vom Stuhl, hochsitzende Fraktur 
des rechten Oberschenkels. Glatte Heilung. Allmähliche Verkrümmung und 
Verkürzung. Zyste wenige Finger breit unter dem Trochanter. 

12jähriger Knabe. Seit längerer Zeit Klagen über Beschwerden an der 
linken Tibia. Zyste im oberen Drittel. 

Sonnenburg [61], Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1880. Bd. 1*2. 

12jähriges Mädchen. Vor 5—6 Jahren nach einem Fall Fraktur des 
linken Oberarmes. Jetzt Zyste im oberen Drittel. 

Studeny [62], Arch. f. klin. Chir. 1910, Bd. 92. 

Iljährige8 Mädchen. Vor 18 Monaten starke Kontusion des linken 
Unterschenkels. Schmerzen, die allmählich Zunahmen. Zy>te im unteren 
Tibiaabschnitt. 

Tietze [63, 64], Verh. d. deutschen Ges. f. Chir. 1906 und Beitr. f. 
klin. Chir. 1907, Bd. 52. 

lSjähriges Mädchen. Vor 6 Jahren Fall auf dem Eise. Sofort starke 


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446 Felten und Stoltzenberg. Traumatische solitäre Knochenzyste. 


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Schmerzen im rechten Ober- und Unterschenkel, konnte nicht auftreten. 8 T\ge 
Bettruhe. 4 Jahre Wohlbefinden. Dann rheumatische Schmerzen im rechten 
Bein. Vor einem halben Jahre Fall auf ebener Erde, Fractura femoris. Zyste 
im oberen Femurteil und in der Tibia. 

35jährige Frau. Seit einem Jahre Schwäche, seit einem halben Jahre 
Schmerz im rechten Unterschenkel. Seitdem Anschwellung in der Gegend des 
FibulakÖpfchens. Zyste. 

Virchow [65], Sitzungsber. d* Akad. d. Wissensch. Berlin 1876. 

56jährige Frau. Sektionsbefund. Zyste im rechten Humerus. Ana¬ 
mnese fehlt. 

Wilms [66], Münch, med. Wochenschr. 1905, Nr. 38. 

21jähriges Mädchen. Zweimal Fraktur am distalen Radiusende. Zeit 
nicht angegeben. Zyste im Röntgenbilde festgestellb. 

Wohlgemut [67], Zentralbl. f. Chir, 1904, Nr. 46. 

12jähriges Mädchen. Zyste der Tibia. Keine Anamnese. 


Fälle ohne oder mit ungenügender Anamnese: Tabelle Nr. 5, 
10, 11, 12, 14, 16, 19, 21, 25, 29, 38, 39, 42, 49, 50, 51, 55, 
65, 67. 

Fall von Hämophilie: Nr. 24. 

Fälle mit Anamnese, in denen ein Initialtrauma nicht an¬ 
gegeben oder ausdrücklich verneint wird: Tabelle Nr. 15, 26, 37, 
45, 52, 54, 57, 60, 64. 

Fälle, in denen das Initialtrauma eine Fraktur ist: Tabelle 
Nr. 3, 4, 9, 20, 22, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 41, 44, 46, 48, 
58, 59, 61, 66. 

Fälle, in denen das Initialtrauma eine Kontusion ist: Tabelle 
Nr. 1, 2, 6, 7, 8, 13, 17, 18, 23, 27, 28, 40, 43, 47, 53, 56, 62, 
63, der eigene Fall. 


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XX. 


Aus der kgl. orthopädischen Poliklinik in München (Prof.Dr.F.Lange). 

Pes addiictns. 

Von 

Dr. F. Duncker. 

Mit 22 Abbildungen. 

Die Adduktion des Vorderfußes*) kommt bei vielen Fu߬ 
deformitäten vor. Zwar ist sie als Leiden sui generis sehr selten 
und bis vor kurzer Zeit, wenigstens in der Literatur, unbekannt ge¬ 
wesen. Um so häufiger wird sie aber als Nebenbefund bei er¬ 
worbenen und angeborenen Deformitäten des Fußes angetroffen. 
Eine extreme Adduktion des ganzen Fußes ist überhaupt nur bei 
gewissen Luxationen bekannt geworden. Wenn aber trotzdem dieser 
Arbeit die Ueberschrift „Pes adductus“ gegeben wird, so muß dieses 
Vorgehen im folgenden gerechtfertigt werden. 

Herr Professor Lange forderte mich auf, über mehrere ein¬ 
schlägige Fälle, die an der Königl. orthopädischen Poliklinik zur Be¬ 
obachtung kamen, zu berichten. Hierzu sei es gestattet, auf die 
für die Adduktion des Fußes in Betracht kommenden Gelenk- und 
Muskelmechanismen, Innervation und Funktion des näheren einzu¬ 
gehen. 

Zuvor sei bemerkt, daß die reine Adduktion des Fußes, d. h. 
eine Einwärtsdrehung ohne Beimischung einer anderen Bewegungs¬ 
komponente, in einer zur Unterschenkelachse senkrecht stehenden 
Ebene vor sich geht, die also gewöhnlich mit der Planta pedis 
und dem Fußboden zusammenfällt. Bei fixiertem Oberschenkel 

l ) Nach Fick teilt die Chopartsche Linie den Fuß in einen hinteren 
und vorderen Abschnitt, die auch als „Vorder- und Hinterfuß“ bezeichnet 
werden. 


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448 


Duneker. 


beträgt der Gesamtausschlag der Drehbewegung im Sinne der reinen 
Ab-Adduktion etwa 20°. Albert [1] fand ihn zwischen Sund 
21 0 schwanken. Außerdem gestatten auch andere Fußwurzel- und 
Mittelfußgelenke geringe seitliche Wackelbewegungen, die zwar 
normal so klein sind, daß sie unbeschadet vernachlässigt werden 
können, die aber in pathologischen Fällen zu erheblicher Adduktion 
führen können. 

Am normalen Fuß erfolgt die Adduktion und Abduktion in 
einer Gelenkverbindung zwischen Talus-Calcaneus und Naviculare 
einerseits und Calcaneus-Cuboid anderseits, demselben Gelenk, in 
dem die Supination und Pronation des Fußes ausgeführt wird. 
Außer diesen Bewegungen sind aber auch Kombinationen von Ad¬ 
duktion und Supination, Abduktion und Pronation, so z. B. die Be¬ 
wegung in Varus- und Valgusstellung, in dem Gelenke möglich. Da 
diese Bewegungen in verschiedenen Ebenen vor sich gehen, muß es 
sich also um ein mehrachsiges Gelenk handeln, auf das wir kurz 
unsere Aufmerksamkeit zu richten haben. 

Anatomisch läßt sich obige Gelenkverbindung zerlegen: 

1. in das quere Tarsalgelenk, das sich aus Sprung- 
Kahnbein -j- Fersen-Würfelbeingelenk zusammensetzt (Chopartscbes 
Gelenk); 

2. in das Talo-Tarsalgelenk, das mit dem ersten das 
Sprung-Kahnbeingelenk gemeinsam hat und im übrigen aus einer 
Gelenkverbindung zwischen Fersenbein und Sprungbein besteht 
(unteres Sprunggelenk). 

Zur Untersuchung der Adduktionsbewegung können die Ober¬ 
flächen des queren Tarsalgelenks grobschematisch angesehen werden 
als Mantelteile zweier konzentrischer Walzen mit sehr großem Durch¬ 
messer, von denen die dem Hinterfuß entsprechende konvex, die 
dem Vorderfuß entsprechende konkav gewölbt ist. Die Achse beider 
Walzen verläuft bei Mittelstellung des Fußes etwa parallel zur 
Unterschenkelachse und steht auf einer durch die Planta pedis ge¬ 
legten Ebene senkrecht. 

Das Talo-Tarsalgelenk ist zwar weder ein reines Kugelgelenk, 
denn seine Bewegungsfreiheit beträgt nicht volle 3°, noch kann es 
nach Ficks eingehenden Untersuchungen einem Vergleich mit einem 
Ellipsoidgelenk genügend standhalten. Seine Drehachse fällt bei 
der in Mittelstellung des Fußes erfolgenden Adduktion annähernd 
mit der Unterschenkelachse zusammen. 


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Pes adductus. 


449 


Im ersten wie im zweiten Gelenk ist also eine Drehbewe¬ 
gung um eine vertikale Achse im Sinne der Adduktion 
möglich.; Während aber der Fuß im Talo-Tarsalgelenk als Ganzes 
um die zapfenartig in das Gelenk hineinreichenden Unterschenkel¬ 
knochen -f- Talus gedreht wird, beschränkt sich die Adduktion im 
queren Tarsalgelenk auf eine * drehende Schleifbewegung“ der Ge¬ 
lenkflächen gegeneinander, so daß der Fuß hierbei gewissermaßen 
nur eine Knickung in sich selbst erfährt. Daher ist die Adduktion 
des Vorderfußes zusammengesetzt aus einer Rotation des ganzen 
Fußes im Talo-Tarsalgelenk und einer Knickung des Fußes im queren 
Tarsalgelenk, jedoch so, daß die 
Bewegung des ersten Gelenkes bei 
weitem die des zweiten überwiegt. 

Die gleichzeitige Adduktions¬ 
bewegung in beiden Gelenken läßt 
sich dann etwa folgendermaßen 
darstellen: 

Angenommen ein Punkt A, 
der in der Mitte des queren Tarsal- 
gelenkes liegt, befände sich gleich¬ 
zeitig auf einem Schnittpunkt der 
Peripherien zweier Kreise mit den 
Mittelpunkten M und M„ die den 
Drehzentren des queren Tarsal- 
gelenks und des Talo-Tarsalgelenks 
entsprechen. Durch die feste Lage 
der Mittelpunkte M und M t und 
durch Feststellung des Punktes A 
wäre das System starr. Bei forcierter gleichzeitiger Adduktion in 
beiden Gelenken müßte daher der Punkt A gewaltsam aus seiner 
ursprünglichen Bahn entfernt werden und theoretisch eine Kurve 
beschreiben, die sich aus den Resultierenden der Bewegungen beider 
Kreise ergibt 1 ). 

Das gleiche gilt auch für alle anderen auf der Peripherie des 
großen Kreises, also im queren Tarsalgelenk liegenden Punkte. 
Hieraus ergibt sich, daß bei forcierter Adduktion in beiden Ge¬ 
lenken das quere Tarsalgelenk auseinandergerissen werden müßte. 

J ) Zur Konstruktion der Bewegungskurve ist angenommen, daß homologe 
Punkte auf beiden Kreisumfangen in gleichen Zeiten gleiche Strecken zuriicklegen. 


Fig. 1. 



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Duncker. 


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Der Eintritt dieses verhängnisvollen Umstandes wird aber in 
Wirklichkeit durch folgende Maßregeln verhindert: 

Jede ausgiebige Adduktionsbewegung wird sogleich durch 
starke Hemmungsbänder an beiden Gelenken vereitelt. Zwischen 
Sprung- und Fersenbein wird die Bewegung durch Anspannen des 
Zwischenknochenbandes gehemmt. Außerdem läßt aber auch das 
Lig. fibulo-calcaneum resp. tibio-calcaneum nur eine beschränkte 
Exkursion zu. Am queren Tarsalgelenk wird das Kahnbein durch 
das Pfannenband, Gabelband und den „unteren Chopartschlüssel* 
relativ fest an den Taluskopf bzw. das Fersenbein fixiert. Und durch 
die oberen und unteren Fersen-Würfelbeinbänder sind auch in diesem 
Gelenke nur geringe seitliche Verschiebungen möglich. Jedenfalls 
ist aus der Anordnung der kräftigen Bandmassen zwischen den 
einzelnen Knochen zu erkennen, daß die Adduktion im Talo- 
Tarsalgelenk ausgiebiger stattfinden kann, als im queren Tarsal- 
gelenk. 

Ferner setzen auch die Knochen jeder weiteren Einwärts* 
drehung dadurch einen Widerstand entgegen, daß sich das Susten- 
taculum am medialen Teil des hinteren Sprungbeinhöckers anstemmt. 
Bei weiterwirkender Kraft würden diese Knochenvorsprünge als 
Hypomochlion dienen, so daß es zur Zerreißung der Bänder und zur 
Luxation sub talo nach innen mit extremer Adduktion des Fußes 
kommen könnte. 

Schließlich macht aber auch die Gestalt der Gelenke eine 
ideale Adduktion, wie sie eingangs angenommen wurde, unmöglich. 
Denn das quere Tarsalgelenk setzt sich aus zwei isolierten Ge¬ 
lenken zusammen, die wegen ihrer kleinen Krümmungsradien für 
eine beschränkte Adduktion wohl günstigere Verhältnisse darbieten, 
als ein Walzengelenk mit sehr großem Durchmesser. Von denen 
aber das Talo-Naviculargelenk Eiform besitzt, während das Calcaneo* 
Cuboidgelenk ein Sattelgelenk darstellt. Trotzdem wäre aber eine 
Adduktionsbewegung in beiden gut ausführbar, wenn sie nicht durch 
die oben beschriebenen Bänder stark gehemmt würde. Beide Teile 
des queren Tarsalgelenkes ergeben nach Fich eine »Kompromiß* 
bewegung“, die im wesentlichen aus Supination und Pronation be¬ 
steht und mit einer Beimengung von Ad- bzw. Abduktion ver¬ 
bunden ist. Bemerkenswert ist jedoch, daß die Verbindungslinie 
der Mitten beider Gelenke, entsprechend der queren Fußwölbung, von 
lateral unten nach medial oben verläuft und somit bei der Adduktion 


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Pes adduotus. 


451 


gleichzeitig mit der Rotation eine geringe Verschiebung nach oben 
stattfindet. 

Sieht man vom Sprung-Kahnbeingelenk ab, so verbleiben für 
das Talo-Tarsalgelenk zwei Gelenkflächen zwischen Fersen- und 
Würfelbein, die, wie Fick betont, meist entgegengesetzt jgekrümmt 
sind. Der Bogenwert beider Gelenkflächen ist jedoch fast der gleiche, 
so daß man sie zu einer schiefen Ebene ergänzen könnte, die von 
lateral unten nach medial oben ansteigt. Also auch in diesem Ge¬ 
lenk geht mit der Rotation nach ■ innen eine Translation nach oben 
Hand in üand. Die beste Beweglichkeit stellt nach Fick eine Be¬ 
wegung dar, die sich aus Adduktion, Supination und Plantarflexion 
resp. Abduktion, Pronation und Dorsalflexion zusammensetzt und die 
Fick mit „Einwärts- und Auswärtskantung“ bezeichnet. 

In beiden Gelenken ist also die Adduktion resp. Abduktion als 
Bewegungskomponente vorhanden. In beiden Gelenken findet bei 
der Adduktion eine Rotation -f- Translation, das ist eine Schrauben¬ 
bewegung, statt, so daß der Fuß gleichsam über den Talus hinauf¬ 
geschraubt wird. Weiterhin sind beide Gelenke durch ihre 
zwangsmäßige Verknüpfung von Kahn-Sprungbein und 
Fersen-Würfelbein in ihren Bewegungen so voneinander 
abhängig, daß sie als „physiologische Einheit“ ange¬ 
sehen werden können. 

Nimmt man in dieser Gelenkkombination eine einzige vertikale 
Achse an und supponiert dem Vorderfuß und den Unterschenkel¬ 
knochen -f- Talus absolute Festigkeit, so müssen die Muskeln, 
welche in diesem Gelenk eine Adduktionsbewegung hervorrufen 
sollen, theoretisch folgenden Bedingungen genügen: 

1. Sie müssen das Gelenk möglichst auf der Innenseite über¬ 
schreiten. Ihr Ursprung und ihre Insertion muß sich also proximal 
und distal vom Gelenk befinden. 

2. Da für diese Bedingungen, abgesehen von einer Ausnahme, 
nur lange Fußmuskeln und deren Sehnen in Betracht kommen, die 
ihren Muskelbauch am Unterschenkel haben, muß ihrer Wirkung 
durch eine Trochlea (Sehnenfach) eine entsprechende Richtung ge¬ 
geben werden. Diese Trochlea kann bei Berechnung der Arbeits¬ 
leistung des Muskels ohne weiteres als sein Ursprung angesehen 
werden. Ebenso kann die Kraftrichtung unbeschadet in die Dreh¬ 
ebene, z. B. die Planta pedis, verlegt gedacht werden. 

3. Da ferner die Wirkung eines Muskels, abgesehen von seiner 


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Duncker. 


physischen Kraft, um so größer ist, je länger sein Hebelarm und je 
günstiger sein Insertionswinkel ist, so wird derjenige Muskel die 
größte adduzierende Wirkung besitzen, welcher möglichst distal vom 
Gelenk, unter dem günstigsten, das ist einem rechten Winkel am 
Vorderfuße angreift. 

Angenommen A sei dieser für die Adduktion günstigste In¬ 
sertion spunkt und M das ideelle Drehzentrum unserer Gelenk¬ 
kombination , so würde die Tangente AD, die senkrecht auf dem 
Radius M A steht, die günstigste Richtung angeben, in der ein Ad- 


Fig. 2. 



Fig. 3. 



duktor angreifen könnte. Dieser fiele aber außerhalb des Körpers, 
ist also nicht denkbar. In Wirklichkeit verlaufen die Muskeln mit 
adduktorischer Tendenz in der Richtung AB, so daß sich ihre 
Trochlea in der Gegend des Malleolus internus befindet. Fällt man 
von B auf die Drehkomponente AD eine Senkrechte BC und nennt 
<£ BAC <}> und seinen Komplementwinkel BAM ^p, so ergibt sieb, 
daß bei konstanter Adduktionskraft Z D = Z . cos t|> ist. D. h. die 
Drehkomponente D wächst mit abnehmendem Winkel oder mit 
zunehmenden Winkel $ bis 90°, also bis die Adduktionsrichtung in 
die Drehricbtung fällt. 


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Pes adductus. 


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Denkt man sich obige Muskeln, die sich in natura am Unter¬ 
schenkel befinden, umgelegt in die Zeichnungsebene, so daß sie in 
der Richtung AZ verlaufen, so liegt ein Vergleich der Drehbe¬ 
wegung in unserer Gelenkkombination mit dem Kurbelmechanismus 
am Schwungrade der Dampfmaschine durchaus nahe. Denn hier 
wie dort wird eine Translationsbewegung in rotierende Bewegung 
umgesetzt. Hierbei entspräche M dem Drehpunkt des Schwung¬ 
rades, AB der Kurbelstange und BZ der Pleuelstange (cf. Fig. 2 
und 3). Dieser Vergleich läßt sich aber aus verschiedenen Gründen 
nicht aufrecht erhalten. Zunächst kommt am Fuß niemals eine 
Totalumdrehung wie am Schwungrade zustande. Ferner kann durch 
den Muskel nur ein Zug in einer Richtung, nicht wie bei der Kurbel¬ 
stange Druck in der einen Phase, Zug in der anderen ausgeübt 
werden. Schließlich liegt Punkt B, im Gegensatz zu den Verhält¬ 
nissen an der Dampfmaschine, am Fuße fest und Winkel f ändert 
seine Größe bei der Adduktion nicht, während er bei der Rotation 
des Schwungrades beständig zu- und abnimmt. Daher würde die 
Adduktion am Fuße vom mechanischen Standpunkte aus besser all¬ 
gemein als Drehung eines festen Körpers durch eine außerhalb des 
Drehzentrums angreifende Zugkraft angesehen werden. 

Nach diesen Ueberlegungen ist zu untersuchen, welcher Muskel 
für die Adduktion des Fußes am günstigsten verläuft. 

Zur Beantwortung dieser Frage können zunächst alle diejenigen 
Muskeln unberücksichtigt gelassen werden, die sich nicht an der 
-Einwärtskantung des Fußes“ beteiligen. Es scheiden daher die 
Dorsalflexoren und Pronatoren aus. Von den übrigen langen Fu߬ 
muskeln kommen für die Adduktion vor allem die eigentlichen 
Supinatoren in Betracht. Jedoch kann von diesen der Tibialis 
anticus theoretisch kaum eine Adduktionswirkung entfalten, denn 
seine Sehne verläuft von der Insertion am Cuneiforme I und der 
Basis Ossis metatarsalis I mehr über die obere Seite des Gelenkes 
und hat seine Trochlea unter dem Lig. laciniatum bereits vor dem 
inneren Malleolus. Dagegen ist der Tibialis posticus, der an 
der Tuberositas navicularis und mittels mehrerer Ausstrahlungen an 
den davor gelegenen Keilbeinen ansetzt, als kräftiger Adduktions¬ 
muskel anzusprechen, wenn seine supinatorische Hauptwirkung durch 
gleichzeitige Kontraktion der Pronatoren aufgehoben wird. Auch 
der Triceps surae hat bei Mittelstellung des normalen Fußes eine 
supinatorische Komponente, die zwar auf die Adduktion des Vorder- 


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Duncker. 


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fußes keinen direkten Einfluß haben kann, indirekt aber als Hem¬ 
mungsband für eine Auswärtsdrehung des Processus posterior wirken 
muß. Weiterhin kommen dem Flexor hallucis longus und dem 
Flexor digitorum longus eine adduktorische Wirkung zu, ob¬ 
wohl sie vom Sustentaculum tali aus mehr über die untere Fläche 
des Gelenkes hinwegziehen. Denn einmal entspricht die Verlaufs¬ 
richtung ihrer Sehnen noch am besten den in Fig. 2 wiederge¬ 
gebenen Verhältnissen und zum anderen kann ihre Hauptwirkung, 
die Plantarflexion, durch Anspannen ihrer Antagonisten ausge¬ 
schaltet werden. Allerdings ist ihre Arbeitsleistung dadurch be¬ 
einträchtigt, daß sie an den schwer zu versteifenden Endphalangen 
der Zehen inserieren. Jedoch muß dem Flexor hallucis longus, be¬ 
sonders nach erfolgter Drehung im Talo-Tarsalgelenk eine erheb¬ 
liche Adduktionswirkung zugesprochen werden. 

Ganz verschieden von diesen ist die Wirkung des zu den 
kurzen Fußmuskeln gehörigen Ab du ctor hallucis 1 ) zu beurteilen. 

Er verläuft zwar am medialen Fußrande über die Innenseite des 
Gelenkes; da er aber hauptsächlich vom Calcaneus entspringt, mit¬ 
hin an den fixen Unterschenkelknochen + Talus keinen Halt findet, 
kann er im Talo-Tarsalgelenk direkt keine Bewegung hervorrufen. 

Er wird vielmehr bei der Rotation in diesem Gelenk als Teil des 
ganzen Fußes mitgedreht und kann, abgesehen von seiner rudi¬ 
mentären Funktion am Fuße des Kulturmenschen, lediglich seinen 
Ursprung dem Insertionspunkt durch Drehung im queren Tarsal¬ 
gelenk nähern und dabei das Fußskelett in sich selbst knicken. Bei 
willkürlicher Adduktion ist also mit seiner Wirkung kaum zu rechnen. j 
dagegen kann er ebenso, wie die übrigen kurzen Fußmuskeln, für die 
Wiederherstellung des eingesunkenen Fußgewölbes große Bedeutung 
erlangen. 

Hieraus ergibt sich, daß im wesentlichen kein einziger 
Muskel selbständig den Vorderfuß adduzieren kann. 
Vielmehr müssen bei ausgiebiger reiner Adduktion Plantarflexoren 
mit Dorsalflexoren und Supinatoren mit Pronatoren in geeigneter 

l ) Zur Vermeidung von Verwechslungen sei hier bemerkt, daß die ana¬ 
tomische Bezeichnung dieses Muskels „ Abductor hallucis* ist, obwohl er adduk¬ 
torische Tendenz besitzt, d. h. den Vorderfuß der Medianlinie des Körpers 
nähert. Der Name „ Abduktor“ ist der zoologischen Nomenklatur entlehnt, die 
unter Adduktion, im Gegensatz zur medizinischen Gepflogenheit, die Annähe¬ 
rung an die Mittellinie des Fußes versteht. 


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Pes adductus. 


455 


Weise Zusammenarbeiten. Dieser Forderung muß aber auch die 
Innervation der Muskeln genügen. 

Ordnet man zur Beurteilung der Innervationsverhält¬ 
nisse alle vom Nerv, tibialis versorgten Muskeln in eine und die 
vom Nerv, peroneus versorgten in eine zweite Rubrik ein, so kommt 
man zu dem Ergebnis, daß, abgesehen vom Tibialis anticus, dessen 
adduktorische Komponente schon oben in Zweifel gezogen wurde, 
alle Muskeln mit Adduktionstendenz, auch der Abductor hallucis 
vom Nerv, tibialis und seinen Verzweigungen innerviert werden. 
Die Gesamtwirkung dieser Muskeln resp. der Gesamtausfall ihrer 
Antagonisten, z. B. bedingt durch Totalläsion des Nerv, peroneus, 
entspricht also einer „Einwärtskantung“ des Fußes, die sich nach 
Fick aus Supination, Plantarflexion und Adduktion zusammensetzt. 
Der Nerv, tibialis hat daher Impulse sowohl für Supination, wie 
fUr Plantarflexion und auch für Adduktion zu den betreffenden 
Muskeln zu leiten. Mag nun immerhin die willkürliche Intendie- 
rung einer reinen Adduktionsbewegung isoliert möglich sein, so muß 
sie bei dem Fehlen eines selbständigen Adduktionsmuskels und den 
komplizierten Gelenkverhältnissen sofort unrein werden, wenn die 
akzessorischen Bewegungskomponenten (Plantarflexion, Supination) 
nicht gleichzeitig durch die Tätigkeit der Dorsalflexoren und Pro¬ 
natoren ausgeschaltet werden. Es müssen also zur willkürlichen 
Intendierung einer reinen Adduktionsbewegung gleichzeitig mit den 
Adduktionsimpulsen im Nerv, tibialis entsprechende Hemmungs¬ 
reize auf der Bahn des Nerv, peroneus zu den Antagonisten ge¬ 
langen. 

Ein Versuch, am frei schwebenden Fuße willkürlich die Ad¬ 
duktion in der horizontalen Ebene auszuführen, überzeugt, daß der 
Fuß entsprechend der Gestalt seiner Gelenke und der Funktion seiner 
Muskeln stets in Supination Uberzugehen sucht, und daß nur durch 
gleichzeitiges Anspannen der Pronatoren und Dorsalflexoren die Ad¬ 
duktion annähernd rein bleibt. Diese Neigung zur Bewegung in 
Varusstellung besteht auch noch bei der passiven zwangsläufigen 
Adduktion mit auf dem Fußboden aufgestelltem Fuße. Bei forcierter 
Adduktion erfährt der Fuß in toto zunächst eine Rotation im Talo- 
Tarsalgelenk nach innen, wobei die Hemmungsbänder und die sich 
mehr oder weniger anspannende Achillessehne den Processus posterior 
calcanei festzuhalten suchen. Da aber der Vorderfuß der aktiv be¬ 
wegte Teil ist, tritt bei fortbestehender AdduktionsWirkung eine 


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Duncker. 


Spannung der Fersen-Würfelbeinbänder ein. Die Rotation greift 
hierdurch auch auf das quere Tarsalgelenk über und kommt schlie߬ 
lich durch Druck des Naviculare gegen den in der MalleolengaM 
feststehenden Talus zur Ruhe. Während also die Drehung im 
queren Tarsalgelenk bei willkürlicher Adduktion eine untergeordnete 
Rolle spielt, macht sie bei der kompensatorischen, mehr unwillkür¬ 
lich vor sich gehenden Adduktion einen wesentlichen Teil der Ein¬ 
wärtsdrehung aus. 

Da der Gang meist automatisch und nur in seltenen Fällen 
bewußt erfolgt (Bar den heu er), wickelt sich auch die Innervation 
zu diesem Bewegungsakt rein automatisch ab. Bei Willensschwächen 
Individuen werden daher die für den Gehakt weniger wichtigen 
Muskeln, vor allem die kurzen Fußmuskeln, ungenügend zur Kon¬ 
traktion gebracht, zumal wenn ihnen ein enganliegender Schuh einen 
Teil ihrer Aufgabe abnimmt oder sie gar in ihrer Bewegungsfähig¬ 
keit hindert. Mit ihnen fällt dann auch der Abductor hallucis der 
Inaktivitätsatrophie anheim und kann bei bestehendem Mißverhältnis 
zwischen Körperschwere und Festigkeit des Fußgewölbes die Ent¬ 
stehung eines Plattfußes begünstigen. Umgekehrt wird daher die 
„Selbstheilung des Plattfußes“ mit zunehmender Suffizienz der 
kurzen Fußmuskeln stets von mehr oder weniger ausgesprochener 
Adduktion des Fußes begleitet sein. Und zwar ist dieser Vorgang 
nicht nur bei der Reparation des statischen Plattfußes, sondern auch 
besonders beim kindlichen Valgus zu' beobachten. Bei fortschrei¬ 
tender Heilung ist in allen diesen Fällen neben der Einwärtsdrehurig 
der Fußspitze eine deutliche Knickung des inneren Fußrandes als 
Ausdruck der Adduktion im queren Tarsalgelenk zu erkennen. 

Aus obigen Darlegungen erhellt, daß eine ausgiebige Ein¬ 
wärtsdrehung des normalen Fußes sich niemals aut 
eine bloße Adduktion des Vorderfußes beschränken 
kann, daß vielmehr stets der hintere Fußabschnitt mit¬ 
bewegt wird, aber in verschiedenerWeise eine Aenderung seiner 
Stellung erfährt. Während der Processus posterior calcanei durch 
Knickung des Fußskeletts im queren Tarsalgelenk nach innen ab¬ 
weicht und sich der Insertion des Abductor hallucis zu nähern 
sucht, wird er durch Innenrotation im Talo-Tarsalgelenk nach außen 
gedreht und kann daher leicht einen primären Valgus Vortäuschen. 
Meist wird jedoch die Ferse mehr oder weniger eine Mittelstellung 
einnehmen, sei es, daß die primäre Adduktionswirkung zu gering 


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Pes adductus. 


457 


ist oder sich beide Bewegungen annähernd aufheben. Aber auch 
in diesen Fällen besteht zweifellos eine adduzierende Wirkung des 
Vorderfußes auf den hinteren Fußabschnitt und läßt den Namen 
Pes adductus berechtigt erscheinen. 

Ueberblickt man von diesem Gesichtspunkte aus die große 
Menge der Fußanomalien, bei denen sich mehr oder weniger starke 
Adduktion findet, so liegt es nahe, zunächst diejenigen Formen 
daraus abzusondern, deren Adduktion nicht auf Einwärtsdrehung im 
Talo-Tarsal- und queren Tarsalgelenk zurückzuführen ist. Mögen 
nun akzessorische Skelettstücke (Os tibiale usw.) oder kongenitale 
Defektbildungen (Volkmannsche Sprunggelenksmißbildung), patho¬ 
logische Gelenkprozesse (z. B. generalisierte Fußarthropathien, Levy) 
oder traumatische Dislokationen der Knochen anderer Fußgelenke 
die Ursache der Adduktionsstellung bilden: alle diese sind auszu¬ 
schließen von der Bezeichnung „Pes adductus“. 

Ausgenommen sei ferner auch die Adduktionsstellung des 
Fußes, welche häufig mit anderen Haltungsanoraalien kombiniert bei 
Kindern vorkommt und als ata vis tisch e E r sch einun g gedeutet 
wird. Hasebroek [2] hat in einer Abhandlung „über schlechte 
Haltung und Gang der Kinder im Lichte der Abstammungslehre“ 
einen besonderen Haltungstypus beschrieben, bei dem es sich um 
einen schlechten Gang der Kinder mit einwärts rotierten Beinen 
und ein Voreinandersetzen der Füße handelt. Er führt die Ein¬ 
wärtsdrehung der Füße auf ein Uebervviegen der innenrotatorischen 
Funktion des Glutaeus medius und minimus zurück und setzt den 
Habitus und Gang solcher Kinder, bei denen sich häufig auch vor¬ 
gezogene Schultern und Adduktorenspasmen finden, mit dem Habitus 
.und Gang der Anthropoiden in Parallele. Wenn sich nun auch bei 
den einzelnen Anthropoiden große Unterschiede in der Fußstellung 
beim Gehen finden, so ist doch bei allen als durchgehendes Prinzip 
eine mit der Zunahme des aufrechten Ganges einhergehende Ver¬ 
minderung der Muskulatur mit innenrotatorischer Tendenz und eine 
entsprechende Volumzunahme des Glutaeus maximus zu erkennen. 
Auch beim Menschen kommt dieses Prinzip noch zum Ausdruck, 
das Hasebroek [3) mit folgenden interessanten Angaben illustriert. 
„Noch bei den Halbaffen und Katarrhinen haben wir besondere 
Innenrotatoren, die unmittelbar unterhalb des Kniegelenkes angreifen, 
in den Mm. semimembranosi. Es läßt sich nun vergleichend ana- 


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Duncker. 


toraisch nach weisen, daß die spezifische innenrotatorische Funktion 
bei den Anthropoiden Schimpanse, Orang, Gorilla noch durch An* 
satzzipfel an der medialen Seite der Tibia vorhanden ist. Beim 
Menschen findet sich derselbe Ansatzzipfel nur in der Fötalperiode. 
Erst beim ausgebildeten Menschen findet eine volle Umwandlung 
der Semimembranosi in reine Beuger des Unterschenkels statt. 
Außerordentlich entwickelt sind ferner noch bei den Anthropoiden 
diejenigen Innenrotatoren, welche am Oberschenkel angreifen. Zum 
Glutaeus medius und minimus kommt sogar der M. scansorius, der 
spezifisch einwärts rotiert und beugt, hinzu.“ 

Für die Richtigkeit der Anschau¬ 
ungen, daß es sich bei besagter Haltungs¬ 
anomalie der Kinder um einen atavistischen 
Rückschlag handelt, spricht ferner der Um¬ 
stand , daß die Therapie, die an den in 
solchen Fällen meist gespannten und 
schmerzhaften Mm. glutaei medius und mi¬ 
nimus angreift (Massage, Dehnung, aktive 
Uebungen), den Zustand nach Hasebroeks 
Erfahrung schnell bessert, und daß diese 
Anomalien mit zunehmendem Alter sich 
auswachsen. Diese Form der Adduktion 
des Fußes ist demnach im wesentlichen durch 
Innenrotation im Hüftgelenk bedingt und 
bei dem Fehlen einer nennenswerten Ein¬ 
wärtsdrehung im queren Tarsal- und Talo- 
Tarsalgelenk nicht zu unserer Adduktionsdeformität hinzuzurechnen. 

Ob und wieweit in gewissen Fällen von reiner Adduktions¬ 
deformität des Fußes phylogenetische Spuren sioh verfolgen lassen, 
ist nach Lage der Verhältnisse sehr schwer zu beurteilen. Immerhin 
entbehrt diese Frage nicht des Interesses, und der Anhaltspunkte 
gibt es genug, welche zu einem Vergleich des Anthropoidenfußes 
mit dem des Menschen im Rahmen unseres Themas auffordern. 

Abgesehen von den oben genannten Spannungen der Innen¬ 
rotatoren, Adduktoren und Mm. pectorales, die mehr die allgemeine 
Körperhaltung beeinflussen, ist hier in ontogenetischer Hinsicht die 
physiologische Supinationsstellung am Fuße des Neugeborenen an¬ 
zuführen, die häufig mit leichter Adduktion des Vorderfußes ver¬ 
bunden ist. Bekannt sind am kindlichen Fuße die große Beweg- 


Fig. 4. 



Sohlenabdruck des Fußes 
von erwachsenem Gorilla. 
(Nach Ranke.) 


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Pes adductua. 


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lichkeit und schräge Artikulation der großen Zehe mit dem ersten 
Tarsale im Sinne der Adduktion (Gegenbaur), ein Ueberrest der 
Opponierbarkeit und Spreizstellung des Hallux am Antbropoidenfuß. 
Auch eine an der Soblenhaut des Säuglings häufig anzutreffende 
mediane oder den Großzehenballen umgreifende Furche, die z. B. am 
Gorillafuß weit stärker ausgeprägt und multipel erscheint (cf. Fig. 4), 
ist als Ausdruck des früheren Bewegungsvermögens anzusehen. Ferner 
darf wohl in diesem Zusammenhänge die Tatsache erwähnt werden, 
daß beim Kinde bis zum sechsten Monat der Bahinskische Reflex 
eine normale Erscheinung ist (Pfister im Handbuch der Kinderheil¬ 
kunde von Pfaundler und Schloßmann) und daß er sogar bei Kin¬ 
dern im zweiten und dritten Jahre öfter noch typisch auszulösen ist. 


Fig. 5. 



Fußskelett v. Orang-Utan. Fußskelett v. Gorilla. Fußskelett v. Menschen. 

Am Fuße des Erwachsenen schwinden diese mehr oder weniger 
deutlichen atavistischen Reminiszenzen und tauchen nur hie und da 
bei Naturvölkern als Rasseneigentümlicbkeiten auf. Um so klarer 
treten aber die Unterschiede zwischen diesem und dem Fuße der 
Anthropoiden hervor. Aus den dem Gegenbaur [4] entnommenen 
Abbildungen vom Fußskelett eines Orang-Utan, Gorilla und Menschen 
erkennt man unschwer, daß der Fuß des Orang mit dem kleinen 
Tarsus und den nach einwärts verkrümmten Metatarsalien und 
Phalangen zum Gehen sehr ungeeignet sein muß. Sokolowsky [5] 
beschreibt den Gang dieses Tieres als eine ziemlich gezwungene 
Bewegungsweise, bei welcher der Körper durch die langen Arme 
aufrecht erhalten wird. Der Fuß wird hierbei mit dem äußeren 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd 30 


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460 


Duncker. 



Rande aufgesetzt und die Zehen werden eingeschlagen gehalten. 
Entfernte Aehnlichkeit muß diese Fußstellung mit derjenigen der 
Australneger haben, die nach Hasebroek beim Gehen die Füße 
in leichter Adduktion und Supination halten, so daß sie ihre Pfade, 
die auffallend schmal sein sollen, in der Mitte hohl austreten. 

Während also der Orang als Baumbewohner einen zum Klettern 
eingerichteten „ Greiffuß 11 besitzt, ist der Gorilla nach der Bildung 
seines Fußes und der Art seines Ganges vorwiegend als Bodentier 
aufzufassen. Er tritt wie der Mensch mit voller Sohle auf und dreht 
dabei die Füße nicht oder nur wenig nach einwärts. Wenn auch 
der gespreizte Daumen des Fußes den Gebrauch des letzteren als 
Greiforgan beim Klettern andeutet, so zeugt die breite Unterfläcbe 
desselben für seine vortreffliche Verwendung als Gehorgan (Soko- 
lowsky). Am Fußskelett des Gorilla ist eine entsprechende Volum¬ 
zunahme am Tarsus wahrzunehmen, die bei dem Menschen zur Aus¬ 
bildung der Ferse und des Fußgewölbes führt. Weiterhin tritt am 
menschlichen Fuß eine beträchtliche Reduktion der Phalangen der 
zweiten bis fünften Zehe in die Erscheinung, und die auffällige 
Spreizstellung des Hallux der Anthropoiden ist bei dem Menschen 
aufgegeben. Als wesentliche Verschiedenheit ist schließlich hervor¬ 
zuheben, daß am Anthropoidenfuß, abgesehen von der vollkommeneren 
Ausbildung der übrigen Fußgelenke, das Cuboid mit dem Naviculare 
im Gegensatz zum Menschen konstant gelenkig verbunden ist. 
Eine Tatsache, die wohl zu der Annahme einer größeren Adduktions¬ 
möglichkeit des Vorderfußes bei den Anthropoiden verleiten könnte, 
die aber meines Erachtens in der arteigenen Greifbewegung der , 
Zehen und der ausgiebigen Beweglichkeit und Opponierbarkeit des | 
Hallux ihre Erklärung findet. 

Daß die Spreizstellung der großen Zehe noch bei jedem Kinde 
angedeutet ist, wurde schon oben erwähnt. Als Rasseneigentüm¬ 
lichkeit kann man sie auf alten Holzschnitten am Fuße der Japa¬ 
nerin sehen. An den Füßen der ältesten ägyptischen und griechi¬ 
schen Skulpturen der Münchner Glyptothek sind die zweite bis fünfte 
Zehe sehr lang dargestellt und nehmen einen gestreckten Verlauf; 
der Hallux aber steht in einigen Fällen sogar schon leicht abduziert 
oder fällt in die Verlängerung des Metatarsale I, in keinem Falle 
ist er jedoch adduziert. Die Opponierbarkeit der großen Zehe der 
Anthropoiden ist vollends für den Menschen gänzlich verloren ge¬ 
gangen. Auch armlose «Fußkünstler“, die auf den Gebrauch ihrer 


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Pes adductus. 


461 


Füße angewiesen sind, können nach Ranke [6] die Gegenstände 
nicht umgreifen, sondern sie nur zwischen die erste und zweite Zehe 
einklemmen. Lediglich die oben erwähnte Furche an der Sohlen¬ 
haut des kindlichen Fußes, die auch von Herz auf den bekannten 
Abdrücken von Negerfußen festgestellt wurde, deutet noch auf diese 
längst erloschene Funktion hin. 

Bedenkt man hiernach, wie geringfügiger Natur diese phylo¬ 
genetischen und ontogenetischen Eigentümlichkeiten am mensch¬ 
lichen Fuße sind, so wird man zugeben müssen, daß die atavistische 
Aetiologie zur Erklärung einer Fußdeformität schwerlich herangezogen 
werden darf. Höchstens könnte sie dieselbe auslösen und so mittelbar 
zur sekundären Deformierung beitragen. Mit größerer Berechtigung 
kann sie aber für die Entstehung von an das Normale grenzenden 
Stellungs- und Haltungsanomalien des Fußes verantwortlich gemacht 
werden, wenn auch die Beurteilung dieser sich mehr auf Vermutungen 
und Kombinationen als auf objektive Tatsachen gründet. Soll man 
jedoch der Frage näher treten, welche Fußanomalie wohl am ehesten 
als „atavistische“ zu bezeichnen ist, so stimmen wir mit Hasebroek 
überein, wenn er diese in einer Fußform erblickt, die durch 
Pronation des Vorderfußes eventuell kombiniert mit entgegenge¬ 
setzter Supination des Mittel-Hinterfußes charakterisiert ist. Diese 
an den „Hohlklauenfuß“ erinnernde Fußanomalie findet sich häufig 
bei Kindern zusammen mit den oben beschriebenen Spannungen im 
Gebiete anderer Muskeln und wäre demnach aufzufassen als die¬ 
jenige Haltungsanomalie des Fußes, welche die temporäre Entwick¬ 
lung resp. das temporäre Ueberwiegen der Bahnen für die ur¬ 
sprüngliche Kletterfunktion einem normalen kindlichen Fuß zudiktiert. 
Bei dieser „neurogenen“ Form findet sich jedoch keine oder nur 
eine geringe Adduktion des Vorder Fußes. In anderen Fällen ist, 
wie oben gezeigt, die Einwärtsdrehung des Fußes durch Innen¬ 
rotation im Hüftgelenk bedingt. Jedoch soll damit nicht in Abrede 
gestellt werden, daß auch Spannungen der Supinatoren und Ad¬ 
duktoren, die besonders die Haltung der großen Zehe beeinflussen, 
als atavistische Reminiszenzen denkbar sind. 

Außer der „neurogenen“ Haltungsanomalie kann man auch 
eine „osteogene“ Form unterscheiden, bei der die Knochen selbst 
atavistische Befunde erheben lassen. Entsprechend dem Bau des 
Anthropoidenfußes könnten ein kurzer, adduzierter Hallux, lange, 
gestreckt verlaufende Zehen, die auch, wie bei den Anthropoiden, 


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Duncker. 


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mit Schwimmhäuten versehen sein könnten, ein relativ flaches Fu߬ 
gewölbe und mangelhafte Ausbildung des Tarsus (sog. Assyrerfußi 
als atavistische Anhaltspunkte dienen. Besonders wäre auch die 
Reihenfolge der Ossifikation der einzelnen Fußwurzelknochen zu be¬ 
rücksichtigen, die charakteristische Unterschiede zwischen Menseben- 
und Anthropoidenfuß aufweisen soll. Daß man aber bei diesbezüg¬ 
lichen Schlüssen auch Ueberraschungen ausgesetzt ist, beweist die 
bekannte Tatsache, daß sich an einem sonst normalen menschlichen 
Fuß akzessorische Skelettstücke vorfinden können, die an den Zu¬ 
stand bei Tieren gemahnen, welche in genealogischer Beziehung weit 
unter den Anthropoiden stehen. Jedenfalls kann auch bei diesen 
Stellungsanomalien von einer ausgesprochenen Einwärtsdrehung des 
Fußes im queren und Talo-Tarsalgelenk keine Rede sein. Somit ist 
die atavistische Aetiologie als direkte Ursache für die Entstehung 
einer Adduktionsdeformität des Fußes abzulehnen. 

Außerhalb des Begriffes einer Deformität im strengen Sinne 
fallen aber auch alle Fußanomalien, die durch ein einmaliges schweres 
Trauma erzeugt wurden. Daher seien auch die Luxationen in unserer 
Gelenkkombination selbst, obwohl sie zum Teil mit hochgradiger 
Adduktion des Fußes einhergehen, von der Bezeichnung „Pes ad- 
ductus“ ausgenommen. Bei der Wichtigkeit dieses Gegenstandes 
für unser Thema sei es jedoch gestattet, kurz hierauf einzugehen 
und einige hierher gehörige Fälle anzuführen. Die Luxationen im 
Chopartschen und unteren Sprunggelenk sind bekanntlich streng 
in Luxationes sub talo (nach innen und außen), Luxationes medio- 
tarseae (completa et partialis) und Luxationen im Sprung-Kahnbein¬ 
gelenk zu scheiden. Gümbel [8] hat in jüngster Zeit die hierüber 
in der Literatur vorhandenen, vielfach falschen Angaben kritisch ge¬ 
sichtet und teilt selbst 2 Fälle von isolierter Dislokation im Talo- 
Navikulargelenk mit. 

1. Bei dem einen besteht Subluxation des Naviculare nach 
oben. Der Vorderfuß ist stark adduziert und supiniert. Reposition 
gelingt leicht durch forcierte Plantarflexion. 

2. In dem zweiten Falle ist das Naviculare nach hinten unten 
luxiert, die Articulatio talo-navicularis gesprengt und der Taluskopf 
lateral abgewichen. Die vordere Fußhälfte, vom Chopartschen Ge¬ 
lenk an, ist ziemlich stark proniert und gleichzeitig adduziert. Wegen 
Verhakung des Naviculare unter dem Taluskopf ist blutige Re¬ 
position nötig. 


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Pes adductus. 


463 


Beide Fälle zeigen also eine Adduktion des Vorderfußes, die 
aber bei der Subluxation des Naviculare nach oben mit Supination, 
bei der Luxation nach unten innen mit ziemlich starker Pronation 
verbunden ist. Je nach der Einwirkung der luxierenden Gewalt 
und der Gestalt der luxierten Gelenkenden wird die Stellung des 
Vorderfußes, abgesehen von Verhakungen, in ausschlaggebender 
Weise durch das Uebergewicht der Supinatoren beeinflußt. 

Sieht man von den oben angeführten Ausnahmen ab, so ver¬ 
bleiben für den Begriff »Pes adductus“ alle diejenigen 
Fälle von angeborener oder erworbener Fußdeformität, 
welche mit oder ohne Beimischung anderer Bewegungs¬ 
komponenten eine Einwärtsdrehung im Chopartschen 
und unteren Sprunggelenk erfahren haben. 

In erster Linie kommt hierfür die große Gruppe der 
Klumpfüße in Betracht, mögen sie nun sekundär kongenitaler 
oder neuropathischer Natur sein. Fast immer ist die abnorme 
Supinationsstellung des Fußes mit Plantarflexion und Adduktion 
kombiniert, die über das physiologisch mit der Supination verbun¬ 
dene Maß hinausgeht (Lüning-Schultheß). In weniger schweren 
Fällen, bei denen der Fuß noch mit der Sohle aufgesetzt wird, übt 
der Gang eine sekundär deformierende resp. korrigierende Wirkung 
aus, so daß zwar die Plantarflexion und Supination gebessert wird, 
die Adduktion aber bestehen bleibt. Ein Beispiel für die Entstehung 
einer scheinbaren Adduktionsdeformitat aus einem paralytischen 
Spitzklumpfuß bietet folgende Krankengeschichte: 

Amalie B., 11 Jahre alt. 

Anamnese. Keine ähnlichen Erkrankungen in der Umgebung, 
vier weitere Kinder gesund. — Patientin war bis zum Alter von 
5 Jahren ganz normal. In diesem Alter trat nach Aussage des 
Vaters plötzlich, ohne vorhergehende schwerere Erkrankung das 
jetzige Leiden auf. Kind konnte aber immer gehen, lag nicht 
zu Bett. Langsam zunehmende Verkrümmung der Füße. Im Alter 
von 6 Jahreö trug sie ohne merkliche Besserung 3 Wochen lang 
Gipsverband. In den letzten Jahren Verschlimmerung des Leidens. 
Kind hat bisher einen bis zum Knie reichenden Apparat am rechten 
Bein getragen. 

Status: Ziemlich gut genährtes, etwas blasses Mädchen. 

Obere Extremitäten o. B. Untere Extremitäten: Glut. med. 


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Duncker. 


und min. beiderseits etwas geschwächt, sonst Beckenmuskulatur 
intakt. Ebenso die Muskulatur beider Oberschenkel. Beiderseits 
besteht leichtes X-Bein. 

Rechter Fuß: In Spitzklumpfuß- und leichter Hohlfußstellung. 
Die Zehen sind in der Grundphalanx dorsal-, im ersten Inter- 
phalangealgelenk plantarflektiert. Die Mittelfußknochen treten ziem¬ 
lich stark nach oben heraus. Der Vorderfuß wird adduziert 
gehalten. Passiv läßt sich die Supination bis zur Mittelstellung, 
der Spitzfuß aber wegen Verkürzung der Achillessehne bis zum 
rechten Winkel beseitigen. 

Muskulatur des rechten Unterschenkels: Im ganzen 
atrophisch, Umfangsdift'erenz gegen links 2 cm. 


Fig. 6. 



Paralytischer Spitzklumpfuß mit Bewegungsphotographie 

vorwiegender Abduktion rechts. in Sohlenansicht. 


Intakt, aber überdehnt sind: Extensor hallucis, Extensor 
digitorum. 

Ziemlich gut: Gastrocnemius, Tibialis posticus, Flexor digitorum, 
Tibialis anticus. 

Verkürzt ist die Sehne des Flexor hallucis longus. 

Gelähmt sind die Peronei. 

Beweglichkeit: Der Fuß kann etwas supiniert (cf. Be¬ 
wegungsphotographie), aber nur in ganz geringem Grade proniert 
werden. Die aktive Dorsalflexion gelingt etwa in der Ausdehnung 
von 20°. 

Linker Fuß: Zeigt ähnliche, aber weit weniger schwere Ver¬ 
änderungen. 

Therapie: Fußplastik rechts in Aethernarkose: 

1. Schnitt an der Außenseite des Unterschenkels über den 


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Pes addactus. 


465 


Peronei. Diese haben rotes Muskelfleisch, sind aber überdehnt. 
Von demselben Schnitte aus wird das äußere Drittel der Achilles¬ 
sehne abgelöst und mit vierfacher Seide durchflochten. Die übrigen 
zwei Drittel werden nach v. Baeyer tenotomiert und verlängert. 
Darauf kräftiges manuelles Redressement des Spitzklumpfußes. 

2. Schnitt an der Außenseite des Fußes in der Höhe des 
Cuboid. Raffung der Peronei. Am Periost dieses Knochens werden 
die Seidenfäden vernäht, nachdem sie durch einen im subkutanen 
Fettgewebe gebohrten Kanal unterhalb des äußeren Knöchels nach 
vorn geführt wurden. 

Gipsverband in starker Hackenfuß- und Valgusstellung. 

Nach 14 Tagen: Abnahme des Verbandes. Wunden reaktions¬ 
los verheilt, Herausnahme der Nähte. Abguß für Nachtschiene und 
Einlage. 

Neuer Gipsverband in alter Stellung. 

Befund bei der Entlassung: Fuß steht in mäßiger Hacken¬ 
fuß- und Mittelstellung zwischen Pro- und Supination. Der Vorder¬ 
fuß neigt nur mehr wenig zur Adduktion. Achillessehne wieder 
intakt, aber noch nicht sehr kräftig. Seidensehne ist gut umwachsen 
und in gehöriger Spannung zu fühlen. Peronei ebenfalls gespannt 
und in leidlicher Funktion. 

Der Fuß kann aktiv bis zum rechten Winkel plantar- und bis 
60° dorsalflektiert werden. 

In diesem Falle mußte also bei dem völligen Ausfall der Pro¬ 
natoren und dem Ueberwiegen der Supinatoren und Plantarflexoren 
mit der Sicherheit eines Experimentes ein Spitzklumpfuß entstehen. 
Bei dem dauernden Gebrauch des Fußes wurde die Plantarflexion 
durch die Belastung mit dem Körpergewicht, die Supination durch 
die pronierende Wirkung des Ganges teilweise beseitigt, so daß als 
vorwiegende Bewegungskomponente die Adduktion übrig blieb. Und 
zwar erreichte diese, wie aus beigegebener Photographie hervorgeht, 
einen erheblichen Grad. Trotzdem gelang es unschwer, durch Re¬ 
dression die Adduktionsstellung gut zu korrigieren und durch Sehnen¬ 
plastik, die einen Ersatz der Peronei bezweckte, die Spitz- und Klump¬ 
fußstellung völlig zu beheben. 

Ohne Kenntnis der Vorgeschichte würde also in diesem Falle 
beim ersten Anblick des belasteten Fußes die Diagnose Pes ad- 
ductus berechtigt erscheinen. Die nähere Untersuchung ergibt je- 


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Duncker. 


466 

doch, daß es sich in Wirklichkeit um einen Spitzklumpfuß handelt, bei 
dem die Supination und Plantarflexion durch die Belastung verdeckt 
wurde, so daß die Adduktion de9 Vorderfußes ungewöhnlich deut¬ 
lich ausgesprochen ist. 

Beim kongenitalen Varus kann die Adduktionsstellung auch 
durch eine Torsion der Unterschenkelknochen vermehrt sein, die 
eventuell eine operative Korrektion, bestehend in linearer Osteotomie 
der Tibia, seltener auch der Fibula, erheischt (Pürckhauer). In 
hochgradigen Fällen beschränkt sich die für den Klumpfuß charakte¬ 
ristische „Einwärtskantung“ nicht nur auf das quere Tarsal- und 
das Talo-Tarsalgelenk, sie kann vielmehr, besonders bei schwersten 
Formen des paralytischen Klumpfußes, auch zu Subluxationen anderer 
Tarsalgelenke führen. In der Regel tritt jedoch die Adduktion des 
Vorderfußes beim Klumpfuß so in den Hintergrund des Symptomen- 
bildes, daß sie nur als akzessorische Begleiterscheinung des primären 
Leidens anzusehen ist. 

Korrekterweise ist daher die Bezeichnung „Pes adductus* 
nur für d ie j enigen F uß d e formi tä ten zu reservieren, bei 
denen die Adduktion in unserer Gelenkkombination 
möglichst rein ist und das Hauptsymptom der De¬ 
formität bildet. 

Bedenkt man aber, daß Fick auf Grund seiner Untersuchungen 
eine reine Adduktion in beiden Tarsalgelenken für unmöglich hält, 
daß ferner kein einziger Muskel als selbständiger Adduktor gelten 
kann, und daß bei den einschlägigen Lähmungen die Einwärts¬ 
drehung der Fußspitze fast immer nur eine untergeordnete Rolle 
spielt, so ist es verständlich, daß zur Entstehung einer reinen 
Adduktionsdeformität noch irgendwelche Kräfte hinzu¬ 
kommen müssen, die dem Fuß bei bestehender Ad¬ 
duktionstendenz eine gewisse Zwangsläufigkeit ver¬ 
leihen. Die zwangsmäßige Bewegung, nur in einer Richtung, ist 
zwar an und für sich ein Postulat der Schraubenbewegung. Unser 
obiger Vergleich der reinen Adduktion im queren und Talo-Tarsal¬ 
gelenk mit der Schraubenbewegung hinkt aber insofern, als bei der 
Schraube die Zwangsläufigkeit durch ihren Bau selbst bedingt ist, 
während am Fuß außerhalb des Gelenks gelegene, aktive oder passive 
Hemmungen die einförmige Bewegungsrichtung der Gelenkflächen 
hervorrufen müssen. 

Am normalen Fuß wird diese Zwangsläufigkeit, wie oben er- 


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Pes adductus. 


467 


wähnt, aktiv dadurch erzielt, daß gleichzeitig mit der Einwärts- 
drehung sich Dorsalflexoren und Pronatoren anspannen. Passiv wird 
(wie am Beispiele eines paralytischen Spitzklumpfußes gezeigt), die 
Plantarflexion und Supination dadurch ausgeschaltet, daß der Fuß 
während der Adduktion mehr oder weniger fest auf den Fußboden 
aufgesetzt wird. In Wirklichkeit ergänzen sich jedoch beide Momente 
derartig, daß trotz aller Einschränkungen, die für die Innenrotation 
am Fuße gemacht wurden, die Ausführung einer annähernd reinen 
Adduktion ohne Schwierigkeit gelingt. Somit ist also die Mög¬ 
lichkeit zur Entstehung eines Pes adductus gegeben. 

Wie bei allen Deformitäten, so genügt aber auch hier nicht 
eine vorübergehende, einmalige Einwärtsdrehung des Fußes, es ge¬ 
hört vielmehr eine häufige Wiederholung und Summation der Be¬ 
wegung dazu, um den Fuß schließlich in Adduktionsstellung „er¬ 
starren“ zu lassen. Der Fuß muß also entweder passiv lange Zeit 
in dieser Stellung festgehalten werden, oder er muß gewissermaßen 
durch einen chronischen Reiz gezwungen werden, aktiv dauernd in 
Adduktion überzugehen. Verharrt einmal der Vorderfuß in Ad¬ 
duktionsstellung, so wird der normale Fuß durch entsprechende 
Kräftigung der Antagonisten bald die Deformität korrigieren können. 
Der geschwächte oder gar schon verbildete Fuß wird dagegen die 
Adduktionsstellung nur schwer und allmählich ausgleichen. Der 
günstigste Fall für die Entstehung eines Pes adductus 
wird also dann eintreten, wenn ein an und für sich schon 
geschwächter Fuß passiv eine langwährende Deformie¬ 
rung im Sinne der zwangsmäßigen Adduktion erfährt, 
oder wenn ein primär verbildeter Fuß bei bestehender 
Zwangsläufigkeit die ursprüngliche Deformierung durch 
„chronische“ Adduktions- bzw r . Supinationstendenz zu 
reparieren sucht. 

Beide Möglichkeiten sind von vornherein zuzugeben. Da aber 
aus anatomischen Gründen die Verhältnisse für die passive Genese 
sehr kompliziert sein müssen, ist es verständlich, daß der auf diesem 
Wege entstandene Pes adductus zu den großen Seltenheiten gehört. 
Weit häufiger ist dagegen die aktive Entstehungsweise zu beob¬ 
achten, bei der der Fuß eine Adduktionsstellung einnimmt, 
die weniger als eigentliche Deformität, als vielmehr als unvoll¬ 
kommene Korrekturerscheinung einer primären ander¬ 
weitigen Deformität aufzufassen ist. 


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468 


Duncker. 


Zum besseren Verständnis dieses Vorganges sei hier zunächst 
ein Fall besprochen, bei dem die primäre Deformität nicht den Fuß 
selbst, sondern ein proximalwärts gelegenes Gelenk betrifft, so daß 
sich die Adduktionsstellung an einem bis dahin normalen Fuß aus* 
bildet. Ein für diese Verhältnisse geradezu klassisches Beispiel ist 

die Entstehung eines Pes 
varus compensatorius bei 
primärem Genuvalgum.— 
Folgende Krankengeschichte ist 
dafür charakteristisch. 

Anna R., 4 Jahre alt. 
Anamnese: Normale Ge¬ 
burt, Ernährung ausschließlich 
mit Kuhmilch. Als das Kind 
mit 2 l ii Jahren zu laufen an¬ 
fing, entwickelte sich nach An¬ 
gaben der Eltern eine Ver¬ 
krümmung der Beine. Der Fuß 
ist bis dahin völlig normal ge¬ 
wesen. Im letzten Jahre traten 
zeitweise Schmerzen im rechten 
Knie auf. Die Verkrümmung 
des rechten Beines nahm be¬ 
deutend zu, während gleich¬ 
zeitig der rechte Fuß allmählich 
„hereingezogen“ wurde. 

Status: Pastöses blasse? 
Kind mit Zeichen allgemeiner 
Rachitis. 

Auftreibung der Stirn¬ 
höcker, defekte Zähne, Ver¬ 
dickung der Radiusepiphysen, leicht deformierter Brustkorb. Wirbel¬ 
säule zeigt Lendenlordose, keine seitlichen Verbiegungen. Be: 
aufrechtem Stehen wird die Lendenlordose verstärkt durch Becken¬ 
senkung nach vorn und Flexion in den Hüftgelenken. 

Beide Hüftgelenke lassen sich völlig strecken. Abduktion 
beiderseits beschränkt, Außenrotation ausgiebig möglich. 

Beide Oberschenkel sind nach vorn konvex verkrümmt 


Fig. 8. 



Genu valgum rachiticum 
mit Pes varus compensatorius, rechts. 


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Pes adductus. 


469 


Das rechte Kniegelenk steht in starker X-Beinstellung, 
ausgiebige seitliche Wackelbewegungen möglich. 

Rechte Tibia im Varussinne verkrümmt. 

Der rechte Fuß wird mit dem äußeren Fußrande aufgesetzt, 
dabei wird der Vorderfuß stark adduziert und nach Möglichkeit 
supiniert gehalten. Der Calcaneus steht in Valgusstellung. Im 
Liegen verschwindet die Stellungsanomalie fast völlig. Die kompen¬ 
satorische Supination wird spontan aufgegeben, so daß die Fußsohle 
etwa senkrecht zur Unterschenkelachse steht. 

Das linke Knie zeigt ebenfalls Valgusstellung, jedoch weniger 
als rechts. Ebenso ist die Valgität der Ferse und die Adduktion 
des Vorderfußes nicht so deutlich ausgesprochen wie rechts. 

Der Gang erfolgt unbeholfen, fast watschelnd, wobei das Kind 
mit den Armen das Gleichgewicht zu erhalten sucht. Der rechte 
Fuß führt vor dem Aufsetzen auf den Boden eine leichte Schleuder¬ 
bewegung aus und gerät dann in Supinations- und Adduktions¬ 
stellung. 


Es handelt sich also hier um ein schweres rachitisches Genu 
valgum, bei dem sich sekundär am Fuß ein „kompensatorischer 
Varus“ (Albert) entwickelte. Bei der Jugend des Kindes und der 
relativ kurzen Dauer des Leidens reichten jedoch die deformierenden 
Kräfte nicht hin, um aus dem normalen Fuß eine kontrakte De¬ 
formität zu machen. Die während des Gehens angenommene Varus- 
stellung verschwindet im Liegen fast völlig, so daß man hier nur 
von einer habituellen Stellungsanomalie des Fußes reden kann. 
Jedenfalls wird aber durch die Vorgeschichte und den weiteren 
Verlauf unseres Falles der Werdegang der Adduktionsstellung des 
Fußes in geeigneter Weise beleuchtet. 

Durch die primäre Valgusstellung des Unterschenkels gerät 
auch der Fuß in eine entsprechende Schrägstellung zum Fußboden, 
so daß er beim Gehen mit dem inneren Fußrand aufgesetzt werden 
müßte. Um jedoch die volle Sohle benützen zu können, supiniert 
das Kind den Fuß stark und sucht außerdem durch Adduktion den 
auf der kranken Seite nach außen verlagerten Schwerpunkt wieder 
der Mittellinie zu nähern. Vorzüglich wird hierbei die Adduktion 
von den Supinatoren des Unterschenkels in dem oben beschriebenen 
Sinne ausgeführt. Der Fuß wird also vor allem im Talo-Tarsal- 
gelenk nach einwärts gedreht, wie dies aus der starken Valgus- 


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470 


Duncker. 


Stellung der Ferse in unserem Falle hervorgeht. Trotz der sicht¬ 
lichen Anstrengung des Körpers, das primäre Genu valgum durch 
kompensatorische Fußstellung zu korrigieren, ist es jedoch aus ana¬ 
tomischen und mechanischen Gründen nicht möglich, die weitere 
Verschlimmerung des Leidens aufzuhalten. Bei schmerzhaftem 
X-Bein besteht das Bestreben, das kranke Kniegelenk reflektorisch 
ruhig zu stellen und seine Funktion, soweit dies möglich, auf 
andere Gelenke zu übertragen. Im Augenblick des Vorwärts- 
schreitens wirft daher das Kind den Fuß bei versteiftem Kniegelenk 
mit leichter Schleuderbewegung nach vorn, um ihn beim Aufsetzen 
auf den Boden in Supinations- und Adduktionsstellung zu fixieren. 
Da jedoch die Schleuderbewegung hauptsächlich im Talo-Crural- 
gelenk ausgeführt wird und daher auf die stetige gleichsinnige Be¬ 
anspruchung des queren und Talo-Tarsalgelenks keinen Einfluß hat, 
wäre es leicht denkbar, daß sich in schweren Fällen auf diesem Wege 
eine Adduktionsdeformität entwickeln kann, die im wesentlichen 
unserer Definition entspricht. Meist genügt aber der ständige Wechsel 
von Bewegung und Ruhe, zumal während der Nacht, dazu, daß die 
Adduktionsstellung des Fußes sich wieder ausgleichen kann, >o 
daß im allgemeinen der Name Pes varus compensatorius zu Recht 
besteht. 

Weit schwieriger für das Verständnis liegen die Verhältnisse 
bei der Entstehung einer Adduktionsdeformität aus 
einem primär schon in anderer Weise verbildeten Full. 
Aber auch in diesen Fällen kann die resultierende Fußform meist 
nur als unvollkommene Reparationserscheinung angesehen werden. 
Nach unserer obigen Auseinandersetzung ist diese Adduktionsstellung 
besonders bei dem Vorgänge der „Sei bsth eilung* des 
Valgus und Valgoplanus anzutretfen und von Bardenheuer 
und anderen Autoren als solche beschrieben worden. 

Bardenheuer [ff] sagt wörtlich: „Beim kindlichen Pes valgus 
bis zum vierzehnten Jahre ist der Vorderfuß adduziert, das Ge¬ 
wölbe im Gebiete des Metatarsus besonders breit, die Zehen weichen 
meist auseinander, der innere Fußrand ist geknickt. Die Kinder 
sind meist schlaff’, haben dünne Waden, der Oberkörper ist zuweilen, 
zumal im ersten Jahre, (lick, fett.“ 

Professor Lange [10] macht bei Besprechung dieses Gegen¬ 
standes auf die Schwierigkeit aufmerksam, die solche Fälle für die 
richtige Beurteilung des beginnenden Valgus bieten können. Häutig 


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Pes adductus. 


471 


verdecken diese Kinder die Valgussteilung der Ferse, um die beim 
Gehen auftretenden Schmerzen zu vermeiden. Sie supinieren und 
adduzieren den Fuß, solange sie nicht milde sind, so daß die Ferse 
sogar in Varusstellung stehen kann und der Absatz auf der Außen¬ 
seite abgetreten wird. Gibt sich das Kind keine Mühe, den oft 
hochgradigen Valgus auszugleichen, so ist mit Sicherheit anzu¬ 
nehmen, daß es noch schmerzfrei ist. Dann wird oft das Oberleder 
des Schuhes an der Stelle des mehr oder weniger stark vorspringenden 
Knöchels defekt und der Absatz hauptsächlich auf der Innenseite 
abgenutzt. Jedenfalls geht aus diesen Beobachtungen hervor, daß 
der durch „Bänderzerrung und Knochenpressung“ hervorgerufene 
chronische Schmerz den Anlaß zur Entstehung der Einwärtsdrehung 
der Füße bildet. 

Auch beim statischen Valgus der Erwachsenen ist natürlich 
dieses Moment für das Zustandekommen einer Adduktionsdeformität 
von wesentlicher Bedeutung. Ihm gelingt aber die Befreiung von 
etwa vorhandenen Schmerzen nicht so leicht wie dem Kinde. Denn 
beim Erwachsenen spielen sich die Veränderungen mehr am Fu߬ 
gewölbe selbst ab, und die meist insuffizienten Fußmuskeln sind 
nicht imstande, das eingesunkene Fußgewölbe spontan wieder auf¬ 
zurichten. Bardenheuer betont mit Recht die große Wichtigkeit 
des Zustandes der Muskulatur für die Genese des statischen Valgus 
und Valgoplanus und erwähnt, daß Mönche, die Sandalen zu tragen 
pflegen, fast nie an Plattfuß leiden, weil sie ihre kurzen und langen 
Fußmuskeln zu gebrauchen gezwungen sind. Interessant ist be¬ 
sonders die Mitteilung eines Falles, bei dem sich das Fußgewölbe 
eines plattfüßigen Ordensbruders zwar etwas hob, die Valgussteilung 
der Ferse aber nicht nur völlig ausgeglichen war — die Ferse war 
vielmehr nach innen gedreht, der innere Fußrand war geknickt und 
der Vorderfuß stand in starker Adduktionsstellung. — Leider stand 
uns ein gleicher Fall nicht zur Verfügung. 

Zwei Faktoren sind also maßgebend für die Entstellung eines 
solchen funktionellen Pes adductus: Einmal das langan¬ 
haltende Bestreben, die Valgusstellung der Ferse zu korrigieren und 
das eingesunkene Fußgewölbe wiederherzustellen, wobei der pronierte 
und abduzierte Fuß in Varusstellung übergeführt werden muß, und 
zum anderen die pronierende Kraft der Körperschwere, die beim 
Aufsetzen und Abheben des Fußes vom Boden während des Geh¬ 
aktes die supinatorische Komponente des Heilungsvorganges um so 


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472 


Duncker. 


eher zunichte macht, als ihr die häufig überdehnten Supinatoren bei 
der mangelnden Festigkeit des Fußgewölbes keinen genügenden 
Widerstand entgegensetzen. Für die Testierende Adduktionstendenz 
ist dann der Boden zur Entstehung einer sekundären Fußdeformität 
besonders günstig, wenn neben der Abflachung des Fußgewölbes, 
des chronischen Schmerzes und einer gewissen Insuffizienz der Mus¬ 
keln und Bänder gleichzeitig eine rachitische Nachgiebigkeit und 
Biegsamkeit der Knochen selbst vorhanden ist. 

Als Beispiel eines rachitischen Pes adductus diene ein 
Fall, den ich in der Königl. orthopädischen Poliklinik zu beob¬ 
achten Gelegenheit hatte und der leicht um ähnliche vermehrt werden 
könnte. 


Fig. 9. Fig. 10. 



Pes adductus ruchiticus. 

Ansicht von vorn. Ansicht von hinten. 


Joseph St., 6 3 /i Jahre. 

Anamnese: In der Verwandtschaft keine ähnlichen Erkran¬ 
kungen. Geburt verlief völlig normal, Kind war ausgetragen. Ernäh¬ 
rung vom ersten Tage an mit reiner Kuhmilch. 

Mit 12 Monaten begann das Kind zu laufen, dabei bemerkten die 
Eltern, daß es schlechter auf den Beinen war als seine Geschwister 
und die Fußspitzen nach einwärts kehrte. Da die Fußstellung die 
gleiche bleibt und das Kind beim Gehen leicht ermüdet, wird nm 
orthopädische Behandlung nachgesucht. 

Status: Für sein Alter schlecht entwickeltes Kind mit blasser 
Gesichtsfarbe und Zeichen allgemeiner Rachitis: Auftreibung der 
Radiusepiphysen, rachitischer Rosenkranz, runder Rücken, Einziehung 
der unteren Rippenknorpel. 


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Pes adductus. 


473 


Untere Extremitäten: Keine Coxa vara. Beiderseits ge¬ 
ringes Genu valgum, Knöchelabstand 7 cm. Seitliche Wackelbe¬ 
wegungen jedoch nicht möglich. Beide Tibiae leicht nach innen 
verkrümmt. 

Die Füße zeigen völlig symmetrische Veränderungen: Das 
Fußgewölbe ist abgeflacht, der nicht belastete Fuß wird in ausge¬ 
sprochener Supinationsstellung mit einwärts gedrehter Fußspitze ge¬ 
halten. Die Ferse steht dabei in Mittelstellung. Bei Belastung 
dagegen ist deutliche Valgussteilung der Ferse vorhanden. Der 
innere Knöchel springt vor, die Fußsohlen liegen der Tischplatte 


Fig. 12. 



Fußabdruek voll Pes add. rach 

flach auf. Der Vorderfuß wird adduziert gehalten, so daß der innere 
Fußrand gekrümmt und konkav nach innen gebogen ist. 

Beweglichkeit: Abgesehen von vermehrter Pronation, alle 
Bewegungen normal. Passive Dorsalflexion bis 65 °. 

Muskelbefund: Kein Muskel gelähmt, aber die Sehnen der 
langen Fußmuskeln schlaffer als am normalen Fuß. 

Gang: Etwas breitbeinig und unsicher. Deformität läßt sich 
beiderseits manuell leicht ausgleichen. 

Im Röntgenbild sind die Metatarsalien im Sinne der Ad¬ 
duktion verkrümmt. 

Therapie: Roborierende Diät, Solbäder, aktive und passive 
Uebungen, Einlagen. 


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474 


Duncker. 


Wenn in unserem Falle auch nur ein beginnender und mäßig 
schwerer Grad von Pes adductus vorliegt, so sind doch folgende 
Befunde an ihm bemerkenswert: Zunächst das völlig abgeflachte 
Fußgewölbe, der vorspringende Malleolus internus und die Valgus* 
Stellung der Ferse, so daß vom Bilde des fertigen Plattfußes nur 
die Abduktion fehlt. An ihre Stelle ist eine Adduktion des Vorder¬ 
fußes getreten, die dem Fuß sein eigenartiges Aussehen verleibt. 
Am nicht belasteten Fuß bleibt die Adduktionsstellung bestehen und 
ist deutlicher ausgesprochen als die gleichzeitig vorhandene leichte 
Supination. Bei Belastung wird die Supination völlig eliminiert, 
der Vorderfuß noch weiter nach einwärts gedreht, und die Ferse 
gerät in starke Valgusstellung. Solange diese nicht beseitigt ist. 
kann auf Grund unserer anatomischen Ausführungen angenommen 
werden, daß die kurzen Fußmuskeln, insbesondere der Abductor 
hallucis, sich an der Bekämpfung der primären Deformität noch 
nicht in genügender Weise beteiligen. Der Pes adductus steht dem¬ 
nach erst im Beginn seiner Entwicklung und die Adduktion muß im 
weiteren Verlaufe des HeilungsVorganges noch viel höhere Grade er¬ 
reichen. 

Anhangsweise sei hier auch die Adduktion beim Hallux 
valgus berührt, die Cramer in einer für unser Thema sehr wich¬ 
tigen Arbeit bespricht. Beim Hallux valgus findet sich häufig eben¬ 
falls Plattfuß. Da jedoch die Phalangen des Hallux teilweise hoch¬ 
gradig abduziert sind, wird durch Zug des Flexor hallucis die 
Subluxation im ersten Metatarsophalangealgelenk noch erhöht. Und 
zwar können die beiden ersten Phalangen bisweilen so stark ab¬ 
duziert werden, daß die Flexorsehne mit ihrem Sesambein nach 
lateral luxiert. Die korrigierende Adduktionswirkung beschränkt sieb 
aber zumeist auf eine Einwärtsdrehung des Metatarsus I, wie das 
aus einem entsprechenden Röntgenbilde (Wullstein und Wilms 
Bd. II, 2, S. 186, Fig. 91) hervorgeht. Eine weitere Adduktion, die 
im Chopartschen und unteren Sprunggelenk erfolgen müßte, wird 
gewöhnlich durch Druck des Schuhwerks gegen die schmerzhafte 
und verdickte Gegend des ersten Metatarsophalangealgelenks ver¬ 
hindert. 

In allen diesen Fällen sucht also der Körper durch stetigen 
Muskelzug die Valgusstellung der Ferse zu beseitigen und das flache 
Fußgewölbe wieder aufzurichten. Zu diesem Zwecke werden die 
Supinatoren angespannt, die gleichzeitig mit der Supination eine ad- 


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Pes adductus. 


475 


duktorische Wirkung auf den Fuß entfalten. Da sie selbst aber 
häufig geschwächt und überdehnt sind, können sie nur zum Teil 
ihre Aufgabe bewältigen. Die korrigierende Supination geht durch 
die pronatorische Wirkung des Ganges verloren. Gleichzeitig wird 
aber hierdurch dem Fuß eine gewisse Zwangsläufigkeit erteilt, so 
daß die resultierende Einwärtsdrehung bei jedem Schritte wieder 
diejenigen Bedingungen vorfindet, welche wir für die günstigste 
Entstehung einer Adduktionsdeformität abgeleitet haben. Treten bei 
fortschreitender Heilung auch die kurzen Fußmuskeln wieder in 
Aktion, so kann der Fuß durch den Zug des Abductor hallucis, 
wie wir oben gesehen, im queren Tarsalgelenk geknickt werden. 
Der vorher nach außen gekehrte Processus posterior wird über die 
Mittelstellung hinaus nach innen gedreht und der Fuß kann schlie߬ 
lich eine Gestalt annehmen, wie sie Bardenheuer von seinem 
Falle beschreibt. Trotz dieser hochgradigen Veränderungen muß 
aber der Selbstheilungsvorgang des Plattfußes als unvollkommen an¬ 
gesehen werden, solange das eingesunkene Fußgewölbe selbst nicht 
an der Reparation teilnimmt. 

Im Gegensatz zum funktionellen Pes adductus haben wir 
schließlich auch über einige Fälle zu berichten, welche nicht oder 
nicht nur als Korrekturerscheinung eines platten Fußes, sondern 
hauptsächlich als angeborene Adduktionsdeformität anzu¬ 
sprechen sind. Die Entstehung dieses essentiellen Pes ad¬ 
ductus, bei dem beiläufig keine Hemmungs- oder Defektbildung 
von seiten der Knochen festzustellen war, muß also durch schwer 
zu erklärende, eigenartige Zwangshaltung des Fußes in utero er¬ 
folgt sein. Leider sind aber unsere beiden Fälle erst im Alter von 
2 ^2 und 7 Jahren zur Untersuchung gekommen, so daß die Gestalt 
der Füße bereits sekundär durch die Wirkung des Ganges beeinflußt 
werden konnte. Ferner ist in dem einen Falle die rachitische Aetio- 
logie nicht mit Sicherheit auszuschließen. Die Beurteilung ihres 
Entstehungsmechanismus würde also bei der häufigen Unsicherheit 
der Anamnese auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, wenn sich nicht 
in der Literatur als einziges Analogon eine Mitteilung Cramers [11] 
fände, die aus verschiedenen Gründen für unser Thema von Be¬ 
deutung ist. Wir lassen die Krankheitsgeschichte seines Falles hier 
wörtlich folgen: 

*9 Monate altes, stark überernährtes, im übrigen gesundes 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 31 


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Duncker. 


Kind aus der Poliklinik. Keine Geschwister. Es war nie krank. Die 
Eltern sind gesund, keine Erblichkeit nachweisbar. 

Status: Beide Unterschenkel sind gleich an Gestalt uni 
Länge. Die Fußwurzelknochen zeigen keinerlei Abnormitäten, weder 
an Größe oder Lage oder Stellung. Die Metatarsen sind in den 
Mittelfußwurzelgelenken stark adduziert. Sie sind gerade, nicht ver¬ 
bogen. An den Zehen nichts Besonderes, nur daß die Zehe I durch 
starke Adduktionsstellung des Metatarsus I in Varusstellung sich 
befindet. 

In ätiologischer Hinsicht dürfte in Frage kommen: Raum¬ 
beschränkung in utero resp. Amniondruck. 

Therapie war dankbar. Deformität ließ sich leicht adres¬ 
sieren, überkorrigieren und im Gipsverband fixieren.“ 

Cramer nennt diese Deformität Metatarsus adductus 
congenitus und macht darauf aufmerksam, daß sie streng vom 
Metatarsus varus zu trennen ist. „Bei letzterem sind die Mittelfu߬ 
knochen verbogen, verkrümmt, mit der Konvexität nach außen und 
oben. Bei dem Metatarsus adductus sind sie nach innen abgewichen 
unter Beibehaltung ihrer Form, ohne ihre Gestalt irgendwie verändert 
zu haben.“ Weiterhin sei hinzugesetzt, daß das 9monatige Kind 
wahrscheinlich noch nicht gelaufen ist, und daß auf beigefügter 
Photographie eines Gipsabgusses keine abnorme Wölbung des Fu߬ 
rückens und keine Valgusstellung der Ferse ersichtlich ist. Mithin 
besteht die Deformität aus einer nahezu reinen Adduktionsstellung 
der Metatarsen und der Zehen, für welche die Bezeichnung Meta¬ 
tarsus adductus zutreffend erscheint. Wieweit das Chopartsche 
und untere Sprunggelenk an der Adduktion beteiligt ist, wird ohne 
Einsicht eines Röntgenbildes schwer zu entscheiden sein. Bei der 
ausgesprochenen Adduktionsstellung des vorderen Fußabschnittes ist 
aber eine Beeinflussung dieser Gelenke aus anatomischen Gründen 
wahrscheinlich. Jedenfalls ist diese Beobachtung ein ein¬ 
wandfreies Dokument für die Behauptung, daß eine Ad¬ 
duktion sdeformi tat auch angeboren und auf passivem 
Wege entstanden sein kann. — Weit komplizierter liegen die 
Verhältnisse in unseren beiden Fällen. 


1. Johann H., 7 Jahre. 

Anamnese: Geschwister und Verwandte gesund. 

Geburt verlief normal. Die Verbildung der Füße wurde von 


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Pes adductus. 


477 


der Mutter 6 Tage nach der Geburt bemerkt. Das Leiden ist stets 
gleich geblieben, hat sich nicht verschlechtert. Es bestehen keine 
Schmerzen, aber leichte Ermüdbarkeit. 

Vom Hausarzt als Zufallsbefund erhoben, wurde Kind zur 
ambulatorischen Behandlung der orthopädischen Poliklinik über¬ 
wiesen. 

Status: Schwächlicbes Kind mit blasser Gesichtsfarbe und 
leichten Symptomen einer allgemeinen Rachitis. Truncus und obere 
Extremitäten, sowie Schädel und Zähne frei. 

An den unteren Extremitäten beiderseits Genu valgum. 


Fig. 13 b. 


Fig. 13 a. 




Von vorn gesehen. 


Von hinten gesehen. 


Malleolenabstand im Stehen 6 cm. Geringe seitliche Wackelbe¬ 
wegungen in beiden Knien möglich. 

Beide Füße sind fast völlig symmetrisch deformiert. 

Im Liegen ist der Vorderfuß beiderseits stark adduziert, die 
völlig abgeflachten Fußsohlen sind ein wenig nach innen gedreht. 
Die Ferse befindet sich in Mittelstellung. 

Im Stehen verschwindet die Supination, dagegen springt die 
Adduktion des Fußes in ihrer ganzen Schwere in die Augen. Die 
Verlängerung der Mittellinie des Vorderfußes geht durch das Tarso- 
Metatarsalgelenk V. In der Gegend des Naviculare ist der innere 
Fußrand scharf abgeknickt und am äußeren Fußrande tritt die 


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Go», gle 


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D ulicker. 


Tuberositas metatarsi V stark hervor. Bei der Ansicht von hinten 

steht die Ferse in deutlicher Valgusstellung und der Malleolus 

internus springt besonders 

**am rechten Fuß nach innen 

PnfelY^ hervor. Die Konfiguration 

l \ n\u\ des Fußrückens weicht vom 

l\ JHIj (? Normalen erheblich ab. Im 

I /j 9) Profil erscheint der dorsale 

\ Ql Kontur unterhalb des Talus 

\ \ \Nm_ deutlich abgesetzt und er- 

\ " hebt dann wieder zu 

I e i ner abnormen Wölbung. 

I die durch die lateral ver- 

/ ( / lagerten und zusamnienge- 

I [ /' f schobenen Fußwurzelkno- 

I \ / / chen gebildet wird. Der 

1 / \ Mittelfuß ist verbreitert, die 

\ Zehen sind gespreizt. 

Pause nach Röntgenbild von Pes adduct. congenitus. Beweglichkeit: Bei 

Ansicht von oben. ö 

der Aufforderung, den Fuß 
zu supinieren, führt das Kind mit der Fußspitze fast eine 
reine Adduktionsbewegung aus! Die aktive Abduktion 


Pause nach Röntgenbild von Pes adductus congenitus. Ansicht von der Seite. 


ist auffallend beschränkt. Bei passiver Dorsalflexion läßt sich 
der Fußrücken leicht bis auf 20 0 der Tibiakante nähern. 

Muskelbefund: Die Sehnen des Tibialis posticus und Fleior 
digitorum sind beim Abtasten nur undeutlich zu fühlen. Dagegen 


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Pes adductus. 


479 


spannt sich die Sehne des Tibialis anticus sichtlich an und scheint 
in ihrem Ansatz proximalwärts gewandert zu sein. Achillessehne 
schlaff und überdehnt. Die Deformität ist nicht völlig kontrakt. Mit 
einiger Anstrengung lassen sich alle Gelenke bis zu einem gewissen 
Grade manuell redressieren. 

Der Gang ist unelastisch und erfolgt mit leicht gespreizten 
Beinen. 

Im Röntgenbild findet sich eine überraschende Verlagerung 
fast sämtlicher Fußwurzel- und Mittelfußknochen. In der Aufnahme 


Fig. KJ. 



Abdruck vor Behandlung. 


von der Seite ist der Talus steck plantarflektiert, der hintere Ge¬ 
lenkspalt zwischen Talus und Calcaneus klafft weit, so daß sich 
beide Knochen nur mehr vorn berühren. Die untere Begrenzungs¬ 
linie des Calcaneus verläuft fast parallel mit der Planta pedis, ein 
Zeichen der völligen Abflachung des Fußgewölbes. Sehr deutlich 
ist auch die Entfernung des Würfelbeins vom Fersenbein zu er¬ 
kennen. An der Aufnahme von oben sieht man ebenfalls die 
»Sperrung“ in diesem Gelenk. Das Naviculare liegt dagegen dem 
Taluskopf dicht an, der selbst medialwärts verlagert erscheint. 
Zwischen Naviculare und der Basis des Metatarsale I findet sich eine 
etwa daumenbreite Lücke, die durch seitliche Verschiebung der 


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480 


Duncker. 


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Keilbeine bedingt ist. Alle Metatarsalien sind mehr oder weniger 
luxiert. Das Metatarsale I ist abnorm stark; die übrigen dagegen 
sind weit schwächer, nach innen verkrümmt und so zusammen¬ 
geschoben, daß sie den Zusammenhang mit ihren Phalangen fast 
völlig verloren haben. 

Therapie: Da die Mutter ihre Zustimmung zu einer Operation 
(Redressement in Narkose) verweigert, erhält das Kind Einlagen in 
korrigierender Stellung. 

Behandlung noch nicht abgeschlossen. 

Es handelt sich somit um einen Fall von schwerster ange¬ 
borener Adduktionsdeformität des Fußes mit völliger Ab¬ 
flachung des Fußgewölbes. Die geringen rachitischen Symptome 
können allein sicherlich nicht die Schwere der Deformität erklären 
In Anbetracht der im Röntgenbilde nachweisbaren multiplen Knochen¬ 
verschiebungen und Subluxationen und der Andeutung von Kon¬ 
trakturen der einzelnen Gelenke fällt auch die atavistische Aetiologie 
fort. Die bestimmte Angabe der Mutter, die Verbildung der Füße 
einige Tage nach der Geburt bemerkt zu haben, ist nach Cramers 
Beobachtung durchaus glaubwürdig. Im Gegensatz zum Cramer- 
schen Falle ist hier neben der hochgradigen Einwärtsdrehung der 
Metatarsen auch eine deutliche Beeinflussung der Stellung des übrigen 
Fußes zu erkennen. Die Ferse steht in ausgesprochener Valgus- 
stellung, der innere Knöchel springt vor und der Fuß erscheint in 
toto im Talo-Tarsalgelenk lateralwärts verlagert. Auffallend ist der 
Kontrast zwischen der extremen Adduktion und der 
relativen Schwäche der Supinatoren. 

Aelinliche, wenn auch nicht so hochgradige Veränderungen, 
weist der zweite Fall auf. 

2. Josefa F., 2 1 /* Jahre. 

Anamnese: Vier Geschwister gesund, Geburt ohne Besonder¬ 
heiten. Kind wurde nicht gestillt, sondern mit Griesmus und Zucker¬ 
wasser ernährt. Mit 5 Wochen Keuchhusten. Als das Kind mit 
15 Monaten zu laufen anfing und die ersten Schuhe erhielt, fiel der 
Mutter auf, daß es die Füße beim Gehen immer einwärts aufstellte. 
Kind ermüdet leicht und fällt dann fortwährend hin. Mutter ist 
besorgt, daß die Einwärtsdrehung schlechter werden könnte und gibt 
es deshalb in orthopädische Behandlung. 

Status: Allgemeine Entwicklung dem Alter entsprechend. 


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Pes adductus. 


481 


Lungen und übrige Organe o. p. B. Alle Gelenke, auch die Fuß- 
.gelenke frei. Es besteht leichtes X-Bein, Knöchelabstand 3 cm. 
Beide Fersen stehen in deutlicher Valgusstellung. 

Fig. 17 a. 1 ig. 17 b. 



Die Füße sind in ihrem vorderen Teile stark adduziert, so 
daß der äußere Fußkontur einen Bogen bildet, dessen Scheitelpunkt 

Fig. 18 a. Fig. 18 b. 

ffl 

Pedes adducti congeniti. Nach der Behandlung. 

von der Tuberositas Metatarsi V eingenommen wird. Der innere 
Fußkontur ist nahezu winklig geknickt, mit dem Scheitel in der 
Gegend des Naviculare. 



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482 


Duncker. 


Beiderseits besteht Hohlfuß leichten Grades. 

Manuell läßt sich die Adduktion des Yorderfußes fast bis zur 
Mittelstellung korrigieren. 


Fig. 18 c. 


Therapie: Manuelles Redressement 
über den Keil. Es gelingt nach einiger 
Mühe, die Deformität so stark zu korri¬ 
gieren, daß der äußere Fußrand einen 
nach außen offenen stumpfen Winkel 
bildet. Gipsverband in starker Abduk¬ 
tionsstellung der Füße, der nach etwa 
3 Wochen entfernt wird. 

Nochmals 3 Wochen lang Gipsver- 
Pedes add. cong. Sohlenansicht, band, dann Nachtschienen und Einlagen. 

Nach weiteren 8 Tagen Kontrolle: 
Füße stehen gut, das Kind läuft aber noch sehr nach innen. 

Aktive und passive Auswärtsrotationsübungen. Nach weiteren 
3 Wochen als geheilt entlassen. 


u 


Sicherlich liegt auch in diesem Falle ein angeborenes Leiden 
vor, obwohl die Anamnese in diesem Punkte nicht völlig einwand¬ 
frei ist. Jedenfalls hat aber die Mutter bereits bei den ersten Geh¬ 
versuchen die Deformität bemerkt, und anderseits sind Symptome 
allgemeiner Rachitis in der Krankengeschichte nicht verzeichnet. 
Bemerkenswert an dem Falle ist die Andeutung von Hohlfuß, die 
für eine beginnende Naturheilung spricht, und ferner das Ergebnis 
der Behandlung, aus dem hervorgeht, daß bei geeigneten ortho¬ 
pädischen Maßnahmen die Therapie durchaus dankbar ist. 

Beim ersten Anblick unserer Pedes adducti könnte man glauben, 
schlecht redressierte Klumpfüße vor sich zu haben, die aus dem 
ersten Gipsverbande kommen. Aber schon die Ansicht von hinten, 
auf der eine mehr oder weniger ausgeprägte Valgusstellung der 
Ferse zu erkennen ist, belehrt, daß es sich nicht um Klumpfüße handeln 
kann. Denn bei einem schlecht redressierten Klumpfuß steht die 
Ferse meist in Varusstellung. Weit näher liegt der Gedanke, daß 
man es mit dem Versuche des Körpers zu tun habe, einen schweren 
Valgo-planus zu reparieren. Bei der prinzipiellen Bedeutung der 
Frage nach der Abhängigkeit der Ferse von der Stellung 
des Vorderfußes sei es gestattet, kurz darauf einzugehen. 

Die restlose Beantwortung dieser Frage ist aber meines Er- 



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Original fr am 

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Pee adductus. 


483 


achtens dadurch wesentlich erschwert, daß unsere Anschauungen 
über diesen Gegenstand völlig von den Vorstellungen über das Zu¬ 
standekommen des Plattfußes beherrscht werden. Stets wird man 
daher geneigt sein, die Valgität der Ferse als das Primäre, die Ad¬ 
duktion des Vorderfußes als das Sekundäre der Deformität anzu¬ 
sprechen. Ob mit Recht oder Unrecht zeigt folgende Ueberlegung. 

Der Calcaneus steht am normalen Fuß in Mittelstellung 
und bildet den hinteren Abschnitt des Fußgewölbes. Seine Längs¬ 
achse verläuft daher nach oben und vorn. Mit dem übrigen Fu߬ 
skelett relativ fest verbunden, wird er in dieser Stellung durch die 
sich unter dem Sustentaculum herumschlingende Sehne des Flexor 
hallucis, durch die Spannung der Bänder und den Tonus der kurzen 
Fußmuskulatur erhalten. Von den langen Fußmuskeln dient er nur 
dem Triceps surae als Ansatzpunkt. Seine aktive Beweglichkeit 
beschränkt sich daher auf Plantarflexion mit geringem supinatori- 
schen Einschlag, die jedoch bei dem geschlossenen Bau des Fu߬ 
gewölbes sogleich den übrigen Fußknochen mitgeteilt wird. Bei 
allen übrigen Bewegungen des Fußes, so z. B. auch der Adduktion, 
ist der Calcaneus, obwohl er beim Stehen und Gehen erheblich auf 
Druck beansprucht wird, zu einer passiven Rolle verurteilt. Er ist 
daher deformierenden Kräften, die ihn in schräger oder querer 
Richtung angreifen, weit mehr ausgesetzt, als der aktiv bewegliche 
Vorderfuß, dem seinerseits wiederum die Aufgabe zufällt, abnorme 
Stellungen des Calcaneus durch entsprechende Bewegungen zu 
korrigieren. 

Aus diesen Tatsachen erklärt sich ungezwungen, daß die 
Valgusstellung der Ferse neben der Adduktion des 
Vorderfußes das erste Zeichen des entstehenden und 
bei der Reparation eines der letzten Zeichen des ver¬ 
schwindenden Plattfußes ist. In diesen Fällen ist also die 
Valgität stets als das Primäre, die Adduktion als der sekundäre 
unvollkommene Versuch des Fußes aufzufassen, die Ferse in Varus- 
stellung zu bringen und das abgeflachte Fußgewölbe wiederherzu¬ 
stellen. 

Noch ungünstiger liegen die Verhältnisse für den Calcaneus 
bei einer primären Adduktionsdeformität. Wie wir in 
unseren theoretischen Erörterungen gezeigt haben, macht der Calca* 
neus bei willkürlicher Adduktion des Vorderfußes diese Bewegung 
bis zu einem gewissen Grade mit. Der Processus posterior wird also 


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484 


Duncker. 


auch bei primärer Adduktion schweren Grades nach außen gerichtet 
sein. Da aber dem Galcaneus so gut wie keine seitliche Eigen* 
bewegung zukommt, kann er selbst den Vorderfuß nicht willkürlich 
beeinflussen. Und anderseits kann der zur Adduktion verurteilte 
Vorderfuß, zumal wenn er mehr oder weniger sein aktives Be¬ 
wegungsvermögen eingebüßt hat, die Stellungsanomalie des Calcaneus 
nicht beheben. Die abduzierte Ferse ist somit der pronierenden 
Wirkung des Ganges preisgegeben und wird nach und nach eben¬ 
falls Valgusstellung annehmen. 

Beide Deformitäten können demnach in gewissen 
Stadien dieselben klinischen Bilder darbieten. Während 
aber der funktionelle Pes adductus infolge der Kräftigung seiner 
Fußmuskulatur eine gewisse aktive Beweglichkeit des Vorderfußes 
besitzt, zeigt der Fall 1, daß bei dem essentiellen Pes adductus be¬ 
sonders die Fähigkeit der Abduktion beschränkt ist. Der teilweise 
Verlust dieser Bewegung könnte also in zweifelhaften schweren 
Fällen darauf hinweisen, daß ein essentieller Pes adductus vorliegt, 
daß also die Adduktion das primäre, die Valgusstellung das sekundäre 
Moment der Deformität darstellt. In weniger schweren Fällen wird 
dieses differential diagnostische Merkmal zu wenig ausgesprochen sein. 
Auch sind Uebergänge zwischen dem funktionellen und essentiellen 
Pes adductus denkbar, so daß eine reinliche Scheidung zwischen 
beiden Formen, besonders wenn die Anamnese im Stiche läßt, nicht 
immer gelingen wird. 

Erschwert wird die Beurteilung dieser Verhältnisse weiterhin 
durch den Umstand, daß der Calcaneus doch nicht ganz tatenlos 
allen deformierenden Einflüssen gegenüberzustehen braucht. Denn 
einmal ist der Flexor hallucis, solange er noch nicht überdehnt und 
insuffizient geworden, imstande, den in pathologische Valgusstellung 
geratenen Calcaneus durch Zug am Sustentaculum wieder aufzu¬ 
richten. Er beseitigt demnach die pronatorische Komponente der 
Valgität. Zum andern entspringen aber, außer der Achillessehne, 
noch die kurzen Fußmuskeln von der medialen und unteren Seite 


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des Calcaneus, von denen besonders der Abductor hallucis für unsere 
Frage von Bedeutung ist. Bei fortschreitender Reparation des Valgo- 
planus und auch bei beginnender Naturheilung des essentiellen Pes 
adductus, wie sie in unserem Falle 2 durch den geringen Hohlfuß an* 


gedeutet ist, machen die erstarkten kurzen Fußmuskeln ihren Ein¬ 
fluß auf die Stellung der Ferse geltend. Die nach Ausschaltung 


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1 

UNfVERSITY OF CALIFORNlJ 



Pes adductus. 


485 


der Pronation theoretisch übrigbleibende Abduktion der Valgus- 
stellung wird dann allmählich durch den Zug des Abductor hallucis 
verringert und der Calcaneus wieder in Mittelstellung übergeführt. 
An Fig. 17, Ansicht von hinten, ist zu erkennen, daß dieser Fall 
am rechten Fuß nahezu eingetreten ist, während am linken die Ferse 
noch deutlich in Valgusstellung steht. Ist der Calcaneus einmal 
über die Mittelstellung hinausgebracht, so wirkt auf ihn jetzt auch 
die supinatorische Komponente der Achillessehne ein, so daß er 
schließlich trotz Adduktion des Vorderfußes nach innen rotiert und 
supiniert sein kann. 

Cramers Metatarsus adductus lehrt, daß die Ferse in weniger 
schweren Fällen vod angeborener Adduktionsdeformität in Mittel¬ 
stellung verharren kann, solange der Fuß noch nicht zum Gehen 
gebraucht wurde. Aus unserem Falle 2 geht hervor, daß die Mittel¬ 
stellung der Ferse auch späterhin wieder anzutreffen ist, und daß sie 
bei Gegenwart anderer Reparationserscheinungen (beginnender Hohl¬ 
fuß) als Zeichen der einsetzenden Selbstheilung aufgefaßt werden 
muß. Schließlich wird durch Cramers Beobachtung der wichtige 
Satz bewiesen, daß die Adduktion des vorderen Fußab¬ 
schnittes als angeborene Deformität vorkommt, eine 
Tatsache, die durch unsere beiden Fälle von essentiellem 
Pes adductus ihre Bestätigung findet. 

Zusammenfassung. 

1. Aus anatomischen und physiologischen Gründen 
ist die reine Adduktionsdeformität des Fußes selten. 

2. Bei vielen Fußdeformitäten ist die Adduktion als 
akzessorisches Symptom anzutreffen. Diese Fälle sind 
von unserer Bezeichnung auszuschließen. 

3. Die atavistische Aetiologie kann wohl für Haltungs¬ 
anomalien des Fußes in Betracht kommen, ist aber als 
direkte Ursache einer Adduktionsdeformität abzu¬ 
lehnen. 

4. Unter Pes adductus verstehen wir eine Fu߬ 
deformität, welche durch möglichst reine Adduktion im 
Chopartschen und unteren Sprunggelenk zustande ge¬ 
kommen ist. Die Adduktion muß das Hauptsymptom der 
Deformität bilden. 


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486 


Duncker. Pes adductus. 


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5. Der funktionelle Pes adductus ist als Reparations¬ 
erscheinung des kindlichen, rachitischen oder statischen 
Plattfußes anzusprechen. 

6. Der essentielle Pes adductus ist stets angeboren 
und — wenn Cramers Metatarsus adductus congenitus 
hinzugerechnet wird — in 3 Fällen doppelseitig beob¬ 
achtet worden. 

7. Uebergänge zwischen den einzelnen Formen sind 
denkbar. 

8. Die Valgusstellung der Ferse ist eine häufige Be¬ 
gleiterscheinung des Pes adductus. Hieraus Schlüsse auf 
die Entstehung der Deformität zu ziehen, ist nur unter 
Berücksichtigung der Anamnese und der übrigen klini¬ 
schen Symptome möglich. 

Herrn Professor Lange danke ich auch an dieser Stelle für 
die Ueberlassung des Materials, die gütige Anregung und die Durch¬ 
sicht dieser Arbeit. 


Literatur. 

1. Zitiert nach Fick, Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke 

Bd. 3, S. 619; cf. auch Bd. 1 und 2. 

2. Hasebroek, Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 26. 

3. Ders., Archiv f. klin. Med. Bd. 97. 

4. Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie der Wirbeltiere. 

5. Sokolowsky, Beobachtungen über die Psyche der Menschenaffen. 

6. Ranke, Der Mensch. 

7. Herz, Zeitschr. f. orthop. Chir. Bd. 11. 

8. Gümbel, Luxationen im Talo-navikulargelenk. Zeitschr. f. Chir. Bd. 112. 

Heft 1—3. 

9. Bardenheuer, Statischer Pes valgus und valgoplanus. Zeitschr. f. orthop. 

Chir. Bd. 26. 

10. Lange, Wullstein und Wilma Bd. II, 2. 

11. Cramer, Metatarsus adductus congenitus. Zentralbl. f. Orthop. 1909, 

S. 329. 


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XXVI. 


Ueber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. 
bei Coxitis tuberculosa. 

Von 

Dr. Carl Springer, 

Privatdozent für Chirurgie in Prag. 

Mit 3 Abbildungen. 

Das Eindringen des Schenkelkopfes durch die Pfanne hindurch 
in den Beckenraum, fälschlich aber kurz und handlich als zentrale 
Luxation bezeichnet, ist in zwei Formen bekannt, als traumatische 
Luxation nach Zertrümmerung der gesunden Pfanne meist durch 
Sturz auf die Beine, auf das Becken aus größerer Höhe oder seit¬ 
liche Kompression des Beckenringes bewirkt und als pathologische 
Verrenkung, wenn Entzündungen oder Neubildungen den Pfannen¬ 
boden zerstört und so dem Kopfe den Weg zentralwärts freige¬ 
macht haben. Daß höchstens in ganz bestimmten Fällen des letzteren 
Types mit einiger Berechtigung von einer Oberschenkelverrenkung 
gesprochen werden könnte, und daß es sich bei der ersten Art genau 
genommen um Beckenfrakturen mit Verschiebung der Bruchstücke 
und des statisch wie durch den Weichteilzusammenhang als ihr An¬ 
hang zu betrachtenden Oberschenkels handelt, sei ausdrücklich fest¬ 
gestellt. Die Bezeichnung zentrale Luxation ist aber so eingebürgert 
und für das eindrucksvolle Phänomen, das im Röntgenbilde an eine 
Selbstpfahlung gemahnt, so bezeichnend, daß ihre Weiterverwendung 
unumgänglich ist, um so mehr als kein nur halbwegs brauchbarer 
richtiger Name vorgeschlagen wurde oder zu bilden ist. 

Eine bisher nicht beschriebene Kombinationsform der 
beiden Typen liegt in einem im folgenden zu schildernden Falle 
vor, der über das kasuistische Interesse an der meines Wissens 


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488 


Springer. 


einzig dastehenden Beobachtung hinaus für die strittige Frage des 
Zusammenhanges zwischen Kopfverlagerung und Pfannenbruch be¬ 
achtenswert ist, da bei ihm Angriffspunkt und Richtung der ein¬ 
wirkenden Gewalt (durch Kurpfuscherhände) genau festzu¬ 
stellen ist. 

P. Friedrich. 7jähriger Knabe aus dem Böhmerwald, aufgenommen 
am 24. Juni 1911 in die chirurgische Abteilung des Kinderspitals. Vor einem 
Jahre traten Schmerzen in der linken Hüfte auf, der Knabe fing an zu hinken. 
Bald nach Beginn der Krankheit sei ein Kurpfuscher geholt worden; da die 
Sache danach aber nur schlimmer wurde, zog man — */ 4 Jahre später — 
einen Arzt — Dr. E. in Neuern — zu, der den Patienten dem Spitale 
zuwies. 

Die nach der Röntgenaufnahme durch Befragen des recht intelligenten 
Knabens und seines erwachsenen Bruders ergänzte Vorgeschichte besagt bezüg¬ 
lich der Behandlung durch den in seiner Gegend als Beineinrichter berühmten 
Kurpfuscher folgendes: Als durch einige Wochen Schmerzen in Hüfte und Knie, 
sowie das Hinken anhielten, beredeten befreundete Zimmermänner die Eltern, 
den Knochendoktor — gleichfalls Holzarbeiter von Beruf — kommen zu lassen. 
Dieser leitete die Behandlung damit ein, daß er die Hüfte eine Zeitlang mit 
kuhwarmem Kuhkote kataplasmierte. Damit nicht genug, er ließ dem die 
„Einrichtung“ der Hüfte folgen, nach den übereinstimmenden Schilderungen 
beider Brüder derart vorgenommen, daß er an dem zu Bett liegenden Knaben 
das Knie rechtwinklig beugte, mit dem Rücken gegen das Gesicht des Patienten 
stehend, mit beiden Händen den Unterschenkel knapp unter dem Knie umgriff 
und nun auf den in Abduktion und Flexion stehenden Oberschenkel mit voller 
Kraft ruckweise drückte. All dies erfolgte im Rausche — nicht etwa Aether- 
rausch des Kranken, sondern des Heilkünstlers, der sich ihn in ausgewachsenem 
Zustande mitgebracht hatte. Die Folgen waren auch danach, sie beweisen, 
daß an Energie nicht gespart worden war. Der vorher noch gehfähige Knabe, 
dem diese Prozedur große Schmerzen verursachte, wurde, da diese noch lange 
nach dem segensreichen Besuche des Heilkünstlers anhielten, absolut bettlägerig 
und blieb dies, mit Ausnahme kurzer vergeblicher Aufstehversuche, bis zum 
Spitaleintritt. 

Hier bot der entsprechend große, blasse, abgemagerte Patient 
der ersten Besichtigung zunächst das Bild des tuberkulösen Coxitikers. 
der herunigegangen ist (siehe Fig. 1). Der linke Oberschenkel stand 
in etwa 45 0 Abduktion, 70° Flexion fest und zwar auffallend starr. 
Durch Beckenneigung und -Senkung wurde das Auftreten mit der 
Spitze des Fußes ermöglicht. Die Gegend des linken Hüftgelenks war 
weder geschwollen noch druckempfindlich, stärkeres Beklopfen des 
Trochanters löste Unbehagen aus. Bewegungsversuche im Hüft¬ 
gelenke, deren völlig negativer Ausfall auf knöcherne Ankylose hiu- 


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lieber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxiti9 tuberculosa. 489 

zudeuten schien, nicht wesentlich schmerzhaft. Der linke Ober¬ 
schenkel war 3 cm kürzer als der gesunde, die Trochanterspitze 
überschritt dabei kaum die Roser-N e lato n-Linie und war abnorm 
tief in den Weichteilen, der Pfanne stark genähert zu tasten. Diese 
von dem gewöhnlichen Bilde der Coxitis etwas abweichenden \er- 
hältnisse klärte erst das Röntgen¬ 
bild auf, nach dessen Besichti¬ 
gung eine Palpation der Becken¬ 
gegend vom Mastdarm her dort 
einen ziemlich rundlichen harten 
Vorsprung erwies. Auch w r enn 
man über dem queren Scham¬ 
beinaste bei dem mageren Kran¬ 
ken tief gegen die Pfannen¬ 
gegend den Finger eindrückt, 
glaubt man von diesem Vor¬ 
sprunge den Rand zu tasten. 

Die Röntgenaufnahme in 
Rückenlage (siehe Fig. 2) zeigt 
an der rechten Beckenhälfte ein 
normales Bild, an der linken 
Hälfte ist außer der starken Ab¬ 
duktion des Oberschenkels am 
auffallendsten, daß die Linie des 
Beckeneingangs durch einen 
scharf in das Lumen einragen¬ 
den Knochenvorsprung unter¬ 
brochen wird. Derselbe ent¬ 
spricht der Stelle, wo normal 
die Spina post. inf. einen Zacken 
einschiebt; hier ist derselbe aber 
unschwer als das in toto in das 
Becken verlagerte Sitzbein zu 
erkennen. Die glatte obere Begrenzungslinie zeigt, daß es aus seiner 
Fugenverbindung mit dem Darmbein gelöst und disloziert ist, dem¬ 
entsprechend ist es außer Kontakt mit letzterem. Der Innenrand des 
Sitzbeines wird von einem kreissegmentförmigen Schatten überragt, der 
entweder ein vorgebuchteter Anteil des Pfannenbodens oder die Kopf¬ 
epiphyse sein kann; vermutlich ist es letztere, da die Umgrenzung durch 


Fig. 1. 



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490 


Springer. 


eine reine kreisförmige Linie gebildet wird. Das Schambein ist unver¬ 
letzt, wenigstens ist es nirgends von einer Frakturlinie unterbrochen: 
versteckt könnte eine solche höchstens an der vom Sitzbein be¬ 
schatteten Stelle liegen — unwahrscheinlich darum, weil vor und 
hinter diesem Punkt keine Abweichung in seiner Verlaufsrichtung 
zu sehen. Die Symphvsis ossium pubis ist dem Alter entsprechend 
auf 5 mm knochenfrei. Das Bild des Oberschenkels zeigt sich in 


Fig. 2. 



Abduktion und Außenrotation projiziert, der kleine Trochanter ganz, 
der kleine nur flach sichtbar, sein Gelenkkörper steht abnorm tiei 
in die Pfanne hinein, das zeigt schon der Umstand, daß der Tro¬ 
chanter major am Pfannenrande anstößt. Der Schatten des Halses 
ist verschmälert konisch zulaufend, seine obere Kante unregelmäßig 
grob gezackt, man sieht ohne weiteres, daß bereits seine Spitze die 
Linea innominata überschreitet, also in den Beckenraum einragt. 
Der Schenkelkopf ist nicht direkt in Gänze zu übersehen, man sieht 


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lieber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxitis tuberculosa. 491 


seinen peripheren Teil das Sitzbein überragen, der übrige ist von 
letzterem gedeckt. Der Rand des Darmbeines, der außer Kontakt 
mit dem Sitzbeine nur am Rande des Spaltes ihm nahetritt, ist 
höckerig. Im übrigen ist das Strukturbild der Knochen undeutlich, 
der Schatten verwaschen. Dieser durch die chronische Entzündung 
des Gelenkes erklärte Befund wird kompliziert dadurch, daß augen¬ 
scheinlich freie ausgebrochene Knochenstücke in der Pfanne liegen, 
deren Schatten sich ziemlich groß unregelmäßig rundlich zwischen 
Hals und Darmbein zeigen. 

Es ist schwer, bestimmt zu sagen, wo diese Knochenstücke aus¬ 
gebrochen sind. Sie könnten am ehesten aus dem Schenkelhälse 
stammen, da dieser stark verschmälert und oberflächlich grobhöckerig 
ist. Das gleiche trifft auch von dem Kontur des Darmbeines zu. Eben¬ 
sogut können sie freilich aus dem eigentlichen Pfannengrunde von 
dessen Schaltknochen stammen. Freilich wäre dann schwer zu ver¬ 
stehen, wieso sie entgegen der Richtung der einwirkenden Gewalt 
gewandert sind. Am ehesten möchte ich die Annahme für wahr¬ 
scheinlich halten, daß die Stücke vom Schenkelhälse stammen. Um 
durch Nekrose und demarkierende Entzündung freigewordene 
Sequester handelte es sich sicher nicht, da keinerlei Spur von Eite¬ 
rung im Grelenke vorhanden ist. Ebensowenig können diese Stücke 
Reste des Kopfes vorstellen; sie sind zu unregelmäßig geformt, 
vor allen Dingen ist aber der Kopfkontur das Sitzbein überragend, 
wenn auch nicht mit handgreiflicher Deutlichkeit zu sehen. An 
den übrigen Beckenknochen ist keinerlei Verletzung oder Verände¬ 
rung überhaupt zu sehen. 

Uebersetzen wir den Projektionsbefund der Platte zusammen¬ 
gehalten mit dem klinischen in das Räumliche, so ist zu sagen, 
daß wir neben den Erscheinungen der chronischen Gelenkstuber¬ 
kulose eine Lösung der Y-Fuge vor uns haben, in der sich das 
Sitzbein vom Darmbeine trennte; verknüpft mit dem Abbrechen 
einiger Knochenstücke vermutlich vom Schenkelhälse — eventuell 
auch vom Darmbeine. Jedenfalls ist das Gefüge der Pfanne als 
Scheidewand vor dem Becken durchbrochen, sonst wäre der Durch¬ 
tritt des Kopfes, auch wenn man eine Verschmälerung und Zu¬ 
spitzung in Betracht zieht, nicht denkbar. Es muß eine Lücke der 
Pfanne vorhanden sein, durch die der Kopf treten konnte. Diese 
wird teils durch Einbruch des vielleicht schon kariösen Bodens, 
größtenteils aber durch Aufklafien der gelösten Epiphysenfuge ge- 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd, 82 


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Go^ 'gle 


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492 


Springer. 


schaffen worden sein. Das an seiner lateralen Hauptverbindungs- 
stelle vom Darmbeine freigewordene Sitzbein hat sich wie ein 
Türflügel beckenwärts gedreht und so einen Spalt eröffnet, durch 
den der Kopf den Weg einwärts frei fand. 

Es ist zunächst auffallend, daß dabei nicht auch die Knochen¬ 
spange brach, die aus aufsteigendem Sitzbein- und absteigendem 
Schambeinaste bestehend eine Pfeilerverbindung des Sitzbeines mit 
dem Becken an der Symphyse darstellt. Für die traumatische 
zentrale Luxation ist das Ausbrechen des Sitzbeines mit zentraler 
Verlagerung (exzentrischer Pfannenbruch mit unterem Dreieckfrag- 
ment Henschen), ein Typus, der öfter beschrieben wurde und 
zweifelsohne die günstigsten Bedingungen für ein Hochrücken des 
Kopfes bietet. Daß es im vorliegenden Falle nicht zum allseitigen 
Ausbruche des Sitzbeines kam, dürfte zwei Gründe haben: Das ver¬ 
schmälerte Femurende brauchte keinen breiten Raum, um vorwärts 
zu können, es ist überdies nur mit einem kleinen Teile seiner Länge 
in das Becken eingetreten und dabei vermutlich durch Reste des 
Gelenkknorpels behindert worden, Limbus cartilagineus und eigene 
Knorpelkappe, die die Gewalt der Eintreibung etwa wie ein Filz¬ 
pfropfen dämpfte. 

Vielleicht hat auch der Ruck, den die Hand des Kurpfuschers beim Ab¬ 
sprengen des Sitzbeines verspürt haben muß, ihn vor der Ueberschreitung der 
Elastizitätsgrenze gerade noch einhalten lassen, so daß der Kopf nicht weiter 
beckenwärts drang. Dadurch ist zwar mit absoluter Deutlichkeit glücklicher* 
weise auch eine noch schwerere Schädigung des Patienten verhindert worden. 

Außerdem aber handelt es sich um ein jugendliches Individuum, 
dessen elastischer Knochen bis zu einem gewissen Grade ein Federn 
der Spange Kam. ascend.-ischii -j-Rara. desc. oss. pub. gestattet haben 
kann. So konnte das Sitzbein etwas nach innen klappen und dem 
Kopfe einen Spalt freimachen, in den er sich einkeilte. 

Aus dieser Einkeilung des zentral aufgerückten Endes des 
Femur bei Abduktion des letzteren erklärt sich die auffallende Starre 
der Abduktionsstellung, die einer Ankylose glich, jedenfalls nicht 
so aussah wie eine Kontraktur, die der Zeitdauer der Coxitis ent¬ 
sprochen hätte, sowie der abnorme Tastbefund, daß der Trochanter 
major tief in den Weichteilen dem Becken nahegerückt war, dabei 
die Roser-Nelaton-Linie kaum überschritt, während die Verkürzung 
des Oberschenkels (bei gleicher Stellung Spina—Knie gemessen) 3 cm 


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Ueber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxitis tuberculosa. 493 

betrug. Die Distanz Spina—Knie ist eben nicht wie gewöhnlich bei 
Coxitis durch Höherrtlcken des kariösen, zusammengebrochenen 
Halsrudimentes am Becken aufwärts verkürzt, die sog. Pfannen¬ 
wanderung, sondern durch das Eintreiben des Kopfes in das Becken. 
Entsprechend dem Zusammenwirken von entzündlicher und trauma¬ 
tischer Zerstörung bietet der Befund am Hüftgelenke im vor* 
liegenden Falle ein Mittelding zwischen pathologischer und trauma¬ 
tischer Luxation. 

Erstere Gruppe wird repräsentiert durch eine kleine Anzahl 
von Beobachtungen, die zum großen Teile als Sektionsergebnisse 
erhoben wurden. Ausnahmslos ist dies dort der Fall, wo Neubil¬ 
dungen und Echinococcus die Pfanne durchsetzten; in der ein¬ 
schlägigen Darstellung Henschens 1 ), auf die noch mehrfach zurück¬ 
zukommen sein wird, sind solche aus der Literatur gesammelt. 
Gegenüber der deletären Bedeutung der Grundkrankheit tritt das 
Moment der Luxation noch weiter zurück als bei den ausgedehnten 
Beckenbrüchen an Fällen traumatischer Verrenkung. 

Die übrigen Befunde zeigen zwei Typen der Pfannenzerstörung: 
Einmal die epiphyseolytische, bei der die Y-Fuge aufgelöst und 
der Kopf durch Muskelzug, gelegentliche Verlegung beim Umheben 
der Kranken oder die Belastung durch das Rumpfgewicht zwischen die 
auseinanderklaffenden Pfannenkonstituenten eingetrieben wird. Er¬ 
leichtert wird dies jedenfalls durch die begleitende Sequestrierung 
der knorpeligen Anteile von Kopf und Pfanne. Diese Form ist 
typisch für die Osteomyelitis der Pfanne, charakteristisch sind die 
Fälle von Esau 2 ) (Payer) und Lexer (bei Frangenheim) 3 ). 
Im ersteren war das Sitzbein, im letzteren das Darmbein völlig 
sequestriert und aus der Pfannenverbindung gelöst, in die durch die 
Verschiebung entstandenen Breschen traten die eiterumspülten Köpfe 
beckenwärts. 

Die zweite Form basiert auf ein Karies der Knochen im Ver¬ 
laufe der Coxitis tuberculosa. Bei Primärerkrankung der Pfanne 
kann es besonders bei gut erhaltenem Kopfe, der lange genug 
zentriert stehen bleibt, zur Sequestration des Schaltknochens, zur 

') Henschen, „Die pathologische (spontane) Luxatio fern, centralis.“ 
Bruns Beitr. 1909. „Die traumatische Luxatio fern, centralis.“ Ibidem Bd. 62. 

*) Esau, Deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. 71. 

*) Frangenheim, „Die Spontanlösung der V-förmigen Knorpelfuge.“ 
Arch. f. klin. Chir. Bd. 83. 


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Decubitalusur des Pfannengrundes kommen, der schließlich zur Per¬ 
foration führt (Henschen). Auf diese Weise können kreisrunde 
Löcher entstehen, die übrigens schon Hyrtl beschreibt. Freilich 
ist ihr Vorhandensein am mazerierten Knochen noch kein Beweis, 
daß der Kopf den ihm geöffneten Weg auch wirklich angenommen 
hat. Vorbedingung dafür ist gewiß auch ein weitgehender Zerfall der 
Knorpelteile des Qelenkes, die andernfalls dessen Zusammenhang 
lange aufrecht erhalten. Am Lebenden ist eine zentrale Luxation 
auf solcher Grundlage in vereinzelten Fällen festgestellt worden, 
stets mit schwerer Eiterung und Sequestration verbunden. 

Die Epiphyseolyse bei Coxitis tuberculosa hat nur Frangen¬ 
heim beschrieben, sein Röntgenbefund hat eine überraschende 
Aehnlichkeit mit unserem Falle. 

Frangenheim, 1. c. 7jähriger Knabe, der ein Jahr lang an eiternder 
tuberkulöser Coxitis litt, lag anfangs zu Bett, ging später mit mangelhaftem 
Kontutivverband umher. Flexionskontraktur in geringgradiger Adduktion. 
Sitzbein vom Darmbein in der Fuge gelöst, beckenwärts verschoben, Ver¬ 
bindung mit dem Schambein intakt. Kopf steht tief in die erweiterte arrodierte 
Pfanne, auf das Darmbein gestellt, tangiert die Linea innominata, in das 
Beckencavum ist er nicht eingedrungen, darum bezeichnet ihn Frangen¬ 
heim als Luxation des Sitzbeines zufolge Epiphysenlösung. 

Die Aehnlichkeit ist wie gesagt auffallend. Hier wie dort 
das Aufklappen des vom Darmbein in der Fuge losgelösten Sitz¬ 
beines und das Aufrücken des Kopfes, die Unterschiede in seinem 
Aufwärtstreten sind lediglich graduell. Allerdings fehlt bei Frangen¬ 
heims Fall die Verschmälerung des Halses und Kopfes, der ledig¬ 
lich oberflächlich arrodiert war und jedenfalls in dem klaffenden 
Spalte nicht Raum genug zum Durchtritte fand. Eine Epiphyseolyse 
liegt auch im eingangs geschilderten Fall vor, der sich darin eng 
dem F ran ge nh e im sehen als der zweite überhaupt bei Tuberkulose 
gesehene anschließt. Mit der Gruppe der pathologischen Luxationen 
hat er gemeinsam, daß eine klinisch wie radiologisch festgestellte 
Coxitis tuberculosa vorlag, die die Vorbedingung für das Eintreten 
einer zentralen Luxation schuf. Eine durch sie in ihrer Festigkeit 
herabgesetzte Pfanne brach unter der Einwirkung von Gewalten zu¬ 
sammen, die dies bei normalen Gewebsverhältnissen sicher nicht 
hätte bewirken können. 

Die Pfanne im ersten Lebensjahrzehnt ist sogar außerordent¬ 
lich widerstandsfähig gegenüber Traumen. Ich habe Leichenver- 


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Ueber traumatische Luxatio femoris centralis a. d. bei Coxitis tuberculosa. 495 

suche an solchen angestellt, eine zentrale Luxation zu erzeugen, mit 
absolut negativem Erfolge. Leitend war dabei der Gedanke, daß 
vielleicht in der Y-Fuge, solange sie knorpelig ist, ein Locus minoris 
restitutione bestehe, und ich ließ daher die Gewalt bei möglichst 
zentriertem Kopfe auf den Pfannenanteil des Sitzbeins wirken. Bei 
30 0 Flexion, Abduktion und Innenrotation des Oberschenkels führte 
ich auf Knie und Trochanter major bei guter Beckenfixation Schläge 
mit einem schweren Hammer. Der einzige Effekt war, daß die An¬ 
griffsstellen eingedellt wurden, das Becken blieb völlig intakt, trotz 
der Anwendung großer Kraft. Die durch die aufzuwendende rohe 
Gewalt recht unsympathischen Versuche habe ich nicht so weit fort¬ 
gesetzt, durch Fallenlassen großer Lasten die anscheinend nötigen 
übergroßen Traumen nachzuahmen. Ich glaube, daß bei solchen an 
den Dampfhammer gemahnenden Versuchsanordnungen eine exakte 
Lokalisierung der Angriffsstelle unmöglich und darum ihre Beweis¬ 
kraft gering ist. Ebenso negativ waren die Versuche Vireveaux’, 
Areilzas, so daß Henschen von einer direkten Immunität des 
kindlichen Beckens gegen Pfannenbruch spricht. 

Nicht im Einklänge mit dem Bilde der pathologischen Luxation 
stehen bei meinem Falle die sichtbaren Zeichen der Frakturierung, 
die freien Knochenstücke, vor allen Dingen aber die Tatsache, daß 
ein nachgewiesenes Trauma schuld an der definitiven Pfannenzer¬ 
störung ist. 

Als etwas anderes als ausgebrocbene Stücke glaube ich die in der Be¬ 
schreibung geschilderten Knochenschatten in der Pfanne nicht deuten zu können, 
Sequester können es nicht sein, sonst müßte Eiterung vorhanden sein. Außer¬ 
dem ist der Kontur sowohl des Schenkelhalses wie des Pfannenanteiles des Darm¬ 
beines so grob gezackt, daß in einem von ihnen, vermutlich im ersteren, ihre 
Abbrucbstelle anzunehmen ist. 

Daß die frakturierende Gewalt durch die „Einrichtung“ 
des Kurpfuschers geliefert wurde, dafür ist, da wir keine Röntgen¬ 
bilder kurz vor und gleich nach der Mißhandlung haben, ein In¬ 
dizienbeweis zu führen, der freilich ziemlich zwingend ist. Der 
Knabe war vor der Einrichtung gehfähig, die Coxitis dauerte erst 
einige Wochen, so daß eine Zerstörung durch die Tuberkulose 
keinesfalls hohe Grade angenommen haben konnte. Nach dem Ein¬ 
griffe, der selbst sehr schmerzhaft war, blieben wochenlang starke 
Schmerzen bestehen, der Knabe wurde absolut bettlägerig und blieb 
es bis zum Spitaleintritte. Während dieser Zeit war jede gröbere 


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Gewaltwirkung ausgeschlossen, vor allen Dingen fehlte auch die Be¬ 
lastung durch das Körpergewicht, der man noch am ehesten eine 
solche Schädigung zuschieben könnte (siehe Frangen heims Patient, 
bei dem erst nach 13 Monaten Krankheitsdauer auf diese Weise die 
Epiphysenlösung ohne Frakturzeichen zustande kam). Sehr wichtig 
ist auch, daß der Knabe selbst merkte und es uns angab, daß das 
eingerichtete Bein ganz starr war, während er es früher beweglich 
fühlte. „Es war hereingedruckt,“ sagte er. 

Die Stellung des Oberschenkels, der entsprechend dem ambu¬ 
lanten Coxitisstadium wie erwähnt in Flexion-Abduktionskontraktur 
gehalten wurde, konnte sich der Kurpfuscher nicht besser aussuchen. 
um direkt auf die Pfanne zu wirken. Nur in dieser Stellung 
konnte der Oberschenkel als Keil wirken, ohne selbst im Halse ab¬ 
zubrechen. 

So bedauerlich es ist, daß auf unseren Patienten ein hadernder 
Holzarbeiter losgelassen wurde, dessen, wir müssen wohl sagen 
lebensgefährliches Handeln zu schwerer Schädigung führte, so leicht¬ 
fertig sein Vorgehen w r ar, das der ärztlichen besseren Einsicht 
widerspricht, würden wir, wie ich glaube, ein oberflächliches Urteil 
fällen, wenn wir in dem vorgenommenen Manöver der Einrichtung 
einfach eine grobe ut aliquid fieri videatur-Manipulation sehen 
wollten. Irgend etwas muß sich der Mann dabei gedacht, irgend¬ 
einen Zweck damit im Auge gehabt haben. Und wenn vielleicht 
auch er selbst nicht diese Encheirese erfunden hat, so muß er sie von 
anderen gesehen, gelernt und als Tradition übernommen haben. Aber 
bestimmt muß irgendein menschliches Gehirn bei diesem Vorgänge 
eine heilende Absicht haben zum Ausdruck bringen wollen. Schlie߬ 
lich muß auch er oder seine Vorgänger auf diesem Gebiete Erfolge, 
zum mindesten augenblickliche, damit gehabt haben, denn sonst 
hätte sich dieser Eingriff bei ihnen oder dem Publikum im Laufe 
der Zeit von selbst diskreditiert und wäre verlassen oder nicht mehr 
zugegeben worden. Der im strengsten Sinne des Wortes „ban“- 
brechende Kurpfuscher soll aber großen Zulauf in seiner Gegend 
haben. 

Ich glaube die Absicht und gelegentliche Erfolge des Ein¬ 
richtens bei Coxitis etwa in folgender Weise deuten zu können. 
Aus der Beobachtung der Pfannenwanderung heraus, die jedenfalls 
auch dem Laienempiriker nicht entgeht, und ihm die Vorstellung 
erwecken muß, daß das Hüftgelenk durch die Entzündung schon 


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Ueber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxitis tuberculosa. 497 

im Kontrakturstadium verrenkt wird, leitet sich die Tendenz ab, 
diese Verrenkung dadurch zu verhüten, daß er recht bald, sowie 
eine vorhandene Kontraktur ihm den Beginn der Verrenkung an¬ 
zudeuten scheint, die „ Einrichtung* vornimmt, und — da ja 
keine Dislokation vorliegt — Kopf und Pfanne durch die geschil¬ 
derten Manöver eng aneinanderzupressen sucht. 

Sind kariöse Herde in Kopf und Hals, so werden letztere zu¬ 
sammenbrechen und der Stumpf durch die zentralw'ärts gerichtete 
Kraft tiefer in die Pfanne getrieben werden. Wenn nicht gerade 
eine Tuberkulose des Beckens selbst vorliegt, dürfte die Pfanne 
diese Stöße meist ohne weiteres aushalten. Der Oberschenkel ist dann 
fest in die Höhlung eingestellt, die Abduktionsstellung fixiert, und 
in manchen Fällen dürf te die Pfannen Wanderung dadurch verhindert 
worden sein. Denn der von Nekroseherden durchsetzte Hals würde 
unter der Körperlast mit der Zeit zusammenbrechen und die Folge 
dann als Teilerscheinung der Pfannenwanderung — abgesehen von 
der tuberkulösen Zerstörung der Pfanne — der Austritt des Hals¬ 
stumpfes aus dem Gelenke sein, eben die erst jetzt wirklich er¬ 
folgende pathologische Luxation, die der Kurpfuscher schon früher 
annahm und zu verhüten trachtete. Sein Vorgehen ist daher nicht 
ganz sinnlos: Er sucht den Oberschenkel in der möglichst 
guten Stellung der Abduktion zu erhalten, und frak- 
turiert unbewußt präventiv einen kariösen Knochen, 
dessen spontanes Zusammenbrechen die Verrenkung 
und große Verkürzung mit sich bringt. Der Eingriff 
stellt sozusagen eine unblutige Resektion des 
Kopfes dar. 

Wie gefährlich und zweckwidrig der Coxitis als Entzündungs¬ 
vorgang gegenüber dieses Verfahren ist, brauche ich wohl nicht aus¬ 
einanderzusetzen, ebensowenig, daß ich weder eine Rechtfertigung 
noch eine Entschuldigung dieser Methode mit diesen Ausführungen 
bezwecke; ich glaube aber, daß wir uns auf diese Weise eher ein 
Bild davon machen können, warum der Mann so vorging, und 
warum das Publikum, abgesehen von dem latenten Hange zum 
zaubernden Out-sider, ihn gewähren ließ. Es wird den Beinein¬ 
richtern wahrscheinlich öfter nach solchen Prozeduren die Hüfte 
ohne Pfannenwanderung ausgeheilt sein, daher die Methode ihren 
Anwert erhalten haben. Mit Verschlimmerungen der Entzündung 
und Sequestrationen, zu der die Knochensplitterung in der Regel 


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führen muß, durften sie sich leicht abfinden, sehen sie doch Eiter¬ 
senkungen und Ausstoßung von Knochenteilen auch ohne ihren Ein¬ 
griff, so daß sie gewiß nicht auf den Gedanken kommen werden, 
sie hätten dies hervorgerufen oder verschlimmert. Miliartuberkulose, 
die wohl die ernsteste Gefahr bei solcher Brüskierung eines Tuber¬ 
kuloseherdes darstellt, dürfte dem Kurpfuscher bei gelegentlichem 
Vorgehen schon gar nicht als Folgeerscheinung imponieren, da sie 
sich nicht innerhalb von Stunden nach dem Eingriffe zur Höbe des 
Krankheitsbildes entwickelt, und wenn sie diese erreicht hat, eher 
als ein »Kopftyphus* oder das »Nervenfieber“ angesprochen wird, 
das sich »dazugeschlagen“ hat. Wie oft sich im Laufe der Zeit 
zu dem Gebaren der Einrichtung der Tod dazugeschlagen hat, ent¬ 
zieht sich jeder Beurteilung. 

Für die verschiedenen Fragen der Lehre von der traumatischen 
zentralen Luxation ist die vorliegende Beobachtung nur dadurch 
beachtenswert, daß Art und Angriffspunkt der zerstörenden und dis¬ 
lozierenden Gewalt genau bekannt sind. Es war zwar eine patho¬ 
logisch veränderte Pfanne, die dabei zusammenbrach, ihre Aus- 
einandertreibung wurde aber in einer charakteristischen Weise dadurch 
bewirkt, daß der Oberschenkel wie ein Keil vom Knie her einge¬ 
trieben wurde, genau so, wie man sich den Mechanismus der Ver¬ 
letzung erklären würde, wenn man zum ersten Male das Röntgen¬ 
bild eines in das Becken verlagerten Oberschenkels bei Pfannen¬ 
bruch sieht. 

In der Vorröntgenzeit war diese Auffassung für die Erklärung 
des Pfannenbruches bei der zentralen Luxation die herrschende, 
führte aber dazu, die Verletzung als isolierten Pfannenbruch darzu¬ 
stellen und zu übersehen, daß meist ausgedehntere Beckenver¬ 
letzungen vorliegen. Demgegenüber trat Simon 1 ) 1905 mit einer 
eingehenden kritischen Studie auf. Durch Sichtung der bis dahin 
veröffentlichten Beobachtungen der seltenen Verletzung führte er den 
Nachweis, daß der Bruch der Pfanne bei der zentralen Luxation 
kein isolierter, meist sogar mit Bruchlinien an entfernten Stellen 
des Beckens vergesellschaftet, demnach nicht als spezifische Ver¬ 
letzung zu bezeichnen ist. Er schloß weiter, daß das Durchtreten 
des Kopfes durch die Lücke in der Pfanne eine sekundäre Kom¬ 
plikation sei, für die eine zweite, von der frakturierenden ver- 

‘) Simon, lieber die Luxatio femoris centralis. Bruns Beitr. zur klin. 
Chir. lkl. 45. 


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Heber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxitis tuberculosa. 499 

schiedene Gewalt die Ursache abgebe. Daß tatsächlich der de¬ 
finitive Eintritt des Kopfes in das Becken zeitlich weit getrennt 
sein kann von der Fraktur, dafür führt Simon einen Fall von 
Gama an, dem ich zwei weitere Fälle hinzufügen kann: 

Gama 1 ): 30jähriger Geisteskranker stürzt aus 18 m Höhe ab. Nach 
der Uebcrführung in das Spital wird eine starke Kontusion der rechten 
Trochantergegend festgestellt, keine abnorme Stellung des Beines, Bewegungs¬ 
versuche jedoch äußerst schmerzhaft. Tags darauf sind die Klagen geringer, 
der Mann nimmt die Krücken eines Nachbars, steigt die Treppe herab und 
ergeht sich im Garten. Nach drei Tagen Schmerzen in der Oberbauchgegend, 
schneller Verfall, lebhafte Schmerzen in der Hüfte, Haut gangränös verfärbt, 
zunehmende Schwellung des Beines; am zehnten Tage nach dem Unfälle Tod. 
Bei der Sektion findet sich eine Phlegmone des rechten Beines und der Hüft- 
muskulatur. Das Peritoneum des Beckens und der vorderen Bauchwand tief 
dunkel ekcbymosiert, der rechte Muse, psoas von Blutungen und Eiter völlig 
zerstört. Inmitten von Knochenfragmenten findet man den in die Beckenhöhle 
eingedrungenen Femurkopf in Eiter schwimmend. Die Pfanne war ungefähr 
ihrer fötalen Zusammensetzung entsprechend gebrochen; im wesentlichen setzte 
sich die rechte Beckenhälfte aus drei Bruchstücken zusammen; das kleinste, 
in der Mitte, den Pfannenboden etwas hebend, war noch durch das Ligamentum 
teres mit dem Femur verbunden. Das zweite, vordere, umfaßte die Eminentia 
ileopectinea und den horizontalen Schambeinast, der absteigende war dicht 
unter der Symphyse gebrochen. Das dritte Bruchstück wurde vom Os ischii 
gebildet, das vom Os ilei getrennt war durch eine Bruchlinie, die von dem 
vorderen oberen Teile des Foramen ischiadicum bis zur Mitte der Pfanne ging. 
Ein viertes Bruchstück wurde von der Rinne gebildet, die den Vasa und Nerv, 
obturat. den Durchtritt gestattet. Eine Verletzung der Nerven und Gefäße 
war nicht sicher festzustellen. 

Schloffer 2 ): 63jähriger Knecht wurde am 9. Oktober 1906, in einer 
Holzriese aufrecht stehend, von einem Baumstamm in die rechte Hüftgegend 
getroffen, etwa um und hinter dem Trochanter, und stürzte zu Boden. 10 Tage 
später in die Klinik aufgenommen. Das rechte Bein lag mäßig außenrotiert, 
die rechte Hüfte und das Genitale mächtig angeschwollen. Eine Verkürzung 
bestand nicht, ebensowenig war die Stellung des Trochanter verändert. Von 
außen wie auch rektal waren sichere Anzeichen einer Beckenfraktur nicht nach¬ 
zuweisen. Das Röntgenbild zeigte in der Nähe des Tuber ischii eine Kontinui¬ 
tätstrennung des Knochens ohne nennenswerte Dislokation. Eine leichte Ein¬ 
kerbung findet sich auch am Schambein an der oberen Umrandung des For. 
obtur. etwas oberhalb der Vereinigungsstelle von Sitz- und Schambein. 

Der Kranke lag etwa vier Wochen zu Bett mit einem leichten Beingips¬ 
verband, der wegen Zerreißung der medialen Kniebänder angelegt worden war. 

*) Gama, Gazette medicale de Paris 1837, zit. nach Simon, 1. c. 

2 ) Schloffer, Verh. der deutschen Ges. f. Chir. 1907. Allmähliches Ent¬ 
stehen einer Luxatio femoris centralis. 


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In der sechsten Woche nach der Verletzung erschien der Trochanter 
ein wenig eingesunken, die Extremität war jetzt um 3 cm verkürzt. Das 
Röntgenbild zeigte jetzt, daß der Schenkelkopf beträchtlich über die Linea 
innominata gegen das Beckeninnere vorsprang. Die auf Grund des früheren 
Bildes am Tuber ischii vermutete Fraktur saß am aufsteigenden Sitzbeinast 
von der Grenze zum Schambein. Außer der Fraktur an der Grenzlinie zwischen 
absteigendem Sitzbein und aufsteigendem Schambeinast war noch ein Pfannen¬ 
bruch erfolgt. Das vordere Ende dieses Pfannenbruches lag oberhalb der Ver¬ 
einigung von Sitz- und Schambein, und der Bruch verlief offenbar parallel der 
Linea innominata knapp unter dieser, so daß ein bewegliches Bruchstück ent¬ 
stand, welches das ganze Sitzbein sowie kleinere Anteile des Scham- und 
Darmbeines aus dem Pfannenbruche enthielt. Dieses Fragment war nach innen 
verschoben, und zwar mehr sein oberer, zur Pfanne gehöriger Anteil, weniger 
der Tubenanteil des Sitzbeines. Er war außerdem so gedreht, daß er mit 
seinem hinteren Anteile der Medianebene nähergerückt war. Der Fall heilte 
mit starker Einschränkung der Hüftbeweglichkeit aus. 

Einen analogen Befund veröffentlichte 1909 Henschen 1. c. 
In den vorstehenden Fällen ist es durch die klinische Beobachtung 
außer Zweifel gestellt, daß der durch die Beckenfraktur dem Ober¬ 
schenkel eröffnete Weg von ihm erst geraume Zeit nach dem 
Trauma betreten wurde. Als die verlagernden Kräfte kommen wie 
bei der pathologischen Luxation der Muskelzug und die Belastung 
durch das Körpergewicht in Frage. Das Zusammenwirken beider 
ist in Gamas Fall sicher vorliegend, da der Patient umhergegangen 
war, im Schlofferschen Falle ist die direkte Belastung nach dem 
Unfälle nicht erfolgt, der Kranke blieb bettlägerig, daher führt 
Schloffer die Verlagerung auf den Zug der pelvifemoralen Muskeln 
zurück, deren Wirkungsweise diese Erklärung gewiß wahrscheinlich 
macht. In Betracht wäre dabei vielleicht zu ziehen, daß beim 
Hantieren mit dem Beine des Kranken während Aufrichtungsver¬ 
suchen, bei der Defäkation usw. passive Verschiebungen nicht ganz 
ausgeschaltet werden können. 

Den in den vorstehenden Fällen beobachteten Mechanismus 
setzt nun Simon auch sonst für die zentrale Luxation zur Er¬ 
klärung ein, er zerlegt also den bis dahin einheitlich aufgefaßten 
Akt: Beckensprengung unter dem in die Pfanne eingetriebenen 
Oberschenkel in zwei tempi, den Bruch der Pfanne und die durch 
eine zweite von der frakturierenden unabhängige Gewalt bewirkte 
Verlagerung des Kopfes. 

Der erste Teil von Simons Ausführungen ist ohne weiteres 
überzeugend, die Brüche bei der zentralen Luxation betreffen in der 


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Ueber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxitis tuberculosa. 501 


Regel durchaus nicht die Pfanne allein, es sind vereinzelte Beob¬ 
achtungen, wo sich solche fanden. Auch ist zuzugeben, daß die 
klinische Bedeutung der zentralen Kopfverschiebung, so imposant 
sie als anatomisches Bild, gänzlich zurilcktritt hinter der Schädigung 
durch die Beckenfraktur. In diesem Sinne möchte ich den alten 
Ausspruch Malgaignes vom „epiphänomene“ auffassen, den Simon 
zitiert und zur verdienten Geltung wieder gebracht hat. 

Der weitere Schluß aber, daß das Vordringen des Kopfes stets 
nur die Folge, nie die Ursache des Beckenbruches sei, erscheint 
mir zu weitgehend; im Gros der Fälle, wo nach Sturz auf den 
Trochanter der Kopf im Becken nachgewiesen wurde, ist eine zeit¬ 
liche Trennung von Beckenbruch und Kopfverlagerung nicht nach¬ 
weisbar; wenn ein solcher Patient liegen bleibt, sofort sorgsam auf¬ 
gehoben wird, so hätte das Suchen nach einer zweiten verlagernden 
Gewalt unbedingt etwas Gezwungenes. Wenn in den Fällen Gama, 
Schloffer, Henschen die Verlagerung sicher später eintrat, so 
muß dies nicht auch in den anderen Fällen, bei denen kurze Zeit 
nach dem Sturze die zentrale Luxation festgestellt wurde, so vor 
sich gegangen sein. 

Es würde damit jede Keilwirkung des Oberschenkels ausge¬ 
schlossen werden. Selbst wenn man mit Simon jene Fälle, wo 
nach Sturz auf den Trochanter der Kopf sofort im Becken nach¬ 
gewiesen wurde, darum als nicht beweisend ansieht, weil eine iso¬ 
lierte Gewaltwirkung nicht feststeht, da der Fall kaum genau auf 
den Trochanter erfolgt sein wird, bleiben immer noch jene Beob¬ 
achtungen, die eine zentrale Luxation durch Sturz auf die Füße 
feststellen. Deren sind mehrere beobachtet und bei Simon und 
Henschen angeführt. 

Beim Auffallen auf die gestreckten und womöglich noch ab- 
duzierten Füße (oder auch Knie) kann man sich die Entstehung 
des Beckenbruches wohl überhaupt nur so vorstellen, daß sich der 
Rumpf auf die im Gelenk eingestemmten Oberschenkel durch die 
Gewalt des Sturzes sozusagen aufspießt, es erscheint dies — ich 
gebrauchte den Ausdruck in der Einleitung — wie eine Selbst¬ 
pfählung. In dem von mir eingangs geschilderten Falle nun liegt 
ein sozusagen experimenteller Beweis vor, daß der von einer großen 
Kraft körperwärts vorgestoßene Oberschenkel die Pfanne sprengen 
und sich durch sie hindurch den Weg in das Becken bahnen kann. 
Allerdings handelt es sich um eine pathologisch veränderte Pfanne, 


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aber wenn die Kraft X eine Pfanne von der Festigkeit durch¬ 
brechen kann und zwar in einer Form, daß man nach Simon sagen 
müßte, es ist primär das Sitzbein luxiert und sekundär durch eine 
zweite, allerdings nicht nachweisbare Gewalt der Kopf zentral ver¬ 
lagert worden, so wird eine Kraft 2 X eine Pfanne von der Festig¬ 
keit Y frakturieren können. Am Trochanter oder Becken hat über¬ 
haupt keine Kraft angegriffen, es ist unbestreitbar, daß die Ein¬ 
treibung vom Knie aus stattgefunden. Selbst eine Zeitdifferenz 
zwischen Fraktur und Kopfverschiebung ist unwahrscheinlich; daß 
der Knabe nach dem ersten frakturierenden Stoße einem segens¬ 
reichen weiteren Rucke der Kurpfuscherhände standgehalten haben 
sollte, ist nicht denkbar, schmerzlos war die Sache nicht. 

Besser und eingehender, als es hier geschehen kann, sind diese 
Fragen in der angezogenen Arbeit Henschens erwähnt, es lag 
auch nicht in meiner Absicht, dieselben hier nochmals aufzurollen. 
Simons Verdienst, von der Form der Beckenfraktur bei der 
zentralen Luxation richtigere Begriffe gegeben zu haben, wird und 
soll nicht dadurch geschmälert werden, wenn man zu weit gehende, 
verallgemeinernde Schlüsse bezüglich des Mechanismus der Ver¬ 
letzung auf ihr Geltungsgebiet einengt durch Mitteilung von Beob¬ 
achtungen, die fast experimentelle Klarheit haben. 

Die Diagnose der zentralen Luxation konnte, wie auch sonst 
immer in sicherer Weise, erst durch das Röntgenbild gemacht 
werden; daß dieses aber überhaupt aufgenommen wurde — man 
kann nicht jede Coxitis im Spitalsbetriebe röntgenisieren — dazu 
waren vom gewöhnlichen Bilde abweichende Einzelheiten die Ver¬ 
anlassung: einmal die auf der Einkeilung des Kopfes beruhende 
Starre der Oberschenkelstellung, zweitens das nahe Herantreten des 
Trochanters an die Pfanne, dabei das Mißverhältnis zwischen Ver¬ 
kürzung des Oberschenkels und der Geringfügigkeit des Trochanter¬ 
hochstandes. Letztere beiden Befunde beweisen jedenfalls, wenn sie 
zusammen angetroffen werden, daß der Kopf abnorm tief in die 
Pfanne hineinsteht; daß er darüber hinaus auch in das Becken ge¬ 
wandert ist, dafür sind sie bei Coxitis kein Beweis. Denn ebensogut 
kann der Kopf infolge Caries zusammengebrochen sein. Für die 
traumatische zentrale Luxation allerdings wäre es der Mühe wert 
dieses Vergleichssymptom zu verfolgen, ob sich nicht gerade 
die auffallende Verschiedenheit zwischen Femurver- 


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Ueber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxitis tuberculosa. 503 

kürzung und Trochanterhochstand (letzterer geringer als 
die Verkürzung) als pathognomonisch für Beckenein¬ 
tritt des Kopfes erweisen könnte. Ich glaube, daß dies der 
Fall ist und habe mich beim Lesen der Schilderung einzelner traumatisch 
taxierter Fälle darüber gewundert, daß jeweilig Trochanterhochstand 
und Verkürzung genau gleich waren; ich kann mir nicht denken, 
daß dies bei der zentralen Luxation möglich ist, der Trochanter kann 
durch den Eintritt des Kopfes in das Becken höchstens um 1 cm 
höher rücken, während die Verkürzung des Femur je nach der Tiefe 
des Eindringens mehrere Zentimeter betragen kann. 

Die Abtastung des Rektum nach der radiologischen Unter¬ 
suchung ließ in der Pfannengegend einen Knochenvorsprung er¬ 
kennen; ehrlich gesagt, wäre es ohne Röntgenbild nicht möglich 
gewesen, daraus eine zentrale Luxation zu erkennen. Ohne Röntgen 
dürfte dies in unzweifelhafter Weise überhaupt nicht möglich sein. 

Die Therapie des vorliegenden Falles darf sich wohl ledig¬ 
lich auf eine konservative Behandlung der noch nicht zur Ausheilung 
gekommenen Coxitis beschränken. Ein Versuch, den Kopf aus dem 
Knochenspalt herauszuheben, könnte höchstens die Entzündung auf¬ 
flackern lassen, abgesehen von den unabsehbaren Möglichkeiten einer 
Generalisierung der Tuberkulose. Statisch ist davon auch keinerlei 
Vorteil zu erwarten, von dem recht dünnen Halse ist keine Trag¬ 
fähigkeit zu erwarten, das Resultat einer Einstellung des Ober¬ 
schenkels in geringerer Abduktion könnte höchstens eine Fraktur 
des Halses und Pfannenwanderung nach oben sein. Ich glaube 
sachgemäß gehandelt zu haben, wenn ich den Oberschenkel in der 
schlechten Stellung eingipste und Patienten durch Gehbügel auf die 
Beine brachte. Eine Osteotomie in 3—4 Jahren wird noch zurecht¬ 
kommen, um den Schaden zu verringern. 

Hinsichtlich der praktischen Bedeutung des Pfannenbruches für 
den Patienten ist es zweifellos, daß dieser durch das gewissenlose 
Eingreifen des Kurpfuschers schwer geschädigt wurde und noch 
größeren Gefahren ausgesetzt war. Es ist als ein Wunder zu be¬ 
zeichnen, daß keine Eiterung und Sequestration der abgesprengten 
Knochenstücke erfolgte, jedenfalls hatte die Coxitis eine ausge¬ 
sprochene Tendenz als sicca zu verlaufen, wenn sie nach einem 
solchen Trauma geschlossen blieb. Selbst wenn man nicht orakeln 
will über ihren weiteren Verlauf, ohne diese Komplikation kann 
man voraussetzen, daß derselbe ein günstiger gewesen wäre, und bei 


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Springer. 


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rechtzeitiger ärztlicher Behandlung auch die jetzige sehr schlechte 
Stellung der Ankylose zu verhindern gewesen wäre. Durch die 
Zerstörung der Pfanne war bei eintretender Eiterung der Weg unter 
das Periost des Beckens und alle Gefahren seiner Senkungen in diesem 
Gebiete gegeben; daß außerdem bei der brüsken Art dieser Mi߬ 
handlung einer tuberkulösen Coxitis auch die Möglichkeit einer 
Miliartuberkulose vorlag, die gewissenhaften Aerzten bei einfachen 
Redressements zugestoßen ist, nahelag, ergibt sich nebenbei. 

Diesen Gefahren allen ist der Knabe durch höhere Fügung 
entgangen. Zurückbehalten hat er aber zweifellos einen Becken¬ 
bruch und einen in schlechter Stellung in Pfanne und Becken ver¬ 
keilten Oberschenkel, der unbedingt osteotomiert werden muß. Das 
ist für die forensische Seite des Falles genommen zweifellos eine 
schwere körperliche Verletzung, die überdies die Notwendigkeit einer 
Operation nach sich zieht, seine Krankheit dadurch weiter ver¬ 
längert und kompliziert. 

Das schwere Vergehen des Kurpfuschers hat seine Sühne ge¬ 
funden, und daß es dazu kam, ist der bei uns in Oesterreich be¬ 
stehenden Vorschrift der Verletzungsanzeige zuzuschreiben. 

Jeder österreichische Arzt ist verpflichtet, Verletzungen, bei 
denen fremdes Verschulden nicht auszuschließen ist, der Behörde 
anzuzeigen, die die Untersuchung der Sache durchführt, er wird 
dann meist als sachverständiger Zeuge vernommen. Daß diese vor 
allem für den Vertrauenszustand zwischen Arzt und Patienten ein 
schweres Hindernis bildende Verordnung zu vielerlei Mißlichkeiten 
führt, direkt im Widerspruche mit dem Berufsgeheimnis steht, 
brauche ich nicht zu erörtern, es ist dies sattsam bei uns in ärzt¬ 
lichen Organisationen und Eingaben gegen diese Verordnung in 
österreichischen und deutschen Fach- und Tageszeitschriften ge¬ 
schehen. Hier hatte diese veraltete Vorschrift den Vorteil im Ge¬ 
folge, daß jede Ueberlegung sei es ethischer, sei es persönlich- 
praktischer Rücksichtnahme erspart blieb. 

Auf die pflichtgemäße Verletzungsanzeige erfolgte die Unter¬ 
suchung der Staatsanwaltschaft, die Einforderung der Kranken¬ 
geschichte, schließlich die Verurteilung des Kurpfuschers zu zwei 
Monaten strengen Arrestes, gewiß eine gerechte Sühne für sein ge¬ 
wissenloses Vorgehen. Vielleicht lagen auch noch andere ähnliche 
Handlungen vor, die bei dieser Gelegenheit aufgedeckt wurden. Da 
Verfasser zu dieser Verhandlung nicht vorgeladen wurde, blieb es 


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Ueber traumatische Luxatio femoris centralis s. d. bei Coxitis tuberculosa. 505 


ihm erspart, die gerichtsmäßig nötige, scharf umrissene Darstellung 
■f. i- der tatsächlichen Schädigung durch die Straftat geben und gegen- 
über Advokatenkniffen verteidigen zu müssen. Für den bei Gericht 
nicht routinierten Arzt hat dies seine Härten und für die logische 
Durchführung der Sache seine Gefahren. Ueber das Schwanken 
zwischen der Empörung über die Gewissenlosigkeit des Pfuschers 
und dem Mitleid mit Unvernunft und Not, die das Arbeiten grober 



Zimmermannshände an dem komplizierten Organismus des Menschen 
aufzwingt, kommt man als Arzt schlecht hinweg, wenn es sich um 
Existenzfragen der Schuldigen dreht, die von unserem Urteil ab¬ 
hängig sind. 

Nachtrag bei der Korrektur. 

Während der Drucklegung dieser Mitteilung, 10 Monate nach 
seinem ersten Spitalaufenthalt, stellt sich der Knabe wieder vor. 


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506 Springer. Ueber traumatische Luxatio fern, centr. 8. d. bei Coxitis tubercul. 


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Er hat den seinerzeit von uns angelegten Verband nach 4 Wochen 
entfernt und ist umhergegangen. In den letzten Monaten bildete 
sich nach längerer Schmerzhaftigkeit der HQfte an der Außenseite 
des Oberschenkels ein Senkungsabszeß, der sich spontan öffnete, 
reichlichen Eiter, keine Sequester entleerte. 

Der Zustand hat sich gegen früher insofern geändert, als jetzt 
am unteren Rande einer teigigen Anschwellung der Trochanter¬ 
gegend eine Fistel besteht und die Abduktion des Beines sich etwas 
vermindert hat. Wahrscheinlich durch das Gehen hat Patient das 
im Gipsverbande schmerzlos gewordene Bein nach und nach eine 
Spur zu adduzieren vermocht. Die Vorbedingung für die Stellungs¬ 
änderung muß eine Lockerung der Einkeilung des Schenkelhals¬ 
stumpfes sein, und dies läßt sich tatsächlich auf der jetzt aufge¬ 
nommenen Röntgenplatte (Fig. 3) erkennen. 

Deutlich ist darauf die verminderte Abduktion des kranken 
und die Abduktion des gesunden Oberschenkels. Der Halsstumpf 
des ersteren hat sich weiter verschmälert und ist tiefer 
in das Becken getreten. Die Knochenlücke klafft stärker. Die 
freien Knochenschatten sind noch vorhanden. — Der ganze Befund 
erklärt sich durch die Belastung des Beines beim Gehen während 
der Fortdauer der Entzündung. Vom Kopfe sind jedenfalls mecha¬ 
nisch und durch Sequestration Teilchen abgestoßen worden, der 
spitzer gewordene Keil überwand die Einklemmung und drang weiter 
beckenwärts. 


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XXVII. 


Aus der orthopädisch-chirurg. Klinik der Berlin-Brandenburgischen 
Krüppelheil- und -Erziehungsanstalt. 

Ueber die Bedeutung und Technik der Extension 
in der Skoliosenbehandlung, 

Von 

Dr. Bruno Künne, I. Assistent. 

Mit 9 Abbildungen. 

Das Redressement der Skoliose ist in letzter Zeit bei vielen 
Orthopäden in Mißkredit gekommen. Von manchen ist es zugunsten 
medikomechanischer und gymnastischer Behandlungsmethoden ver¬ 
lassen oder wenigstens in den Hintergrund gedrängt worden. Den 
enthusiastischen Hoffnungen, die man bei seinem Aufkommen auf 
das modellierende Redressement gesetzt hatte, folgte die ebenso 
einseitige Betonung solcher Heilverfahren, welche lediglich durch 
Pendelkraft und Muskelgymnastik das gestörte Gleichgewicht der 
Wirbelsäule wiederherzustellen suchten. Jedoch auch die Gymnastik 
hat in den letzten Jahren eine strengere Kritik über sich ergehen 
lassen müssen. Schanz, Chlumsky, Mehltretter u. a. haben 
darauf hingewiesen, daß die Gymnastik vor allem kein indifferentes 
Heilmittel darstelle. Nach Lehr liegen die günstigen Resultate 
der Gymnastik lediglich in der Behandlung des werdenden Leidens, 
während sie in der Beseitigung der fertigen Deformität nicht nur 
machtlos ist, sondern auch häufig zu Verschlimmerungen führt. 
Ihre Wirkungsweise besteht im wesentlichen in einer Lockerung 
der versteiften Wirbelsäulenabschnitte und in einer Kräftigung der 
Muskeln, welche an der Statik der Wirbelsäule teilnehmen. Be¬ 
züglich beider Faktoren sind die Indikationen, je weiter man in die 
schwierige Materie eindrang, heute zweifelhafter und unsicherer ge- 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 83 


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508 


KUnne. 



worden. Wir wissen gar nicht, wie weit wir die Mobilisation ohne 
Schaden für die Erhaltung der Statik der Wirbelsäule treiben dürfen, 
wir sind noch recht unklar über die speziellen Muskelgruppen. 
welchen wir eine Kräftigung durch Massage und Gymnastik an¬ 
gedeihen lassen sollen, 
und wenn wir es wissen, 
haben wir es nicht ohne 
weiteres in der Hand, 
andere Muskelkompleie, 
die dem beabsichtigten 
Zwecke entgegen wirken, 
mit Sicherheit auszu¬ 
schließen. Unbefangene 
Beobachtung der Mo¬ 
bilisierungsmaßnahmen, 
seien diese nun gymnasti¬ 
scher oder maschineller 
Art, ergibt fast immer, 
daß die Lockerung nicht 
da erfolgt, wo sie allein 
zu erstreben wäre, näm¬ 
lich an dem Teil des 
Rippenbuckels, sondern 
an ganz anderen Ab¬ 
schnitten der Wirbel¬ 
säule, wo sie oft gerade¬ 
zu ein weiteres Zusam¬ 
mensinken begünstigt. 

Bei dieser Unsicher¬ 
heit der gymnastischen 
und Pendelmethoden hat 
das ursprüngliche Unter¬ 
nehmen, die Verkrüm¬ 
mung der Wirbelsäule 
einschließlich des Rippen¬ 
buckels durch direkte äußere Gewalteinwirkung zu korrigieren, immer 
wieder etwas sehr Verlockendes und, solange die Unmöglichkeit 
eines derartigen Beginnens nicht bewiesen ist, auch Berechtigtes. 
Am naheliegendsten ist es nun, die gewaltsame Umformung des 


Kind im Wullstein ohne Ext**nsion, Oberschenkel mit 
Riemen fixiert, Gesilß auf dem Sitz aufruhend. 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 509 


3k 



verbildeten Körpers mit den Händen vorzunehmen. Jedoch hat diese 
Methode den Nachteil, daß bei der damit verbundenen körperlichen 
Anstrengung der Operateur die Uebersicht über das Operationsgebiet 
sowie das Gefühl für die feinere anatomische Ausgestaltung der Kor¬ 
rektur verliert. Auch 

ergibt sich hierbei die Fig. 2. 

Schwierigkeit, daß die 
Teile, welche von den 
Händen des Operateurs 
umfaßt werden, nicht 
leicht von den gleich¬ 
zeitig umzuführenden 
Gipsbinden in der re- 
dressierten Stellung 
fixiert werden können. 

Vorzuziehen ist viel¬ 
leicht das Redressement 
mittelsschraubbarerPe- 
Iotten,doch bestehthier- 
bei der Mißstand, daß 
infolge Erschöpfung der 
Elastizität der Pelotte 
die Haut in höherem 
Maße Gewebsschädi¬ 
gungen durch Druck 
ausgesetzt ist. 

Das Mittel, wel¬ 
ches bei der Skoliose 
am promptesten und 
augenfälligsten eineAn- 
näherung an die nor¬ 
male Körperform zu¬ 
standebringt, ist die 
Extension. Sie ist die 
am nächsten liegende 

und älteste Art, die Skoliose anzugreifen und wurde im Anfang 
fast ausschließlich geübt. Wullstein in seiner grundlegenden 
Arbeit legte den Hauptwert auf eine kräftige Extension der Wirbel¬ 
säule, da mit dieser allein schon eine ganz bedeutende Abflachung 


Dasselbe Kind in Extension. Gesiiß vom Sitz abgehoben 


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510 


Kiinne. 


des ßippenbuckels eintrete. Heute ist es vielleicht angebracht, 
wieder einmal darauf hinzuweisen, daß die Streckung des Rumpfes 
die erste Bedingung für ein wirksames Redressement ist. Erst 
nachdem durch Längszug an den Körperenden die nach einer Seite 
ausgekrümmte Wirbelsäule der senkrechten Linie genähert worden, 
kann eine auf die Rippendeformität gerichtete Gewalt ihre volle 
Wirksamkeit entfalten. Wie ist nun die Extension zu bewerk¬ 
stelligen? Das am meisten geübte Verfahren bestand und besteht 
noch heute darin, daß man den Patienten am Kopf aufhängt und 
nun entweder das Körpergewicht als extendierende Kraft verwendet 
oder noch einen besonderen Zug an den Füßen ausübt. Letztere 
Anordnung ist natürlich wirkungsvoller, jedoch hat sie den Nach¬ 
teil, daß der Längszug nicht nur auf die verkrümmte Wirbelsäule, 
sondern auch auf sämtliche Gelenke der Unterextremität, und zwar 
in recht verderblicher Weise ein wirkt. Es war ein bedeutsamer 
Fortschritt in der Extensionsmethode, als Wullstein uns lehrte, 
als unteren Angriffspunkt der Extension nicht die Füße, sondern 
das Becken des sitzenden Menschen zu wählen. Hierdurch mußte 
einmal die Extension der Beine ausgeschaltet werden, dann aber 
auch mußte nunmehr die ganze aufgewandte Extension der ver¬ 
krümmten Wirbelsäule zugute kommen. 

Bei aller Hochschätzung des Wullstein scheu Rahmens, den 
wir mit seinen vorzüglichen Einrichtungen in ausgiebigster Weise 
benutzen, muß doch gesagt werden, daß der Apparat bezüglich der 
Aufgabe, das Becken als Angriffspunkt zu benutzen, seinen Zweck 
nicht vollständig erfüllt. Für die Fixierung des Beckens an den 
Sitz sind hier lediglich je zwei quer über die Oberschenkel zu 
schnallende breite Ledergurte vorgesehen. Meine Beobachtungen an 
sehr zahlreichen, von mir selbst ausgeführten Skoliosenredressements 
haben mir die Ueberzeugung gebracht, daß diese Art der Becken¬ 
fixierung eine etwas illusorische ist. Beim Inkrafttreten der Extensicn 
zeigt sich nämlich stets, was Wullstein übrigens auch selbst be¬ 
obachtet und erwähnt hat, daß das Gesäß und mit ihm die Hüft¬ 
gelenke sich von der Oberfläche des Sitzes ein beträchtliches Stück 
entfernen (Fig. 1 und 2). Diese Erscheinung ist durchaus begreif¬ 
lich, da ja die Schenkelriemen sämtlich vor der Frontalebene des 
Körpers ihre Angriffspunkte haben. Wullsteins Extension greift 
daher, wie er selbst in seiner technischen Anleitung erläutert, nicht 
eigentlich am Becken, sondern an den Oberschenkeln an. Daß er 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 511 


diese Angriffsweise für ganz einwandfrei hielt, kann ich nicht recht 
glauben; zum mindesten müssen Bedenken wegen einer etwaigen 
schädlichen Einwirkung auf das Hüftgelenk wohl Vorgelegen haben, 
da von ihm Versuche an Leichen angestellt wurden, welche die 
Wirkung der Wirbelsäulenextension auf die Hüftgelenke klären 
sollten. Wullstein fand dabei, daß der Schenkelkopf und die 
Pfanne ihr normales Verhältnis zueinander zwar beibehielten, daß 
jedoch der Kopf sehr stark gegen den unteren Teil der Pfanne an¬ 
gepreßt war, ferner daß gewisse Kapselteile, sowie auch das Liga¬ 
mentum ileofemorale in einen enormen Spannungszustand gerieten. 
Bei diesen Ergebnissen kann meines Erachtens die Möglichkeit einer 
Schädigung doch nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden, 
auch wenn für eine solche an der Leiche keinerlei Anzeichen sicht¬ 
bar geworden waren. Es muß vielmehr als eine Tatsache gelten, 
daß bei dem Wullstein sehen Verfahren die Hüftgelenke einen 
Teil der Extension absorbieren, und daß die bestehenden Vorrich¬ 
tungen nicht erlauben, das Becken selbst mit der vollen Gewalt 
anzugreifen. 

Nachdem dieser Mangel einmal erkannt war, ging mein Be¬ 
streben dahin, eine Vorrichtung zu ersinnen, welche das Becken an 
seiner oberen Begrenzung umfassen und dadurch unverrückbar und 
Unabhebbar an den Sitz befestigen sollte. Versuche, die Darm¬ 
beinkämme mit Gurten zu umgreifen, scheiterten an der großen Ver¬ 
schieblichkeit des Materials in dieser Körpergegend, auch verboten 
sie sich wegen der für den Patienten damit verbundenen Belästigung 
und der Behinderung beim darauffolgenden Anlegen des Gipskorsetts. 
Ein starres Gerüst zur Umfassung des Beckenskeletts, etwa aus 
Metallstreifen, konnte aus denselben Gründen erst recht nicht in 
Betracht kommen. Derartige Erwägungen brachten mich auf die 
Idee, die Formbarkeit des Gipses, dieses unentbehrlichen Verbündeten 
der Orthopädie, zur Lösung der technischen Frage heranzuziehen. 
Ich brauchte nur das Becken, dessen anatomische Verhältnisse eine 
obere Umgreifung gestatten, mit einem gutsitzenden Gipsverbande, 
einem Beckenkorb aus Gips, zu umgeben, um eine geradezu ideale 
Handhabe zur Ausführung der Extension zu gewinnen. Durch einige 
besondere Touren mußte es dann ein leichtes sein, den Beckengips 
mit den verschraubbaren Apparatteilen in eine absolut starre Ver¬ 
bindung zu bringen. 

Ueber die spezielle Technik, die ich zur größeren Klarheit 


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512 


Künne. 


des Gedankengangs der später zu gebenden Schilderung unseres Ge- 
samtverfahrens hier vorausnehme, sei zur Erläuterung beistehender 
Figur (3) folgendes bemerkt: Der Gips wird auf die bloße Haut 

aufgetragen und sehr 
sorgfältig der Körper¬ 
form anmodelliert. Ein 
schmales Wattepolster 
kommt nur auf die 
untere Kreuzbeinge¬ 
gend , um beim Aus¬ 
schneiden des Gipses 
die sich dort stark her¬ 
vorwölbenden Glutäen 
vor Verletzungen zu 
schützen. Der Gips hat 
1 V 8 —2 cm oberhalb 
der Darmbeinkämme 
hinaufzureichen. Die 
Binden werden sehr 
sorgfältig ausgebreitet 
und nicht verstrichen, 
sondern bis zum Er¬ 
starren sanft an die 
Körperoberfläche ge¬ 
halten. Der Teil, wel¬ 
cher bestimmt ist, die 
Darmbeinkämme von 
oben zu umfassen, be¬ 
darf natürlich beson¬ 
ders exakter Modellie¬ 
rung. Einige Touren 
werden beiderseits von 
der Spina anterior nach 
hinten über die Crista 
und das Kreuzbein zu 
dem ApparathandgrifF der anderen Seite geführt. 

Läßt man nunmehr, nachdem der Gips vollständig erstarrt ist, 
die Extension einwirken, so kommt diese, da das Becken durch den 
erhärteten Gips mit dem Apparat unverrückbar verbunden ist, in 


Fig. 3. 



Beckengips mit dem Apparatsitz starr verbunden. 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 513 

erhöhtem Maße dem Über dem Gips befindlichen Körperabschnitt 
zugute. Allerdings wäre es ein Irrtum, zu glauben, daß der An¬ 
griffspunkt der extendierenden Kraft mit der oberen Grenze des 
Gipses, also etwa mit der Verbindung zwischen III. und IV. Lenden¬ 
wirbel zusammenfiele. Denn da es nicht möglich ist, durch den 
Beckengips die Wirbelsäule selbst an irgendeiner Stelle anzugreifen, 
so pflanzt sich der wirkende Zug natürlich auch innerhalb des Gipses 
nach unten fort bis zum Kreuzbein, welches erst praktisch als un¬ 
beweglich gelten kann. Immerhin muß es als ein wesentlicher Vor¬ 
teil und als eine Verbesserung der Extensionsmethode betrachtet 
werden, daß auf die beschriebene Art das Becken als solches ein¬ 
wandfrei fixiert werden kann. 

Der Gedanke liegt nahe, auf diese Weise auch am Oberkörper 
bessere Angriffspunkte für die Extension zu gewinnen. Nach den 
geltenden Anschauungen liegen die Verhältnisse so, daß aus anato¬ 
mischen Gründen nur der Kopf, insbesondere die vorspringenden 
Warzenfortsätze und der nach hinten ausladende Hinterkopf als 
Stützpunkte in Betracht kommen. Es ist einleuchtend, daß der 
Einwand, den Wullstein gegen die Extension an den Füßen erhob, 
wonach die Beingelenke auf Kosten der Wirbelsäule extendiert 
werden, auch für die Extension am Kopfe Geltung haben muß. 
Hier ist es die Halswirbelsäule, welche in unerwünschter Weise 
einen Teil des angewandten Längszuges für sich verbraucht. Nach 
mehreren von uns gemachten Beobachtungen schien auch äußerlich 
der Hals durch wiederholte Extension eine auffallende Verlängerung 
zu erfahren. So wurde in einigen Fällen, wo der Kopf vorher 
förmlich innerhalb der Schultern gesessen, letzterer durch mehr¬ 
malige forcierte Extension um mehrere Zentimeter über das Schulter¬ 
niveau emporgehoben, ohne daß eine entsprechend große Verlänge¬ 
rung des skoliotischen Rumpfteils nachzuweisen gewesen wäre. 

Nachdem unser Augenmerk einmal auf diese Erscheinungen 
gerichtet war, ging das Bestreben dahin, zu erforschen, inwieweit 
unsere Vermutungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen. 
Es wurden an suspendierten Patienten Röntgenaufnahmen gemacht 
und Durchleuchtungen vorgenommen, welche übereinstimmend er¬ 
gaben, daß die Verbreiterungen der Zwischen wirbelräume an der 
Halswirbelsäule größer waren, als an der Brustwirbelsäule. Aller¬ 
dings riet mein Chef, Herr Professor Biesalski, mir damals, die 
Röntgenogramme nicht allzu hoch zu bewerten, da bei der Art der 


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514 


Künne, 


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Aufnahme mit beträchtlichen Verzeichnungsfehlern zu rechnen sei. 
An mehreren anderen Patienten habe ich dann äußere Messungen 
vorgenommen, welche sich zur Aufgabe stellten, die an den einzelnen 
Wirbelsäulenabschnitten sich ergebenden Verlängerungen zahlen¬ 
mäßig zu bestimmen und in ein Verhältnis zueinander zu bringen. 
Als Begrenzungspunkte wurden angenommen für die Halswirbelsäule 
die Prominentia occipitalis externa und der Dornfortsatz des VII. Hals¬ 
wirbels, für den Brustteil der letztere und, um die Fehlerquelle der 
Hautverschiebung nach Möglichkeit auszuschalten, der Beginn der 
Rima pudendi oder die Steißbeinspitze. Die so gegebenen Körper¬ 
strecken wurden vor und nach einer forcierten Extension gemessen 
und die Resultate in eine arithmetische Proportion gebracht. Es 
ergaben sich bei den untersuchten Fällen, welche alle Grade von 
den leichtesten bis zu den schwereren Skoliosen umfaßten, höhere 
Zahlendifferenzen für den Dorsalteil als für den Cervikalteil. Nur 
bei einer hochgradig versteiften Skoliose dritten Grades wurden 
beide Abschnitte um den gleichen Wert von 1 cm verlängert. Um 
zu einer Deutung der Zahlen im Sinne der aufgeworfenen Frage zu 
kommen, bedarf es einiger Ueberlegungen: 

Zunächst müssen die absoluten Zahlen in ein Verhältnis zu 
der sonstigen Längsausdehnung des gemessenen Abschnitts resp. zu 
der Zahl der hier vorhandenen Zwischenwirbelverbindungen gebracht 
werden. Vorausgesetzt, daß die Skoliose genügend mobil ist, wird 
dann die Zuwachszahl des Dorsalteils um so mehr die des Cervikal- 
teils übertreffen, je hochgradiger die Rückenkrümmung ist. 

Alle Versteifungen werden in dem Sinne wirken, daß die 
„Halszahl“ stärker auswächst als die „Rückenzahl*. 

Wir sehen also, daß die auf diese Weise bei der Skoliose er¬ 
haltenen Maßzahlen nur mit großer Vorsicht und unter Berücksich¬ 
tigung aller vorliegenden Umstände für die Beurteilung der Ex¬ 
tensionsfähigkeit der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte zu verwerten 
sind. Die sich ergebenden Zahlenverhältnisse werden eben ganz und 
gar von der jeweiligen Form und Natur der Skoliose abhängig sein. 
Nicht nur der Grad der Verkrümmung, sondern der spezielle Sitz, 
sowie auch der Grad der Fixierung resp. der Mobilität werden hier 
ausschlaggebend sein. Will man von diesen Zufälligkeiten sich un¬ 
abhängig machen, so ergibt sich von selbst die Forderung für die 
Entscheidung der Frage, Untersuchungen an der gesunden Wirbel¬ 
säule zugrunde zu legen. Zu diesem Zwecke habe ich eine Gruppe 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 515 


von etwa gleich großen 12—14jährigen rückengesunden Kindern 
dem gleichen Meßverfahren unterworfen. Es ergab sich dahei für 
die Halswirbelsäule eine Verlängerung von 1—1 */* cm, für die 
übrige Wirbelsäule von 3 /4—1 cm. Im Mittel betrug demnach die 
Längenzunahme des Rückenteils 7 /s t die des Halsteils 9 /s cm. Es 
verhielten sich also die Verlängerungen zueinander wie 7:9, 

Zieht man jedoch in Betracht, daß der Längenzuwachs der 
Halswirbelsäule nur von 7, der der Rückenwirbelsäule dagegen von 
insgesamt 17 elastischen ZwischenwirbelVerbindungen aufgebracht 
wird, so ergibt sich die Proportion: 

17D _ 7 D _ 49 
7C — 9 ’ C “ 153 

D:C verhält sich annähernd wie 1:3, d. h. der Cervikalteil 
ist beim rückengesunden Menschen in seinen Zwischenwirbelverbin* 
düngen ungefähr dreimal so extensionsfähig wie der übrige Abschnitt 
der Wirbelsäule. 

So befremdend zunächst dieses Ergebnis scheinen mag, so leicht 
ist es mit der physiologischen Tatsache in Einklang zu bringen, 
daß der Halswirbelsäule eine ganz besonders große Beweglichkeit 
zueigen ist. Von der Lendenwirbelsäule wissen wir ebenfalls, daß 
sie den Dorsalteil an Exkursionsweite ihrer Gelenkverbindungen bei 
weitem übertrifft. Wenn auch die vorliegenden Untersuchungen 
über die Wirkung der Extension auf die einzelnen Rückgrats¬ 
abschnitte sich nicht speziell mit dem Lendenteil befaßt haben, so 
ist doch nach den anatomischen und physiologischen Verhältnissen 
sehr viel Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß die Dinge hier 
ähnlich liegen wie an der Halswirbelsäule. Die Extendierbarkeit 
eines Wirbelsäulenabschnittes entspricht eben normalerweise seiner 
physiologischen Beweglichkeit. Diese Behauptung steht nicht etwa 
im Widerspruch mit den interessanten Ergebnissen Wullsteins, 
der die verschiedenartige Wirkung der Extension auf die beiden 
Seiten der skoliotischen Wirbelsäule, die konvexe und die konkave, 
untersuchte und dabei einwandfrei feststellte, »daß die besonders 
den Keilwirbeln benachbarten Zwischenwirbelscheiben an der Kon¬ 
kavität eine ganz enorme Dehnung um das Doppelte, ja um das 
Dreifache erfahren, an der Konvexität dagegen entweder ihre vor¬ 
herige Breite beibehalten oder sie sogar durch Kompression ver¬ 
ringern, d. h. die Wirbelsäule wird durch das forcierte 
Redressement nur i n ih ren reduzierten und gesell rümpf- 


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516 


Künne. 


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ten Teilen gedehnt, während die bei der Entstehung 
der Deformität über das Maß des Normalen hinaus¬ 
gegangenen Teile nicht nur keine weitere Dehnung, 
sondern im Gegenteil eine Kompression und damit auch 
später eine Reduzierung ihrer Substanz erfahren. Die 
Wirbelsäule wird also durch unser Verfahren nicht gestreckt im 
eigentlichen Sinne des Wortes, sondern über die jedesmalige Kon¬ 
vexität als Hypomochlion gebogen*. 

Wullsteins Leichenversuche haben also dargetan, daß die 
durch Zusammenstauchung und Schrumpfung in ihrer Substanz re¬ 
duzierte Konkavseite es ist, welche in besonders hohem Maße einer 
Verlängerung fähig ist, während die konvexe als in diesem Sinne 
relativ gesund anzusehende Seite keine weitere Dehnung erfahrt. 
Meine Untersuchungen befaßten sich nun mit der Prüfung nicht der 
beiden Seiten, sondern der einzelnen anatomischen Abschnitte der 
Wirbelsäule in bezug auf ihre Extensionsfähigkeit. Auf 6rund 
meiner Beobachtungen und Messungen möchte ich folgenden dies¬ 
bezüglichen Satz formulieren: 

DerWiderstand, welchen ein Abschnitt der Wirbel- 
säule einem auf ihn ausgeübten Längszuge entgegen¬ 
setzt, ist umgekehrt proportional seiner physiologi¬ 
schen oder abnorm veränderten Beweglichkeit. 

Hieraus würde dann hervorgehen, daß der Brustteil der 
Wirbelsäule, in welchem sich ja meist der Hauptsitz der skoliotiscben 
Verkrümmung befindet, auf den gerade also das Streben des Längs¬ 
zuges gerichtet ist, am wenigsten von der extendierenden 
Kraft betroffen wird. Daß der mittlere Teil der Wirbelsäule 
im übrigen auch zeitlich am spätesten die Einwirkung der Zug¬ 
kraft erfährt, beruht auf Gründen, welche in der Konstruktion des 
Apparates gegeben sind. Wullstein sagt darüber: «Bei der 
wiederholten Extension ließ sich hier an dieser Leiche auch der 
Nachweis erbringen, daß, wie es ja naturgemäß sein muß, durch 
Anziehen der oberen oder unteren Schraube zuerst eine Dehnung 
der der betreffenden Schraube zunächstliegenden Zwischenwirbel¬ 
scheiben bewirkt wurde, und daß sich diese Dehnung erst, nachdem 
hier ein bestimmter Dehnungsgrad erreicht war, allmählich weiter 
und weiter auf die entfernter gelegenen Zwischenwirbelscheiben 
fortsetzt.“ Zunächst wirkt die Extension eben auf die rippenlosen 
und beweglichen Segmente, nämlich die Hals- und Lendenwirbelsäule: 


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Bedeutung and Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 517 

erst wenn diese beiden, die meist wenig oder gar nicht an der 
Verkrümmung teilnehmen, in einer unerwünschten und schädlichen 
Weise in die Länge gezogen sind, pflanzt sich die Extension auf 
den Dorsalteil und den Rippenbuckel, auf welchen ja speziell der 
Zweck derselben gerichtet ist, fort. 

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich mit Notwendigkeit die 
Forderung, die Extension beim Skoliosenredressement so zu gestalten, 
daß sie nach Möglichkeit auf den verkrümmten Abschnitt isoliert 
einwirkt, die normalen Teile aber, speziell die Halswirbelsäule, von 
einer nicht beabsichtigten Extension sicher ausschließt. Das Idealste 
wäre es nun, den Angriffspunkt der Extension direkt am oberen 
Teil der Brustwirbelsäule zu wählen. Das ist aber ohne weiteres 
nicht möglich, da der Thorax in dieser Körpergegend keine hin¬ 
reichenden Angriffspunkte bietet. Die Achselhöhlen als alleinige 
Stützpunkte zu nehmen, gilt wegen der Labilität des Schultergürtels 
und der großen Verletzlichkeit der von ihr beherbergten Organe als 
nicht zulässig. Außerdem würde bei einer solchen Extension der 
nicht suspendierte Kopf zwischen die Schultern sinken und durch 
sein Gewicht eine Streckung des skoliotischen Brustteils unmöglich 
machen. Aus diesem Grunde sei deshalb als erste Forderung an 
dieser Stelle betont, daß auf die Suspension des Patienten am Kopf 
auf keinen Fall verzichtet werden kann. Erst der Kopf durch seine 
direkte Verbindung mit der Wirbelsäule ermöglicht eine Aufrichtung 
des skoliotischen Rumpfes und vermag der anderwärts angreifenden 
Exteusion ihre Richtung anzugeben. Um eine Ueberdehnung der 
Halswirbelsäule zu verhüten, soll jedoch der Kopf nicht der alleinige 
Träger der Extension sein, sondern sie soll zugleich am oberen 
Rumpfende ihre Angriffsstellen haben. Inwieweit ein derartiges 
Vorgehen bei den anatomischen und mechanischen Verhältnissen 
des menschlichen Körpers möglich ist, soll im folgenden erörtert 
werden. Der Gedanke, die Schultern zur Erzielung einer intensiven 
Streckung des Rumpfes zu benutzen resp. einen erreichten Grad der 
Streckung durch sie aufrecht zu erhalten, ist in fast allen älteren 
Skoliosenkorsetts verwirklicht. Einer eingehenden Kritik haben diese 
Achselkrücken jedoch nicht standhalten können, und sie sind denn 
auch aus den neueren Konstruktionen fast gänzlich wieder ver¬ 
schwunden. 

Der Grund, aus dem wir heute zu einer Ablehnung der Achsel¬ 
stützen am Korsett kommen, ist zunächst die allgemein gemachte 


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518 


Künne. 


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Erfahrung, daß ein kontinuierlicher Druck auch von nur mäßiger 
Intensität in der Axillarhöhle schlechterdings nicht zu ertragen ist 
Infolge Fortpflanzung des Druckes auf den verhältnismäßig ober¬ 
flächlich gelegenen Plexus brachialis und auf die großen Gefäßstämme 
kommt es zu Taubheit, Kriebeln, Parästhesien und lästigen Stauungs¬ 
erscheinungen, oder gar zu Paresen und vollständigen Lähmungen. 
Entbehrt ein solches Korsett noch dazu der Kopfstütze, wie dies 
vielfach vorkommt, so ist eine Extension geradezu ausgeschlossen, 
weil der Kopf und mit ihm die durch sein Gewicht belastete obere 
Wirbelsäule einfach zwischen die hochgedrängten Schultern sinkt. 
Schulterextension ohne Kopfextension ist ein Unding, 
weil nur der Kopf durch seinen kontinuierlichen Zu¬ 
sammenhang mit dem oberen Ende des Rückgrats dem 
Längszuge die Richtung vorzuschreiben vermag. Die 
Verbindung der Schulter mit der Wirbelsäule ist dagegen nur eine 
indirekte und mittelbare. Die an der Schulter angreifende exten¬ 
dierende Kraft kann nicht anders als auf dem Umwege von Scapula 
über Clavicula, Sternum und I. Rippe sich auf das obere Ende der 
Brustwirbelsäule übertragen. 

Die einzelnen Teile des Schultergürtels, die durch feste Band¬ 
verbindungen zusamniengehalten werden, sind in hohem Maße gegen¬ 
einander beweglich, und diese Labilität ist ein weiterer Stützpunkt 
für die geltende Anschauung, daß die Schulter als Angriffspunkt 
für die Extension des Körpers nicht in Betracht kommen könne. 
Wie verhält es sich nun mit der Labilität? Sie ist nach meinen 
Beobachtungen und nach Lage der anatomischen Verhältnisse nur 
vorhanden, solange den Schultern freie Beweglichkeit gegeneinander 
belassen wird. Jede Schulter beschreibt beim Heben einen Kreis¬ 
bogen mit der Clavicula als Radius um das obere Ende des Manu- 
brium sterni als Mittelpunkt. Es bestehen nun ganz bestimmte 
Beziehungen zwischen der Entfernung vom Kopf zum Acromion 
einerseits und der Distanz beider Schulterhöhen anderseits. Bei 
gleichmäßiger Bewegung auf beiden Seiten vermindert sich die 
Distanz beider Schultern voneinander proportional der Kopfschulter¬ 
entfernung beim Heben und umgekehrt proportional der letzteren 
beim Senken der Schultern. Wird ein Mensch an den Achselhöhlen 
emporgehoben, so nähern sich die Schultern dem Kopfe, wird er 
am Kopf aufgehängt, so entfernen sie sich von diesem; in beiden 
Fällen wird die Entfernung der Schultern voneinander kleiner. Man 


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Bedeutung und Technik der Exteimon in der Skoliosenbehundlung. 519 


hat nur nötig, die gegenseitige Annäherung der Schultern zu ver¬ 
hindern, etwa durch einen beide verbindenden Querstab, um dadurch 
auch die Distanz der Schultern vom Kopf, d. h. die Halslänge zu 


Fig. 4. 



Patient im Kopfschulter-Gipsverband. 


einer konstanten zu machen. Die physiologische Labilität ist dann 
vollständig verschwunden. Der Schultergürtel verhält sich dann in 
seiner anatomischen Gesamtheit wie ein aus drei Stäben gebildetes 
Dreieck, welches trotz seiner Scharniergelenke an den drei End- 


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520 


Künne. 


punkten doch stets unverändert bleiben muß. Die Schultern haben 
in diesem Falle keine Möglichkeit, nach irgendeiner Richtung aus¬ 
zuweichen, sondern sind in Normalstellung fixiert, quasi ankylosiert, 
und eine sie treffende Zugkraft muß sich notwendigerweise auf dem 
oben geschilderten Wege auf die obere Brustwirbelsäule fortpflanzen. 
Die einfachste und zweckmäßigste Art, die Schultern in ihrer gegen¬ 
seitigen Lage zu fixieren, ist durch die Anlegung eines in bestimmter 
Weise abgegrenzten Gipsverbandes gegeben. Indem der Gips sich 
den wechselnden Verhältnissen der Körperoberfläche anschmiegt, 
bietet er die Möglichkeit, in schonender Weise mit größtmöglicher 
Angriffsfläche eine Extension am oberen Rumpfende auszuführen. 
Der von uns angewandte und in zahlreichen Fällen erprobte Ver¬ 
band (Fig. 4) besteht im Prinzip aus zwei verschiedenen Binden¬ 
führungen : 

Horizontale Binden umfassen die ganze Region des Schulter¬ 
gürtels und der oberen Thoraxapertur. 

Senkrecht dazu gelegte Touren verbinden den Brust- und 
Rückenteil unter den Achselhöhlen und werden zu dem Extensions¬ 
bügel, an dem zugleich der Kopf suspendiert ist, geführt. 

Da der Gips aber auch die Achselhöhlen umgreift, so muß 
in bezug auf das oben Uber den Achselzug Ausgeführte hier noch 
erörtert werden, inwiefern wir uns zu solcher Angriffsweise trotz¬ 
dem für berechtigt halten. Als feststehend kann gelten, daß die 
Achselhöhle als Stützpunkt im dauernd zu tragenden Korsett nicht 
benutzt werden darf. Hier bandelt es sich jedoch nicht um einen 
kontinuierlichen Zug, sondern um eine Belastung, die nur so lange 
andauert, wie die Extension ausgeübt wird. Ein Druck von kurzer 
Dauer ebenso wie ein kontinuierlicher Wechsel von Belastung und 
Entlastung wird aber von den Achselhöhlen sehr wohl ertragen, 
wie der uralte Gebrauch der Krücken lehrt, an deren alternierenden 
Druck sich so viele Menschen, ohne wesentliche Beschwerden zu 
haben, gewöhnen. Um etwaigen Einwänden vorzubeugen, muß ich 
noch hinzufügen, daß wir eine nachträgliche Erhaltung der Extension 
im Gipskorsett nicht von den aufgestemrateu Achselhöhlen bean¬ 
spruchen, sondern daß wir diese Leistung von den eng anmodellierten 
Wänden des Korsetts, speziell von den Partien lateralwärts und 
unterhalb des Rippenbuckels erwarten. 

Um dieser Aufgabe zu genügen, muß der Gips dem Körper 
so eng anmodelliert werden, daß ein seitliches Zusammensinken 


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Bedeutung und Technik der Extenaion in der Skoliosenbehandlung. 521 

allein durch die Röhrenwirkung des Korsetts verhindert wird. Die 
Last des in die pathologische Stellung zurtlckstrebenden Körpers 
wird dann nicht nur von einzelnen prominenten Knochenpartien ge¬ 
tragen, sondern sie wird von der Gesamtheit der Weichteile des 
Rumpfes, welche sich dem Gips wie einem äußeren Skelett an¬ 
schmiegen, aufgefangen. Jede Polsterung ist zu vermeiden, da sie 
nur geeignet ist, Hohlräume im Gipskorsett zu schaffen, welche die 
Erhaltung der erreichten Korrektion unmöglich machen. Welche 
Inhaltszahlen diese durch die Polsterung geschaffenen Hohlräume 
präsentieren, wird eine kleine stereometrische Berechnung anschaulich 
machen. Gesetzt, daß bei einem Kinde von 10—12 Jahren mit 
einem Thoraxumfange von ca. 66 cm der Rumpf von der Crista 
bis zu den Schultern mit einer Watteschicht von nur 1 cm Dicke 
umgeben wird, so ergibt dies im Korsett einen annähernd zylinder¬ 
mantelförmigen Hohlraum, der, nach der Formel J = h . ic. (r x *— r s ) 
berechnet 1 ), einen Inhalt von ca. 2500 ccm, d. h. 2 1 /* Litern be¬ 
sitzt. In Wirklichkeit ist der Raum wegen der ständigen Atem¬ 
bewegungen des Thorax bedeutend größer. Es ist deshalb dringend 
nötig, von jeder, auch der geringsten Polsterung Abstand zu nehmen 
und das Korsett so eng wie möglich zu machen. 

Daß eine wirkliche Beschränkung der Atemtätigkeit einträte, 
ist nicht zu befürchten, da es bei der raffiniertesten Technik besten¬ 
falls gelingt, den Gips in Inspirationsstellung des Thorax zum Er¬ 
starren zu bringen. Als Beweis hierfür kann ein Versuch dienen, 
den wir nach Anlegung des Gipskorsetts in einem Falle angestellt 
haben. Durch den Halsausschnitt, wurde flüssiger Gipsbrei in das 
Innere des Verbandes eingegossen, nachdem wir zuvor in verschie¬ 
denen Höhen Löcher angebracht hatten, welche das Niveau des 
Flüssigkeitsspiegels anzeigen sollten. Nach Einfüllung von 1 3 /i Litern 
war das Korsett bis obenan.. mit Gipsbrei gefüllt; es war jedoch 
nicht die geringste Behinderung der Atembewegungen zu konstatieren. 
Das engstmögliche Korsett, welches bei der durch die Re- 


') Körperumfang . U = 66 cm 

Rumpfhöhe vom j 

Darmbeinkamm bis zu | h = 35 cm 
den Schultern j 

Polsterdicke ... d — 1 cm 


U = 2 r * = 66 



r, = r + d = 11,5 cm 
J = (r, - - — r'-’.it) h — — . h (r, 4 r 2 ) 

J = 3.14.35.22 
J = 2417.80 ccm 


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Künne 


spiration gesetzten Formschwankung des Thorax überhaupt zu er¬ 
halten ist, erreicht man übrigens auf folgende Weise: Es wird zu¬ 
nächst in möglichst exakter Ausführung der Beckengips angelegt 


Patient mit. Glissonscher Schwebe und Schulterextension 


und bis zu dessen völliger Erhärtung gewartet. Mit schmalen Binden 
wird nun mit der Gipswicklung ungefähr 1—l 1 /* cm weiter hinauf 
gegangen und wieder bis zum Erstarren des Gipsringes zugewartet. 
Der nächste Gipsring greift wieder 1—1 1 /2 cm höher hinauf, wieder 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 523 

wird pausiert, bis der jüngste Gipsring völlig erstarrt ist. Auf 
i diese Weise wächst das Korsett von unten nach oben empor, und da 
jede neue Bindentour an der vorhergehenden erhärteten einen Halt 


Fig. 6. 



Patient in maximaler Extension. Beckengips und Schultergips noch getrennt. 

findet, ist die durch die Thoraxbewegung hervorgerufene Verdrängung 
des Gipses eine minimale. Was den Decubitus anbetrifft, der sich 
früher durch sorgfältige Polsterung nicht immer vermeiden ließ, so 
kam dieser bei unseren ungepolsterten, eng anmodellierten Gips- 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 34 


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524 


Kilnne. 



verbänden niemals vor, was sehr begreiflich ist, weil der eng an¬ 
liegende Gips keine Gelegenheit zur Reibung gibt und den Druck 
besser auf die ganze Körperoberfläche verteilt. Auch die Auster 

Fi*. 7. 


Querband an der Kopfsehwebe, um ein Nachlassen der Kopfextension zu ermöglichen 


in ihrer Schale erleidet ja keinen Decubitus, weil eben die Schale 
dem Körper gut angepaßt ist. Nutzlos, ja schädlich und lästig sind 
gerade die gut gepolsterten Gipskorsetts, in denen der Rumpf, am 
Kopfe qualvoll aufgehängt, wie in einer Tonne hin und her pendelt. 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 525 

Im folgenden gebe ich die genaue Beschreibung meines Ver¬ 
fahrens, für welches ich die Bezeichnung Etappenextension Vor¬ 
schlägen möchte. 

Der Kopf des Patienten ist in einer aus 3 cm breitem Gurt 


Fig. 8. 



Fertiger Gipsverband. 


genähten Schlinge (Fig. 3), welche Kinn und Hinterhaupt umgreift, 
suspendiert. Mit großem Vorteil verwenden wir auch ein in der 
Mitte mit einem kreisförmigen Halsausschnitt versehenes dreizipfe¬ 
liges Tuch (Fig. 9), welches sich der Unterfläche des Kopfes von 


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526 


Künue. 


selbst überall gleichmäßig anlegt und daher größtmögliche Schonung 
gewährleistet. Soll der Kopf nicht mit in den Gipsverband ein¬ 
bezogen werden, so kann die gewöhnliche Glissonsche Schwebe 
(Fig. 5) verwandt werden. Die Oberschenkel sind an die Sitzfläche, 
welche maximal nach vorn gebeugt ist, geschnallt. Arme schräg 
nach vorn unten, in mäßiger Abduktion auf den Bügeln aufruhend. 

I. Etappe: Ganz geringes Anziehen der Extensionsschraube, 
um das Becken aufzurichten. Langsames Umwickeln des Beckens 
mit sorgfältig ausgebreiteten und adaptierten Gipsbinden, welche 
bis l 1 /* cm oberhalb der Cristae iliacae binaufreichen. 


Fig. 9. 



Kopftuch zur Extension. 


Die letzten Bindentouren gehen von der Spina über den Darni- 
beinkamm und das Sacrum sich kreuzend zum Handgriff der ent¬ 
gegengesetzten Seite. 

Völliges Erhärtenlassen des Gipses. 

II. Etappe: Mäßige Extension, um eine gewisse Aufrichtung 
des Rumpfes zu erzielen. Wattepolsterung von Stirn, Hinterkopf. 
Hals und Achselhöhle, Fixierung durch einige Mullbindentouren. 
Sorgfältige Eingipsung dieser Teile. Der Gips reicht vorn bis zum 
Jugulum und den Schlüsselbeinen, hinten bis zur oberen Grenze des 
Rippenbuckels. 

Die letzten Touren gehen geradlinig, aber ohne Anspannung 
von der Achselhöhle bis zum Extensionsbiigel des Kopfes und hinten 
nach der Achselhöhle zurück. Mit dem Rest der Gipsbinde werden 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 527 

die vordere und die hintere Achseltour spiralig umgehen, so daß sie 
beide vom Acromion auszugehen scheinen. 

Völliges Erhärtenlassen des Gipses. 

III. Etappe (Fig. 6): Gleichzeitige Extension an der oberen 
und unteren Schraube. Im Anfang muß der Kopfzug etwas nach¬ 
gelassen werden, damit der Schulterzug zu gleicher Zeit in Kraft 
treten kann 1 ). Anlegung des mittleren verbindenden Gipssegmentes 
(Fig. 8). Gips nicht verstreichen, sondern zart bis zum Erhärten 
an die Körperoberfläche andrilcken. 

An die Beschreibung des Verfahrens sei es mir gestattet, einen 
Bericht Uber die von uns mit der Methode gemachten Erfahrungen 
anzuknUpfen. 

Sie erstrecken sich Uber einen Zeitraum von 2 Jahren, auf 
etwa 60 Redressements an ca. 25 Patienten. Die erreichten Re¬ 
sultate wurden in jedem Falle zahlenmäßig und durch Zeichnungen 
festgelegt. Als Maßstab für die Prüfung der erreichten Extension 
galt die Zunahme der Körpergröße. Die Patienten wurden vor und 
nach Anlegung des Gipskorsetts gemessen. Auch einige Tage nach 
der Verbandlegung sowie in den korsettfreien Intervallen wurden 
Messungen vorgenommen, um über den Grad des Wiederzusammen- 
sinkens in und außerhalb des Korsetts ein Urteil zu gewinnen. Zum 
Vergleich wurde auch zwischendurch die alte Methode, wobei ledig¬ 
lich unter Kopfextension der Gips in einem Teile angelegt wurde, 
geübt. Das Ergebnis der Vergleichungen und Messungen war, daß 
die Etappenextension mit den Angriffspunkten an Kopf und Schultern 
ungefähr das Doppelte leistete gegenüber der früheren Methode. 
Leider waren die gewonnenen Zahlen zum großen Teil nicht exakt 
zu verwerten, weil der Ausbau der Methode eine gewisse Zeit er¬ 
forderte, während welcher wir, um Fehlerquellen auszuschließen, 
sowohl die Technik des Verbandes als auch des Meßverfahrens be¬ 
züglich Einzelheiten mehrfach abzuändern uns genötigt sahen, wo¬ 
durch die Einheitlichkeit der Versuche etwas beeinträchtigt wurde. 

] ) Die Kopfextension befindet sich natürlich in einem gewissen Vor¬ 
sprunge gegenüber der Schulterextension, da die Schulterzüge erst zu einem 
Zeitpunkt angelegt werden, wo die Kopfschlinge schon eine nicht unbeträcht¬ 
liche Extension erfahren hat. Um diesen Vorsprung ausgleichen zu können, 
haben wir die Zügel der Kopfschwebe gleich zu Anfang durch ein quer ver¬ 
laufendes Band (Fig. 7) zusammengezogen, wodurch das Extensionsmaß etwas 
vermehrt wird. Das Querband braucht jetzt bloß durchschnitten zu werden, um 
ein geringes Nachgeben der Kopfextension gegenüber den Schultern zu erzielen. 


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Go», gle 


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528 


KOnne. 


Patient 

Kopf¬ 

Körperlänge 

extension 

vorher 

nachher 

Lea K., 16 J. 

16. 7. 10 

135 

138,6 


22. 7.10 

136.2 

141 


29. 7.10 

137 

142,7 


22. 8. 10 

136,9 

142,6 


5. 9. 10 

138.8 

142 


17.9. 10 

133,5 

142,2 

i 

Lotte R.. 12 J. 1 

22. 7.10 

114.9 

117,7 


6. 8.10 

117,7 

119,7 


19. 8.10 

115,3 

120,5 


10.9.10 

116,9 

119,9 

Hermann G. f 

22. 7.10 

148,2 

151,3 

14 J. 

9. 8. 10 

149.5 

152.6 


22. 8. 10 

150,9 

152.3 


5. 9. 10 

150,2 

152,4 

Margarete S., 

27.7. 10 

144,8 

146 

13 J. 

9. 8. 10 

144,2 

146,4 


22. 8. 10 

143.7 

145.9 


3. 9. 10 

144,1 

145,5 

Willi P., 15 J. 


151.5 

153 


! 18.8. 10 

151.6 

151,9 


2.9.10 

150.4 

152,4 


1 13.9.10 

151,6 

153,6 

Lene Sch., 12 J. 

31.8. 10 

131.8 

133,7 


12. 9. 10 

j 131,9 

133,8 

Erna Sch., 13 J. 

27.7. 10 

PU 

137.2 


9. 8.10 

134/2 

136,9 


31. 8. 10 

: 132,8 

137 

Fritz H. 15 .1. 

3. 8. 10 

! 11? 

120.5 


17. 8. 10 

! 116,6 

120,9 


29.8. 10 

! 1111,9 

121,6 


5. 9. 10 

118,7 

120.9 

Fritz St., 15 J. 

5. 8. 10 

154 

160 


3. 9. 10 

154,4 

158 

Erna Ch., 15 J. 

12. 8. 10 

130 

134 


25. 8. 10 

130 

133,9 


9. 9. 10 

130,7 

133,6 

Else P., 10 J. 

25.8. 10 

126,5 

129.4 


13. 9. 10 

126,7 

130,8 


e 


Zu¬ 

Etappen- 

Körperlänge 

Zu- 

wachs 

eztension 

1 vorher 

1 

nachher 

wrach: 

3.6 
4,8 

5.7 

5.7 
3,2 

l 

j 



3,7 

22. 9. 10 

187/2 

147.1 

9.9 

2,8 

2 

5,2 

24. 10. 10 

138,6 

145,7 

7,1 

! 

1 

3 

3.1 

3.1 

1.4 

11.10. 10 

115,7 

125,6 

9,9 

2,2 

24. 9.10 

149 

155.9 

6,9 

1,2 

2.2 

2.2 

8.10.10 

151 

156,6 ! 

5,6 

1,4 

29. 9. 10 

144 

147 

o 

O 


30. 9. 10 

143.7 

146,8 

3.1 

1.5 

0,3 

9 

19.10.10 

144,3 

145,8 

1,5 

2 

1.9 

29.9. 10 

153 

155,2 

2,2 

1,9 

3.2 

2.7 

29.9.10 

131,9 

136.9 

5 

42 

3,5 

4.3 

1,7 

4.10.10 

134,1 

143 

8,9 

2,2 

20. 9.10 

116,8 

122.2 

5,4 

6 

21.9. 10 

117 

125 

8 

3,6 

4 

3.9 

27. 9.10 

154,6 

162.5 

7.9 

2,9 

2,9 

5.10. 09 

130,7 

137,3 

6.6 

4,1 

30. 9.10 

127,6 

133.1 

5,5 


2. 11.10 

128.0 

131.9 

3,3 


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Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 529 

Ich muß mich daher darauf beschränken, die Zahlen einiger 
nach obiger Methode einwandfrei gemessener und behandelter Pa¬ 
tienten anzuftthren. In der vorstehenden Tabelle habe ich die Er¬ 
gebnisse der Kopfextension denen meiner Etappenextension gegen¬ 
übergestellt. 

Wie die Tabelle dartut, ergibt die Kopf-Schulterextension be¬ 
trächtlichere Körperverlängerungen als die einfache Kopfextension. 
Allerdings geht auch aus den Zahlenreihen das Unerfreuliche her¬ 
vor, daß die erzielten Längenzuwachse außerhalb des extendierenden 
Verbandes zum großen Teile wieder verloren gehen. Bei einigen 
Patienten haben wir es gar erlebt, daß die Körperlänge, nachdem 
sie durch mehrere Extensionen einen bedeutenden Zuwachs erfahren, 
der auch außerhalb des Korsetts zum Teil bestehen blieb, plötzlich 
einen Abfall erlitt, der sie noch unter das vor der Behandlung be¬ 
stehende Körpermaß zurückbrachte. Es waren dies ausschließlich 
Patienten, die sehr lange der Extensionsbehandlung unterzogen 
waren. Hier handelte es sich zweifellos um Schädigungen, die als 
eine Folge mangelnder Dosierung des Heilfaktors entstanden waren. 
Da jedoch zweifellos Ausnahmefälle vorliegen, welche auf offenbare 
und leicht vermeidbare Fehler zurückzuführen sind, kann der Me¬ 
thode selbst kein Vorwurf aus diesen vereinzelten Mißerfolgen er¬ 
wachsen. Läßt doch ein Blick auf die Reihe der vor der jedes¬ 
maligen Extension gemessenen Zahlen deutlich erkennen, daß die 
Körpergröße im Laufe der Behandlung in der Regel eine stetige 
Zunahme erfährt, die das Maß des für diese Zeitspanne zu erwar¬ 
tenden physiologischen Wachstums bei weitem übertrifft. Das 
plötzliche Zusammensinken jener Patienten lehrt uns nur von neuem 
die Notwendigkeit der Forderung, die Gipsfixation der Skoliose nicht 
über einen allzugroßen Zeitraum auszudehnen wegen der sich ent¬ 
wickelnden Bänder-Muskel- und Knochenatrophie. In der Freude 
über die schönen Extensionserfolge hatten wir diese alte Wahrheit 
etwas außer acht gelassen. Im übrigen lag die eigentliche äußere 
Veranlassung für unser prolongiertes Extensionsverfahren in dem 
Umstand, daß damals die Armendirektion auf die Bewilligung der 
von uns beantragten Dauerkorsetts übermäßig lange auf sich warten 
ließ. Es ist aber von großer Wichtigkeit für die Methode, beizeiten 
aufzuhören und ein gut adressierendes Dauerkorsett zu geben, 
welches das gewonnene Resultat erhält und zu gleicher Zeit durch 
seine Abnehmbarkeit eine kräftigende Massage- und Gymnastik- 


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Original frum 

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530 


Künne. 


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therapie ermöglicht. Nur dadurch, daß wir diese Forderung im 
ersten Jahre der Benutzung dieser Methode nicht berücksichtigten, 
haben wir nicht die Dauererfolge erzielt, welche das Verfahren bei 
richtiger Indikationsstellung und bei der notwendigen Beschränkung 
in der Ausübung verspricht. Unsere später ausgeführten Exten¬ 
sionen gaben uns wesentlich bessere Dauerresultate, weil wir gelernt 
hatten, besser zu dosieren. Ich habe trotzdem die Zahlen ausschlie߬ 
lich jener ersten Zeit entnommen, weil wir später bald mit der 
Extension die verschiedensten redressierenden Maßnahmen verbanden, 
und es mir hier lediglich darauf ankam, die Leistung der reinen 
Extension zu demonstrieren. Es ist selbstverständlich, daß die Ex¬ 
tension, wie sie hier beschrieben worden ist, in ihrer Wirkung mit 
Vorteil unterstützt werden kann durch direkt adressierende Ma߬ 
nahmen. Wenn bisher von dem Redressement nicht die Rede war. 
so geschah es nicht, weil wir etwa glaubten, daß dieses der Ex* 
tension gegenüber vernachlässigt werden könne. Im Gegenteil wen¬ 
den wir selbst sowohl das manuelle als auch das Redressement 
mittels Pelotten, elastischen Zügen und detorquierenden Manipula¬ 
tionen im weitesten Umfange an. Hier sollte mit Nachdruck betont 
werden, daß die erste Vorbedingung für das Gelingen des Redresse¬ 
ments am skoliotischen Thorax eine wirksame Streckung der Wirbel¬ 
säule ist. Wir stimmen vollständig mit Wul Ist ein überein, welcher 
von Anfang an den Hauptwert auf eine kräftige Extension der 
Wirbelsäule legte, da mit dieser allein schon eine beträchtliche Ab¬ 
flachung des Rippenbuckels zu erreichen sei. Auch darin sind wir 
mit Wullstein einer Meinung, daß ohne eine nennenswerte Ex¬ 
tension der Wirbelsäule lediglich durch Druck auf den Rippenbuckel 
eine irgendwie in Betracht kommende Korrektion der Deformität 
nicht bewirkt werden kann. 

Was das von mir beschriebene Extensionsverfahren anbetrifft, 
so möchte ich als Vorzüge des in Etappen angelegten Gipsverbandes 
noch einmal zusammenfassend hervorheben: 

1. Die Dirigierung der extendierenden und damit redressieren¬ 
den Kraft auf den von der Verkrümmung betroffenen Teil der 
Wirbelsäule, 

2. die ausgiebigere Extension und Körperverlängerung, 

3. die Schonung der gesunden Wirbelsäulenanteile, insbesondere 
der Halswirbelsäule, 

4. die sichere Ausschaltung der Hüftgelenke. 


Gck gle 


Original frnm 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Bedeutung und Technik der Extension in der Skoliosenbehandlung. 531 

5. die Schaffung guter Handhaben zur Ausführung der De- 
torquierung der Wirbelsäule, 

6. die größere Schonung des Patienten, beruhend auf 

a) Schutz der Halswirbelsäule vor Ueberdehnung durch den 
gleichzeitigen Schulterzug, 

b) Verminderung des schmerzhaften Oberschenkelzuges durch 
den breit angreifenden Beckengips, 

c) Patient befindet sich nur während der kurzen Zeit der An¬ 
modellierung des mittleren Gipssegmentes in der Phase der maxi¬ 
malen Extension, 

7. bessere Erhaltung des Extensionsresultates durch einen 
ohne Polster dem Körper eng anliegenden Gipsverband. 

Die Skoliosenbehandlung, wie wir sie jetzt ausüben, besteht 
darin, daß wir bereits nach zwei bis drei Redressements das Stahl¬ 
korsett im Rohbau herrichten und, während der Patient einer ener¬ 
gischen Massage des Rückens unterworfen wird, eine Zeitlang tragen 
lassen. Es folgt dann wieder eine Periode von zwei bis drei Re¬ 
dressements. Nach Ablauf dieser Periode wird das Korsett von 
neuem den veränderten Körperverhältnissen angepaßt. Nach drei 
bis vier solcher Perioden wird das Korsett definitiv fertiggestellt 
und der Patient dauernd mit Massage und Gymnastik weiter be¬ 
handelt. 

Ich glaube in meinen Ausführungen dargelegt zu haben, daß 
die übliche Extension am Kopf ebenso unvollkommen ist, wie die 
frühere an den Füßen, ferner daß die Mitheranziehung der Schultern 
zur Extension am oberen Rumpfende nicht nur möglich, sondern 
auch geeignet ist, die der reinen Kopfextension anhaftenden Nach¬ 
teile auszuschalten. 

Meinem hochverehrten Chef, Herrn Professor Biesalski, der 
mir sowohl bei den Untersuchungen als auch bei der Ausführung 
der Arbeit mit Rat und Tat in bereitwilligster Weise zur Seite ge¬ 
standen hat, sei an dieser Stelle mein wärmster Dank abgestattet. 


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Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



XXVIII. 


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Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Dir.: Geh. Rat Prof. 

Dr. H. KQttner). 

Ueber die Kombination von symmetrischer 
Madelungscher Handgelenksdeformität 
mit doppelseitiger metakarpaler Brachydaktylie. 

Von 

Dr. Eduard Melchior, Assistent der Klinik. 

Mit 5 Abbildungen. 

Der nachstehend wiedergegebene Fall von Madelungscher De¬ 
formität, der im März d. J. in der Kiittnerschen Klinik zur Be¬ 
obachtung gelangte, erscheint wegen seiner Kombination mit ander¬ 
weitigen Verbildungen des Handskeletts und der sich daraus für die 
Theorie der Handgelenksdeformität selbst ergebenden genetischen 
Schlüsse der Mitteilung wert. 

Die Beobachtung betrifft ein 19jähriges Mädchen — Petro- 
tronella S. — aus Russisch-Polen, welches die Klinik wegen einer 
bestehenden Lyniphdrüsentuberkulose aufsuchte. Die auffälligen 
Veränderungen beider Hände stellten einen Nebenbefund dar. 
Anamnestisch war hierüber nur zu eruieren, daß diese Verbil¬ 
dung von „jeher“ bestanden haben soll; Patientin will nie Schmerzen 
in den Händen oder Armen verspürt haben. Sie ist in der Land¬ 
wirtschaft tätig und kann ihre manuelle Arbeit in jeder Weise gut ver¬ 
richten. In der übrigen Familie soll eine ähnliche oder andere 
Mißbildung nicht vorgekommen sein; der sie begleitende ^ater 
wies völlig normale Extremitäten auf. 

Der von uns erhobene Befund lautete im einzelnen folgender¬ 
maßen : 


Gck igle 


Original from 

UMIVERSITY OF CALIFORNIA^ 



Kombination v. symmetrischer Madelungscher Handgelenksdeformität usw. 533 

Auffallend großes Mädchen (177 cm). Gesichtsfarbe blaß, 
graziler Körperbau, mäßiger Ernährungszustand. 

In der Unterkiefergegend teils frisch vernarbte, teils speckig 
ulzerierte durchgebrochene tuberkulöse Drüsen. Einzelne derartige 
Veränderungen finden sich auch in der rechten seitlichen Halsgegend. 

Innere Organe o. B. 

Die unteren Extremitäten sind auffallend plump und 
massig. 

Rachitische Veränderung (Schädel, Zähne, Rippen usw.) nir¬ 
gends nachweisbar, nur besteht eine leichte Andeutung von 
Trichterbrust. 

Obere Extremitäten: Beiderseitiger Cubitus valgus von 
30 °, Länge des rechten Oberarms vom Akromion bis zur Ellen¬ 
bogenspitze 35 cm, von letzterer bis zum Prozessus styloideus radii 


Fig. 1. 



2(3 cm (bei rechtwinklig gebeugtem Arm gemessen); links beträgt 
die Länge des Vorderarms nur 24,5 cm. Beide Arme sind sehr 
mager; die Muskelfunktion jedoch leidlich kräftig. Bei seitlicher 
Haltung der gestreckten und pronierten Extremität fällt beiderseits 
ein starkes Prominieren des unteren Ulnaendes auf (siehe Fig. 1); 
beide Hände stehen in deutlicher „Fourchette-Stellung“, in¬ 
dem ihre Achse gegenüber der des Vorderarmes eine volare Parallel¬ 
verschiebung aufweist. Die Distanz der Hypothenarfläche vom oberen 
Rande des Ulnaköpfchens beträgt rechts (3 cm, links 5 cm. Die 
Gelenkfläche des distalen Ulnaendes läßt sich fast in toto frei um¬ 
greifen. Passiv kann man die Ulna in geringerem Maße gegenüber 
dem Radius verschieben. Die aktive und passive Volarfiexion der 
Hand beträgt rechts 60°, links 45°; die Dorsaltiexion rechts 65°, 
links 70°. Supination und Pronation frei. Der Radius weist eine 
deutliche, mit dem Auge wie durch die Palpation erkennbare volar 
gerichtete Krümmung des unteren Gelenkabschnittes auf; diese 


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534 


Melchior. 


Difitized by 


i 


Krümmung ist rechts stärker ausgesprochen als links und beginnt 
etwa 5 cm oberhalb der Gelenkfläche. 

Bei Betrachtung der Hände von oben fällt eine abnorme 
Kürze des 4. und 5. Fingers beiderseits auf, während der 2. 
und 3. Finger eher als zu lang erscheinen. Es bleibt der 4. Finger 
hinter dem 3. in ausgestreckter Stellung um 3,4 cm zurück (Fig. 2t 


Fig. 2. 



Die Längenverhältnisse der Finger im einzelnen, welche durch Mes* 
sung der Fingerachsen von der Spitze bis zur Basis der Schwimm¬ 
hautfalten erhalten wurden, sind aus folgenden Zahlen ersichtlich: 


Dig. I rechts 6,5 cm 

. II „ 8,2 „ 

■ III „ 9.7 „ 

, IV , 8,0 „ 

. V „ 6,2 „ 

Bei Faustschluß der Finger zeigt sich nun unmittelbar, daß 
dieses Mißverhältnis in der Größe des 4. und 5. Fingers auf einer 


links 6,0 cm 

• 8,2 , 

v 9,4 „ 

. 7,6 „ 

. 6,0 „ 


Fig. 8. 



abnormen Kürze der zugehörigen Metacarpalia beruht. Es bilden 
nämlich beim Faustschluß die Fingerknöchel keine fortlaufende Reihe, 
sondern es bleiben die Köpfchen des 4. und 5. Mittelhandknochens 
deutlich hinter den übrigen Capitula zurück (Fig. 3). Besonders 
deutlich wird diese Verkürzung der genannten Metacarpalia auch im 
Röntgenbilde (Fig. 4) sichtbar. 


Go igle 


Original from 

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Kombination v. symmetrischer Madelungscher Handgelenksdeformität usw. 535 


Im übrigen ist auf 
den seitlich aufgenomme¬ 
nen Rön tge nbildern — 
hier nicht reproduziert — 

, die oben geschilderte vo¬ 
lare Abbiegung des unte¬ 
ren Radiusendes gut er¬ 
kennbar. 

In den dorso-volaren 
Aufnahmen (Fig. 4, 4 a) 
dokumentiert sich diese 
für die Madelungsche De¬ 
formität typische Verkrüm¬ 
mung dadurch, daß die 
Konturen des Naviculare 
und Lunatum zum Teil 
von dem Schatten des Ra¬ 
dius Uberschnitten werden. 
Der Carpus selbst zeigt 
die charakteristische keil¬ 
förmige Gestalt. Gleich¬ 
zeitig ist im Röntgenbilde 
eine abnorme ulnare 
Neigung der distalen 
Gelenkfläche des Radius 
erkennbar. 

Das Vorderarm- und 
Handskelett im Ganzen 
erscheint im Röntgenbilde 
etwas schmächtig, die 
Knochen geben außerdem 
keinen sehr intensiven 
Schatten (Atrophie). Die 
Radiusepiphyse ist — bei¬ 
derseits — nur noch im 
äußeren Abschnitt auf eine 
kurze Strecke erkennbar; 
sie ist von unregelmäßiger 
Grenze zu klaffen; eine 


Fig. 4. 



Gestalt, rauh, und scheint an der äußeren 
ähnliche, wenn auch nur unbedeutende 


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Original frorn 

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536 


Melchior. 


Unterbrechung der Kontinuität findet sich auch an der ulnaren 
Seite der distalen Radiusepiphyse angedeutet. 

Es handelt sich also, wie es im Titel dieser Mitteilung aus¬ 
gesprochen ist, um eine symmetrische Verbildung beider Hände, 
bestehend in einer Deformität des Handgelenkes entsprechend dem 
Madelungschen Typus, sowie in einer gleichzeitigen Verkürzung der 
Metacarpalia 4 und 5. 

Es fragt sich nun, in welcher Weise das Zustandekommen der 
Madelungschen Deformität in diesem Falle aufzufassen ist. 

Im allgemeinen wird heutzutage die Madelungsche Deformität 
— ohne die gesamte umfangreiche Literatur hier aufrollen zu 
wollen — als das Produkt einer erworbenen Wachstumsstörung 
aufgefaßt, indem man annimmt, daß in der beginnenden Adoleszenz 


Fig. 4 a. 



der in diesen Fällen abnorm weiche — rachitische? — Radius durch 
das physiologische Uebergewicht der Flexoren eine fehlerhafte — 
der Hauptsache nach — volar gerichtete Verkrümmung erleidet. 

Gegenüber dieser für einen Teil der Fälle durchaus plausiblen 
Erklärung drängt sich aber in der vorliegenden Beobachtung das 
Problem auf, ob man nicht berechtigt ist, hier von einer Madelung¬ 
schen Deformität auf Grund eines Vitium primae formationis 
oder zum mindesten als einer intrauterin erworbenen zu sprechen. 
Es erscheint nämlich hier die Koinzidenz der Handgelenksdeformität 
mit den gleichzeitig bestehenden sicher als echter Mißbildung zu 
betrachtenden Verkürzungen der Metacarpalia 4 und 5 als eine so 
sinnfällige und als etwas so innig Zusammengehöriges — namentlich 
auch wegen des genau symmetrischen Verhaltens — daß es will¬ 
kürlich sein würde, für jede dieser Anomalien eine verschiedene, 
voneinander unabhängige Genese anzunehmen. 


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Kombination v. symmetrischer Madelungscher Handgelenksdeformität usw. 537 

Das Fehlen einer sonstigen Rachitis sowie die eingangs an¬ 
geführte Anamnese könnte schließlich ebenfalls in diesem Sinne ver¬ 
wertet werden; doch darf man natürlich diese Faktoren nicht über¬ 
schätzen, da ja auch Fälle von Madelungscher Deformität bekannt 
sind, bei denen über gleichzeitig bestehende rachitische Veränderungen 
nichts berichtet wird. Ebenso könnte sich die Deformität so schleichend 
und indolent entwickelt haben, daß ihre Ausbildung der Trägerin 
selbst nicht zum Bewußtsein gekommen wäre. 

Die größere klinische Wahrscheinlichkeit spricht indessen dafür, 
daß in unserem Falle die Madelungsche Deformität analog mit den 
bier gleichzeitig vorhandenen sonstigen Anomalien als eine echte 
Mißbildung aufzufassen ist, und in dieser Hinsicht liegt das prin¬ 
zipiell Interessante dieser Beobachtung. Vielleicht dürfte auf Grund 
derselben die bekannte Tatsache, daß die Madelungsche Deformität 
nicht selten ein ausgesprochen hereditär-familiäres Auftreten zeigt, 
durch Betonung des kongenitalen Momentes dem Verständnis 
näher gerückt werden. 

In der Literatur konnte ich ein Analogon zu dem vorliegenden 
Falle nicht auffinden. 


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XXIX. 


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Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen 

der Finger. 

Von 

Dr. A. Seharff, 

Spezialarzt für orthopädische Chirurgie in Flensburg. 

Mit 7 Abbildungen. 

Wenn ich in folgendem über Fälle von Mißbildungen der 
Finger berichte, so geschieht dies einerseits, weil die beiden Fälle 
Mutter und Kind betreffen, so daß aus dem Vergleich der beiden 
Fälle ein Schluß auf die Entwicklung der Deformität gezogen 
werden kann, anderseits weil es sich um keine reine Brachydaktylie 
handelt, sondern um gleichzeitige seitliche Abbiegung der Finger, 
wie sie seltener beobachtet und beschrieben wird. 

Ein Zufall führte mir die beiden Fälle zu. Am 4. Dezember 
1911 kam der 4 */* jährige K. M. in meine Behandlung mit einer 
Schußverletzung des 3. und 4. linken Fingers, entstanden dadurch, 
daß beim Oeffnen der Zimmertür ein neben dieser hängender ge¬ 
ladener Revolver herunterfiel und sich entlud. Die Röntgenaufnahme 
zeigte in den beiden Fingern 15 Schrotkugeln, die am 5. Dezember 
1911 in Narkose entfernt wurden. Die Wunden heilten glatt. Bei 
der Untersuchung fiel mir nun die eigentümliche Form der Finger 
auf und zugleich bemerkte ich auch bei der Mutter des kleinen 
Patienten eine ähnliche Mißbildung der Finger. 

Die Mutter machte darüber folgende Angaben. Die Deformität 
ist in der Familie erblich und zwar in der Weise, daß jedes dritte 
Kind mißbildete Finger hat. Der kleine K. ist das dritte Kind: 
die beiden älteren Geschwister haben wohlgebildete Finger, ebenso 
drei jüngere Geschwister. Auch die Mutter ist das dritte Kind ihrer 
Eltern, ihre zehn Geschwister haben keine Mißbildung, aber eine 


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Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen der Finger. 


539 


ihrer Schwestern, die in Amerika verheiratet ist, hat neben gesunden 
Kindern auch eines und zwar ihr drittes mit der gleichen Finger- 
mißbildung. Der Vater der Mutter hat angeblich keine Mißbildung 
der Finger gehabt, wohl aber dessen Bruder, der auch drittes Kind 
war. Dieser hat ebenfalls ein Kind (Knaben) mit mißbildeten 
Fingern. Dieser Knabe war das dritte Kind; die anderen vier 
Kinder hatten gerade Finger. Die Deformität ist nach den Ueber- 
Iieferungen in der Familie schon seit vielen Generationen erblich; 
soviel Frau M. weiß, war die Urgroßmutter ihres Vaters die erste, 
die verbildete Finger hatte. Es sind niemals andere Mißbildungen 


Fig. 1. 



in der Familie beobachtet worden, auch niemals Mißbildungen der 
Zehen, sondern immer Verkürzung und Verkrümmung einzelner 
Finger, wenn auch in verschiedenen Generationen nicht immer die 
gleichen Finger mißbildet waren. 

An den Händen der Mutter fällt folgendes auf: Beide kleinen 
Finger stehen in leichter Beugung, das Mittelglied ist verkürzt, das 
Nagelglied radialwärts abgebogen. Beide Zeigefinger sind stark 
verkürzt, das Nagelglied ist links nur ganz wenig, rechts stark 
radialwärts abgebogen. An beiden Zeigefingern ist keine Beugefalte 
für ein Mittelgelenk zu sehen. Die Längenverhältnisse der Knochen 
(siehe Fig. 1) sind aus der folgenden Tabelle zu ersehen, auf der 
Zeitschrift für orthopädische Cliirursie. XXX. Bd. 35 


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540 


Schärft'. 


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gleichzeitig die von Pfitzner für Frauenhand zusammengestellten 
anatomischen Durchschnittsmaße und die Differenz diesen gegenüber 
angegeben sind. Die Messungen wurden an der Hand und an dem 
Röntgenbild gemacht. Da der Focus der Röhre 50 cm über der 
Platte stand, so entsprechen die Umrisse der einzelnen Knochen den 
normalen Maßen. Die Maße sind in Millimetern angegeben. 



Metacarpus 

1 

Grunci- 

phalanx 

Mittel¬ 

phalanx 

Kn 

phal 

d- 

anx 

i ... 

r inger 


al>- nor- 

nonn 1 mal 

al.- nor- 

norm mal 

a!> 

1 norm 

nor¬ 

mal 

all- | 
norm 

nor¬ 

mal 

, al- no- 

1 norm imI 

Daumen . . . 

37 ; 41.4 
Diff. -4.4 

80 28 
Diff. -f 2 


— 

20 

Diff. - 

20.4 

-0.4 

1 50 47’* 

; Dlfi*. -2.1 

Zeigefinger . . 

05 | 02.1 j 
Diff. + 2.9 

42 1 37 ! 

Diff. + 3.2 | 


— 

1 10 

10 

1 

1 53 45.4 

Diff. -7.4 

Mittelfinger . . 

03 1 59,8 
Diff. 4- 8,2 , 

45 41.2 

Diff. + 3,8 

23 

Diff. 

27.1 
- 3,9 

15 

Diff. - 

IG 
- 1 

s;4 84.0 

Diff. — 1.'* 

Ringfinger . . 

57 54 1 

Diff. + 3 1 

43 i 38.8 
Diff. + 4.2 

27 

Diff. 

1 25.8 

V 1.2 

15 1 
Diff. - 

15,7 

-0,7 

85 ! 81.7 
Diff. -o,:> 

Kleiner Finger . 

53 1 50 
Diff. +3 

32 30.61' 

Diff. -}- 1.4 i 

11 

Diff. 

is.2 

-7,2 

15 ' 
Diff. 

15.7 

0,7 

58 U.4 

Diff. -Ü.4 


Die Messungen zeigen, daß auch der Metacarpus des Daumens 
verkürzt ist, was um so mehr auffällt, als die übrigen Metacarpalia 
etwas länger als normal sind. Das Röntgenbild läßt folgende Ab¬ 
weichungen erkennen: An beiden kleinen Fingern ist die Mittel¬ 
phalanx stark verkürzt und plump, gedrungen, doch ist die normale 
Dreigliederung noch zu erkennen. Die Knochenstruktur erscheint 
insofern verändert, als die Corticalisschatten an der lateralen Seite 
beträchtlich stärker erscheinen, wie an der medialen; dagegen findet 
sich keine Aufhellung im Capitulum oder Rarefikation der Spongiosa 
(Fig. 2). 

Die Endphalangen sind zart und schmal, zeigen aber deutlich 
die normale Gliederung; sie sind radialwärts abgebogen infolge der 
Mißformung der Mittelphalangen. An den Zeigefingern besteht ein 
Unterschied zwischen rechter und linker Hand. Rechts findet sich 
an Stelle der Mittelphalanx nur ein dreieckiges Knochenstück, das 
sich keilförmig so zwischen Grund- und Nagelphalanx schiebt, daß 
dadurch die Nagelphalanx stark radialwärts abgebogen wird. Links 
scheint diese Anlage der Mittelphalanx vollständig zu fehlen, in¬ 
dessen bemerkt man bei genauerer Betrachtung des Bildes an der 


Gck igle 


Original from 

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Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen der Finger. 541 

medialen Seite des Gelenkes einen rundlichen Knochenschatten 
zwischen Köpfchen der Grundphalanx und Basis der Nagelphalanx; 


Fig. 2. 



offenbar die rudimentäre Mittelphalanx. Die Nagelphalanx ist durch 
dieses kleine Knochenstückchen ganz leicht radialwärts abgebogen. 

Bei dem kleinen 4jährigen Kai M. findet sich ebenfalls an 
beiden Händen eine Mißbildung einzelner Finger, und zwar sind 


Fig. 3. 



beiderseits Zeige- und Mittelfinger verkürzt und zugleich seitwärts 
abgebogen, der Zeigefinger ulnarwürts, der Mittelfinger radialwärts 


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542 


Schaiff. 


(siehe Fig. 3). Besonders auffallend wird die Deformität, wenn 
der Knabe einen Gegenstand ergreift oder die Finger zur Faust 
ballt. Es werden dann nur 3., 4. und 5. Finger in die Hohl* 
hand eingeschlagen, während sich der Zeigefinger mit seiner Volar¬ 
fläche über die Dorsalflächen der übrigen Hand legt. Der Kleine 
ist trotzdem ganz geschickt mit den Händen und kann sogar schon 
schreiben. 

An beiden Zeige- und beiden Mittelfingern ist scheinbar nur 
ein Interphalangealgelenk, und zwar das Endgelenk vorhanden. Die 
Haut zeigt nur entsprechend dieser Stelle die typischen Gelenkfalten 


Fig. 4. Fig. 5. 



und nur an dieser Stelle können die Finger gestreckt und gebeugt 
werden. Die Länge der Finger, vom Metacarpophalangealgelenk 
bis zur Fingerkuppe gemessen, beträgt: Daumen: 4 l jt cm (Grundglied 
2 1 /* cm, Nagelglied 2 cm), Zeigefinger: 4 cm (Grundglied 3 cm. 
Nagelglied 1 cm), Mittelfinger: 5 cm (Grundglied 3 1 /» cm, Nagel¬ 
glied l 1 -’ cm), Ringfinger: 5 1 ;a cm (Grundglied 2 cm, Mittelglied 
2 cm, Nagelglied 1 */« cm), kleiner Finger: 4 cm (Grundglied 1 V* cm. 
Mittelglied l’i cm, Nagelglied l 1 /* cm). Die Maße sind an beiden 
Händen gleich. Am Mittel- und Zeigefinger scheinen also die Mittel¬ 
phalangen zu fehlen. Die Röntgenbilder zeigen nun folgendes 
(Fig. 4 und 5): 

In der Handwurzel sieht man zwei Knochenkerne, wohl die 
vom Os capitatum und Os hamatum. Da der Knabe schon 4 J ,s Jahre 


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Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen der Finger. 


543 


alt ist, sollte man eigentlich auch schon einen Enochenkern vom 
Os triquetrum sehen, ich möchte aber dem Fehlen dieses Knochen¬ 
kernes keine Bedeutung beimessen, da gerade beim Os triquetrum 
die Zeit des Erscheinens des Knochenkernes um 1 bis 2 Jahre 
schwanken kann (vgl. Köhler, Lexikon der Grenzen des Normalen 
und der Anfänge des Pathologischen im Röntgenbilde). An den 
Metacarpalknochen ist keine Abweichung vom Normalen zu sehen. 
Entsprechend dem Alter des Kindes sind die Epiphysenlinien noch 
erhalten. Um so auffallendere Veränderungen finden sich an den 
Phalangen. Die Grundphalanx des Zeigefingers zeigt Oberhaupt 
keine Aehnlichkeit mit einer normalen Phalanx. Es ist ein kurzer, 
plumper Knochen, der an der radialen Seite eine deutliche Epiphysen¬ 
linie aufweist. Eine deutliche Abgrenzung der Corticalis fehlt, der 
Knochen zeigt keine scharfe Strukturzeichnung. Mittel- und End¬ 
phalanx zeigen normale Form, sind nur schwächer und zarter, wie 
an den wohlgeformten Fingern. Noch stärkere Abweichungen von 
der Norm zeigen die Mittelfinger. Die Grundphalanx zeigt etwa 
an der Grenze zwischen proximalem und mittlerem Drittel eine un¬ 
regelmäßig schräg verlaufende durchlässige Stelle, die ich für eine 
abnorm gelagerte Epiphysenlinie halte, denn die Grundphalangen 
der normalen Finger haben noch deutliche Epiphysenlinien, und das 
proximal von dem schrägen Spalt liegende Knochenstück zeigt keine 
Epiphysenlinie mehr. Distal von' dem Spalt zeigt der Knochen an¬ 
nähernd normale Form, wenigstens an der rechten Hand. An der 
linken Hand ist auch distal eine Epiphysenlinie (?) noch deutlich 
zu sehen, und zwar verläuft sie schräg im entgegengesetzten Sinne 
zu der proximalen Epiphysenlinie. Die Phalanx erscheint dadurch 
unregelmäßiger wie an dem rechten Mittelfinger, wo die Ossifikation 
schon weiter vorgeschritten ist. 

Auch an der Mittelphalanx findet sich ein beträchtlicher Unter¬ 
schied zwischen rechter und linker Hand. Am linken Mittelfinger 
ist die Mittelphalanx erheblich kürzer als normal und hat, da auch 
die Verjüngung in der Mitte fehlt, die Form eines niedrigen, ab¬ 
gestumpften Kegels. Die Epiphysenlinie ist am Basalteil deutlich 
zu sehen, die Ossifikation hat aber schon begonnen. Zwischen dem 
distalen Ende und dem Mittelstück findet sich eine Einschnürung 
an beiden Seiten, die durch eine Linie verdichteten Knochens ver¬ 
bunden ist. Ich werde hierauf später noch zurückkommen. Am 
rechten Mittelfinger hat der Schatten der Mittelphalanx etwa die 


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Go^ 'gle 


Original frum 

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544 


Scbarff. 


I 


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Form eines Quadrates mit abgerundeten Ecken. Die Ossifikation 
ist hier schon so weit vorgeschritten, daß nur ein stärker sich ab- 
hebender Querstreifen noch die Stelle bezeichnet, wo die Verschmel¬ 
zung der Knochen stattgefunden hat. Die Struktur des Knochens 
ist weniger scharf, wie die der übrigen Knochen. Die Endphalangen 
beider Mittelfinger sind normal. 

Da auf den Kopien der Röntgenbilder, besonders bei der Re¬ 
produktion im Druck, Einzelheiten der Zeichnung, die (Fig. 6) anf 
der Platte deutlich sichtbar sind, oft verloren geben, so habe ich 
von den Platten noch Pausen angefertigt und auf diesen noch die 
Epiphysenlinien und die Stellen, an denen sich auf den Platten Ab¬ 
grenzungen zwischen den einzelnen Knochenabschnitten finden, be- 

Fig. 6. 




sonders hervorgehoben. Außer den bereits erwähnten abnormen 
Epiphysenlinien an den Grundphalangen der Zeige- und Mittelfinger 
finden sich auch am distalen Ende der Mittelphalangen beider Zeige* 
finger, am distalen Ende des Metacarpus (oder richtiger der Grund¬ 
phalanx) beider Daumen und am distalen Ende der Mittelpbalans 
des linken Mittelfingers deutliche Lücken im Knochenschatten, die 
den Eindruck machen, als wenn diese Knochen auch eine distale 
Epiphyse hätten. Anderseits könnte man gerade bei dem Röntgen¬ 
bilde der Mittelfinger zunächst an Hyperphalangie denken; da sich 
aber nur die eine schräg verlaufende Epiphysenlinie in der Mitte 
der Phalanx findet, so möchte ich doch annehmen, daß es sich um 
eine außergewöhnlich starke Entwicklung der proximalen Epiphyse 
bei abnormer Anlage der Epiphysenlinie handelt. Nach einigen 
Jahren wird sich durch neue Röntgenaufnahme feststellen lassen. 


Gck igle 


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Zwei Fülle von symmetrischen Mißbildungen der Finger. 


545 


ob die proximale Epiphyse mit der Diaphyse verschmilzt oder ob 
sich beide Knochen selbständig weiter entwickeln. Auch an den 
übrigen Knochen wird es interessant sein, die weitere Entwicklung 
und endgültige Gestaltung zu beobachten. 

Vergleicht man die Hände des Kindes mit denen der Mutter, 
so findet man zunächst, daß die Deformität bei dem Kinde stärker 
ausgeprägt ist, als bei der Mutter. Es sind auch nicht dieselben 
Finger mißbildet, sondern bei der Mutter Zeige- und kleiner Finger, 
bei dem Kinde Zeige- und Mittelfinger beiderseits. Bei der Mutter 
sowohl wie bei dem Kinde sind zwischen rechter und linker Hand 
einige Unterschiede zu bemerken. Bei der Mutter ist die Mittel¬ 
phalanx des linken Zeigefingers stärker deformiert, wie die des 
rechten, bei dem Kinde zeigt die Mittelphalanx des rechten Mittel¬ 
fingers größere Abweichungen von der Norm wie die des linken. 
Die Grundphalangen der Zeigefinger des Kindes werden nach völliger 
Verknöcherung der Epiphysenlinien wohl ein ähnliches Bild bieten, 
wie die Mittelphalangen der kleinen Finger der Mutter. 

Die beiden beschriebenen Fälle weichen von dem gewöhnlichen 
Bilde der Brachydaktylie insofern ab, als es sich nicht nur um 
Verkürzung der Finger infolge des Fehlens oder der mangelhaften 
Entwicklung der Phalangen handelt (noch häufiger sind bei der 
reinen Brachydaktylie ein oder mehrere Metacarpalia verkürzt, wäh¬ 
rend in meinen beiden Fällen sämtliche Metacarpalia normale Form 
und, abgesehen vom Daumen der Mutter, normale Größe zeigen), 
sondern gleichzeitig eine mehr oder weniger starke seitliche Ab¬ 
biegung der betroffenen Finger besteht. Während Fälle von ein¬ 
facher Verkürzung der Finger öfter beschrieben wurden, finden sich 
nur wenige Mitteilungen über ähnliche Deformitäten, wie die von 
mir beobachteten. 

In der mir zur Verfügung stehenden Literatur habe ich nur 
4 Fälle gefunden, die ich ganz kurz erwähnen will. 1. In der 
Münch, med. Wochenschr. 1903, Nr. 32 berichtet Ziegner über 
2 Fälle, die eine 48jährige Frau und deren 25jährige Tochter be¬ 
trafen. Beide Frauen zeigten eine Deviation des Nagelgliedes beider 
Zeigefinger nach der radialen Seite, die durch eine Verkümmerung 
der dreieckiggeformten Mittelphalangen verursacht war. An den 
Füßen war die Mittelphalange der großen Zehe verkümmert und 
zeigte dreieckige Konfiguration; die Endphalange der großen Zehe 
war fibularwärts abgebogen, die der übrigen Zehen tibialwärts. 


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546 


Scharff. 


2. Joachimsthal führt in seinem Werk: „Die angeborenen 
Verbildungen der oberen Extremitäten“ einen Fall (Fall 3) an, bei 
dem bei einem 27jährigen Patienten an beiden Händen eine Ver¬ 
kürzung des 2.—5. Fingers bestand. Das erste Glied des Zeige¬ 
fingers wich vom Metacarpale in einem Winkel von etwa 30° 
ulnarwärts ab, während das Endglied, ebenso wie dasjenige des 
kleinen Fingers wieder eine Richtungstendenz nach der radialen 
Seite aufwies. Auf dem Röntgenbild bemerkt man, daß die Basis 
der Grundphalanx auf der radialen Seite wesentlich weiter proximal¬ 
wärts heraufreicht, als auf der ulnaren, so daß sie eine entfernte 
Aehnlichkeit mit der Form einer Basis Metatarsi quinti hat. 

3. Klaußner(Ueber Mißbildungen der menschlichen Gliedmaßen. 

1900) hat einen Fall beschrieben 
(Fall 44), bei dem neben einer Ver¬ 
kürzung sämtlicher Finger an beiden 
Händen eine geringe Adduktionsstel¬ 
lung desVordergliedes des Ringfingers, 
stärkere des kleinen Fingers an jeder 
Hand bestand. Die Röntgenbilder 
zeigen Verkürzung des Metacarpus I 
und der Mittelphalangen an den übri¬ 
gen Fingern, an den Mittelfingern 
außerdem Hyperphalangie. An Stelle 
einer Grundphalanx finden sich näm¬ 
lich zwei Glieder; diese sind aber so 
geformt (vgl. nebenstehende nach einer 

Pause gefertigte Zeichnung), daß es den Eindruck macht, als hätte 
sich die proximale Epiphyse frühzeitig abgetrennt und zu einem selb¬ 
ständigen Knochen weiter entwickelt. Ich halte es für möglich, 
daß die Hyperphalangie auf diese Weise zustande gekommen ist. 
gerade im Hinblick auf die Aehnlichkeit mit meinem Fall II. 

4. Einen weiteren Fall zeigte Mosenthal auf dem letzten 
Kongreß („Einige Fälle von Brachydaktylie“, Verhandlungen der 
Deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie, 1911). Es 
handelte sich um ein lOjäliriges Mädchen, bei dem neben der ab¬ 
norm kleinen, breiten und kurzen Hand eine radiale Abbiegung der 
Endglieder der 4. Finger auffiel. Das Röntgenbild zeigte an diesen 
Fingern an Stelle der Mittelphalangen ein keilförmiges Zwischen¬ 
stück, das nach der Radialseite zu spitz geformt ist und dadurch 


Fig. 7. 



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Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen der Finger. 


547 


j; .J:; die Abbiegung der Endglieder hervorgerufen hat. Bei demselben 

■Vj Kind fand sich beiderseits am 2. Finger eine veränderte Form der 
j proximalen Epiphyse, die an die beiden vorhergehenden Fälle, aber 
... i,auch an meinen Fall II erinnert. Es wird auch in diesem Falle 
interessant sein, die weitere Entwicklung zu beobachten. 
f . Außer diesen 4 Fällen von Deviation der Phalangen fand ich 

noch erwähnt zweimal eine Verbiegung der deformierten Mittel¬ 
handknochen (Klaußner, Mißbildungen der menschlichen Glied- 
maßen, neue Folge, 1905, und Fall I von Hoch heim, zitiert bei 
Machol, Beiträge zur Kenntnis der Brachydaktylie. [Mitteilungen 
a. d. Grenzgebieten d. Medizin u.- Chirurgie, 1907]) und einmal 
«auffallende Verbiegung des Knochens mit Konvexität nach außen“ 
bei Brachydaktylie am Metatarsus IV (Fall II von Hochheim). 

Außerdem kommen ja auch angeborene seitliche Deviationen 
der Fingerphalangen ohne gleichzeitige Brachydaktylie vor. Joa- 
chimsthal hat diese bezeichnet als Digitus valgus (Verbiegung 
nach der ulnaren Seite) und Digitus varus (Verbiegung nach der 
radialen Seite). Hoffa bringt in seinem Lehrbuch der orthopädi¬ 
schen Chirurgie eine Abbildung eines solchen Falles, und Klaußner 
führt zwei solche Fälle an, außerdem finden sich sowohl in dem 
Klaußnerschen Buch, wie in dem Atlas von Joachimsthal 
mehrere Abbildungen, die eine seitliche Deviation der Phalangen in 
Verbindung mit anderweitigen Formfehlern (Polydaktylie, Syndak- 
tylie usw.) zeigen. 

Ferner hat Mosenthal auf dem vorjährigen Kongreß 2 Fälle 
vorgestellt, bei denen außer Brachydaktylie der Grundphalanx der 
großen Zehe eine hochgradige Varusstellung der großen Zehe bestand, 
bei der Mutter zugleich eine starke Verkrümmung der übrigen 
Metatarsalia nach der tibialen Seite hin. Mosenthal nimmt an, 
daß diese Deformität eine sekundäre mechanische Mißbildung ist, 
entstanden dadurch, daß sich an der inneren Seite des Fußes quasi 
ein Gelenk gebildet hat, das durch Vorhandensein des doppelten 
Muskelzugs (eines Muscul. abductor hallucis) ohne Antagonisten von 
Geburt an zu dieser Verbiegung des Vorderfußes geführt hat. 

Für meine Fälle, ebenso wie für die übrigen oben angeführten, 
ist eine derartige Erklärung des Zustandekommens der seitlichen 
Deviation nicht möglich; die Röntgenbilder zeigen vielmehr, daß die 
Abbildung der Endphalangen durch die veränderte Form der Mittel- 
bzw. Grundphalangen verursacht worden ist. 


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548 


Sclmrff. 


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Was nun die Ursache der Mißbildung betrifft, so hat bekannt¬ 
lich Machol auf Grund seiner Beobachtungen an postfütal ent¬ 
standenen Fällen von Brachvdaktylie die Theorie aufgestellt, daß auch 
die intrauterin entstandenen Fälle auf trophoneurotische Störungen 
diverser Art, entfernt vom Sitze der Affektion, Atrophie und vorzeitige 
Ossifikation der Knorpelfuge beruhen und dadurch frühes Aufhören 
des Längenwachstums hervorrufen. So plausibel auch diese Theorie 
ist, so glaube ich doch, daß sie für meine Fälle nicht zutrifft. Ge¬ 
rade die Veränderungen, die Machol als hervorstechende Symptome 
bezeichnet hat, die ihn zu seiner Theorie der trophoneurotisclien 
Störungen geführt haben, die Atrophie und vorzeitige Ossifikation 
der Knorpelfugen, finden sich in meinem Fall II nicht. Die deformen 
Knochen zeigen keine Verminderung ihres Kalkgehaltes, der Cor- 
ticalisschatten ist nicht verschmälert, das Spongiosagerüst nicht 
rarefiziert, die Knorpclfugen sind (außer an der Mittelphalanx des 
rechten Mittelfingers) deutlich erhalten. Ich glaube daher, für 
meine Fälle eine endogene Entstehung der Mißbildung annehmen 
zu müssen, denn die exogene Theorie Kümmels, Entstehung der 
Deformität durch intrauterine Raumbeschränkung, amniotische Ver¬ 
wachsungen, traumatische Einflüsse usw. scheint mir noch weniger 
für diese Fälle zuzutreften, wie die Macho Ische Theorie. Dagegen 
sprechen für eine primär abnorme Keimanlage folgende Momente: 
1. die eigentümliche Form der Grundphalangen der Zeige- uni 
Mittelfinger, die eine Verlagerung der Epiphysenlinie deutlich er¬ 
kennen lassen, 2. das symmetrische Auftreten der Mißbildung, und 

3. die Tatsache der Vererblichkeit. 

Besonders auf den letzten Punkt möchte ich noch näher ein- 
gehen. Machol konnte in den von ihm selbst beobachteten Fällen 
von Brachydaktylie niemals Heredität nachweisen und im ganzen 
bei den von ihm zusammengestellten Fällen Heredität oder gleich¬ 
zeitiges Vorkommen in einer Familie nur sechsmal unter 34 Familien 
feststellen. Dagegen finde ich gerade in den Fällen, wo es sich 
nicht nur um eine Reduktion der Längsachse handelt, sondern gleich¬ 
zeitig wesentliche Gestaltveränderungen mit seitlicher Deviation der 
Phalangen, regelmäßig familiäres Vorkommen resp. ausgesprochene 
Vererblichkeit. Die Patientin Mosenthals, ein lOjähriges Mädchen, 
mit Brachydaktylie und radialer Abbiegung der Endglieder der 

4. Finger, ist die Tochter einer Frau mit Brachydaktylie (Verkürzung 
der Mittelphalanx des kleinen Fingers und der Metacarpalia 3—5>, 


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Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen der Finger. 


549 


von der Mosenthal ebenfalls die Röntgenbilder demonstrierte. 
Der Klaußnersehe Fall, ein ca. 50 Jahre alter Mann, hatte neben 
einer völlig normal entwickelten Schwester zwei Brüder mit der 
gleichen Mißbildung; ebenso hatte der Großvater männlicherseits die 
nämliche Difformität an beiden Händen, während die Eltern keine 
Mißbildung hatten. Der 27jährige Patient Joachimsthals hatte 
angegeben, daß seine Mutter die gleiche Anomalie (Verkürzung des 
2.—5. Fingers mit seitlicher Deviation des Zeigefingers an beiden 
Händen), wie er selbst habe, während andere Familienmitglieder, 
speziell vier Geschwister, frei von Verbildungen waren. Ziegner 
endlich bringt ausführliche Angaben über Heredität bei seinen 
beiden, Mutter und Tochter betreffenden Fällen. Diese Deformität 
ist in jeder Generation bei verschiedenen Deszendenten wiedergekehrt, 
ohne ein Zwischenglied zu überspringen, und hat immer denselben 
Charakter gehabt. Es sind niemals ähnliche Mißbildungen, wie 
Polydaktylie oder Syndaktylie aufgetreten. Die demonstrierte Frau 
hat 14 Kinder gehabt, von denen sechs die gleiche Anomalie hatten. 
Die beiden Erstgeborenen waren normal, vom Drittgeborenen ab 
kamen die sechs Monströsen zur Welt. Die Mutter hatte selbst fünf Ge¬ 
schwister, von denen drei dieselbe Deformität zeigten, während zwei 
normal waren. Auch die Kinder dieser Geschwister, sowohl von den 
männlichen wie von den weiblichen Mitgliedern stammend, brachten 
wiederholt dieselbe Mißbildung mit zur Welt. Die Großmutter (die 
Mutter dieser Frau) zeigte dasselbe Familiencharakteristikum, sowie 
zwei ihrer Schwestern, während drei Geschwister verschont wären. Die 
Großmutter wußte ein gleiches von ihrer Mutter und Großmutter 
den Nachkommen zu erzählen. Also eine Vererbung durch viele 
Generationen hindurch. Auch in meinen beiden Fällen läßt sich 
eine exquisite Vererblichkeit nachweisen. Auf die Angaben der 
Mutter, daß nur jedes dritte Kind die Mißbildung hat, lege ich nicht 
besonderen Wert, es können da bei einer großen Familie leicht 
Irrtümer entstehen, besonders durch Nichtberücksichtigung von 
Fehlgeburten usw. Jedenfalls geht aus den Angaben der Mutter 
das hervor, daß die Mißbildung seit vielen Generationen in der 
Familie vererbt ist, daß immer nur einzelne Familienmitglieder 
befallen sind und daß die Deformität sowohl von den weib¬ 
lichen, wie von den männlichen Familiengliedern vererbt wird, 
und zwar nicht nur von den abnormen, sondern auch von den nor¬ 
malen. Daß bei dem Kind andere Finger mißbildet sind, wie bei 


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550 Scharff. Zwei Fälle von symmetrischen Mißbildungen der Finger. 

der Mutter, ist weniger von Bedeutung, jedenfalls handelt es sich 
ja in beiden Fällen um Verkürzung einzelner Phalangen und seitliche 
Abbiegung der Endphalangen infolge von Deformierung der Mittel¬ 
phalangen. Ebenso ist es nicht besonders auffallend, daß bei dem 
Kind die Deformität stärker ausgeprägt ist, wie bei der Mutter. 
Mosenthal hat bei seinen Fällen ebenfalls die Beobachtung ge¬ 
macht, daß die Deformität bei der Deszendenz verstärkt war. 

Es bilden also diese Fälle einen weiteren Beitrag zur Lehre 
von der Vererbung von Mißbildungen, und diese Vererblichkeit war 
es neben der relativen Seltenheit der Deformität, die mich dazu 
veranlaßte, meine Beobachtungen zu veröffentlichen. 


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XXX. 


Ueber den Einfluß der Muskelarbeit auf die Form 
des menschlichen Femur. 

Von 

Sanitätsrat Dr. Julius Grunewald, München. 

Mit 20 Abbildungen. 

I. 

Die Gestalt des menschlichen Femur kann bedingt sein erstens 
durch Vererbung, zweitens durch Funktion. Daß der Einfluß der 
Vererbung ein erheblicher ist, ist sicher. Die Grundform des 
Knochens ist in der ganzen Säugetierreihe im wesentlichen dieselbe; 
aber das menschliche Femur hat durch die Orthogenese mit der 
ganzen unteren Extremität so wichtige neue Aufgaben übernommen, 
daß man, den Vierfüßlern gegenüber, wohl von einer neuen spezifi¬ 
schen Funktion sprechen kann, die nicht ohne Einwirkung auf seine 
Form und seinen Bau geblieben sein kann. Die berühmte Ent¬ 
deckung von Meyer und Culmann von der trajektoriellen Form 
der oberen Femurepiphyse haben die Frage ursprünglich in Fluß 
gebracht. Bekanntlich stellten diese Forscher das Femur in Analogie 
zu einem Kran, und dies führte wohl in erster Linie dazu, daß man 
den Knochen zunächst so gut wie ausschließlich als Lastträger, als 
Träger des Rumpfgewichtes betrachtete und es übersah, daß auch 
andere Kräfte ihn beanspruchten. Als solche kommt im wesent¬ 
lichen der Muskelzug in Frage. Schon in den fünfziger Jahren des 
vorigen Jahrhunderts wurde die Frage, inwieweit Knochenform und 
Muskelzug Zusammenhängen, erörtert — allerdings an dem Beispiele 
des Schädels —, und zwar sprach schon damals Josef Engel den 
Satz aus, daß der Zug der Muskelzusammenziehung das mechanische 
Moment sei, welches die Form der Knochen bewirke [1]. Um die- 


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552 


Grunewald. 


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selbe Zeit beschäftigte sich auch L. Fick, Professor in Marburg, 
mit dieser Frage [11]. Auf die Ergebnisse dieses Autors werden 
wir weiter unten noch zurückkommen. 

Die Mey e r- C ulm an nsehen Entdeckungen waren anfangs 
fast ohne Diskussion als Tatsachen hingenommen worden. Eist 
als Julius Wolff sie weiter ausbaute und in seinem Trans¬ 
formationsgesetze auch auf die Pathologie übertrug, regte sich 
Widerspruch gegen sie, weil sie sich mit der bisher herrschenden 
Hueter-Volkmannschen Drucktheorie nicht vertrugen. Die leb¬ 
haften Erörterungen, das Kampfgeschrei — hie Hueter -Volk¬ 
mann, hie Wolff — sind noch in aller Gedächtnis. Sie hatten 
die gute Folge, die zweifellose Einseitigkeit der älteren Auffassung 
darzutun und eine Anzahl anderer bisher nicht genügend gewürdigter 
Faktoren beizubringen. Immerhin blieben die Erörterungen durch¬ 
weg an statischen Kräften und damit an der Kranfrage haften. 
Die so naheliegenden dynamischen Einwirkungen des Muskelzuge ; 
blieben nach wie vor fast unbeachtet. Soweit der Muskelzug über¬ 
haupt erwähnt wurde, geschah es stets nur im allgemeinen ohne 
spezielle Belege. Erst Walkhoff [2] hat den Versuch gemacht, 
eine Analyse einzelner Muskel Wirkungen zu geben. Wenn ich gleich 
mit den Einzelausführungen Walkhoffs fast durchweg in Wider¬ 
spruch stehe, so erscheint mir seine prinzipielle Behandlung dieser 
Frage immerhin als ein bedeutsamer Fortschritt. 

Im folgenden habe ich versucht, die Beziehungen zwischen 
Form und Bau des Oberschenkelknochens und der Arbeit der au! 
ihn wirkenden Muskeln etwas präziser darzustellen. 

II. 

Daß ein Muskel die gauze bei seiner Zusammenziehung frei¬ 
werdende Kraft auf die Bewegung eines Gelenkes verwendet, ist 
bekanntlich selten, ja kommt vielleicht niemals vor, auch abgesehen 
von der mit der Muskelarbeit verbundenen Wärmebildung. Es 
wäre das nur denkbar, wenn die Richtung des Muskels vom An¬ 
fänge seiner Zusammenziehung an senkrecht zum Drehpunkte stände 
und während der ganzen Dauer der Bewegung in dieser günstigen 
Lage bliebe. In diesem Falle wäre die wirksame Kraft, das 
Moment des Muskels, gleich der aufgewendeten Kraft. Das 
Moment ist bekanntlich gleich dem Produkte der Kraft und der von 
der Richtung der Kraft aus auf den Drehpunkt gezogenen Senk- 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 553 


rechten. Setzen wir im günstigsten Falle, wenn die Richtung der 
Kraft senkrecht gegen den Drehungspunkt gerichtet ist, das Moment 
gleich 1, so wird es sich mit der Verminderung des Winkels ständig 
verkleinern, unter den Wert 1 herabsinken, und zwar entsprechend 
dem Sinus des Ansatzwinkels. Das Verhältnis der drehenden Kom¬ 
ponente zur ganzen Muskelkraft ist gleich dem Sinus des Ansatz¬ 
winkels. Da fast alle Muskeln der Extremitäten den Knochen, 
welche sie bewegen sollen, ungefähr parallel laufen, so ist ihr 
Moment von vornherein ein ungünstiges. Besonders im Beginne 
der Zusammenziehung. Es gibt sogar Muskeln, die im Beginne der 
Bewegung ein negatives Moment haben und also niemals in Wirk¬ 
samkeit treten könnten, wenn nicht die Bewegung durch andere 
günstiger gelagerte Muskeln begonnen und so weit fortgeführt würde, 
bis aus dem negativen Moment ein positives geworden ist. Es geht 
also sehr viel Muskelkraft für die Bewegung verloren, denn die 
günstige senkrechte Zugrichtung erreichen manche Muskeln über¬ 
haupt nicht, andere nur für eine kurze Strecke der Zusammen¬ 
ziehung. Und doch produziert der Muskel während der 
ganzen Dauer seiner Zusammenzi ehun g Energie. 

Was wird nun aus dem Rest? Geht er, sich in Wärme uni- 
wandelnd, für die Leistungen des Körpers verloren? Liegt hier ein 
ähnlicher Vorgang vor, wie bei der Dampfmaschine, die nur einen 
geringen Teil der erzeugten Spannkraft nutzbringend verwendet, 
während der größere Rest vergeudet wird und sogar schädlich wirkt? 
Es ist gewiß, daß auch die Muskelarbeit wärmebildend wirkt, aber 
nicht alle überschüssige Kraft wird zur Wärmebildung verwandt. 
Die Muskulatur erfüllt während der Bewegung eine weitere Aufgabe 
von größter Wichtigkeit, nämlich die Befestigung der Gelenke 
gegeneinander. Es ist hier nicht der Platz, alle Kräfte zu erörtern, 
welche die Festigkeit der Gelenke bewirken (vgl. 3. Fick, Bd. II. 
1. S. 41 f.). Nur der Teil, der den Muskeln zufällt, inter¬ 
essiert uns hier. Er ist sehr erheblich, das ergibt sich schon aus 
den vorstehenden Ausführungen. Soweit die Momente der Muskel¬ 
arbeit für die Bewegung der Gelenke ungünstig sind, werden 
.sie für die Befestigung der Gelenke um so günstiger, sind sie 
um so mehr geeignet, die Gelenkenden fest gegeneinander zu pressen 
und einen erheblichen Gelenkdruck zu erzeugen. R. Fick sagt 
hierüber: „Die Kraft dieses Aneinanderpressens der Gelenkenden 
durcli den Muskelzug ist eine sehr erhebliche, denn die Muskelkraft 


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Grunewald. 


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beträgt ja gegen 10 kg pro 1 qcm des betreffenden Muskelquer- 
schnittes, und in den meisten Fällen ist die Gelenkkomponente der 
Muskelkraft sogar größer als die Drebkomponente. Otto Fischer 
schätzt den die Gelenkenden des Ellbogengelenkes zusammenpressen¬ 
den Druck der Muskeln bei Erbeben von */* Zentner auf mehrere 
Zentner, üultkrantz schätzt ihn bei der Belastung der Hand 
mit 2 kg auf 20—21 kg. Natürlich wirken die Muskeln nicht nur 
bei ihrer Zusammenziehung (die Beuger z. B. nur bei der Beugung» 
durch die dabei in ihnen auftretende Spannung auf den Gelenk¬ 
zusammenhalt ein, sondern auch durch ihre elastische Spannung, 
wenn sie bei irgendwelcher Stellung gedehnt werden, z. B. die Strecker 
bei gebeugten Lagen des Gelenkes, wie bereits oben angedeutet 
wurde. Selbst die in Ruhe befindlichen Muskeln sollen sogar auch 
noch bei maximaler Annäherung ihrer beiden Befestigungspunkte, 
z. B. die Beuger bei passiver maximaler Beugung nicht ganz schlaff 
sein. Die chirurgische Erfahrung hat gelehrt, daß die elastische 
Kraft der Hüftmuskeln genügt, die ganze Last des Beines zu tragen, 
denn auch bei Schenkelhalsbruch tritt eine Verkürzung des Beines 
durch die elastische Zusammenziehung desselben ein, da das distale 
Bruchstück und damit das ganze Bein der Schwere entgegen am 
proximalen Bruchstück vorbei nach oben gezogen und in dieser 
Lage festgehalten wird.“ (Fick [2] S. 45.) 

Man muß bekanntlich annehmen, daß bei jeder einigermaßen 
energischen Bewegung sämtliche zu einem Gelenk, ja sogar zu den 
Nachbargelenken gehörigen Muskeln sich im Erregungszustände be¬ 
finden, auch in denjenigen Phasen der Bewegung, in welchen ihre 
Tätigkeit nicht in einer entsprechenden Gelenkbewegung sichtbar 
erkenntlich ist. Die Agonisten und Antagonisten arbeiten ständig 
zusammen. Dadurch bleiben alle Teile des Gelenks während der 
ganzen Phase der Bewegung unter einem gleichmäßigen Druck, und 
Verschiebungen gegeneinander werden vermieden. Aber natürlich 
bleibt dieser Druck nicht auf die Gelenkenden beschränkt, sondern 
er pflanzt sich auf die Diaphysen fort und vermag die Form der¬ 
selben zu beeinflussen, wie im folgenden an dem Beispiele des Ober¬ 
schenkelknochens erörtert werden soll. 

Die große Menge der Extremitätenmuskeln verläuft parallel 
oder annähernd parallel zur Gliedachse. Ihre Wirkung ist eine 
verschiedene, je nachdem sie sich über ein Gelenk oder über 
mehrere Gelenke erstrecken. Die eingelenkigen Muskeln üben an 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 555 

der Knochenoberfläche einen Zug aus, der die Elemente des Knochens 
voneinander zu entfernen, die oberflächlichen von den tiefen ab¬ 
zuscheren bestrebt ist. Es treten in der Knochensubstanz Zug¬ 
spannungen auf, die sich in scherende Kräfte umwandeln. Natürlich 
treten dieselben Kräfte auch bei den mehrgelenkigen Muskeln 
auf, indessen überwiegt bei ihnen infolge ihrer Lage vielfach das 
Bestreben, den Knochen, über welchen sie hinweglaufen, zu biegen, 
die Zugwirkung in Biegungsspannung umzuwandeln. Ein Beispiel 
wird das erklären. Greifen wir z. B. die kurzen Köpfe des vier¬ 
köpfigen Schenkelstreckers heraus, und nehmen wir an, ihre Ge¬ 
samtwirkung sei in eine einzige Komponente vereinigt, die etwa in 
der Richtung ihrer Sehne, des Kniescheibenbandes, verlaufen müßte, 
so üben sie gleichzeitig mit der Streckung des Knies auf die Ober¬ 
fläche des Oberschenkelknochens und der Tuberositas tibiae einen 
Zug aus, der die Tendenz hat, die Elemente des Knochens in der 
Richtung des Zuges gegeneinander zu verschieben, die oberflächlichen 
Lamellen von den tieferen zu lösen. Dieser Zug wird noch größer, 
er wird der ganzen Leistung des Muskels entsprechend groß, wenn 
er bei schon gestrecktem Knie stattfindet, bei festem Anstemmen 
gegen den Boden. In solchen Fällen kommt es ja zuweilen tat¬ 
sächlich zu Rißbrüchen an der Tuberositastibiae. Eine nennenswerte 
Biegungswirkung können — a priori — die kurzen Köpfe des 
Quadriceps auf Femur oder Tibia jedoch nicht ausüben (vgl. hierzu 
S. 573). Anders dagegen ist die Wirkung des langen Kopfes. Er 
hat seinen Ursprung an der Spina anterior inferior; in schlaffem Zu¬ 
stande liegt der Muskel ebenfalls der Femuroberfläche an. Zieht 
er sich aber zusammen, so versucht er natürlich die Entfernung 
zwischen Ursprung und Ansatz nach Möglichkeit zu verkürzen und 
seine obere Hälfte zum wenigsten wird sich in der Richtung von 
hinten nach vorn so weit als möglich von der Femurfläche zu ent¬ 
fernen suchen. Bei einer Zusammenziehung preßt er den Unter¬ 
schenkel gegen den Oberschenkel, diesen wieder gegen die Pfanne 
und gewinnt dem so festgestellten Femur gegenüber ein biegen¬ 
des Moment, welches den Knochen, falls er nachgiebig wäre, 
konkav nach vorn ausbiegen würde. Auf die Spina anterior inferior 
und die Tuberositastibiae wirkt aber natürlich die Kraft des ver¬ 
kürzten Muskels gleichzeitig als Zug, während ein nennenswerter 
Zug auf die Vorderfläche des Femurs nicht ausgeübt werden kann, 
weil der Muskel mit dem Knochen nur durch lockeres Bindegewebe 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. ßd. 36 


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Granewald. 


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verbanden ist und sich deshalb von seiner Oberfläche in sagittaler 
Richtung leicht entfernt. Noch ausgesprochener ist die biegende 
Wirkung der langen Beuger des Kniegelenks, welche alle doppel¬ 
gelenkig sind. Wir werden das sofort bei der Betrachtung der 
Oberschenkelform erkennen. 

Der Oberschenkel ist der längste Knochen des menschlichen 


Fig. 1. 


Fig. 2. 



(iberschenkclknochon. 
von vorn u. seitlich ge- 
sollen, zur Darstellung 
der noch vorn konvexen 
Krümmung, 
x --- Torsionsl’eld. 



Oberschenkelknochen, von hinten betrachtet, 
zur Darstellung der laterulwUrts offenen Konkavität bei 
i gering, bei 2 stärker, aber auf die untere Hälfte o- 
schränkt, bei 3 erstreckt sie sich fast über die gin/-- 
Länge des Knochens. 


Skeletts. Er ist sehr schlank gebaut und ist in diesem Sinne der 
beste Typus des menschlichen Röhrenknochens. Er zeigt verschiedene 
ganz ausgesprochene Krümmungen. Erstens eine dorsoventrale, 
nach vorn konvexe Verkrümmung (Fig. 1). Zweitens eine leichte, 
lateralwärts konkave an seinem unteren Drittel (Fig. 2). Drittens 
eine sigmoide Krümmung an seinem oberen Ende (Fig. 3), die mit 
einer flächenförmigen, nach vorn offenen Konkavität von ungefähr 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 557 


dreieckiger Gestalt verknüpft ist (Fig. 1). Die Spitze dieses Drei¬ 
ecks liegt nach unten, etwa an der Grenze des obersten gegen das 
zweitoberste Viertel der Diaphyse und die Basis verläuft etwa in der 
Linea intertrochanterica anterior. Viertens eine Drehung des oberen 
Endes um die Femurachse, die bekannte Torsion des Schenkel¬ 


halses. Fünftens: der Hals ist nach hinten abgeknickt, retro- 
flektiert, so daß zwischen hin- 

Fig. 3. 

terer Kopf- und hinterer Tro¬ 
chantergrenze eine nach hinten 
medialwärts offene Winkelbil¬ 
dung entsteht (Fig. 4A). 

Betrachten wir nun zu¬ 
nächst die nach vorn konvexe 
Krümmung des Femurs, so wer¬ 
den wir über dieWirksamkeit der 
doppelgelenkigen Beuger des 
Kniegelenks sofort ein klares 
Bild gewinnen. Bekanntlich ist 
der Quadriceps femoris bei wei¬ 
tem der stärkste Oberschenkel¬ 
muskel. ErvermagnachR.Fick 
(Bd. III S. 585) eine Arbeits¬ 
leistung von ca. 142 kgm zu 
vollbringen, während die Ge¬ 
samtleistung der Beuger nur 
46 kgm beträgt. Trotzdem ent¬ 
spricht die nach vorn konvexe 
Krümmung des Oberschenkel¬ 
knochens einem Uebergewichte 

der Beugemuskeln, was, indem Zwei Sagittalschnitte durch den Femur. 

man Prwätrf Hiß rlio ßpoami- a = sigmoide Krümmung der vorderen Wand 
man erwägt, aaü aie uesamt (Oberes Ende), Torsionsfeld. 

leistung des Quadriceps mehr 

als dreimal so groß ist, als die sämtlicher Beuger, a priori undenkbar 
erscheint. Würde der Quadriceps in seiner Gesamtheit für die Aus¬ 
biegung des Femur in Anspruch genommen, so müßte die Femurform 
die umgekehrte sein, die Konkavität müßte nach vorn, die Konvexität 
nach hinten liegen. Das Rätsel löst sich, wenn wir uns vorstellen, 
inwieweit die Muskeln für die Biegung des Oberschenkels in Betracht 
kommen können. Wir haben schon oben auseinandergesetzt, daß die 



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Grunewald. 


kurzen Köpfe des Quadriceps a priori ein biegendes Moment aut 
die Knochen nicht besitzen und daß für dieses nur der lange Kopf, 
der wie eine Bogensehne zwischen Becken und Unterschenkel aus- 

Fig. 4. 

A 



vorn. 


B 

Horizontaler Schnitt durch die obere Femurepiphyse. 

A obere, B untere Hälfte, c = Caput, h = Hals, t. = Trochanter, r = Retrofl. colli medül 
A. K = Kompaktakern, l = hintere Ausstrahlung, 2 = laterale Ausstrahlung, 3 = vordere 
Ausstrahlung, 4 = mediale Ausstrahlung (nach dem Kopf), 
ß. K = Kompaktakern, Ausstrahlungen = l in den Kopf, 2 in den Trochanter. 

8 = Ausstrahlungen der hinteren Trochanterenwand in den Kopf. 

gespannt ist, in Betracht kommen kann. Dieses biegende Moment 
besitzen aber in ausgesprochenem Maße die an der Hinterseite des 
Oberschenkels liegenden Beugemuskeln. Sie entspringen am Becken, 
an der Tuberositas ossis ischii (Biceps, Semitendinosus semimembra- 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 559 


nosus) an der Symphyse (Gracilis), an der Spina anterior inferior 
(Sartorius) und enden am Unterschenkel. Sie sind sämtlich 
zweigelenkig und für die Ausbiegung des Femur mit der 
Konvexität nach vorn günstig gelagert. Während die gesamte 
Kraft des langen Quadricepskopfes 23,4 kgm beträgt, ist die ge¬ 
samte Leistungsfähigkeit der Beuger 46 kgm, also doppelt so 
groß. Hiervon wäre allerdings das eingelenkige Caput breve des 
Biceps zu kürzen. Indes ist es so schwach, daß es die Rech¬ 
nung nicht nennenswert beeinflußt. Die Ausbiegung des 
Femur mit der Konvexität nach vorn ergibt sich also 
ohne weiteres aus der V erteilung der wirksamen 
Muskelkräfte. 

Hierzu kommt nun noch ein Faktor. Das Knie befindet sich 
während der Tätigkeit des Beines nicht allzuviel in Streckstellung, 
selbst bei langem Stehen entlasten wir die Knie abwechselnd durch 
leichte Beugestellung. In noch stärkerem Maße aber wird beim 
Gehen die Beugestellung des Kniegelenks bevorzugt. Es befindet 
sich fast während des ganzen Gehaktes in Beugestellung. Nur 
einen kurzen Moment während der Schwingungsdauer des Hänge¬ 
beins streckt es sich, um sich aber, ehe noch das Hängebein den 
Boden berührt, wieder zu beugen. Jedenfalls ist das Kniegelenk in 
Beugung, so lange das Bein den Rumpf trägt. Nun wachsen aber 
die Momente der Beugemuskeln mit zunehmender Beugung, während 
das Moment des vierköpfigen Streckers gleichzeitig abnimmt. Die 
vorzugsweise Beugestellung des Knies während der Arbeit des Beines 
ist also ebenfalls der bestehenden Ausbiegung des Femur günstig. 

Beim Stehen sind es bekanntlich ebenfalls die Beuger, welche 
die Hauptarbeit leisten. Bei ruhigem Stehen ist der Quadriceps 
femoris schlaff. Man kann die Patella leicht seitlich bewegen. Die 
Streckung des Knies wird beim Stehen durch zwei Momente be¬ 
wirkt. Zunächst durch die Wadenmuskeln. Indem der Fuß fest 
auf dem Boden aufruht und eine Volarflexion nicht gestattet, wirkt 
die Tätigkeit des Gastrocnemius auf den Oberschenkel in dem Sinne, 
daß er dessen unteres Ende nach hinten zieht, ihn also streckt. 
Durch gleichzeitige Tätigkeit der Kuiegelenksbeuger wird nun das 
Kniegelenk fixiert, denn sie vermögen den Unterschenkel, der einer¬ 
seits durch die Körperlast am Boden, durch den Gastrocnemius 
anderseits gegen das gestreckte Kniegelenk fixiert ist, nicht zu 
beugen. Ihre ganze Arbeit wird auf die Feststellung des Knie- 


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UNIVERS 


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vorn 


Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 561 



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Auswahl aus 34 Querschnitten durch den Femurschaft (1 proximal. 34 distal). Die Nummern bezeichnen die Stellung in der Reihe. 




562 


Grunewald. 


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gelenkes verwendet und wirkt nunmehr gleichzeitig im Sinne der 
Ausbildung der dorso-ventralen Krümmung des Knochens. 

Die Momente zur Ausbildung dieser Krümmung sind also 
immer in Arbeit, solange der Mensch sein Bein gebraucht. Wir 
brauchen uns also Über die Mächtigkeit der Versteifung, welche 
am Knochen gegen das Uebermaß der Verkrümmung angebracht 
ist, des außerordentlich kräftigen, der Linea aspera entsprechenden 
Pilasters (Fig. 5 [13, 14, 15, 16, 18, 20], Fig. 6 [17, 18, 19]) 
nicht zu wundern. Da uns die Frage der Wandstärke des Knochens 
später noch zu beschäftigen hat, so sei dieser Punkt hier zunächst 
nur angedeutet. Auch die Tibia zeigt bekanntlich an ihrem oberen 
Ende eine gleichsinnige Ausbiegung wie das Femur; daß die Ur¬ 
sache dieselbe ist, ist offensichtlich. Das Wadenbein beteiligt sich 
aber nicht an derselben und das ist auch klar, wenn man erwägt, 
daß der Musculus biceps am Capitulum fibulae ansetzt, also für eine 
Ausbiegung jedes Moment fehlt. (Auf die Fibula wirkt der Biceps 
als längsachsen-gerichteter Zug.) Daß die dorso-ventrale Ausbiegung 
des Femur eine funktionelle ist, ergibt sich auch aus der Tatsache, 
daß sie während der Dauer des Lebens bis zur vollzogenen Aus¬ 
bildung des Skelettes wächst. Sie entsteht erst im extra-uterinen 
Leben und ist beim Fötus noch nicht vorhanden. Fertig ausgebildet 
ist dieselbe erst beim Erwachsenen. Ludwig [4] (S. 11) erwähnt, 
daß die Krümmung vom unteren Drittel an einen kleineren Radius 
habe, also stärker ausgesprochen ist, als weiter oben. Das ist ganz 
natürlich, denn die Muskeln inserieren in der Nähe des unteren 
Femurendes und üben hier die stärkste biegende Wirkung aus! 
Wenn man einen elastischen Stab an einem Ende einklemmt und 
an dem anderen Ende abbiegt, so nimmt die Biegung gegen das 
eingeklemmte Ende zu ab, am Punkte der Einklemmung findet 
überhaupt keine Biegung statt. Betrachtet man das Hüftgelenk als 
den fixen Punkt, so entspricht dies für das Femur den tatsächlichen 
Verhältnissen. 

Bei den anthropoiden Affen ist die Krümmung vorhanden. Ich 
finde sie beim Gorillamännchen wesentlich geringer als beim Menschen. 
Bei Gorillaweibchen, Schimpanse und Orang ist die Differenz jeden¬ 
falls nur gering. Sie erscheint größer als sie ist, weil diese Knochen 
kürzer sind und demnach die bogenförmige Bildung bei gleicher 
Stärke weniger auffällig ist. Die geringe Ausbildung beim Gorilla¬ 
männchen erklärt sich bei sonst gleichen Umständen durch die aus- 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 563 


gesprochene Massigkeit des Knochens, der besonders schwer und 
plump und deshalb formenden Kräften gegenüber sehr widerstands¬ 
fähig ist. Die Momente, welche die Krümmung des Knochens be¬ 
wirken, sind bei den Anthropoiden dieselben wie beim Menschen, aber 
sie sind anders verteilt. Der Mensch geht und steht nur auf den 
Beinen, und zwar aufrecht, der Menschenaffe geht und steht über¬ 
haupt nur wenig, bedient sich überhaupt der Beine weniger als der 
Arme, denn er ist ein Klettertier. Seine Arme sind viel länger und 
kräftiger als die des Menschen. Infolgedessen können nun natürlich 
Momente, die mit dem Stehen und Gehen verknüpft sind, bei ihm 
nicht so ausschlaggebend sein, wie beim Menschen. Anderseits 
aber ist der Gang der Anthropoiden bei weitem nicht so aufrecht, 
wie der des Menschen, sowohl die Gelenke der unteren Extremitäten 
bleiben stets in einer gewissen Beugestellung, als auch der Rumpf 
ist vorwärts geneigt. Diese beiden Momente begünstigen die An- 
teroposteriorkrümmung des Femur. Zu der prädisponierenden Wirkung 
der Beugung an sich kommt noch hinzu, daß die Beuger der unteren 
Extremitäten beim Affen relativ stärker ausgebildet sind (übrigens 
auch an der oberen Extremität) als beim Menschen und die Strecker 
auch absolut ihnen gegenüber zurücktreten [5]. Die vornüber 
gebeugte Haltung des Rumpfes zwingt endlich zu einer starken 
Verlegung des Körperschwerpunktes nach vorn und bei der 
schon bestehenden Tendenz zur anteroposterioren Krümmung muß 
dies Moment die Ausbildung der Verbiegung natürlich noch steigern, 
und zwar um so mehr, als der Rumpf der Anthropoiden unverhältnis¬ 
mäßig schwer ist. Während der Rumpf beim Menschen kürzer ist 
als das Bein, ist er beim Menschenaffen wesentlich länger als das 
Bein. Dazu kommt noch das unverhältnismäßige Gewicht der oberen 
Extremität (vgl. 6, II. Bd. S. 7). 

Um nun zum Menschen zurückzukehren, so steht das Femur 
bekanntlich in Adduktion gegen die Medianebene. Im Kniegelenk 
bildet das Femur mit dem senkrecht stehenden Unterschenkel einen 
nach außen offenen Winkel. Diese Stellung ist dem Menschen 
eigentümlich. Sie fehlt bei allen Tieren, auch bei den Menschen¬ 
affen. Alle Tiere zeigen ein mehr oder weniger stark ausgebildetes 
Genu varum (O-Bildung). Nur der Mensch zeigt normalerweise die 
X-Beinstellung des Kniegelenks. Die Ursache ist die Stellung der 
Hüftpfanne. Während sie bei den Tieren annähernd in der Sa- 
gittalebene des Körpers verläuft, annähernd senkrecht steht, ist sie 


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beim Menschen schräg gerichtet, von lateralwärts oben nach medial- 
wärts unten. Natürlich muß sich der Oberschenkel dieser Stellung 
anpassen und er bekommt dadurch von vornherein eine adduzierte 
Stellung. Diese bewirkt aber auch, daß die Mitte des Hüftgelenks 
und die Mitte der Kniegelenksachse übereinander liegen können, 
trotz der Länge des Schenkelhalses (was beim Tiere nicht der Fall 
ist). Die ideale Oberschenkelachse, welche medialwärts von der 
realen liegt, trifft in ihrer Fortsetzung nach unten nicht nur die 
Kniegelenks-, sondern auch die Fußgelenksachse in der Mitte. Die 
auswärts offene Winkelbildung am Kniegelenk ist also für den 
Menschen, der bezüglich seiner Fortbewegung ausschließlich auf die 
Beine angewiesen ist, sehr zweckmäßig. Sie erzeugt eine statisch 
richtige Belastung der Gelenkenden, schließt die Extremitäten in 
der Frontalebene eng zusammen und macht dadurch die Beine 
schlanker. Sie sind dadurch zum Gehen, Laufen und Springen 
geeigneter. Man vergleiche den zwar festen, aber höchst plumpen 
und schwerfälligen Gang eines O-Beinigen mit dem eines wohl¬ 
gebauten Menschen. Die X-Bildung des Knies hat aber auch 
die Form des Oberschenkels beeinflußt. Betrachtet man den Ober¬ 
schenkel von hinten, so sieht man, daß er auch seitlich abgebogen 
ist, konkav nach außen. Die Biegung betrifft meist nur das untere 
Drittel des Knochens, zuweilen reicht sie aber auch höher hinauf 
und in seltenen Fällen bildet der ganze Oberschenkel einen nach außen 
offenen Winkel (Fig. 2 S. 556). Die Bogenweite differiert. Es kann 
durch starke Ausbildung dieser Form auch zur krankhaften X-Bein¬ 
stellung kommen, die bekanntlich ihren Sitz nicht im Gelenk, wie 
man früher angenommen hat, sondern in den benachbarten Knochen. 
Ober- und Unterschenkel, hat. Eine dem Grade nach wechselnde, 
immerhin im allgemeinen leichte, seitlich offene Schwingung des 
unteren Oberschenkeldrittels ist aber normal. Sie wird bewirkt 
durch den Vastus lateralis. Der Vastus lateralis ist an sich 
kräftiger ausgebildet, als der medialis. Dazu kommt, daß er bei der 
nach außen offenen Winkelbildung des Kniegelenks wie eine Sehne 
über diesen Winkel hinweg gespannt ist, die von der Gegend des 
Trochanter major gegen die Tuberositastibie wirkt. Es liegt hier 
der Fall vor, daß ein eingelenkiger Muskel in ähnlicher Weise 
formgebend wirkt, wie sonst ein mehrgelenkiger. Es kommt eben 
darauf an, daß der Muskel für eine solche Wirkung einen Hebel¬ 
arm von einiger Länge findet. Etwas Aehnliches sehen wir an der 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 565 


Wade. Hier beteiligt sich auch der eingelenkige Soleus an der 
Ausbiegung der Tibiadiaphyse konvex nach vorn, weil die Tubero- 
sitas calcanei einen genügend langen Hebelarm hierzu bildet. So 
ist aus dem Kraftverhältnis des Vastus externus zum internus 
und aus seinem Verlauf die lateralwärts offene Schwingung des 
unteren Femurendes verständlich. Diese Dinge dürften auch bei 
der X-Beinbildung eine Rolle spielen, wie ich anderseits ihrer Be¬ 
deutung für die Ent- ^ ^ 

Stellung des typischen 
Knieschmerzes nachge¬ 
wiesen habe [7]. Das 
Uebergewicht des Late¬ 
ralis in der erörterten 
Richtung ist besonders 
auch aus einem Expe¬ 
riment Duchennes er¬ 
sichtlich, dem es gelun¬ 
gen ist, an der frischen 
Leiche durch isolierte 
faradische Reizung des 
Vastus externus eine 
seitliche Verrenkung 
der Kniescheibe zu be¬ 
wirken. 

Beim Menschen¬ 
affen fehlt diese Schwin¬ 
gung, und zwar aus 
zwei Gründen, 1. weil 
überhaupt der Quadri- 
ceps nicht so stark ent¬ 
wickelt ist, wie beim 
Menschen, 2. weil der Kniegelenkswinkel nicht nach außen, sondern 
nach einwärts offen ist. Dem entspricht bei dem mir vorliegenden 
Knochen eines Gorillaweibchens eine einwärts offene leichte Schwin¬ 
gung. Bei Gorillamännchen, Orang, Schimpanse fehlt sie (Fig. 7). 

Wenden wir uns jetzt dem oberen Oberschenkelende zu. Es 
ist bei weitem das interessanteste und bietet eine Fülle mechanischer 
Anregungen. 

Wenn wir den Oberschenkel in Augenhöhe halten und über 


Laterale Schwin^un« der Femur. 

:i = Mensch, b = Schimpanse, c = Gorillaweibcheu, 
d = Gorillamiinncheu. 



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seine Vorderfläche hinwegblicken, so bemerken wir an seinem oberen 
Ende ein nach vorn konkaves, etwa dreieckiges Feld (Fig. 1 und 3 
S. 556/57). Die Spitze ist nach unten gerichtet. Sie liegt etwa an 
der Grenze des obersten gegen das zweite Viertel der ganzen Länge 
Die nach oben gerichtete Basis wird etwa durch die Linea inter- 
trochanterica anterior gebildet. Diese Fläche ist nach vorn konkav. 
Sie entsteht durch Torsion des Oberschenkels. Ich werde sie des¬ 
halb als Torsionsfeld bezeichnen. Die Anteversio des Schenkelkopfes 
ist bekannt. Man kann sie sich entstanden denken, indem man bei 
fixiertem Schaft das obere Oberschenkelende so um seine Achse dreht, 
daß der mediale Rand des Gelenkkopfes nach vorn und lateralwärts sich 
bewegt. Wenn ich einen Zylinder an einem Ende fixiere und am anderen 
Ende um seine Längsachse drehe, so findet eine Materialverschiebung 
statt, die eine Aenderung des Querschnittes bewirkt. Die Oberfläche 
höhlt sich an einer Stelle aus und quillt an einer entsprechenden 
anderen vor. Ganz das dieses sehen wir in der Gegend des Tor¬ 
sionsfeldes am Femur. Die Mitte des Oberschenkels hat einen 
rundlich-dreieckigen Querschnitt. Die vordere und die beiden seit¬ 
lichen Flächen sind rundlich. Die Dreiecksgestalt wird vorzugs¬ 
weise bewirkt durch die starke Entwicklung des Pilasters, der als 
ein breiter nach hinten zu sich zuspitzender Sporn der hinteren Wand 
aufsitzt (vgl. Fig. 5 und 6 S. 560/61). Sowohl nach oben als nach 
unten zu nimmt das Uebergewicht des Pilasters ab, und der Quer¬ 
schnitt des Knochens nähert sich mehr dem runden. Weiter oben 
aber verbreitet er sich in frontaler Richtung. Der Oberschenkel 
wird abgeplattet, säbelscheidenartig, und der frontale Durchmesser 
größer als der sagittale (Fig. 5 [2, 3], 6 [2, 3]). Vorn und hinten 
miteinander korrespondierend sehen wir die Delle der Torsion (Fig. 3 
S. 557), zu beiden Seiten lädt der Knochen breit aus, genau so, 
wie man es erwarten muß, das vorn und hinten durch die Drehung 
verdrängte Material staucht sich an den Seiten. Die Drehung des 
oberen Oberschenkelendes um seine Achse ist auch an den Kanten 
des Knochens erkennbar. Die mediale Kante des Oberschenkels, in 
ihrer unteren Hälfte mehr rundlich, wird in der oberen Hälfte in 
zunehmender Weise schärfer und wendet sich zugleich lateralwärts 
und vorn, so daß sie die Linea intertrochanterica in eine größere 
laterale und in eine kleine mediale Strecke teilt, zuweilen gelangt 
sie sogar so weit nach vorn, daß sie die Linea intertrochanterica 
anterior fast halbiert. Ebenso wendet sich, der Richtung der Ante- 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 567 



Fig. 8. 


versio entsprechend, die laterale Kante nach lateralwärts und hinten, 
so daß sie in die Nähe der lateralen Lefze der Linea aspera gelangt, 
zuweilen ganz in ihr aufgeht, besonders in der Nähe des oberen 
Endes derselben. In Fällen besonderer Tiefe des Torsionsfeldes 
sieht man zwischen den beiden 
Kanten eine geschwungene Linie, die 
an der medialen Kante etwa in der 
Mitte des Knochens entspringt, sich 
nach lateralwärts und oben bewegt 
und sich nach oben zu in der Aus¬ 
höhlung des Torsionsfeldes verliert. 

Die Existenz dieser Torsion 
wird weiterhin durch das Verhalten 
der Spongiosa bekräftigt. Beim Stu¬ 
dium von Frontalschnitten durch 
den Schaft des Femur fiel mir auf, 
daß die zum Teil sehr kräftige blatt¬ 
förmige Spongiosa eine bestimmte 
ganz regelmäßige Richtung innehielt. 

Sie entspringt von der Mitte der 
hinteren Femurwand und zieht sich 
dann, schräg nach oben steigend, 
um die mediale Wand herum nach 
vorn, bis etwa zur vorderen Mittel¬ 
linie. Um hierüber ein ganz ein¬ 
wandfreies Bild zu gewinnen, ent¬ 
kalkte ich den Knochen in 5pro- 
zentiger Salzsäure. Nachdem er 
genügend weich geworden, ver¬ 
dünnte ich die Rinde durch Ab¬ 
schaben mit einem Messer so weit, 
daß der in der Mitte vorn auf¬ 
geschnittene Knochen in der Fläche 
ausgebreitet werden konnte. Die 

Fig. 8 zeigt die Innenseite der oberen Femurhälfte bis zur Gegend 
des Trochanter minor flächenförmig ausgebreitet. Man sieht, wie 
medialwärts neben der Mitte hinten starke Spongiosa¬ 
stränge entspringen, die in gleichmäßigem, unter¬ 
einander fast parallelem Verlauf in schräger Rieh- 


Innere Femurwand flilchenftfrmig aus¬ 
gebreitet. Das Femur ist in der vorderen 
Mittellinie aufgeschnitten. 
m = medial, 1 = lateral, x= Linea aspera, 
o = oben, u = unten. 


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Grunewald. 


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tung nach oben steigen und an der vorderen Mittel¬ 
linie endigen. Sie schneiden fast genau mit dieser ab und 
erstrecken sich auf die vordere laterale Hälfte der Wand nicht 
Die laterale Seite des Femurinnern in der oberen Hälfte ist von 
Spongiosa fast frei. Man sieht das auch an Querschnitten (Fig. '» 
[4, 16, 10, 18, 15]). Es ist an Querschnitten des Femur 
nicht immer leicht, sich zu orientieren. Man sieht, wenn man 
sich nicht im Gebiete der Linea aspera befindet, nicht ohne weiteres, 
was vorn und hinten, was medial und lateral ist. Ein aus¬ 
gesprochenes Orientierungsmittel ist für die obere Hälfte der 
Diaphyse etwa bis zum Trochanter minor das Verhalten der 
Spongiosa, die vorn lateral ganz fehlt, lateralwärts ebenfalls ganz 
fehlt oder doch nur eine schwache Ausbildung hat, während ihr 
Hauptsitz hinten - medial, medial und vorn-medial sich befindet. 
Diese Spongiosa ist in ganz charakteristischer Weise ge¬ 
wunden, nach oben Uber medialwärts nach vorn. Diese langen 
Bänder sind untereinander durch kurze Verbindungen, die sich meist 
spitzwinklig an sie ansetzen, verbunden. Es ist klar, daß auch die 
Richtung dieser gewundenen Spongiosabänder mit der Richtung der 
Anteversio colli übereinstimmt. Sie sind ihr homolog angelegt. Wenn 
man sich den antevertierten Kopf zurückgedreht denkt, so daß er 
sich nach hinten wendet, so rollen sich auch die Spongiosaspiralen 
mit ihm ab und nähern sich der vertikalen Richtung. Ich brauche 
wohl nicht zu betonen, daß ich hier nicht einen so einfachen mecha¬ 
nischen Vorgang wie den geschilderten tatsächlich voraussetze. Der 
Kopf rollt nicht etwa bei seiner Anteversio Spongiosastränge, die 
sonst gerade verlaufen, zu Spiralen auf. Dieselben inneren Spannungs¬ 
vorgänge, welche die Entwicklung der Anteversio colli bewirken, 
sind auch ordnend beim Aufbau der Spongiosa tätig und geben ihr 
die den herrschenden Spannungszuständen gemäßeste Richtung. Es 
sind anhaltende kleine formative Reize, die, indem sie ständig in 
einer bestimmten Richtung wirken, einen bestimmten Aufriß all¬ 
mählich zur Vorherrschaft bringen, einen Grundriß, der, weil er 
mit den herrschenden Kräften Ubereinstimmt, die besten Chancen 
zu einer deutlichen charakteristischen Ausbildung in sich trägt. 
Diese herrschenden Kräfte sind, wie wir gesehen, vorwiegend die 
Muskeln. Ihre Richtung ist eine gegebene, ebenso ihre Kraft. Die 
Resultante, welche aus dem Verhältnis von Kraft und Richtung der 
verschiedenen miteinander in Wettstreit stehenden Muskelsysteme 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 569 


sich ergibt, ist für die Wachstumsrichtung bestimmend. Es sind 
zahlreiche, fortwährend wirkende, an sich kleine Reize, deren Summe 
aber letzten Endes ein genau umschriebenes, unverkennbar gerich¬ 
tetes Formenbild schafft. 

Die Torsion des Femur ist ein Werk der Außenrota¬ 
toren; nach Fick [3 (III, S. 500)] ist das Verhältnis der Momente 
der Außendreher des Hüftgelenks zu denen der Einwärtsdreher wie 
146 zu 54. Die Auswärtsdreher sind also mehr als 2 ] /2mal so 
kräftig als die Einwärtsdreher. 

Nach Fick gehören zu den Auswärtskreislern (Supinatoren) 1 ): 

Momentverhältnis 


*Glutaeus maximus. 

78,24 

^Quadrat, femoris. 

25,16 

*Obturatorius internus .... 

18,83 

*Pyriforrais. 

15,88 

Rectus. 

2,96 

Adductor brevis. 

2,18 

Adductor magnus (unterer Teil). 

1.43 

Biceps . 

0,86 

Sartorius. 

0,68 

Obturatorius externus .... 

0,13 

Gracilis. 

0,03 

Tensor fasciae. 

0,001 


146,381 

Einwärtskreisler (Pronatoren): 


*Glutaeus medius. 

17,61 

*Glutaeus minimus. 

15,82 

*Iliopsoas. 

12,24 

Adductor magnus (oberer Teil) . 

2,09 

Pectineus. 

1,94 

Adductor longus. 

1,88 

Semitendinosus. 

1,56 

Semimembranosus. 

1,25 


54,39 

Aus obenstehender Tabelle ergibt sich, daß die kräftigsten Ko- 

tatoren, sowohl für die Auswärts- als die Einwärtsdreher, in un¬ 
mittelbarer Nähe des Hüftgelenks liegen. Auch ist dort das Ueber- 
gewicht der Außendreher über die Einwärtsdreher am stärksten 


’) Die mit einem * versehenen Muskeln beider Rotatorengruppen gehören 
der oberen Femurhälfte an — sie sind zugleich die stärksten. 


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ausgesprochen und es macht sich deshalb auch in dieser Gegend die Ante- 
versio des Schenkelhalses am stärksten geltend. Es ist aber von Wichtig¬ 
keit, zu erkennen, daß die Drehung nicht nur im Schenkelhälse, sondern 
auch in der Diaphyse vor sich geht. Sie ist zwar in der Gegend des 
Trochanter minor am stärksten und nimmt nach unten hin allmählich 
ab. Aber daß mehr als die ganze obere Schafthälfte an ihr teilhat. 
ergibt sich aus der beschriebenen Kantenverschiebung und aus der 
Richtung der wandständigen Spongiosa, die ungefähr so weit herab¬ 
reicht. Hierbei ist offenbar die Tätigkeit der anderen Muskeln ver¬ 
antwortlich zu machen, die mit ihren Ansätzen ziemlich weit herunter¬ 
reichen, stellenweise bis zum Unterschenkel, 
und bei denen ebenfalls ein, wenn auch nur ge¬ 
ringes, Ueberwiegen der auswärtsdrehenden 
Momente über die einwärtsdrehenden zu er¬ 
kennen ist. So gering es ist, so kann es doch, 
da schon einmal eine starke Tendenz zur 
Außenrotation bemerkbar ist, sich im Zu¬ 
sammenhang mit dieser geltend machen. 

Es erscheint angemessen, immer und 
immer wieder darauf aufmerksam zu machen, 
daß diese Wirkung der Außenrotatoren eine 
latente ist, daß sie sich nur in Spannungs¬ 
zuständen entlädt, die als trophische Reize 
wirken und für die Richtung, in welcher 
sich die Elemente anordnen, maßgebend sind. 

Im Gebiete des Torsionsfeldes ist noch 
eine weitere Kraft tätig. Auf einem sa- 
gittalen Durchschnitt (Fig. 3) erkennt man 
deutlich, daß die Konkavität des Torsionsfeldes nach oben wieder in 
einen nach vorn konvexen Schenkel ausläuft. Dadurch bekommt da« 
obere Oberschenkelende eine S-förmige Gestalt. Sie ist so ausgeprägt, 
daß ich nicht glaube, daß sie ausschließlich der Torsion des oberen 
Femurendes ihre Entstehung verdankt. Man hat den Eindruck, als 
ob die Aushöhlung des S durch einen Druck in der Richtung von vorn nach 
hinten vertieft worden ist. Ein solcher Druck ist nicht vorhanden, 
wohl aber eine andere in gleichem Sinne wirkende Kraft. Das ist der 
Zug des Glutaeus maximus, der gerade an dieser Stelle ansetzt, und 
dessen rückwärts ziehende Wirkung den gleichen Effekt auf die 
Knochen ausüben muß, wie eine von vorn nach hinten drückende Kraft. 


Fig. 9. 



1 ■- ein an beiden Enden ein¬ 
geklemmter elastischer Stal». 
‘2 derselbe an seinem oberen 
Ende torquiert und nach rück¬ 
wärts gezogen, 
a Torsionsgebiet. 
b -= Richtung de» Ci lut. mux. 


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EinHuß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 571 


In der Tat, wenn ich eine an beiden Enden befestigte nach 
vorn ausgebogene Feder, z. B. eine lange Stahlfeder, in der Nähe 
ihres einen Endes um ihre Längsachse rotiere, und gleichzeitig 
einen Zug nach hinten auf das Rotationsgebiet ausübe, so muß eine 
sigmaähnliche Form auftreten, wie sie das obere Oberschenkelende 
so deutlich zeigt (Fig. 9). 

Wie bekannt, ist das menschliche Collum femoris hinten kürzer 
wie vorn. Es erscheint hinten zusaramengedrückt (Fig. 4A). Die 
Trochanterspitze ist wagrecht über die Richtung des Colli hinweg¬ 
gezogen und nähert sich dem Rande des Gelenkkopfes. Auf dem 
horizontalen Durchschnitt durch das Gelenkende, Hals und Trochanter 
erkennt man nun deutlich, daß in der Tat das Collum einen nach 
hinten offenen Knick aufweist. Es ist retro- und gleichzeitig 
medialwärts flektiert in dem Sinne, wie man von Retroflexio uteri 
spricht. Die horizontale Muskelschlinge, welches das Caput in die 
Pfanne hineinpreßt, und deren rückwärtsziehende Kraft die vorwärts¬ 
ziehende übersteigt, erzeugt diese Retroflexio medialis. Auf der 
Abbildung sehen wir an der Knickungsstelle eine erhebliche Ver¬ 
dickung der Corticalis. Sie ist die naturgemäße Reaktion gegen 
die vorliegende Kraft. Bei der Besprechung des Spongiosabaues 
werden wir erkennen, daß diese Stelle für die Festigkeit nicht nur 
des Collum, sondern auch des Caput und des Trochanter von größter 
Bedeutung ist, daß sie gewissermaßen den Knotenpunkt darstellt 
für die ganze Struktur des oberen Femurendes. 

Wir erkennen also im Femur folgende Muskeleinwirkungen. 

1. Die Ausbiegung des Schaftes konvex nach vorn als Wirkung 
der Beugemuskeln des Knies, 

2. die Ausbiegung des Schaftes lateral konkav, Wirkung des 
Vastus externus, 

3. am oberen Femurende 

a) die Anteversio der oberen Diaphysenhälfte, in der Regel 
Anteversio colli genannt, Wirkung der Außenrotatoren, 

b) die Ausbiegung der Femurwand konvex nach hinten in der 
Gegend des Torsionsfeldes durch den Glutaeus maximus, 

c) die Retroflexio medialis colli durch die Außenrotatoren. 

a) und b) zusammen erzeugen im Gebiete des Torsionsfeldes 
die ausgesprochene S-Form des Oberschenkels! 

Eine Torsionsstruktur am Femur ist schon früher gefunden 
worden. Gebhardt [8] S. 147 sagt darüber: „Es ist schon 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 37 


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Grunewiilü. 


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ziemlich lange her, daß von Recklinghausen beim Menschen 
und Roux bei den Knochen der Wiederkäuer auf eine Erscheinung 
aufmerksam wurden, über die sie korrespondierten und die von 
Roux als eine Torsionsstruktur gedeutet wurde. Sie besteht in 
rechtwinklig gekreuzten, beiderseits schräg zur Knochen¬ 
achse geneigten Leisten und Balken, welche namentlich im Innern 
der Diaphyse der langen Extremitätenröhren der Wiederkäuer, ganz 
besonders des Humerus (Rind) eine ganz kolossale Ausbildung er¬ 
langen, aber regelmäßig auch an der Femur- und Humerusdiaphyse 
vieler anderer Tiere und auch des Menschen, hier nach den Enden 
zu deutlicher, nach Auslöfflung der verdeckenden Spongiosa sieb 
nach weisen lassen. Wie ich bereits an anderem Orte nach wie?. 
Känguruh, Mensch, Huftiere, handelt es sich in der Tat um eine 
Torsionsstruktur, und zwar um eine rein regressiv-konservativ, unter 
Erhaltung der stärkst beanspruchten Stellen, seitens der Resorptions¬ 
vorgänge an der Markhöhlenwand zunächst herausgeschnitzte und 
zum Schluß mit der gemeinsamen schönen inneren Generallamelle 
umhüllte Skulptur.“ So weit Gebhardt. 

Daß diese Gebilde mit den unseren nicht identisch sind, ergibt 
sich aus der Beschreibung. Jene bestehen aus rechtwinklig 
gekreuzten, beiderseits schräg zur Knochenachse geneigten 
Leisten und Balken und treten beim Menschen erst nach Auslöff lung 
der verdeckenden Spongiosa gegen die Enden zu hervor. Auch die 
Abbildungen (vgl. Gebhardt [9], Taf. XVII und XVIII, Fig. 34. 
Strauß, Femurdiaphyse, sagittaler Durchschnitt, und Fig. 43, Femur 
vom Känguruh, frontal aufgeschnitten) lassen den Unterschied gegen 
den von mir beschriebenen Bau deutlich erkennen, welcher ein¬ 
seitige, schräg gegen die Knochenachse emporsteigende und um 
die mediale Femurwand sich herumschlingende Lamellen zeigt. 

Es erscheint mir aber wahrscheinlich, daß diese Gebilde mit 
den von Gebhardt angeführten in einem gewissen Zusammenhänge 
stehen und besonders möchte ich das für diejenigen Fasern an¬ 
nehmen, welche Roux nach Auslöfflung der Spongiosa in den Epi¬ 
physen dargestellt hat. Es ist anzunehmen, daß wenigstens ein 
Teil der Fasern, welche in der oberen und unteren Diaphyse die 
bekannten gotischen Bogen (nach Triepel Glocken) bilden (vgl. 
Fig. 13, 15, 10), nicht einfach den Knochen mit nach oben oder 
unten gerichteten spitzen Winkel durchqueren, sondern daß sie spi¬ 
ralig um die innere Knochenwand herumlaufen. In frontalen Ebenen 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 573 


betrachtet, müssen sich diese Fasern in ähnlicher Weise über¬ 
schneiden, als ob sie spitzwinklig von den Wänden abgingen, wie 
es für einen Teil dieser Fasern zweifellos der Fall ist und, auf die 
Fläche projiziert, d. h. im Röntgenbild, ein ähnliches Bild darbieten, 
wie die spitzbogenartig zusammentreffenden Fasern. 

Gebhardt hat die hohe Bedeutung der spiralig angeordneten 
Elemente im mikroskopischen Bau des Knochens nachgewiesen. 
Offenbar beschränkt sich diese Anordnung nicht auf den mikro¬ 
skopischen Bau, sondern spielt auch für die gröbere Ausgestaltung 
des Knochens eine Rolle. Bei der Besprechung der Schub¬ 
beanspruchung werden wir hierfür ein weiteres ganz ausgesprochenes 
Zeichen (Kompaktaverdickungen im schrägen Querschnittsdurch¬ 
messer) kennen lernen (S. 584). 


III. 

Wenn unsere Annahme der Einwirkung der Muskelarbeit auf 
die Form des Oberschenkelknochens richtig sein soll, so darf sie zu 
der inneren Architektur des Oberschenkelknochens wenigstens nicht 
in Widerspruch stehen. Es läßt sich aber erweisen, daß sie ihr 
durchaus gemäß ist, ja, daß durch sie das Verständnis der inneren 
Architektur erst eigentlich erschlossen wird. 

Die am Oberschenkel wirksame Muskulatur zerfällt in drei 
Gruppen: 

1. Beuger und Strecker des Hüft- und Kniegelenks, 

2. Ab- und Adduktoren, 

3. Pronatoren und Supinatoren. 

Anatomisch sind diese drei Funktionen häufig miteinander 
kombiniert, Beuger und Strecker sind zugleich Ab- und Adduktoren 
und haben auch rotierende Wirkungen, der einzelne Muskel ver¬ 
einigt in sich meistens zwei, häufiger alle drei Wirkungen. Für 
die konstruktive Beachtung sind diese Kombinationen völlig gleich¬ 
gültig, für sie kommt es darauf an, zu prüfen, in welcher Richtung 
und mit welcher Kraft die Gesamtheit der Einzelgruppen die Festig¬ 
keit des Knochens beanspruche. 

Die mittlere Komponente der Beuger und Strecker läuft etwa 
in der mittleren Sagittalebene, parallel zur idealen Achse des Knochens. 
Ihre Richtung ist durchweg parallel der Beanspruchungsrichtung, 
welche die Last des Rumpfes inneliält. Sowohl Beuger als Strecker 
üben eine Druckwirkung in der Längsrichtung des Knochens aus. 


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574 


Grunewald. 


Für die mehrgelenkigen Muskeln ist das ohne weiteres klar; aber 
auch die eingelenkigen wirken in dieser Weise, wie z. B. die beu¬ 
gende Komponente des Ileopsoas den Schenkelkopf nach oben gegen 
den oberen Pfannenrand zu bewegen bestrebt ist. Die eingelenkigen 
Vasti pressen den Unterschenkel gegen die Kondylen. Ihre Wirkung 
beschränkt sich aber nicht auf das untere Ende, sondern der von 
ihnen erzeugte Druck pflanzt sich in der Kontinuität des Knochens 
gegen das Hüftgelenk fort. Hierbei erzeugen sie auch Biegungs¬ 
spannung im Knochen, und zwar im Sinne der nach vorn konvexen 
Krümmung des Oberschenkels, trotzdem sie Strecker des Knie¬ 
gelenks sind und auf der entgegengesetzten Seite 
liegen wie die langen Beuger, welche diese Krüm¬ 
mung eigentlich bewirken. Eine einfache Ueberlegung wird 
die Richtigkeit dieser Behauptung ergeben. Wäre das Femur 

vollständig gerade, so xvürden die Vasti 
nur einen Druck in der Richtung der 
Achse ausüben können, ohne Biegungs¬ 
bestrebung. Da aber der Oberschenkel 
schon gekrümmt ist, so muß jeder axiale 
Druck gegen die Femurkondylen die 
bestehende Krümmung verstärken. Beuger 
miisk«i°‘‘m"'= *Musk'” T« R Ko»Ä- und Strecker üben also einen Druck auf 
tl0U ’ ca a^ , \»cUemafisthK ,: ' ,Uu,U * das Femur aus, der in der Richtung des 

Knochens von unten nach oben wirkt. 
Er ist dem Druck, den die Körperlast auf den Knochen ausübt, 
parallel, aber gerade entgegengesetzt gerichtet. 

Die Richtung der Ab- und Adduktoren steht in der Frontal- 
ebene senkrecht zu diesen Druckkräften. Natürlich nicht von Hause 
aus. Die ab- und adduzierenden Elemente der einzelnen Muskeln 
verlaufen anatomisch in verschiedenen Ebenen und sind durchweg 
in spitzen Winkeln gegen die Femurachse gerichtet und dürften 
mit geringen Ausnahmen, z. B. Quadratus femoris oder einzelnen 
Bündeln des Adductor magnus, in keiner Phase der Zusammen¬ 
ziehung jemals die günstigste Lage des Momentes, die zum Knochen 
senkrechte Richtung, erreichen. Projizieren wir indes die in je eine 
normale Komponente vereinigten Ab- und Adduktoren auf die 
mittlere Frontalebene, in welcher sie letzten Endes wirksam sind, 
so üben die Abduktoren einen Zug, die Adduktoren einen Druck 
in der Richtung der Hüftgelenkachse aus. 


Fig. 10. 



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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 575 

Die Rotatoren, in ähnlicher Weise auf das Collum femoris pro¬ 
jiziert, beanspruchen die Achse desselben auf Biegung oder Knickung, 
und zwar erzeugen die Auswärtsdreher ein nach vorn konvexes, die 
Einwärtsdreher ein nach hinten konvexes Biegungsbestreben (Fig. 10). 
Wirken beide Muskelgruppen gemeinsam, so daß die biegenden Kompo¬ 
nenten sich ganz oder teil¬ 
weise ausgleichen, so ergibt 
sich ein Druck von lateral- 
wärts nach medialwärts, 
der den Schenkelkopf in 
die Pfanne hineintreibt. 

Sämtliche Muskeln 
haben nun eine Wirkung 
gemeinsam: sie erzeugen 
alle auch Schub- oder 
Scherspannung; bei den 
zweigelenkigen Muskeln 
kommt diese W'irkung aber 
nicht am Femur, sondern 
an den Nachbarknochen, 
am Becken und Unter¬ 
schenkel, zur Wirksamkeit, 
während die eingelenkigen 
Muskeln an ihren ent¬ 
sprechenden Befestigungs¬ 
punkten eineScherwirkung 
am Oberschenkelknochen 
ausüben. Es wird sich im 
weiteren erweisen, wieweit 
diese Spannungen im Bau 

n= Traj. rectum, b = Traj. curvat., c Verstärkung 
des Knochens zum Aus- des hicis. colli, d = VerstiUkungspfeiler zwischen 

Me ekel schein Sporn und Trochanterspitze. 

druck kommen. 

Es sei endlich noch erwähnt, daß die ganze Femuroberfläche 
einen Druck erfährt durch das Gewicht der umgebenden Weichteile 
und daß das Gewicht des Unterschenkels am unteren Ende des 
Knochens als Zugbelastung wirkt. 

Bezüglich der Architektur der oberen Epiphyse verweise ich 
auf die beigefügte Fig. 11. a ist das sog. Drucktrajektorium, 
welches von der medialen Wand fast senkrecht gegen den Kopf 


Fig. 11. 



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576 


Grunewald. 


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emporsteigt und so recht geeignet erscheint, den Druck der Kürper¬ 
last aufzunehmen. Wir sehen b, das sog. Zugtrajektorium, welches 
bogenförmig von lateralwärts unten nach medialwärts oben verlauft, 
den Hals in seiner Längsrichtung durchzieht und sich im Kopfe mit 
den Druckbalken kreuzt, ein engmaschiges Netz mit vorzugsweise 
rechteckigen Lücken bildend. Nach Triepel ([10], S. 133) sind 
diese Züge echte, den Anforderungen der Mechanik entsprechende 
Trajektorien. — Die Bezeichnung .Druck- und Zugtrajektorien' 
stammt aus der ersten Zeit der Beschäftigung mit der trajektoriellen 
Struktur, als man die Körperlast als einzige oder wenigstens wichtigste 
Beanspruchung des Oberschenkelknochens ansah. Meines Erachtens 

decken diese Namen sich mit unserer 
Anschauung nur noch teilweise, ich will 
deshalb, ohne irgend eine Funk¬ 
tion durch den Namen zu prä- 
judizieren, das Drucktrajektorium 
als .Trajectorium rectum“, das Zug¬ 
trajektorium als .Trajectorium cur- 
vatum“ bezeichnen. 

Daß das .Trajectorium rectum' 
durch die Körperlast auf Druck be¬ 
ansprucht wird, das .Trajectorium cur- 
vaturn“ dagegen auf Biegung, ist ein¬ 
leuchtend und kann bei unbefangener 
Betrachtung nicht wohl in Abrede ge¬ 
stellt werden. Aber genau wie die 
Körperlast wirken die Beuge- und 
Streckmuskeln, nur in umgekehrter Richtung. Die Körperlast wirkt 
von oben nach unten, die Muskulatur von unten nach oben. Das 
Trajectorium rectum hat also von beiden Seiten eine Druckwirkung 
zu ertragen. Es muß strebefest sein in beiden Richtungen. 

Auf das Trajectorium curvatum wirkt Druck von unten und 
oben, und beide vereinigen sich zu gemeinsamer Wirkung, beide 
suchen seinen Biegungswinkel zu verkleinern, das Trajectorium cur¬ 
vatum zu zerknicken (Fig. 12). Da die Kräfte am Trajectorium 
rectum und curvatum etwa in gleicher Stärke ansetzen, so hat das 
Trajectorium curvatum natürlich unverhältnismäßig mehr zu leisten 
als das rectum; denn die Strebefestigkeit eines kurzen Stabes ist 
bei gleichem Querschnitt viel größer, als die Biegungsfestigkeit 


Fi«. 1-». 

ic 



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o ■ Richtung der l?uiii]»fl;ist, 
in = Riehtumr di*s Miiskcldrue.ks auf 
das Tr;ij. curvatum. 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 577 

eines gebogenen gleichen Materials. Außerdem wird das Trajec- 
torium curvatum auch noch durch die Abduktionsmuskulatur auf Zug, 
durch die Adduktoren auf Druck, durch die Rotatoren auf Druck und 
Biegungsfestigkeit beansprucht, von welchen Einwirkungen das Tra- 
jectorium rectum so gut wie ganz frei ist. Diese vielseitige Be¬ 
anspruchung gestattet für das Trajectorium curvatum den Namen 
Zugtrajektorium nicht mehr, da dieser nur der Einwirkung der 
Körperlast und der achsial wirkenden Muskulatur gerecht wird. 
Aber es darf doch nicht übersehen werden, daß für diese beiden 
Beanspruchungen die alte Auffassung zu Recht besteht, daß sie 
die laterale und obere Hälfte des Bogens auf Zug, die mediale und 
untere auf Druck und Biegung beanspruchen und deshalb halte ich 
die Bemühungen Walkhoff s, das Zugtrajektorium dieses Charakters 
völlig zu entkleiden, nicht für gelungen. 

Das Trajectorium curvatum hat eine für die Beanspruchung 
ungünstige Form und ist außerdem stärker beansprucht, als das 
Trajectorium rectum. Hierzu kommen noch einige ungünstige, die 
Entwicklung des Trajectorium curvatum beengende Momente: zu¬ 
nächst die Schmalheit des von vorn nach hinten abgeflachten 
Schenkelhalses, der die Dickenentwicklung des Trajectoriums be¬ 
hindert. Dieser Faktor kommt vielleicht weniger in Betracht, weil 
die Biegungsfestigkeit eines Balkens vorzugsweise durch die Höhe 
seines Querschnittes bestimmt wird, „der Biegungswiderstand eines 
massiven Balkens von rechteckigem Querschnitt ist proportional dem 
Quadrate seiner Höhe in der Höhe der Biegungsebene“ (Gebhardt [8], 
S. 14(3). Ein typisches Beispiel für diese Tatsache bildet z. B. die 
Wirkung des Messers. Wenn ich den Messergriff mit der vollen Faust 
fasse, z. B. beim Durchschneiden von Pappe oder dickem Leder, wie 
es die Schuster machen, so übe ich auf die schmale Schneide einen 
starken Druck aus; trotzdem biegt sich das Messer nicht nach dem 
Rücken hin aus. Die verhältnismäßig große Höhe genügt, es vor 
Biegung zu schützen, auch wenn, wie beim zweischneidigen 
Schustermesser, die Rückenverstärkung fehlt, die man beim Taschen- 
und Tischmesser in der Regel findet. Aber auch in dieser so 
wichtigen Höhenentwicklung ist das Trajectorium curvatum be¬ 
hindert, nach medialwärts und unten durch die Gefahr, in das 
Gebiet der gefährlichen Schubspannungen zu geraten, welche gegen 
die Mitte des Knochens zu schnell wachsen, nach oben zu durch 
den eingebuchteten oberen llalsrand, die Incisuracolli. Diese Incisur 


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578 


Grunewald. 



erscheint, wie man auf dem Durchschnitt deutlich erkennen 
kann, wie ein senkrechter Einschnitt in die Zugfasern 
(Fig. 13 a). Hier wird die am meisten gefährdete Stelle des Trajec- 
torium curvatum umsomehr bedroht, als sie in unmittelbarer Nähe der 
stärksten Biegung liegt. Das Trajectorium curvatum ist deshalb an 
dieser Stelle durch mehrfache Stützbalken versteift. Zunächst zieht 
von der medialen Femurwand, etwa von der Ursprungsstelle des Tra¬ 
jectorium rectum, ein ziemlich breites Band leicht bogenförmig nach 

außen (Fig. lld) und oben 
gegen die Trochanterspitze. 
Es kreuzt das Trajectorium 
curvatum senkrecht unterhalb 
der Incisura colli. Beide 
Trajektorien bilden hier einen 
Gewölbebogen (Kuppel, siehe 
Triepel [9], III, S. 121) 
von offenbar erheblicher Trag¬ 
kraft. Oberhalb der Gewölbe¬ 
spitze bleibt ein dreieckiger 
Raum, dessen Spitze die Ge¬ 
wölbespitze, dessen Basis die 
Incisura colli bildet. Dieser 
Raum ist ausgefiillt mit 
Fasern, welche von der 
Trochanterspitze gegen den 
Schenkelkopf ziehen. In der 
Incisura colli liegen diese 
Fasern sehr dicht zusammen 
und erscheinen auch auf dem Längsschnitt kompaktähnlich (Fig. 13 a). 
Der Kompaktacharakter ist auf dem gleich zu besprechenden Quer¬ 
schnitt noch deutlicher ausgesprochen. Am medialen Ende der 
Incisura colli fasert sich diese festere Masse wieder auf, schließt 
sich dem oberen Rande des Trajectorium curvatum an, diesen weiter¬ 
hin verstärkend und hat alsdann mit ihm den gleichen Verlauf. 

Die Bedeutung dieser Verstärkung ist auf dem Querschnitt 
noch deutlicher erkennbar (Fig. 4). Wir sehen hier Kopf, Hals 
und Trochanter durch einen Querschnitt in eine obere und eine 
untere Hälfte zerlegt. Betrachten wir zunächst die untere Hälfte 
(Fig. 4B), so erkennen wir an der hinteren Wand eine dichte, etwa 


Frontales Sägeblatt aus der Mitte des Femur, 
a = Kompakta und Incisura colli, b = Radkranz 
artige Versteifungen zwischen medialer und late¬ 
rale v Trochanterwand. 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 579 

1 h cm starke Corticalis. Sie bildet den Mittel- und Ausgangspunkt 
für ein doppelstrahliges ZugbUndel: 

1. Ein mediales in den Kopf hineinziehendes, welches in die 
dichte, breite Masse übergeht, welche den Hals zum größten Teil 
und den Kopf in seiner mittleren Partie ausfüllt, das kombinierte 
Gefüge des Trajectorium rectum und curvatum: 

2. Ein laterales, welches radienförmig in die hintere Trochanter¬ 
hälfte ausstrahlt und bis zur lateralen Trochanterwand reicht. Es 
verbindet diese Wand in 
direkter Weise mit dem 
Kreuzungspunkte der bei¬ 
den Trajektorien. Aber 
auch die vordere Wand 
beteiligt sich an dieser 
Verstärkung; sie setzt sich 
unmittelbar in die vordere 
Grenze der Kopfverflech¬ 
tung fort und ihre Corti¬ 
calis löst sich in dieser 
auf (Fig. 4B, 3). 

Die obere Hälfte die¬ 
ses Querschnittes (Fig. 4 A) 
bietet ein anderes Bild. 

Die Verstärkung der hin¬ 
teren Collumwandk ist nach 
lateralwärts gerückt in den 
Winkel des Trochanter¬ 
ansatzes. Wie schon früher 
hervorgehoben, ist diese 
Stelle stark durch die Außenrotatoren, welche den Trochanter hier 
hakenförmig nach medialwärts umbiegen (Retroflexio colli medialis) 
beansprucht. Sie dient aber gleichzeitig zur Verstärkung des Tro¬ 
chanter. Es gehen von hier vier Züge aus, einer nach hinten 
lateralwärts (1), einer nach vorn lateralwärts (2), einer nach vorn (3). 
Durch diese drei Strahlen wird der Trochanter in drei Segmente 
zerlegt. Die Strahlen vereinigen sich mit der starken Trochanter¬ 
wand und bilden so im Trochanter ein radkranzartiges Gefüge, 
welches auch im Längsschnitte deutlich zum Ausdruck kommt (Fig. 13). 
Ein viertes Strahlenbündel geht von dem Knotenpunkte noch medial- 


Fig. 14. 



Schematische Darstellung des Baus der oberen Femur- 
diaphy.se. a = Traj. rect., b — Traj. curvat., c = Hülfs- 
strebe. d — Incis. colli, e = Trochanter — stark sche¬ 
matisch zur Erweisung seiner Stiitzfunktion zum Traj. 
curvatum. Man erkeunt, wie sich die ganze laterale 
Partie der Spongiosa um das Traj. curvat. gruppiert. 


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Granewald. 


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wärts gegen das Caput femoris, um die Spongiosa zu verstärken. 
Au s dieser Darstellung geht nun hervor, daß der Tro¬ 
chanter in hohem Maße an der Befestigung des coxalen 
Femurendes beteiligt ist. Er ist nicht eine gleichgültige 
Apophyse, nicht ein zufälliger Haken für Muskelansätze, sondern 
ein wichtiges Konstruktionselement der Festigkeit des oberen Femur¬ 
endes (Fig. 14). Er sitzt dem Trajectorium curvatum wie 
ein Winkel auf, sehr geeignet, die Biegungsfestigkeit desselben 
zu steigern, seine Ausstrahlungen gelangen in die Trajektorien des 
Kopfes und verstärken insbesondere die vordere und hintere Partie 
desselben. 

So gewinnt also das Trajectorium curvatum eine wesentliche 
Unterstützung erstens durch den beschriebenen Spitzbogen, zweitens 
die Verstärkungen der Incisura colli, drittens durch den Trochanter 
major. Die Ausstrahlungen des Trochanter major, die bis in den 
Kopf hinreichen, kommen hier auch dem Trajectorium rectum zu¬ 
gute. Eins ist klar, die Architektur des oberen Femurendes 
ist im wesentlichen auf die Ausbildung des Trajectorium 
curvatum zugeschnitten. Wie es die stärkste Beanspruchung 
erfährt, so eilen auch von allen Seiten, von oben, unten und lateral- 
wärts die Verstrebungen zu seiner Unterstützung herbei. Durch seinen 
Ausbau erhält die Epiphyse erst ihren spezifisch menschlichen Charakter. 
Das ist auch verständlich, wenn man erwägt, daß die Muskulatur 
der unteren Extremitäten, insbesondere des Femur, beim Menschen 
infolge der Orthogenese relativ stärker ausgebildet ist als bei allen 
Tieren, und daß das Trajectorium curvatum einen Sammelpunkt 
aller wirksamen Muskelkräfte, wie immer sie gerichtet sein mögen, 
bildet. Walkhoff hat das Trajectorium rectum für spezifisch 
menschlich angesprochen und es deshalb das „Trajektorium des auf¬ 
rechten Ganges“ genannt. Ich glaube, nicht ganz mit Recht. Es 
ist viel weniger charakteristisch für die spezifische Beanspruchung 
des menschlichen Femur, als das Trajectorium curvatum. Beide 
Trajektorien sind in der Anlage auch bei den Vierfüßlern und den 
höheren Allen zu erkennen. Eine so scharfe Ausprägung wie beim 
Menschen haben sie aber nirgendwo und es besteht auch zwischen 
beiden in der außermenschlichen Tierwelt irgendein charakteristischer 
Unterschied der Entwicklung nicht, der berechtigte, gerade das 
Trajectorium rectum als etwas spezifisch Menschliches anzusprechen. 
Wollte man unbedingt etwas Derartiges aufstellen, so würde meines 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 581 

Erachtens eher das Trajectorium curvatum als charakteristisch für 
den Menschen zu bezeichnen sein. Ich halte aber eine derartige 
Pointierung für überflüssig. 

So sehr ich von der Bedeutung der Muskelarbeit für die Aus¬ 
bildung der trajektoriellen Struktur des Oberschenkels überzeugt 
bin, so bin ich doch nicht in der Lage, den einzelnen Muskeln be¬ 
stimmte Trajektorienzüge als eigentümlich zuzuweisen, wie dies 
Walk ho ff tut, der das ganze Trajectorium curvatum auf den 
Glutaeus maximus bezieht. Die so kräftige Verstärkung der Incisura 



hinten. 


Von vier sugittalen Längsschnitten 
durch das untere Femur ende 
lateralwiirts der zweite. 


Von vier sngittalen Schnitten durch das 
untere Femurende 
medialwärts der zweite. 


colli schreibt er der Wirkung der Musculi pyriformis, gemelli, ob- 
turatorii zu. Diese Muskeln sind schwache Außenrotatoren; ihre 
Momente stellen weniger als 1 j* der gesamten Momente der Außen¬ 
rotatoren dar (34,84:146,35 nach Fick [3] III, S. 500). Wie 
sollten sie eine so starke compactaähnliche Bildung, wie wir sie in 
Incisura colli finden, erzeugen können? Aehnliches läßt sich auch 
über die Glutaeus medius und minimus sagen, denen von Walk hoff 
ebenfalls zpezifische Trajektorienzüge zugeschrieben werden. Wo 
sollten wir, wenn wir in dieser Weise die Trajektorien spezialisieren 


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582 


Grunewald. 


wollten, die spezifischen Strahlen für die große Zahl der anderen, 
teilweise sehr starken Muskulaturen, suchen? Das wird wohl stets 
ein vergebliches Bemühen bleiben; es fehlen dazu jegliche anato¬ 
mische Anhaltspunkte. 

Die Architektur des unteren Femurendes ist im wesentlichen 
bedingt durch die nach vorn konvexe Ausbiegung des Femur, 
welche gerade am unteren Ende gut charakterisiert ist und sich 
auch an dem benachbarten Gelenkende des Schienbeines vorfindet. 


Betrachten wir sie zuerst an sagittalen Längsschnitten. Sie erzeugt 
in erster Linie eine überwiegende Stärke der hinteren Corticalis. 
Der innere gegen die Markhöhle gerichtete Teil der Hinterwand 
hat sich in ein Spongiosanetz aufgelöst, welches zwei Richtungen be¬ 
sitzt: der untere Teil, welcher 
* 1 '"’ denWinkel ausfüllt, der durch 


rn 


r 

P 


die Rückwärtsneigung des 
inneren Condylus zwischen 
diesem und der angrenzen¬ 
den hinteren Femurwand ent¬ 
steht, läuft senkrecht nach 
abwärts gegen die Gelenk- 
^ fläche zu und strahlt gegen 
dieselbe büschelförmig aus: 


der andere etwas oberhalb 


Querschnitt durch die untere Femurepiphyse. lipcrpndp Tpil tVcrl Fier 15 

i = Fossa popl., m = medial, 1 = lateral, r= Knie- At;l1 lYo 1 - r 

ehlemadiunt, r 2 = Condylusradiaut. Beide bilden ]ß) erstreckt sich als 

einen Doppelkegel. 

breites Band von hinten oben 


nach vorn unten und trifft etwas nach vorn von der Mitte auf ein 


ebenfalls schräg nach abwärts verlaufendes, der vorderen Wand 
entspringendes Spongiosaband. Beide bilden den bekannten nach 
oben offenen charakteristischen gotischen Bogen (Kuppel), dessen 
Winkel aber infolge der geringeren Länge des vorderen Bandes 
exzentrisch, mehr in der vorderen Hälfte der Knochenhöhle, liegt. 
Eine senkrecht verlaufende Verstrebung an der vorderen Wand, die 
aber ebenfalls schwächer ist, wie die entsprechende hintere, ist an 
Fig. 1(> deutlich erkennbar. Auch auf den Querschnitten durch 
die unteren Diaphysenenden erkennt man überall ebenfalls eine aus¬ 
gesprochene Verstärkung der Hinter wand des Knochens. Von der 
Fossa poplitaea geht seitwärts ein Radiant aus, welcher vorzugs¬ 
weise die hintere Hälfte beider Condylen, besonders die des Condylus 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 583 


lateralis, verstärkt (Fig. 17). Er vereinigt sich im Condvlus 
lateralis mit einem zweiten, von dessen Spitze aus¬ 
gehenden Radianten, so daß man im hinteren Teile des 
Condylus lateralis einen horizontal liegenden Doppel¬ 
kegel zweier Radianten erkennt, deren Basen Zusammen¬ 
stößen und deren Spitzen medialwärts und lateralwärts gerichtet 
sind. In den übrigen Teilen der unteren Epiphyse ist das Ge¬ 
füge ein lockeres und wird im wesentlichen beherrscht durch das 
Balkengefüge, welches in der Richtung der Längsachse des Knochens 
verläuft, während die queren Züge zwischen diesen längsgerichteten 
spärlicher und dünner, aber überall deutlich erkennbar sind. Auch 
die senkrecht verlaufenden Trajektorien sind im Condylus externus 
dichter und zahlreicher als im Condylus internus. Die stärkere 
Bauart des Condylus externus, besonders des hinteren 
Endes, ist deutlich erkennbar und wird meines Erachtens erklärt 

1. durch das geringere Volumen desselben bei gleicher Be¬ 
anspruchung, und 

2. durch das Uebergewicht des Musculus vastus lateralis, der 
die nach außen konkave Abbiegung des unteren Oberschenkelendes 
hervorruft und gegen welche der Knochen natürlich angemessen 
versteift sein muß. 

Eine stärkere statische Belastung des Condylus externus, 
wie sie Walkhoff annimmt, dürfte sich kaum erweisen lassen. 
Trotz der nach außen offenen Winkelstellung im Kniegelenk läuft 
die ideale Femurachse durch die Mitte der Kniegelenkachse und 
dadurch wird die Beanspruchung der beiden Condylen gleichmäßig 
verteilt (vgl. Fick [3] S. 525). 

Um über die Massenverteilung des Femur ein vollständiges 
Bild zu gewinnen, ist es noch notwendig, die übrigen Querschnitte 
des Knochens zu betrachten. Der Typus des Femurquerschnittes 
ist im allgemeinen rundlich. Abweichungen vom rundlichen Typus 
sind durch die speziellen Aufgaben des Querschnittes bedingt. 

Die auffallendste Querschnittveränderung erzeugt der sog. Pi¬ 
laster (Fig. 5, Nr. 13, 14, 15, 16, 18, 20, ferner Fig. 6, Nr. 17, 
18, 19), ein kräftiger, dem mittleren Teil des Femur ungefähr in 
der hinteren Mittellinie aufgesetzter Balken von annähernd drei¬ 
eckigem Querschnitt mit vorderer allmählich in die Peripherie des 
Knochens ausstrahlender Basis und hinterer Spitze. Diese Spitze 
ist nur selten eigentlich scharfkantig, meist, abgestumpft. Die Auf- 


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Grunewald. 


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gäbe des Pilasters ist einleuchtend; er verlängert den Querschnitt in 
der Richtung von vorn nach hinten und bildet gleichzeitig eine 
Strebe von großer Festigkeit (vgl. die technischen Querschnitte 
Fig. 18, S. 158 bei Gebhardt [8]). Er ist also besonders ge¬ 
eignet, die weitere dorsoventrale, nach vorn konvexe Ausbiegung 
des Knochens zu verhüten. Da in der Mitte der gefährliche Quer¬ 
schnitt des Knochens für die Biegung liegt, so nimmt der Pilaster 
vorzugsweise das mittlere Drittel des Oberschenkelknochens ein. 
Nach unten und oben zu verschwindet er allmählich. Daß aber 
auch unten eine entsprechende Wand Verstärkung vorhanden ist. 
haben wir bei der Besprechung des Baues der unteren Epiphyse 
gesehen. 

Ungefähr in dem gleichen Gebiete, wie in dem des Pilasters, 
aber mehr der oberen Knochenhälfte angehörig, finden wir auch 
eine Verdickung der Seiten wände, und zwar sowohl der medialen, 
als lateralen. Die vordere Wand ist durchweg am schwächsten: 
die mediale und laterale Wand zeigen seitliche, zuweilen sehr starke 
massive Ausbuchtungen (Fig. 5, Nr. 4, 6, 10, 13, 14, 15, 16, 18. 
20; Fig. 6, Nr. 10, 14, 17, 18, 19), die in der Regel einander 
gegenüber, und zwar in der Richtung des schrägen Knochendurch¬ 
messers von vorn lateral, nach hinten medial liegen. Diese schräge 
Lage weist deutlich auf die Ursache dieser Wandverstärkungen hin, 
sie sind Torsionsverstärkungen, bestimmt, die in der Wand des 
Knochens auftretenden Schubspannungen aufzunehmen. Daß die 
Ein- und Auswärtsdreher derartige Torsionsspannungen erzeugen, 
ist selbstverständlich und braucht nicht näher erörtert zu werden. 
Aber auch die anderen Muskeln erzeugen sie, besonders die Ab- 
und Adduktoren. Die Ansätze der Ab- und Adduktoren sind nicht 
genau auf die mittlere Frontalebene beschränkt. Sie verteilen sich 
auf den größeren Teil der Peripherie des Knochens. Lägen sie 
nun genau in der mittleren Frontalebene, so würden die Muskeln 
nur seitliche Bewegungen schaffen und könnten neben Abduktion 
und Adduktion nur ein seitlich biegendes Moment nach einwärts 
oder auswärts auf den Knochen ausüben. Indem sie aber um die 
Peripherie des Knochens verteilt sind, haben sie zugleich ein rota¬ 
torisches Moment, dem bei gleichzeitigem Zusammenwirken vieler 
Muskeln die jeweiligen Antagonisten ein entgegengesetztes entgegen¬ 
stellen. Daraus resultiert eine rotatorische Schubspannung in der 
Knochensubstanz, die sich bei der vorzugsweise seitlichen Lagerung 


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| 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA j 



Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 585 

sowohl der Rotatoren, als Ab- und Adduktoren in den seitlichen 
Partien des Knochens besonders geltend macht. Die schräge Gegen¬ 
überlagerung der entsprechenden Wandverstärkungen entspricht den 
in diesen Gebilden vorherrschenden Zugrichtungen. Zur Steigerung 
der Torsionsspannungen im Oberschenkel trägt auch noch die Winkel¬ 
bildung im Kniegelenk bei, sowie die seitliche Stellung des Kopfes 
gegen das Femur, worauf Gebhardt hinweist (Archiv für Ent¬ 
wicklungsmechanik XII, 2. Heft, S. 176). Dasselbe gilt für den 
Humerus, dessen Torsion ja bekannt ist. 

Die Wandstärke des Femur ist etwa in der Mitte überhaupt 
am größten; nicht nur der Pilaster und die Seitenwände, sondern 
auch die Vorderwand erreichen hier ihre größte Stärke und die 
Markböhle verengt sich hier entsprechend. Das ist aus zwei Gründen 
begreiflich: erstens befindet sich hier der gefährliche Querschnitt 
für alle Biegungsbeanspruchungen, die auf den langen und schlanken 
Knochen einwirken. Auch die Schubspannungen, obgleich in der 
oberen Knochenhälfte wirksamer als in der unteren, machen sich 
hier sicher noch stark geltend. Hierzu kommt, daß der Knochen 
in der Mitte überhaupt eine Verjüngung erfährt. Der Durchmesser 
des Knochens ist in der Mitte, gerade an der Stelle des gefährlichen 
Querschnittes, am kleinsten. Da, vorausgesetzt, daß ein bestimmtes 
Wandstärkeuverhältnis innegehalten wird, ein zylindrischer Hohl¬ 
körper mit Zunahme seines Querschnittes an Widerstandsfähigkeit 
zunimmt, mit der Abnahme desselben an Widerstandsfähigkeit ein¬ 
büßt, so ist das Femur gerade an der Stelle, an welche die größten 
Anforderungen an Festigkeit gestellt werden, am ungünstigsten ge¬ 
baut, ein Nachteil, der durch eine erhebliche Wandverstärkung aus¬ 
geglichen wird. 

Der Querschnitt des Femur behält nach oben zu den rund¬ 
lichen Typus bei bis zur Gegend des Torsionsfeldes. Wie sich die 
Form dort gestaltet und aus welchen Gründen, ist oben erörtert 
worden. Die hohe, flache Halsform erklärt sich ebenfalls durch die 
Art der Beanspruchung, sie bietet den günstigsten Querschnitt dar 
gegen die Durchbiegung nach unten. Diese ist natürlich um so 
geringer, je steiler der Hals gestellt ist. Mit größerer Steilstellung 
nähert sich der Verlauf des Trajectorium curvatum der Knochen¬ 
achse. Die Biegungsbeanspruchung vermindert sich zugunsten der 
Beanspruchung der leistungsfähigeren Strebefähigkeit. 

Daß das Hüftgelenk ein Kugelgelenk ist, ist auch nicht zu- 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



586 


Grunewald. 


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fällig, sondern durch seine Lage zum Stamm bedingt. Die proxi- 
malsten Gelenke sowohl der kaudalen als der kranialen Extremitäten 
sind in der ganzen Säugetierreihe Kugelgelenke. Durch die Aus¬ 
bildung des proximalsten Endes zum Kugelgelenk wird der ganzer. 
Extremität mit einem Schlage die möglichst große Exkursion im 
Raume gesichert und den distalen Gelenken kann die Spezialausbil¬ 
dung der Bewegungen überlassen werden, die jeder einzelnen Art 
eigentümlich ist. Die breiten Flächen, welche der Stamm darbietet, 
ermöglichen auch eine bequeme Verteilung der zugehörigen Muskelr. 
in den drei Dimensionen des Raumes, in denen das Kugelgelenk zu 
wirken gestattet. Immerhin ist bemerkenswert, daß, wenn wir 
gleich die dreidimensionale Beweglichkeit der Hüfte nicht wobl 
entbehren können, die quantitative Ausnutzung derselben in der 
Regel eine geringe ist. Beim Gehen pendelt die Hüfte in 
mäßigem Umfange von Beugung und Streckung in der Sagittal- 
ebene. Erhebliche Abduktion und Adduktion, sowie rotatorische 
Bewegungen größeren Ausschlages spielen keine besondere Rolle. 
Vergleichen wir damit die zahlreichen und massigen Muskeln, 
welche auf die Hüfte einwirken, so drängt sich die Vorstellung 
auf, daß sie, soweit sie nicht zur Aufrechterhaltung des Rumpfes 
dienen, zur Befestigung der Hüfte fast mehr als wie zu ihrer 
Bewegung bestimmt sind. 

In der unteren Hälfte geht die rundliche Querschnitts¬ 
form des Femur in eine mehr rechteckige über. Das Rechteck 
steht mit der langen Seite frontal, mit der kürzeren sagittal. 
Hier bildet offenbar die Vorbereitung zu dem langachsigen, einer 
breiten Verbindungsfläche benötigende Kniegelenksscharniere die 
formende Kraft (Fig. 5, Nr. 25, 27, 28, 29, Fig. 6, Nr. 28. 
29, 32, 34). 

Daß auch das Gewicht des Unterschenkels auch auf das Femur 
eine Zugspannung ausübt, ist sicher. Zuppinger hat Apparate 
zur Einrichtung frischer dislozierter Knochenbrüche erfunden, die 
ausschließlich durch das Gewicht des peripheren Bruchstückes wirken. 
Dies genügt, die Muskelspannung, welche die Dislokation der 
Fragmente hervorruft, zu überwinden und die Verschiebung der 
Bruchstücke zu beseitigen. Natürlich ist dieselbe Kraft auch am 
unverletzten Gliede wirksam. Sie ist für das Femur gleich dem 
Gewichte des periphären Gliedabschnittes und wirkt bei frei- 
schwebendem Beine in entgegengesetzter Richtung wie der Druck 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 587 


der Rumpflast uud der längsverlaufenden Muskeln, also als Zug¬ 
spannung. 

IV. 

Es erübrigt noch, zu prüfen, wie groß die Druckkräfte, welche 
die Muskeln auf das Femur ausüben, eigentlich sind. Hierbei ergibt 
sich zunächst eins, daß es nicht möglich ist, die aus den willkür¬ 
lichen Bewegungen hervorgehenden Druckkräfte zu bestimmen. Die 
willkürlichen Bewegungen sind bekanntlich höchst kompliziert, das 
Spiel der Muskeln ein ständig wechselndes und weit verbreitetes. 
Ferner ist auch das Verhältnis der wirksamen Arbeit des Einzel¬ 
muskels zur Druckkoraponente infolge ständigen Wechsels der Mo¬ 
mente ein ganz unregelmäßiges. 

Erweist sich demnach das Stadium der Bewegung als un¬ 
geeignet, so ist vielleicht das Stadium der Gliederruhe für unsere 
Zwecke passender. 

Die Muskulatur befindet sich bekanntlich niemals im Ruhe¬ 
zustände. Auch im tiefen Schlaf oder Narkose zeigen die Muskeln 
einen Spannungszustand. Anderseits kommen lebhafte Muskel¬ 
zusammenziehungen ohne gleichzeitige Gliedbewegungen vor, z. B. 
wenn man das Bein fest auf den Boden stemmt, beim Ballen der 
Faust, beim Zusammenpressen der Kiefer usw. 

Der Spannungszustand der Muskeln außerhalb der Zusammen¬ 
ziehung ist einigermaßen feststellbar. Triepel hat darüber Unter¬ 
suchungen angestellt (1. c. Teil 1, S. 99). Diese benutzt er, um 
die Beanspruchung des proximalen Femurendes festzustellen. Be¬ 
ansprucht wird nach Triepel das proximale Femurende durch das 
halbe Gewicht von Rumpf, Kopf und Armen, das er zu 25 kg an¬ 
nimmt, und ferner durch den elastischen Zug der das Hüftgelenk 
umgebenden Muskeln. Dieser Zug ist gleich dem Produkt aus dem 
Querschnitt q der Muskeln und der von ihnen bei einer mittleren 
Dehnung ausgeübten Spannung. Da Triepel von jeglicher will¬ 
kürlichen Kontraktion absieht, so sollte auch die Rumpflast in Fort¬ 
fall kommen. Nur die horizontale Rückenlage gestattet eine völlige 
Erschlaffung der Muskulatur und bei ihr entfällt die Rumpflast; 
sobald der Körper aufgerichtet ist, so treten auch Muskelzusammen¬ 
ziehungen ein, deren Spannungsgröße sich unserer Berechnung ent¬ 
zieht. Wir werden die Rumpflast also bei der folgenden Wieder¬ 
gabe der Triep eisehen Tabelle vernachlässigen: 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. IW. 'fS 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA I 



588 


Granewald. 


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Gesamt- 

Spannung 



querschnitt 

q x s 



q 

(s = Vio ker] 

1 . 

Obt. ext., Obt. int., Gemelli 

20,6 cm*. 

2,1 kg 

2. 

Glut, max., Glut, med., Piri¬ 




formis, Glut, minimus . . 

120 cm 2 . 

12 kg 

3. 

Gracilis, Pectineus, Adduct. 




longus, Adduct. brevis, Ad¬ 




duct. magn., Quadr. fern. . 

54 cm 2 . 

5,4 kg 

4. 

Iliacus, Psoas mg. m. . . 

30,4 cm 2 . 

3 kg 

5. 

Reet, fern., Tensor fase. lat. 

36,5 cm 2 . 

3,7 kg 

0 . 

Semitend., Semimembran, Bi- 




ceps fern. cap. long. . . . 

45 cm 2 . 

4.5 kg 


Sa. 30,7 kg. 

Danach erfährt das proximale Femurende in völliger Ruhe 
eine Belastung von 30,7 kg. Es ist der mögliche Minimaldruck. 

Der möglichste Maximaldruck bei gleichzeitiger Ruhe des 
Gliedes käme zustande, wenn sämtliche Muskeln gleichzeitig im Zu¬ 
stande stärkster Erregung wären, ohne sich irgendwie verkürzen zu 
können. Dann entwickelt der Muskel seine absolute Kraft, die 
ausgedrUckt wird durch das Gewicht, welches bei stärkster Keizung 
des Muskels seine Verkürzung eben noch hindert. Die Größe dieses 
Gewichtes wird verschieden angegeben. Sie wird auf 10 kg für 
den Quadratmeter Muskelquerschnitt geschätzt, so daß also z. B. die 
absolute Kraft eines Muskels von 25 qcm gleich 250 kg wäre. 
Uebrigens schwanken die Angaben sehr und sind auch sicher in¬ 
dividuell verschieden, übrigens auch zweifellos für die verschiedenen 
Muskeln desselben Menschen verschieden. Für den Quadratmeter 
künstlich tetanisierten Froschmuskels fand Rosental 2,8—3 kg. 
für die Armbeuger des Menschen Koster 7,4 kg, für die Waden- 
nmskeln derselbe 9—10 kg, Henke und Knorz für die Fußstrecker 
5,9 kg und die Arnibeuger 8,2 kg, Haughton für die Unter¬ 
schenkelbeuger 7,8 kg. Ich habe nun unter Benutzung der Weber¬ 
seben Querschnittszahlen sowie der Tabelle der Verhältnisse der 
Drehungsmomente, welche A. Fick im Jahre 1847/48 aufgestellt 
hat (vgl. R. Fick [3] III, S. 499), zunächst auszurechnen versucht, 
wie sich die Arbeitsleistung der auf die Oberschenkel wirkenden 
Muskeln auf die drei von uns aufgestellten Beanspruchungsricli- 
tungen in der Längsrichtung des Knochens (axial) (Vorheber uni 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 589 


Tabelle I. 

Verhältnis der Drehungsmomente der Hüftmuskeln. 

(Nach A. Fick, vgl. R. Fick, 1. c. S. 499. Die Zahlen sind hier abgerundet; 
kleine, für vorliegende Berechnung gleichgültige Werte weggelassen.) 



Vor- 

Rück- 

Ab- 

An- 

Supi- 

| Pro- 

1 

Muskel 

heber 

heber 

zieher 

zieher 

nator 

nator 

Summe 


1 

ii 

in 

IV 

V 

1 

VI 

I ! 

i_ _ 

Obtur. extern. 

i 

17 



25 



i 42 

Obtur. intern. 

— 

3 

— 

4 

19 

— 

26 

Gemelli. 

I _ 

— 

— 

4 

- . 

1 

! 4 

Glutaeus max. 

— 

158 

— 

67 

78 

- - 1 

1 303 

Glutaeus medius . . 

— 

10 

114 

— 


18 

1 142 

Piriformis. 

t — 

3 

15 

— 

16 

— 

i 34 

Glutaeus minim. . . 

8 

— 

54 


— 

16 1 

1 78 

Gracilis. 

4 

— 

— 

18 

— 

— 

1 22 

Pectineus. 

12 

— 

— 

11 

— 

2 

i 25 

Adduct. long. 

34 

— 

— 

41 

— 

2 i 

i 77 

Adduct. brevis . . . 

26 

— 

— 

42 

2 

— 

70 

Adduct. magn. . . 

4 

43 

— 

17 

1 

2 1 

1 67 

Quadr. fern . 

i — 

— 

— 

26 

25 

— ! 

51 

Ileopsoas .. 

77 

— 

— 

— 

— 

12 

1 89 

Rectus . 

46 

— 

— 

— 

15 

— . ! 

I 61 

Vasti ! ) .i 

1 _ 

— | 

_ 

_ 

I _ 

— 

1 _ 

Tensor fase . 

12 

— 

8 

— 

— 

— 

i 20 

Semitend . 

— 

21 

— 

8 , 

— i 

2 1 

1 81 

Semimembr . 

— 

21 

— 

1 7 

I 

1 '1 

! 29 

Bicepa . 

— 

33 

10 

— 


— 

43 

Sartorius . 

11 

— 

4 

— 

— i 

i 

15 


251 

1 292 

205 

1 270 

156 

i 55 i 

1229 


Rückheber), in der Querrichtung des Knochens (transversal) (Ab¬ 
zieher und Anzieher) und in der Rotation (Pro- und Supinatoren) 
verteilt. 

Als Beispiel diene der Glut. min. Sein Querschnitt beträgt 
rund 24 qcm. Sein Drehungsraoment als Vorheber (axial) beträgt 
rund 8, als Abzieher (transversal) 54 und als Rotator 16 = Sa. 78. 
Damit entfällt von dem Querschnitt von 24 qcm auf die axiale 

g 

Beanspruchung -=g~ = 1 jio, auf die transversale Beanspruchung 

i O 


54 __ 
78 “ 


7/, 


10 , 


und auf die rotatorische Beanspruchung 


i 

i 


0. 


Die vor¬ 


stehende Tabelle I enthält die Aufstellung der Verhältnisse der 


') Bezüglich der Vasti vgl. Tabelle II. 


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590 Grunewald. 

Tabelle II. 

Verteilung der Muskelquerschnitte auf die verschiedenen 

Komponenten. 

q = Quadratzentimeter, ax — axiale Komponente, tr = transversale Komponente, 
r - rotatorische Komponente, I — Vorheber, II = ttückheber, III = Abzieher. 
IV = Anzieher, V — Supinator, VI — Pronator. 


Muskel 

q 

ax 

I 

II 

tr 

III 

IV 

r 

V I 

VI 

Obtur. extern. . . 

9.7 

*/» 

4 


*/■-• 


6 



_ 

Obtur. intern. . . 

8,r> 

s 

— 

1 

7« 

— 

1,5 

13 /is 

6 

— 

Gemelli. 

V) 


— 

— 

l 

— 

_ 2 


— 

— 

Glutaeus inax. . . 

53.1 

•'* 

— 

26, 

74 

13 

— 

'■4 

13 ' 

- 

Glutaeus medius . 

41,6 

1 14 

— 

3 

7 7 

36» 


' 14 

— , 

0 

Piriformis. 

5,4 

— 

— 

— 

7. 

2,5 


V* 

2,5 i 

— 

Glutaeus minim. . 

24,2 

■r 

— 

3,5 

4 7 

14 

■ — 

2 , 

__ 1 

< 

Gracili8. 

4.1 

1 .0 

— 


7i» 

— 

4 

— 

— 

— 

Pectineus. 

7,0 

1/ 

3.5 



— 

3 5 

— 

— 

— 

Adduct. long. . . 

10,6 

J /2 

5.3 

— 

7* 

— 

5,3 

— 

— 

— 

Adduct. brevis . . 

7,9 

V® 

2,7 

— 

1 *• 

1 - 

5,2 

— 

— 

— 

Adduct. inagn. . . 

35,1 

2 /3 

— 

23 

! 7* 

— 

12 

— 

— 

— 

Quadr. fern. . . . 

7.*2 

— 

— 

— 

7» 

— 

3.6 

'/* 

3.6 

— 

Ileopsoas. 

30.3 

‘ 4 

26 

! — 


' - 

— 

1 1 

1 — 

4 

Rectus. 

28.9 

74 

21 

: — 

74 

8 

— 

[ _ i 

i — 

— 

Vasti *). 

118,6 

1 

118,6 

i _ 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

Tensor fase. . . . 

7,5 

7a 

5 

— 

7» 

2.5 

— 

— 

— 

— 

Semitend. 

7,3 

' 

3 

— 

5 

V* 

— 

2,5 

_ i 

— 

— 

Seiniinenibr. . . . 

26.4 

4 

—’ 

20 

V« 

— 

6.4 

— 

— 

— 

Biceps. 

11,3 


— 

8,5 

7, 

, — 

3,0 

— i 

— 

- 

Sartorius. 

4.0 

! 3 4 

3 | 

— 

74 

! 1 ; 

— 

— | 

— 

— 

— 

— 

189,1 

90.0 

. — i 

07.0 1 

55,0 

— 

25,0 

14 


Drehungsmomente auf Grund der Fick sehen Zahlen, Tabelle II 
die Verteilung der Querschnittszahlen auf die drei Beanspruchungs¬ 
richtungen. 

Es ergibt sich also für die longitudinale Beanspruchung ein 
Querschnitt von 280 qcm, für die transversale ein Querschnitt von 
122 qcm, für die rotatorische ein Querschnitt von 39 qcm. Nimmt 
man die Arbeitsleistung pro Quadratzentimeter mit 10 kg an, so 
ergeben sich für: 

') Die Yasti sind als rein axial wirkend angenommen worden. Bei der 
zweigelenkigen Muskeln ist für Knie und Hüfte dieselbe axiale Komponente 
angenommen worden, was nicht ganz genau ist, da das Kniegelenk Ab- umi 
Adduktion nicht gestattet und die Kreiselbewegungen 6ebr gering sind. Bei 
der iilcrliaupt nur ungefähren Rechnung ist die Vereinfachung bedeutungslos. 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 591 


longitudinale Beanspruchung 2800 kg 
transversale Beanspruchung 1220 kg 
rotatorische Beanspruchung 390 kg 

Diese Beanspruchungen verteilen sich aber mindestens auf zwei 
Knochen, den Knochen des Ursprungs und den des Ansatzes. Bei 
den zweigelenkigen Muskeln auf drei Knochen, den Ursprung und 
Ansatzknochen (Becken und Unterschenkel), sowie den zwischen 
ihnen eingeklemmten Oberschenkelknochen, der den Druck erst auf 
indirektem Wege erfährt. Sie reduzieren sich also bezüglich des 
Femur auf die Hälfte. Bei der longitudinalen Beanspruchung, bei 
der die zweigelenkigen Muskeln vorwiegen, auf weniger als die 
Hälfte. Es würde sich also bei Berücksichtigung dieses Faktors 
ergeben: für die longitudinale Beanspruchung ca. 1000—1200 kg, 
für die transversale ca. 600 kg, für die rotatorische ca. 350 kg. 
Diese Zahlen sind natürlich sehr große. Das Femur eines 25jährigen 
Menschen, dessen Querschnitt 230 qmm mißt (nach Triepel, phy¬ 
sikalische Anatomie II, S. 180 f.), zerreißt bei einer Zugbelastung 
von 1550 kg; es wird zerdrückt durch einen Druck von 1100 kg, 
es treten dann die ersten Fissuren ein. Beim 31jährigen Mann ge¬ 
hören dazu 1300 kg. Die Biegungsgrenze liegt bei den Männern 
zwischen 180 und 475 kg, je nach dem Alter, bei Frauen zwischen 
230 und 350 kg. Zur Zerknickung des Oberschenkels (Diaphysen 
oder Halsbruch) waren notwendig: 

Männer: Mittel. . 810 kg Weiber: 580 kg 

Maximum 1075 kg 875 kg 

Minimum 700 kg 400 kg 

Der Femurhals allein, beansprucht in der Richtung seiner 
Längsachse, brach bei einem 32jährigen Weibe bei Belastung mit 
850 kg, bei einem 82jährigen Weibe bei 450 kg. 

Nun stimmen zwar diese Versuche mit den Verhältnissen des 
Lebenden nicht überein. Insbesondere die Art der Beanspruchung 
ist beim Lebenden eine grundverschiedene, weil sich der Druck der 
lebenden Muskulatur über den ganzen Knochen oder wenigstens 
über größere Partien verteilt, während im Experiment die Be¬ 
anspruchung in der Regel an bestimmten eng umgrenzten Punkten an¬ 
setzt. So wird beim Zerdrückungsversuch ein möglichst kleiner 
Bezirk belastet, bei der Biegung wird das Femur an den beiden 
Enden unterstützt und in der Mitte belastet. Kurz, es findet durch- 


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592 


Grunewald. 


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weg eine von den Verhältnissen des Lebens grundverschiedene An¬ 
ordnung statt. 

Aber gerade ein Versuch hat mit den Verhältnissen des 
Lebenden eine große Aehnlichkeit und das ist der Zerkniekungs- 
versuch. Bei ihm wird der Oberschenkelknochen zwischen zwei 
Widerlager eingeklemmt und alsdann belastet. Das entspricht un¬ 
gefähr der Art, wie wir uns die Wirkung der longitudinalen Kom¬ 
ponente denken. Zur Zerknickung des Femur bedarf es aber beim 
Manne 1075 und beim Weibe 875 kg. Da wir den Muskeldruck 
bei stärkster Kontraktion aller Muskeln für die longitudinale Kom¬ 
ponente auf 1000 —1200 kg berechnet haben, so müßte also eigent¬ 
lich jedesmal, wenn wir den Fuß mit aller Kraft auf den Boden 
aufstemmen, ein Bruch des Femur stattfinden. Das ist glücklicher¬ 
weise nicht der Fall und also muß unsere Aufstellung einen Fehler 
haben. 

Wir gingen von der Absicht aus, den möglichst großen Muskel¬ 
druck zu messen, bei Ausschluß jeder Gelenkbewegung und setzten 
zu diesem Behufe die aus den Querschnitten sich ergebenden größten 
Druckfaktoren in die Rechnung ein. Es läßt sich aber erweisen, 
daß diese Methode fehlerhaft ist. Bei Ausschluß jeder Gelenk¬ 
bewegung müssen die auf das Gelenk einwirkenden Kräfte im 
Gleichgewicht stehen. Besteht das Gleichgewicht nicht, so muß 
eine Bewegung eintreten, und zwar entweder eine der regelmäßigen 
Ausschläge oder eine Verrenkung. Auch die kräftigeren Muskeln 
dürfen sich also nur insoweit betätigen, daß ihnen die schwächeren 
Antagonisten Widerpart leisten können. Daraus ergibt sich als 
Maßstab für den größten möglichen Druck die Leistungsfähigkeit 
der schwächeren Gruppe der beiden einander entgegenwirkenden 
Systeme. Für die längswirkende Komponente also die der Rück¬ 
heber des Oberschenkels resp. Beuger des Kniegelenks, deren wirk¬ 
samer Querschnitt gleich 90 cm 2 ist. Unter Benutzung der früher 
als notwendig aufgestellten Reduktionen ist etwa ein Querschnitt 
von 40 cm 2 in Rechnung zu setzen, der sich durch Heranziehung 
des gleichen Quantums der Antagonisten verdoppeln würde. Bei 
einer Druckeinheit von 10 kg würde also ein Längsdruck von 800 kg 
resultieren. Das liegt dicht unter der Grenze der Zerknickungs- 
zahlen und ist, wenngleich möglich, so doch immer noch sehr un¬ 
wahrscheinlich. Er kann noch durch zwei Faktoren reduziert 
werden: 1. durch eine verminderte Muskelspannung. Wenn schon 


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Einfluß der Muskelarbeit a,uf die Form des menschlichen Femur. 593 


die Strecker sich nicht völlig ausgeben dürfen, so liegt auch kein Grund 
für die Annahme vor, daß die Beuger es tun. Der Organismus wird die 
durch die Festigkeit des Knochens gezogene Grenze, die ihm aus erb¬ 
licher Anlage und persönlicher Erfahrung bekannt ist, innezuhalten 
wissen; 2. ist die Einheitsgröße von 10 kg Druck für den Quadratzenti¬ 
meter wohl zu hoch; sie repräsentiert die obere Grenze, nehmen wir 
als Einheit 6 kg, so sinkt selbst die maximale Druckgröße auf 480 kg. 

Auf 3—400 kg dürfen wir die tatsächlich vorkommende Druck¬ 
wirkung der Längskomponente wohl setzen und damit bekommen 
die geläufigen Vorstellungen von der großen Sicherheit der Festigkeit 
des Knochens einen Stoß. Sie sind in der Tat durch die Erfahrung 
nicht gerechtfertigt, denn daß beim Zusammentreffen ungünstiger 
Umstände geringe Gewaltwirkungen zur Erzeugung von Knochen¬ 
brüchen genügen, ist bekannt. Blech er (Deutsche Zeitschr. f. 
Chir. Bd. 77, Heft 1 — 3, S. 303) veröffentlicht mehrere Fälle dieser 
Art. Ein Soldat, der einige Wochen vorher beim Exerzieren eine 
Kontusion der Hüfte erhalten hatte, rutschte beim Gehen aus, ohne 
hinzufallen und erlitt einen rechtseitigen Schenkelhalsbruch. Ein 
zweiter glitt 18 Tage nach einer mäßigen Hüftkontusion beim Reiten 
mit dem Gesäß ein wenig aus dem Sattel, vermochte aber, während 
er am Halse des Pferdes hing, wieder in den Sattel zu kommen. 
Er mußte vom Pferde gehoben werden. Im Lazarett wurde ein 
linksseitiger Schenkelhalsbruch festgestellt. Im Falle 3 (S. 305) 
trat der 20jährige Musketier während eines Marsches auf einen 
Stein, rechtsseitiger Schenkelhalsbruch. Dieser Patient war vorher 
vollständig gesund, während bei Fall 1 und 2 durch die kurz vor¬ 
hergehende Kontusion wahrscheinlich eine Muskelverletzung ein¬ 
getreten war. Bei Wiederaufnahme des Dienstes waren die Muskeln 
noch schwach und die Koordination noch nicht wiederhergestellt, 
so daß die gesunden Muskeln das Uebergewicht bekamen und den 
Knochenbruch erzeugten. Diese Mitteilungen ließen sich sicher noch 
wesentlich vermehren; ganz abgesehen von den Rißfrakturen an 
Patella und Olekranon usw., sind jedem beschäftigten Chirurgen 
Fälle von Frakturen langer Röhrenknochen bei ganz gesunden 
Menschen zu Gesicht gekommen, bei denen die äußere Ursache ganz 
unwesentlich war und die offenbar vorzugsweise dem Muskelzuge 
ihre Entstehung verdanken. Offenbar ist die Sicherheit mensch¬ 
licher Knochen keine so große, wie sie von technischen 
Konstruktionen verlangt wird. Sie brechen ja auch oft genug. 


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Grunewald. 


V. 

Lange Zeit hat die Frage, ob das obere Oberschenkelende ein 
kraniihnlicher Körper sei, die Diskussion beschäftigt. Meines Er¬ 
achtens läßt sie sich wie folgt beantworten: der Oberschenkel ist 
kein Kran, weil seine Aufgaben andere sind, wie die eines Kranes, 
aber daß sein Bau ein sehr kranähnlicher ist und daß die an seinem 
oberen Ende auftretenden Spannungen mit denen eines Kranes last 
identisch sind und daß darum die betreffenden trajektoriellen Struk¬ 
turen einander sehr ähnlich sind, kann nicht wohl in Abrede gestellt 

werden. Wir stehen hier vor der öfter 
beobachteten Erscheinung, daß für zwei 
an sich verschiedene Aufgaben die gleiche 
Lösung gilt, weil die letzten Endes an 
ihnen wirksamen Prinzipien bei aller 
äußerlicher Verschiedenheit die gleichen 
sind. Die Kranähnlichkeit gilt übrigens 
nur für die obere Oberschenkelhälfte. 
nicht für den ganzen Knochen. Ein Kran 
ist eine Maschine zur Bewegung von 
Lasten. Ob nun der Kran an seinem 
Platze feststeht oder ob er verschieblich 
ist (fahrbarer Kran), er bedarf unter 
allen Umständen einer sicheren Basis. 
Der feste Kran ist eingeniauert, der fahr¬ 
bare auf eine starke Eisenplatte montiert. 
Der zur Aufnahme der Last bestimmte 
seitliche Arm überträgt die auf ihn 

Die Kr;in.s;iule ist. bei a mit der . 

Platt« b fest verankert. Das unter- wirkende Beanspruchung vermittels der 

halb der IMatte befindliche Stück <* 

i>t dadurch vor jeder iseanspru- Kransäule auf das andere Ende. Dieses 

chmig frei. . - i' 

ist am stärksten beansprucht. Der Kran 
hat hier seinen gefährlichen Querschnitt und muß deshalb liier die 
grüßte Tragfähigkeit besitzen. Er gewinnt diese teils durch eine 
entsprechende Ausgestaltung seines Querschnittes, teils durch feste 
Verankerung mit seiner Unterlage, die letzten Endes die ganze aut 
den Kran wirkende Last aufnininit (vgl. Gebhardt, Orthopibien¬ 
kongreß Fig. 151 * Körper gleicher Festigkeit“). Nehmen wir an. 
die Kransäule würde sich noch ein Stück über die sie tragende 
Basis hinaus fortsetzen, so würde dieses Stück von jeglicher Be¬ 
anspruchung frei bleiben (Fig. 18). Es könnte, ohne die Trag* 



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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 595 


Fähigkeit des Ivrans zu beeinträchtigen, fehlen. Diese Erscheinung 
hat in der Behandlung der Krantheorie des Oberschenkels Ver¬ 
wirrung gestiftet; indem man den Oberschenkel mit einem Kran 
völlig identifizierte, hat man auch die Tatsache, daß die Kransäule 
jenseits ihres durch Verankerung entlasteten gefährlichen Quer¬ 
schnittes frei von jeglicher Beanspruchung ist, ohne weiteres auch 


Fig. 19 a. 



Hylobates. Das obere Ende des Femurschaftes 
ist medialwärts abgebogen und gewinnt da¬ 
durch mit nebenstehender C ul mann scher 
KrunHgttr eine unverkennbare Aehnlichkeit. 
Der Trochanter major erscheint bei Hylobates 
als ausgesprochener Verstürkungswinkel. 


Fig. 19b. 



Umriß der Culmann-Wo 1 ffscheu 
Kranhgur. 


auf den Oberschenkel übertragen, ohne zu erwägen, daß der Ober¬ 
schenkel an seinem gefährlichen Querschnitt nicht verankert ist. 
Vom gefährlichen Querschnitt aus setzt sich im Femur die Be¬ 
anspruchung kontinuierlich auf die untere Femurhälfte fort, ja, noch 
etwas mehr, weil das Eigengewicht des Oberschenkels noch hinzu¬ 
kommt. Eine basale Verankerung fehlt dem Oberschenkel überhaupt, 
es sei denn, daß man die Uebertragung seiner Belastung auf den 
Boden als solche betrachtet, was in gewisser Beziehung berechtigt 


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Urunewald. 


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erscheint. Der Oberschenkel ist in seiner Gesamtheit für 
die Beanspruchungen, die an ihn herantreten, ein Körper 
gleicher Festigkeit, nnd nur in den oberen Grenzgebieten seiner 
Leistungsfähigkeit besteht in den verschiedenen Querschnitten eine 
Festigkeitsdifferenz. Dies gilt aber auch für alle vom Ingenieur her¬ 
gestellten Konstruktionen. Mechanisch betrachtet , ist das Femur ein 
Glied einer Gelenkkette (Reuleaux). Es gibt die auf ihn einwirkender. 
Beanspruchungen innerhalb dieser Kette weiter, nach oben zu auf das 
Becken, nach, unten zu auf den Unterschenkel und Fuß, ebenso wie 
es die von diesen Körperteilen ausgehenden Spannungen seinerseits 
übernimmt und in seiner Kontinuität fortleitet. So ist die Aebn- 
lichkeit des Oberschenkels mit einem Kran nur mehr eine Form¬ 
ähnlichkeit, als eine solche der Leistung. Wie ausgesprochen aber 
diese Formähnlichkeit werden kann, ergibt sich aus dem Vergleich 
des Femurs Hylobates und der bekannten Culmannschen Kran¬ 
figur (Fig. 19). Denkt man sich bei Hylobates den Trochanter 
weg, so bleibt das reine Bild der Culmannschen Kranfigur zurück. 
Es finden zwei verschiedene Aufgaben eine konstruktiv ähnliche 
Lösung, ohne im übrigen identisch zu sein. 

VI. 

Wie schon erwähnt, hat Jos. Engel schon in den Fünfziger¬ 
jahren des vorigen Jahrhunderts die Ansicht ausgesprochen, daß 
der Zug der Muskulatur die Form der Knochen beeinflusse [1]. Zu 
derselben Zeit hat auch L. Fick, Professor in Marburg, Unter¬ 
suchungen über die Entstehung der Knochenformen angestellt [10], 
Er unterscheidet bei der Formbildung der Organe zwischen aktiven, 
den formgebenden, und passiven, den formempfangenden. Zu den 
ersteren rechnet er die Muskeln, zu den letzteren die Knochen. 
Indem er von der Vorstellung ausging, daß der Knochen sich als 
starrer Niederschlag zwischen die umgebenden Weichteile bilde, 
ergab sich als Konsequenz, daß die Form der Knochen durch die 
umgebenden Weichteile, zwischen welchen der Niederschlag statt¬ 
findet, beeinflußt werden müsse, daß die Weichteile als aktives 
Moment, die Form des passiven Niederschlages, den Knochen, ge¬ 
wissermaßen prägten; einen Druck wesentlicher Art seitens der 
Weichteile schließt er hierbei ausdrücklich aus, im Gegenteil verlangt 
er für den Niederschlag eine gewisse Ruhe der Umgebung, oliue 
welche dieser sich nicht bilden und eine bestimmte Form nicht an- 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 597 


nehmen könne. Diese Lehre aktiver und passiver Formbildung gilt 
heute nicht mehr. Wir wissen, daß es rein passive lebende Teile 
im Organismus nicht gibt. Mit der Vorstellung der Funktion ver¬ 
knüpfen wir auch die eines selbständigen Lebens. Aus den Lebens¬ 
intensitäten entsteht der Kampf der Teile im Organismus, dessen 
Ursache die Funktion, dessen Ergebnis durch das Verhältnis der 
jeweiligen funktionellen Kräfte bedingt wird. Daraus ergibt sich, 
daß natürlich alle Organe des Körpers in gewissem Sinne voneinander 
abhängig sind, daß aber diese Abhängigkeit nicht überall eine gleich¬ 
wertige ist. Es gibt Organe von hoher und geringer Selbständigkeit, 
das Gehirn gehört zu den ersteren, der Knochen zu den letzteren. 
Das Gehirn beherrscht den übrigen Körper, der Knochen ist ge¬ 
wissermaßen der unterste Diener des Bewegungsapparates. Seine 
Aufgaben werden durch die Bedürfnisse des übrigen Körpers be¬ 
stimmt, während seine eigene Direktive gegenüber anderen Organen 
des Körpers kaum erkennbar ist. Insofern kann man also von einer 
passiven Rolle des Knochens sprechen, wobei man aber stets im 
Auge behalten muß, daß auch die auf den Knochen wirkenden Ein¬ 
flüsse ihn nur soweit beherrschen, als sie imstande sind, sein Eigen¬ 
leben, die in ihm selbst vorhandenen formativen Kräfte, zu beeinflussen. 
Es ist sicher, daß der Knochen durch die von außen ihm über¬ 
wiesenen Aufgaben geprägt wird und daß die Muskeln dabei eine 
große Rolle spielen. Sie könnten auch noch in anderer Weise als 
durch ihren Zug auf die Knochenform wirken. Sie stehen mit dem 
Knochen nicht nur durch Ursprung und Ansatz in Verbindung, 
sondern sie liegen ihm auch an. Knochenflächen und Muskelflächen 
berühren einander in weitem Umfange. Die Muskeln als elastische 
und kontraktile Gebilde üben auf die Oberfläche des Knochens 
zweifellos einen Flächendruck aus und die Annahme, daß dieser 
Druck formgebend wirken kann, ist a priori nicht von der Hand 
zu weisen. Wie liegen nun die Dinge tatsächlich? An den Extre¬ 
mitäten steckt der Knochen in der Regel in einem dicken Muskel¬ 
mantel. Die Lage des Knochens ist keineswegs eine zentrale. Die 
Dicke der ihn umgebenden Muskelmassen ist an verschiedenen 
Stellen des Extremitätenquerschnittes verschieden. Danach müßte 
auch der Flächendruck variieren, wenn nicht druckausgleichende 
Momente vorlägen; als solche wirkt zuerst die Muskelsubstanz selbst, 
ganz besonders aber die starke und elastische Fascie, welche die 
Muskelmassen der Extremität gleichmäßig einwickelt. Durch sie 


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muß sich der Druck, welchen die Muskeln gegeneinander und gegen 
den Knochen ausüben, ziemlich gleichmäßig auf den ganzen Quer¬ 
schnitt verteilen. Sie wirkt wie ein mit Wasser gefüllter Gummi- 
Schlauch auf seinen Inhalt. Der Gleichmäßigkeit dieses Druckes in 
seiner ganzen Zirkumferenz würde nun ein runder Knochenquerscbniu 
entsprechen. Nun ist in der Tat der Querschnitt des Femur so¬ 
wohl als des Humerus in seiner Grundform ein runder. Nicht aber 
der der Tibia und der Fibula, des Radius und der Ulna. Sie träger, 
mehr einen dreieckigen Typus, ohne daß in der Art, wie die Muskeln 
liegen, ein formbildender Unterschied erkennbar wäre. Bezüglich 
der Tibia ist besonders bemerkenswert, daß ihre mediale Wand von 
Muskeln ganz entblößt ist, während diese in der Bildung ihrer 
Fläche von der ganz mit Muskeln bedeckten lateralen und hinteren 
Wand nicht nennenswert abweicht. Bemerkenswert ist auch das 
Verhalten bei den Menschenaffen. Bei ihnen ist die Muskulatur so 
gleichmäßig über den ganzen Knochen verteilt, daß die Extremität en- 
abschnitte Zylinder von überall annähernd gleichen Querschnitten 
bilden; die dem Menschen eigentümliche Kegelform der Gliedabschnitte 
fehlt. Das Femur ist aber nicht etwa kreisrund, sondern breit und 
dünn, von vorn nach hinten platt gedrückt wie eine Säbelscheide. 

Aus alledem ergibt sich, daß der Flächendruck der 
Muskulatur als wesentliches formgebendes Moment 
für den Knochen nicht in Betracht kommen kann. 

VII. 

Im menschlichen Femur verkörpert sich ein gutes Teil der 
menschlichen Erscheinung überhaupt. Die Aufgaben, welche die 
Orthogenese dem Menschen auferlegte, treten in erster Linie an das 
Femur heran. Diese bestanden nicht nur darin, daß die Last des 
Körpers, die bisher auf vier Extremitäten verteilt war, nunmehr 
zweien übertragen wird, bedeutungsvoller war die mit der Auf¬ 
richtung einhergehende Schwerpunktsverschiebung, welche den Körper, 
der bisher, von vier Extremitäten gestützt, in stabilem Gleichgewicht 
sicher ruhte, auf den Schenkelköpfen zu balancieren zwang, uud 
die Sicherheit dieser Stellung ausschließlich der Muskulatur über¬ 
lieferte. Das Hüftgelenk, bisher in der Tierwelt verhältnismäßi- 
wenig beansprucht, erhält damit eine neue wichtige Aufgabe, und 
es werden mehr noch als an seine Beweglichkeit an seine Festigkeit 
Ansprüche hoher Art gestellt. 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. 599 


Diese Ansprüche verkörpern sich in dem massigen Bau des 
Trochanter major. An dem sonst so schlanken menschlichen Femur, 
das viel schlanker ist, als das der Menschenaffen, tritt bei einem 
Vergleich mit diesen der kraftvolle und leistungsfähige Trochanter 
major ganz charakteristisch hervor. Sie verkörpern sich weiterhin 
in dem ausgesprochen trajektoriellen Bau der oberen Epiphyse, der 
bei keinem anderen Tier in gleicher Weise durchgebildet ist und 
höchstens eine Annäherung an den menschlichen Typus erkennen 
läßt. Gleich unterhalb der kräftigen oberen Epiphyse verjüngt sich 
der Schaft und erreicht in der Mitte seinen kleinsten Querschnitt, 
die erforderlichen Verstärkungen werden durch Wandverdickungen, 
wie z. B. durch den Pilaster, erreicht. Welchen Sinn hat diese 
schlanke Gestaltung des Oberschenkelknochens? Eins ist sicher, eine 
Gewichtsverminderung bedeutet sie nicht. Was das Femur an Quer¬ 
schnitt einbüßt, muß es an Kompakta gewinnen. Ein kreisrunder 
Querschnitt von angemessener Wandstärke würde bei gleichem oder 
gar geringerem Gewicht den Beanspruchungen nicht weniger gerecht 
werden. Auch der Umstand, daß die Höhlung des Knochens nicht 
mit Luft, sondern mit Mark gefüllt ist, deutet darauf hin, daß die 
Gewichtsersparnis nicht das Maßgebende ist. Aber gerade die Mark¬ 
füllung des Knochens leitet uns auf ein anderes Prinzip des Orga¬ 
nismus hin. Was haben der Knochen und sein Mark funktionell 
miteinander zu schaffen? Nicht das Geringste und doch sind sie 
räumlich eng vereint. Offenbar kargt die Natur mit dem 
Raum. Sie will keinen Raum unbenutzt lassen, auf ein möglichst 
geringes Volumen kommt es ihr an und deshalb verwendet sie die 
sonst freien Hohlräume des Knochens zur Unterbringung eines an¬ 
deren, wenngleich funktionell abweichenden Organs. Diese Volum¬ 
reduktion vermindert die Trägheit, sie reduziert auch den Luft¬ 
widerstand und das ist beim Menschen um so wichtiger, als er in 
dieser Hinsicht an und für sich ungünstiger gestellt ist, als der 
Vierfüßler, dessen Körper von vorn nach hinten sich verbreitert, 
so daß der Kopf gleich einem Schiffskiel wirkt, während der 
Mensch sich mit seiner ganzen Höhe und Breite dem Luftwider¬ 
stände entgegenstellen muß. Darum ist der ganze menschliche 
Körper schlank geformt, insbesondere auch, gegenüber den Anthro¬ 
poiden, der Rumpf in Höhe und Breite den Gliedmaßen gegenüber 
reduziert. Eine erhebliche Gewichtsreduktion der unteren Extremitäten 
würde, zu weit getrieben, sogar nachteilig sein, weil sie die Stabilität 


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des Körpers vermindert, worunter insbesondere die Leistungsfähigkeit 
der zu kraftvoller Arbeit bestimmten oberen Extremitäten leiden 
würde. Diese sind eines festen Stativs bedürftig. Eine Maschine, 
die Arbeit leisten soll, muß fest stehen und wenn sie nicht künstlich 
befestigt werden kann, und das ist beim Menschen nur in be¬ 
schränktem Umfange möglich, so muß sie ein entsprechend schweres 
Gestell haben. Die Schwierigkeit, das Gleichgewicht zu erhalten, 
ist bekanntlich einer der heikelsten Punkte des Aeroplans, während 
das Luftschiff mit seinem großen Gewicht und seinem voluminösen 
Ballon darunter nicht zu leiden hat. 

Daß auch in den spongiösen Epiphysen eine Materialersparnis 
nicht statthaft, hatTriepel nachgewiesen (Archiv der Entwicklungs¬ 
mechanik 30, I. Teil, Festschrift Roux S. 71/72). Die Natur geht 
mit Material nirgendwo sparsam um, im Gegenteil, sie verschwendet 
es. Sie erzeugt Milliarden Individuen, von denen nur wenige sich 
erhalten, und in der individuellen Entwicklung läßt sie ohne ersicht¬ 
lichen Grund phylogenetische Zustände wieder aufleben, von denen 
das fertige Individuum keine Spur mehr aufweist. Nicht im mo¬ 
mentanen Materialaufwand ist die Natur sparsam, sondern 
im dauernden Energieaufwand. Daß das lebendige fertige Ge¬ 
schöpf sein Leben so billig wie möglich bestreiten kann, das ist von 
Wichtigkeit, denn mit möglichst Wenigem auszukommen, den Kampf 
ums Dasein mit den geringsten Mitteln zu bestreiten, das ist für seine 
Erhaltung wertvoll. Je konzentrierter die Lebenseinheit in sich 
besteht, um so gesicherter ist ihre Existenz. 


Zusammenfassung. 


Die Form des menschlichen Femur, soweit sie nicht vererbt 
ist, ist weniger durch das Gewicht des Rumpfes, als durch den Zug 
der an ihm wirksamen Muskulatur bestimmt. Der erhebliche Teil 
von Muskelkraft, der bei den Gelenkbewegungen nicht verwendbar 
ist, setzt sich in Spannungen um, die auf die Knochensubstanz wirken. 
Die Knochenform ist das Widerspiel der Kraftverhältnisse, in welchen 
die einzelnen Muskelgruppen auf den Knochen wirken. Auch die 
spongiösen Knochenteile, insbesondere soweit sie trajektoriell sind, 
erhalten ihre Bildung durch diese Kräfte. 


Das Material zu dieser Arbeit verdanke ich der Anatomischen 
Anstalt und dem Zoologischen Institut hiesiger Universität. Ich 


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Einfluß der Muskelarbeit auf die Form des menschlichen Femur. f}01 


spreche den Vorständen, Herrn Prof. Dr. Rück ert und Herrn Ge¬ 
heimen Hofrat Prof. Dr. Hertwig, für ihr Entgegenkommen 
meinen herzlichsten Dank aus. Ebenso bin ich den Herren Privat¬ 
dozent Dr. Hasselwander und Herrn Kustos Dr. Leisewitz 
für ihre gütigen Bemühungen in meinem Interesse zu lebhaftem 
Danke verpflichtet. 


Literatur. 

1. Untersuchungen über Schädelformen von Prof. Dr. Josef Engels. Prag 

1851. — Ders., Das Knochengerüst des menschlichen Antlitzes. Wien 1856. 

2. 0. Walkhoff, Das Femur des Menschen und der Antropomorphen in seiner 

funktionellen Gestaltung. Wiesbaden 1904. 

3. R. Fick, Anatomie und Mechanik der Gelenke. Jena 1910, 3 Teile. 

4. W. Lud ewig, Monographie des menschlichen Oberschenkelbeines. In.-Diss. 

Berlin 1693. 

5. R. Fick, Vergleichende anatomische Studien an einem erwachsenen Orang. 

Archiv f. Anat. u. Physiol. von His und du Bois-Reymond 1895. 

6. Ranke, Der Mensch. 2. Aufl. 

7. Grunewald, Die eigenartige Abmagerung der Streckmuskeln und ihre Be¬ 

ziehungen zu dem typischen Kniegelenkschmerz. Monatsschr. f. Unfall- 
heilk. 1911, 18. Jahrg., Nr. 11. 

8. Gebhardt, Verhandl. d. Deutschen Gesellsch. f. orthop. Chir. 1910. 

9. Ders., Archiv f. Entwicklungsmechanik Bd. 11 u. 12. 

10. Triepel, Einführung in die physikalische Anatomie. 1.—3. Teil, Wies¬ 

baden 1902—1908. 

11. L. Fick, Ueber die Ursachen der Knochenformen. Göttingen 1857. — 

Ders., Neue Untersuchungen über die Ursachen der Knochenformen. 
Marburg 1858. 

Bezüglich der ausgedehnten Literatur dieses Gebietes verweise ich auf 
die Zusammenstellungen von Krause (Bardeleben, Handb. d. Anat. Bd. 1, Ab¬ 
teilung 3), R. Fick [3] Triepel [10]. 


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XXXI. 


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Zum Andenken an Professor Alessandro Codivilla. 

Von 

Prof. Dr. R. Galeazzi, Mailand. 

Das Hinscheiden Alessandro Codivillas bedeutet nicht 
allein für das Institut Rizzoli, dem der Verstorbene seine Fürsorge 
zuwandte und das er durch seine geniale Tätigkeit zum höchsten 
Grad der Vollendung brachte, sondern überhaupt für die italienische 
Orthopädie, für die Wissenschaft und für die Menschheit einen un¬ 
ersetzlichen Verlust. 

Am 21. März 1801 zu Bologna aus einer ganz bescheidenen 
Familie hervorgegangen, zeigte Codivilla schon in frühester Jugend 
die glänzendsten Begabungen seines lebhaften und vielseitigen Geistes. 

Nach ehrenvoller Absolvierung der Studien besuchte er in Bo¬ 
logna die medizinische Fakultät, woselbst er sofort Beweise seines 
großen Talents lieferte. Ihm wurde im Juli 1880 die Doktorwürde 
plenis votis verliehen. 

Zwei Jahre lang war er auf der chirurgischen Klinik der 
Bologneser Universität als Assistent tätig und verließ diesen Posten 
zufolge Aufnahme eines neuen Titularprofessors in die genannte 
Klinik. Es waren dieses die beiden einzigen Jahre, die er unter der 
Leitung eines Meisters verbrachte. 

Nach einer Tätigkeit als sehr angesehener Primarchirurg in 
Castiglione, Fiorentino, Macerata und Imola während der Jahre 188<J 
bis 1890, erhielt er die Dozentur für klinische Chirurgie und für 
operative Medizin an der Turiner Universität. Hiermit schließt der 
erste Teil seiner Karriere, der der allgemeinen Chirurgie galt; nachher 
wurde er zur Leitung des Instituts Rizzoli berufen, welche er über¬ 
nahm als ausnahmsweise kundiger und erfahrener Chirurg, um sich 
ausschließlich der Orthopädie zu widmen. 


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Nachruf für Codivilla. 


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So wurde er zum sachkundigen Verwirklicher der humanitären 
Idee Francesco Rizzolis und zum Beleber und Reformator des 
Bologneser orthopädischen Instituts, welches ihm sein jetziges all¬ 
gemeines wissenschaftliches Ansehen verdankt. 

Im Jahre 1890 wurde Codivilla der orthopädische Lehrstuhl 
der Bologneser Universität anvertraut; er waltete seines Amtes bis 
zum Jahre 1904. In diesem Jahre wurde er zum außerordentlichen 
Professor, ernannt und in dieser Eigenschaft entwickelte er so lange 
seine fernere Tätigkeit, bis ihn der Tod traf. 

Dem Anraten Codivillas ist die Einrichtung des nach 
Humbert I. benannten internationalen Preises für das beste Werk 
oder für die größte Erfindung auf dem Gebiete der Orthopädie zu 
verdanken; der betreffende Preis wurde bereits zweimal und zwar 1905 
dem Prof. Vulpius und 1910 dem Prof. Schultheß zugesprochen. 

Der beschränkt bemessene Raum zwingt mich, in nur kurzer 
Reihenfolge das Wirken Codivillas anzudeuten, der die Wissen¬ 
schaft mit höchster Liebe behandelt und von seinem genialen- 
Intellekt die tiefsten, glänzendsten Spuren hinterlassen hat. 

Die ungemeine Erfahrung, die Codivilla in der Gehirn¬ 
chirurgie erreichte, ist durch höchst interessante Veröffentlichungen 
dokumentiert. Es seien erwähnt: Ein Beitrag zu der Diagnose und 
der Behandlung der Gehirnzysten; die persönliche Methode zur Er¬ 
wirkung der Blutstillung bei Schädeloperationen; der besondere 
operative Akt, um auf endokraniellem Wege die Aeste des Trige¬ 
minus und das Gaßersche Ganglion zu treffen; ferner das sinnreiche 
von ihm erfundene Instrument, um breite osteoplastische Teile des 
Schädels durch eine Linearinzision freizulegen. 

Die Chirurgie der Eingeweide erhielt durch Codivilla treffliche 
Beiträge. In einer Periode, in der die Resultate der besten Operateure 
noch sehr viel zu wünschen übrig ließen, erlangte er, ganz speziell 
in der Magenchirurgie, die glänzendsten Statistiken, trotz der weit- 
greifendsten Operationen, die einen Einblick in seine beispiellose 
technische Gewandtheit gewähren. 

Die wirkungsvollste Periode seiner wissenschaftlichen Tätigkeit 
finden wir indessen erst in seiner Spezialisierung als orthopädischer 
Chirurg. 

Gerechtigkeitspflicht ist es, Alessandro Codivilla das 
Wiederaufblühen und die neue Richtung der italienischen Orthopädie 
zuzuschreiben. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. ßd. 39 


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604 


Galeazzi. 


Seine Veröffentlichungen beziehen sich hauptsächlich auf Ge¬ 
biete der orthopädischen Therapie; sie zeugen jedoch hierbei von 
einer großen klinischen Erfahrung und von einer tiefsinnigen 
Anwendung der analytischen Methode. Seine Operationsmethoden, 
seine technischen Neuerungen, die genial erdachten neuen opera¬ 
tiven Pläne bilden auf alle Fälle das Ergebnis einer tiefen ana¬ 
lytischen Studie der ätiologischen, anatomischen und funktionellen 
Einzelheiten der Krankheiten, deren Heilung er anstrebte, und er¬ 
bringen den Nachweis, daß seine Kenntnis der biologischen Wissen¬ 
schaften ebenso weitgreifend und bewunderungswürdig war als seine 
elegante, perfekte operative Technik. 

Wer das Glück hatte, dem denkwürdigen, durch Codivilla 
im Jahre 1908 organisierten orthopädischen Kongreß im Institut 
Rizzoli beizuwohnen, der wird sich ohne Zweifel des Gefühls der 
Bewunderung entsinnen, das sämtliche dort anwesende hervorragende 
Persönlichkeiten der europäischen Wissenschaft packte, als sie bei 
jenen Sitzungen die operative Handfertigkeit des Meisters beob¬ 
achteten. 

Unter den bedeutendsten Veröffentlichungen dieser fruchtreicben 
Periode seiner wissenschaftlichen Tätigkeit wollen wir insbesondere 
den Beitrag erwähnen, den Codivilla zur Behandlung der Paralyse 
vermittels der Sehnen Verpflanzung geliefert hat und zwar sowohl 
durch Erweiterung des Indikationsfeldes und durch Festsetzung der 
Operationspläne, als durch technische und instrumenteile Verbesse¬ 
rungen, wie durch klinische und experimentelle Forschungen zur 
Bestimmung des Mechanismus und des Einflusses auf die Funktions¬ 
verhältnisse. Nicht weniger als vierzehn lehrreiche Veröffentlichungen 
hat er zu diesem interessanten Kapitel der orthopädischen Chirurgie 
hinterlassen. 

Auch in den Operationen an dem peripheren Nervensystem 
^var Codivilla ein Neuerer. Seine Arbeit über die Wiedererzeugung 
des Brachialplexus, über die Neurorhaphie, Über die Behandlung der 
Radikularparalysen, über die Konvulsionszustände nach orthopädischen 
Operationen, über die durch ihn selbst rationell modifizierte Försterscbe 
Operation sind kostbare Beiträge origineller Ideen, scharfsinniger 
Beobachtungen, sachlicher Vervollkommnungen, die der Bologneser 
Orthopäde zum Gebiet der Neuropathologie und der Chirurgie 
erbracht hat und die seine vveitumfassende Bildung in der Physio¬ 
logie und in der Pathologie des Nervensystems bekunden. 


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Nachruf für Codivilla. 


605 


Von seiner Gelehrsamkeit in diesem Zweig der Wissenschaft 
gibt er uns einen Beweis durch seine Monographie „Ueber das peri¬ 
pherische Operativgleichgewicht in den Störungen der Bewegung“, 
worin er, seine breite Erfahrung zusammenfassend, auf meisterhafte 
Weise das wundervolle Anpassungsvermögen der Nervenzentren an 
die abgeänderten peripherischen Verhältnisse zeigt und das Gebäude 
der Sehnenverpflanzung bei schlaffen und spastischen Paralysen (an 
dessen Errichtung er bereits kräftig beigetragen hatte) auf eine 
solide Grundlage stellt. 

In diese Arbeit wußte Codivilla eine Unmenge von Tatsachen, 
Kritiken, genialen Interpretationen, neuen physiopathologischen Ge¬ 
setzen einzuflechten, die nicht nur die bewunderungswürdige ana¬ 
tomische und physiologische Schulung des Verfassers, sondern auch 
seinen seltenen kritischen Sinn und die Schärfe seiner Intelligenz 
bei wissenschaftlichen Forschungen erwiesen. 

Eine der genialsten Ideen des großen Orthopäden, die seinen 
Namen verewigt, liegt unzweifelhaft in seiner Traktionsmethode in 
direkter Anwendung auf das Knochengerüst. Die Methode bildet 
eine der nützlichsten Errungenschaften, die die Chirurgie des loko- 
motorischen Apparates in den letzten Jahren erhalten hat. Sie 
ermöglicht nicht allein die Behandlung von Deformitäten, die, wie 
die Coxa vara, sich gegen die chirurgische Therapie fast ganz 
rebellisch zeigten, sondern sie bildet auch die wirksamste Hilfe für 
den Chirurgen bei der Behandlung all jener Verletzungen, die eine 
Verkürzung der Extremität zur Folge hatten. 

Wie es leider auch bei sonstigen italienischen Errungenschaften 
der Fall war, ist auch hier dem Bologneser Chirurgen die Priorität 
der Idee streitig gemacht worden, was ihm in den letzten Jahren 
argen Verdruß bereitete. 

Sein Eigentum wurde durch Codivilla mittels einiger Ver¬ 
öffentlichungen in medizinischen Fachschriften sowie durch Eingaben 
an wissenschaftliche Kongresse verteidigt und ihm seitens autoritäts¬ 
voller italienischer und ausländischer Chirurgen zuerkannt. 

Die erstaunliche Rührigkeit Codivillas erstreckte sich auf 
sämtliche Zweige der Chirurgie des lokomotorischen Apparates, 
und ich bedaure nur, daß ich mich vorläufig darauf beschränken 
muß, sozusagen ein Verzeichnis seiner Werke zu geben, ohne in 
den weiten Horizont seiner orthopädischen Produktion näher ein- 
dringen zu dürfen. 


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606 


Guleazzi. 


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Ihm verdanken wir wichtige Beiträge zu den Gesetzen des 
funktionellen Anpassungsvermögens sowie zur Pathologie und Therapie 
der angeborenen paralytischen und traumatischen Verrenkungen des 
Hüftgelenks. Er war derjenige, der die Aufmerksamkeit der Aus¬ 
länder auf die Methode des Redressements des Genu valgum lenkte 
und die Entstehungsmechanik der Epiphyseolisis schilderte, die eine 
unschädliche Folge derselben darstellt. 

Ihm verdanken wir ferner sehr interessante Studien über die 
angeborene und funktionelle Skoliose, über die Thei'apie des ange¬ 
borenen Schief halses und Klumpfußes, über die Knochenrer- 
pflanzung usw. 

Seine ganze klinische Erfahrenheit sieht man in seiner Methode 
der Behandlung der Pseudarthrosen, der er viele seiner Arbeiten 
widmete. Ueber dieselbe berichtete er auch dem VI. Internationalen 
medizinischen Kongreß zu Budapest, wobei er seine persönlichen 
Vorstellungen erläuterte und die Heilmethode mittelst Osteoperiosl- 
verpflanzung beschrieb. 

Bevor ich diese kurze Uebersicht der wissenschaftlichen Werke 
Codivillas schließe, sei mir erlaubt, ein Wort zu sprechen über 
seinen Einfluß auf die aktuellen therapeutischen Probleme bezüglich 
der Knochentuberkulose, worüber er drei bedeutende Referate lieferte, 
das erste auf dem Kongreß der Internationalen Chirurgiegesellschaft 
1905, das zweite auf dem Internationalen Kongreß zur Bekämpfung 
der Tuberkulose (Washington 1908) und das dritte auf der Italieni¬ 
schen Chirurgengesellschaft. 

Es sind dieses Dokumente von höchstem Wert, sowohl deshalb, 
weil durch sie die Bedeutung des funktionellen Elements bei den 
Eingriffen gegen diese Krankheiten hervortritt, als auch deshalb, 
weil sie das Resume seiner großen Erfahrung darstellen, die ihn 
nicht allein zur Einschränkung solcher Eingriffe bei kindlichen Indi¬ 
viduen brachte, sondern ihm auch die Ueberzeugung aufdrang, daß 
die Behandlung dieser Afl'ektionen den Orthopäden reserviert und iu 
dazu geeigneten Sanatorien vollzogen werden muß. Und als wahr¬ 
haftig pietätsvoll ist das letzte Votum des großen Verstorbenen zu 
bezeichnen, wodurch er den Wunsch äußerte, daß im Institut Rizzoli 
eine besondere Abteilung für die Behandlung dieser Kranken ein¬ 
gerichtet werden möge. Die nach seinem Tode erfolgten ansehnlichen 
Vermächtnisse lassen auch bestimmt erhoffen, daß der erhabene 
Wunsch recht bald seine Erfüllung finden wird. 


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Nachruf für Codivilla. 


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Die letzten Studien Codivillas waren der Amputationstechnik 
gewidmet. 

Leider sind diese Arbeiten durch seinen Tod unterbrochen 
worden, so daß sie unvollständig geblieben sind. 

In seiner höchsten Bescheidenheit neigte er weder zu Reichtum 
noch zu Ehrenbezeugungen; das einzige Ideal seines Lebens war, 
neben der Familie, die Wissenschaft. Dessenungeachtet wurden ihm 
Ehrungen, Aemter, feierliche Bezeugungen wohlverdienter Huldigungen 
seitens wissenschaftlicher Gesellschaften aus der ganzen Welt zuteil, 
die es als eine Ehre ansahen, ihn zu ihren Mitgliedern zu zählen. 
Denn trotz der Bescheidenheit, in die er sein ganzes wissenschaft¬ 
liches Wirken einhUllte, imponierte sein wertvolles Wesen den 
größten italienischen und ausländischen Gelehrten, die in ihm seit 
langer Zeit einen Meister anerkannten. 

Ein rechtschaffener Bürger, ein Muster edelsten Familienlebens, 
von offenem, aufrichtigem Charakter, jeglicher Verstellung unzu¬ 
gänglich, von einer Verehrung für das Wahre und für das Gerechte 
beseelt, von zartester moralischer Empfindung: so war der Mann. 

Als eleganter, logischer, überzeugender Redner besaß er die 
Fähigkeit, seine Hörer an sich zu fesseln. 

Als Gelehrter, als Philanthrop, gehörte er in die Kategorie jener 
seltenen Menschen, jener mit allen höchsten Tugenden begabten 
Naturen, die um sich eine rührende Einstimmigkeit von Liebe und 
von Bewunderung hervorzurufen und zu erhalten wissen, so daß wir 
in seinem Hinscheiden nicht allein den Verlust des Meisters, son¬ 
dern auch des Mannes betrauern müssen, der an Scharfsinn, an 
Tiefe der Gelehrsamkeit, an Zielsicherheit ein hervorragender ge¬ 
wesen, eines Mannes, der unsere Hochachtung verdient wegen 
seltener moralischer Energie, eiserner Willenskraft, staunenswürdiger 
und trotz aller Mißgeschicke unentwegter Arbeitsamkeit, sowie auch 
in Anbetracht seines außerordentlichen Gleichgewichts zwischen 
moralischen und intellektuellen Eigenschaften und ferner noch wegen 
der Gemessenheit, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit all seiner Handlungen. 

Es liegt nun sowohl seinen Mitarbeitern, als auch seinen 
Schülern die Pflicht ob, auf dem wissenschaftlichen Gebiet und in 
der klinischen Ausübung seine glorreiche Tradition fortzusetzen. 


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Referate 


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Oskar Bernhard, Heliotherapie im Hochgebirge mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Behandlung der chirurgischen Tuberkulose. Stuttgart. Fer¬ 
dinand Enke, 1912. 

Bei der allgemeinen Anerkennung, die jetzt der Heliotherapie speziell 
bei der Behandlung der chirurgischen Tuberkulose zuteil wird, ist es mit FreuiFr. 
zu begrüßen, daß derjenige, welcher zuerst methodisch granulierende Wunder, 
und namentlich tuberkulöse Wundhöhlen mit Sonnenbestrahlung behandelt ha?. 
Bernhard-St. Moritz, in der vorliegenden Monographie nicht allein uie 
wissenschaftliche Grundlage der Sonnenbestrahlung, sondern auch seine eigenen 
Anschauungen und die mit derselben gesammelten Erfahrungen mitteilt. 1 :e 
anfänglich engen Indikationen, die er sich gestellt hatte, haben sich mit der Zeit 
sehr erweitert und werden von Bernhard jetzt folgendermaßen zusammen- 
gestellt: 

a) Wunden: 

1. rein traumatische, wenn man von vornherein auf eine prima reuuie 
verzichten muß (Sprengschußverletzungen, Fräsenwunden, Quetschwunden usw.l; 

2. auf Zirkulationsstörungen und trophischen Nervenstörungen beruhende 
(Uleera cruris, Mal perforant du pied); 

3. Brand- und Frost wunden, Wunden infolge von Verätzung; 

4. Wunden durch Infektion (Abszesse, Panaritien, Furunkel, Karbunkel 
Uleera mollia, vereiterte Bubonen). 

b) Tuberkulose der Haut, der serösen Häute (Pleuritis und Peritonitis, 
der Drüsen, der Knochen, Gelenke und Sehnenscheiden, Urogenitaltuberkuk 
Darmfisteln. 

c) Hautkarzinome. 

d) Syphilitische Geschwüre, welche trotz spezifischer Behandlung wen :j 
H eilungstendenz zeigen. 

e) Gewisse Fälle aus der Medizin und den Grenzgebieten, Leukämie. 
Pseudoleukämie und Morbus Basedowii, Kehlkopf- und Lungentuberkulose. 

Für die Heliotherapie, namentlich im Hochgebirge ist die chirurgische 
Tuberkulose das Hauptfeld und wird es immer bleiben. Bernhard hat 
bei derselben seit dem Jahre 190*2 der von ihm bis dahin angewandten klimatisch- 
diätetischen Therapie als direktes Heilagens die lokale Besonnung beiiiofiiiJ. 
Er verfügt über ein Material von 305 auf diese Weise behandelten Fällen. Infolge 
der günstigen Einwirkung der Behandlung hat er größere operative Eingriffe. 
Exstirpationen, Arthrotomien, Resektionen oder gar Amputationen auf ein Mini- 


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Referate. 


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mum einschränken können. Seine operative Tätigkeit bei der chirurgischen 
Tuberkulose beschränkt sich fast nur noch auf Punktionen, Jodoformölinjektionen, 
kleine Inzisionen, Auskratzungen oder atypische Osteotomien. 

Im Gegensätze zu R o 11 i e r, der mit Vorliebe das Vollsonnenbad anwendet, 
beschränkt sich Bernhard immer auf die lokale Besonnung des Krankheits¬ 
herdes außer bei multipler Lokalisation von Lymphomen und Ostitiden und in 
Fällen, wo, wie bei manchen chronischen Dermatosen, die Krankheit sich über 
die ganze Körperoberfläche verbreitet. Zur Stärkung des Allgemeinbefindens 
erachtet er, gestützt auf seine früheren Erfahrungen, einen recht ausgiebigen 
Aufenthalt im Freien, Freiluftkur kombiniert mit Luftliegekur, als genügend, 
während er mit der lokalen Besonnung eine intensivere Reizwirkung auf den 
Krankheitsherd bezweckt. Die rein lokale Besonnung bietet gegenüber dem all. 
gemeinen Sonnenbad noch den Vorteil, daß sie den Patienten weniger angreift 
und so länger angewendet werden kann. Das kranke Organ resp. die betreffende 
Region allein wird entblößt, während der übrige Körper bekleidet oder durch 
Decken geschützt wird. Zur Bestrahlung einzelner Wirbel tragen die Kranken 
einen Schlafrock, in welchen am Rücken ein entsprechender Ausschnitt gemacht 
ist. Bei schwereren Fällen von Tuberkulose der Wirbelsäule oder des Hüftgelenks 
verbindet Bernhard mit der Insolation die Extension und die Immobilisation 
in einem gefensterten Gipsverband. Bei den meisten übrigen Gelenken wendet 
er ebenfalls die Besonnung in gefensterten Gipsverbänden an, welche, wenn es 
wegen der Größe des Fensters notwendig wird, durch Schieneneinlagen verstärkt 
werden. Da es auch im sonnenreichen Hochgebirge Zeiten gibt, wo die Sonne 
tage-, ja sogar ausnahmsweise wochenlang streikt, sollten die Kliniken für chirur¬ 
gische Tuberkulose einen Ersatz haben und zur Behandlung mehr oder weniger 
oberflächlicher Prozesse, falls sie sich nicht entschließen können, eine Finsen- 
einrichtung in ihr Inventar aufzunehmen, doch das blaue Bogenlicht, die Breiger- 
sehe Quarzlampe oder die Uviollampe anschaffen. Für die tieferen Erkrankungen, 
Lymphome, die Knochen- und Gelenktuberkulose usw., kommt dann der Röntgen¬ 
apparat in Betracht. 

Nach den Darlegungen Bernhards verdient die natürliche Insolations¬ 
behandlung mit Recht weiteste Verbreitung, hauptsächlich auf chirurgischem 
Gebiet, in erster Linie für Wundbehandlung und in der Tuberkulosetherapie. 

Joachimsthal. 

W. Haberling, Sonnenbäder. Veröffentl. aus d. Gebiete d. Militärsanitäts- 
wesens. Herausgegeben von der Medizinalabteilung des Königl. Preußischen 
Kriegsministeriums, Heft 50. Berlin 1902, August Hirsch wald. 

H aberling stellt in der vorliegenden kleinen Monographie auf Grund 
der bisher vorliegenden Literatur 1. die durch wissenschaftliche Beobachtungen 
festgestellten Veränderungen des menschlichen Organismus unter dein Einfluß der 
Sonnenbäder, 2. die bei verschiedenen Krankheiten durch Sonnenbäder erzielten 
Heilerfolge zusammen, bespricht 3. die Schädigungen durch Sonnenbäder und 
4. die Technik derselben. 

Der Enthusiasmus, mit dem das Sonnenlicht als Allheilmittel gepriesen 
wurde, ist nach Haberling heute noch verfrüht. Nur eine kleine Zaiil e i n- 
w a n d f r c i e r Einzelbeobachtungen zeigt uns den Weg, auf dem wir uns Gewiß- 


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Referate. 


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heit darüber verschaffen können, ob wir wirklich in den Sonnenbäde rn ein voll¬ 
wertiges Heilmittel besitzen, das gegenüber anderen Vorzüge nach irgendeiner 
Richtung hin besitzt. Zurzeit wird man gut daran tun, dem (Gedanken einer aus¬ 
gedehnten Verwendungsmöglichkeit der Sonnenbäder in unseren Breiten recht 
skeptisch gegenüberzutreten. Kennen wir doch noch keinen Krankheitszustand, 
in dem das Sonnenbad allein helfen kann. Höchstens können wir zurzeit in ihn. 
eine mehr oder weniger brauchbare Unterstützung in einem im übrigen in ge¬ 
wohnter Weise durchgeführten Heilverfahren erblicken. Ob aber andere* Mittel 
nicht schneller und besser wirken als das Sonnenbad, ist eine Frage, die nur durch 
eifriges vergleichendes Studium der Sonnenbad Wirkungen und der Wirkungen 
anderer Heilfaktoren gelöst werden kann. Auf alle Fälle darf ein Sonnenbad 
nicht von Laien und Kurpfuschern rein schematisch angewandt worden, sondern 
muß von einem durchaus erfahrenen Arzt beaufsichtigt und geleitet werden. 

Haberling regt an, weitere Erfahrungen für die Beurteilung des Wertes 
der Sonnenbäder bei Versuchen in Garnisonlazaretten zu sammeln. 
An dem gleichaltrigen Menschen material könnte bei streng einheitlich an¬ 
gewandter Technik, bei steter Beaufsichtigung und Beobachtung durch ein ge¬ 
schultes Aerztepersonal besser als irgendwo anders die Frage über den Heilwert 
der Sonnenbäder ihrer Lösung nähergerückt werden. Joachimsthal. 

Oskar v. Hovorkr, Die physikalischen Heilmethoden. Stuttgart 1911. 

Verlag von Strecker & Schröder. 

Das für Acrzte und Laien bestimmte kleine Buch will denjenigen, die einen 
Uebcrblick über die physikalischen Heilmethoden gewinnen wollen und denen 
die großen Handbücher zu umfangreich, zu gelehrt erscheinen, dienen. Es be¬ 
schreibt kurz die Heilmethoden und ihre Anwendungsweisen. Die Darstellung 
wird vielfach durch Abbildungen unterstützt. Joachimsthal. 

Fritz Frankenhäuser, Physikalische Heilkunde. Verlag von Dr. Werner 

Klinkhardt. Leipzig 1911. 

Der vorliegende Leitfaden, ein Teil der zur Orientierung des praktischen 
Arztes bestimmten, von Bocken heim er herausgegebenen Leitfäden, die 
den augenblicklichen Stand der praktischen Medizin an den Berliner Kliniken 
und Instituten darstellen soll, behandelt die physikalische Heilkunde. 

Dieselbe ist scharf gezeichnet in ihren Mitteln. Sie wendet ausschließlich 
Kräfte zu Heilzwecken an. Diese eigenartigen Heilmittel einer einheitlichen 
Betrachtung zu unterziehen, hat Frankenhäuser in den ersten vier Ab¬ 
teilungen versucht, die die kinetischen, thermischen, aktinischen und elektrischen 
Kräfte behandeln. Die physikalische Heilkunde ist auch scharf gezeichnet in 
ihren Zwecken. Sie will und kann dem Gesunden dienlich sein zur vollen Ent¬ 
wicklung seiner natürlichen Kräfte. Beim Kranken läßt sie bewußt den Kräften 
des Organismus den Vortritt, sucht deren Wirksamkeit zu verstehen und durch 
ihre Kräfte zu unterstützen, üeber diese Indikationen gibt Verfasser in den letzten 
beiden Abschnitten des Leitfadens, die die Vorbeugung von Krankheiten durch 
Kräfte und die Behandlung von Krankheiten durch Kräfte behandeln, einen 
allgemeinen Uebcrblick. Das Werk, das weder die Technik der Methoden lehren 
will, welche inan nur durch praktische Ucbung erlernen kann, noch auf Einzel- 


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Referate. 


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heiten der speziellen Therapie oder wissenschaftliche Versuche eingeht, welche 
in den speziellen Leitfäden der Sammlung und in den großen Lehrbüchern zu 
finden sind, ist anregend geschrieben und kann zur Orientierung über das Gebiet 
der physikalischen Heilkunde empfohlen werden. Joachimsthal. 

Hubert Gebele, Die chirurgischen Untersuchungsmethoden. Lehrbuch für 
Studierende und Aerzte. München 1912, J. F. Lehmann. 

Das praktisch gehaltene, mit 154 guten Abbildungen — darunter 8 farbigen 
und 18 schwarzen auf 18 Tafeln — ausgestattete Buch will dem Studenten, dem 
jungen Arzt und Assistenten kurz und übersichtlich die Mittel und Wege weisen, 
welche für die Diagnose der mannigfachen chirurgischen Erkrankungsformen in 
Betracht kommen. Es soll zur selbständigen systematischen Untersuchung an¬ 
regen und nicht nach Art der meisten Lehrbücher die klinischen Symptome der 
Krankheitsfälle aufzählen. Eingehend sind auch die Erkrankungen des Bewegungs¬ 
apparates berücksichtigt. Neben der Besprechung des Wertes der Roser-X61aton- 
schen Linie zur Bestimmung des Standes des Trochanters wäre es von Vorteil 
gewesen, auch die anderen, neuerdings als Ersatz und zur Kontrolle derselben an¬ 
gegebenen Methoden zu erwähnen. 

Das klar und anschaulich geschriebene Buch wird mit Vorteil benutzt 
werden. J o a c h i m s t h a 1. 

Redard, Gymnastique orthopedique. Paris 1912 (bei Maloine). 

Das vorliegende Lehrbuch der orthopädischen Gymnastik gibt einen guten 
Ueberblick über die Methoden der aktiven, passiven und Widerstandsbewegungen, 
wie sie entweder als selbständige Behandlung oder — und das 'wird mit Recht 
ven Redard betont — nur als unterstützende therapeutische Maßnahmen 
zur Anwendung gelangen. Da vielfach einfachere und auch kompliziertere Ap¬ 
parate zur wirksamen und exakten Ausführung von Bewegungen nicht gut zu 
entbehren sind, so finden auch einige derselben, welche sich Redard bewährt 
haben, Berücksichtigung. Den größten Raum nimmt die Besprechung der gym¬ 
nastischen Behandlung der Rückgratsverkrümmungen ein. Die übersichtliche 
Einteilung des Stoffes in diesem Kapitel trägt hier wesentlich dazu bei, dem Leser 
neues Interesse für die leider vielfach vernachlässigte turnerische Seite der 
Skoliosenbehandlung einzuflößen. Indikation und Wert jeder einzelnen sym¬ 
metrischen wie asymmetrischen Uebung werden besprochen, und ihre Ausführung 
wird unter Zuhilfenahme zahlreicher Figuren nach Photographien dem Leser 
vor Augen geführt. Diese Uebungen selbst werden je nach der eingenommenen 
Grundstellung in solche im Stehen, Gehen, Sitzen, Liegen und Kriechen eingeteilt. 
— Da die vom Arzt ausgeführten Redressements bei Klumpfuß, Plattfuß, Spitz¬ 
fuß, bei erworbenen Gelenkkontrakturen usw. eine Art von passiver Gymnastik 
darstellen, so hielt es Redard für angezeigt, auch diesen therapeutischen Kin¬ 
griffen in seinem Lehrbuch Raum zu geben. Besondere Kapitel sind noch dein 
Schiefhals, den erworbenen (Jangstörungen, der Kinderlähmung und der gym¬ 
nastischen Nachbehandlung der angeborenen Hilft Verrenkung gewidmet. 

P e 1 t e s o h n - Berlin. 

Max Böhm, Leitfaden der Massage. Stuttgart 1911, Ferd. Enke. 

Der Leitfaden, in dem die Technik der Massage im wesentlichen nach den 
H o f f a sehen Darlegungen wiedergegeben ist, ist für den Arzt bzw. Studierenden 


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Referate. 


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sowohl, als für den gebildeten Laien bestimmt, der in intelligenter Weise als Hilfs¬ 
kraft für Massage und Gymnastik dem Arzt zur Seite stehen will. 

Joachimsthal. 

Weis z, Die physikalische Therapie der Gelenkkrankheiten. Urban & Schwarzen¬ 
berg 1912. 

Das für die Studierenden und die praktischen Aerzte geschriebene Buch 
von W e i 8 z enthält in knapper und darum übersichtlicher Fassung alle physi¬ 
kalischen Behandlungsmethoden der Gelenkkrankheiten. Zugrunde gelegt hat 
der Verfasser seine in zwanzigjähriger Tätigkeit in Bad Pistyan erworbenen Er¬ 
fahrungen, er hat aber natürlich auch die Forschungen anderer Autoren zweck¬ 
dienlich verwertet. Im allgemeinen Teil finden wir einen kurzen Abschnitt über 
Diagnostik und Pathologie und sodann die gesonderte Besprechung des gesamten 
Rüstzeugs der physikalischen Therapie. Im speziellen Teile wird dann die An* 
wendungsweise bei den einzelnen Erkrankungen der Gelenke besprochen. 

Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

LaTubercolosi, Organo ufficiale del Comitato ordinatore del VII Congresso 
internazionale contro la Tubercolosi, da tenersi in Roma dal 14—20 Aprile 1912. 

Das offizielle Organ für den Internationalen Tuberkulosekongreß in Rom. 
der am 14. April 1912 begann, enthält die letzten Kundgebungen des Kampfes 
gegen die Tuberkulose in und außer Italien. Die Vereinigung gegen die Tuberkulose 
in Novara hat am 26. November 1911 zwei neue Fürsorgestellen errichtet. In der 
Kgl. Pädiatrischen Klinik zu Rom ist eine Tuberkulosepoliklinik für arme Kinder 
eingerichtet worden. In Bari wurde am 19. November 1911 die „Associazione 
barese contro la Tubercolosi“ eröffnet, die den Zweck hat, einen energischen Kampf 
gegen die Verbreitung der furchtbaren Krankheit zu unternehmen. Auch in anderen 
Ländern sehen wir die Bestrebungen gegen die Tuberkulose im Gang. So tagte 
im Dezember die im Jahre 1910 in Petersburg gegründete russische antituberkukse 
Vereinigung zum ersten Male in Moskau, die folgende Beschlüsse faßte: Bewerbung 
für eine volkstümliche Schrift über die Tuberkulose, Herstellung einer topographi¬ 
schen Karte bezüglich der Verbreitung der Tuberkulose im Lande, Sammlung 
von Tafeln zur volkstümlichen Illustration der Tuberkulosefrage, Einrichtung 
eines Wandermuseums der Tuberkulose. In Bulgarien, das hinsichtlich der Höhe 
der Sterblichkeit an Tuberkulose die dritte Stelle unter den europäischen Staaten 
einnimmt, ist man auf Anregung des bulgarischen Zentralkomitees zum ersten 
Male zur Veranstaltung eines Wohltätigkeitsfestes geschritten. In Schweden 
wurde am 1. November v. J. ein neues Sanatorium eingeweiht, in dem sich sämt¬ 
liche Tuberkulosekranke des Stockholmer Bezirks befinden. Therapeut isolier Zwecke 
und gewerblicher Erziehung halber werden die arbeitsfähigen Kranken zu den 
verschiedenen Handwerken angehalten; diese Kranken untorstehen zwei dem 
Sanatorium angegliederten Fürsorgestellen. Aus dem von der Vereinigung zur 
Einrichtung von Yolkssanatorien in Holland herausgegebenen Bericht über ihre 
Tätigkeit im Laufe des Jahres 1910 geht hervor, daß die Zahl der Aufnahmen 
ständig wächst. Gute Resultate wurden im ersten Krankheitsstadium der Tuber¬ 
kulose in 95,5 Proz. der Fälle erzielt. Die Veranda- und Freiluftbehandlung wurde 
im Sommer auch während der Nacht fortgesetzt. Auch in Uruguay ist die Liga 
gegen die Tuberkulose im steten Steigen begriffen. So ersieht man. daß allenvärts 


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Referate. 


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ein reger Kampf gegen diesen mörderischen Feind der Menschheit im Gange ist, 
der hoffentlich recht bald reife Früchte tragen wird. 

Bibergeil- Berlin. 

S c h u 11 h e ß, W., Die Krüppelfürsorge. 112. Neujahrsblatt der Hilfsgesell¬ 
schaft in Zürich. Kommissionsverlag von Beer & Co., Zürich. 

Nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick weist Schultheß 
auf die Trias der in der Krüppelfürsorge notwendigen ärztlichen, pädagogischen 
und beruflichen Hilfeleistung hin und verlangt wiederholt, daß die Universitäten 
durch Errichtung von Lehrstühlen zur ärztlichen Tätigkeit auf dem Gebiete der 
Krüppelfürsorge Stellung nehmen, gemäß der Auffassung, daß die Orthopädie 
die Wissenschaft von der Erforschung und Behandlung der Verunstaltungen, der 
Deformitäten des menschlichen Körpers ist. Das Krüppelgebrechen wird dahin 
definiert: Im Vordergrund steht die körperliche Hilflosigkeit, doch muß eine 
scharfe Grenze gezogen werden zwischen dem hilfsbedürftigen Krüppel und dem 
Grad der Krüppelhaftigkeit. Der Grad der Beeinträchtigung, welcher die Hilfs¬ 
bedürftigkeit bedingt und die Aufnahme in eine geeignete Anstalt erheischt, ist 
dann erreicht, wenn der Kranke nur mit ärztlicher Hilfe geheilt oder gebessert 
werden kann und w r enn ihm sein Zustand nicht gestattet, dem normalen Gang 
der Erziehungsanstalt zu folgen. Fest zu halten ist dabei, daß Krüppelgebrechen 
niemals Krankheiten an und für sich, sondern immer Folgezustände, Begleit¬ 
erscheinungen, Symptome von Krankheiten oder mechanische Einwirkungen auf 
den Körper sind. Eine Uebersicht über das große Gebiet der Krüppelgebrechen 
erfordert eine Gruppierung nach Form oder Lokalisation. Schultheß zieht 
die Einteilung nach der Form vor, mit der Untergliederung, ob erworben oder an¬ 
geboren. Eine eingehende Uebersicht über die einzelnen in Frage kommenden 
Gebrechen und Erkrankungen legt für das Laienpublikum dar, daß die Krüppel¬ 
fürsorge das gesamte Gebiet der Orthopädie umfaßt. Die systematische Aus¬ 
gestaltung der Behandlung der Krüppelleiden ist der neueren Zeit und dem damit 
einhergehenden Ausbau der Orthopädie Vorbehalten geblieben. 

Die Tätigkeit des Arztes muß sich auf die vorbeugenden Maßregeln, die 
Behandlung der Ursachen und die Behandlung des vorliegenden Leidens aus¬ 
dehnen. Hierbei ist die Berücksichtigung der Ursachen von um so größerer Be¬ 
deutung, als Krüppelgebrechen im allgemeinen nur Folgezustände von Krank¬ 
heiten sind. Für die angeborenen Krüppelleiden läßt sich prophylaktisch schwer 
Abhilfe schaffen, weil die Ursachen der erblichen Anlagen meist nicht bekannt 
sind. Eine gewisse Gefahr liegt in der weitgehenden Rassemischung der Kultur¬ 
völker. Wichtiger ist die Tatsache, daß Alkohol, Syphilis, Tuberkulose, unhygie¬ 
nische Lebensweise der Eltern, Ueberanstrengung der Mütter zu mangelhafter 
oder fehlerhafter Entwicklung des Skelettes oder Nervensysteme« führen. Besser 
sind die Aussichten für einen Erfolg vorbeugender Maßnahmen bei erworbenen 
Krüppelleiden. Hier handelt es sich vor allem um den Kampf gegen Rachitis 
und Tuberkulose. Die Behandlung vorhandener Krüppelleiden verfugt über drei 
Wege: Chirurgische Maßnahmen, Verbände und Apparate, Bewegungsbehand¬ 
lung. Der Nachbehandlung kommt eine große Bedeutung zu. Eine ausführliche 
Darlegung, wiederum für den Laien bestimmt, gibt die gebräuchlichen Behand¬ 
lungsmethoden der einzelnen Krüppelleiden an, die kurz nicht wiedergegeben 
werden können. 


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Referate. 


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Schulung, Berufsausbildung und Beschäftigung der Krüppelkinder sind 
erforderlich aus der Art des Krüppelleidens heraus. Das Krüppelkind bedarf 
einer Spezialschule, in welcher Rücksicht genommen wird auf die zeitliche Aus¬ 
dehnung und die Art des Schulunterrichtes, wie auf das Schul material. Schul¬ 
bänke und Schreibtische usw. Die Spezialschule ist mit der Krüppelanstalt zu 
verbinden, der Leiter einer solchen Schule kann nicht ohne den Arzt arbeiten. 
Für die leichteren Formen der Verkrüppelung können außerhalb der Anstalt 
Spezialklassen in Verbindung mit öffentlichen Schulen geschaffen werden; auch 
hier muß der Arzt im Verein mit dem Pädagogen die Leistungen der Schüler 
feststellen. Für die Berufsausbildung ist abzuwägen, nach welcher Seite in dem 
Kind ein Talent zu finden ist, welches gestattet,' unter möglichst geringer An¬ 
strengung etwas Tüchtiges zu leisten. In den Krüppelanstalten sind endlich Ab¬ 
teilungen einzurichten, in welchen diejenigen Unterkunft und Beschäftigung 
finden, welche nur unter besonders günstigen Verhältnissen eine beschränkte 
Arbeitsleistung vollbringen können. 

In der Schweiz bestand lange Zeit nur die Mathilde-Escher-Stiftung in 
Zürich, eine Spezialschule für weibliche Krüppel; mit der ärztlichen Seite be¬ 
schäftigten sich in beschränktem Maße verschiedene Kinderspitäler, ohne daß 
aber eine wirkliche Fürsorge durchgeführt worden wäre. Es ist nun hauptsächlich 
durch die Initiative von Zollinger und Schultheß eine Kriipj>elanstalt 
für die ganze Schweiz in die Wege geleitet worden, welche in Zürich im Bau ist 
und nach den wiedergegebenen Plänen allen Anforderungen entsprechen wird. 

Leonhard Rosenfeld - Nürnberg. 
Markus, Orthopädische Fürsorge für Kinder. Archiv f. Orthop. Bd. XI, H. 2 —3. 

Markus zeigt i i einer sorgfältigen auf reicher eigener Erfahrung sowie 
auf genauen Berechnungen und statistischen Daten fußenden Arbeit, daß eine 
ausreichende Organisation der orthopädischen Fürsorge überall, selbst in kleinen 
Städten und auf dem Lande durchführbar ist. Naturgemäß wird die Krüppel¬ 
haftigkeit vom Laienstandpunkt aus anders betrachtet und bewertet wie vom 
Standpunkte der Fürsorge aus, indessen gilt naturgemäß nur der letztere. Darum 
müßten alle fürsorgebedürftigen Kinder in die Fürsorge einbezogen werden. 
Die Fülle des in der Arbeit niedergelegten Materials läßt sich in einem Referat 
nicht erschöpfen. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

W a g n e r - H o h e n 1 o b b e s e, Die wissenschaftlichen Grundlagen der Leibes¬ 
übungen in Schule und Heer. (Goselisch, f. Natur- u. Heilk. zu Dresden. 
10. Februar 1012.) Münch, mcd. Wochcnschr. 1912, Nr. 14. 

W a g n e r - H o h e n 1 o b bcsc tritt besonders für die schwedische 
Gymnastik ein, deren Einführung in Schule und Heer er fordert. Eine weitere 
Forderung ist die, daß Schule und Heer dieselbe Gymnastik haben müssen. Der 
Turnunterricht soll in eine Tagesübung umgewandelt werden. Wagner- 
H o h c n 1 o b b e s e weist dann auf die Zusammensetzung einer solchen Ta ges - 
iibung hin. in der nacheinander sämtliche Bewegungsgattungen Vorkommen. 

Scharff - Flensburg. 

N e b e 1, Zwanzig Jahre Erfahrungen mit I)r. Gustav Zanders mediko-mechanischer 
Heilgymnastik. Archiv für Orthopädie Bd. 11, Heft 2—3. 

In der Fortsetzung seiner Mitteilungen schildert Nebel seine Erfahrungen 


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Referate. 


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im Kampfe gegen weitere Stoffwechselstörungen und zwar gegen die Magerkeit 
und gegen die Fettleibigkeit unter Beifügung von Bewegungsrezepten. Nach 
seinen Ausführungen dürfte die Bunge sehe Ansicht die richtige sein, daß das 
Muskelsystem und nicht der Darm zum Ausgangspunkt des Kampfes gegen die 
Fettleibigkeit zu wählen sei. — Ein weiteres Kapitel behandelt die Erfolge der 
Mechanothcrapie bei Konstitutionsanomalien, wie der Gicht respektive der gichti¬ 
schen Versteifungen, und im Anschluß daran wird die Diät bei Gicht besprochen 
und die rein vegetarische Kost als dauernde Ernährungsweise energisch zurück¬ 
gewiesen. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 


G o u r d e t, Appareils platr&> ä anses arm6es pour fractures compliqu^es ou op£- 
rations articulaires. Rapport de Walther. Soc. de chir. de Paris, 29. März 1911, 
p. 474. 

G o u r d e t verwendet bei komplizierten Brüchen und nach Gelenkopera¬ 
tionen mit Erfolg Gipsbinden und Langetten, die er mit Stahldraht von 3 mm 
Durchmesser verstärkt hat. Proximal und distal von der Fraktur werden die 
Enden der Langetten fest an das Glied anbandagiert. Der mittlere schmale Teil 
der Langette wird zu einer Art Henkel zusammengedreht und überbrückt im 
Bogen die Frakturstelle. Mehrere Figuren illustrieren die Art der Vorgehens. 

Peltesohn - Berlin. 

Sultan, Bruchbandage bei Hängebauch und großen Bauchbrüchen. (Freie 
Vereinigung der Chirurgen Berlins, 12. Februar 1912.) Zentral!)], f. Chir. 
1912, Nr. 13. 

In diese Bandage, die von Sultan seit vielen Jahren mit bestem Erfolg 
verwendet wird, ist ein zu beiden Seiten der Lendenwirbelsäule liegender, gepolsterter 
Metallrahmen eingefügt, so däß das Knochenskelett selbst einen festen Stützpunkt 
bildet, gegen den der Hängebauch angehoben und fixiert werden kann. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

O. v. Frisch, Ueber die Verwendung des Silberdrahtes in der Chirurgie. 
Arch. f. klin. Chir. Bd. 97, Heft 4, S. 831. 

v. Frisch berichtet über einen Fall, in welchem ein schwerer Ileus 
infolge der Schädlichkeiten von bei der Radikaloperation einer inkarzerierten 
Nabelhernie vor 24 Jahren eingelegten Silberdraht nähten entstanden war und 
nur durch wiederholte eingreifende Operationen behoben wurde. Die Drähte waren 
gerissen, und eine Reihe feiner, scharfer, 1 / 2 cm langer Stifte ragte durch das Peri¬ 
toneum in die Bauchhöhle. Unter Berücksichtigung früherer Erfahrungen nament¬ 
lich bei der Naht gebrochener Kniescheiben (Refraktor der Patella. Draht fragmente 
in der Gelenkkapsel) vertritt v. F risch den Standpunkt, daß der Silberdraht 
in seiner Brüchigkeit eine Eigenschaft besitzt, welche schwere Störungen der 
Gesundheit zur Folge haben kann. Diese Eigenschaft tritt dann in Erscheinumr, 
wenn der Draht zur Naht an solchen Organen gebraucht w ird, welche durch ihre 
physiologische Funktion ein immerwährendes Biegen desselben verursachen. 
Da durch die Art des Anlegens der Drahtsehlinge dieser Fehler nicht leicht aus¬ 
zuschalten ist, liegt der (jedanke nahe, anderes Material zu verwenden, dessen 
Brüchigkeit eine wesentlich geringere ist. Durch die Wahl der Stärke des 
Silberdrahts können wir im gegebenen Falle stets die absolute Biegungsfestigkeit 


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steigern, freilich auf Kosten der geringeren Geschmeidigkeit. Weitaus zäher ab 
Silber ist Aluminiumbronze. Die Härte dieser Legierung ist den meisten 
Chirurgen unbequem, so daß sie doch den Silberdraht vorziehen. Allerdings kann 
man auch ersteren geschmeidig machen, ohne seine Zähigkeit zu opfern, indem 
man ihn vor dem Gebrauch durch die Bunsenflamme zieht. Eine Modifikation 
des Aluminiumbronzedrahtes, welcher der Nachteil der Härte nicht zukommt, 
ist der von Spechtenhauser angegebene sogenannte Wiener Draht, ein 
Bündel feinster Aluminiumbronzedrähte nach Art eines Seiles zu sa in mengedreh:. 
Dieser Draht hat die Zugfestigkeit der Summe der einzelnen Drähte, nicht aber 
die Härte, welche einem soliden Draht von gleichem Querschnitt zukäme. Er 
wäre für Knochennähte und auch für die Muskel- und Fasciennaht der geeignetste, 
wenn er nicht andere Nachteile hätte (Schwierigkeit der Knüpfung und Führung 
durch Bohrlöcher). Für das Anlegen von versenkten Drahtnähten an solchen 
Körperteilen, welche gegenüber ihrer unmittelbaren Umgebung dauernd in Ruhe¬ 
lage verharren, ist somit Silber das geeignete Metall. Zur Naht der Patellarfraktur 
ist der ausgeglühte Aluminiumbronzedraht vorzuziehen. Will man auch hier 
Silber wählen, so ist unbedingt ein starker Draht zu nehmen. Für die 
Naht der Umbilicalhemien und Rectusdiastasen ist die Seide schon deshalb vor¬ 
zuziehen, weil sie durch ihre Rauhigkeit den Druck auf einen größeren Umfang 
der Gewebe ausübt. Sollte man hier die Silberdrahtnaht anwenden, so ist die 
in Form der perkutanen Tiefennaht von Küster angegebene der 
älteren Schede sehen Methode der versenkten Knopfnaht vorzuziehen. 

Joachimsthal. 

William Seaman B a i n b r i d g e, The evolution of the operating table. 

New York medical journal, November 1911. 

Verfasser bespricht die Entwicklung des Operationstisches; er unterscheidet 
dabei folgende Typen: 1. die frühe Periode, die bis zum Anfang des 19. Jahr¬ 
hunderts reicht, in der Tische, Betten, Stühle usw. zu Operationszwecken ver¬ 
wendet wurden; 2. die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der die ersten Versuche 
gemacht wurden, besondere hölzerne Operationstische zu konstruieren, bei denen 
von der damals noch unbekannten Asepsis natürlich noch keine Rede sein konnte; 
3. die ersten 25—30 Jahre der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die voranti- 
septisehe Zeit, in der noch fast ausschließlich Holz angewandt wurde und der 
Hauptwert auf elegantes Aeußerc, Dauerhaftigkeit, Billigkeit und mögliche 
universale Gebrauchsfähigkeit gelegt wurde, und endlich 4. die neueste Zeit ir.it 
ihren neuesten Konstruktionen in bezug auf Asepsis, Drainage, Einfachheit usw. 
Zum Schluß empfiehlt Verfasser an der Hand von Abbildungen einen Operations¬ 
tisch eigener Konstruktion. Bibergeil - Berlin. 

Nebel, Das Stärkebindcnkorsett. Archiv für Orthopädie Bd. 11, Heft 2—3. 

Statt des Gipskorsetts empfiehlt Nebel bei Spondylitis ein Korsett au? 
.Stärkebinden, das in seinem Scliwcbelagerungsrahmen in Rückenlage auf Trikot 
nur mit leichten Polstern auf Spinae und Gibbus aus 6—8 Stärkebinden angelegt 
wird. Bis zum Erhärten desselben, d. h. 4 — 5 Tage, kommt ein leichtes Gipskorsett 
darüber, das dann aufgeschnitten wird und mit Gips ausgegossen eine exakte Form 
des Rumpfes darstellt, über der andere Stärkebindenkorsetts respektive Leder¬ 
korsetts ohne Belästigung des Patienten herzustellen sind. Das Stärkebinden« 


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korsett ist leicht, elastisch, billig und vermeidet Decubitus, respektive läßt 
ihn infolge seiner Durchlässigkeit rasch erkennen. Natürlich kann man auch 
sonstige Hülsen aus solchen Stärkebinden hersteilen. 

Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

Bouchacourt, Recherches experimentales sur les difförences de transparence 
aux rayons de Röntgen, entre les membres nus et entour£s par des appareils 
plätr6s frais et secs. Soc. de radiol. de Paris 13. Febr. 1912, Nr. 32, p. 75. 

Bouchacourt hat die Frage untersucht, ob der Gipsverband störend 
auf die Deutlichkeit eines Röntgenbildes einwirkt. Er hat Extremitäten in noch 
feuchtem, in trockenem und ohne Gipsverband radiographiert und die ver¬ 
schiedenen Gipssorten auf ihre Absorptionsfähigkeit für Röntgenstrahlen unter¬ 
sucht. 

Er fand, daß der frische ebenso wie der trockene Gipsverband durchaus 
genügend für Röntgenstrahlen durchlässig ist, um die Radioskopie und die Radio¬ 
graphie der Frakturen im Verbände zu erlauben; das gilt wenigstens für Erwachsene, 
für Kinder liegen die Verhältnisse ungünstiger. 

Zwischen zwei Röntgenbildem eines nackten und eines eingegipsten Gliedes 
sind Differenzen nicht festzustellen, wenn genügend harte Strahlen verwendet 
werden. Ebensowenig ist ein Unterschied in der Güte der Bilder bei frischen 
oder alten Gips verbänden festzustellen. 

Demgemäß ist regelmäßige Kontrolle eingegipster Frakturen mit Röntgen¬ 
strahlen stets zu fordern. — 

In der Diskussion wird von verschiedenen Seiten betont, daß nur bei Ueber- 
expositionen leidliche Knochenbilder durch Gipsverbände zu bekommen seien. 
Details der Knochen durch den Gipsverband hindurch darzustellen, wird von den 
meisten Rednern für unmöglich erklärt. Peltesohn - Berlin. 

P r e i s e r, Ueber praktisch-wichtige, aber wenig bekannte Krankheitsbilder aus 
dem Grenzgebiete der Gynäkologie und der Orthopädie. Med. Klinik 1912, 
Nr. 24. 

Es gibt orthopädische Krankheitsbilder, die vorzugsweise das weibliche 
Geschlecht betreffen (dabei wäre zunächst an Osteomalacie, Skoliose, angeborene 
Hüftverrenkung und an die Heberdensche Krankheit zu denken), und ferner 
geben die Hauptvorgänge beim weiblichen Geschlecht, Pubertät, Menstruation, 
Schwangerschaft, Geburt, Laktation und Klimakterium, dem Gynäkologen Anlaß, 
auf orthopädische Krankheitsbilder zu achten. P r e i s e r bespricht zunächst 
die Schwangerschaftskoxalgie und die Schwangerschaftslumbago und gibt der 
Ueberzeugung Ausdruck, daß sich recht viele Beschwerden im Frauenleben, 
über deren Aetiologie man sich früher im Unklaren war, auf Anomalien der Statik 
zurückführen lassen. Er kommt damit auf die statischen Gelenkerkrankungen, 
bei denen man drei Stadien zu unterscheiden hat; erstes Stadium: eine Störung 
in der statischen Einheit, eine Gelenkinkongruenz (z. B. bedingt durch Plattfuß, 
X- und O-Beine, Pfannenstellungsvariation usw.) macht lokale Schmerzen. 
Zweites Stadium: Die Störung macht sich in anderen Gelenken der statischen 
Einheit geltend, führt dort zu Verdrehungen und Dehnungen der Kapsel und löst 
dadurch Schmerzen aus. Drittes Stadium: Es kommt schließlich zum End¬ 
stadium der statischen Erkrankung, zur Arthritis deformans. Frei s e r geht ferner 


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kurz auf die angeborene Luxation, auf Skoliose, die gonorrhoische Arthritis und 
endlich auf die Gicht ein, die. beim weiblichen Geschlecht häufiger ist als beim 
Mann. Die Ursache des „Ballens“ ist nach Preisers Ansicht nicht die Gicht, 
sondern vielmehr etwas ganz Mechanisches, das Tragen zu spitzer Stiefel. Da¬ 
durch wird zunächst die grosse Zehe in Valgität gedrängt, es treten bald Flächen 
von Arthritis deformans auf. Die interessanteste Krankheit ist endlich die Heber* 
dcnache Krankheit, die „Gicht“ der Hände, welche viel häufiger bei Frauen al? 
bei Männern ist. Sie charakterisiert sich darin, daß mehr oder weniger zahlreich* 
Fingergelenke unter sehr großen Schmerzen und allmählicher Rötung anschwellen. 
Im Röntgenbilde sieht man einen verengerten Gelenkspalt, „Auskehlungen“ 
der proximalen Phalange und hin und wieder stecknadelkopfgroße freie Körper¬ 
chen, und in alten Fällen erhebliche Knochenatrophie. Diese Erkrankung hat 
nach Ansicht Preisers im Sinne von Pidelles nichts mit Gicht zu tun. 
sondern ist eine Folge von Atrophie in der Genitalsphäre. 

Bibergeil- Berlin. 

O. v. Frisch, Beitrag zur Lehre von den Belastungsdeformitäten. Arch. f. klm. 
Chir. Bd. 98, Heft 2, S. 489. 

Entfernt man einem 3 Wochen alten Kaninchen durch Exartikulation 
in der Hüfte eine hintere Extremität, so resultiert daraus nach v. Frisch* 
Beobachtungen eine bleibende, ja zunehmende Störung der Motilität des Tieres, 
womit eine ebenfalls zunehmende Gestaltsveränderung des Skeletts Hand in 
Hand geht. Durch die dauernde Seitenlage des Hinterleibes bildet sich zunächst 
eine bewegliche, später durch Dehnung und Schrumpfung der Weichteile fixierte 
Kyphoskoliose und Rotation des Lumbodorsalsegmentes. Die bleibenden Defor¬ 
mierungen in den Segmenten der Wirbelsäule lassen sich vorwiegend in den Band¬ 
scheiben und den Epiphysenfugen der Körperepiphysen nachweisen. Keilförmige 
oder durch Torsion deformierte Wirbelkörper finden sich trotz der Fixation der 
Wirbelsäule nicht vor. Durch die funktionelle Inanspruchnahme und Belastung 
in abnormer Richtung bildet sich an der erhaltenen hinteren Extremität ein Genu 
valgum; die daneben bestehende fixierte Ueberstreckung im Kniegelenk ist eben¬ 
falls auf mechanische Ursachen zurückzuführen. Die entsprechenden Epiphysen* 
fugen sind insbesondere an der Tibia mächtig verdickt, zeigen aber in Bezug auf 
Dichte und Masse des Gefüges keinen erkennbaren Unterschied an der Stute der 
vermehrten Druckspannung gegenüber jener der Druckentlastung. Die zwecks 
Aufrechterhaltung des Vorderleibs dauernd eingehaltene Abduktion (bzw. Ad¬ 
duktion) beider vorderen Extremitäten fixiert sich ebenso wie die Deviationen 
der anderen Gliedabschnitte im Laufe der Monate. Auch hier treten, wie an der 
hinteren Extremität, mit der Zeit Deformitäten auf, die mit der Belastung bei 
dauernd gleicher Haltung der Glieder in direktem Zusammenhang stehen. PD 
deutlichsten diesbezüglichen Veränderungen sind am Humerus zu sehen und be¬ 
stehen in einer Verbildung der Kopfepiphyse und Torsion des Schaftes. Im all¬ 
gemeinen bleiben die Tiere in der Ent wicklung, insbesondere im Wachstum zuruck. 
Die anfangs noch mögliche Lokomotion wird mit der Zunahme der Deformitäten 
immer schwieriger; nach Ablauf von 6 Monaten können sich die Tiere in der Regel 
nicht mehr vom Platz bewegen. Je älter die zu dem Versuch benutzten Kaninchen 
sind, desto weniger deutlich entwickeln sich die beschriebenen Veränderungen. 

Joachimst hal. 


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K o n r a d B ii cl i n g e r, Ucber pathologische Knochenstruktur. Arch. f. klin. 
Clur. Bd. 98, Heft 1, S. 106. 

B ü d i n g e r beschreibt eine Auswahl von abnormen Knochenformationen, 
welche teils durch Verwachsung mehrerer benachbarter Knochen, teils durch 
Neubildung entstanden sind, und bei denen die Struktur mit Ausnahme eines 
Falles so weit ausgebildet ist, daß ihre Anordnung als definitive gelten kann. 
Fr gelangt zu folgendem Schluß: 

Das sogenannte Transformationsgesetz, d. h. die Lehre, daß mit Veränderung 
der Form und damit der mechanischen Inanspruchnahme eines Knochens sich 
auch dessen innere Struktur ändert, besteht zu Recht. Dagegen können wir 
nach unseren jetzigen Kenntnissen das Wesen dieser Veränderungen nur zum 
kleinsten Teil erklären, und es ist sehr verfrüht, zu behaupten, daß die neue Struktur 
„mathematisch genau“ den neuen Ansprüchen genügt; insbesondere ist der Ein- 
rluß der Belastung noch ganz unberechenbar. Wie bei den normalen, so dürfen wir 
uns auch bei den pathologischen Knochenstrukturen nicht an eine Erklärung 
der (Jesamtstruktur eines Knochens wagen, sondern können nur Gruppen beurteilen 
und vergleichen, wobei feinere Veränderungen noch jenseit des Zufälligen liegen. 
An den pathologischen Knochen konnte B ü d i n g e r ein Strukturgebilde wieder¬ 
finden, welches am normalen Knochen überall da au ft ritt, wo ein Schutz gegen 
äußere oder innere traumatische Einflüsse notwendig ist. Die Analogie ist bezüglich 
Sitz und Anordnung dieser Struktur bei normalen und pathologischen Knochen 
eine vollkommene. Dieses Strukturgebilde bestellt in einer compactaähnliehen 
Knoehenmas.se, welche ven der tiefsten Stelle einer jeden Knocheneinsattelung 
gegen das Knocheninnere vortritt und rosettenförmig ungeordnete Züge spongiöser 
Substanz in c'en Knochen aussendet. J o v, c li i m s t h a 1. 

J o achi m s t h a 1, lieber Störungen in der periostalen und endochondralen 
Knochenbildung. Berl. klin. Wochensehr. 1912, Nr. 17. 

J o a c h i m s t h a 1 berichtet zunächst über ein Kind im 1. Lebensjahr 
mit Osteogenesis imperfecta. Beiderseits fanden sich fast symmetrische Frakture l 
resp. Verkrümmungen der Diaphysen. Die Gestaltung der Gelenkenden zeigte 
keine Abweichung vom Normalen. Für Syphilis bot sieh kein Anhaltspunkt. 

Die Erkrankung ist die Folge einer mangelhaften Apposition sowohl von 
feiten des Periosts als auch der Markosteoblasten. Auf Darreichung von Phosphor 
gelang es, innerhalb von 3 Monaten eine fast normale Gestaltung der Knochen 
und eine so vollkommene Heilung der verschiedenen Brüche zu erzielen, daß nach¬ 
her auf den Röntgen bi ldern nur noch Andeutungen derselben bemerkt wurden. 

Ferner bespricht Joachi ms t h al einen Fall von (’hondrodystrophia foetalis 
hvperplastica, den er bereits seit 13 Jahren beobachtet hat, und bei dem systema¬ 
tisch Röntgenbilder vorn .Skelett aufgenommen worden sind. Charakteristisch sind 
die kurzen Extremitäten im Gegensatz zum langen Rumpf, die starke Lenden¬ 
lordose, geringgradiges Wachstum. Bei Beginn der Beobachtung lineare Osteotomie 
an beiden Tibien und Geradestclhmg der Beine. .Seitdem ist keine Verkrümmung 
wieder eingetreten. J o a c h i m s t h a 1 weist mit S u m i t a auf die fast unveränderte 
lange, schöne Form der Clavicula hin. Gcschlcchtsentwicklimg normal; Gebär- 
fähigkeit möglich. Es handelt sich um ein Vitium primae formationis des 
Knorpels. Während also bei dem erst besprochenen Krankhcitsbilde die langen 
Zeitschrift für orthopädische t.'hirurgi».*. XXX. IM. 40 


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Röhrenknochen den Sitz der Erkrankung ahgeben, sind es hier die Epiphysen- 
knorpcl. 

Weiter berichtet Joachimsthal über ein Kind mit Auftreibung der Epi¬ 
physen und Verbiegung der unteren Extremitäten, sowie starker Schmerzhaftigkeit 
der Knochen und Spontanfrakturen. Wenn auch das klinische Verhalten mehr 
für Osteomalacia juvenilis spricht, so läßt doch das Röntgenbild eher an eint 
ungewöhnliche Form der Rachitis denken. Schließlich berichtet Joachimsthal 
noch über ein 6 Jahre altes Kind mit Verbiegungen an den oberen und unteren 
Extremitäten und Klumpfüßen. Die Röntgenbilder ließen Erweich ungsprozes-r 
in den Metaphysen erkennen, welche die Ursache zu den Verkrümmungen abgab-n. 
Ein Analogon konnte Joachimsthal in der Literatur nicht linden. 

Maier- Aussig. 

H ä ß n e r, Osteogenesis imperfecta. (Rostocker Acrzteverein, 9. März lidi« 
Münch, med. Wochenschr. 1912, Xr. 17. 

Demonstration eines Falles eigener Beobachtung, bei dem außerdem eLv 
ausgesprochene Porencephalie vorliegt, und Besprechung des Krankheitshilde-. 
Es handelt sich um eine Störung des Ossifikationsprozcsses, deren Effekt ein* 
hochgradige Knochenbrüchigkeit ist. Das Schädeldach bleibt papierdünn. Wirb-i- 
säule und Röhrenknochen zeigen hochgradige Verbiegungen. 

8 c h a r f f - Flensburg. 

R e g n a u 11, Squelette de foetus atteint de dysplasie periostale. Soc. annmm. 
de Paris, Januar 1912, p. 47. 

R e g n a u 11 zeigt die Knochen eines Fötus mit Dysplusin pcriot.ili- 
(Osteogenesis imperfecta). Beide Tibien, Fibulae und das rechte Femur weiten 
schwere Knickungen mit Abflachungen auf. Der linke Femur ist im ganzen n:i h 
außen konvex, verdickt, von unregelmäßiger Oberfläche. Der Schädel ist papi»*r- 
dünn, die Xähte sind außerordentlich weit; nach der Größe der Ossifikationszentren 
der Schädclknochen kann man drei Grade der Dysplasia periost alis am SchuM 
unterscheiden: Bei der schwersten Form beträgt der Durchmesser derselben im 
Maximum 1 cm, bei den leichteren sind die Schädelknochen durch zahlreiche kb inc 
Wormssehe Knochen ersetzt; bei den leichtesten sind die Knochen normal gebilligt, 
aber in die Nähte, die an manchen Stellen abnorm weit sind, sind kleine Knoobn- 
inassen eingesprengt. Im vorliegenden Falle war das Os parietale zweigeteilt. 

P e 11 e s o h n - Berlin. 

V. Zach a r y Gope, Casc of achondroplasia. Procccdings, Vol. V. Xr. 3. 

Januar 1912, Glinical scction, p. 97. 

9jähriger Knabe mit Achondroplasic; er gleicht einem 5jährigen Kind 
Fünf ältere Geschwister gesund. Die Mutter war bei seiner Geburt 41 Jahn? ah. 
Sie hat eine beträchtliche Vergrößerung des rechten Schilddriisenlappcns, die, 
solange ihre Erinnerung reicht, besteht. Gope glaubt, daß dieser Umstand 
ätiologisch bedeutungsvoll sei. Die Ossifikation an den Handwurzelkemen ist 
zurückgeblieben, was für einen aktiven Prozeß nach der Geburt spricht. 

Die Fibula ist im Verhältnis zur Tibia unverhältnismäßig lang, an einem 
Bein nimmt sic an der Bildung der Gelenkfläche des Knies teil. 

F. W oh lauer - Gharlottenburg. 


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D e n c k s, Multiple Frakturen der Extremitätenknochen. (Freie Vereinigung 
der Chirurgen Berlins, 12. Februar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 13. 

Es handelte sich um ein Kind, das in seiner körperlichen und geistigen 
Entwicklung ganz außerordentlich zurückgeblieben ist und jetzt, im Alter von 
3 Jahren, auf der Stufe eines 2—3 Monate alten Säuglings steht. Es bestehen 
hochgradige Verkrümmungen der Extremitäten, welch letztere außerdem im Ver¬ 
hältnis zum Rumpf abnorm kurz sind, Verdickungen der Epiphysen, ein beträcht¬ 
licher Grad von Mikrocephalie, Idiotie und multiple Frakturen an den Röhren¬ 
knochen der oberen und unteren Extremitäten, sowie schwere Veränderungen im 
Bereich der Epiphysen. 

D e n c k s faßt den Fall als einen seltenen und abnorm verlaufenden Fall 
von Chondrodystrophia foetalis auf und hält die Spontanfrakturen für akziden¬ 
telle Veränderungen ähnlich der Knochenbrüchigkeit beim Morbus Barlow, da 
das Kind 3 Jahre lang nur mit Milch und Hafersuppe ernährt wurde. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

D e n c k s, Ueber Spontanfrakturen bei Jugendlichen. (Freie Vereinigung der 
Chirurgen Berlins, 12. Februar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 13. 

D e n c k s berichtet über 2 Fälle von Spontanfrakturen des Schenkelhalses 
lei einem 14jährigen Mädchen und einem 18jährigen jungen Mann. Es lag nicht 
das geringste Trauma vor, nur war schon einige Wochen vorher eine mäßige 
Schmerzhaftigkeit in der betreffenden Hüfte vorhanden gewesen. Es war der 
Bruch beide Male in der Epiphysenfuge erfolgt. In dem ersten Falle war das 
Resultat ein sehr gutes, im zweiten bei einer Verkürzung von 4 cm und mäßigen 
Bewegungsbehinderung im Hüftgelenk nur zufriedenstellend. Die Therapie 
war eine konservative. — Bezüglich der Aetiologie des Leidens nimmt D e n c k s 
eine nicht sicher nachgewiesene Knochenerkrankung an, die zur Resistenzver- 
minderung der Knorpel-Knochenfuge geführt hatte. Ein Trauma ist nicht nötig. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Dorsch ei d-Dclcourt, Fragilite osseuse et luxation congenitale de la 
hanche. Pathologie infant. April 1912, p. 05. 

Verfasserin berichtet über einen Fall von Fragilitas ossium bei einem zarten, 
eine doppelseitige Hüftluxation auf weisenden Kinde ohne Zeichen von Rachitis aus 
gesunder Familie. Im Februar 1911 Einrenkung der Hüftluxationen gleichzeitig; 
Verbände in erster Position für 4 Wochen. Als nunmehr ein Verband in Innen¬ 
rotation angelegt werden soll, entsteht eine Knickung am oberen Ende des rechten 
Femur dicht unter dem Trochanter. Im Oktober 1911 nach längerem Aufenthalt 
an der See ist die Verbandbehandlung beendet; die Hüftgelenke sind eingerenkt. 
Einige Monate später zieht sich das Kind durch Fall auf ebener Erde eine typische 
suprakondyläre Femurfraktur links zu, die unter Gipsverband ohne Schmerzen 
sehr schnell heilt, und nach kurzer Zeit durch Herabgleiten von einem Sessel 
eine neue Infraktion desselben Femur am oberen Ende, die ebenfalls im Gips- 
verbande heilt. 

Es handelt sich offenbar um eine Fragilitas ossium, analog der Osteomalacie 
der Adoleszenten, aber nicht identisch mit dieser. Die Immobilisation in Gips¬ 
verbänden allein genügt nicht zur Erklärung der Frakturen; es muß eine Dispo- 


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sition zur Knochenbrüchigkeit angeschuldigt werden. — Die Prognose d:e^r 
kindlichen Osteomalacie ist günstig. Peltesohn- Berlin. 

Sarvonat et Roubier, Sur un cas d’osteomalacie senile. Progr. nbi 
1911, p. 635. 

Der Fall betrifft eine iin 56. Lebensjahre verstorbene Frau, die seit dem 
40. Jahre im Klimakterium stellt. Mit 7 Jahren hatte sie Scharlach durchgem icM 
und seitdem eine interstitielle Nephritis. 3 Jahre vor ihrem Tode traten Syinpt ar.r 
von seniler Osteomalacie auf mit Lokalisation am Thorax, an der Wirbelsäule u:,c 
am Sternum. Dadurch entstand ein beträchtliches Zusammensinken und Klei tier¬ 
werden der Kranken. Die Extremitäten blieben verschont. 

Bei der Sektion findet sich außer den Knoehenvcränderungen eine inter¬ 
stitielle Nephritis, kleincystische Degeneration der Ovarien, Vergrößerung der 
Thyreoidea. So unwahrscheinlich es ist, daß die Veränderung eines dieser Organ': 
in ursächlichem Zusammenhang mit der Osteomalacie steht, so halten e> de 
Verfasser doch für möglich, daß alle drei Faktoren zusammen eine Rolle spielte:;. 

In chemischer Beziehung ergab sich eine beträchtliche Verminderung d r 
Mineralsalze in den untersuchten Knochen (statt 70 Proz. nur 43 Proz.): dagr-Lvr.. 
war das Verhältnis des Kalks zum Phosphor normal. Der Kalkgehalt des Blute? 
war mit 0,081 °/ 00 etwas erhöht. Dieser Umstand weist darauf hin, daß Anomalien 
im MineralstotYwechsel bei der Osteomalacie eine Rolle spielen. Ausgclost wird 
diese Veränderung wahrscheinlich durch abnorme Sekretion der Glandula 
thyreoidea. P e 11 e s o h n - Berlin. 

K 1 o t z. Zur Aetiologie der Khachitis, auf Grund ihrer therapeutischen Ib.-oin- 
thissung durch Hypophysenmedikation. Münchner med. Wochenschr. 11*12. 
Xr. 21. 

K 1 o t z nimmt auf Grund von Versuchen an, daß die Rachitis auf eine 
Unterfunktion der den Phosphorhaushalt beherrschenden Hypophyse zurückzu- 
führen ist. Er hat deshalb, um die Tätigkeit der Hypophyse anzuregen, Hypo- 
physochrom, den phosphorhaltigen Farbstoff der Hypophyse verabfolgt, ln fünf 
Fällen von schwerer Rachitis hei 1 — 2jährigen Kindern wurden dadurch gure 
Erfolge erzielt. S c h a r f f - Flensburg. 

K o c h. Zur Behandlung der Osteomalacie mit Hypophysenextrakt. Med. 
Klinik 1912, Nr. 25. 

Bericht über drei durch Hypophysenextrakt günstig beeinflußte Falle 
von Osteomalacie, und zwar Osteomalaciespätformen. Schon wenige Kubik¬ 
zentimeter Hypophysenextrakt riefen eine auffallende Besserung, insbesondere 
im subjektiven Befinden der Kranken hervor. An Nebenwirkungen des Mirreb 
wurden bei einer Patientin intensive Hinterkopfschmerzen beobachtet, die etwa 
6 Stunden anhielten. Verschiedentlich wurde auch vorübergehende Exazerbation 
der Knochenschmerzen beobachtet. Angewandt wurde Pituitrin (bzw. Pitrylandol), 
das im Gegensatz zu den Adrenalinpräparaten bei der Behandlung der Osteo« 
malaeie harmlos ist, während seine Wirkung die gleiche, vielleicht sogar eine 
bessere zu sein scheint. Bibergeil- Berlin. 


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J e n c k e 1, Knochencysten und Ostitis fibrosa. (Vereinigung nord westdeutsch er 
Chirurgen, 20. Januar 1912 zu Altona.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 11. 

An der Hand von 8 Fällen von Ostitis fibrosa localisata mit Cystenbildung 
bespricht Jenckelin der ausführlichsten Weise den Wandel der Anschauungen 
über die Entstellung der Knochencysten, die auch im tumorartigen Frühstadium 
der Ostitis fibrosa nicht selten angetroffen werden und als Erweichungs- bzw. 
Einschmelzungsprodukte auf gefaßt werden müssen. Speziell sind es Blutungen, 
welche zur Höhlenbildung Veranlassung geben. J e n c k e 1 nimmt ganz den Stand¬ 
punkt v. Recklinghausens ein, daß die myelogenen sogenannten schaligen 
Sarkome nichts anderes als Abarten der Ostitis fibrosa sind, die durch Inzision 
und Ausschabung zur Ausheilung gebracht werden können, ja manchmal sogar 
spontan ausheilen. Bei den ersten 4 Fällen handelte es sich nach ihren klinischen 
Erscheinungen, dem makroskopischen Verhalten, dem histologischen Aufbau, 
um schalige Knochensarkome, die ja wegen ihrer relativen Gutartigkeit von den 
eigentlichen sarkomatösen Neoplasmen zu trennen sind und als ein Produkt der 
fibrösen Metaplasie des Knochenmarkes aufgefaßt werden müssen. Der Name 
Ostitis fibrosa ist schlecht gewählt, da von einer eigentlichen Entzündung nicht die 
Rede sein kann, besser wäre es schon, den Ausdruck „fibröse Ostose“ zu gebrauchen 
Als echte Neoplasmen sind diese vielfach im Anschluß an Traumen sich entwickeln¬ 
den Tumoren nicht aufzufassen, sondern vielmehr als ein Stadium der Knochen- 
marksmetaplasie. In den allermeisten Fällen kommt man mit der Inzision, Auf¬ 
meißelung und Ausschabung aus. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Schroth, Kalktherapie und Röntgenkastration bei Knochenerweichung. 
(Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins, 8. Januar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 
1912, Nr. 9. 

Es handelt sich um eine 49jährige Patientin mit einer Ostitis fibrosa mit 
massenhaften, teils cystisehen, teils mehr diffus ausgebreiteten Herden fast im 
ganzen Knochengerüst, hauptsächlich im Becken, die nach dem Röntgenbild 
eine fibröse Umwandlung der Knochenstruktur zeigten. Unter einer mehrere 
Monate hindurch fortgesetzten Darreichung von Calcium lacticum und gleich¬ 
zeitigen Röntgenbestrahlung der Ovarien wurde erhebliche Besserung erzielt. 
Ein seit vielen Monaten unverändert gewesener Oberarmbruch heilte unter starker 
Callusbildung, und ein cystischer Herd an der Tibia wurde knochenhart. Auch 
in den äußerlich nicht wahrnehmbaren Knochenherden muß eine gewisse Festig¬ 
keit eingetreten sein, da die Kranke, die seit Jahren ans Bett gefesselt war, wieder 
frei umhergehen konnte. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

T. Wilson Parry, A case of osteitis deformans, in wliieli fracture of a feniur 
took place as the result of stooping. British medical journal, Nr. 2077, 
20. April 1912, p. 879. 

Parry hat eine Osteitis deformans (Pa ge t) bei einer Oßjährigen Frau 
4 ! / 2 Jahre hindurch vom Beginn der Krankheit bis zum Tode der Patientin be¬ 
obachten können und gibt ausführlich die interessante Krankengeschichte. 
Außergewöhnlich war an dem Fall, daß die ►Schädelknochen mit Ausnahme des 
Kinns nicht ergriffen waren. Die Krankheit war unmittelbar im Anschluß an 
eine Blinddarmoperation entstanden; Verfasser wirft die Frage auf, ob infolge 


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des Operationschocks eine Alteration des Nervensystems ausgelöst sein konr.e. 
die zu einer trophischen Degeneration der Knochen geführt habe. Eine Fraktur 
des Femur, die Patientin 6 Wochen vor dem Tode akquiriert hatte, und die 
Parry in vorzüglicher Stellung fixiert hatte, war nicht konsolidiert. 

F. Wohlauer- Charlotten bürg. 

F. Parkes Weber, Osteitis deformans (Pagets bone disease) with ehr »me 
eczema. Proceedings, Vol. V, Nr. 5, März 1912, Clinical section. p. 143. 

TOjähriger Mann mit Pagetscher Krankheit. Befallen sind beide Femon 
und Tibiae. Die Erkrankung begann 6 Jahre zuvor an der linken Tibia, die jetzt 
noch am stärksten befallen ist. Der Kopf ist frei. Auffallend ist, daß der Patient 
keine Schmerzen an den erkrankten Gliedmaßen hat. 

F. Wohlauer - Charlotten bürg. 

Massary et Pasteur V a 11 e r y - R a d o t, Maladie osscusc de Pag-1 
(Präsentation du squelette). Soc. anatom. de Paris. Februar 1912, p. SO. 

Die Verfasser demonstrieren das Skelett eines 80jährigen Mannes, der $Kt 
etwa 20 Jahren an Ostitis deformans Paget gelitten hatte. Die Hypertrophie 
der Knochen betrifft im ganzen mehr die rechte als die linke Körperhälfte. IKt 
S chädel ist stark verdickt, das Occipitale mißt 2 cm, das Frontale 1,8 cm im 
Durchmesser. Die Gesichtsknochen sind nicht verändert. Die Olaviculae. da* 
Akromion und der Processus coracoideus sind stark verdickt. Die Hauptver¬ 
änderungen finden sich an den Extremitäten; hier sind besonders die Ulna und 
die Tibia hypertrophisch und haben Bogenform angenommen, während der Radius 
und die Fibula ihre normale Form und Länge bewahrt haben. Femur und Humerus 
sind stark geschweift und hypertrophisch. Im Gegensatz zu den Fußknocken 
sind die Finger auffallend groß. 

Die Wassermannsche Reaktion war positiv ausgefallen, was ätiologisch 
von Bedeutung ist. P e 11 e s o h n - Berlin. 

Schuster, Ueber Ostitis chronica luetica. (Med. Gesellsch. zu Chemnitz, 
17. Januar 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 12. 

Fall 1: 48jähriger Patient, der in den zwanziger Jahren Lues erworben 
hatte, klagt über Reißen in den Beinen. Das Röntgenbild zeigt große Exostosen 
und Hyperostosen der Tibia und Fibula, sowie sklerotische und rarefi zieren de Pro¬ 
zesse der Tibia. — Fall 2: 78jähriger Patient zeigt Ende der dreißiger Jahre allmäh¬ 
lich zunehmende Schmerzen im linken Unterschenkel. Mit 62 Jahren zunehmende 
Verkrümmung des linken Unterschenkels nach außen und vom, zugleich starke 
Verdickung. Familienanamnese spricht nicht für Lues. Wassermann sehe Renkt i n 
negativ. Röntgenbild zeigt unscharfe Knochenstruktur und Kontur der Tild», 
Verbreiterung der Corticalis. (Die Beschreibung des Falles erinnert an Ostitis 
deformans Paget. Referent.) Zum Schlüsse zeigt Höhl ein Röntgenbild de* 
Okerschenkels eines 43jährigen Patienten mit postluetischen osteoperiostitischen 
Veränderungen des Femurs. S c h a r f f - Flensburg. 

F r ä n k e 1, Kongenitale Syphilis. (Biologische Abteilung des Acrztliehen Vereins 
in Hamburg 20. Fcbr. 1912.) Münchner med. Wochenschr. 1912, 22. 

Demonstration der Röntgenbilder von drei Kindern mit kongenitaler 
Syphilis. Es fanden sich außer Osteochondritis syphilitica der Röhrenknochen 


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Referate. 


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auch an den platten Knochen (Darmbein, Schulterblatt) analoge Veränderungen, 
zugleich mit ossifizierender Periostitis. Scharff - Flensburg. 

S. W eil, Ueber doppelseitige, symmetrische Osteochondritis dissecans. Beitr. 
z. klin. Chir. Bd. 78, Heft 2, S. 403. 

Auf Grund zweier in der Breslauer chirurgischen Klinik beobachteter und 
von 12 in der Literatur beschriebener Fälle bespricht Weil das Krankheitsbild 
der doppelseitigen symmetrischen Osteochondritis dissecans. Das Leiden befällt 
am häufigsten das Kniegelenk, seltener das Ellbogengelenk. Am Knie war in sämt¬ 
lichen Fällen, in denen darauf geachtet wurde, der Condylus medialis der Sitz 
des Leidens, während am Ellbogen die Grube des Radiusköpfchens die Ursprungs¬ 
stelle der freien Körper zu sein scheint. Die Lücken im Knochen und die Form 
und Beschaffenheit der abgelösten Gelenkkörper haben stet« auffallende Aehn- 
lichkeit. Der Verlauf der Erkrankung zieht sich über lange Zeit hin, sie braucht 
jahrelang keine Erscheinungen zu machen. Einige Zeit, nachdem die eine Seite 
befallen ist, treten auch im anderen Gelenk entsprechende Erscheinungen auf. 
Traumen fehlen in der Anamnese in den meisten Fällen. Die Befallenen stehen 
meist im jugendlichen Alter. 

In W e i 1 s zweitem Falle verlief auf der zweiten Seite das Leiden absolut 
erscheinungslos und wurde wie zufällig durch das Röntgenbild entdeckt. Nach der 
Feststellung einer Osteochondritis blieb der Patient noch zwei weitere Jahre lang 
von allen Beschwerden verschont. In einem von Weichselbaum mit- 
geteilten Falle wurden die Arthrophyten, in ihren Knochenlücken Hegend, erst 
bei der Sektion zufällig entdeckt, und noch dazu bei einem jungen Soldaten, 
der während der Militärzeit einer Dysenterie rasch erlegen w ar. Die Osteochondritis, 
das Ablösen der Gelenkmäuse, braucht also an und für sich keinerlei Er¬ 
scheinungen zu machen, und dieses Latenzstadium kann sich über Jahre und 
Jahrzehnte hinziehen. Erst wenn der Gelenkmechanismus gestört w ird, kommt es zu 
Gelenkreizungen, zu Schwächezuständen, Schmerzen, Bewegungsbeschränkungen, 
Ergüssen, und schUeßlich können richtige Einklemmungserscheinungen auftreten. 

Ehe Gelenk mau serscheinungen auftreten, ermöglicht das Röntgenbild 
die Diagnose. Stets soll auch die andere Körperseite mit Röntgenstrahlen unter¬ 
sucht w erden. Weil kann sich mit den meisten Autoren, die doppelseitige Osteo¬ 
chondritisfälle gesehen haben, der traumatischen Theorie im Sinne Barthls 
nicht anschließen. Die Osteochondritis scheint subchondral zu beginnen 
und erst sekundär auf den Gelenkknorpcl fortzuschreiten. Wie die Herde zustande 
kommen, ob durch Gefäßschädigungen im Sinne Ludloffs oder durch ent¬ 
zündliche Prozesse, ist bisher nicht zu entscheiden. J o a c h i m s t h a 1. 

Etien ne, Decalcification osteomalaeique experimentale par le chlorure de calcium 
et par l’adrenaiine. Journ de phvsiol. et pathol. geiler. 1U12, Nr. 1, p. 108. 

Verfasser konnte experimentell ostcomalaeischc Zustände beim Kaninchen 
durch lange Zeit fortgesetzte übermäßige Verabreichung von Calciumchlorid (( a(Il 2 ), 
eventuell in Kombination mit Adrenalin, hervorrufen. Nach einer Periode der 
Kalkstauung wurde der Kalk — besonders aus dem Knochensystem — in beträcht¬ 
lichen Mengen abgebaut. Der schließliche Kalkgehalt der Knochen betrug nur 
noch 15 Proz. der Norm; die Ausscheidung erfolgte durch den Urin und die Fäces. 


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Referate. 


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— Besteht diese Dekalzitikation lange genug (3—4 Monate), dann stellen sich 
unter der Last des Kumpfes Verbiegungen der Knochen ein. 

Die schädigende Einwirkung besteht in Entkalkung: die Knoc-henzelk 
selbst verliert aber nicht die Fähigkeit, den Kalk zu fixieren. Darin liegt der Unter¬ 
schied gegenüber der menschlichen Osteomalacie. Während der Abbau zeit steift 
der Gehalt des Blutes an Kalk enorm. Peltesohn - Berlin. 

Ascoli und Legnani, Die Folgen der Exstirpation der Hypophyse. Münch, 
med. Wochenschr. 1912, Nr. 10. 

Verfasser berichten über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen an ganz 
jungen Hunden. Nach der Exstirpation der Hypophyse kam es zur Aus¬ 
bildung folgenden Syptomenkomplexes: 1. Das Wachstum der Tiere erfährt eine 
plötzliche vollständige Hemmung. 2. Die Ossifikation wie die Dentition sind ver¬ 
zögert; die Knochen sind in ihrer Ernährung gestört. 3. Es treten Ernährum:s- 
störungen ein, meistens Fettsucht, mitunter fortschreitende Unterernährung. 

4. Die Entfernung der Hypophyse hemmt die geschlechtliche Reife und veranlaß 

5. tiefgehende Veränderungen in der Gruppe den* endokrinen Drüsen. Besonders 
Milz, Thymusdrüse, Schilddrii.sc und Nebennieren zeigten sich verändert. 

S c h a r f f - Flensburg. 

H e c g e r. Künstliche Steigerung des Knochenwachstums zu therapeutischer. 
Zwecken. Biss. Greifswald 1912. 

Ausgehend von dem Gedanken, daß es für die Zwecke der Orthopädie scheu 
allein von großer Tragweite wäre, wenn es gelänge, einen durch irgendwelche 
Ursache zu kurz gebliebenen Extremitätenknoohen durch künstliche Reizung za 
verstärktem Wachstum anzuregen und dadurch die Symmetrie mit dem gleich¬ 
namigen Knochen der anderen Seite zu erreichen, hat Heeg er auf Ver¬ 
anlassung von Payr verschiedene Versuche vorgenommen, um die Fim\irkuui T 
chemischer Substanzen auf das Knochen wachst um zu erproben. Er glaubte 1 
annehmen zu müssen, daß jene Substanzen, die das physiologische Wachstum der 
Knochen bedingen und zum Aufbau der Kneehenmasse notwendig sind, kiin>th‘ h 
eingeführt, den lebhaftesten Reiz bedingen würden. In den meisten Fällen seiner 
Versuche fand eine Zunahme des Längenwachstums statt, und zwar übte Fluor¬ 
calcium auf dasselbe den größten Reiz aus. denn es konnten an den Röhrenkn» ch< r 
Verlängerungen, die mit. Fluorealeium erzielt wurden, bis zu 5 mm in 3 1 2 —8 Mi ¬ 
nuten erzielt werden. Ob diese erzielten Verlängerungen stationär bleiben, müssen 
weitere Versuche ergehen, ebenso inwieweit Erwachsene darauf reagieren und mit 
welchen Dosen operiert werden muß. Das geht aber jedenfalls aus den Versuchen 
nach des Verfassers Ansicht sicher hervor, daß wir in den chemistdien Sub¬ 
stanzen, die normalerweise schon beim Aufbau der Knochen beteiligt sind, ein 
vorzügliches Mittel besitzen, eine künstliche Steigerung des KnoelieiiwaehstiniJ' 
herheizuführen. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

(' n r t i 11 e t, Quatrc eas d exostoses osteogeniques multiples, heredituires et 
familiales. Du röle probable des toxiinfcctions dans la produetion des exo¬ 
st oses osteogeniques. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 3, p. 193. 

C u r t i 1 1 e t besehreiht 4 Fälle von multiplen Exostosen in einer Familie. 
Sie bet reifen eine Mut ter und ihre drei Kinder. In allen 4 Fällen ist das Krank- 


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. Hefe rate. 


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heitsbild absolut typisch, ebenso wie die Lokalisation der Exostosen. Diese finden 
sich auch in den beschriebenen Fällen an denjenigen Diaphysenenden, welche den 
Epiphysenknorpeln mit starkem Wachstum entsprechen. Die Entstehung der 
Exostosen fällt in die Zeit des Wachstums und hört mit Beendigung desselben auf. 
Im Gefolge von Wachstumsstörungen kommt es zu den üblichen Deformitäten. 

Einige bemerkenswerte Punkte werden von Curtillet genauer erörtert. 
So ergab die Untersuchung, daß die die größten und meisten Exostosen auf- 
weisenden Knochen nicht die am stärksten verkürzten waren. An manchen 
Stellen betraf die Exostosenbildung nicht nur die Wachstumszonen; es dehnte 
sich vielmehr die Erkrankung auch auf die subperiostal gelegene Knochenschichto 
aus und führte zu einer diffusen Hyperostose. 

Was die Aetiologie der Exostosen in den vorliegenden Fällen anbetrifft, 
so neigt der Verfasser der Ansicht zu, daß toxisch-infektiöse Prozesse mit im 
Spiel sind. Die Mutter hatte zweifellos Tuberkulose der Lungen durchgemacht. 
Bei einem Sohn stellte sich nach Typhus im 13. Jahre und Masern im 16. Jahre 
eine deutliche Zunahme der Exostosen ein. Eine 15 1 2 jährige Tochter machte mit 
13 Jahren eine fieberhafte Erkrankung durch, derentwegen sie einen Monat bett¬ 
lägerig war. Während dieser Zeit wuchsen die Exostosen ,,zusehends“. Ebenso 
wie in dem vorhergehenden Falle ging die stärkere Exostosen Bildung stets mit 
großen Schmerzen einher. Da endlich noch der erstgenannte Sohn jetzt Zeichen 
einer Coxitis auf weist, so wird der infektiöse Charakter der Exostosen noch wahr¬ 
scheinlicher. Curtillet nimmt also an, daß verschiedene Infektionen, vor¬ 
nehmlich allerdings die Tuberkulose eine Alteration der Knochenbildung liervor- 
rufen können, die eine Disposition zur Exostosenbildung bei der Deszendenz ab- 
zugeben imstande ist. P e 1 t e s o h n - Berlin. 

Sour (1 a t, Cornplications rares des cxostoses osteogeniques. Arch. provinc. 
de chir. 1612, Nr. 3, p. 168. 

Bericht über 2 Fälle von kartilaginären Exostosen bei einem 18- und einem 
IO 1 Jährigen Patienten, bei welchen eigenartige Komplikationen eintraten. Im 
ersten Falle bekam der Patient ziemlich plötzlich im Bereich einer an der Außen¬ 
seite des proximalen Tibiaendes gelegenen Exostose Schmerzen und Schwellung, 
wie sie gelegentlich bei Entzündung des Sehleimbeutels über einer Exostosis 
bursata gesehen werden. Bei der Operation zeigte sich, daß die Arteria peronea 
kurz nach ihrem Abgang von der Tibialis postica in ganzer Zirkumferenz ulze- 
riert war, und daß sich hier ein großes, mit Konkrementen gefülltes Hämatom 
gebildet hatte. Die Arterie wurde unterbunden; eine Gefäßmdit war wogen der 
Zorreißlichkeit der Wände nicht möglich. Heilung. -- Im zweiten Fall ähnliche 
Erscheinungen wie beim ersten am unteren Femurende, nach Schlag gegen diese 
Stelle. Die Autopsia in vivo ergab, daß (‘ine am distalen medialen Femurende 
gestielt aufsitzende Exostose abgebrochen war und die Schmerzen verursacht 
hatte. Exstirpation der nur noch durch Bindegewebe mit dem Knochen ver¬ 
bundenen Exostose. P e 1 t e s o li n - Berlin. 

C a 1 a m i d a, Tumori dolle ossa. Archivio di ortopedia A. XXYI1T, Xr. 2, 3, 4. 

Da sich bei dem gegenwärtigen Stand keine Einteilung der Tumoren auf 
Grund ihrer Aetiologie gehen lässt, da diese bei allen Tumoren überhaupt und bei 


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denen der Knochen im besonderen noch nicht bekannt ist, stellt Verfasser eine 
gemischte Klassifikation auf, zu der er sich sowohl die morphologischen und bio¬ 
genetischen wie die Beobachtungen der Klinik zunutze macht. Diese Klassi¬ 
fikation bietet wenigstens die Möglichkeit, mit verhältnismäßiger ►Sicherheit 
die Abkunft der Elemente eines gegebenen Tumors, seine Natur und seine wich¬ 
tigsten klinischen Eigenschaften festzulegen. Auf die allgemeine Besprechen; 
der Tumoren der Knochen folgt dann ein persönlicher Beitrag an statistischer 
Daten und klinischen Beobachtungen. Beigegeben sind der Arbeit verschieden* 
Tafeln mit Radiographien, makroskopischen und mikroskopischen Figuren der 
vom Verfasser studierten Geschwülste der Knochen. 

Ros. Buccheri* Palermo. 

Korntheuer, Zwei Fälle von Osteosarkom auf traumatischer Basis. I>i-v 
München 1911. 

Wenn auch nach des Verfassers Ansicht im letzten Jahrzehnt die Literatur 
über die Frage der traumatischen Entstehung von Sarkomen einen gewaltig 
Umfang angenommen hat, so ist trotzdem das Problem, ob ein Sarkom aus n-in 
traumatischer L T rsache entstehen kann, noch lange nicht geklärt, und wir sind 
von einer einwandfrei feststehenden Kenntnis der Ursachen noch weit entfernt. 
Korntheuer läßt in seiner Arbeit die Vertreter der einzelnen Anschauungen 
nach Möglichkeit selbst zu Wort kommen, um so ein klares Bild von dein 
derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Polemik zu geben, und berichtet dann 
über 2 Fälle von Osteosarkom auf traumatischer Basis aus der chirurgischen 
Poliklinik von Klau ßner, um am Schluß der Arbeit dann noch einige Be¬ 
merkungen statistischer Art anzureihen. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

N. J. B a s c h k i r z e w und N. N. Petro w, Beiträge zur freien Knochenüb r 
Pflanzung. Zeitschr. f. Chir. Bd. 113, Heft 5—6, S. 490. 

Auf Grund von Versuchen an Kaninchen und einer klinischen Beobachtung 
kommen B a s c h k i r z e w und P e t r o w zu folgenden Resultaten: 

Bei freier Knochentransplantation geht die große Mehrzahl der Knochen 
körperchen bald zugrunde, einige von ihnen, welche lebenskräftiger sind oder in 
besonders günstige Ernährungsverhältnisse gelangen, können sehr lange am Lehen 
bleiben, bis sie endlich dem natürlichen Erschöpfungstode erliegen. 

Das Mit überpflanzen von Periost und Knochenmark ist für die Regeneration 
von in ein Muskellager transplantierten Knochen nicht unbedingt notwendig 
da die Regeneration auch ohne diese Teile in weiten Grenzen vor sieh gehen kann. 
Selbst ein größeres periostberaubtes und in ein periostloses Muskellager über¬ 
tragenes Knochenstück verfällt keineswegs mit Notwendigkeit der Resorption; 
vielmehr kann es einheilen und durch neues Knochengew r ebe ersetzt werden. 

Autoplastisch entnommene Knochenstücke sind in bezug auf die Regeneration 
den honioplastischen weit überlegen; die destruktiven Vorgänge treten bei ihnen 
viel w eniger, der Ersatz tritt viel stärker und vollständiger zutage. Als Hauptqneile 
der Regeneration hei Knnchenüberpfianzungcn in ein Muskellager kommen junge 
bindegewebige Elemente in Frage, welche die Knochen umwachsen, in alle Mark* 
und Gefäßräume und Kanälchen eindringen und zu Osteoblasten und Knochen* 
zellen metaplasieren. Das mit überpflanzte Periost lind Endost unterliegen 


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teilweise der Nekrose; der Ueberrest mag regenerationsfähig sein und auch neuen 
Knochen produzieren, allein die Dauerhaftigkeit dieser Produktion ist fraglich, 
und ihre Abgrenzung von derjenigen, welche von dem Bindegewebe geliefert wird, 
ist oft nicht möglich. Deshalb soll keineswegs die praktische Ueberlegenheit 
der periostbedeckten Transplantation angezweifelt werden; die Rolle des mit- 
iiherpflanzten Pericsts ist zwar noch nicht ganz aufgeklärt, dennoch unverkennbar 
nützlich. Das schnellere Verkleben und Verwachsen des Transplantats mit dem 
Mutterboden, die Verhinderung einer allzu schnellen Resorption, der erste Anstoß 
zur Knochenneubildung sind so viel günstige Bedingungen, welche die übertragene 
Knochenhaut mit sich bringt. 

Abgetötet überpflanzte, in ein Muskellager eingeheilte Knochen geben 
in der Regel während sehr langer Zeit gar keine Veranlassung zur Knochenneu¬ 
bildung. Zu m Grundgesetzederfreien Osteoplastik erhebt 
sich demnach das Prinzip der Transplantation von art¬ 
gleichem lebendem Knochen. 

Die Reaktion der Bindesubstanz des Mutterbodens auf überpflanzten 
Knochen ist sehr verschieden, je nachdem individuell eigener oder arteigener, 
periostbedeckter oder periostloser, lebender oder toter Knochen verwendet wird. 
Hier sind jedesmal feinere, auf chemischer Affinität beruhende Wechselwirkungen 
im Spiele, deren Wesen noch dunkel ist. Joachimsthal. 

Impallomeni, Sul trapianto delle articolazioni. Archivio di ortopedia A. 
XXVIII, fase. 3—4. 

Ausgehend von den Mitteilungen Lexers hat Verfasser 33 Tiere (15 
Kaninchen, 18 Hühner) operiert. Die gewählten Gelenke waren das Kniegelenk 
bei den Kaninchen, das Kniegelenk und das Tibiometatarsalgelenk bei den 
Hühnern. Zweck der Arbeit ist die Festlegung der Indikationen der Transplan¬ 
tation bei freien Gelenkeinpflanzungen sowie die Frage nach dem Bezug des Ein- 
pfianzungsmaterials. Für später behält er sich dabei die Röntgen- und histo¬ 
logische Untersuchung der cingepfianzten Teile vor. 

Die vorliegenden Versuche beweisen, daß dem Tiere 12 Stunden nach dem 
Tode entnommene und nach kurzer Einlegung in physiologische Kochsalzlösung 
sofort in ein Tier der gleichen Spezies eingepflanzte ganze Gelenke leicht ein- 
licilen, wie wenn es sich um frische dem Lebenden entnommene Stücke handelte. 

Ros. Buccheri - Palermo. 

G. Schöne, Die heteroplastisehe und homöoplastische Transplantation. Eigene 
Untersuchungen und vergleichende Studien. Berlin. Julius Springer 1912. 

Die Arbeit Schönes, der teils früher veröffentlichte, teils sonst noch 
nicht publizierte eigene Untersuchungen zur Grundlage seiner Ausführungen 
macht, bringt nicht nur dem Mediziner, sondern sicher auch dem Zoologen und 
Botaniker viele Einzelheiten, die für jeden von ihnen von Interesse sind, vor 
allem schon dadurch, weil stets die Beziehung zu den Nachbargebieten klar 
zutage tritt. 

Im ersten Kapitel wird geprüft, wie weit das (.Jesetz der Polarität, das bei 
niederen Pflanzen sich nicht mit derselben Deutlichkeit wie bei höheren erkennen 
läßt, beim Menschen und bei höheren Tieren bei Transplantationsversuchen zu 
berücksichtigen ist. Auf jeden Fall, wenn sieh auch die Begriffe der Polarität 


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bei Tieren und Pflanzen nicht ganz decken, steht doch soviel fest, daß das Gesetz 
der Kopf-Schwanz-Polarität bei der Transplantation der Haut höherer Säup tivr 
und wohl auch des Menschen sich nicht störend bemerkbar macht. 

Die heteroplastische Transplantation, deren Spielraum im Pflanzenreich 
relativ weit ist, hat im Tierreich nur beschränkte Anwendungsmöglichkeit. fVi 
Amphibienlarven gelang Born die Vereinigung verschiedener Spezies der Gattuic 
Kana fast ebenso leicht wie die von zwei Larven derselben Art. Aus diesen und 
ähnlich angeordneten Versuchen geht hervor, daß die embryonale Transplantat; c. 
eine gewisse Ueberlegenheit zeigt über die von erwachsenen Geweben. Das Mi߬ 
lingen artfremder Transplantationen, speziell bei höheren Tieren, führt Schöne 
auf das Versagen der „Ernährung im weitesten Sinne“ zurück. Er verspricht 
sich von dem Gewebsaustausch zwischen Tieren, die miteinander bastaniienn. 
wie Pferd-Esel, Maus-Ratte usw., eine weitere Klärung dieser zum Teil noch recht 
dunklen Frage. 

Auf dem Gebiete der Homöoplastik stützt sich Schöne fast ganz auf 
eigene Versuche, die er mit der Haut von Mäusen und Fröschen ausführte. Auch 
hier wieder besteht eine deutliche Ueberlegenheit der embryonalen Transplantation; 
auch nahe Blutsverwandtschaft hat sich nicht nur für den Fall der Hauttrans¬ 
plantation, sondern auch für die Transplantation anderer Gewebe als günstige 
Vorbedingung ergeben. 

In einem besonderen Kapitel wird dann noch die gegenseitige Beeinthi»un2 
von Transplantat und Wirt besprochen. V a 1 e n t i n - Berlin. 

E. L e x e r. Die Verwertung der freien Sehnentransplantation. Areh. f. klin. Ghir. 
Bd. «8, Heft 3, S. 8IS. 

Für die Verwendbarkeit der freien Sehnentransplantation kommt nach 
L e x e r in erster Stelle die Einheilung unter Ruhigstellung zum Ersatz wichtig 
und kräftiger Bänder in Betracht. So hat Lcxer bei einer schweren Kaps»l- 
zerreißung an der Innenseite des Kniegelenks nach der Naht der ausgedehnten 
Kapselwunde zum Ersatz der zerfetzten Seitenbänder ein breites, 10 cm lange?* 
der Kectussehne entnommenes Stück vom Condylus internus femoris bis zur 
Tibiacpiphvse aufgenäht. In ähnlicher Weise ist einige Male bei alten Luxation** 
frakturen d(‘r Malleolen das Ligamentum deltoides mit sehr gutem Erfolge ersetzt 
oder verstärkt worden. Die Befestigung am Knochen muß in solchen Falhn 
sehr sorgfältig gemacht werden, um eine innige Verwachsung zu ermöglichen. 
Schien die Naht Vereinigung mit dem Periost zu unsicher, so hat Lexer dä*<*' 
lappenförmig abgelöst und den Sehnenstumpf in eine mit dem Meißel gescharten«: 
Mulde mit einem U-Nagel befestigt und darüber den Periostlappen vernäht. Kim 1 
ganz besondere Aufgabe fiel dem transplantierten Sehnenstücke in einem Falle zu 
wo es als neues Rctinuculuin die luxierten Sehnen in ihrem Lager halten sollte, 
ohne aber mit ihnen zu verwachsen. Lexer hat am hinteren Rande oh 
K nöchels eine Mulde ausgemeißelt und die hier hineingelegten Sehnen mit einer 
aus der Baimarissehne geschallenen Schleife festgehalten, deren Enden durch 
ein Bohrloch im Knochen an diesem befestigt wurden. 

Das größte Interesse verdient die freie Sehnenplastik, wo sie zur Ucber 
tragung von Muskclfunktione» oder an Stelle neuer Sehnen dienen oder d<~ 
Defekt frei hin und her gleitender Sehnen ausfidlen soll. Die Vorbedingung n 


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sind hier neben der tadellosen Einheilung die feste Vereinigung mit den Ansatz- 
lind Endpunkten bzw. mit den Sehnenstümpfen und das Ausbleiben von Ver¬ 
wachsungen mit der Umgebung. Die Aufgabe ist groß, aber je nach Lage der 
Verhältnisse in verschiedenem Maße erreichbar und zwar 1. durch genaue feste 
Sehnennaht, 2. durch sehr frühe Bewegungen, schon vom 6. Tage ab, nachdem 
die Wundheilung ohne Feststellung des Gliedes vonstatten gegangen ist, 3. durch 
die Art der Einpflanzung, so daß das Sehnenstück nirgends mit der Hautwunde 
oder Naht in Berührung ist, 4. durch eine richtige längerdauernde Nachbehand¬ 
lung mit Uebungcn. 

Das Anwendungsgebiet betrifft zunächst Lähmungen an den Gliedern. 
Hier lassen sich Muskelfunktionen in gewissem Grade auf bestimmte Stellen des 
Knochengerüstes übertragen, wenn man diese mit wirksamen Muskeln oder ihren 
Sehnen durch freie Sehnenstücke verbindet. Ein wirksamer Muskel bekommt 
so zur Uebertragung von Spannungen und Zug einen Nebenarm, wodurch sich 
die gewöhnlichen Verfahren der Sehnenverlagerungen in schwierigen Fällen 
unterstützen und ergänzen lassen. So wurde bei einem paralytischen Hackenfuße 
in leichter Beugestellung des Kniegelenks mit Hilfe von zwei langen Sehnen (und 
zwar hier von einem frisch amputierten Beine) eine Verbindung zwischen dem M. 
bieeps femoris und der Achillessehne durch den Gastrocnemius hierdurch her- 
gestellt. Einheilung und Erfolge waren gut. In einem anderen Falle, wo die 
Strecksehne der großen Zehe zum Ersätze der gelähmten Supinatoren verwendet 
und eine störende Beugekontraktur der großen Zehe eingetreten war, erhielt diese 
mit Erfolg einen neuen Strecker durch Einlagerung einer Palmaris-longus-Sehne, 
welche den peripheren Sehnenstumpf mit dem entsprechenden Muskel verband, 
ln diesen, wie in allen Fällen wurden die Weich teile, Bänder oder auch Muskel - 
bäuche von einigen kleinen Schnitten aus tunnelliert und die Sehnen mittels einer 
feinen Oersonde hindurchgezogen. 

Den Ersatz von Sehnendefekten versuchte L c x e r durch freie Einpflanzung 
bei ischämischen Kontrakturen der Hand und der Finger, nach operativen frischen 
Defekten z. B. nach Geschwulstexzisionen und nach Sehnenscheidenphlegmonen. 
Das Bett für die einzupflanzende Sehne muß unter allen Umständen von kleinen 
Schnitten subkutan bereitet werden. J oachimstha 1. 

D. P upovac, Zur Verwendung ungestielter Lappen aus der Faseia lata bei der 
Mobilisierung ankvlosierter Gelenke. Wiener klin. Wochenschr. 1912. Nr. 14. 

In einem Falle von knöcherner Ankylose des Ellbogengelenks bei einer 
18jährigen Patientin, die außerdem noch partielle Versteifungen beider Fuß-, 
Schulter- und Kniegelenke hatte, nahm Verfasser die operative Ankylosierung vor. 
Die Ankylose im Winkel von 130° behinderte bei der außerdem bestehenden An¬ 
kylose des Radiokarpalgelenkes die Beugungsfähigkeit der Hand sehr; der Vorder¬ 
arm befand sich in Mittelstellung zwischen Pro- und Supination fixiert, die das 
Gelenk beherrschenden Muskeln waren hochgradig atrophiert. 

In Narkose und unter Esmarchseher Blutleere wurde das linke Ellbogen- 
gelenk durchmeißelt und durch forcierte Flexion die Ankylose gelost. Es wurde 
mit dem Knochenmesser eine Trochlea und Fossa sigmoidea zurechtgeschnitten 
und dann das Humerusende mit einem aus der Faseia lata ausgeschnittenen 
Stücke von etwa (i cm Länge und 3 cm Breite überkleidet, das mit Katgutnähten 


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durch Bohrlöcher im Knochen fixiert wurde; vollständige Naht, Verband ohne 
Schiene in etwas spitzwinkliger Stellung. Heilung per primam, nach etwa 12 Tagen 
Beginn der Nachbehandlung mit aktiven und passiven Bewegungen, Faradisation 
Massage. Es resultierte nach 6 Wochen eine schmerzlose Beweglichkeit von .50 3 , 
Beugung bis 80°, Streckung bis 130°. 

Verfasser ist der Ansicht, daß die Kirchner sehe Methode der Trans¬ 
plantation von Stücken der Fascia lata wärmstens zu empfehlen ist. Die Meth< de 
von Payr, der die Exstirpation der Kapsel ausführt, war bei der allgemeinen 
Muskelatrophie und Schrumpfung in diesem Falle gew'iß nicht indiziert. 

H a u d e k - Wien. 

K ü t t n e r, Gelenktransplantation aus dem Affen. (Breslauer chirurg. Gesellseh., 
11. Dezember 1911.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 7. 

Das Material ist unschwer zu beschaffen, und die außerordentliche AeLn* 
lichkeit der Knochenform erleichtert die Ueberpflanzung, besonders im jugendlichen 
Alter. Es wird aus dem lebenden Affen kurz vor dem Gebrauch entnommen, dann 
wird das Tier in der fortgesetzten Narkose getötet und durch die sofort angeschlossene 
Sektion auf seine vollkommene Gesundheit geprüft. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Marie Lawrowa, Experimentelle und klinische Untersuchungen über die 
Almateinknochenplombe. Arch. f. klin. Chir. Bd. 97, Heft 4, S. 928. 

Nach der Empfehlung von Werndorff hat Lawrowa bei einer 
49jährigen Patientin mit chronischer Osteomyelitis der rechten Tibia eüie Knochen- 
plombe mit Almatein (Cetacei, Ol. sesam. 30,0, Almatein. 15,0) verwendet. Am 
7. Tage war die W T unde primär verheilt. Unter der Haut sammelte sich weiterhin 
etwas Flüssigkeit an, welche wiederholt durch Punktion entleert werden mußte. 
Der Inhalt der Punktionsspritze erwies sich dabei von dunkelroter Farbe und 
machte den Eindruck einer serösen mit Almatein gefärbten Flüssigkeit. Letztere 
war steril. Der Harn enthielt nichts Abnormes. Im Allgemeinzustand machte 
sieh eine Nervosität und Reizbarkeit bemerkbar, die auch später nicht verschwand. 
Ein Jahr nach der Operation konnte die Patientin vollkommen freu gehen. Per 
plombierte Knochen war schmerzlos, die Haut über demselben hatte eine inuig**- 
blaue Farbe angenommen. 

Da das m diesem Falle erzielte Resultat befriedigte, hat Lawrowa die 
Almateinplombe noch in 2 weiteren Fällen angewandt und ihr dabei noch 
5 Proz. Kieselgur zugefügt mit der Absicht, durch diese rein mechanische Reizung 
die Ausfüllung der Knochenhöhle mit jungem wachsenden Gewebe zu beschleunigen. 
In beiden Fällen waren die Erfolge weniger befriedigend; denn es bildete sieh eine 
Fistelöffnung, durch welche die Plombe ausgestoßen wurde. 

Um die histologischen Veränderungen zu studieren, welche in den mit 
Almatein plombierten Knochen zustande kommen, hat Lawrowa Versuche 
an Kaninchen angestellt. Bei einzelnen Tieren w r urde die Tibia mit Jodoform, 
bei anderen mit Almatein plombiert. Alle Wunden heilten per primain. Die plom¬ 
bierten Knochen w urden zu verschiedenen Terminen (nach 2 Wochen bis 4 Monaten i 
herauspräpariert. Die Geschwindigkeit der Bildung von neuen Knochen erwies 
sich bei Anwendung der beiden Plomben ziemlich gleich. 

Bei der Präparation eines mit Almatein plombierten Knochens fiel eine 
starke Erweiterung der Hautvenen an der operierten Extremität auf; dadurch 


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wurde der Gedanke nahe gelegt, die Wege, auf denen das Almatein ausgeschieden 
wird, w eit erzu verfolgen. An den Harnkanälchen der Niere war nichts besonderes 
zu sehen, an den Gefäßen aber zeigte sich eine so hochgradige Erweiterung, daß 
das ganze Gefäßsystem der Niere studiert werden konnte. In den großen Gefäßen 
sah man eine bedeutende Anhäufung einer pulverförmigen Substanz, in den 
kleineren Arterien w'ar letztere nicht vorhanden, die Venen aber erschienen voll¬ 
kommen mit dieser Substanz angefüllt. Die Leber zeigte bei mikroskopischer 
Untersuchung ebenso wie die Niere eine hochgradige Hyperämie; sowohl Zentral¬ 
venen wie Interlobularvenen enthielten hier außer der großen Blutmenge das 
gleiche dunkle Pigment. 

Dieselben Befunde konnten auch bei Kaninchen erhoben werden, denen 
1 1 / 2 und 2 1 / 2 Monate zuvor die Almateinplombenmasse zwischen die Muskeln der 
hinteren Extremität eingeführt werden war. An Querschnitten des Herzens fand 
man Pigment sowohl in beiden Ventrikeln als in den Gefäßen des Herzens selbst. 
Ueberall fand sich in den parenchymatösen Organen der Farbstoff des Almateins, 
der offenbar von den Phagozyten aufgenommen und durch ihre Vermittlung 
in den allgemeinen Kreislauf gebracht wird. Die Ausscheidung des Almateinfarb¬ 
stoffs geht augenscheinlich sehr langsam vor sich. Die große Menge der pulver¬ 
förmigen Substanz, welche im Blut zirkuliert, begünstigt das Zustandekommen 
einer dauernden Stauungshyperämie der Organe; diese aber zieht unvermeidlich 
degenerative Veränderungen des Parenchyms nach sich. Außerdem sind dadurch 
zur Bildung von Thromben mit ihren schweren Folgen günstige Bedingungen 
geschaffen. 

Die Almateinplombe darf daher nach Lawrowa im Gegensatz zur Ansicht 
Werndorffs und trotz der erhaltenen guten örtlichen Resultate nicht ange¬ 
wandt werden. Joachimsthal. 

X. K i m u r a, Zugfestigkeit und Resistenz der Sehnennaht. Zeitschr. f. Chir. 

Bd. 115, Heft 3/4, S. 205. 

K i m u r a hat auf Veranlassung von W i 1 m s die Zugfestigkeit bzw\ Halt¬ 
barkeit der Sehnennaht nach denjenigen Methoden, die bisher publiziert wurden 
und noch jetzt praktisch angewendet werden, vergleichend experimentell geprüft. 

Er nahm das Sehnenmaterial von frischen Leichen und zwar die Beuge¬ 
sehnen des Vorderarms, weil diese Sehnen mehr rund und geeignet für das 
Nähen sind und Gleichartigkeit im Kaliber und in der physiologischen Funktion 
aufweisen. Das lockere Binde- und Fettgewebe wmrde vorsichtig abpräpariert, 
damit nur die eigene Festigkeit der Sehnen in Frage käme und eine Beteiligung 
anderer Gewebe ausgeschlossen würde. Dieses abpräparierte Sehnenmaterial legte 
K i m u r a in physiologische Kochsalzlösung. In der Mitte schnitt er die Sehnen 
quer durch und vereinigte sie wieder durch verschiedene Nähte. Als Nahtmaterial 
wurde nur Seide verwendet. Die beiden Enden der vernähten Sehnen umschlang 
er mit Fäden, packte Watte darauf und klemmte beide andere Enden mit Schieber¬ 
pinzetten ein. Eine Pinzette wurde an einer Stange befestigt und die andere mit 
verschiedenen Gewachten belastet. Um das hängende Material nicht vertrocknen 
zu lassen, w'urde die ganze Sehne mit in Kochsalzlösung getränkter Watte um¬ 
wickelt und diese fortwährend mit physiologischer Kochsalzlösung berieselt. 

Unter diesen Bedingungen machte K i m u r a zwei Reihen von Versuchen: 


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einmal mit allmählich zunehmender Belastung, da« andere Mal mit einer in grüßenn 
Zeitabschnitten zunehmenden bestimmten Dauerbelastung. Bei jedem Versue-i 
nahm die Belastung der Reihe nach zu, bis das Sehnengewebe selbst durch «im 
Zug durchgerissen wurde, ohne dali die Fäden abrissen. Die Festigkeit der an¬ 
gewandten Sehnennaht wurde durch das belastende Gewicht ausgedrückt, wahreni 
als Resistenz der Nähte der Abstand zwischen dem peripheren und dem zentnH 
Schnitt ende bei einem entsprechenden Zug angesehen wurde. 

Die erste Reihe von Versuchen geschah derart, dali die Belastung in:' 
einem Gewicht von 250 bis 1000 g begann und dann hintereinander gesuigr 
wurde bis zum Durchreißen der vernähten Sehne, ohne daß die Xahtfädrn ai- 
gerissen wurden. Bei jeder Belastung hat Kimura den Abstand zwickt 
beiden Sehnenstümpfen genau mit dem Zirkel gemessen. In der zweiten Hop 
von Versuchen begann die Belastung mit 550, 3050 oder 405t> g, je nach der 
Methode, und nahm in Zeiträumen von I bis 40 Stunden zu. Der Abstand ihr 
beiden Sehnenstümpfe wurde jedesmal vor der neuen Belastung gemessen. 

Nach Kimura« Zusammenstellungen geben die besten Resultate io: 
Sinne der Zugfestigkeit die Nähte nach der Fri schnellen Modifikation d-:r 
L a n g e sehen Methode, dann die Nähte von W i 1 m s, Dreyer, Lan g<\ 
S c h ii ß ler, hiernach kommen diejenigen von W ö 1 f 1 e r, T r u k o nid 
H a e g 1 c r. \V as die Widerstandsfähigkeit der Naht gegen Zug betrifft, so komjin-:* 
zuerst die W i l m s sehe Naht, dann S c h ii ß 1 e r, Dreyer und F r i s c h. 

Kimura kommt auf Grund seiner Versuche zu folgendem Schluß: N** 
wohl bei einer temporären Maximalbclastung als auch bei einer Dauerhelastunjc 
der vernähten Sehnen zeigt die F r i s c h sehe Modifikation der L a n g e sehen 
Naht die größte Festigkeit gegen den Zug, während das W i 1 m s sehe Verfahren 
von allen anderen die größte Resistenz hat. Die Auswahl des Nahtmaterials üt 
von größter Wichtigkeit. Wenn eine maximale Zugfestigkeit der Naht verlangt 
wird, so ist es notwendig, hei der Lang e sehen, Frisch sehen und 1) re ver¬ 
sehen Methode wenigstens Lize 3 anzuwenden, während bei den anderen Lizc 2 
oder 1 genügt. J o ach i m s t h a l 

E m i 1 Sch c p o 1 m a n n. Klinische und experimentelle Beiträge zur Sehnen* 
plastik. Zcitschr. f. Ghir. Bd. 115, Heft 5/6, S. 459. 

In Anlehnung an eine von G. Rit t er beschriebene Methode der Sehnen- 
naht mittel« eines Stückes Arterie oderVcnc desselben Individuums hat S c h e pcT 
m a n n schon vor zwei Jahren größere Defekte mit Venenstücken erfolgreich am 
Menschen üherbrückt, und dabei wesentlich bessere Resultate erzielt als bei Wr- 
einigung mit Seidenfäden. Die beiden Stümpfe werden entweder durch einen 
sie verbindenden bogenförmigen Haut lappenschnitt oder, wenn angängig, dnrvli 
zwei kleine Inzisionen frcigclegt und angefrischt. Dann reseziert man aus der 
gleichseitigen Vena saphena magna im S c a r p a sehen Dreieck ein entsprechen!', 
langes Stück Vene, vernäht das eine Ende mit dem proximalen Schncnstuinp-. 
das andere, nachdem man es eventuell mittels Sonde durchzogen hat, mit ckm 
distalen Stumpf und zwar derart, daß die Vene über den Stumpf herübergcfiiD- 
und nun durch zirkuläre Nähte fest mit ihm vereinigt wird. Da die Vene *‘h r 
dehnbar ist, kann das interponierte Stück kürzer sein als der Defekt. Die Nah* 
ist so sicher, daß man sowohl bei Menschen als Tieren am 5. Tage den fixierenden 


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Verband abnehraen und volle Funktion gestatten konnte, ja Schepelmann 
unterstützte die Bewegungsübungen der Patienten mit kräftigem Faradisieren 
der entsprechenden Muskeln, die in allen Fällen bei langer Untätigkeit oft stark 
atrophiert sind. Die kurze Immobilisierung verhütet eine Verwachsung mit der 
Nachbarschaft, ebenso wie den Mangel von Wundflächen an der Peripherie der Vene. 

Neuerdings verfolgte Schepelmann im Tierexperiment, und zwar bei 
Kaninchen an der Sehne des Tibialis posticus, von welcher er ein Stück entfernte 
und durch ein entsprechendes Stück aus der Vena saphena oder femoralis ersetzte, 
die allmähliche Umwandlung des Gefäßes in Sehnengewebe. Nach 8 Monaten 
hat man es mit einem sehnenartigen Gewebe zu tun, das sich mikroskopisch aus 
durchweg längsgeordnetem fibrillären Bindegewebe mit zahlreichen dichten 
Bündeln von Sehnenfasern zusammensetzt. J oachimsthal. 

Camera, Sulla tubercolosi pseudoneoplastica deile guaine tendinee. (La Clinica 
chirurgica 1912, Nr. 2.) 

An der Hand von drei klinischen Fällen, darunter einem eigenen, bespricht 
Verfasser die pseudoneoplastische Tuberkulose der Sehnenscheiden und entwirft 
ein Bild dieser Krankheitsform, welche in den die Pathologie der Sehnenscheiden 
betreffenden Kapiteln noch keine genügende Berücksichtigung gefunden hat, 
da ihre Symptomatologie, ihre pathologisch-anatomischen Eigenschaften, Ver¬ 
lauf und Prognose von denjenigen der anderen Tuberkulosearten durchaus ver¬ 
schieden sind. Ros. Buccheri - Palermo. 

Robin, Retard de la consolidation d’unc fracture chez un phthisique. Traitement 
fond6 sur F6tude des troubles survenus dann les öchanges. Comptes rendus 
de Tacad^mie 1912, Nr. 17, p. 1168. 

Die gewöhnlichen Frakturen und die Spontanbrüche bei Phthisikern zeigen 
oft mangelhafte Konsolidationstendenz infolge von Störungen des Stoffwechsels. In 
einem Fall von Fractura fcmoris bei einem Phthisiker war nach 38 Tagen bei Gips¬ 
verbandbehandlung keine Konsolidation eingetreten, trotzdem klinisch und 
radiologisch ein mächtiger Gallus vorhanden war. Die beiden Fragmentenden 
waren durch eine helle, offenbar kalkarme Zone getrennt. Stoffwechselunter¬ 
suchungen ergaben starke Demineralisation, mangelhafte Lebertätigkeit, Ver¬ 
minderung des Hämoglobins im Blut. Unter Darreichung von Malz, Neutrali¬ 
sation des Magensaftes, Strychnin, Phosphor, Kalk, Eisen usw. verschwand 
innerhalb von 2 Monaten der Gallus luxurians und trat Konsolidation ein. Früh¬ 
zeitige Unterstützung des Organismus durch Heilung der Stoffwechselstörungen 
bei Phthisikern wird in manchen Fällen indiziert sein. P e 11 e s o h n - Berlin. 

Charles W. C a t h c a r t, The treatment of simple fractures. Edinburgh 
medical journal, April 1912. 

Cathcart bespricht seine Erfahrungen und den Wert der drei Methoden 
der Frakturbehandlung, Immobilisation, Massage und frühzeitige Bewegung 
und Operation. Er ist ein Anhänger der beiden ersten — konservativen Arten 
der Therapie. Die sofortige Operation ist die Methode der Wahl nur bei Quer¬ 
frakturen der Patella, Gelenkfrakturen, bei denen die Fragmente ein mechanisches 
Bewegungshindernis sind, in Fällen, in denen wichtige Muskelansätze abgerissen 
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sind, bei Nerven- und Weichteilzwischenlagerung, endlich wenn eine winklige 
oder axiale Verschiebung unblutig nicht eingerichtet werden kann, besonders an 
der unteren Extremität. F, Wohlauer - Charlottenburg. 

Paul Jottkowitz, Das funktionelle Moment in der Frakturenbehandlum:. 
Med. Klinik 1912, Nr. 19. 

Verfasser führt an der Hand einiger besonders wichtiger FraktUrformen 
aus, welche Behandlungsweisen sich ihm in langjähriger Tätigkeit bewährt haben, 
und sucht zu zeigen, wie es mit verhältnismäßig einfachen Hilfsmitteln mögli.L 
ist, befriedigende Resultate zu erzielen, wenn man sich nur stets von dem funkti- - 
nellen Bestreben leiten läßt. Bei den Fingerfrakturen geht Verfasser einen ciirem-ii 
Weg, indem er bei ihnen den Faustschlußverband, der ihm auch bei Phleg¬ 
monen gute Dienste geleistet hat, in halber Beugestellung der Finger macht. IC: 
Oberschenkelfrakturen bevorzugt Jottkowitz das Zuppingersche Verfahren. 

Bibergeil- Berlin. 

S a 1 a g h i, Avvertenze pratiche per la cura di alcune delle piü frequenti fratture 
traumatiche. Rivista critica di Clinica medica A. XII, Nr. 47. 

Vor allem muß das Augenmerk des Chirurgen auf die Güte des funktionell* n 
Resultates gerichtet sein, während ein durch die Konsolidierung der Fraktur 
unter leichter Verschiebung gegebener kosmetischer Defekt ein geringer zu Hin 
pflegt und sich im Laufe der Zeit immer mehr abschwächt. Verfasser möchte, 
daß die Prophylaxe der post traumatischen Deformitäten oder besser die ganze 
Behandlung der Frakturen und Luxationen der Orthopädie übeilas-en blicle. 
Er ist gegen eine allgemeine Anwendung der Naht bei den Frakturen, weil sie du 
Callusbildung verzögert, während der übermäßige Erguß ebenfalls deren gutem 
Verlauf schadet. Wichtig ist die exakte Reposition der Fragmente. In den hart¬ 
näckigsten Fällen verzögerter Callusbildung empfiehlt Salaghi die Bierx:he 
►Stauung. Bei den artikularen und paraartikulären Frakturen ist er nicht für früh¬ 
zeitige passive Bewegungen. Eine ausgedehntere Anwendung bei der Behandlung 
der Frakturen wünscht er der Extension, speziell bei den Frakturen des Femur. 
Zum Schluß gibt der Verfasser besondere Regeln für die einzelnen Frakturen. 

Ros. Bucchcri- Palermo. 

C h arl c s .J a m e s M o r t o », The X-rav prognosis of fract-ures. Proceedir.g.- 8 
of the Royal society of medicine, Vol. V, Xr. 4, Februar 1912, Electro- 
therapoutical section, p. 57 ff. 

Morton spricht über Diagnose, Prognose und Therapie der Frakturen 
in besonderem Hinblick auf das Röntgen verfahren. Die schlechtesten Aussichten 
bieten die winkligen Abkniekungen, sie hinterlassen dauernde Störungen, ebenso 
bedenklich ist das Mitbefallensein der Gelenke, Eine Reihe von Störungen wird 
durch eine trophische rarelizicrcnde Ostitis hervorgerufen, auf die selten geachtet 
wird; sie findet sieh besonders nach Nagelungen und ähnlichen Maßnahmen. 
Nach Morton s Erfahrungen hat die Extensionsbehandlung keinen Wert, um 
Verschiebungen in der Längsrichtung auszugleichen, Redner empfiehlt in den 
Fällen, in denen die unblutigen Einrichtungsmanöver erfolglos sind, die Operation, 
jedoch widerrät er dringend, die Knochenenden nach der Reposition zu nageln, 
zu nähen oder durch sonstige Maßnahmen miteinander zu vereinigen, sondern 
nur einen Gipsverband anzulegen. 


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Von besonderer Bedeutung sei die Stereoröntgenographie für die Beurteilung 
der Frakturen auch hinsichtlich der Prognose, ein Standpunkt, der von einer 
großen Anzahl von Diskussionsrednern geteilt wird. 

F. Wohlauer- Charlotten bürg, 

Greiffenhagen, Zur operativen Behandlung deform geheilter Frakturen 
und Pseudarthrosen. Petersburger med. Zeitschr. 1912, Nr. 10. 

Auf Grund von 45 Fällen von Knochennähten, von denen aber 15 Fälle 
von Patellarnaht als nicht zum Thema gehörig ausscheiden und 18 nicht berück¬ 
sichtigt werden können, weil sie sich auf Kranke beziehen, über die Verfasser 
keine Nachrichten hat erhalten können, kommt Greiffenhagen zum Schluß, 
daß die Naht die technisch einfachste Methode ist, die sich fast überall verwenden 
läßt, dafür aber den Nachteil hat, einen Fremdkörper zu implantieren und in ge¬ 
wissen Fällen eine Verkürzung der Extremität zu involvieren. Die Bolzung ist 
schwieriger auszuführen, gibt aber bei richtiger Ausführung sofort einen besseren 
Halt, regt die Knochenproliferation an und braucht auch bei Vereiterungen nicht 
zu einem Mißerfolge zu führen. Endlich kann die Knochenimplantation dazu 
benutzt werden, durch entsprechende Verlängerung des Bolzens etwaige Ver¬ 
kürzungen auszugleichen. Bibergeil- Berlin. 


Pieri, La cura dolle pseudartrosi. Rivista ospedaliera Vol. II, Nr. 6 , 15. März 1912. 

Der Ursprung der Pseudarthrosen kann kongenitaler, pathologischer und 
traumatischer Natur sein. Letztere sind die häufigsten. Verfasser hält eine Prophy¬ 
laxe zur Verhinderung der traumatischen Pseudarthrosenbildung für durchaus 
möglich. Neben einer absolut korrekten Therapie der Fraktur, wenn nötig durch 
blutigen Eineriff unter äußerster Schonung des Periosts, kommt eine allgemeine 
prophylaktische Therapie in Frage. Zeigt die Untersuchung des Urins einen in 
solchen Fällen häufigen Mangel an Phosphor, so empfiehlt Verfasser die Zufuhr 
dieses für den Körper. Was die Therapie der Psfcudarthrose betrifft, so hält Ver¬ 
fasser die unblutigen Behandlungsmethoden, wie lokale irritierende Injektionen, 
Elektrolyse, Reibung der Fragmente unter Anästhesie, venöse Hyperämie und 
enilich Einspritzung einer Emulsion von periostalem Gewebe zur Erzeugung 
neuen ossären Gewebes, bei wirklicher Pseudarthrcsis für wirkungslos; diese Me¬ 
thoden dienen höchstens zur Beschleunigung einer schon vorhandenen Konsoli¬ 
dierung. Die blutige Methode, d. h. die Resektion, erfordert die Wiederherstellung 
der Kontinuität der Knochen mittels Knochentransplantationen. Die Autoplastik 
steht hier gegenüber der Homoioplastik im Vordergründe. Die Knochentrans¬ 
plantation ist der einfachen Periostüberpflanzung bei weitem vorzuziehen. Die 
Autoplastik kann entweder frei oder gestielt sein; bei letzterem Vorgehen kann es 
sieh um eine kutane oder um eine muskulo-aponeurotisehe Verbindung handeln. 
Verfasser hält letztere für die bessere. Die erfolgreichste Operation ist die von 
Hahn zum ersten Male angegebene Transplantation eines Stücks der Fibula 
auf die Tibia. Bibergeil- Berlin. 

F. Steinmann, Die Nagelextension der Knochenbrüche. Neue Deutsche 
Chirurgie. Herausgegeben von P. v. Bruns. Stuttgart 1912, Ford. Enke. 

Mit dem vorliegenden Buche erscheint als Fortsetzung des allbekannten 
monumentalen Sammelwerks der „Deutschen Chirurgie“ der erste Band der 


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gleichfalls von v. Bruns redigierten „Neuen Deutschen Chirurgie“, die als eine 
fortlaufende zwanglose Sammlung von Monographien über ausgewählte Kapitel 
der modernen Chirurgie publiziert werden soll. Es sollen von berufenen Autoren 
die neuzeitlichen Errungenschaften der Chirurgie, wie die Röntgen lehn*, Lokal¬ 
anästhesie, Lumbalanästhesie, Endoskopie, Unter- und Überdruck verfahren be: 
Thoraxoperationen, Transplantation usf. dargestellt, endlich veraltete Lieferungen 
der Deutschen Chirurgie neu bearbeitet werden. 

Das erste Heft behandelt die Nagelextension der Knochen- 
b r ü c h e, die sich in der kurzen Zeit ihres Bestehens in vielen Kliniken ein¬ 
gebürgert hat und die sich auch in der Hand des praktischen Arztes bewährt zu 
haben scheint. 

Stein mann sucht in der vorliegenden Publikation den Leser mit alkn 
Details der Methode bekannt zu machen und an der Hand guter Abbildungen 
die mit derselben zu erzielenden Erfolge zu zeigen. 

Nach einer Besprechung der Geschichte der Nagelextension wird die Technik 
derselben unter genauer Besprechung der von den verschiedenen Autoren an¬ 
gegebenen Instrumentarien erörtert. Nach Würdigung der Vor- und eventuellen 
Nachteile des Verfahrens wird die Anwendung des Verfahrens bei den verschiedenen 
Frakturen auseinandergesetzt, schließlich die Benutzung der Nagelexten>ion 
außerhalb der Frakturenbehandlung (zur Korrektur von Verkürzungen, bei der 
Behandlung der Luxationen, der Coxa vara, nach Gelenkresektionen usw.) be¬ 
sprochen. 

Das Buch kann demjenigen, der sich über die Nagelextension orientieren 
will, dringend empfohlen werden. J o a c h i in s t h a 1. 

Süssenguth, Wie hat sich die Nagelextension in der Frakturbehanäliinj: 
bewährt? (Vereinigung nord west deutscher Chirurgen, 20. Januar 1912. i 
Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 11. Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 13 

Vortragender bespricht die Erfahrungen, die auf der chirurgischen Ab¬ 
teilung des städtischen Krankenhauses in Altona mit der Nagelextension bei 
11 Oberschenkel- und 9 Unterschenkelbrüchen gemacht wurden. Es wurden sowohl 
die Steinmannsehen Nägel wie auch die Beckerschen Bohrer verwandt, und zwar 
wurde lOmal die Kondylennagelung, 8mal die Perforation des Calcaneus und *2nul 
die der Malleolen ausgeführt. Die Gewichtsbelastung betrug bei Unterschenkel- 
brüchen durchschnittlich 10 kg, bei Oberschenkelbrüchen 10—20 kg; in einigen 
Fällen waren jedoch Gewichte bis zu 30 kg erforderlich. Die Extension wurde 
anfangs in Streckstellung, in der letzten Zeit aber in Semiflexionsstellung der 
Extremität ausgeführt. Die Erfolge waren durchweg gut, sowohl in anatomischer 
wie in funktioneller Hinsicht, in 89 Pruz. aller Fälle fast ideal. Verkürzungen 
von 6—8 cm wurden glatt ausgeglichen. Als Nachteile der Methode wurden de 
Schmerzen, die Lockerung der Nägel und die Infektionsgefahr empfunden. Ent¬ 
gegen anders lautenden Mitteilungen w urde betont, daß nur in 3 Fällen keine An¬ 
gaben über Soli merzen an den Nagelstellen gemacht wurden. Die vorzeitig* 
Lockerung der Extensionsinstrumente wurde durch die Anwendung eines Gegen- 
zugs vermieden. Unangenehme Infektionen an den Nagelstellen traten nicht aut. 
Störungen in der Verheilung der Bohrlöcher oder Fistelbildungen im Knueher. 
kamen nicht zur Beobachtung und lassen sieh auch vermeiden durch Abkürzung 


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der Nagelextensionsperiode, die bei einfachen Frakturen nicht über 3 Wochen 
dauern soll. — Fast sämtliche Diskussionsredner hatten allerdings betreffs der 
Fistelbildung gegensätzliche Erfahrungen gemacht und sind deshalb der Ansicht, 
daß die Nagelextension nur in solchen Fällen angewendet werden soll, wo unsere 
sonstigen Hilfsmittel versagen. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Baldo Rossi, Per la storia della trazione scheletrica. Archivio di ortopedia, 
12. Maggio 1912. 

Rossi untersucht an der Hand der vorliegenden Literatur, ob die Priorität 
Steinmanns hinsichtlich der Nagelextensionsmethode gegenüber Codivilla 
berechtigt ist. Er zeigt an Beispielen aus den Arbeiten Codivilla s, daß die 
Angabe Steinmanns, daß bei der von Codivilla ausgedachten Traktions¬ 
methode die Traktion nicht mittels eines in den Knochen gebohrten Nagels aus¬ 
geführt werde, sondern mit Hilfe des Gipsverbandes erfolge, nicht stimmt, sondern, 
daß es sich stets um einen direkten Zug im Bereich des Skeletts gehandelt hat. 
Codivilla bleibt daher wohl der eigentliche Begründer der Nagelextension. 

Bibergeil- Berlin. 

Michaelis, Zwei Fälle von schwerer Knochenschädigung bei Anwendung der 
Nagelextension nach Steinmann. Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 21. 
Michaelis berichtet über 2 Fälle, bei denen nach Nagelextension 
Fisteln zurückblieben, die auf Eiterungen im Knochen zurückzuführen waren. 
Michaelis warnt davor, die Nägel lange liegen zu lassen, da dadurch leichter 
eine sekundäre Infektion entstehen kann, und empfiehlt, die Nagelextension nur 
für besonders geartete Fälle aufzusparen. Keineswegs soll die Nagelextension 
die Behandlungsmethode für den praktischen Arzt werden, mit Rücksicht auf 
die Infektionsgefahr. S c h a r f f - Flensburg. 

Q u 6 n u et Mathieu, Du traitement des fractures obliques de jambe par 
l’appareil de Lambert modifiö. Soc. de chir. de Paris, 5. April 1911, p. 510. 
Schrägfrakturen des Unterschenkels behandeln die Verfasser mit bestem 
Erfolg mittels eines zu einem Rechteck geschlossenen Nagelextensionssystems. 
Je ein Nagel durchbohrt den Tibiakopf und den Calcaneus von außen nach innen. 
Die beiden Nägel werden jederseits durch eine Stahlschiene vereinigt, die durch 
ein Zahngetriebe verlängert oder verkürzt werden kann. Mißt man die Ent¬ 
fernung der Nagelenden an den Stahlschienen, so kann man leicht erkennen, 
ob die Nägel parallel liegen. Die Reposition der Fragmente wird tadellos erreicht. 
Auf dem Röntgenschirm orientiert man sieh nach der Operation hiervon. Die 
Nageldistension bleibt 20—30 Tage in Tätigkeit. 

In dem Prioritätsstreit über die Nagelextension zwischen C o d i v i 11 a 
und Steinmann stellen sich die Verfasser auf die Seite des ersteren. 

Peltesohn - Berlin. 

Bl u t e 1, Contribution ä l’etude de rcxtcnsion continue. — Xouvcaux appareils. 
Thöse de doctorat. Paris 1911. 

B1 u t e 1 wandte in allen Fällen, wo langdauernde Extension an einer 
Extremität notwendig war, statt der Pflasterstreifen oder der Nagelextension 
folgendes Verfahren an: Nach Rasieren der Extremität werden die zur Extension 
nötigen Streifen aus Leinwand zurecht geschnitten. Sie werden mit Unnaschem 


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Zinkleim an die Extremität angeklebt. Darüber kommt eine weiche Binde, die 
zirkulär die Extremität umgibt. Es wird eine neue Lage von auf die Hälfte ver¬ 
dünntem Zinkleim auf gepinselt und darüber eine Flanell binde gelegt, die spater 
abgewickelt werden kann und dann eine Art wolligen Ueberzugs schafft. Selbst 
größte Belastung wird gut vertragen; der Verband klebt tadellos. Verstärkt man 
den Verband durch Einlegen von zu Schienen zurecht geschnittenem Drahtgeflecht, 
so kann man auf diese Weise auch sehr dauerhafte Kontent iwerbände hersteilen. 
— Die Methode hat sich im Gegensatz zu Pflasterverbänden in Afrika (Tunis) 
bestens bewährt. Bei der hohen Temperatur lösen sich die Pflasterstreifen viel 
zu leicht spontan ab. Peltesohn- Berlin. 

M e 1 c h i o r u. W o 1 f f, Zur Diagnostik von Gelenkerkrankungen vermittels 
Messung der lokalen Hauttemperatur. Münch, med. Wochensehr. 1912, Nr. l'A 

Verfasser haben mit sogenannten Hautquecksilberthermometern MessuupT: 
der Hauttemperatur über erkrankten Gelenken ausgeführt, die zu folgenden Er¬ 
gebnissen führten. Bei tuberkulösen Gelenken, mit Ausnahme der Coxitis und «3er 
Caries sieca der Schulter, fand sich stets Temperaturerhöhung, ebenso hei lueti¬ 
schen Gelenken; dagegen konnte bei chronisch-rheumatisch erkrankten Gelenken 
niemals eine Temperaturerhöhung festgcstellt werden. Die Temperaturerholmia 
fand sich auch bei Frühfällen von Gelenktuberkulose. 

Scharff- Flensburg. 

A. Lef fi (Bologna), I processi riparatori delle capsule articolari nelle lussazioui 
traumatiche. Clinica chirurgica 1912, Nr. 4. 

Verfasser hat am Kaninchen experimentell die Heilungsvorgänge der 
Gelenkkapseln bei den traumatischen Luxationen studiert. 

Als Resultat seiner Untersuchungen kommt er zu folgenden »Schlüssen, 
welche die eigentliche fibröse Kapsel, die Synovialis, die Muskulatur und das 
peiimuskuläre Gewebe der unmittelbaren Nachbarschaft betreffen: 

Eigentliche fibröse Kapsel. — 1. Unmittelbar nach der Zer¬ 
reißung werden die Ränder der Kapselöffnung retrahiert, wobei ein leerer Raum 
verbleibt, der von den benachbarten Geweben ausgefüllt wird. In dem durch die 
Retraktion des Kapselloches entstandenen leeren Raum häuft sich eine enorme 
Menge von Zellen an, welche aus den benachbarten die zerrissene Kapsel um¬ 
gebenden Geweben und in bedeutend geringerer Anzahl aus der die Innenwand 
der Gelenkkapsel auskleidenden Synovialis stammen. 

2. Die zwischen den Rändern des Kapselloches liegenden Zellen strecken 
sich in dem Reparationsgewebe, werden spindelförmig, bekommen einen reche 
deutlichen Kern und nehmen in allem die Eigenschaften reifer Bindegewebszellen 
an. Zuletzt ist das alte Gewebe von dem neuen nur noch dadurch zu unter¬ 
scheiden, daß letzteres zellreiehcr ist und sehr ausgeprägte und regelmäßige Fasor- 
bündel zeigt. 

8 y n o v i a 1 i s. — Zuerst findet sich eine Periode, in der das Gewebe 
der eigentlichen Kapsel ohne scharfe Grenze in das der Synovialis übergeht. Dann 
werden die meisten zellulären Elemente der Serosa durch die Leukozyteninfiltration 
vernichtet und durch fixe Elemente des Bindegewebes ersetzt, welche sich rasch 
vermehren und sieh zum Teil in Zellen mit sämtlichen Eigenschaften der Elemente 


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der Synovialis umwandeln, zum Teil durch Schrumpfung wieder zu runden, spindel¬ 
förmigen Bindegewebszellen werden, wie sie es ursprünglich waren. 

Muskeln. — Was die Muskeln anbelangt, so ist der Heilungsprozeß 
in zwei Zonen zu unterscheiden, in welchen sich die Muskelelemente in ganz und 
gar entgegengesetztem Sinne entwickeln. In der ersten (peripheren) Zone, welche 
der Grenze der erhaltenen Muskelbündel entspricht, geht die Reparation vor sich. 
In dieser Zone sind die wichtigen Erscheinungen die der Neubildung. In der 
zw eiten, w elche mehr nach innen von der ersten liegt (d. h. mehr gegen das Zentrum 
der Narbe) sind die Regenerationserscheinungen ziemlich selten, und überwiegen 
dagegen die der Rückbildung. Ros. Buccheri* Palermo. 

B e i t z k e, lieber die sogenannte Arthritis deformans atrophica. Zeitschr. f. klin. 
Med. 1912, Bd. 74, Heft 3 u. 4. 

Es ist eine den pathologischen Anatomen geläufige Tatsache, daß sich recht 
häufig bei der Sektion an den Gelenkknorpeln kleinere oder größere Usuren vor- 
finden, die während des Lebens keinerlei Erscheinungen gemacht haben. Sie sind 
wichtig, schon allein aus dem Grunde, weil die zahlreichen noch ungelösten Rätsel 
der Gicht dazu auffordern, alle, auch die kleinsten Veränderungen der Gelenk¬ 
knorpel so genau als möglich zu erforschen und auf zu klären. B e i t z k e unter* 
suchte 200 Leichen des Berliner pathologischen Instituts im Todesalter von 20 Jahren 
und darüber, weil die Gelenkusuren sich in den ersten beiden Jahrzehnten des 
Lebens erfahrungsgemäß nur selten finden. Er beschränkte sich nicht auf die 
Kniegelenke, sondern eröffnete jedesmal auch die Grundgelenke der beiden Gro߬ 
zehen, die bekanntlich von der Gicht am häufigsten befallen werden. In den meisten 
Fällen wurden dann, wenn Veränderungen sieh fanden, auch das rechte Sehulter- 
und Hüftgelenk untersucht. Unter diesen 200 Fällen waren 35 gänzlich ohne 
Gelenkveränderungen. In 6 Fällen bestand chronische deformierende Arthritis, 
in 16 Fällen Gelenk-, Nieren- oder Knotengicht oder eine Kombination dieser 
Formen. In den übrigen 143 Fällen, sow ie in 15 der 16 Gicht fällen w ar mindestens 
in einem der Großzehen- und Kniegelenke eine Läsion des Gelenkknorpels zu 
finden. Verfasser kommt auf Grund eingehender statistischer Erhebungen sowb 
genauer makroskopischer und histologischer Untersuchungen zu der Annahme, 
daß man es bei den Gelenkveränderungen mit einer Abnutzungserseheinung 
zu tun hat. Das Ergebnis der histologischen Untersuchungen, wonach es sieh 
um eine primäre Degeneration des Knorpels mit reaktiven Wucherungserscheinungen 
an Knorpel und Knochen handelt, stimmt damit durchaus überein. Ein Eingehen 
auf die Frage, ob die besprochenen Gelenkveränderungen als ein Vor- oder Anfangs¬ 
stadium der eigentlichen Arthritis deformans anzusehen sind, und ob sie etwa 
beitragen zur Lösung der Frage, ob bei dieser Krankheit eine Degeneration des 
Knorpels oder Veränderungen an den knöchernen Gelenken Jen das Primäre sei, 
versagt sich der Verfasser. Die Uratablagerungen bei Gicht fanden sieh zwar 
des öfteren in den Knorpelläsionen, aber ebenso oft auch an anderen, makroskopisch 
und mikroskopisch nicht weiter veränderten Stellen. B i b e r g e i 1 - Berlin. 

H c u 8 n e r, Zur chirurgischen Behandlung des chronischen Gelenkrheumatismus. 

Münch, med. Wochensehr. 1912, Nr. 19. 

Bericht über einen Fall, bei denn Heusner die durch chronischen Ge¬ 
lenkrheumatismus versteiften Kniegelenke operativ mobilisiert hat. Der Erfolg 


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war an einem Bein gut, am anderen schlecht. Zur Nachbehandlung benutzt 
H e u s n e r seine Serpentinschienen und einen Hilfsapparat, der aktive und 
passive Mobilisierung ermöglicht. Scharff - Flensburg. 

R u m p f, Diskussion zu dem Vortrag von H e u s n e r. (Rhein.-westf. Gesellsch. 
f. innere Med. u. Xervenheilk., Düsseldorf 10. März 1912.) Miinch. med. 
Wochenschr. 1912, Nr. 25. 

Rumpf hat in einigen Fällen durch Injektion einer oprozent-igen Losung 
von Jodipin in Olivenöl (Jelenke, die durch chronische deformierende Entzündung 
schwer versteift waren, erheblich in ihrer Beweglichkeit gebessert. 

Scharff- Flensburg. 

Chlumsky, Eine neue Behandlungsmethode von schweren rheumatischen 
Erkrankungen. Zentralbl. f. inn. Med. 1912, Nr. 10. 

Empfehlung des Kampferöls zur Behandlung akuter und chronischer 
Gelenksehwellungen auf rheumatischer Basis. Das Mittel stellt eine Mischung 
von 2 Teilen Kampfer (Oamphcra trita) und 1 Teil Karbolsäure (AcicJ. carbi, 
purissim.) dar, wozu noch einige Tropfen von reinem Spiritus beigemischt sind (etwa 
5 g auf 100 g der Mischung). Es wird in Form von Umschlägen angewandt. 

Bibergeil - Berlin. 

T. R. W h i p h a m, 1. Arthritis of the shoulder and hip (tuberculous?); 2. Pro¬ 
liferative Osteo-arthritis of the hip in a youth. Proceedings, Yol. V, 
Nr. 5, März 1912, Section for the study of disease in children, p. 1.54 ff. 

1. Arthritis sicca des Schultergelenks und Coxitis bei einem 14jährigen 
Knaben. Auffallend sind die geringen Beschwerden des Patienten. 2. Arthritis 
deformans juvenilis bei einem 17jährigen jungen Mann. 

F. Wohlauer - Charlottenburg. 

B o r n s t e i n und P late, Ueber chronische Gelenkverändemngen. entstanden 
durch Preßlufterkrankung. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. XVIII, Hrft 3. 
Unter den etwa 500 Fällen von „Bends“, die während des Baues des Elb¬ 
tunnels in Hamburg durch die Hände der Verfasser gingen, waren einige, bei 
denen es im Anschluß an die Preßluftkrankheit zu Veränderungen des Skelett¬ 
systems kam. Derartige Fälle sind in der Literatur bis jetzt nicht beschrieben 
worden. Die Krankengeschichten der 3 Fälle werden ausführlich wiedergegeben. 
Es handelte sich um drei kräftige Männer im Alter von etwa 30 Jahren, die ai:s 
gesunder Familie stammten und vorher kemcrlei Gelenkerkrankung gehabt hatten. 
Bei keinem der drei Kranken ist später eine weitere Gelenkerkrankung hinzuge- 
kommen, bei keinem kann also von dem Vorhandensein einer sogenannten rheu¬ 
matischen oder gichtischen Diät h esc die Rede sein. Den Beginn der vorliegenden 
Gelenkerkrankungen führen alle drei Patienten auf eine typische, akute Pre߬ 
lufterkrankung zurück, und die Verfasser sind auch zu der Ansicht gekommen, 
daß es als Folge einer derartigen Erkrankung zu einer chronischen Arthritis kommen 
kann. Die Entstehung ist so zu denken, daß es zunächst durch Gasblasenbildimg 
zu einer Ernährungsstörung eines umschriebenen Knochenteils kommt. Die herd¬ 
förmige Knechenerkrankung stört die Funktion der Gelenke und führt dann muh 
einiger Zeit zu einer Erkrankung derselben. Ein Rückgang der Erscheinungen 


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konnte bei den Kranken bis zu einem gewissen Grade beobachtet werden, und aus 
diesem Grunde halten auch die Verfasser eine weitere Besserung für nicht aus¬ 
geschlossen. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Mandel, Arthritis urica unter Radiumemanation. Diss. München 1911. Radium 
in Biologie und Heükunde, Bd. I, 1911, Heft 6. 

Mandel berichtet über die Resultate der Emanationstherapie, besonders 
bei Gicht, und über die Untersuchungen nach dieser Richtung hin an der ersten 
medizinischen Klinik in München. In 4 von 7 Fällen von echter Gicht, in denen 
unter dem Einfluß der Radiumemanation eine unzweifelhafte klinische und subjek¬ 
tive Besserung beobachtet wurde, blieb die Hamsäurekurve absolut unbeeinflußt. 
Demnach kann nach des Verfassers Ansicht die Besserung nicht in ursächlichen 
Zusammenhang mit der Hamsäureausscheidung stehen, auf einer eventuellen 
Rück Verwandlung von Laktimurat in Laktamurat nicht beruhen. Mandel 
will die von anderen Autoren beobachtete vermehrte Hamsäureausscheidung bei 
Radiumemanation absolut nicht bestreiten, möchte aber die Frage offen lassen, 
ob diese vermehrte Ausscheidung auf einer Mobilisierung der im Körper abgelagerten 
Urate beruht. Mandel glaubt erwiesen zu haben, daß eine solche Steigerung 
der Hamsäurekurve mit einem therapeutischen Erfolg bei Gicht nicht unbedingt 
Hand in Hand geht. Blencke - Magdeburg. 

B r a e n d 1 e, Ueber eine neue Behandlungsart der Epididymitis und Arthritis 
gonorrhoica. Medizinische Klinik 1912, Nr. 11. 

An der dermatologischen Abteilung des Allerheiligenhospitals zu Breslau 
wurden bei Komplikationen im Verlaufe der Gonorrhöe Injektionen mit 
elektrischen Kolloid metallen — Elektrargol und Fulmargin — versucht. Die auf 
elektrischem Wege hergestellten Kolloidmetalle stellen eine Lösung dar, die eine 
große Anzahl ultra mikroskopisch kleiner Metallpartikel in Suspension enthält. 
Die Firma Clin in Paris liefert ein derartiges Silberpräparat unter dem Namen 
Elcctrargol, in neuerer Zeit wird von dem Chemischen Laboratorium Rosenberg in 
Charlottenburg ein auf demselben Wege dargestelltes Präparat unter dem Namen 
Fulmargin in den Handel gebracht. Braendles Beobachtungen erstrecken 
sich auf 17 Fälle von Arthritis gonorrhoica. Am meisten zu empfehlen sind die 
intramuskulären Injektionen. Was die Wirkung der Injektionen anbelangt, so 
ist bei vorhandenem Fieber gewöhnlich eine deutliche Temperaturabnahme zu 
konstatieren. Bei den akuten Formen des gonorrhoischen Rheumatismus ist auch 
sehr häufig ein eklatanter Rückgang der Gelenkschwellung und Abnahme der 
Schmerzen zu konstatieren. Neben der Injektionsbehandlung geht eine lokale 
Behandlung der erkrankten Gelenke einher. Die intramuskulären Injektionen 
sind in einer Menge von 10 ccm jedesmal zu empfehlen. Bibergeil- Berlin. 

H irschberg, Die Erhaltung der Erwerbsfähiukeit bei der Behandlung rheu¬ 
matischer Erkrankungen. Fortschritte der Medizin 1912, Nr. 0. 

Auf Grund mehrjähriger Erfahrungen, die Hirsch borg mit dem 
Pyrenol bei rheumatischen Erkrankungen gemacht hat, empfiehlt er dasselbe als 
wirksamstes Antirheumatikum und Antineuralgikum. Die eintretende Schwei߬ 
bildung ist äußerst gering. Das Mittel beeinträchtigt weder Magen noeli Herz, 


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auch bei den größten Denen nicht, und soll auch die besonders nach öfteren Ab¬ 
fällen von Gelenk- und Muskelrheuma rentierenden Veränderungen verhüten 
und so am wenigsten die Erwerbsfähigkeit der von diesen Krankheiten Be¬ 
troffenen beeinträchtigen. Blcncke - Magdeburg. 

Schiff und Z a k, Untersuchungen zur Pathogenese der arthriti.schen Muskö- 
atrophien. (K. K. Gesellschaft d. Aerzte, Wien, 23. Februar 1012.) Münch, 
ined. Woehensehr. 1912, Nr. 12. 

Schiff und Z a k haben an Hunden und Kaninchen Versuche angestelit, 
die zu dem Ergebnis führten, daß akute Gelenksentzündungen zu rasch f».n- 
schreitender Atrophie aller Muskeln der betr. Extremität führten. Auch Im¬ 
mobilisierung des Gelenks und Tenotomien führten zu ebenso rasch fortschreitend: 
Atrophie. Einseitige Durchschneidung der hinteren Wurzeln bewirkte leichte 
Inaktivitätsatrophie, Querschnittsdurchtrennung des Rückenmarks rasch hrt- 
schreitende hochgradige Atrophie. S c h a r f f - Flensburg. 

Hübscher, Zur Verhütung des Muskelschwundes nach Gelenk Verletzungen. 
Zentrulbl. f. Chir. 1912, Nr. o. 

H übscher rät, den Verletzten im Verbände methodisch alle Stunden 
eine Anzahl von aktiven Muskelkontraktionen ausführen zu lassen, um so dem 
Muskelschwund entgegenzuarheiten. Diese aktive Gymnastik der Muskeln ohne 
Gelenkbewegung im Verbände stärkt nicht nur lokal die Muskulatur, sondern 
sie erhält, was wohl viel wichtiger ist, das gesamte neuromuskuläre Element samt 
dem Endneuron und den trophischen Bahnen am Leben. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

A. M ü 1 1 e r. Der Untersuchungsbefund am rheumatisch erkrankten Muskel. 
Zeitsehr. f. klin. Me:l. Bd. 74, Heft 1 u. 2. 

Um der Verwirrung auf dem Gebiete des Muskelrheumatismus zu steuern, 
hat sich Verfasser zur Aufgabe gestellt, ein genaues klinisches Bild von der Myo<iti$ 
zu entw erfen. Der akute Muskelrheumatismus, etwa der Lumbago, ist ausgezeichnet 
durch das Symptomenbild des Schmerzes, des Hypertonus, der Schwellung uni 
der lokalen Hitze. Beim subakuten und chronischen Muskelrheumatismus fällt 
die abnorme Spannui gserliöhung, der Hypertonus des rheumatisch erkrankt 
gewesenen Muskels dem io querer Richtung leicht über ihn hinwegstreichen len 
Eiliger ohne weiteres auf. Dieser Hypertonus ist das schlechthin konstante Symptom 
auch der chronisch rheumatischen Muskelerkrankung, Außer diesem Symptom 
findet man bei der Palpation Muskelverhärtungen, Knotenbildungen und Strom:- 
bildungen. die in die dem chronisch erkrankten Muskel benachbarten Teile iilx-r- 
gehen. Diese Muskelverhärt ungen liegen sämtlich in der Kontinuität des Muskels 
in seiner Faserung, Außer ihnen gibt es noch eine zweite Art von Muskelver¬ 
härt ungen, die sich grundsätzlich von den ersten unterscheiden; sie haben ihren 
Sitz in der Tiefe der Muskelinscrtionen. M ii 11 e r nennt sie deswegen Inserti<>n>- 
knötohen zum Unterschiede von den Faserverstärkungen. Sie überseh nuten 
anscheinend nie eine bestimmte Größe und sind immer sehr hart; ihre Ge>t.dt 
ist rundlich, ihre Obcrlläelic uneben, höckerig, so daß man den Eindruck lmt, 
als habe man Verknöcherungen oder Ablagerungen von Kristallen unter den Fingern. 
Völlig konstant ist ihre Lokalisation; sie finden sich immer und nur in den Muskel- 


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insertionen. Auch ohne daß im einzelnen Falle Beschwerden vorhanden sind, 
kann das Syndrom des rheumatischen Muskelbefundes — Hypertonus, Schwellung, 
Insertionsknötchen, Faserverhärtung — vorhanden sein. Der Rheumatismus 
befindet sich in diesen Muskeln im Stadium der Latenz. Diese latenten chronisch 
rheumatischen Veränderungen des Muskels geben die Disposition ab, die immer 
wieder neue Attacken auslöst. Der Nachweis hinsichtlich des anatomischen Ver¬ 
haltens rheumatisch erkrankter Muskeln stellt noch aus. 

Bibergeil - Berlin. 

Riehl, Myositis ossificans progressiva (K. K. Gesellsch. d. Aerzte, Wien, 26. Januar 
1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 8. 

Bei einem Manne traten seit 6 Jahren anfallsweise unter Fieber und Ge¬ 
len kschmerzen wiederholt Rötung und Schwellung der Haut auf, später Kalk¬ 
einlagerungen in die Muskeln und das subkutane Gewebe. Im Röntgcnbilde 
unregelmäßige, wolkige oder streifige Schatten in den Muskeln und im Bindegewebe, 
wenig ausgesprochene Ossifikatu neu. S c h a r f f - Flensburg. 

0 t t o J ü n g 1 i n g, Ueber Mißbildungen bei Myositis ossificans progressiva. 

Beitr. z. klin. Chir. Bd. 78, Heft 2, S. 306. 

Jüngling berichtet über einen 6jährigen Knaben mit ausgedehnter 
Myositis ossificans progressiva und gleichzeitigen Deformitäten an Händen und 
Füßen. An den Händen fiel die abnorme Kleinheit und stark opponierte Stellung 
der Daumen auf. Am linken Daumen bestand Ankylose des Interphalangeal- 
gelenks und Verkümmerung des Nagels. Am rechten Daumen war das Inter- 
fJialangealgelenk ebenfalls ankylotisch. Ebenso waren die Endglieder des 2. und 
5. Fingers abnorm klein, ihre Gelenke ankylotisch. Am rechten Fuß fehlten die 
L, 3. und 4. Zehe annähernd ganz. Am linken Fuß bestand ein Defekt der 1. und 
4. Zehe. Der Penis zeigte eine Hypospadie dritten Grades; die Urethralmündung 
Ing am Anfang des Scrotums. 

Eine den Humerus mit dem Angulus scapulae beiderseits verbindende 
Knochens pange w r urde linkerseits exstirpiert. Sie wurde dicht am Humerus ab¬ 
gesägt; darauf wurde der mit Ausnahme eines schmalen noch knorpeligen Randes 
mit der Thoraxwund knöchern verbundene Angulus scapulae und mit ihm noch 
ein mehrere Zentimeter langes Stück der in der Richtung des Latissimus dorsi ge¬ 
legenen, mit der Thorax wand knöchern verwachsenen Knochenspange abgesagt, 
wobei das Periost mit entfernt wurde. Trotz passiver Bewegungen blieb die er¬ 
zielte Beweglichkeit nur kurze Zeit und schwand schon nach 3 Wochen wieder 
ganz. Das Röntgenbild zeigte w ieder einen daumenbreiten Schatten, dessen Verlauf 
genau der bei der Operation entfernten Knocheiispange entsprach. 

J o a c h i m s t h a 1. 

Haenisch, Therapeutisch-prognostische Bemerkungen zur Bursitis calearea. 
Fortschritte a. d. Geb. d. Röntgenstr. XYJI, Heft 2. 

Auf Grund seiner Erfahrungen ist H a e n i s c h zu der Ansicht gekommen, 
daß bei der Bursitis ealearea jedesmal zunächst eine konservative Behandlung 
zu versuchen sei, und daß man erst im Notfall die Operation machen soll. Die 
Größe des Kalksehattens gibt keinerlei Anhaltspunkte für die subjektiven Be¬ 
schwerden ab und läßt auch keineswegs irgendwelche prognostischen Schlüsse zu. 


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Die Operation bietet günstige Aussichten, sofern sich der Operateur bewußt nt. 
daß er eventuell mit einer festen Verwachsung zwischen der mit Detritusmassen. 
Kalk und auch Knochensubstanz angefüllten Bursa und der Gelenkkapsel zti 
rechnen hat, wodurch eine Eröffnung des Gelenkes mitunter unvermeidlich werden 
kann. B 1 e n c k e * Magdeburg. 

Infantile Paralysis in Massachusettsduring 1910: Togethe: 
with reports of special investigations made in 1911 bearing upon the etiolosy 
of the disease and the method of its transmission. Boston 1912. 

Der Verlag Wright und Potter Printing in Boston hat sich ein Verdienst 
erworben, indem er eine größere Reihe wertvoller Beiträge zur Frage der Polio¬ 
myelitis, ihrer Infektionswege, ihrer Verbreitung usw. zu einem Buche zusammen 
gefaßt hat. Enthalten sind in ihm Beiträge von Robert W. L o v e 11, P h i 1 i p 
A. E. Sheppard, M. J. Rosenau, Harold L. Amoss, Arthur 
W. May, Thomas P. Hennely, Mark W. Richardson, Charle* 
T. B r u e s, J. W. H a m m o n d, William P. L u c a s, Robert B. 0 s- 
g o o d und endlich B. E. W o o d, sämtlich in Boston. Die Statistiken über du 
spinale Kinderlähmung in Massachusetts vom Jahre 1911 ergeben fast die gleiche 
Ausdehnung der Krankheit wie im Vorjahre. Es wrurden jedoch mehr ältere Kinder 
von ihr ergriffen als früher. Ueber die Ursache der Affektion ist noch nichts 
bekannt. Eine vollkommene Heilung innerhalb von 6 Monaten nach Beginn de: 
Erkrankung erfolgte in 27 von 200 Fällen = 13,5 Proz. Sehr häufig waren Rücken. 
Leib, Hals und Gesicht von der Lähmung ergriffen. Da der Nachweis gelungen 
ist, daß sich bei Affen das Poliomyelitisvirus in dem Sekret von Nase und Pharynx 
findet, wmrde verschiedentlich der Versuch gemacht, Nasen- und Pharynxsekret 
vom erkrankten Menschen auf Affen zu verimpfen. In 18 Fällen ist bisher eine 
Infektion nicht eingetreten. Das beweist jedoch nicht, daß die Respiration$we:e 
nun wirklich nicht den Infektionserreger beherbergen. Möglicherweise wird 
dieser durch Insektenstiche übertragen, und zwar wird der Stomoxys calcitran? 
als Ueberträger angegeben. Blut Untersuchungen bei Fällen von Poliomyelitis 
ergeben, daß im vorparalytischen Stadium eine leichte, aber ausgesprochene 
polymorphkernige Leukozytose vorhanden ist. In einem Falle trat sie zugleich 
mit der Lähmung auf. In der Mehrzahl der Fälle verschwend sie in den ersten 
4 Tagen nach Eintritt der Lähmung, in anderen hielt sie jedoch 14 Tage an. k 
würde zu weit führen, wollte man auf die Arbeiten der amerikanischen Kollegen 
weiter eingehen. Bei dem großen Interesse, welches jeder Fachmann heute der 
Poliomyelitis entgegenbringt, kann jedem die Fülle von Material, welches in dem 
vorliegenden Buch niedergelegt ist, zum Studium angelegentlichst empfohlen 
werden. Bibergeil - Berlin. 


R. J. R e e c e, Ortain aetiological considerations arising from observation* 
of the behaviour of poliomyelitis in Devon and Cornwall 1911. ProcwlingN 
Vol. V, Nr. 4, Februar 1912, Epidcmiological section, p. 59. 

R e e c e berichtet über eine Epidemie von Poliomyelitis aus dem Sommer 
1911. 224 Fälle, die sich über einen weiten Bezirk erstreckten, wurden beobachtet. 
Die Mortalität betrug 22,1 Proz. Die Erkrankungsziffer stieg mit der zunehmenden 
Wärme. In 2 Fällen kamen gleichzeitig Tiererkrankungen im Hause vor. Reece 


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nimmt Uebertragung von Patient zu Patient an, ferner durch Insektenstiche 
und endlich durch gesunde Mittelspersonen. Gegen diese letztere Annahme wird 
in der Diskussion energisch Front gemacht. F. Wohlauer- Charlottenburg. 

Herbert Bruce Law, Acute poliomyelitis. An analysis of sixty-two cases 
occuring in and around Edinburgh in the epidemic of 1910. Proceedings, 
Vol. V, Nr. 4, Februar 1912, Epidemiologioal section, p. 76. 

Auch Law hat beobachtet, daß die Erkrankung in den heißesten Monat 
— August— fiel, und daß zugleich in dieser Zeit der stärkste Regenfall war. Low 
kommt zu folgenden Schlüssen: Es bestehen keine typischen Prodromalsymptome; 
in keinem der 62 Fälle war eine direkte Infektion von Patient zu Patient nach¬ 
zuweisen. Das Prodromalstadium dauerte von 12 Stunden bis zu 2 Monaten. 
Die Lähmung betraf in der Mehrzahl der Fälle beide Seiten. 5 Proz. heilten voll¬ 
ständig aus, 14,5 Proz. blieben dauernd geschädigt. Die Lähmungsdauer in den 
geheilten Fällen betrug 3 Tage bis 6 Monate, einige befanden sich auch noch nach 
7 Monaten in der Besserung. Es konnte nicht nachgewiesen werden, daß die 
Schulen Verbreitungsherde waren. In der Beobachtungszeit kamen keine Läh¬ 
mungen bei Haustieren vor. In einer angeregten Diskussion wurden die diver¬ 
gierenden Ansichten besprochen. Referendo lassen sich Einzelheiten darüber 
nicht mitteilen. F. Wohlauer - Charlottenburg. 

Neustädter und William C. T h r o, Experimentelle Poliomyelitis acuta. 
Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 15. 

Die Theorie der Autoren basiert auf folgenden Grundtatsachen: Die Krank¬ 
heit ist in der Hauptsache eine Affektion des frühen Kindesalters. Sie tritt in 
der trocken-staubigen Jahreszeit am häufigsten auf. Der Charakter der Nach¬ 
barschaft und des Wohnorts, wo die Krankheit auf tritt, scheint mit ihr in keinem 
bestimmten Zusammenhänge zu stehen. Mehrere Kinder derselben Familie werden 
nacheinander von der Krankheit befallen. In einem Hause werden Kinder ver¬ 
schiedener Familien in rascher Aufeinanderfolge von der Krankheit ergriffen, 
in einer Weise, die auf nachbarliche Uebertragung hindeutet. Aus allen diesen 
Tatsachen folgern die Autoren, daß sich der Krankheitserreger im Staub befinden 
muß, und daß der Naso-Pharynx wahrscheinlich die Eingangspforte desselben 
bildet. Der Staub jener Räume, in denen Fälle von Poliomyelitis vorgekommen 
waren, wurde zur Impfung von Affen benutzt, denen Staubextrakte intracerebral, 
intraspinal und subkutan injiziert wurden. Verfasser berichten nun über positive 
Resultate und halten den Beweis für erbracht, daß der Krankheitserreger durch 
den Staub verbreitet wird. Es ist daher vollkommen klar, daß prophylaktische 
Maßregeln ergriffen und in strengstem Maße durchgeführt werden müssen, um 
der Ausbreitung der Krankheit Einhalt zu tun. Bibergeil- Berlin. 

Klose, Erfolge der orthopädischen Behandlung der spinalen Kinderlähmung. 
Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 13. 

Verfasser berichtet über Erfolge, die die Lähmungschirurgie mit der Arthro¬ 
dese erreichen kann. Die Technik dieser Operation deckt sich im wesentlichen 
mit der üblichen Resektionstechnik, nur wird weniger von den Gelenkenden 
fortgenommen. Die Gelenkenden werden nur angefrischt, die Epiphysenknorpel 


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selbstverständlich geschont. Das Kniegelenk ist dasjenige Gelenk, dessen Ver¬ 
steifung bei der spinalen Kinderlähmung hauptsächlich in Betracht kommt. 
Die Arthrodese des Fußgelenks führt Verfasser kaum mehr aus. da ein versteifte'* 
Fußgelenk für den Patienten nur hinderlich ist. Eine Gelenk Versteifung nimmt 
Verfasser erst vor, w enn gar keine Aussicht mehr auf Wiederherstellung der Funkt hs 
der Muskulatur besteht ; also jedenfalls nicht vor Ablauf eines Jahres nach Begir.i. 
der Lähmung. Schon während des Reparationsstadiums der Poliomyelitis silier, 
die Patienten dem Orthopäden überwiesen werden, damit durch geeignete Nacht- 
schienen und Bandagen der Eintritt stärkerer Kontrakturzustände verhütet werden 
kann. Das operative Vorgehen wird dadurch sehr erleichtert. 

Bibergeil- Berlin. 

V. Pu 11 i, Per diminuire cd abolirc il periodo di immobilizzazione post operativ 
nei trapianti e nelle fissazioni tendinee. Rivista ospedaliera Vnl. II. Nr. e. 
15. März 1912. 

Nach Sehnentransplantationen war es bisher üblich, das operierte Glied n * n 
mindestens 7 Wochen in Gips zu fixieren, da man sonst hei den bekannten Ver¬ 
einigungsmethoden für einen Erfolg nicht garantieren zu können glaubte. Da di*-'*? 
Immobilisation zu nachhaltigen Schädigungen, wie Sehnen- und Muskelatrophic. 
Verwachsungen zwischen dem transplantierten Teil und den Wänden der Sehnen- 
fächer usw. führt, so wendet Verfasser zur Verkürzung gedehnter Sehnen eine iauc 
Methode der Sehnenfixation an. die so sicher ist, daß sich ein folgender GipsverbanJ 
erübrigt. Handelt es sich z. B. um eine Verkürzung der Extensoren der Zollen, 
so wird durch die ganze Dicke der Tibia ein Loch gebohrt, durch dieses weiden die 
Sehnen der Zehenstrecker gezogen und diese bei ihrem Austritt aus dem knöchernen 
Tunnel mit der Sehne des M. tibialis aiiticus vermittels einiger Seidenfäden ver¬ 
einigt. Ist der Tunnel im Knochen weit genug, so kann auch noch eine Peroneu-- 
sehne durchgezogen und so einer Pronation des Fußes vorgebeugt werden. Nach 
dieser Operation genügt eine Immobilisierung auf 2 Wochen. Verfasser hat biJu-r 
4 Fälle derartig operiert und gute Erfolge damit erzielt. 

Bibergeil- Berlin. 

P. W. S a u n d e r s, Poliomyelitis with extensor response. Proceedings, Vol. V, 
Nr. 3, Januar 1912, Neurological section, p. 75. 

4jähriges Kind mit den Resten einer alten Poliomyelitis. Das linke Bein 
ist in typischer M eise affiziert, das rechte dagegen zeigt verstärkten Kniereflex 
und Fußclonus. F. Wohlauer - Charlottenburg. 

R. J. J e w p e s b u r y, Heiniplegia. Proceedings of the Royal society of medicino, 
Vol. V, Nr. 4, lebruar 19J2, Section for the study of disease in children. p. 12t». 
Jewesbury demonstriert dre Kinder mit cerebraler Hemiplegie. Zu»i 
von den lallen zeigen den ungewöhnlichen Befund, daß das Gesiebt auf der Seite 
der Lähmung mit ergriffen ist und Atrophie und Mikrophthalmus aufweist. 

F. Wohlauer- Charlottenburg. 

beul sc liliin iler, Dir spinale Kinderlähmung. (Aerztl. Verein in Hamburg. 
7. Mai 1912.) Münch, med. Woehensehr. 1912, Nr. 21. 

Vorstellung einer Reihe von nicht operierten und operierten Fällen uiä 
R< n hu ibung der ihrrapie. Bei der Sehnenverpllanzung bevorzugt Deutsch- 


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lande r die periostale Verpflanzung ganzer, möglichst selbständiger Muskeln 
unter Benutzung der natürlichen Sehnenfächer und Sehnenscheiden, aber unter 
Vermeidung künstlicher Seidensehnen. Die Nachbehandlung beginnt Deutsch- 
lande r bereits am 8. Tage nach der Operation. 

In der Diskussion zu Deutschländers Vortrag (Aerztl. Verein in 
Hamburg, 21. Mai 1912. Münchner med. Wochenschr. 1912, 23) warnen P r e i s e r, 
Sänger und Ewald vor Ausführung der Arthrodese vor Abschluß des Wachs¬ 
tums. P r e i s e r hat mit Seidenschnen gute Erfahrungen gemacht, führt aber 
die Sehnentransplantation nur aus, wenn durch sie eine Extremität oder ein 
Belenk von einem Apparat frei gemacht werden kann. Die Nachbehandlung nach 
der Sehnentransplantation beginnt Ewald erst nach 6 Wochen. 

Scharff- Flensburg. 

0 11 o M a y, A case of cerebral diplegia treated by posterior root section. Pro- 
ceedings, Vol. V, Nr. 3, Januar 1912, Neurological section, p. 70. 

May hat bei einem 5jährigen Knaben mit cerebraler Diplegie die Foerster- 
sche Operation gemacht. Er hat die zweite, dritte und fünfte Lumbal- und die 
zweite Sakralwurzel beiderseits durchschnitten. Der unmittelbare Erfolg der 
Operation war Nachrassen aller Spasmen, Verschwinden der Knie- und Achilles¬ 
phänomene, w ährend Babinsky bestehen blieb. Nachbehandlung nach F o e r- 
« t e r. Nach 3 Monaten traten die Reflexe wieder auf und w f aren wieder lebhaft. 
Nach 4 Monaten zeigten sich die Spasmen wieder. Es besteht jetzt Ataxie und 
Schwäche; trotz sorgfältiger Uebung kann Patient ohne Unterstützung nicht 
gehen. Für die Lokalisation der Wurzeln wird angegeben, daß die erste Sakral¬ 
wurzel erheblich stärker sei als die anderen. F. W o blauer- Charlotten bürg. 

L u b i n u s. Spastische Lähmungen und Förstcrschc und Stoffelsehe Operation 
(Mod. Gesellseh. zu Kiel, 29. Februar 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, 
Xr. 18. 

Vorstellung eines 9jährigen Knaben, bei dem L u b i n u s am 18. Jan. 1912 
wegen spastischer Lähmung (Spitzfuß beiderseits) vom Nerv, tibialis die moto¬ 
rischen Nerven für das Caput mediale, laterale und den dorsalen Teil des M. soleus 
je zur Hälfte auf eine Entfernung von 3 cm reseziert hatte. Der Erfolg war ein 
guter. In der Diskussion berichtet A n s c h ü t z über seine Erfahrungen mit der 
Förstersehen Operation, die in 5 Fällen bei Kindern ein befriedigendes funktionelles 
Resultat ergab (es handelte sich um Little), während bei 4 Erwachsenen mit 
multipler »Sklerose und komplizierten Rüekenmarkserkrankimgen die Erfolge 
schlecht waren; denn in 3 Fällen blieben die Spasmen bestehen, und der vierte 
Fall starb. Scharff- Flensburg. 

0. F o e r s t e r, Die Indikationen und Erfolge der Resektion hinterer Rücken- 
markswurzeln. Wiener klin. Wochenschr. 1912, Nr. 25. 
ln einem Vortrage bespricht Fo er st er unter den Indikationen voierst 
das Bestehen heftiger Nervenschmerzen. Die Operation wurde aus dieser Indi¬ 
kation nach seiner Zusammenstellung aus der Literatur bisher 38mal ausgeführt, 
mit 5 direkten und 7 späteren Todesfällen infolge des Grundübels. Von den 
33 Fällen, die die Operation überstanden, wurden in 23 die »Schmerzen gar nicht, 
oder nur sehr wenig gebessert. Der Grund der Mißerfolge liegt darin, daß es sieh 


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in manchen Fällen um Wirbelmetastasen mit heftigen Wurzelschmerzen handelte, 
von denen bald andere Wurzeln ergriffen wurden; in anderen Fällen waren nicht 
genug Wurzeln reseziert worden. Bei den tabischen Schmerzen sind die Mißerfolge, 
wie auch bei manchen anderen Affektionen dadurch zu erklären, daß die Schmerzen 
aus der Reizung zentraler gelegener Partien des Nervensystems, etwa der grauen 
Substanz der Hinterhörner, entspringen; ferner scheint auch eine psychische 
Komponente, besonders bei hochgradigen Morphinisten, zu dem Wiederauf treten 
der Schmerzen beizutragen. Die Resektion bei Schmerzen soll jedenfalls mögliche 
ausgedehnt ausgeführt werden. 

Eine weitere Indikation sind gastrische und unbestimmte Krisen. Diese 
Operation wurde bisher in 44 Fällen ausgeführt, darunter waren 5 direkte Todes¬ 
fälle, 3 ausgesprochene Mißerfolge, in 20 Fällen wird nichts über Rückfall be¬ 
richtet. Die Gründe der Mißerfolge sind verschieden. In manchen Fällen var 
die Resektion der Wurzeln keine radikale; ferner treten späterhin intestinale 
Schmerzen auf, die durch Erkrankung benachbarter Wurzeln veranlaßt werden. 
Jedenfalls soll man so viel Wurzeln als möglich resezieren, da man keinen An¬ 
haltspunkt dafür hat, welche Wurzeln eigentlich erkrankt sind. Endlich ist der 
Grund der Mißerfolge sicher auch darin zu suchen, daß auch vom Vagus sensible 
Magendarmfasern zugeführt werden. 

Die dritte Indikation geben die spastischen Lähmungen; es wurden bisher 
104 Fälle operiert mit 13 Todesfällen infolge der Operation. L i 111 e sehe Falle 
mit schwerer Epilepsie sollen von der Operation ausgeschlossen werden. Wegen 
L i 111 e wurde 59mal mit 8 Todesfällen operiert. Wichtig für den Erfolg ist eine 
sorgfältig und jahrelang durchgeführte Nachbehandlung. Für den Erfolg der 
Operation, respektive der Nachbehandlung ist auch ein gewisses Maß von In¬ 
telligenz notwendig, daher sollen idiotische Kinder nicht operiert werden. I» 
Operation wurde auch ausgeführt bei spastischen Paraplegien nach Gehirnerkran¬ 
kungen im frühen Kindesalter, in Fällen von spastischen Lähmungen spinalen 
Ursprungs, bei spastischer Spinalparalyse, bei spastischer Rückenmarkslähmung 
traumatischen Ursprungs, wo zum Teil Erfolge erzielt wurden. Bei multipler 
Sklerose wurde 8mal mit 4 Todesfällen operiert, die wohl auf die geringe Wider¬ 
standsfähigkeit- dieser Kranken zurückzuführen sind. Auch in den anderen Fällen 
war das Resultat nicht sonderlich, so daß Foerster die multiple Sklerose von 
der Operation ausschließen möchte. 

Wegen spastischer Armlähmung wurden 15mal die hinteren Orvikal* 
wurzeln reseziert. 2 Todesfälle, in 4 Fällen kein Erfolg, Die Anwendung der 
Operation beim Spasmus mobilis und bei Athetose hält Foerster nicht für 
indiziert. Bei Athetose wurde die Operation llmal ausgeführt, 1 Todesfall. 7 ohne 
Erfolg; die 3 angeblich gut beeinflußten waren offenbar sehr leichte Fälle. 

F o e r s t e r faßt hier die Indikationen dahin zusammen, daß zunächst 
wirklich zentripetal bedingte spastische Kontrakturen vorliegen müssen; Athetose. 
Chorea, Spasmus mobilis und Tic convulsif usw. scheiden aus. Zweitens muß 
der Krankheitsprozeß ein stationärer sein oder nur langsam fortschreiten; rasch 
progressive Krankheiten, wie multiple Sklerosen und andere eignen sich wenig. 
Rückenmarks- und Hirnsyphilis müssen nach der Operation energisch spezifisch 
behandelt werden. Zum Schlüsse hebt Foerster noch hervor, daß die Kon¬ 
trakturen nach der Operation in den meisten Fällen in geringerem oder stärkerem 


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Maße wiederkehren. Das kommt daher, daß durch die bei der Operation ver¬ 
schonten Wurzeln die graue Substanz des Lumbosacral- respektive Cervikalmarks 
wieder mehr und mehr geladen wird, besonders am Arm. Es soll deshalb bei 
schweren Kontrakturen eine genügende Zahl von Wurzeln reseziert werden. 

H a u d e k - Wien. 

A n t. R. v. Ruediger-Rydygier, Erfahrungen über die Resektion der 
hinteren Rückcnmarksw urzeln bei spastischen Lähmungen (Försters 
Lähmungen). Zeitschr. f. Chir. Bd. 117, Heft 3/4, S. 376. 
v. Ruediger-Rydygier hatte in 3 Fällen Gelegenheit, die 
Förster sehe Operation auszuführen. Zweimal diente als Indikation die 
L i t t 1 e sehe Krankheit, im dritten Falle handelte es sich um einen älteren 
Mann, der nach intramedullären Hämorrhagien spastische Lähmungen aller Ex¬ 
tremitäten hatte. In allen Fällen wurde die Operation einzeitig ausgeführt. Der 
Erfolg war einmal verhältnismäßig gut. Der Knabe, der früher nicht einen Schritt 
machen konnte, marschierte nach der Operation ohne Krücken und Piorhesen, 
nur mit einem Stock. In dem zweiten, erst wenige Wochen vor der Publikation 
operierten Falle konnte man gleichfalls eine Besserung konstatieren. Den dritten 
Patienten hat der Autor ganz aus den Augen verloren. J o a c h i m s t h a 1. 

Krüger, Zur ta bischen Arthropathie. Mit teil, aus d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 
1911, XXIV, 1. 

Krüger berichtet über mehrere interessante Fälle von tabischer Arthro¬ 
pathie und faßt seine an diesen Fällen gemachten Erfahrungen dahingehend 
zusammen, daß im Röntgenbilde die weitestgehenden proliferierenden und destruie- 
renden Prozesse annähernd parallel verlaufen und zu starken extrakapsulären 
Verknöcherungen führen. Weniger bekannt dürfte es sein, daß der Prozeß häufig 
mit einer Knochenusur beginnt. Zur Unterstützung der zuweilen schwierigen 
Diagnose hat sich dem Verfasser namentlich in solchen Fällen, bei denen zunächst 
keine klinischen Zeichen des eigentlichen Grundleidens vorhanden sind, die Nonne¬ 
sehe Reaktion als praktisch wertvoll erwiesen, die einfach auszuführen ist. Der 
Verlauf der Erkrankung ist ein progressiver; einen Stillstand gibt es nicht. Verfasser 
will in allen Fällen eine antisyphilitische Kur versucht wissen und empfiehlt sogleich 
im Beginn des Leidens eine absolute Ruhigstellung der Gelenke, am besten durch 
Schienenhülsenapparate. Auch er hat von Operationen keine günstigen Erfolge 
gesehen und rät, eher eine einfache Amputation als eine Gelenkresektion vor¬ 
zunehmen. — Betreffs der Aetiologie können nach K r ü g e r s Ansicht verschiedene 
Momente verantwortlich gemacht werden: Traumen, die kleine Knochenab¬ 
sprengungen im Gelenk hervorrufen, und gummöse Prozesse oder luetische Peri¬ 
ostitiden. Eine trophoneurotisehe Störung will er nicht gelten lassen, wohl aber 
hält er für die weitere Entwicklung des Gelenkprozesses an der alten mechanischen 
Erklärung fest, die er bei seinen Fällen in vollem Umfange bestätigt fand. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

K. K a w a m u r a, Beitrag zur tabischen Osteo-Arthropathic. Zeitschr. f. Chir. 

Bd. 115, Heft 3 4, S. 368. 

Bericht über 2 Fälle. In dem ersten bestand bei einem , r >2jäbrigen Patienten 
eine tabische Ostoo-Arthropithie am rechten Knie- und Fußgelenk mit Fuß- 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 42 


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phlegmone, welche eine Amputation in d(*r Mitte des rechten Oborschenkels net* 
wendig machte. Am nächsten Tage Exitus. Genaue anatomische und mikro¬ 
skopische Untersuchung des amputierten Gliedes, des Rückenmarks und der 
peripheren Nerven. In dem zweiten Falle mit tahischer Osteopathie des linken 
Cilcaneus wurde hei dem 47jährigen Patienten die vergrößerte Partie dos Cu 
caneus mit einem Teil der Achillessehne exstirpiert. Patient wurde geheilt entl isv n. 

J o a c h i in s t h a L 

Stargardt, Ueber die Actiologie der tabischen Arthropathien. Arch. 
Psychiatrie u. Nervenkrankheiten 1912, Bd. 49, Heft 3. 

Stargardt hat einen Fall von tabischer Arthropathie des Kniegelenk- 
histologisch untersucht. Nach seinen Ergebnissen haben wir es bei den tabischer 
Gelenkerkrankungen und wahrscheinlich auch bei den Spontanfrakturen mit 
einem entzündlichen Prozesse zu tun, der identisch ist mit dem eilt zündlieh l. p . 
Prozesse bei der D ö h 1 e - H e 11 er sehen Aortitis und mit den entzündlichen 
Prozessen bei der Tabes und der progressiven Paralyse. Es handelt sich um einet 
spätsyphilitischen Prozeß, der ohne Gummibildung verläuft. Der bisher negativ? 
Spirochaetenbefund beweist nichts gegen diese Auffassung. Es ist durchai- 
möglich, daß genau wie bei der nichtgummösen Aortitis auch einmal bei der 
tabischen Arthropathie Spirochacten gefunden werden. 

Bibergeil- Berlin. 

Goldstein, Untersuchungen über Muskeldruckempfindlichkeit bei Tab> 
dorsalis. Diss. Leipzig 1911. 

Go Idstein gibt zunächst einen Ueberblick über den heutigen Star, i 
der Lehre von der Tabes, aus dem hervorgeht, daß in ihr das Verhalten des Druck- 
sinns und seine Beziehungen zu den anderen Sensibilitätsstöningen eine bedeut cl'-Ic 
R olle spielen. Da aber gerade dieser Punkt eine ausgedehnte klinische Bedeut unz 
bisher kaum erfahren hat, so hat Gold stein Untersuchungen nach dieser 
Richtung hin angestellt, über die er in der vorliegenden Arbeit berichtet. Lioc 
Untersuchungen, die er bei einer größeren Anzahl von Tabesfällen versclnedciu*:i 
Alters, beiderlei Geschlechts, in den verschiedensten Stadien und zum Vergleich 
auch bei einer Anzahl von Leuten mit vollkommen gesundem Nervensystem 
vorgenommen hat, sind mit dem Algomcter von Cattel, verbessert muh 
Rivers, ausgeführt und hatten folgende Ergebnisse: 

1. Die Kurven der Algometermaße von Personen mit Tabes dorsalis zeigen 
stärkere Schwankungen als die von gesunden Personen. 

2. Nur in einem Teil der untersuchten Tabesfälle findet sich eine stärkere 
Herabsetzung der Muskeldruekempfindliehkeit, als man sie bei gesunden Personen 
beobachten kann. 

3. Die Herabsetzung der Muskeldruekempfindliehkeit findet sich häufig 

zusammen mit Ataxie und Störungen der Hautsensibilität. Muskeldruekemptind- 
lichkcit, Ataxie und Hautsensibilität können aber auch unabhängig voneinander 
gestört sein. Blencke - Magdeburg. » 

Karl We i ß, Ueber einen Fall von tabiformer Erkrankung mit kongenitalem Klump¬ 
fuß und progredienten Muskelatrophien. Wiener med. Wochenschr. 1912, Nr. lö. 

Bei dem 41jährigen Patienten bestand die Hauptstörung in einer allmählich 
zunehmenden Funkt'ionsunfühigkeit der Muskulatur des rechten Daumens; Beginn 


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vor 12 Jahren nach anstrengender Schreibarbeit. Trotz Bestehens verschiedener 
Symptome, die den Verdacht auf Lues cerebri oder Metalues erwecken konnten, 
wurde bei Fehlen der Wassermann sehen Reaktion die Diagnose Fried¬ 
reich sehe Krankheit gestellt, die durch eine kongenitale Lues verursacht sein 
könnte. H a u d e k - Wien. 

C r a m e r, Die diagnostische Beurteilung der Störungen des Bewegungsapparates, 
insbesondere nach Trauma. Zeitschr. f. ärztl. Fortbildung 1912, Nr. 9. 

Verfasser bespricht an der Hand von Beispielen der einzelnen Gelenke 
die nach Verletzungen zurückbleibenden Störungen des Bewegungsapparates 
bzw. deren diagnostische Bewertungen. Er beginnt mit den Störungen im Bereiche 
des Fußes, geht mit kurzen Worten auf den Plattfuß ein und zwar berücksichtigt 
er hauptsächlich dessen statische und traumatische Form. Er bespricht ferner 
die nach Kontusion und Distorsion des Kniegelenks zurückbleibenden Schwäche¬ 
zustände, die Quadricepsschwäche und die metatraumatische Coxitis. Auch die 
Folgezustände an der Wirbelsäule sowie der oberen Extremität unterzieht 
Cramer der Besprechung, die in Anbetracht ihres Zweckes, für die in der Praxis 
stehenden Aerzte bestimmt zu sein, dem Facharzt nichts Neues bietet. 

Bibergeil - Berlin. 

Wo 1 f, Zur Frage der Drucklähmungen nach Esmarchscher Blutleere. Zentralbl. 
f. Chir. 1912, Nr. 2. 

Wolf berichtet über einen Fall von Drucklähmung nach Esmarchscher 
Blutleere bei einem 30jährigen Offizier, der vor 10 Jahren eine Lues durchgemacht 
hatte, und hält einen Zusammenhang der Lähmung mit der alten Lues, durch die 
eine Ueberempfindlichkcit des Nervensystems gegen äußere Schädlichkeiten ver¬ 
ursacht sein dürfte, für wahrscheinlich. Ob außer Lues noch andere nerven¬ 
schädigende ätiologische Momente als lähmungsbegünstigend in Frage kommen 
können, läßt er dahingestellt, jedenfalls möchte er davor warnen, bei einem Pa¬ 
tienten, bei dem Lues anamnestisch vorhanden ist, die Esmarchsche Blutleere 
am Arm anzuwenden. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Rausch, Ueber Lähmung nach Esmarchscher Blutleere. Zentralbl. f. Chir. 
1912, Nr. 15. 

Nach Rauschs Ansicht lassen sich die Drucklähmungen, die nach der 
Blutleere beobachtet worden sind, bei richtiger Technik wohl stets vermeiden. 
Trotz der sehr häufigen Anwendung der Blutleere, und obwohl dieselbe gelegentlich 
bis zu 5 Stunden bestand, hat Rausch nur einen einzigen Fall von Druck- 
lähmung gesehen, den er näher beschreibt, die Gunirnibinde war hier viel zu fest 
angelegt. Nach des Verfassers Erfahrung begünstigt bestehende Lues das Auf¬ 
treten der Lähmung nicht. Die Prognose der Schlauchlähmung scheint eine recht 
gute zu sein. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

G o c h t, Zur Verhütung der Drucklähmungen nach Esmarchscher Blutleere. 
Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 0. 

Gocht benutzt als Unterlage für alle Schlauchabschnürungen am Bauch 
und Bindenabschnürungen am Oberarm die sogenannten Faetiskissen (fein zer- 


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mahlenes Gummimaterial, das viel zur Polsterung der Bruchbandpelotten Ver¬ 
wendung findet), die sich fest anschmiegen, aber aufs höchste elastisch sind, und 
dem normalen Fett- und Muskelpolster ein weiteres Polster hinzufügen, das keines¬ 
falls als Pelotte wirkt, sondern bei bester Kompression nur das Quetschen in der 
Tiefe hintanhält. Bei Anwendung solcher Kissen, durch die die Technik des 
Umlegens von Schlauch und Binde in keiner Weise kompliziert wird, liegt dann 
nach des Verfassers Ansicht kein Grund vor, die Esmarchsche Blutleere am Ober¬ 
arm wegen der Druckgefahr zu fürchten oder gar zu verbieten. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

B. B u r i a n e k, Ueber einen weiteren Fall von Drucklähmung an der oberen 
Extremität nach kurzdauernder Anwendung der Esmarchschen Blutleere. 
Wiener klin. Wochenschr. 1912, Nr. 9. 

Wegen einer durch eineSt ichwunde hervorgerufenenRadialislähmung wurde in 
Narkose unter E s m a r c h scher Blutleere die Naht des vollkommen durchtrennten ; 
Nerven ausgeführt. Dauer der Operation 42 Minuten. Bereits am Tage nach der 
Operation wurde über Mangel an Gefühl in der operierten und im Gipsverband 
fixierten Extremität geklagt. Bei der 14 Tage später erfolgten Verbandabnahnje 
fand sich eine schwere Lähmung vor, die das Gebiet des Medianus. Ulnaris und 
Radialis umfaßte. Behandlung mit warmen Bädern, Massage, Faradisation. 

Veranlaßt durch die Mitteilung von W o 1 f, der die Ursache dieser Druck¬ 
lähmungen mit einer vorangegangenen luetischen Infektion in Zusammenhang 
bringt, forschte Verfasser auch bei seinem Patienten in dieser Richtung. Trotz 
Leugnens des Patienten wurde die W a s s e r m a n n sehe Reaktion gemacht, die 
stark positiv ausfiel, worauf Patient, bei dem auch Narben am Präputium ge¬ 
funden wurden, die durchgemachte Lucs zugab. Es wurde nun eine intravenöse 
Injektion von 0,4 Salvarsan gemacht, die übrige Behandlung fortgesetzt, worauf 
sich eine deutliche Besserung zeigte. 

In Uebereinstimrnung mit Wolf stellt sich Verfasser auf den Standpunkt, 
daß bei nachgewiesener Lues oder Verdacht auf solche bei Operationen an der 
oberen Extremität auf die Esmarc h sehe Blutleere verzichtet werden soll. 

H a u d e k - Wien. 

H e nie, Ein haltbarer Ersatz der Esmarchschen Gummibinde. Zentralbl. f. 

Chir. 1912, Nr. 13. 

Heul e hat eine Stahlserpentine konstruiert und dieselbe, damit sie durch 
zu starkes Ziehen nicht über ihre Elastizitätsgrenze ausgedehnt wird, mit einer j 

kräftigen Leinenbinde durchzogen, deren Länge so berechnet ist, daß sie die not Le j 

Elastizität bestehen läßt, anderseits eine Ueberdehnung verhindert. Mittels eines 
mit Grillen versehenen und am Ende befestigten Hakens, welcher beim Anwiek< l:i 
der Binde nach außen kommt und unter der nötigen Spannung in eine Draht¬ 
mündung eingehängt wird, wird der Gurt befestigt, den am anderen Ende hu 
1.einenbinde um etwa f>0 cm überragt. Dieses freie Bindenende kommt beim 
Anwickeln auf die Haut, unterpolstert demnach den Stahlgurt und verhindert 
ein zu starkes Eindrücken der Federw indungen. Die Binden, die Heule schon 
seit einer Reihe von Monaten verwendet, haben sich gut bewährt, vor allen Dingen 
wurde auch nach länger dauernden Operationen keinerlei Schädigung der Nerven j 
beobachtet. Blencke - Magdeburg. j 


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van de Kamp, Beitrag zur Luftembolie durch Verletzung kleinerer Venen. 
Diss. München 1911. 

Verfasser berichtet über einen Fall von Luftembolie, bei dem das Bild der 
plötzlichen Luftembolie durch eigenartige spätere Folgeerscheinungen, die sich 
in einer vollständigen Lähmung des linken Armes und einer Bewegungsbehinderung 
des linken Beines äußerten, erweitert wurde, van de Kamp sucht diese 
Folgeerscheinungen so zu erklären, daß die in die Vene eingedrungene ‘Luft in das 
Cerebrum gelangt ist und hier zu Zirkulationsstörungen geführt hat, die sich auf 
die motorischen Zentren, und zwar hauptsächlich auf das Armzentrum, beschränkten. 
— Bei der Durchsicht der einschlägigen Literatur hat der Verfasser noch 2 Fälle 
ähnlicher Art gefunden, die er dem seinigen noch anfügt. Alle 3 Fälle hatten ge¬ 
meinsam die Eigentümlichkeit, daß entweder unmittelbar auf das Operations¬ 
ereignis oder, wie in dem vorliegenden Fall, erst einen Tag später eigenartige 
Lähmungserscheinungen auftraten, die dann von selbst wieder zurückgingen. 
Die Fälle müssen so erklärt werden, daß die durch die Luftembolie eingedrungene 
Luft von dem venösen in das arterielle System gelangt ist und eine Zirkulations¬ 
störung in den motorischen Zentren des Gehirns hervorgerufen hat. Die Prognose 
derartiger Fälle, die sehr selten zu sein scheinen, muß als günstig bezeichnet werden. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

X a t z 1 e r. Ein Beitrag zum Kapitel der Gewöhnung an Unfallfolgen. Monats¬ 
schrift f. Unfallheilk. 1912, Nr. 1. 

N a t z 1 e r berichtet über einen Fall von schw erer Verkrüppelung der rechten 
Hand, die der Betreffende als 14jähriger Junge sich durch einen nicht entschädigungs- 
ptlichtigen Unfall zugezogen hatte und durch die er nicht im geringsten in seinem 
Verdienst geschmälert war. Als er dann einen zweiten Betriebsunfall erlitt, eine 
Verstauchung des Handgelenks, wollte er die alte Deformität sich bei der Erw erbung 
der Rente zunutze machen, was ihm aber nicht gelang, da das Röntgenbild die 
Sache vollkommen aufklärte. Die Versteifung des Handgelenkes, die erst durch 
den zw eiten Unfall hervorgerufen sein sollte, war nur auf eine vollkommen knöcherne 
Ankylose zurückzuführen, so daß überhaupt nicht mehr von einem eigentlichen 
Handgelenk gesprochen werden konnte. Im Anschluß an diesen Fall bringt dann 
N a t z 1 e r auch einen zweiten, der deutlich erkennen läßt, wie groß manchmal 
der Unterschied ist, den wir bei der Beurteilung eines Falles aus dem Skiagramm 
und aus der klinischen Untersuchung gewinnen. B 1 e n e k e - Magdeburg. 

Brüning, Zur Jodtinkturdesinfektion, zugleich ein Beitrag von metastatischer 
Entzündung nach subkutaner Verletzung. Zentralbl. f. Chir. 1912. Xr. 19. 

Angeregt durch die Mitteilungen K ü t t n e r s auf dem Chirurgenkongreß 
1911 ging Brüning im Februar dieses Jahres zur Anwendung einer oprozentigen 
Jodtinktur über, nachdem er bisher ausschließlich lOprozentige Jodtinktur benutzt 
hatte. Da er in einem Fall von hoher Oberseilenkelamputation mittels Lappen¬ 
schnitts w r egen eines ausgedehnten periostalen Chondrosarkoms eine Pyämie auf- 
treten sah, die er auf das Konto der hier angewendeten schwächer konzentrierten 
Jodlösung setzen zu müssen glaubte, ist er wieder zur loprozentigen Jodtinktur 
zurückgekehrt. 

Weiter verdient der Fall noch deswegen Interesse, weil er mit der Exaktheit 
eines Experimentes die Bedeutung subkutaner Verletzungen, insbesondere sub- 


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kutaner Blutungen für das Entstehen einer metastatischen, eitrigen Entzündung 
beweist. Ein subkutaner Bluterguß, der schon in der Rückbildung beg rillen war, 
schwoll mit dem Einsetzen des Fiebers am 4. Tage nach der Operation an uni 
vereiterte. Bakteriologisch wurden ebenfalls Streptokokken und Staphylokokken 
nachgewiesen, so daß nach des Verfassers Ansicht zweifellcs die Infektion von der 
Amputationswunde aus erfolgt ist. Blenckc - Magdeburg. 

S a 1 o m oni, »Sulla tubercolosi traumatica. Gazzetta degli ospedali e delle 
cliniche 1911, Nr. 51. 

S a 1 o m o n i zeigt, daß der Gelenktuberkulose bei einem je nach dm 
Umständen schwankenden Prozentsatz der Fälle unzweifelhaft als Gelegenheits- 
Ursache ein Trauma zukommt, sei es, indem dasselbe latente Tuberkuloseherde 
anfacht, sei es, indem es dort die Ansiedlung der Koch sehen Bazillen bedingt. 

Ros. Buccheri - Palermo. 

G anessa, Tubercolosi articolare infiammatoria. La Clinica chirurgica 1911. 
Nr. 11. 

Verfasser hat seit anderthalb Jahren eine Reihe von Versuchen unternom¬ 
men. um zu sehen, ob bei Einspritzung von K o c h sehen Bazillen oder deren 
toxischen Produkten in Gelenke von gesunden Meerschweinchen örtlich Läsionen 
erhalten wurden, welche Berührungspunkte mit der sogenannten entzündlichen 
Tuberkulose haben könnten. 

Er kommt zu dem Schluß, daß die einfach entzündliche Gelenktubcrkule.se 
nicht von den löslichen toxischen Produkten abhängig sein kann, sondern einzig 
von dem Mikroorganismus selbst, sei derselbe nun lebend, abgeschwächt, oder 
abgetötet. Verfasser schließt nicht aus, daß auf klinischem Gebiet Anaphylaxie- 
ersclieinungen Vorkommen können, welche die Gelenke noch empfindlicher gegen 
die tuberkulösen Gifte machen. Ros. Buccheri - Palermo. 

R o d o n, Etüde sur le spina ventosa des grands os longs. These de doctorat. 
Bordeaux 1911. 

R od o n gibt einen Bericht über die Tuberkulose der Diaphysen der langen 
Röhrenknochen. Er fugt den bisher veröffentlichten 3 eigene Beobachtungen 
hinzu. Das Krankheitsbild gleicht außerordentlich der »Spina ventosa der kleinen 
Röhrenknochen; wie diese ist die Spina ventosa der langen Röhrenknochen durch 
spindelförmige Auftreibung des Knochens, verhältnismäßig geringe Schmerzen 
und gelegentliches Eintreten von Abszessen und Fistelbildung charakterisiert. 
Differentialdiagnostisch können hauptsächlich Verwechslungen mit chronischer 
Osteomyelitis, manchmal mit Lues, Sarkomen usw. Vorkommen. Einwandfrei 
kann die Diagnose nach Tierimpfung gestellt werden. Das Röntgenbild ist nicht 
sehr charakteristisch; es besteht spindelförmige Knochenauftreibung, periostitisc he 
Verdickung, die namentlich an den Enden der Auftreibung sehr dicht ist; die 
Markhöhle erscheint wie aufgeblasen. Es sind radiographisch Verwechslungen 
mit Osteosarkom und Osteomyelitis chronica vorgekommen. Sequester markieren 
sich meist deutlich. Prognostisch ist die Diaphysentuberkulose günstiger ge¬ 
stellt als die epiphy>are Form. Die Therapie soll so lange als möglich konservativ 
gehamlhabt worden: also Gipsverbändo und modifizierende Injektionen. Abszesse 


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sind zu punktieren und ebenfalls mit Jodoform usw. zu beschicken. Besteht 
schon Fistelbildung, dann ist breite Inzision, Excochleation usw. notwendig. 

Peltesohn - Berlin. 

Rosenbach, Erfahrungen über die Anwendung des Tuberkulins Rosenbach 
bei chirurgischen Tuberkulosen. Deutsche med. Wochenschr. 1912, Nr. 12. 

Die Behandlung mit Tuberkulin Rosenbach schafft eine sehr energische 
Immun Wirkung, durch welche als solche der tuberkulöse Prozeß direkt heilend 
beeinflußt wird. Sie schafft sodann eine intensive Reaktion der Gewebe gegen die 
tuberkulösen Produkte. Mit starker örtlicher Rötung, Hitze, Schmerzen, Schwel¬ 
lung, allgemeinem Unwohlsein und Fieber, ganz wie bei der akuten Phlegmone, 
erfolgt Exsudation, Emigration, Leukozytenansammlung bei positiver Chemotaxis, 
Phagozytose und Histolyse, durch welche die Krankheitsprodukte, Gifte und 
geschädigten Bazillen aus dem Gewebe fortgeschafft und entweder resorbiert 
oder nach außen geschwemmt w erden. Die lokale Injektion bringt das Tuberkulin 
Rosenbach zur energischsten Wirkung, verdient daher, wo sie ausführbar ist, 
stets den Vorzug. Sie ist bei offenen Herden, besonders bei nicht aseptischen, 
meist die allein erfolgreiche. Lokale Injektionen bei geschlossenen Herden werden, 
wo ein tuberkulöser Hohlraum besteht, in diesen gemacht, sonst möglichst in das 
Zentrum der Herde. Die Injektionen bei offenen Herden werden von der Haut 
oder von der tuberkulösen Fläche aus gemacht, aber so weit von letzterer entfernt, 
daß sich das Tuberkulin nicht durch die Granulationen einen Weg bahnt und nach 
außen oder in den Herd oder die Fisteln abfließt. Subkutane Einverleibung 
von Tuberkulin Rosenbach ist hauptsächlich da indiziert, w r o die Herde durch 
lokale Injektion nicht zu erreichen sind. Die subkutane Injektion bei geschlossenen 
Herden kann einen nicht zu unterschätzenden nachhaltigen Heilerfolg zeitigen. 
Bei der subkutanen Injektion bei Bestellen offener Herde ist in manchen Fällen 
ein günstiger Einfluß und Heilung zu konstatieren. Bibergeil- Berlin. 

A. H. Tubby, SirAntonyBowlby, A. Butler Harris, The treat- 
ment of tuberculor.s joint disease in childrcn. Adresses introductory to 
a discussion on the subject. Proceedings, Vol. V, Nr. 3, Januar 1912, 
Section for the study of disease in children, p. 65 ff. 

Die drei Referenten und die Diskussionsredner besprechen die verschiedenen 
Behandlungsmethoden, wobei sie zu dem Schlüsse kommen, daß die konservative 
Methode weitaus vorzuziehen ist. Die Freiluftbehandlung wird dringend befür¬ 
wortet, wobei hervorgehoben wird, daß für dieselben Kosten auf dem Lande 
drei Betten statt eines in der Stadt zu haben seien. Ueber die Tuberkulinbehand¬ 
lung gehen die Meinungen noch auseinander, jedoch wird von guten Resultaten 
bei frühzeitiger Anwendung berichtet. Das Tuberkulin beschleunigt, in kleinen 
Dosen gegeben, bei gleichzeitiger Ruhigstellung der Gelenke den Heilungsprozeß 
(Harris). F. W o h 1 a u e r - Charlotten bürg. 

John L. P o r t a und C a rd in a 1 Q u i n n, The treatment of tubereulous 
joint disease with Carl Spenglers ,.J. K.‘* Serum ; with a report of seven eases. 
American journal of orthopedic surgery. Volume IX. Number 3, Februar 1912. 

Verfasser berichten über 7 Fälle von Gelenktuberkulose, die sie mit Speng¬ 
lers „J. K.“-(Immunkörper)-Serum behandelt haben. Sie haben im allgemeinen 


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einen günstigen Eindruck von der Wirkung des Mittels bei gleichzeitiger Ver¬ 
wendung der üblichen orthopädischen Maßnahmen. Die Behandlung wahrte 
durchschnittlich 6—9 Monate. In einem Falle von Amyloid verzeichnen die Autoren 
ein besonders günstiges Resultat. „J. KU ist ein Extrakt aus roten Blutkörperchen 
von vorher gegen Tuberkulose immunisierten Schafen und Kaninchen und wira 
in Flaschen geliefert, welche eine Million lytische und antitoxische Einheiten ent¬ 
halten. Bibergeil - Berlin. 

Julian Witmer, Ueber den Einfluß der Sonnenbehandlung bei der Hoch- 

gebirgsbehandlung der chirurgischen Tuberkulosen. Zeitsehr. f. Chir. Bd. 114. 
Heft 4, S. 308. 

W itmer skizziert in der vorliegenden Art die in Kolliers Anstalt üb¬ 
liche Behandlung der chirurgischen Tuberkulose. 

Sobald der Patient sich akklimatisiert hat, wird mit der Heliotherapie 
begonnen. Zu diesem Zweck wird der meist ans Bett gefesselte Patient auf die 
für die Sonnenkur nötige offene Galerie verbracht, wo er auch bei bedecktem 
Himmel den ganzen Tag zubringt und zugleich eine Freiluftkur macht. Es empfiehlt 
sich, die Behandlung mit ganz kleinen Dosen anzufangen, da ja die Intensität 
der Sonnenbestrahlung in der Höhe viel größer als in der Ebene ist. Man vermeidet 
dadurch auch das Erythema solare, das sehr lästig ist und vielleicht, wenn sehr 
ausgedehnt, auch einmal zu üblen Zufällen führen könnte, da es doch einer leichten 
Verbrennung entspricht. Dreimal fünf bis dreimal sieben Minuten in Intervallen 
genügen meist am ersten Tage und rufen bei sehr empfindlichen Patienten sogar 
schon leichte Rötung hervor. Indem man jeden Tag je nach der Empfindlichkeit 
um fünfzehn bis zwanzig Minuten steigt, gelangt man innerhalb einer Woche scheu 
zu einem l l 2 Stunden bis länger dauernden Sonnenbade. Es ist weiter empfehlens¬ 
wert, stets besonders die unteren Extremitäten zuerst an das Sonnenbad zu ge¬ 
wöhnen. da dadurch am besten die Kongestionen der inneren Organe vermieden 
werden. Nach und nach kommt man so im Verlaufe von wenigen Wochen zu einen: 
Vollsonnenbade. Man soll dabei den ganzen Körper, nicht nur die erkrankte Stolle, 
der Sonne aussetzen. Der erkrankte Körperteil wird immobilisiert, sei es durch 
bloße Ruhigstellung. sei es durch Extension. Schienen- oder Gipsverband. Zur 
Ermöglichung der Heliotherapie wird über der erkrankten Stelle ein möglichst 
großes Fenster ausgeschnitten. Die meisten Patienten werden zur absoluten Bott¬ 
ruhe verurteilt. Gehverbände sind nach W itmer erst angezeigt, wenn die Tuber¬ 
kulose als erloschen angenommen werden darf, der neugebildete Knochen aber 
noch gescheut werden muß. bevor er seine ganze Aufgabe leisten kann. Abszesse 
werden, wenn sie entleert werden müssen, punktiert, gehen aber meist spontan 
zurück. Außerordentlich oft sieht man auch nach typischen schweren Gelenk - 
tuberkulösen, wie Wit m e r an der Hand von Krankengeschichten und Abbil¬ 
dungen zeigt, die Funktion in vollem Maße zurückkehren. Witmer vertritt 
die Veberzeugung. daß ein großer Teil von Resektionen und eine Menge von sehr 
entstellenden Narben durch Anwendung der Heliotherapie sich in Zukunft wird 
vermeiden las>cn. J o a c h i m s t h a 1. 

A. F r a n / o n i. Ueber den Einfluß der Sonnenstrahlen auf tuberkulöse Sequester. 

Zeit sehr. f. Chir. Bd. 114. Heft 4. S. 371. 

Kranz oni berichtet in der vorliegenden Arbeit aus der Anstalt von 


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Dr. Kollier für Behandlung der chirurgischen Tuberkulosen in Leysin über den 
Einfluß der Sonnenstrahlen auf tuberkulöse Sequester. Lassen wir den Sequester 
unter der gewöhnlichen abwartenden Behandlung herauseitern bzw. sich resor¬ 
bieren, so dauert der Vorgang zum mindesten monatelang, selbst wenn wir die 
Tätigkeit des Organismus durch Jodoforminjektionen oder ähnliche Mittel unter¬ 
stützen. Der Vorgang ist besonders deshalb ein langsamer, weil die tuberkulösen 
Gewebe nur eine sehr geringe Reparationstendenz besitzen, und weil es bei den 
tuberkulösen Fisteln, besonders an den Extremitäten, nicht zu so großen Eiter¬ 
ansammlungen kommt, daß der Sequester bei Gelegenheit des Durchbruches 
eines größeren Abszesses herausgeschwemmt würde. Wird operativ eingegriffen, 
so läßt sich der Sequester allerdings rasch entfernen, diese Entfernung kann auch 
eine schonende sein, wenn der abgestorbene Knochen aus seinem Verbände aus¬ 
gelöst ist. Aber selbst in diesem günstigsten Falle beeinflußt der chirurgische 
Eingriff die zurückbleibenden noch kranken Gewebe bei weitem nicht in der gleichen 
Weise wie das Sonnenlicht. Ist die Demarkation dagegen noch nicht eingetreten, 
so läuft der chirurgische Eingriff Gefahr, mehr Gewebe zu entfernen als unbedingt 
nötig ist, und er kann also nicht Anspruch auf die Bezeichnung eines schonenden 
Verfahrens machen. 

Die Sonnenbestrahlung ihrerseits hat wie jede abwartende Behandlung 
den relativen Nachteil langer Dauer. Dieser Nachteil wird aber bei weitem auf¬ 
gewogen durch den günstigen Einfluß, den die Heliotherapie während der Behand¬ 
lungsdauer auf das Allgemeinbefinden ausübt, ganz besonders aber auch durch 
die kräftige Anregung des lokalen Heilungsvorganges. Ist der Sequester unter 
Sonnenbehandlung eliminiert, so ist gleichzeitig auch der lokale Prozeß geheilt, 
die Fistel geschlossen. Durch diesen letzteren Umstand unterscheidet sich die 
Eliminierung des Sequesters unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen auch von der 
operativen Behandlung. Was man bei der letzteren scheinbar an Zeit gewinnt, 
das verliert man wieder durch den Umstand, daß mit der operativen Beseitigung 
des Sequesters der Prozeß noch nicht ausgeheilt ist, sondern zu seiner Ausheilung 
unter Umständen noch einer Frist von vielen Wochen bedarf. Vor dem operativen 
Verfahren hat die Heliotherapie endlich den Vorzug der größeren Gewebsschonung. 
Der Organismus entfernt unter dem Einflüsse der Sonnenstrahlen nur gerade 
diejenigen Gewebspartien, welche der Wiederherstellung nicht mehr fähig sind. 
Es ergibt sich daraus, daß für alle Fälle von Sequesterbildung mit Fisteln die 
Sonnenbehandlung trotz ihrer relativ langen Dauer das idealste Heilverfahren 
darstellt, das wir bis jetzt kennen. 

Die Wirkung der Sonnenstrahlen beruht einerseits wahrscheinlich auf 
ihren bakteriziden Eigenschaften, und daneben wohl auch nach D u e 1 a u x, 
Green, Roux und J e r s e n auf einer Wirkung auf die Bakterientoxine. Daneben 
kommt, vielleicht noch in höherem Grade, die Einwirkung auf die Gewebe selbst 
in Frage, die sich sowohl durch eine vermehrte Widerstandsfähigkeit des gesamten 
Organismus als auch durch eine lokale Anregung seiner antibakteriellen Kräfte 
und der natürlichen Heilungsvorgänge äußert. 

Franzoni kommt nach seinen Erfahrungen zu dem Schluß, daß wir 
in der chirurgischen Entfernung der Sequester nur einen Notbehelf erblicken 
können, der dann angezeigt ist, wenn die Anwendung der Sonnenstrahlen aus 
sozialen Gründen nicht angezeigt ist. J o a c h i m s t h a 1. 


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E. Z a d r o, Zur Frage der Heliotherapie. Wiener klin. Wochensehr. 1012, Xr. 14. 

Im Seehospiz S. Pelazio-Rovigno hat Verfasser seit April 1011 eine syste- 
matische Sonnenlichtbehandlung durchgeführt und diese bei den verschiedensten 
tuberkulösen Affektionen zur Anwendung gebracht. Um ein Urteil über den Wert 
der Heliotherapie zu gewinnen, hat er bei gleich lokalisierten Affektionen die einen 
ausschließlich mit Heliotherapie, die anderen mit den dort üblichen Heil behelfen 
behandelt. Diese sind hauptsächlich konservativer Natur; außer Licht, Luft und 
Meerbad kommen die üblichen konservativen chirurgischen Heilbehelfe in An¬ 
wendung. 

Die Heliotherapie hat die Erwartungen des Verfassers nicht ganz erfüllt. 
Es konnte gegenüber den durch die sonst übliche Therapie erreichten Resultaten 
keine besondere Differenz gefunden werden, weder in dem Verlaufe noch in der 
Dauer und dem Erfolge. Insbesondere konnte Verfasser nicht sehen, daß durch die 
Sonnenstrahlen die Heilungstendenz von torpiden, tiefen Knochenherden und 
Gelenkaffekt ionen in auffallender Weise befördert oder beschleunigt wurde, 
was aber bei offenen torpiden Wunden wohl der Fall war. 

Nach seinen bisher gemachten Erfahrungen ist Z a d r o nicht in der Lage, 
in der Sonnenbestrahlung allein ein Heilungsmittel für die verschiedenen tuixr- 
kulösen Affektionen zu sehen. Verfasser meint, daß möglicherweise die Dichte 
der verschiedenen zu penetrierenden Luftschichten gewisse heilw irkende Faktoren 
des »Sonnenlichts zurückhalten, die in Hochgebirgen zur vollen (Geltung und 
Wirkung kommen. Verfasser meint, daß man, so lange m m nicht eine einwand¬ 
freie Erklärung über das IVrforationsvermögen der »Sonnenstrahlen und ihrer Kom¬ 
ponenten in die tiefen Gewebsschichtcn und Knochensubstanzen geben kann, 
die anderen Faktoren — Licht, Luft, Sonne und gute hygienische Verhältnisse — 
nicht unterschätzen darf. Die guten Resultate in den Berghospizen, sind 
nicht der Heliotherapie allein zu danken, sondern vorwiegend allen anderen 
sanitären und hygienischen Verhältnissen. Haudek - Wien. 

W alter Spitz m ü 11er und Hans P e t e r k a, Zur Heliotherapie der 
chirurgischen Tuberkulose und »Skrofulöse. Wiener klin. Wochenschr. 1912. 
Xr. 20. 

Es werden von den Verfassern vorerst die Prinzipien dargelegt, die für 
die Behandlung der einschlägigen Fälle an dem Kaiserin-Elisabeth-Kinderhospital 
in Bad Hall maßgebend sind. Ein Teil der Tuberkulosen wird unblutig mit konser¬ 
vativen Maßnahmen, der andere operativ behandelt, wobei selbstverständlich 
möglichst konservativ vonregangen wird, Nachbehandlung mit Jod- und Sol¬ 
bädern. Die Verfasser stehen auf dem Standpunkte, daß das operative Vorgehen 
in derartigen Hospizen schon aus sozialen Gründen geboten ist. da das zu er¬ 
strebende Ziel in viel kürzerer Zeit zu erreichen ist. Bei den Skrofulösen wird 
neben der Allermeinbohandlung die übliche lokale Behandlung durchgefuhrt. 
1 he \ erfa»er glauben nicht, daß von der Sonnenln'strahlung eine spezifische, 
clcktive Wirkung auf die Tuberkulose zu erwarten ist, und weisen unter anderem 
darauf hin. daß die intensive Sonnenbestrahlung bei Feldarbeitern, die an Lupus 
leiden, gar keine Wirkung hat. 

bei dem großen Materiale der Anstalt — etwa BXM) Fälle chirurgischer 
1 uberkulo>e und >krot\ile-e per Jahr — wurde eine große Anzahl von Fallen 


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wahllos bestrahlt. Nach den gemachten Erfahrungen können die Verfasser die 
mannigfachen enthusiastischen Berichte nicht bestätigen. Vor allem 
konnten sic keine Abkürzung der Heilungsdauer oder Verbesserung der Resultate 
bei der Kombination der üblichen Behandlungsmethoden mit der Heliotherapie 
sehen. Eine ausnahmslose Wirkung konnte nicht beobachtet werden; als Plan 
der üblichen Allgemeinbehandlung akzeptieren sie die Sonnenbehandlung gern. 
Das Wichtigste bei der Behandlung der hierher gehörigen Fälle ist die Verbesserung 
des hygienischen Milieus, die sicher auch bei den Erfolgen der Heliotherapie die 
Hauptrolle spielt. Die Verfasser halten es jetzt für das Wichtigste durch Parallel¬ 
versuche festzustellen, ob die Heilresultate der Heliotherapie soviel besser sind, 
als die der üblichen Methoden — konservative und chirurgische — und ob speziell 
die Meereshöhe eine besondere Rolle spielt. H a u d e k - Wien. 

Schmerz, Ueber die Einwirkung des Röntgenlichtes auf chirurgische Tuber¬ 
kulose. Mitteilungen d. Vereins d. Aerzte in Steiermark, Juni 1912, Nr. 6. 

Die Heilwirkung der Röntgenstrahlen dokumentiert sich zunächst durch 
Einschränkung der Sekretion bei fistelnden Knochen und Gelenken, dann durch 
Verflüssigung, eitrige Einschmelzung massenhaft entwickelten tuberkulinen Granu- 
lationsgcwebes, so daß der Eiter dann abgelassen werden muß. Zu dieser Therapie 
eignen sich am besten geschlossene, d. h. nicht fistelnde Tuberkulosen mit möglichst 
wenig Eiteransammlung. Ist Eiter vorhanden, dann soll er durch Punktion zuerst 
entfernt werden. Kinder werden wegen der Wachstumsstörungen bei Bestrahlung 
der Epiphyse.l womöglich von öfter wiederholten Dauer best rahlungen auszu¬ 
schalten sein. Bei hochgradig entwickeltem Fungus, bei schweren kariösen 
Knochenzerstörungen kann die Röntgenbestrahlung nur die Rolle einer Nach¬ 
behandlung haben. Das Röntgenlicht ist, wie aus den Beobachtungen des Autors 
wieder einmal hervorgeht, imstande, auch sehr schwere, mit tiefgreifenden Zer¬ 
störungen einhergehende tuberkulöse Gelcnksprozesse bei entsprechend langer 
und intensiver Bestrahlung zur Heilung zu bringen. Es werden im ganzen 30 Fälle 
bestrahlt und Röhren verwandt, deren Emissionen ein großes Penetrationsvermögen 
besitzen, die also in die Tiefe dringen, Bibergeil- Berlin. 

\V o 1 f, Ueber die Verwendung der Jodtinktur bei der Behandlung der chirurgischen 
Tuberkulose. Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 11. 

Auf Grund zweier Fälle von chirurgischer Tuberkulose, die Wolf operiert 
und nach den Angaben Frankes mit lOprozentiger Jodtinktur behandelt hat, 
ist er schon jetzt ein warmer Anhänger dieser Methode geworden und glaubt, 
wenn auch natürlich hierbei Versager Vorkommen werden, die Jodtinktur als ein 
fast souveränes Mittel ansehen zu können, den Wund verlauf nach operativen Ein¬ 
griffen bei Knochen- und Weichteiltuberkulose ganz außerordentlich zu begün¬ 
stigen. In dem einen Falle handelte es sich um eine Tuberkulose des Acromions 
bzw. des Acromioclaviculargelenkes mit großem schwappenden Abszeß; 17 Tage 
nach der Operation w r ar die Wunde vollkommen vernarbt und genau einen Monat 
nach der Operation konnte Patient dienstfähig zur Truppe entlassen werden. 
Bei dem zweiten Falle handelte es sich um einen Rekruten mit stark fortgeschrittener 
tuberkulöser Drüsen Vereiterung^ auf der linken Halsseite. Der Abszeß stand 
ebenfalls dicht vor dem Durchbruch. Nach 3 l / t Wochen war die Wunde vollkommen 


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vernarbt, ohne daß die geringste Fistelbildung sich gezeigt hatte. Fünf Wochen 
nach der Operation konnte der im übrigen gesunde Patient wieder zum Diemt 
geschickt werden. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

B e 11 i n i, Calore, pressione e vapori iodati nella cura della tubercolosi chirurgica. 
La Clinica chirurgica A. XIX, Nr. 10. 

Verfasser beschreibt in der vorliegenden Arbeit sein persönliches Verfahret 
1 ei der Behandlung der chirurgisch-tuberkulösen Läsionen, welches darin besteht, 
daß man auf den erkrankten Teil drei Faktoren einwirken läßt: Wärme, Druck 
und Joddämpfe. Ros. Buccheri - Palermo. 

Bier, Ueber eine wesentliche Verbesserung der Behandlung chirurgischer Tuber¬ 
kulose mit Stauungshyperämie. Deutsche med. Wochenschr. 1912. Xr. 24, 

Bier empfiehlt bei Gelenk- und Sehnenscheidentuberkulosen, die mit 
dauernder oder täglich vielstündig angewandter Stauungshyperämie behandelt 
werden, zwecks Vermeidung von Abszessen oder Granulationswucherungen J< xi¬ 
salze zu verabfolgen. Ueber die zweckmäßigste Dosierung der Jodsalze kann 
Verfasser noch nichts sagen. Er hat bei Erwachsenen gewöhnlich 3 g Jodkali 
täglich verabreicht, bei Kindern entsprechend weniger. Die Stauungshyperämie 
wurde dreimal täglich 4 Stunden, im ganzen also täglich 12 Stunden angewandt. 
Sie muß recht kräftig sein, zu starker Hyperämie und Oedem führen, darf aber 
keinerlei Schmerzen und Unannehmlichkeiten machen. 

Bibergeil- Berlin. 

Jerusale m. Ein Beitrag zur Heilstättenbehandlung der chirurgischen Tuber¬ 
kulose. Med. Klinik 1912, Xr. 20. 

Bericht über 37 Fälle von Gelenk- und Knochentuberkulose, zu in Teil mit 
Fidelbildung, die im Sanatorium Grimmenstein behandelt wurden, das 2 1 2 Balm- 
stunden von Wien entfernt. 760 in hoch, an einem sonnigen Siidabhange, gelegen i>t. 
Jerusalem kommt zu folgenden Schlußfolgerungen: Die rationelle Behandlung 
chirurgischer Tuberkulosen ist nur in eigenen Heilstätten möglich. Solche Heilstätten 
können nicht nur im Hochgebirge und am Meeresstrande, sondern auch im Mittel¬ 
gebirge errichtet werden. Als geeignet für Heliotherapie erweisen sich gegen Norden 
geschützte, nach Süden gelegene Orte, die sich in staub- und rauchfreier Luft und 
oberhalb der Nebelregion befinden. Da das Bedürfnis nach Sonnenkurorten 
für die arbeitenden Klassen und den kleinen Mittelstand der Industriezentren am 
dringendsten ist, so ist die Errichtung solcher Heilstätten in der Nähe der großen 
Städte anzustreben. Die Kranken- und Invaliditätskassen sowie die Versicherungs¬ 
anstalten sollen für die Errichtung und Unterstützung solcher Anstalten inter¬ 
essiert werden. Bibergeil- Berlin. 

E m i 1 B e c k. Behandlung von chronischen Abszessen und Fisteln mit Wismut puste. 
(IVutM-he med. Gesellsch. in Chicago. 10. Nov. 1911.) Münch, med. Wochensohr. 
1912. Nr. S. 

Bericht über mehrere Fälle von Besserung tuberkulöser Fisteln durch 
WiMuut paste und ein Le Fälle, lei denen durch Wismutpaste in Verbindung mit 
dem Sicreediaurainm die Uisacho der FLtelbildung genau festgestellt werden 
konnte. Sch a rf f • Flensburg. 


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Max 8 g a 1 i t z e r, Ueber Fistelbehandlung mit Beck scher Wismutpaste. 

Wiener klin. Wochenschr. 1912, Nr. 20. 

In einer ausführlichen Arbeit faßt Verfasser die Erfahrungen zusammen, 
die an der v. Eiseisberg sehen Klinik gemacht wurden, unter eingehender 
Berücksichtigung der bisherigen Veröffentlichungen. Er kommt zu nachstehenden 
Schlußfolgerungen: 1. Die B e c k sehe Wismutpaste ist bei Fisteln der Brust¬ 
oder Bauchhöhle, bei Gelenken und Abszessen wegen Gefahr der Intoxikation 
nicht anzuwenden. Wenn dies als ultimo ratio doch geschieht, ist der Patient aut 
die Gefahren aufmerksam zu machen. Als Maximaldosis sind 30 ccm der 10 %-Paste 
zu verwenden. Die Behandlung darf nur in Krankenanstalten durchgeführt werden, 
bei Vergiftungserscheinungen ist sofort der Abszeß oder das Gelenk zu eröffnen. 
Kinder sollen unter keinen Umständen mit Wismutpaste behandelt werden. 

2. Bei alten tuberkulösen Knochenprozessen, sowie bei Weichteilfisteln, 
welche weder in eine Abszeßhöhle noch in einen größeren Hohlraum führen, sind 
Wismutinjektionen bei nicht zu großer Dosis (30 ccm der 33prozentigen Paste 
bei Erwachsenen, eine lOprozentige Paste bei Kindern) bei geeigneter Technik 
als ungefährlich zu bezeichnen; Prozesse in Achselhöhle und Schenkelbeuge sind 
auszuschließen. Unter 80 Fällen waren nur lmal leichte Vergiftungserscheinungen 
zu beobachten. 

3. Unter 22 Patienten mit chronischen Fisteln wurden 6 nur in geringem 
Grade gebessert und nicht beeinflußt, bei den übrigen gutes Resultat. 

4. Als Folgeerscheinung der Injektion trat bei einem Drittel der Fälle 
am Tage der Einspritzung Fieber bis über 39° ein, das binnen 24 — 48 Stunden 
schwand und als Folge von Sekretstauung anzusehen ist; in den folgenden Tagen 
Abnahme der Sekretion und der Schmerzen. 

5. Da bei manchen Kranken nach Amsetzen der Wismutbehandlung wieder 
Verschlechterung eintrat, wird empfohlen, alle 3—4 Wochen eine prophylaktische 
Injektion zu geben. 

6. Wenn auch die Resultate der Klinik nicht so gute waren, wie die von 
Beck publizierten, so sind sie doch bemerkenswert, da sie durch andere Mittel 
in so kurzer Zeit bestimmt nicht erreicht worden wären. Bei 81 Proz. der Patienten 
wurde nach wenigen Einspritzungen eine bedeutende Besserung erzielt. 

Mit Rücksicht auf die Gefahrlosigkeit des Verfahrens bei Verwendung 
geeigneter Fälle und die günstigen therapeutischen Erfolge kann die Wismut- 
behandlung bei chronischen tuberkulösen Knochenprozessen, sowie bei Weichteil¬ 
fisteln, die in keinen Hohlraum führen, mit den angeführten Einschränkungen 
warm empfohlen werden. H a u d e k - Wien. 


Sigmund E r d h e i m, Ueber Wismutintoxikation bei Behandlung nach der 
Methode von Beck. Wiener klin. Wochenschr. 1912, Nr. 20. 

Die Beck sehe Wismutinjektion wurde von der Abteilung des Prof. 
Fraenkel (Wien) in einigen Fällen von Fisteln ohne sonderlichen Erfolg an¬ 
gewandt und daher wieder aufgegeben. Unter 2 Fällen von Empyem ergab der 
erste keinen Erfolg, im zweiten, eines 9jährigen Knaben, bei dem zu diagnostischen 
Zwecken 60 ccm einer 33prozentigen Wismutpaste unter ganz leichtem Druck 
injiziert wurden, kam es zu einer recht schweren Vergiftung, über die Verfasser 
ausführlich berichtet. Im Anschluß hieran bespricht ei die in der Literatur ver- 


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öffentlichten Fälle von Wismutintoxikation, die er auszugsweise anfuhrt. Es sind 
im ganzen 22 Fälle, von denen aber hier nur 19 in Betracht kommen. Es lassen sich 
2 Gruppen unterscheiden. Die eine Form der Vergiftung wurde hauptsächlich 
bei äußerer Anwendung des Wismuts und seiner Derivate beschrieben und ist der 
Quecksilbervergiftung ähnlich, die andere Gruppe als Xitritvergiftung bekannt, 
wird bei interner Darreichung größerer Wismut mengen beobachtet; in die erster* 
Gruppe gehört der hier beschriebene Fall. 

Verfasser bespricht hiermit die Ursachen, die Symptome der Wismut¬ 
vergiftung und die Mittel, die zur Verhütung derselben angewendet wurden und 
endlich die Behandlung der Vergiftung. 

Nach den eigenen Erfahrungen und den sonstigen Mitteilungen ist tri 
Anwendung des Beck sehen Verfahrens die größte Vorsicht auch bei sorgfältiger 
Auswahl der Fälle notwendig. H a u d e k - ien. 

S t e i n, Ueber die perkutane Anwendung radioaktiver Substanzen, speziell des 
Aktiniums. Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 17. 

Stein verwandte die radioaktive Substanz Aktinium, welche sich 
wesentlich billiger als Radiumbromid und Mesothorium stellt, in Form von Radio¬ 
firmkompressen, erzeugt von der Firma L. Marcus, Berlin 0 27, zu therapeutischen 
Zwecken. Die Kompressen sind ein bandartiges Geflecht, das stark mit einer 
aktiniumhaltigen Masse durchtränkt ist und mittels einer Binde auf der Haut 
temporär oder dauernd fixiert wird. Die Hauptindikationen waren rheumatische, 
gichtische und neuralgische Erkrankungen. Verfasser erzielte ausgezeichnete 
Resultate bei Kombination mit der Diathermiebehandlung. Maier- Aussig. 

I) o u m e r, Traitoment de l’osteite tuberculeuse par Feffluvation de haute 
frequence. Comptes rendus de Tacad^mie 1912, Nr. 14, p. 903. 

Versuche, die Hochfrequenzströme (Arsonvalisation) bei Knochentuber¬ 
kulosen anzuwenden, waren in den 11 so behandelten Fällen von vollem Erfolg 
gekrönt. In allen Fällen (1 Tuberkulose des Schulterblattes, 3 der Finger, 2 clor 
Vorderarmknochen, 5 des Fußes) trat Heilung in der Zeit von 1 Monat bis zu 
2 Jahren ein. 4 Fälle, die bakteriologisch identifiziert worden waren, werden 
mitgeteilt. Im Beginn wurde täglich, später, wenn sichtbare Besserung ein¬ 
getreten war, 3mal wöchentlich 5—10 Minuten die erkrankte Partie den von 
einem Resonator ausgehenden Strömen ausgesetzt; die Art des Resonators er¬ 
wies sich als gleichgültig. Peltesohn- Berlin. 

B a r a v a 11 e, Fiattura clella volta cranica con encefalocele ncl bambino. Archivio 
di ortopedia Anno XXIX, 1912, Faseicolo 1. 

Verfasser beschreibt einen Fall von Fraktur des Schädeldachs mit trau¬ 
matischer Encephalocele bei einem 17 Monate alten Kind. Diese Art der Verletzung 
ist äußerst selten, da die kindlichen Schädelknochen äußerst elastisch sind. Die 
Verletzung war dadurch zustande gekommen, daß das Kind von einem Balkon 
4 m tief hcrabstürzte. Es erfolgte Heilung mit geringem Ausfall im Bereiche 
der rechten oberen und unteren Extremität und leichter Steigerung des Knie¬ 
phänomens. Bibergeil- Berlin. 


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Referate. 


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Krawetz, Zur Behandlung des angeborenen Schiefhalses. Diss. Würzburg 
1912. 

Verfasser bespricht zunächst die Aetiologie, pathologische Anatomie und 
Therapie des angeborenen Schiefhalses, ohne etwas Neues zu bringen, und fügt 
dann noch den bisherigen Behandlungsmethoden eine neue hinzu, die von R i e- 
dingerin4 Fällen mit gutem Erfolg geübt wurde, über die er kurz berichtet. 
Sie besteht darin, daß der Kopfnicker sowohl unten am stemalen Ansatz als oben 
am Processus mastoideus subkutan durchtrennt wird. Die Partie, an der die 
Durchtrennung vorgenommen werden soll, wird mittels eines durch die Haut 
und unter den Muskel geschobenen scharfen Hakens kräftig in die Höhe gezogen 
und mit einem dicht daneben eingeführten, nicht zu stark gekrümmtem Tenotom 
von hinten nach vom durch trennt. Nach Durchtrennung der beiden Muskelenden 
wird in vorsichtiger Weise das Redressement in der Weise vorgenommen, daß 
der Operateur von der Kopfseite des Patienten einen allmählich stärker werdenden, 
stetigen Zug in der Richtung des Kopfnickers ausübt. Ein Watteverband nach 
Schanz bleibt für 2—3 Wochen liegen und, wenn nötig, folgen noch gymnastische 
Hebungen. Nach des Verfassers Ansicht wird sich das Verfahren weniger für 
schwere Fälle bei Erwachsenen eignen als für die meist nicht sehr schweren Fälle 
bei Kindern bis zum Ende der Wachstumszeit. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Hönck, Torticollis spastica. (Aerztl. Verein in Hamburg, 12. März 1912. 
Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 13. 

Ein Patient hatte seit 13 Jahren klonische Zuckungen im Gebiet der Skaleni 
und des Sternocleidomastoideus. Elektrische Behandlung, Massage usw. ohne 
Erfolg. Da der Blinddarm erkrankt schien, Appendektomie, die auch die 
Zuckungen in den Halsmuskeln beseitigte. Hönck nimmt einen reflektorischen 
Zusammenhang (Sympathicus) zwischen beiden Affektionen an. 

S c h a r f f - Flensburg. 

Luaen a, Traumi e tumori. A proposito di un condroma dello sterno consecutivo 
a contusione. (La Clinica chirurgica A. XIX, Nr. 11). 

Verfasser bespricht ausführlich die Frage nach dem Zusammenhang 
zwischen Traumen, besonders Kontusionen und Tumoren, und legt dann die Be¬ 
dingungen fest, in denen ein solcher Zusammenhang angenommen werden kann 
oder nicht, namentlich bei Unfällen. Schließlich teilt er den klinischen Fall eine« 
Patienten mit, der nach einer Kontusion an einem gegebenen Punkt der Sternal- 
gegend dort ein Chondrom auftreten sah. R o s. B u c c h e r i ■ Palermo. 

Henry C u r t i s, Acute periostitis of rib with Separation of sequestra (non- 
tuberculous, non-traumatie). Proceedings of the Royal societv of medicin 
Vol. V, Nr. 3, Januar 1912, Clinical section, p. 89. 

Akute Periostitis einer Rippe bei einem 14jährigen Knaben, die, ohne 
nachweisbare Ursache, sich in 4 Tagen entwickelte und mit hohem Fieber einher¬ 
ging. Reichliche Entleerung von Fiter bei der Eröffnung. Mehrere Monate, 
nachdem die Wunde sich geschlossen hatte, stießen sieh drei Sequester ab. 
Keine Tuberkulose. Der Eiter enthielt Staphvlococcus aureus. 

F. Wo hl au er - Charlottenburg. 


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F. Erke?, Zur Kasuistik seltener kongenitaler Thoraxdeformitäten. ZeitscLr. 
f. Our. Bd. 114, Heft 1/3, S. 239. 

E r k e s berichtet über 2 Fälle von totaler Rippenaplasie, sowie uh-* 
einen Fall mit Anomalien der Rippen und der Wirbelsäule. Bei dem ersten, 3 Jaiuv 
alten Knaben besteht eine linkskonvexe spitzwinklige Krümmung der Lenti er» - 
Wirbelsäule und der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule mit dem Scheitel in 
9. und 10. Brustwirbel. Die linke Hälfte des 6. Brustwirbels fehlt. Dieser AusLI 
wird durch eine stärkere Entwicklung der entsprechenden Hälfte des 7. Wirbel* 
kompensiert, der 7. und 8. Brustwirbel besitzen links keine Rippen. Die beide:.- 
den Defekt umgrenzenden Rippen sind deformiert, die obere Ist in ihrem 
Rückenteil um mehr als das Doppelte verdickt. Die untere Rippe ist gegabU: 
(Luschkas Rippendeformität). Außerdem besteht eine Rechtsverlagerung de* 
Herzens. 

Bei dem zweiten 2 x / 4 Jahre alten Knaben besteht ein Hochstand der rechtes 
Scapula mit starker Ausbildung des Angulus medialis, sowie eine linkskonvex* 
cervikodorsale und rechtskonvexe dorsolumbale Skoliose. Rechts verläuft die erste 
Rippe im Bogen steil nach abwärts, die zweite und dritte fehlen gänzlich. Diese 
Lücke wird zum großen Teil durch die Scapula gedeckt. Die vierte und fünfte 
Rippe sind in ihrem an die Wirbelsäule angrenzenden Teil knöchern verwachsen, 

ln der dritten, einen 3 Jahre alten Knaben betreffenden Beobachtung 
besteht, soweit dieses am Röntgenbilde erkennbar ist, eine Spaltbildung i:n 
Bereich der Halswirbelsäule sowie eine Synostose zwischen dritter und vierte: 
rechter Rippe. JoachimsthaL 

E r w i n F r a n c k. Die Ueberschätzung von Rippenbrüchen in der Unfallbegu:- 
achtung. Aerztl. Sachverständigenzeitung 1912, Xr. 11. 

Für die Anerkennung eines halbwegs schweren Rippenbruchs mit länger 
andauernder, d. h. die 13. Woche überschreitender Erwerbsunfähigkeit bleiben 
entsprechend dem gegenwärtigen Standpunkt der wissenschaftlichen Unfall kund» 
erforderlich, erstens ein erhebliches, gut lokalisiertes und direktes Trauma he» 
Arbeitern in der Regel jenseits der dreißiger Jahre, zweitens das Auftreten un¬ 
verkennbarer objektiver Erscheinungen alsbald nach dem Unfall und sofortige 
Arbeitsunterbrechung, drittens Kontrolle des äußerlich festgestellten Befundes 
durch die Durchleuehtung, welch letztere einen erfahrenen, differential-diagnostisch 
und technisch gleich gut geschulten Beobachter voraussetzt. 

Bibergeil- Berlin. 

F. Grs ös. Die Prädilektionsstellen der indirekten Verletzungen und der chroni¬ 
schen traumatischen Erkrankungen der Halswirbelsäule. Arch. f. klin. Chir. 
Bd. 92, Heft 4. 8. 855. 

Bei seinen Versuchen, indirekte Verletzungen der Halswirbelsäule horba¬ 
zuführen, gingOrsös so vor, daß er die Biegung nach rückwärts größtenteilf 
derart ausführte, daß er, nach Unterstützung des Rückens der Leiche mit einem 
dickeren Holzklotz, den eingehüllten Kopf am Kinne und an der Stirn erfaßte und 
stark nach rückwärts bog. In gleicherweise wurden die Versuche in Bauchlage 
des Kadavers ausgeführt. Bezüglich der Stelle und der Form der eingetretenen 
Verletzung zeigte sieh in beiden Versuchsweisen kein bemerkbarer Unterschiei. 


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Das Resultat der Retroflexion war in der Regel ein mehr oder weniger tief gehender 
Riß einer Zwischenscheibe. Meist entstand derselbe an der oberen Grenze der 
Bandscheibe, bei morschen, brüchigen Scheiben auch in der Mitte. Zuweilen blieben 
kleinere oder größere losgelöste Teile der Wirbelkörper an der Scheibe haften. 
In relativ wenigen Fällen (8,7 Proz.), meist bei marantischen osteoporotischen 
Individuen, riß der eine Wirbel selbst quer durch. Bei diesen kam es auch vor, 
daß einzelne der fest aneinander gepreßten Domfortsätze sich gegeneinander 
zerdrückten. Außer einer recht beträchtlichen Anzahl von negativen Versuchen 
hat 0 r s 6 s 400 mit positivem Erfolg gemacht. Die Läsion fiel in 88 Proz. der 
Versuche zwischen den 5. und 7. und in mehr als 50 Proz. allein zwischen den 6. 
und 7. Wirbel. Die zwischen letzteren gelegene Bandscheibe ist also bei der Retro¬ 
flexion in erster, die zwischen dem 5. und 6. Wirbel liegende in zweiter Reihe der 
Läsion ausgesetzt. Nach auf- und abwärts nehmen die Zahlen plötzlich ab. Die 
Anteflexion hat 0 r s 6 s größtenteils in der Rückenlage des Kadavers und in mehreren 
Fällen — ohne daß sich ein Erfolg im Unterschied zeigte — durch Fallenlassen 
der senkrecht gehaltenen Leiche auf den Nacken erzeugt. Unter 100 Anteflexions- 
versuchen fallen 66 Proz. sämtlicher Verletzungen zwischen den 7. Hals- und 
2. Brustwirbel. Fast zwei Drittel davon betreffen die zwischen Hals und Brust 
liegende Bandscheibe. Unterhalb des 2. Brustwirbels kam keine Läsion mehr 
vor; nach aufwärts zu fallen die Zahlen rapid ab. An der zwischen 5. und 6. Wirbel 
befindlichen Scheibe ist aber noch ein relatives Ansteigen bemerkbar. Die Stelle 
der Prädilektion liegt somit zwischen dem 7. Hals- und 1. Brustwirbel, das nächst 
untere Scheibenband folgt an zweiter, das zwischen 5. und 6. Wirbel liegende 
an dritter Stelle. 54,5 Proz. der zwischen 4. und 7. Wirbel fallenden Läsionen 
waren mit Totalluxation verbunden. Unter den in das Gebiet des 7. Hals- und 
2. Brustwirbels fallenden Verletzungen kam auffallenderweise nur eine einzige 
Luxation vor. 

Bei der Ausführung seiner Experimente machte O r s 6 s noch die interessante 
Beobachtung, daß die als Prädilektionsstellen der Verletzungen erkannten Punkte 
zugleich der Sitz eigentümlicher, im Grunde der Spondylitis deformans ent¬ 
sprechender Erkrankungen der Zwischenwirbelscheiben und Wirbel sind. Sämt¬ 
liche in Betracht kommenden Wirbelsäulen waren im Brust- und Lendenteil 
völlig normal oder nur im Lendenteil mit geringsten Spuren einer Deformation 
behaftet. Die Veränderungen äußerten sich in einer gelblichen Farbe, Brüchigkeit 
und eventuell schon in relativer Abflachung der zw'ischen dem 5. und 6. oder 6. und 
7. Wirbel liegenden Zwischenscheibe. Die bei der Spondylitis deformans vielfach 
beschriebenen Veränderungen, auf die Halswirbelsäule beschränkt und speziell 
auf diejenigen Stellen, welche als die Prädüektionssteilen der bei der exzessiven 
Dorsalflexion auftretenden Verletzungen gefunden wurden, lassen keinen Zweifel 
daran aufkommen, daß es sich hier um statische Ueberlastungsdeformitäten 
handelt. Durch die geschilderten, meist in höherem Alter und an den Prädilektions¬ 
stellen einsetzenden Veränderungen wird der Widerstand der Halswirbelsäule 
indirekten Verletzungen gegenüber auffallend herabgesetzt. Dieser Umstand 
hat auch vom gerichtsärztliehen Standpunkt aus betrachtet eine Wichtigkeit. 
Es können nämlich bei Individuen, die mit solchen Veränderungen behaftet sind, 
im Leben oder postmortal durch relativ sehr geringe Gewalteinwirkungen Risse 
oder Brüche der Halswirbelsäule entstehen. Joachimsthal. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 43 


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V. P u 11 i, Beitrag zur Traumatologie der Halswirbelsäule. Zeit sehr. f. Chir. 
Bd. 115, S. 555. 

Bericht über 2 Fälle. In dem ersten handelte es sich um eine Luxation 
des 4. Halswirbels. Patient, 25 Jahre alt, wurde, als er sich im Ringkanipf übte, 
bei einem „doppelten Nelsongriff 44 zu einer forcierten Flexion des Halses gezwungen. 
Der Griff war so stark und unerwartet, daß der junge Mann auf den Kopf fiel, 
während die Halswirbelsäule mit dem Körpergewicht des Gegners beschwert war. 
Er wurde in bewußt losem Zustand in ein Spital gebracht, wo er 20 Tage hindurch 
in unbeweglicher Stellung im Bette blieb. Später vermochte der Kranke dm 
Kopf ohne Mithilfe der Hände nicht aufrecht zu halten; versuchte er die Stütze 
der Hände wegzulassen, so traten die heftigsten Schmerzen auf. Die Muskeimassm 
des Halses gerieten in einen starken Kontraktionszustand, und der Hals neigt«- 1 
sich leicht nach rechts. Bei der Betastung konstatierte man ein deutliches Pro¬ 
minieren des Dorn fort Sitzes des 5. Halswirbels; entsprechend dieser Vorwölbung 
rief der Druck heftigen Schmerz hervor. Der Schmerz war dagegen bei Rotations¬ 
bewegungen des Kopfes ganz gering und hörte bei absoluter Ruhe auf. In der 
rechten Regio deltoidea und supraspinata w r ar die Tast- und Schmerzemptindiinii 
herabgesetzt. Der Kranke konnte den rechten Arm nach allen Richtungen frei 
bewegen, nur die Abduktion war stark eingeschränkt. Das Radiogramm zeigte 
eine Rotationsluxation des 4. Halswirbels über den 5. 

In Aethernarkose wurde mit Hilfe von Rotations- und Traktionsbewegungen 
des Kopfes eine Reduktion versucht, die jedoch nicht gelang. Der Kranke wurde 
sedmn einige Tage mit Gewichtszug am Kopfe behandelt; es wurde ein Gips¬ 
korsett angebracht , mit welchem er aufzustehen begann. Die Schmerzen ver¬ 
schwanden in kurzer Zeit, und nach 2 Monaten, während welcher Zeit elektrische 
Behandlung und Massige der paretischen Extremität durchgeführt wurden, wurde 
der Gipsverband abgenommen. Man konnte konstatieren, daß Kopf und Hals 
ohne Stütze in richtiger aufrechter Stellung blieben. Die Extensions- und Flexions- 
bewegungen des Halses waren gleich Null, relativ möglich die Rotations- mul 
InklinationsbewTgungen. Die Schulterbewegungen waren gehemmt. Drei Jahre 
nach dem Trauma verspürte Patient keine Schmerzen in der Halswirbelsäule mehr. 
Die .'selbe besaß nur noch einen gewissen Grad von Rigidität in ihrem mittleren 
Anteil; keine Störung in der Funktion der rechten oberen Extremität. Der Krank 1 
ging wieder seiner Arbeit als Tischler nach, betrieb Gymnastik und übte sich 
wieder im Ringkampfe. Das Radiogramm zeigte, daß die definitive »Stabilität, 
die die Wirbelsäule trotz der schweren Kontinuitätsstörung angenommen hatte, 
durch eine knöcherne Verschmelzung der beiden linkseitigen Gelenkfortsätze 
garantiert war. Der Fall zeigt, bis wohin und in welcher Art eine schwere Ver¬ 
letzung der Halswirbelsäule ohne funktionellen »Schaden ausheilen kann. 

In dem 2. Falle war eine Fraktur des Epistropheuszahns mit 
L u x a t i o n d e s A t 1 a s bei einem 7 1 .jährigen Mädchen in der Weise ent¬ 
standen, daß, während dasselbe sich in Kniebeugestellung befand, um seine Notdurft 
zu verrichten, ein heftiger Stoß auf den Kopf durch den Körper der kleinen, veil 
einem Sessel herunterfallenden Schwester ausgeübt wairdc. Das mit Wucht auf 
den Boden geschleuderte Mädchen stieß einen »Schrei aus und versuchte sofort 
den Kopf mit den Händen zu stützen. Diese Haltung zeigte die Kleine auch 
noch 2 Monate später, als Pu t t i sie zaim ersten Male sah. Das Kind schrie hei 


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jedem Versuch, die Hände vom Kopf zu entfernen; selbst vermochte es mit Hilfe 
der Hände geringe Rotationsbewegungen auszuführen, ebenso minimale Ex- 
tensions- und Flexionsbewegungen* Drückte man mit dem Finger auf die Dom¬ 
fortsätze des 1. Halswirbels, so verursachte man einen akuten Schmerz. Keine 
Störungen der Funktionen des Rückenmarks und der Zervikalnerven. Das Radio- 
graram zeigte, daß der in allen seinen Teilen unverletzte Atlas nach vom luxicrt 
war und den abgebrochenen Processus odontoideus nach vom gezogen hatte. 

Xachdem einige Tage hindurch ein Gewichtszug im Bett angewandt worden 
war, wurde um den Hals und dis Hinterhaupt ein gut anmodelliertes Gipskorsett 
angelegt, welches den Kopf und die ganzeWirbelsäule gut immobilisierte. Die Kranke 
trug den Apparat 4 Monate lang, später wurde er durch einen abnehmbaren ersetzt 
und Massage angewandt. 8 Monate nach dem Trauma vermochte Patientin einige 
Stunden hindurch ohne Apparat zu bleiben und sich ziemlich rasch fortzubewegen. 
Späterhin schwanden alle Folgeerscheinungen des Traumas. Ein 4 x j 2 Monate 
nach Anlegung des Gipskorsetts hergestelltes Radiogramm zeigte, daß die Störung 
ausheilte, besonders infolge knöcherner Proliferationen, welche vom unteren 
Rande des vorderen Atlasbogens ausgingen und bis zum Körper des 3. Halswirbels 
reichten, so gleichsim ein Hindernis für eine weitere Dislokation des Atlas nach 
vorne bildend. Joachimsthal. 


F. d e Q u e r v a i n. Die Behandlung veralteter Wirbelluxationen mittels Osteo¬ 
plastik. Beitr. z. klin. Chir. Bd. 79, Heft 1, S. 155. 

de Quervain hat in 2 Fällen von veralteten Wirbelluxationen mit 
Hilfe der Spina seapulae eine Stützung der Wirbel versucht. 

Der erst 32jährige Patient hatte bei einem Skiunfall eine Totalluxation 
des 5. gegen den 6. Halswirbel erlitten mit ausgesprochenen beidseitigen Wurzel¬ 
symptomen im Bereiche der 6. Wurzel des Plexus brachialis, aber ohne Erschei¬ 
nungen von seiten des Rückenmarks. Bei der Aufnahme des Patienten in die 
chirurgische Klinik zu Basel waren die Wurzelerscheinungen sozusagen geschwun¬ 
den. Es bestand aber eine derartige Unsicherheit in der Haltung des Kopfes, 
daß der Patient, um nicht eine steife Krawatte tragen zu müssen, sich einer be¬ 
weglichen, das Kinn stützenden, am Thorax befestigten Krücke bediente, die er 
selbst angefertigt hatte und ohne die er nie herumging. Dieselbe versah ihren 
Dienst recht gut, hinderte aber den Patienten doch ganz erheblich an der Wieder¬ 
aufnahme seiner Berufstätigkeit. Er wünscht? deshalb dringend, sei cs auch auf 
operativem Wege, von der Haltlosigkeit der Halswirbelsäule befreit zu werden. 
I)a ein Versuch mit Extension und Röntgenkontrolle ergab, daß von einer Dis¬ 
traktion der beiden verschobenen Wirbelkörper keine Rede sein konnte, so legte 
de Quervain die linke Spina seapulae frei, löste die Muskeln oben und unten 
unter Schonung des Periosts von derselben ab und entfernte die Spina selbst mit 
der Zirkularsäge. Das so erhaltene Knochenperiost stück war etwa 7 cm lang. 
Die beiden Muskeln wurden mit Katgut vernäht und die Wunde verschlossen. 
Sodann legte man die Halswirbeldornen frei, löste Muskeln und Periost von den¬ 
selben auf beiden Seiten ab und entfernte die vorstehenden Enden des 3., 4. und 
f>. Domes mit der Kneifzange. Nun wurde das Knochenstück genau zugeschnitten, 
in die Lücke eingepaßt und zu beiden Seiten durch Katgut nähte befestigt. Das 
sigittal gespaltene Ligamentum nuchae wurde über dem Knochenstück wieder 


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vernäht und dann die Wunde geschlossen. Der Kopf wurde in etwas rückwärts 
geneigter Stellung durch einen leichten Stärkegipsverband geschlossen. l>er 
Heilungsverlauf war ein völlig normaler. Nach einer Woche wurde der Gipsver¬ 
band endgültig abgenommen. Der zunächst noch benützte Stützapparat wurde 
bald endgültig fortgelassen. 

Denselben Eingriff vollzog de Quervain bei einem Patienten mit 
Totalluxation des 5. Halswirbels, dessen Verletzung bis 1904 zurückreichte. 

Bei beiden Patienten sind die Kopfbewegungen durch den Eingriff nicht 
nur nicht eingeschränkt, sondern im Gegenteil ausgiebiger geworden. 

Joachim st h a 1. 

Quetsch, Die totalen Wirbelverschiebungen im Bereiche der unteren Hal>- 
wirbelsäule, ihre Prognose und Beurteilung. Münch, med. Wo che ns ehr. 
1912, Nr. 18. 

An der Hand von 5 Krankengeschichten zeigt Quetsch, daß die Pro¬ 
gnose der totalen Verschiebungen der unteren Halswirbel nicht so schlecht 
ist, wie man früher angenommen hat. Nur in 3 Fällen waren schwerere Lähnmmis- 
erscheinungen vorhanden, die sich aber später wieder von selbst zurückbildeten. 
Die totalen Wirbelverschiebungen nach vom führen zu schweren Vorbeugehaltungen, 
dagegen stört die Totalluxation nach hinten die Kopfhaltung und -bewegung nur 
wenig. Bei jüngeren Individuen wird auch die Vorbeugehaltung durch vermehrte 
Lordose der aufsteigenden Halswirbelsäule gut kompensiert, während bei älteren 
Personen infolge mangelnder Anpassungsfähigkeit oder sekundärer traumatischer 
ankylosierender Spondylarthritis leicht Versteifung eintritt. In 3 Fällen bestand 
nach erfolgter voller Angewöhnung kein meßbarer Schaden mehr, während ein 
Fall mit 40 Proz., ein anderer mit 50 Proz. Erwerbseinbuße abgeschätzt wurde. 

S c h a r f f - Flensburg. 

Rommel, Luxation der Halswirbelsäule. Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 10. 

Luxation des V. Halswirbels nach vom. Motorische Parese beider Arme 
bei intakten unteren Gliedmaßen. Sensibilität«-, sowie Blasen- und Mastdarm- 
störungen fehlen. Der Kopf nimmt eine leichte Zwangsstellung nach vom ein. 
Nach Anwendung des Streckbettes gingen die Paresen der Arme und die Par- 
ästhesien zurück, ohne daß jedoch eine Reposition des Wirbels erzielt worden 
w ar. Nachbehandlung mittels eines festen Gipskragens. Maier- Aussig. 

R. Hutchison, Paralysis of the museles of the neck (Poliomyelitis?). Pro- 
ceedings, Vol. V, Nr. 5, März 1912, Sect ; on for the study of disease in 
children, p. 142. 

2V 2 jähriges Kind, das mit Fieber und Ohrenbeschwerden erkrankt war. Zu¬ 
gleich damit bildete sich eine Schw äche im Nacken aus, so daß das Kind den Kopf 
nicht aufrecht halten konnte. Von der Lähmung befallen sind die Sternocleido- 
mastoidei, die Trapezii, und zw r ar mehr links als rechts. Das Röntgenbild zeigt keine 
Veränderung an der Wirbelsäule. Nach 4 Monaten ist die Lähmung beträchtlich 
zurückgegangen. Hutchison hält die Erkrankung für eine Poliomyelitis, 
zumal sie im Spätsommer 1911, der Poliomyelitisepidemiezeit, entstanden ist. 
In der Diskussion wird hervorgehoben, daß die Lokalisation selten sei, aber neuer¬ 
dings 2 Fälle in Irankreich beobachtet wurden, in denen allerdings auch die 


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Beinmuskulatur befallen war (Parkes Weber). Auch James Taylor 
hat einen ähnlichen Fall gesehen. F. Wohlauer - Charlottenburg. 

Tröves, Cote cervicale. Soc. anatom. de Paris, Januar 1912, p. 37. 

Röntgenbild, von einem 10jährigen Mädchen aus Rußland stammend, 
auf welchem eine gut ausgebildete linkseitige Halsrippe zu sehen ist. Es bestehen 
bisher keine Störungen. Gewöhnlich treten solche erst vom 15. Jahre ab ein. Nach 
Grubers Statistik soll in Rußland ein Drittel aller Individuen Halsrippen 
haben; andere Statistiken weisen nur 1 Proz. auf. P e 11 e s o h n - Berlin. 

Streißler, Eine neue Methode der Resektion der Halsrippen von rückwärts. 
Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 9. 

Da der Entfernung der Halsrippen von vom her eine Reihe von Schwierig¬ 
keiten und Nachteilen anhaften, hat Streißler eine Methode ersonnen, mit 
der er die Halsrippe von rückwärts her ganz oder wenigstens zum größten Teil 
freizulegen sucht. Verfasser beschreibt diese Methode an der Hand eines Falles, 
den er zu operieren Gelegenheit hatte; sie gestattet eine rasche und mühelose 
Freilegung der Halsrippe ohne Nebenverletzungen, da selbst bei der Notwendigkeit 
eines vorderen Gegenschnittes der schwierigste Teil des Eingriffes von rückwärts 
ausgeführt wird; die Plexusstämme brauchen nicht mühevoll auseinandergezerrt 
zu werden, die Pleura ist rückwärts nicht so zerreißlich, da sie durch die band¬ 
artigen Faserzüge des Ligamentum pleurovertebrale und pleurocostale verstärkt 
wird, und der Zugang zur Rippe ist frei und bequem. B1 e n c k e - Magdeburg. 

R. C. J e w e s b u r y, Deformity of the ehest. Proceedings of the Royal society 
of medicine, Vol. V, Nr. 4, Februar 1912, Section for the study of disease 
in children, p. 124. 

12jähriges Mädchen mit doppelseitiger Halsrippe und Deformierungen — 
Exostosenbildung — an der ersten und zweiten Rippe rechterseits. Die Spangen, 
die von der ersten und zweiten Rippe ausgehen, artikulieren untereinander. Der 
obere Teil der rechten Brustseite ist abgeflacht, der M. pectoralis major ist 
schwächer als der linke. 

Morley Fletcher meint, daß die geringere Entwicklung des Pecto¬ 
ralis auf eine Nervenschädigung zurückzuführen sei, die durch die Rippenmi߬ 
bildung bedingt wäre. 

G. A. Sutherland hebt hervor, daß gewöhnlich eine Atrophie der 
Rippen bestände, wenn der Pectoralis nicht entwickelt sei; daß in derartigen 
Fällen noch eine überzählige Rippenbildung vorhanden sei, wäre ungewöhnlich. 
Sutherland hat einen Fall gesehen, in dem eine Halsrippe mit deutlicher 
Unterentwdcklung des Pectoralis und Trapezius und Mißbildung der Brust vor¬ 
handen war. F. Wohlauer- Charlottenburg. 

G o u r d o n, Scoliose congenitale et atrophie des apophvses epineuses. Rev. 
d’orthop. 1912, Nr. 2, p. 109. 

G o u r d o n teilt einen Fall von kongenitaler Skoliose bei einem 15jährigen 
Mädchen mit. Mit 13 Jahren begann die Skoliosenbildung. Es bestand eine link¬ 
seitige Lumbalskoliose ohne Gegenkrümmung. Im Stehen, noch mehr in der 


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Vornüberbeugehaltung, fand sich in der Domfortsatzlinie in Höhe des X., XI. 
und XII. Brustwirbels eine Einsenkung. Die Haut war an dieser Stelle unver¬ 
ändert. Ferner waren die Dornfortsätze des I. und II. Lendenwirbels zwar fühlbar, 
aber deutlich zurückgeblieben. Das Röntgenbild zeigte, daß die Verbiegung 
von dem XL Dorsal- bis zum IV. Lumbalwirbel reichte; der Scheitelpunkt der 
Krümmung war durch den in seinem Breitendurchmesser verminderten XI. Brust¬ 
wirbel gebildet. Der V. Lendenwirbel blieb in Höhe, Breite und Dichtigkeit 
hinter der Norm zurück. Es bestand endlich ein sechster, den V. nach rechts 
überragender Lendenwirbel. 

Bemerkenswert ist bei dieser Beobachtung besonders die zirkumskripte 
Abbiegung der Wirbelsäule im Bereich von nur 6 Wirbeln und das Fehlen von 
3 Dornfortsätzen. Diese Befunde weisen auf das Bestehen einer kongenitalen 
Anomalie hin. In den Dornfortsatzdefekten hat man eine Art Spina bifida zu 
erblicken. Die oben beschriebene Einsenkung in der Dornfortsatzreihe rechtfertigt- 
die Bezeichnung „trou 6pineux“. Peltesohn - Berlin. 


D e n u c 6, Depression cutanec dorsale mediane avec malformation epineuse 
sousjacente, eigne de scoliose congenitale due ä un spina bifida. Rev. d'orthop. 
1912, Nr. 2, p. 99. 

Bezugnehmend auf obige Beobachtung Gourdons teilt D e nuce 
mit, daß er mehrfach Gelegenheit gehabt hat, solche Einsenkungen in der Dorn- 
fortsatzlinie zu sehen. Er fand, daß die Depression manchmal nach abwärts 
ausgezogen ist und dem Defekt zweier Dornfortsätze entspricht. Weiterhin kann 
die Haut an dieser Stelle einen narbigen Eindruck machen, ähnlich derjenigen, 
die man über einer Myclocele sieht. Es unterliegt nur geringem Zweifel, daß die 
geschilderte Defektbildung mit der Spina bifida occulta resp. oeelusa in Zu¬ 
sammenhang steht. Letztere Anomalie ist ein weiteres Stadium in der Spontan¬ 
heilung der Spina bifida und ist dadurch gekennzeichnet, daß der Canalis spinalis 
knöchern geschlossen ist, aber die Dornfortsätze nicht zur Entwicklung gelangt sind. 

De nuce bestätigt zum Schluß die Anschauung Gourdons, daß 
das sogenannte „trou epineux“ ein Zeichen für eine kongenitale Skoliose ist. 

Peltesohn - Berlin. 


E w a 1 d, lieber die Spina bifida occulta. Fortschritte a. d. Geb. d. Rönt<r e nstr. 
XY1II, Heit 4. 

Gelegenheit zu dieser Arbeit gab dem Verfasser ein Fall, den er während 
einer militärärztlichen Uebung beobachten konnte. Es handelte sieh um einen 
21 jährigen Dragoner, der im Zivil beruf Schl äeht erg eselle ist und als solcher immer 
schwer Indien und tragen muß. Er hat seit seiner Geburt einen kleinen Aus¬ 
wuchs in der Lendengegend in der Mitte des Rückens, der sich nie verändert 
und Beschwerden gemacht haben soll. Die vorhandenen geringen Hautanomalien 
waicn nur so geringes elab man eine große Rückenmarks- oder Wirbclverände'ruiu 
unter der Haut gar nicht vermuten konnte. Erst das Röntgenbild zeigte einen 
} alt am 1\ * und Le*nele*nwiibed und I. Sakralwirbel. Leichte Schmerzen in 
Lenden KieuzLcingegeuiel, die erst im achten Monate seiner Dienstzeit auf- 
traten, führten ihn zum Arzt, waren aber so gering, daß sich der Patient noch nicht 
zu einer operativen Beseitigung der Geschwulst entschließen konnte. 

B 1 e n c k e - Mageleburg. 


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Erich Ebstein, Hypertrichosis und Spina bifida occulta. Deutsche Zeitsehr. 
f. Nervenheilk. 1911, 1. u. 2. Heft, Bd. 43. 

Bericht über ein lßjähriges Mädchen mit abnormer Behaarung in der 
Höhe des 3.-5. Lumbalwirbels von etwa viereckiger Gestalt. Die Richtung 
der flaumweichen Haare auf völlig normaler Haut ging von rechts oben in 
schräger Richtung nach links unten gegen das Kreuzbein zu. Die Haut zeigte 
unter dieser behaarten Steile weder Pigment, noch war sie verdickt anzufühlen. 
Die genaueste Palpation der Wirbelsäule ergab keinen abnormen Befund, keine 
fühlbare Vertiefung, keine Veränderung an den Processus spinosi der Lumbo- 
sakralgegend. Das Röntgenogramm zeigte im ganzen eine leichte Skoliose der 
Wirbelsäule, die Verfasser als angeboren auffaßt. An dem L und 2. Lumbalwirbel 
sind die Processus spinosi deutlich gespalten; am 3. scheint nur ein seitlich 
gestellter Dornfortsatz zu bestehen. Die betreffenden Wirbelbogen sind an den 
Lumbal wirbeln sämtlich geschlossen; die Knochenspalte besteht nicht wie ge¬ 
wöhnlich in einem Defekt der Proc. spinosi. Diesen Befund des gespaltenen Proc. 
spinosusfaßt Verfasser als die minimalste Form von Spina bifida occulta congenita 
auf. An einem weiteren Falle, einem 22jährigen Mädchen, das sonst kräftig gebaut 
ist und eine genügende Muskulatur zeigt, sitzt der Kopf auffallend tief in den 
Schultern. Bei der Betrachtung des Rückens fällt zuerst neben der Kürze des 
Halses der Hochstand der rechten Schulter auf. Die Wirbelsäule erscheint etwa 
vom 2.—7. Brustwirbel leicht nach rechts gebogen. Das rechte Schulterblatt 
steht höher als das linke. Sein unterer Winkel steht der Wirbelsäule näher und 
etwa 2 Querfinger höher als der linke. Beim Beugen des Rückens wird die Brust- 
wirbelsäulc im oberen Teil ganz steif gehalten. Nur die Domfortsätze der unteren 
Brustwirbel sind deutlich zu fühlen. In der Höhe der oberen fühlt man neben der 
Mittellinie auf jeder Seite einen Wulst verlaufen, der rechts besonders stark ist 
und hier als skoliotisehe Wirbelsäule imponiert. In der Mittellinie kann man mit 
dem Finger tief eindringen, ohne auf einen knöchernen Widerstand zu stoßen. 
Etwa in der Höhe des 2. Brustwirbels findet sich etwas links von der Mittellinie 
ein starkes Büschel langer Haare, von gleicher Farbe wie das Haupthaar. Das 
Röntgenbild zeigt eine normale Halswirbelsäule. Ebenso sind der 9.—12. Brust¬ 
wirbel und die Lendenwirbel normal. Das Kreuzbein zeigt vom 3.—5. Wirbel 
deutlich einen nach hinten offenen Kanal, und auch seine beiden ersten Wirbel 
lassen leichte Abweichungen von der Norm erkennen. Während zwischen allen 
Wirbeln deutlich eine Zwischenwirbelscheibe sichtbar ist, sind der 3.—-8. Brust¬ 
wirbel völlig knöchern miteinander verwachsen, so daß sie nicht voneinander zu 
sondern sind. Beiderseits sind die Rippen (3.—8.) äußerst schmal; sie liegen dicht 
aneinander an, zeigen aber alle gut ausgeprägt Angulus und (Vtpitulum costae. Vom 
L—8. Brustwirbel sind die Dornfortsätze überhaupt nicht zu sehen; die Querfort¬ 
sätze sind besonders auf der rechten Seite ziemlich massig knöchern miteinander 
verwachsen. Das Röntgenbild zeigt also, daß die betreffenden Brustwirbel keinen 
Dornfortsatz haben, und daß der Arcus im Bereiche vom 1.—8. Brustwirbel nicht ge¬ 
schlossen ist. Eine eigenartige Verbildung zeigt noch der 1. Brustw irbel. Er erscheint 
im Körper schief gestellt, indem sich auf der linken Seite zwischen ihn und den 
2. Brustwirbel ein keilförmiger Knochen einschiebt, der eiren Wirbehpierfortsatz 
und die wohl ausgebildete erste linke Rippe trägt. Der 1. Brustwirbel selbst trägt 
keinen linken Querfortsatz; der rechte ist normal. B i b e r g e i 1 - Berlin. 


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Referate. 


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Parier, Resultats 61oign6s foumis par le traitement op^ratoire du spina bifida. 
Soc. de chir. de Paris, 21. Febr. 1912 (Rev. de chir. XLV, p. 60ö). 

Bericht über die Nachuntersuchung zweier Kranker, die mit 6 Wochen, 
respektive 12 Tagen wegen Spina bifida operiert worden waren. Der erste 
Fall, eine Frau betreffend, war jetzt 22 Jahre, der zweite Fall, ein Mann, 
ebenso alt. 

Die Frau wurde mit 20 Jahren entbunden; sie zeigte leichte Klumpfu߬ 
bildung und ein Mal perforant am Hacken. 2 Jahre vorher war sie noch einmal 
wegen Incontinentia urinae operiert worden. Die Entbindung war leicht; 
Patientin hat jetzt eine ausgesprochene Schlaffheit des Beckenbodens. 

Bei dem Manne war die bestehende Incontinentia urinae mit Cystitis all¬ 
mählich ausgeheilt. Er leidet an Obstipation, er ist verheiratet; die Potenz ist 
normal. Kirmisson glaubt, daß die Verschiedenheit der Resultate von der 
Beteiligung mehr oder weniger großer Massen von Nervengewebe abhängt. 

Peltesohn - Berlin. 

Hasebroek, Ueber die Bedeutung des Schultergürtels für die Haltungs- 
anomalien und Rückgratverkrümmungen. Münch, med. Wochenschr. 1912, 
Nr. 18. 

Das Verhalten des Schultergürtels wird oft zu wenig berücksichtigt. Auch 
ohne daß Veränderungen an der Wirbelsäule bestehen, können Lageanomalien 
des Schultergürtels Rückgratverkrümmungen Vortäuschen. Das doppelseitige 
Abstehen der unteren Scapularwinkel, bedingt durch habituelles Vorwärtsfallen 
des gesamten Schultergürtels auf dem Thoraxkegel, oder durch abnorme Spannung 
der Pectorales und der Coracobrachiales, erscheint oft als runder Rücken, während 
halbseitige Vorwärtslagerungen, infolge einseitiger schlechter Entwicklung der 
Rhomboidei und des Trapezius oder einseitige Ueberepannung des Pectoralis 
und des Coracobrachialis der Skoliose ähnliche Bilder hervorrufen. Bei Bestehen 
einer Rückgratsverkrümmung kann eine gleichzeitige Lagenanomalie des Schulter¬ 
gürtels diese kosmetisch stärker hervortreten lassen. Bei der doppelseitigen 
Vorwärtslagerung des Schultergürtels empfiehlt Hasebroek Freiübungen, 
eventuell Geradehalter, bei den schlaffen Formen der halbseitigen Anomalie 
Elektrisieren, Massieren und aktive Uebungen der betreffenden Muskeln. Bei der 
Vorwärtslagerung durch überspannte Muskelgruppen sind Massage der Pectorales 
und der Coracobrachiales, passive Dehnungen und aktives Rumpfaufrichten aus 
der Bauchlage anzuw enden. Scharff- Flensburg. 


L 6 o n Badin et Paul-Vitel Badin, Appareil pour la mensuration 
et la representation graphiquc des d£formations d’origine scoliotique. Annales 
de chir. et d’orth. 1912, T. XXV, Nr. 5, p. 136. 

Der von den Verfassern beschriebene Skoliosenmeß- und Zeichenapparat 
ist eine kleine Modifikation des Skoliosomcters von Mikulicz. Die Konturen 
des Thorax werden mittels eines vorn und hinten geteilten Kupferbandes am 
Körper herausmodelliert und auf Quadratpapier übertragen. — Die Ungenauig¬ 
keit der so gewonnenen Meßbilder springt in die Augen. 

Peltesohn - Berlin. 


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Referate. 


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Port, Apparat zum Aufzeichnen des Rippenbuckels bei Skoliosen. Münch, 
med. Wochenschr. 1912, Nr. 12. 

Port hat zur Zeichnung des Rippenbuckels aus 7 mm dickem Bleidraht 
einen sehr einfachen Apparat konstruiert, den sich jeder selbst improvisieren kann. 
Näheres über die Konstruktion und Anwendung ist im Original nachzusehen. 

S c h a r f f - Flensburg. 

C h 1 u m s k y, Ein neuer Beitrag zur Aetiologie der Skoliose. Zentralbl. f. Chir. 
1912, Nr. 7. 

Nach des Verfassers Ansicht spielt die Lagerung des Kindes, des Fötus 
im Mutterleibe, eine wichtige Rolle bei der späteren Entwicklung der Wirbelsäulen¬ 
verkrümmungen. Blencke - Magdeburg. 


Paul B. Roth, Lateral curvature of the spine (Scoliosis). Analysis of two thou- 
sand consecutive cases. Pritish medical joumal, Nr. 2677, 20. April 1912, 

p. 888. 

Zusammenstellung von 2000 Skoliosefällen, die in 24 Jahren von dem Vater 
des Verfassers beobachtet worden sind, nach Alter, Geschlecht, Heredität, Art 
und Grad der Verkrümmung. In einer großen Zahl von Fällen bestanden zum 
Teil hochgradige Schmerzen. In 1225 Fällen war Plattfuß vorhanden; davon 
stellte sich in 933 Fällen das Fußgewölbe durch Fußspitzenübungen wieder her. 

F. Wohlauer - Charlottenburg. 

Edgar F. Cyriax, Some hitherto unrecognised causes of spinal curvature. 
Medical press and circular, Februar 1912. 

Verfasser lenkt die Aufmerksamkeit bezüglich der Aetiologie der Skoliose 
auf zwei neue Gesichtspunkte, die er in einer Anzahl von Fällen bestätigt gefunden 
hat; es handelt sich um die Einwirkung von Krankheiten des Herzens und der 
Bauchorgane auf die Stellung der Wirbelsäule. Die Verbiegung der Columna erfolgt 
entweder auf der Basis von durch Reflexnervenirritationen hervorgerufenen 
Muskelkontraktionen oder ist eine Folge von dauernd schlechter Haltung, die der 
Patient seiner Schmerzen wegen einnimmt. So findet Verfasser z. B. bei Herz¬ 
krankheiten Hyperästhesie und Zunahme des Tonus am 4. und 5. linken Dorsal¬ 
segment, bei Magenstörungen im Cardia- oder Fundusteile solche des 6., 7. und 
8. linken Dorsalsegments, bei Leber- und Gallenblasenleiden Störungen im Bereiche 
des rechten 6. und 7. Dorsalsegments usw. Bibergeil - Berlin. 

B a r d o n, Contribution ä l’6tude de Tinsufficientia vertebrae. These de Bor¬ 
deaux 1911. 

Verfasser hat an der D e n u c 6 sehen Abteilung ein großes Kranken¬ 
material auf die Erscheinungen der Insufficientia vertebrae (Schanz) unter¬ 
sucht und bestätigt, daß dieser Zustand ein w r ohl charakterisiertes Krankheitsbild 
darstellt. Die Symptome dieser Affektion fand er unter 517 Patienten mit Wirbel¬ 
säulenläsionen 45mal in ausgesprochener Weise. Es ergab sich, daß bei nicht 
verbildeten Wirbelsäulen Infraktionen und Traumen aller Art Insuffizienz hervor- 
rufen können und daß pathologische Rückgratsverkrümmungen eine Disposition 
zur Insuffizienz schaffen. Es scheint sich hierbei um eine Art Spätrachitis zu 


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Referate. 


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handeln. Therapeutisch kommt vornehmlich Ruhigstellung zuerst im GiiVrct. 
später im Korsett in Frage. Bei langdauemder zweckmäßiger Behandlung G: <1 :l* 
Prognose günstig (vgl. auch das Referat: D e n u c e, rin.vufticence vertebnk; 
diese Zeitschr. Bd. 27 8. 340). Peltesohn - Berlin. 

E. G. Abbott (Portland), Correetion of lateral curvature of the spine. A simple 
and rapid method for obtaining complete correetion. New York medk.d 
Journal, 27. April 1912, S. 833 ff. 

Abbott stellt für die Behandlung der fixierten Skoliose zwei Prinzipien 
auf, erstens Ueberkorrektur, zweitens Fixierung in überkorrigierter Stellung. bi? 
die Teile so gestreckt und in ihrer Gestalt so verändert sind, daß die Deformier 
sich nicht wicderherstellen kann. Die Korrektur wird in folgender Weise v« r- 
genommen: der Patient wird stark nach vorn gebeugt, die hängende Schulter wiru 
gehoben, die hohe herabgedrückt. Die buckligen Rippen werden abwärts und 
vorwärts gezogen. Gegen die Seitenverkrümmung wird ein Seitenzug angebra* ht 
— unter diesen Kautolen wird das Gipskorsett angelegt, und zwar win:l dazu ein 
Rahmen mit einer Hängematte benutzt. Im Gegensatz zu den anderen Meth*>ir: 
liegt der Patient bei der Anfertigung des Korsetts. Die Beine sind im Kniegelenk 
gebeugt, dadurch und durch die andere Lagerung wird eine starke Kyphose er¬ 
zeugt. Auf alle Knochenvorsprünge werden Filzkissen gelegt — am besten zwischen 
zwei Unterjacken; hinter die tiefe Schulter, über das Os sacrum. über die Spina 
csds ilei, die vorstehenden Rippen an der Vorderseite, unter beide Arme, und über 
die Rückenkonvexität, da wo davS Seitenzugband anliegt. Es werden zwei gToße 
Fenster in das Korsett geschnitten, eins hinten, eins vorn. Das hintere wird so 
groß wie möglich gemacht, es sitzt dort, wo die eingedrückten Rippen sich be¬ 
finden und soll diesen Raum heben, um nach hinten sich ausdehnen zu können. 
Das vordere Fenster gewährt den nach hinten gebuckelten Rippen Platz, sich nach 
vorn zu schieben. Während der Behandlung lassen sich Filzplatten cinschieben, 
um die Druckwirkung zu erhöhen. 

Die Zeit, welche nötig ist, die Ueberkorrektur hervorzubringen, betragt 
durchschnittlich 3 Wochen. Im ganzen wird das Korsett etwa 2 Monate getragen 
und dann noch ein leichtes Korsett gegeben, um die überkorrigierte Stellung 
aufrecht zu erhalten. Massage und Gymnastik wird angewendet und allmählich 
geht die Haltung zur Norm über. 

Verfasser gibt die genauen Krankengeschichten von 18 Fällen und Ab¬ 
bildungen, die zum Teil frappante Heilresultäte zeigen. Es empfiehlt sieli dringend, 
die Arbeit im Original zu lesen, besonders wegen der genauen Angaben über die 
Technik und der Abbildungen, die die Lagerung usw. zeigen. 

F. Wohl au er- Charlotten bürg. 

I) e x t e r D. A s h 1 e y (New-York), Abbotts method of correctur by hx cd lateral 
curvature. New York medical Journal, 27. April 1912, 8. 847. 

A s li 1 e y, der zuerst der Methode A b b o 11 s sehr skeptisch gegenüber 
stand, bekennt sich als sehr begeisterter Anhänger. Jedoch muß die Technik 
A I) b o t t s genau befolgt werden, wenn gute Resultate erzielt werden sollen. 
Die Methode sei der größte Fortschritt in der orthopädischen Chirurgie in den 
letzten zehn Jahren. F. W oh lauer - Charlottenburg. 


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Brandes, Behandlung der spondylitischen Lähmungen. (Med. Gesellsch. 
in Kiel, 29. Februar 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 18. 

B r a n d e 8 empfiehlt die Anwendung eines Reklinationsgipsbettes mit 
Wattepolsterredressement nach C a 1 o t. Das Gipskorsett wird in Suspension an¬ 
gelegt. Nachdem es gut getrocknet ist, wird es in Höhe des Gibbus horizontal durch¬ 
schnitten und durch Klaffen des Spaltes und vorne und hinten eingelegte Kork- 
oder Wattestücke die Reklination erreicht. In dieser Reklinationsstellung wird das 
Gipskorsett wieder durch zirkuläre Gipstouren geschlossen und erst dann das 
Fenster für die Wattepolster angelegt. In dieser Weise werden die Lähmungen 
und auch der Gibbus behandelt. Scharff - Flensburg. 

Mouisset et Nov6 -Josscrand, Mal de Pott avec gibbosit^ trait6 par 
la methode de redressement force. Soc. des Sciences m6d, de Lyon. Rev. de 
chir. XLV, p. 101. 

Demonstration der Wirbelsäule eines vor 12 Jahren mit Resektion der 
Wirbelbögen und Redressement forc6 nach C a 1 o t behandelten Kranken mit 
spondylitischem Gibbus. Totaler Mißerfolg. Der Gibbus bestand weiter, ver¬ 
ursacht durch die Verwachsung der Wirbclkörper; an den Wirbelbögen findet 
sich trotz Resektion der Dornfortsätze keine Spur eines Callus. 

Peltesohn - Berlin. 

A n d r i e n, Spondylitisbehandlung im Kindesalter. Aus dem Französischen übersetzt 
von Landwehr. Zentralbl f. chirurg. u. mechan. Orthopädie Bd. 6, Heft 3. 

Andrien beschreibt die in Berc-sur-mer übliche Spondylitisbehandlung. 
Die Hauptsache sind günstige hygienische Verhältnisse und Freiluftbehandlung 
(Seewind); letzterer wird nur in seltenen Fällen nicht vertragen. Die Lokalbehand¬ 
lung richtet sich gegen die 3 Hauptsymptome: Gibbus, Abszeß, Lähmung. Gegen 
die Gibbusbildung wird die Lagerungsmethode und die ambulante Korsett¬ 
behandlung angewendet. Erstere besteht in Festschnallen auf einer festen 
Matratze, während der Gibbus durch unter die Matratze geschobene Holzstücke 
gehoben wird. Für die Korsetts empfiehlt Andrien zuerst Gips, später Leder 
und Zelluloid. Bei tiefsitzenden Prozessen müssen die Oberschenkel mit fixiert 
werden. Ein gewaltsames Redressement des Buckels im Korsett wird nicht mehr 
ausgeführt; höchstens werden durch ein Fenster über dem Gibbus allmählich 
immer stärkere Wattepolster eingelegt. Kalte Abszesse werden, um sekundäre 
Infektionen zu vermeiden, nicht geöffnet, sondern punktiert und mit Kampfer- 
Thymol oder mit Jodoforni-Aether respektive Glyzerin injiziert. Kampfer-Xaph- 
thol ist verpönt. Lähmungen heilen bei horizontaler Lagerung mit der Zeit aus 
(manchmal erst in 3—4 Jahren!). Unheilbare Fälle sind äußerst selten. Die 
Laminektomio ist mangels Erfolgen wieder verlassen worden, ebenso die von 
M e n a r d eingeführte Kostotransversektomie, die durch Entfernung einer Rippe 
und eines Processus transversus einen Weg zur Ausräumung des Herdes zu bahnen 
suchte. Von Extension wird nichts erwähnt. Die Erfolge sollen gute sein; eino 
ziffernmäßige Angabe fehlt leider. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 

Heidenhain, Laminektomie in Lokalanästhesie. Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 9. 

Heid e n h a i n hat im Laufe der letzten 2 Jahre 4mal, und zwar an drei 
Patienten, die Laminektomie unter Braunseher Anästhesie gemacht. Sie war in 


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jedem Falle vollkommen schmerzlos. Nach des Verfassers Erfahrungen genütf 
es vollständig, wenn man die schmerzstillende Flüssigkeit zu beiden Seiten der 
Mittellinie an den Seitenflächen der Domfortsätze, auf der Oberfläche der Wirbel¬ 
bögen und nach Möglichkeit in die Zwischenräume zwischen den Wirbel bögen 
verteilt. Blencke - Magdeburg. 

Ambrosin i, Sopra un caso di rigidilä della colonna vertebrale e delle grandi 
articolazioni (spondilosi rizomelica). (Rivista Veneta di scienze mediehe. 
15. Sett. 1911). 

Ambrosini berichtet über einen klinischen Fall, welcher die Merkmal 
der Spondylosis rhizomelica, aber auch die Kennzeichen der heredo-traumatischen 
Spondylosis von Bechterew dar bietet. Die Unterscheidung zwischen dieser 
zwei Typen läßt sich demnach nicht aufrecht erhalten. 

Ros. Buccheri - Palermo. 

GeorgMüller, Ein Fall von angeborener Mißbildung am linken Querfortsatz 
des V. Lendenwirbels, irrtümlich als Wirbelbruch begutachtet. AerztL 
Sachverständigenztg. 1912, Nr. 4. 

Verfasser berichtet über einen Fall, der einen Unfallverletzten betraf 
und zu starken Kontroversen bei den Gutachtern geführt hatte, welche erst 
durch Feststellung einer unbedeutenden angeborenen Mißbildung am V. Lenden¬ 
wirbel beseitigt werden konnten. Es kam zur Abweisung der Klage. 

Bibergeil - Berlin. 

S c h m i d, Ein Fall von Luxation der Lendenwirbelsäule. Fortschritte a. d. 
Geb. d. Röntgenstr. XVIII, 4. 

Es handelte sich um eine Rotationsluxation zwischen dem IL und 
III. Lendenwirbel. Der proximale Wirbelsäulenteil war aus seiner Achse nach 
rechts herausgedreht, und der Körper des II. Lendenwirbels stand auf dem 
Röntgenbilde U/a cm nach rechts über den dritten Körper heraus. Die Froc. 
spinosi hatten ihre Achse beibehalten, was sich aus der gleichzeitigen Rotation 
des luxierten proximalen Teils erklärt. Was den Entstehungsmodus der Verletzung 
anlangt, ist rückschließend nach des Verfassers Ansicht nur zu sagen, daß 
das Becken und die drei unteren Lendenwirbel fixiert anzunehmen sind, während 
der Thorax mit dem übrigen Teil der Wirbelsäule um die Achse der Domfort satxe 
nach rechts abgedreht wurde. Die Behandlung bestand in einem Stützkorsett. 

Blencke - Magdeburg. 

M i y a u c h i, Zur Kasuistik des angeborenen Hochstandes des Schulterblattes 
Arch. f. Orthop. Bd. 11, Heft 2—3. 

M i y a u c h i bespricht im Anschluß an 4 selbst beobachtete Fälle vor. 
angeborenem Schulterblatthochstande die Symptome, Ursachen, Diagnose und 
Behandlung dieses Leidens. Nach seinen Untersuchungen gibt es keine einheitliche 
Aetiologie, am wahrscheinlichsten ist fehlerhafte Keimanlage oder intrauteriner 
Raummangel. Therapeutisch läßt sich w’enig tun: zumeist wird Massage und 
Gymnastik empfohlen. Findet sich wirklich eine Exostose, so müßte man de 
operativ beseitigen, wonach sicli das Schulterblatt etwas tiefer bringen läßt. 

Pfeiffer - Frankfurt a. M. 


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Engelmann. Angeborener Hochstand der Skapula. (Gesellsch. f. innere Med. 
u. Kinderheilk. Wien 23. Mai 1912.) Münchner med. Wochenschr. 1912, 24. 

Vorstellung eines Knaben, dessen linkes Schulterblatt um etwa 3 cm höher 
steht als das rechte. Der axillare Rand verläuft fast horizontal, der obere Rand 
ist umgekrempelt. Der linke Arm kann in geringerem Umfange abduziert werden. 

S c h a r f f - Flensburg. 

F o n t a n, Articulations scapulocostales. Journ. de l’anatomie et physiol. 1912, 
Nr. 2, p. 182. 

Bei der Sektion eines 64jährigen Irrsinnigen fiel zufällig auf, daß die Arme 
über der Brust nicht gekreuzt werden konnten. Bei genauerer Untersuchung 
fand sich, daß die Scapula am Thorax an zwei Stellen gelenkig straff angeheftet war. 
An der Scapula fanden sich am oberen medialen Winkel und am Angulus scapulae 
je eine etwa pfenniggroße Gelenkfläche; erstere artikulierte mit der 3., letztere 
mit der 7. Rippe. Die Anomalie fand sich symmetrisch auf beiden Seiten. Die 
Verbindung war durch echte Synarthrosen gebildet. — Im Leben war auf die 
Anomalie nicht geachtet worden. 

Der Descensus scapulae war im vorliegenden Falle übermäßig gewesen. 
In der Tierreihe findet sich scapulothoracische Verbindung nur bei den Krokodilen; 
bei einigen anderen Reptilien findet sich ein Suprascapularknochen, der Scapula 
mit Thorax resp. Cranium verbindet. 

In praktischer Beziehung ergibt sich, daß bei Fällen von Schulterblatt¬ 
hochstand usw. auf das Vorhandensein solcher Synarthrosen zwischen Scapula 
und Thorax gefahndet werden sollte. Peltesohn - Berlin. 

G u i b 6, La paralysie du nerf sus-scapulaire. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 3, p. 218. 

G u i b 6 gibt eine monographische Darstellung der Lähmung des Nervus 
suprascapularis, welche Funktionsausfall der Mm. supra- und infraspinatus zur Folge 
hat. Einschließlich dreier eigener Fälle weist die Literatur zurzeit etwa 30 der¬ 
artige Beobachtungen auf. Die isolierten Lähmungen des Suprascapularis beruhen 
auf Läsionen entweder des Nervenstammes oder der Cervikalwurzeln und sind 
Folgen von Traumen oder von Entzündungen. Erstere Aetiologie lag in 14 Fällen 
vor. Es handelt sich bei den letzteren um forcierte Senkung der Schulter mit 
Dehnung oder Ruptur der 5. Cervikalwurzel oder des Nervenstammes, dann um 
Erhebung mit Rückwärtsführung der Schulter, wobei der Nerv gegen den Scalenus 
medius angedrückt wird, oder endlich um Propulsion der Schulter mit forcierter 
Elevation, wodurch der Nerv in Höhe der Incisura scapulae zerrissen werden 
kann. Neuritische Lähmungen entstehen auf verschiedenen Grundlagen. 

Im folgenden bespricht Guib6 in extenso die Symptome, wobei er auf 
den Bewegungsausfall genau eingeht. Hervorzuheben ist, daß die Erhebung des 
Armes (ähnlich wie bei der Accessoriuslähmung) mit einem plötzlichen, inter¬ 
mediär auftretenden Schnellen oder Federn einhergeht. Die durch die Lähmung 
des N. suprascapularis bedingten Störungen entstehen weniger dadurch, daß der 
M. supraspinatus als Erheber des Armes in Ausfall kommt, als dadurch, daß 
er nicht mehr als Spanner der Schulterkapsel und Fixator des Oberarms an die 
Cavitas glenoidea agieren kann, da dadurch der M. deltoideus in gewisser Weise 
funktionsuntüchtig wird. Auch die übrigen Funktionsstörungen, z. B. in bezug 
auf die Rotation, werden genau erörtert. Die genannte Lähmung wird be- 


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sonders durch die ungewöhnlich deutliche Markierung der Spina scapulae kennt- 
lieh und die Erwerbseinbuße von Individuen mit dieser. Lähmung ist ax 
11—20 Proz. zu schätzen. 

Was die Behandlung der traumatisch entstandenen Su prascapulinf- 
lä Innungen betrifft, so sind zuerst alle konservativen Verfahren zu versucht 
Operative Maßnahmen werden sich meistens erübrigen, da der Fuiiktionsau>hl. 
durch vikarierendes Eintreten anderer Muskeln gemildert wird. Manchmal wm. 
die Naht oder die Dekompression des verletzten Nerven indiziert sein; di> 
kommen nur dann in Frage, wenn die gelähmten Muskeln überhaupt noch reg ^- 
rationsfähig sind, was aber nur äußerst selten der Fall sein dürfte. VorzuzährL 
ist der Ersatz der Mm. supra- und infraspinatus durch Muskcltransplantation. 
Ersterer ist — nach Experimenten des Verfassers an der Leiche — durch ei- 
Stück aus dem Traf>ezius, letzterer durch einen Lappen vom Latissimus dor*. 
zu ersetzen. 

Am Schluß der Monographie werden 25 Fälle von Suprascapularislähinu'u 
aus der Literatur und die 3 eigenen Beobachtungen genau mitgeteilt. 

Peltesohn • Berlin. 

R o s s i, Sarcoma a piccole cellule della scapola. Societä Lombarda di scier.ze 
mediche e biologiche di Milano, 1. marzo 1912. 

R o s s i stellt einen Patienten vor, den er wegen Sarkoms des recht et 
Schulterblattes operiert hat und bei dem er, da der Tumor besonders in dem 
Körper des Knochens saß und Schultergräte und Acromion vollkommen frei 
w'arcn, letzteres konservierte, um mit bedeutendem Gewinn für die Funktion 
der Extremität den oberen Ansatz an dem mittleren Abschnitt des Deltamuskels 
zu erhalten. Ros. Buccheri - Palermo. 

Reich man n, Kongenitaler Defekt beider Schlüsselbeine, Fortschritte a. d. 
Geb. d. Rüntgcnstr. Will, 3. 

Kurze kasuistische Mitteilung eines Falles. B 1 en c k e -Magdeburg. 

Hirschei, Die Anästhesierung des Plexus brachialis in der Achselhöhle bc: 
operativen Eingriffen an der oberen Extremität. Münchner mcd. Wocheusehr. 
1912. 22. 

Hirschei empfiehlt die Anästhesierung des Plexus brachialis in d.r 
Achselhöhle als sichere und ungefährliche Methode, die die Allgemeinnarkose b 
allen operativen Eingriffen am Arme entbehrlich macht. Hirschei hat di 
Methode in 25 Fällen mit gutem Erfolge angewandt. Für kleinere Eingriffe ar. 
den Fingern ist die Lokalanästhesie nach Oberst vorzuziehen. 

»Scharff- Flensburg. 

Lange, Die Distorsion des Seliultergelenkes. Münchner mcd. Wochens-’br. 
1912, 23. 

Aus Leichenvcrsuchon, die L a n g e anstellte (Injektion von Paraftinvaslin 
in das Sehultergeleiik), geht hervor, daß die vorderen und seitlichen Kaps 'Ipirtien 
am straffsten sind und daß diese durch Innenrotation des Armes und Drehung di> 
Schulterblattes entspannt werden derart, daß dessen unterer Winkel sieh der 
Wirbelsäule nähert. Diese typische Kontrakturstellung fand Lange bei allen 
Dist usionen des Sehidtergelenkes. Auf diese »Stellung des Schulterblattes und 


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<les Armes muß d iher bei Untersuchungen des Schultergelenks besonders geachtet 
werden. Therapeutisch empfiehlt Lange zunächst Ruhigstellung des Gelenkes 
fiir eine Woche und anfangs Bleiwasser-, später essigsiure Tonerdeumschläge. 
Dann steht die Dehnung der vorderen Kapsel im Vordergrund der Behandlung. 
Lange gibt dafür noch einige einfache Uebungen an. 

S c h a r f f - Flensburg. 

Lange, Die Entbindungslähmung des Armes. Münchner mcd. Wochensehr. 
1912, 20. 

Lange unterscheidet im wesentlichen zwei Gruppen: 1. echte Ent¬ 
bindungslähmungen mit schweren Veränderungen an Nerven und Muskeln, meist 
entstanden durch Druck auf den Plexus brachialis bei schweren Entbindungen, 
2. sogenannte Entbindungslähmungen mit Unmöglichkeit, den Oberarm aktiv 
oder passiv nach außen zu drehen und Beschränkung der Beweglichkeit nach 
hinten, aber ohne Lähmung der Muskulatur. Letztere hält Lange für Dis¬ 
torsionen des Schultergelenkes und behandelt daher frische Fälle wie Distorsionen, 
während er bei älteren Kindern den Humerus in der Mitte ostcotomiert und das 
untere Fragment nach außen dreht. Bei den echten Entbindungslähmungen 
kommt in frischen Fällen Freilegung des Plexus, Beseitigung von einschnüren¬ 
dem Narbengewebe, Nervennaht, bei älteren Fällen Sehnen Überpflanzung in Frage. 
In 70.5 Proz. der Fälle handelt es sieh nicht um eine echte Lähmung, sondern um 
eine Distorsion des Schultergelenkes. S c h a r f f - Flensburg. 

A n g e 1 v i n, Un nouveau proccde de reduction des luxations de Tepaule. Romaine 
medicale 1912, p. 135. 

Die neue Methode der Einrenkung einer Schulterluxation erfordert keine 
Assistenz. Unter der Annahme einer rechtseitigen Schulterluxation legt der Arzt 
den luxierten Arm des links von ihm stehenden Patienten über seinen eigene i 
N acken und ergreift mit seiner rechten Hand die rechte Hand des Kranken; so 
liegt die Achsel der luxierten Seite auf seiner linken Schulter. Mit der linken Hand, 
die er noch frei hat, greift er von hinten auf die Fixierte Schulter und wirkt 
auf den Humeruskopf durch Druck usw. ein. Peltesohn* Berlin. 

Roctouil, Luxation intracoracoidienne datant de quatre mois et demi. 
Guerison par resection et arthrotoiuie. Soc. de chir. de Paris 22. nov. 1911. 
Rev. de chir. XLV, p. 98. 

In einem Fall von Luxatio lmmeri subcoracoidea, die 4V 2 Monate alt war, 
mußte Roctouil zur Resektion schreiten. Der Kopf war stark hypertrophisch 
und trotz Lösung aller Verwachsungen nicht zu reponicren. 

P e 1 t e s o h n - Berlin. 

K 1 a u s e r. Ueber einseitige Trommelschlegelfingerbildung infolge veralteter 
Sehulterluxation. Münch, med. Wochensehr. 1912, Nr. 17. 

Bei einer 55jährigen Frau war es infolge einer nichtreponierten Schulter¬ 
luxation zu einer inkompletten Plexuslähmung gekommen. Daneben hatten sich 
an der gelähmten Hand die Finger trommelsehlegelartig verdickt, die Nägel waren 
uhrglasförmig verkrümmt, während die andere gesunde Hand davon frei war. 
Klausel* hält die Veränderungen an den Fingern für den Ausdruck neuritischer 
Veränderungen infolge des Drucks des luxierten Oberarmkopfes auf den Nerven* 


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682 Referate. 

Strang. Auch nach der Operation (Resektion des Caput humeri) blieb die Finger¬ 
deformität unverändert, während die Lähmung sich zurückbildete. 

Scharff - Flensburg. 

Tange, Periarthritis humero-scapularis. Nederl. Tydsehr. z. Geneesk. 11. Mai 
1912. 

Mitteilung eines auf traumatischer Basis entstandenen Falles, in dem die 
Adhäsionen in Narkose zerrissen wurden. van Assen - Rotterdam. 

Frank E. Peckham, The orthopedic treatment of fractures of the humerus. 
The American joumal of orthopedic surgery, Volume IX, Number 3, Fcbmar 
1912. 

Verfasser ist der Meinung, daß Schaftfrakturen des Humerus bei richtiger 
Extension und Kontraextension mit fester Konsolidierung heilen, und daß man 
es nicht nötig hat, die Knochennaht auszuführen. Die Extension wird zunächst 
in Streckstellung, später bei gebeugtem Ellbogengelenk durchgeführt. Frühzeitige 
Massage ist notwendig. Die Resultate des Verfassers sind günstig. 

Bibergeil - Berlin. 

Paul Müller, Beitrag zur Frage der Bicepssehnenruptur. Beitr. z. klin. t'hir. 
Bd. 78, Heft 2, S. 295. 

In dem Falle, über den Müller aus der Tübinger Klinik berichtet, wollte 
ein 45jähriger Müller einen etw^a 180 Pfund schweren Obstsack (für ihn keine 
besondere Kraftleistung), der am Boden lag, aufheben. Als er den Sack soeben 
vom Boden abgehoben hatte, spürte er plötzlich einen stechenden Schmerz im 
rechten Oberarm und in den folgenden Tagen, ohne daß er in der Ruhe Schmerzen 
im Arm empfand, Beschwerden beim Versuche, Gegenstände zu tragen oder zu 
heben. Als der Patient 5 Tage nach dem Unfall in die Klinik eintrat, fiel bei ge¬ 
strecktem Vorderarm auf, daß der Wulst des Biceps in seinem lateralen Teil nach 
abwärts verschoben, etw r as verkürzt und stärker gewölbt erschien als links. Wurde 
der Vorderarm gebeugt, so trat diese Wölbung immer stärker hervor, besonders 
im obersten Teil des Bicepswmlstes. Schließlich bei stärkster aktiver Beugung 
bildete sich hier eine kugelige Vorwölbung, deren obere Grenze im Gegensatz zum 
normalen linkseitigen Bicepswulst ziemlich scharf und peripherwärts gelagert war. 
so daß zwischen dieser Grenze und der Ansatzstelle des Deltoides eine etwa 
2 Querfinger breite Einsenkung entstand. Bei der Operation fand sich nach Frei¬ 
präparieren des inneren Deltoidesrandes die Sehne des langen Bicepskopfes. Sie 
hatte sich in eine vollständige Schleife mit einer oberen und unteren Knickung 
gelegt. Das obere Ende war in einer Ausdehnung von 4 cm verdickt und braun* 
gelblich verfärbt. Das äußerste Ende erschien ziemlich glatt abgerundet mit ein¬ 
zelnen Einkerbungen versehen. An einer Seite fand sich ein kurzer strangfönniger 
Fortsatz. Nach Freilegung des Processus coracoideus von einem besonderen 
Schnitt wurde von unten her, unter dem Pectoralis major entlang dem kurzen 
Kopf des Biceps ein Haken durchgeschoben, in diesen Kanal die lange Bicepssehne 
nach oben durchgeholt und mit der sehnigen Insertion des Pectoralis minor hart 
am Processus coracoideus durch 4 Nähte vereinigt. Bei einer Nachuntersuchung 
6 Wochen nach dem Eingriff war nur die Hebung des Arms nach vorn und der 


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Referate. 


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Seite noch nicht viel mehr als bis zur Horizontalen möglich und mit leichten 
Schmerzen verbunden. 

Im Längsschnitt wie im Querschnitt des exstirpierten Endstückes der 
Sehne fiel eine Unregelmäßigkeit der Struktur auf. Neben Fibrillenbündeln von 
annähernd normalem Aussehen fand man zahlreiche Bündel von fast homogener 
Beschaffenheit. Der Glanz, wie er dem normalen Sehnengewebe eigen ist, fehlte. 
Der Aufbau der Gewebsbündel aus einzelnen Fibrillen war nicht mehr zu erkennen. 
Auch im interstitiellen Gewebe sah man erhebliche Veränderungen. Das Binde¬ 
gewebe war in einer mäßigen Wucherung begriffen, man sah zahlreiche Fibro¬ 
blasten, da und dort auch geringe kleinzellige Infiltration. Am auffälligsten waren 
die Gefäßveränderungen; sie zeigten das typische Bild der Periarteriitis und 
Endarteriitis obliterans. Die Adventitia war verbreitert, das Lumen großenteils 
stark verengt, an einzelnen Gefäßen sogar vollständig durch kernloses oder kern- 
armes hyalines Bindegewebe verschlossen. Nirgends dagegen waren Thromben 
in den Blutgefäßen oder Reste von Blutungen im Gewebe oder Zeichen stärkerer 
entzündlicher Reaktion zu sehen. Das ganze Bild machte also den Eindruck einer 
chronisch verlaufenden, zum Teil schon einige Zeit abgeschlossenen Veränderung. 

Joachimsthal, 

P 6 r a i r e, Kyste hydatique du biceps. Soc. anatom. de Paris, März 1912, p. 135. 

37jährige Frau, bei welcher nach stärkerer Anspannung der Armmuskeln 
ein kleiner an der medialen Seite des Oberarms gelegener Tumor schnell bis zu 
Hühnereigröße anwächst und Schmerzen verursacht. Exstirpation desselben 
ergibt, daß es sich um eine Echinokokkuscyste im kurzen Bauch des Biceps handelt. 
Genaue Untersuchung der Patientin ergab sonst keinerlei Lokalisation des Echino¬ 
kokkus. — Glatte Heilung. Peltesohn - Berlin. 

Schwartz et Küss, Döcouvertc du nerf radial au bras. Technique opöratoire. 
Rev. de chir. 1912, p. 865. 

Die Verfasser empfehlen bei Lähmungen des N. radialis infolge von Humerus¬ 
brüchen, sowie dann, wenn der N. radialis aus anderen Gründen aufgesucht werden 
muß, ihn durch einen an der Tricepsseite des Oberarms anzulegenden Längsschnitt 
freizulegen. Sitzt die Läsion distaler, so bietet ein an der Außenseite des Biceps 
gelegener Schnitt guten Zugang. Man findet hier den nach vorne zurückkehrenden 
Nerv zwischen Brachialis internus und Supinator longus. 

Peltesohn - Berlin. 

M’Ardle, Fractures and dislocations at the elbow-joint. Dublin Journal of 
medical Science, März 1912. 

Bei Frakturen des Radiusköpfchens sind plastische Operationen erfolglos, 
ja selbst schädlich, dagegen sind operative Maßnahmen bei Brüchen des oberen 
Endes der Ulna dringend indiziert. Bei Frakturen des Olekranons, die durch in¬ 
direkte Gewalt hervorgerufen sind, hat man die besten Resultate durch extra- 
artikulare Eingriffe erzielt. Lange bestehende Dislokationen beider Armknochen 
sind ohne blutige Operation kaum heilbar. Eine Resektion des Olekranons gestattet 
leichte Reduktion derselben. Verfasser fixiert das losgelöste Stück mittels einer 
Schraube, wie sie auf den beigefügten Röntgenbildern sichtbar ist, und hat damit 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 44 


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tadellose Resultate erzielt. Die Operation vom hinteren Teil des Gelenks ist 
anatomisch gegeben, da alle wichtigen Gelenkteile und sonstigen anatomischen 
Gebilde mit Ausnahme des Nervus ulnaris im Operationsgebiete liegen, von dem 
sie nur durch den Musculus brachialis getrennt sind. Ist der Triceps verküret. 
so ist eine Reduktion von vornherein ausgeschlossen, wie ausgedehnt die lateralen 
Bandapparate auch durch trennt werden. Die Anwendung von Schrauben statt 
des Drahtes zur Fixation erspart viel Zeit und vermeidet ein unnötiges Bloßlegen 
der periartikulären Gewebe, wie nachfolgende Adhäsionen. 

Bibergeil - Berlin. 

Spannaus, Vier Patienten mit Ellbogen Verletzungen. (Breslauer Chirurg. 

Gesellsch., 22. Januar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 12. 

Es handelte sich um eine frische Luxation nach hinten, um eine nach der 
Außenseite, um eine 5 Monate alte Luxation nach hinten, und eine 4 Monate alte 
Fraktur des Processus coronoideus mit Luxation nach hinten. Alle 3 Patienten 
mit den unkomplizierten Luxationen hatten einen ausgeprägten Cubitus valgus. 
der nach des Verfassers Ansicht besonders zu Luxationen neigt wegen der schiefen 
Achsenstellung des Oberarms und Unterarms zur Gelenkfläche. Die alte Luxatien 
nach hinten mußte operiert werden, desgleichen auch der alte Bruch des Proc. 
coronoideus, da eine Ankylose des Ellbogengelenkes vorhanden war. In diesem 
Falle konnte Spannaus die Gelenkverbindung ohne Resektion wieder her- 
steilen. — Sodann zeigt Verfasser noch eine Patientin, bei der wegen einer Ell¬ 
bogengelenksankylose ein freier Fascienlappen zwischen die Knochenenden gelegt 
wurde. Die Funktion des Gelenkes war zufriedenstellend. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

E s a u, Bemerkungen zu den Spombildungen (Olekranon- und Okzipitumsporn). 

Zeitschr. f. Chir. Bd. 117, Heft 3/4, S. 390. 

E s a u zieht aus seinen Beobachtungen den Schluß, daß der Olekranon¬ 
sporn in 2—3 Proz. wahllos untersuchter Menschen vorkommt, leicht und sicher 
zu finden ist und im wesentlichen einen Nebenbefund darstellt. Er kommt hei 
beiden Geschlechtern vor, seltener jedoch beim weiblichen. Betroffen scheint 
vor allem das Alter von 30 Jahren an aufwärts zu sein, wenngleich es einige Fälle 
gibt, die den Sporn schon im jugendlichen Alter besitzen. 

Keineswegs ausgeschlossen ist die Möglichkeit, daß regressive Umände¬ 
rungen im Ansatz der Tricepssehne zur Ausbildung des Sporns beitragen, daß 
sie von wesentlichem Einfluß auf Form und Größe des Sporns sind. Möglicher¬ 
weise spielen auch familiäre Skeletteigentümlichkeiten eine Rolle. Als Beispiel 
einer solchen angeborenen Knochenanomalie flicht Esau eine Beobachtung ein. 
die er bei einem 22jährigen Manne erheben konnte, welcher in gleicher Weise wie 
sein jüngerer Bruder eine starke Vortreibung am Hinterkopf hatte. Der untere 
Rand stand gut 1 cm vom Schädelknochen ab; man konnte ihn mit der Finger¬ 
spitze umgreifen. Das Röntgonbild zeigte einen deutlichen Sporn. 

Sehr fraglich erscheint Esau die Existenz der isolierten Fraktur des 
Olekranonsporns. Ueberzeugend und einwandfrei kann die Diagnose auf einen 
Bruch nur dann gestellt werden, wenn ein zufälliges früheres Bild einen gesunden 
Sporn zeigt oder wenn bei einen; eventuellen Eingriff sich Reste einer Verletzung 


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am Knochen finden. Den sogenannten Frakturen des Olekranonsporns, soweit 
sie bisher publiziert wurden, muß man skeptisch gegenüberstehen. 

Joachimsthal. 

Dalla Vedova, Contributo alla conoscenza delle ossificazioni da trauma 
(con speciale riguardo alle forme consecutive alla lussazione posteriore del 
gomito). Archivio di ortopedia A. XXVIII, fase. 5—6. 

Bekannt ist die Wichtigkeit der traumatischen Folgeerscheinungen nach 
Luxationen des Vorderarmes, auf die eine Knochenneubildung zu folgen pflegt. 
Ueber die Pathogenese der Ossifikation sind verschiedene, fast entgegengesetzte 
Anschauungen aufgestellt worden. Verfasser glaubt aus einer sorgfältigen patho¬ 
logisch-anatomischen Untersuchung zu folgenden Schlüssen kommen zu können: 

a) Auf die Luxation des Ellbogengelenks nach hinten folgen häufig 

knöcherne Neubildungen in den parostalen und paraartikulären Geweben und 
Organen. ^ 

b) Von diesen Ossifikationen müssen die ersteren pathogenetisch als Folgen 
einer Läsion des Periosts aufgefaßt werden; für die zweiten kann, wenigstens 
zum Teil, eine traumatisch myositische Genese angenommen werden. 

c) Diese Ossifikationen infolge Traumas nach Luxationen des Ellbogen¬ 
gelenkes pflegen einen endlichen Entwicklungszyklus zu haben: Wachstum — mehr 
oder weniger langsame Involution. 

d) Die Prognose der Luxation des Ellbogengelenks, auch wenn dieselbe 
rechtzeitig erkannt und reponiert wird, ist abzuändern. 

e) Die Therapie hat eine konservative zu sein; eine blutige Therapie hat 
nur ausnahmsweise Indikationen. 

f) Die Anwesenheit der Neubildung kontraindiziert bei dem Luxierten 
auch die mediko-mechanische Behandlung. Ros. Buccheri - Palermo. 

MetelloFrancini, Sulla cura chirurgica delle anchilosi del gomito. Archivio 
di ortopedia Anno XXIX, 1912, Fascicolo 1. 

Die wirksamste Prophylaxe gegen das Zustandekommen von durch Traumen 
bedingten Ankylosen ist sorgsamste Behandlung der intraartikulären Frakturen 
unter steter radiographischer Kontrolle und unter sofortiger Anwendung der 
Geradestellung. Auf Arthropathien und besonders auch auf tuberkulöse Gelenk¬ 
entzündung folgende Ankylosen sollten, wenn der Krankheitsprozeß vollkommen er¬ 
loschen ist, stets mit der Resektion behandelt werden, da diese die besten funktio¬ 
nellen Resultate ergibt. Bei Individuen mit s chlaffen Geweben ist ein fest ankylosierter 
Ellbogen nützlicher als ein bewegliches, aber wenig sicheres Gelenk. Bei solchen 
Patienten sollten daher nicht zu ausgedehnte Resektionen gemacht werden. Ein 
Rezidiv der Ankylose ist bei weitem weniger ernst als ein Schlottergelenk. Dank 
den neuesten Errungenschaften der Operationstechnik kann man heute ein solches 
Rezidiv sicher verhindern, die Modellierung der resezierten Knochen begünstigen 
und die Schmerzen der frühen Mobilisierung verringern. Es geschieht dies durch 
die von D u r a n t e angegebene Interposition. Zw ischen die resezierten Knochen 
wird ein gestielter Fascien-Muskellappen aus dem Triceps brachii desselben In¬ 
dividuums gelegt. Die postoperative Behandlung besteht in kurzer Immobili¬ 
sierung mit gestrecktem Arm und folgender Massage und Bäderbehandlung. 

Bibergeil- Berlin. 


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Mario Donati, Sülle lussazioni traumatiche posteriori inveterate del gomitö« 
in particolare riguardo alia eoneomitanza di caili periost ali e di fratture dtgli 
epicondili luterali. Archivio di ortopedia, 12 Maggio 1912. 

Donati lenkt in einer umfangreichen Arbeit die Aufmerksamkeit auf 
die Luxationen des Ellbogengelenks nach hinten mit gleichzeitiger Fraktur des 
lateralen Epicondylus humeri. Er hat 9 derartige Fälle beobachtet, die samtlkh 
veraltet waren. In einem Falle bestand lediglich eine Luxation, in 5 Fällen w.*r 
außerdem eine Fraktur des lateralen Kondylus vorhanden, 2mal war dieser ab 
gerissen; dabei war in einem Fall gleichzeitig eine Fraktur der Trochlea vorliegend, 
während in einem Fall neben der Luxation eine Troehleafraktur bestand. Eint 
gleichzeitige Fraktur neben der Luxation besteht nach den Erfahrungen des Ver¬ 
fassers in 55,5 Proz. der Fälle. Donati bearbeitet den anatomischen Charakter 
der Läsion; ossifizierende Prozesse im Brachialis internus hat er nicht beobachtet. 
Die Verletzung tritt meist bei jungen Individuen, insbesondere Kindern, auf. 
Sie kommt meist durch Fall auf die Hand mit dem hyperextendierten 
Ellbogen zustande. Donati nimmt nicht wie H o f f a an, daß die begleitende 
Fraktur durch den Druck des Radiusköpfchens zustande kommt. Die Prognose 
ist bei verschleppten Fällen ziemlich schlecht. Die unblutige Therapie ist aus¬ 
sichtslos. Die blutige Therapie gelingt nach Beseitigung aller interpellierten Teile 
und der verkürzten Gelenk- und Kapselbänder stets. In manchen Fällen empfiehlt 
sich die Resektion. Bei guter Nachbehandlung sind die Resultate gut. 

Bibergeil - Berlin. 

W i a r t et P h e 1 i p, Corps etrangers articulaires du cou le. Soc. anatom. de 
Paris. Dezember 1911, p. TOT. 

Es handelt sich um einen 2Tjährigen Eisenbahnbeamten, der seit seinem 
14. Jalire gelegentlich Schwellungen und Schmerzen des rechten Ellbogengelenks 
hatte, welche sich seit 3 Jahren versclilimmert haben und seit 1 Monat so heftig 
geworden sind , daß aktive Bewegungen nicht mehr ausgeführt werden können. 
Radiographisch findet man in dem geschwollenen Gelenk vorn 3, hinten 2 dunkle 
Flecken. D e Arthrotomie läßt die röntgenologisch bestimmten Corpora libera leicht 
entfernen. Seitdem sind alle Schmerzen verschwunden. Im Anschluß an die 
Operation zeigen sich Symptome schwerer Lungentuberkulose. 

Peltcsohn - Berlin. 

Röpke. Arthritis deformans. (Xaturwissensohaftl. med. Gesellseh. zu Jena. 
15. Februar 19120 Münch, med. Wochenschr. 191*2, Nr. 15. 

Vorstellung einer Frau, bei der R ö pke wegen Arthritis deformans de> 
rechten Ellbogengelenks mit erheblicher Bewegungsbeschränkung die Gelenk¬ 
kapsel exstirpiert und vom Humerusende den größtenteils zerstörten Knorfvl* 
Überzug abgetragen hat. Auf die Knochenwunde wurde ein Fettlappen frei 
transplantiert. Heilung ohne Störung mit normaler Beweglichkeit. 

Scharff - Flensburg. 

M o u e ii e t et L o b 1 i g e o i s. Sur Eossitieation de 1‘olecräne. Etüde ra*n<> 
cvaphnjue. Rev. d’orthop. 1912. Nr. 2, p. 143. 

Die r.nlioiivaphisehen Untersuchungen der Verfasser über die Ossifikation 
dos Olekranons. Welche an 3oö Kindern vorgenommen wurden, erstrecken sich auf 
;uei Punkte: aut die Zeit des Erscheinens des Hauptknochenkerns und das \or* 


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kommen des gelegentlich im Schnabel des Olekranons sichtbaren akzessorischen 
Ossifikationskerns. Die Untersuchungen ergaben folgendes: 

1. In einem Drittel aller Fälle findet man außer dem der Insertion des 
M. triceps entsprechenden Kern einen besonderen Kern für die Ossifikation 
des Olekranonschnabels. Dieser Kern erscheint ausnahmsweise im 11. Jahre, 
am häufigsten zwischen 12 und 13 Jahren; er verschmilzt mit dem Hauptkern 
zwischen 15 und 16 Jahren, ausnahmsweise schon mit 13 bis 14 Jahren, letzteres 
namentlich bei Mädchen. Seine Größe beträgt in der Regel ein Drittel bis 
ein Viertel des Hauptkerns, selten ist er ebenso groß wie dieser. 

2. Der Hauptkern des Olekranons erscheint früher als im allgemeinen 
berichtet wird, nämlich ausnahmsweise schon mit l l / 2 Jahren, im Durchschnitt 
mit 9 Jahren und nicht, wie bisher angenommen, erst mit 12 Jahren und später. 

Peltesohn - Berlin. 

Jerusalem, Querbruch des Olekranons. (K. K. Gesellsch. d. Aerzte, Wien 
29. März 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 16. 

Vorstellung eines Mannes mit Querbruch des Olekranons. Die Bruchstücke 
waren 3 Querfinger voneinander entfernt, das proximale um 90° nach hinten 
und außen gedreht. Jerusalem exstirpierte das proximale Fragment; das 
funktionelle Resultat war gut. S c h a r f f - Flensburg. 

Bolten, Die ischämische Lähmung. Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 16. März 
1912. 

Bolten betont nachdrücklich, daß unter dem Namen „ischämische 
Lähmung 44 verschiedene Krankheitsbilder: ischämische Neuritis, ischämische 
Myositis und eine Kombination von beiden beschrieben worden sind. 

van Assen - Rotterdam. 

Bardenheuer, Symptomatologie der Entstehung ischämischer Kontrakturen 
und der akut diffusen Gangrän. Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 8. 

Die einzelnen Symptome der Gangrän entwickeln sich gewöhnlich in 
folgender Reihenfolge: 1. die ischämische Muskelnekrosis und die folgende ischä¬ 
mische Kontraktur, 2. folgt Myositis der Beugemuskeln mit äußerst harter und 
schmerzhafter Infiltration der Muskulatur, 3. entsteht Stagnation des Blutes 
in der äußersten Peripherie der Gefäße in der Haut der Finger und der Hand, 
4. folgen die Störungen in den Nerven und erst an letzter Stelle die Gangrän in 
den Knochen und Sehnen usw. Da die Gangrän durch eine Behinderung der 
Blutzirkulation infolge von Blutansammlung hinter der Fascie und abnormer 
Spannung der Fascie bedingt ist, so empfiehlt B arde n heue r, wenn es nicht 
gelingt, durch Massage und Bewegungen die Blutstauung zu beseitigen, die Fascie 
frühzeitig zu spalten. Wichtig ist dies besonders bei Behandlung von Armfrakturen, 
vor allem komplizierter Frakturen. Ein Gipsverband verhindert oft die ersten 
Symptome der ischämischen Myositis rechtzeitig zu erkennen. 

S c h a r f f - Flensburg. 

B i n e t, Du gort des muscles pronateurs dans la retraction ischemique du membro 
superieur. Rev. dbrthop. 1912, Xr. 2, p. 151. 

Die ischämische Kontraktur ist außer durch die permanente und definitive 
Verkürzung der Hand- und Fingerbeuger oft durch eine Beschränkung oder 


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völlige Aufhebung der Rotationsbewegungen des Vorderarmes gekennzeichnet 
Letzterer Umstand wird meistens fast ganz vernachlässigt, ist aber für das funktio¬ 
nelle Resultat nicht ohne Bedeutung. Diese Komplikation kann auf verschiedenen 
Ursachen beruhen. Sie kann durch fehlerhafte Konsolidation der der ischämischen 
Kontraktur zugrunde liegenden Fraktur bedingt sein. Hierüber klärt die Radio¬ 
graphie auf; bei dieser Entstehung der Rotationsbeschränkung wird man die 
partielle oder die totale Resektion des Callus ausführen. 

Weiterhin kann sie ausnahmsweise infolge einer unzulänglichen operativen 
Therapie der ischämischen Kontraktur in der Weise bedingt sein, daß gelegentlic h 
der Kontinuitätsresektion aus der Ulna und dem Radius die Fixation im Verbände 
schlecht oder von zu kurzer Dauer war, oder daß mit der Massagenachbehandlung 
zu früh begonnen wurde, da hierbei zu viel Callus produziert wird. 

Viel häufiger entsteht die Pronationskomponente der Kontraktur auf Grund 
von Schrumpfung der Mm. pronatores. Während Tenotomicn, Sehnenplastiken 
und Resektionen aus den Diaphysen von Radius und Ulna die Verkürzung des 
Pronator teres und palmaris zu heilen imstande sind, bleibt häufig der Pronator 
quadratus unberücksichtigt. Er ist daher zu myotomieren, am besten in der 
W eise, daß sein Ansatz an der Ulna total abgetrennt wird. 

B i n e t teilt 2 Fälle mit, in denen das Fortbestehen der Pronationskon- 
traktur dem Umstande zugeschrieben werden mußte, daß die Pronatoren bei der 
ischämischen Lähmung mitbeteiligt waren. Peltesohn - Berlin. 


R. Alessandri, Sui trapianti liberi di osso. Rivista ospedaliera Vol. II, 
Nr. 6, 15. März 1912. 

Verfasser berichtet über einen Fall von Sarkom der Diaphyse des rechten 
Radius, bei dem er eine Kontinuitätsresektion gemacht und eine freie Knochcn- 
transplantation aus der Fibula versucht hat. Der Ausgang des Falles ist noch 
ungewiß. B i b e r g e i 1 - Berlin. 

Donato de Francesco, Considerazioni sopra alcune cineplastiche. Archivio 
di ortopedia Anno XXIX, 1912, Fascicolo 1. 

Nachdem Verfasser auf dem Orthopädenkongreß 1907 in Bologna über 
einen Fall berichtet hatte, der nach der Methode Nanghetti „cineplastisch “ am¬ 
putiert w orden war, teilt er jetzt 2 weitere Fälle mit, bei denen er nach der gleichen 
Methode einen Amputationsstumpf am Vorderarm gebildet hat, der es ermöglicht, 
mit Hilfe zweier Bügel (clavae), die durch zwei am Stumpf gebildete Hauttaschen 
geführt sind, Gewichte und sonstige Gegenstände zu heben. 

Bibergeil- Berlin. 

Albert in, Oüeomyelite et tnumatisme en face ce la loi de 1898 sur les 
accidents du travail. Soc. de chir. de Lyon 14. Dez. 1911 (Rev. de chir. 
XLV, p. 509). 

Die traumatische Entstehung einer Osteomyelitis ist mit Rücksicht auf 
das Unfall Versicherungsgesetz eine sehr wichtige Frage. — Bei einem Kranken 
entstanden durch Tragen eines schweren Sackes heftige Schmerzen im rechten 
Radius, so daß zuerst an eine Periostabreißung mit Entzündung der radial ge¬ 
legenen Sehnenscheiden gedacht wurde. Jetzt besteht typische Osteomyelitis 
des distalen Radiusendes. — Im zweiten Falle Stoß eines Wagens gegen den 


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rechten Unterarm. 8 Tage später Eröffnung eines Kriochenabszesses an der Ulna. 
— In beiden Fällen glaubt A1 b e r t i n, daß eine occulte Osteomyelitis bereits 
bestanden hat, die durch die Traumen manifest geworden ist. 

Peltesohn - Berlin. 

Springer, Operation der Madelungsehen Deformität. (Wissenscliaftl. Gesell- 
sehaft deutseher Aerzte in Böhmen, 10. Mai 1912.) Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1912, Nr. 24. 

Springer empfiehlt, den Radius an ein bis zwei Stellen zu osteotomieren, 
den Pronator quadratus zu durchsehneidcn und nach Resektion des unteren Ulna¬ 
endes in maximaler Supination und Dorsiltlexion einzugipsen. 

S c h a r f f - Flensburg. 

H. J. Lycklama ä Nyeholt, Fractura radii. Nederl. Tijdschr. voor 
Geneesk. 8. Juni 1912. 

Verfasser kommt auf Grund von 82 Fällen zu folgenden Schlüssen: Wenn 
keine Difformität besteht, soll man nur eine Mitelia anwenden und gleich mit 
Massage anfangen. Sonst soll gut reponiert und gut, aber nicht zu lange fixiert 
werden. Eine mit größerer Abweichung konsolidierte Radiusfraktur soll aufs 
neue gebrochen und reponiert werden, wonach in der Regel vollkommene Heilung 
erzielt wird. Bei guter Behandlung geben nur arthritische Veränderungen eine 
schlechte Prognose. van Assen - Rotterdam. 

E y k e 1, Fibröse stenosierende Tendovaginitis am Processus styloides radii. 
Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 27. April 1912. 

Eine Fall dieser von de Querrain zuerst beschriebenen Krankheit, 
geheilt durch Spaltung der Sehnenscheide der Mm. abd. pollic. long. und extens. 
pollic. brev. van Assen - Rotterdam. 

Burk, Ueber habituelle Subluxation im Carpometacarpalgelenk mit konsekutiver 
Tendovaginitis am Processus styloideus radii. Münch, med. Wochenschr. 
1912, Nr. 13. 

Burk teilt die Krankengeschichte eines 23jährigen Patienten mit, der 
wegen Tendovaginitis am Process. styl, radii in Behandlung kam. Es bestand 
zugleich eine habituelle Subluxation im Carpometacarpalgelenk, und die Röntgen¬ 
aufnahme zeigte, daß am Multangulum majus das physiologische Sattelgelenk 
fehlte und die Gelenkfläche nur eine flache Mulde darstellte. Burk glaubt, daß 
es sich um eine angeborene Abnormität handelt. Eine Lederbandage, die den 
Daumen in leichter Abduktion fixierte und Adduktions- und Oppositionsbewegungen 
verhinderte, machte den Patienten in 8 Tagen beschwerdefrei. Burk empfiehlt 
im Hinblick auf diesen Fall radiologische Untersuchung aller Fälle von stcno- 
sierender Tendovaginitis am Process. styl, radii. S c h a r f f - Flensburg. 

F 1 ö r c k e n. Zur Fragt» der stenosierenden Tendovaginitis am Processus styloideus 
radii (de Quervain). Münch, med. Wochenschr. 1912. Nr. 25. 

Flörcken berichtet über 2 Fälle von stenosiorender Tendovaginitis am 
Processus styloideus radii. die durch Operation, Freilegung der Sehnenscheide 
und Exzision des dors den Teil s. geheilt wurden. S e li a r f f - Flensburg. 


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C a s a g 1 i, Deila plastica tendinea nelle gravi lesioni traumatiehe. Applicazione 
di un metodo proprio di riunione a distanza. E-ito favorevole. Archivio di 
ortopedia Vol. XXVIII, fase. 3 — 4. 

Bei einer schweren Verletzung der Hand durch die Kammräder einer 
Maschine, welche außer einer ausgedehnten Rißwunde der Weichteile des Hand¬ 
rückens und Fraktur des Metacarpus und einer Phalanx die Zerstörung eines sehr 
großen Stückes einer der .Strecksehnen zum Effekt gehabt hatte, führte Verfasser 
die Distanzvereinigung der beiden Stümpfe dadurch aus, daß er zwischen sie ein 
freies Aponeurosenstück einschaltete. Die vollkommene Wiederherstellung der 
Funktion in bezug auf die Extensionsfähigkeit der verletzten Sehne wurde nach 
2 Monaten konstatiert. Ros. Buccheri - Palermo. 

A b a d i e, Autoplastie dans un cas de diflormite grave par scudure de la main 
ä l’avant-bras, ä la suite de brülures anciennes. Arch. prov. de chir. 1912, 
p. 240. 

12 l 5 jähriges maurisches Mädchen mit schwerer Deformität der rechten 
Hand nach Verbrennung im Alter von 6 Jahren. Die Hand war durch Narben so 
stark dorsal- und ulnarHektiert, daß der Handrücken fest an der Streckseite des 
Unterarms anhaftete. Nur der Daumen war gebrauchsfähig. Trennung der Narben 
und Transplantation eines gestielten Hautlappens von der Bauchhaut; Streckung. 
In weiteren Sitzungen Trennung von Syndaktylien. Sehr schönes kosmetisches 
und funktionelles Ergebnis. Peltesohn - Berlin. 

Bosquette, Suture tendineuse et suture du scaphoide. Dauphine med. — Rev. 
de chir. XLV, p. 359. 

Bericht über ein Ojäliriges Mädchen, dem das Handgelenk von der Daumen¬ 
seite her durch einen breiten Schnitt verletzt worden war. Das noch zum grüßten 
Teil knorplige Os naviculare wurde genäht, danach das Handgelenk geschlossen 
und schließlich die Sehnen durch Naht vereinigt. Sehr gutes Resultat. 

Peltesohn- Berlin. 

T a e ndle r. Ein Fall von hartem traumatischen Handrückenödem. Monatsschr. 
f. Unfallheilk. 1912, Nr. 4. 

Der Fall, der zu der Arbeit Veranlassung gab, dürfte insofern noch besonderes 
Interesse bieten, weil Taendler Gelegenheit hatte, denselben über 5 Jahre 
zu beobachten und die Veränderungen, welche die befallene Hand m dieser Zeit 
einging, genau zu verfolgen und auch durch beigegebene Bilder fest zu legen. Aus 
der ausführlich wiedergegebenen Krankengeschichte geht hervor, daß auch hier, 
wie fast stets in solchen Fällen, eine relativ leichte Verletzung der Finger ätio¬ 
logisch in Betracht kam: es handelte sich nur um Weicht eil Verletzungen und leichte, 
periostitischc Reizungen, aber um keinen Knochenbruch. Die artetizielle Ursache 
der Erkrankung glaubt Taendler im vorliegenden Fall bestimmt aus¬ 
schließen zu können, dagegen ist er der Ansicht, daß durch Massage, also gewisser¬ 
maßen auch artetiziell, der Zustand verschlimmert wird. Er steht auch auf dem 
Standpunkt, daß in den schweren Fällen, welche nicht nach einigen Wochen 
zuriiekgehen. jede Therapie aussichtslos ist. Es bestand eme absolute Unempfind¬ 
lichkeit der Hand und des Vorderarmes gegen tiefe Nadelstiche, was Ta en d 1er 


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auf die Umspülung der Nervenenden und auf deren Kompression zurückgeführt 
wissen will. Eine Knochenatrophie lag hier nicht vor. B 1 e n c k e-Magdeburg. 

Beutschländcr, Die isolierte Tuberkulose des Os naviculare carpi, zugleich 
ein Beitrag zur Genese der Handgelenkstuberkulose. Fortschritte a. d. Geb. 
d. Röntgenstr. XV11I, Heft 4. 

Deutschländer berichtet über einen Fall von isolierter Tuberkulose 
im Naviculare, der noch mehr wegen seiner Beziehung zur Tuberkulose des Hand¬ 
gelenks ein gewisses Interesse bieten dürfte, da es sich hier nach des Verfassers 
Ansicht um das Frühstadium einer Handgelenkstuberkulose gehandelt hat, die 
zur vollen Entwicklung gekommen wäre, wenn ihr nicht frühzeitig Einhalt geboten 
wäre. Der Gang des Fort schrei tens ließ sich bereits im Röntgenbilde deutlich 
verfolgen, und in den kurz vor der Operation aufgenommenen Bildern ist bereits 
eine ganz charakteristische Knochenatrophie der benachbarten Gebiete des Ca- 
pitatum und Multangulum minus in ganz umschriebenen Bezirken zu erkennen. 
Bei dem engen Kontakt und bei den zahlreichen ligamentären Verbindungen der 
einzelnen Gelenke wäre bald ein Durchbruch in die benachbarten Gelenke erfolgt, 
so wie es auch bereits durch den Knochenschwund angedeutet war, und eine 
allmähliche Destruktion der gesamten Handwmrzel würde die Folge gewesen sein, 
wobei die ligamentären Verbindungen gewissermaßen der tuberkulösen Granu¬ 
lationswucherung die Wege zur sekundären Knocheninfektion gewiesen hätten. 
Bemerkenswert ist in dem vorliegenden Fall der außerordentlich langsame Verlauf; 
von dem ersten Auftreten der Beschwerden an ist fast ein halbes Jahr vergangen, 
bis der Knochenherd etwa die Größe eines Schrotkomes erreicht hatte. Hieran 
schloß sich dann allerdings ein Stadium beschleunigter Progression, die bereits 
in zwei weiteren Monaten zu einer wesentlichen Vergrößerung des Herdes und zum 
Auftreten von Knochenatrophie führte. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Barthölemy, Retraction de Faponevrosc palmaire. Soc. de m£d. de Nancy 
Rev. de chir. XLV, p. 512. 

Bei der Besprechung eines Falles von Dupuytrenscher Kontraktur weist 
Barthölemy auf die traumatische Pathogenese hin, weiterhin auf die Notwendig¬ 
keit, bei der Operation die Lappenbasis zentral zu legen, und die guten Resultate, 
die durch Transplantation Krause scher Lappen zur Deckung des Defektes 
erzielt werden. Sie liefern eine weniger empfindliche und zur Schrumpfung neigende 
Deckung als T h i e r s c h sehe Lappen. Peltesohn - Berlin. 

Niemtzewa, Ein Fall von mangelhafter Handentwicklung. Chirurgia Nr. 2, 
1912. 

Patientin, 50 Jahre alt, ist als erstes Kind einer gesunden Mutter geboren. 
In der 20. Schwangerschaftswoche erhielt die Mutter einen heftigen Stoß mit dem 
Pflug gegen den Bauch und blieb einige Zeit bewußtlos. Die Geburt erfolgte zur 
rechten Zeit, das Kind wies eine mangelhaft entwickelte linke Hand auf. Patientin 
arbeitet seit 25 Jahren in einer Fabrik und verrichtet unbehindert alle nötigen 
Hausarbeiten auch mit der linken Hand (kann z. B. Wassereimer mit der linken 
Hand tragen). Der linke Vorderarm ist um 3 cm kürzer als der rechte, sein Umfang 
ist überall um 3 cm geringer als rechts. Die linke Hand erscheint als kolbenartige 


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Verdickung mit fünf Erhabenheiten, ist in frontaler und sagittaler Richtung beweg¬ 
lich. Auf der Röntgenaufnahme deutet Verfasserin die zusammengeschmolzciKr. 
fünf Metacarpalia, die zusammengeschmolzene i Semilunare, Triquetmm, Pisi- 
forme und Hamatum, das Naviculare, Capitatum, Multangulum majus et minus. 
Verfasserin glaubt die Deformität als Folge des von der Mutter erlittenen Stoß« 
erklären zu können: es konnte eine lokale Entzündung stattgetunden ha kn, 
deren Folge eine Narbe im Amnion war; der Druck dieser Narbe auf die zarte 
Anlage der Extremität konnte zu einer Hemmung in der Entwicklung der Hand 
führen. F r u m i n - Kiew. 

Ottendorff, Mißbildung aller vier Extremitäten auf amniotischer Bari* 
(Altonaer ärztl. Verein 28. Febr. 1912.) Münchner med. Woehensehr. 1912, 2.1 
Vorstellung eines Knaben mit Spalthand an beiden Händen; statt der 
Untersehenkel nur konische Stümpfe. Patient ist trotzdem sehr geschickt und 
geht gut mit Höftmann sehen Prothesen. S c h a r f f - Flensburg. 

V. Sali e, Ueber einen Fall von angeborener abnormer Größe der Extremitäten 
mit einem an Akromegalie erinnernden Symptomenkompiex. Jalirb. f. Kinder* 
heilk. Bd. 75, der 3. Folge 25. Bd., Heft 5, S. 540. 

Bei einem neugeborenen Kinde ergab sich eine geringe Vergrößerung d»r 
Extremitäten im allgemeinen, im Verhältnis zu einer das Normale immerhin 
überragenden Körperlänge. Besonders auffallend waren die durchaus unpro¬ 
portionierten langen Finger und Zehen, die große Nase, das prominente Kinn, 
die große Zunge. Die Sektion ergab eine Erweiterung der Selli turcica und eine 
die Hypophyse eindrängende Hervorwölbung des Knochens; die Hypophyse 
selbst wies kein typisches Hypophysenadenom auf. JoacliimsthaL 

Becker, Angeborene Mißbildungen. (Gesellsch. f. Natur- u. Heilk. zu Dresden. 

10. Februar 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 14. 

Vorstellung eines 5 Jahre alten Knaben mit Defekt des Radius, des Daumen?, 
mehrerer Handwurzelknoehen und der Extensoren an der rechten Hand. Der 
rechte Augapfel fehlt vollkommen. S c h a r f f - Flensburg. 

B ä h r. Ein Fall von Mißbildung der Handwurzel. Fortschritte a. d. Geb. d. 
Röntgenstr. XVIII, Heit 4. 

Genaue Beschreibung des Röntgenbefundes einer Handwurzelmißbildum:. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

G o e b e 1, Beitrag zur Frage der freien Yerpflanzbarkeit von Finger- und Zehen- | 
phalangen. (Med. Gesellseh. zu Kiel, 12. Februar 1912.) Münch, med. } 

Wochenschr. 1912. Xr. 10. | 

Goebel hat bei einem 10jährigen Jungen die durch ein Enehondreiü j 
völlig zerstörte Grundphalanx des linken vierten Fingers exstirpiert und den j 

Defekt durch freie Transplantation der Grundphalanx der linken zweiten Zehe , 

ersetzt. Der Defekt in der Zehe wurde durch freie Transplantation einer , 

Knorpelspange aus der rechten sechsten Rippe gedeckt. Gutes Resultat. 

8 e li a r f f - Flensbunr. 

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Steimann, lieber Zangenhände. Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 17. 

S t e i m a n n berichtet über 3 Fälle von schweren Verletzungen der 
drei mittleren Finger, bei denen die operative Ausgestaltung der Hand zur Zangen¬ 
hand diese zu einem kräftigen Greiforgan umbildete. Außer den Phalangen 
braucht man nur die Hälfte der Metacarpen II und III zu entfernen. Der 
IV. Metacarpus wird am besten ganz exartikuliert. S c h a r f f - Flensburg. 
Worms et Hamant, Fracture en Y de la base du 1 er m^tacarpien. Soc. 
anatom. de Paris, Februar 1912, p. 102. 

Durch Schlag mit dem Schmiedehammer zog sich der 18jährige Patient 
eine Y-förmige Fraktur an der Basis des Metacarpus I zu; diese Form des Bruches 
ist selten. Peltesohn - Berlin. 


L a n d o i s, Abreißung des Daumenendgliedes mit Herausreißung der ganzen Sehne 
des M. flexor pollicis longus in Länge von 20 cm. (Breslauer Chirurg. 
Gesellsch., 22. Januar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 12. 
Demonstration des betreffenden Präparates. 

B1 e n c k e - Magdeburg. 

Bernardino Langhetti, Sopra un caso di brachidattilia simetrica 
dclla mano. Archivio di ortopedia Anno XXIX, 1912, Fascicolo 1. 

Beschreibung eines Falles von Brachydaktylie bei einer 32jährigen Frau. 
Merkwürdig ist die Symmetrie der Deformität. An beiden Händen ist der Mittel¬ 
finger verkürzt, und zwar handelt es sich beiderseits um Verkürzungen des dritten 
Metacarpus bei vollkommen normaler Beschaffenheit der Phalangen. Ferner 
findet sich rechts und links eine starke Verkürzung der zweiten Phalanx der fünften 
Finger, die auch sonst leicht deformiert sind. Die Anamnese ergibt nichts Be¬ 
sonderes. Bibergeil - Berlin. 

T r i d o n, Absence congenitale des ongles des pouces. Rev. d’orthop. 1912, 
Nr. 2, p. 192. 

3jähriges Kind, dem in symmetrischer Weise an jedem Daumen der Nagel 
von Geburt an fehlt. Dafür finden sich quer verlaufende Hautfurchen. Die Grund¬ 
phalangen sind normal, die Endphalangen zu kurz, aber breiter als normal. 

Peltesohn - Berlin. 

Qu ensel, Ueber traumatische Lähmung im Gebiete des Plexus lumbosacralis. 
Monatsschr. f. Unfallheük. 1912, Nr. 3. 

* Der Patient hatte sich durch einen Unfall eine Quetschung des linken 
Beckennervengeflechtes gerade an der Stelle zugezogen, wo dasselbe aus dem 
Becken heraustritt. Eine Verletzung an den Knochen und Gelenken hat dabei, 
wie sich deutlich auf den Rüntgenbildem zeigen ließ, nicht stattgefunden. Dagegen 
sind in typischer Weise zwei gemeinsam entspringende und verlaufende Nerven 
verletzt, nämlich der obere Gesäßnerv und der im großen Hüftnerven verlaufende 
hintere Anteü desselben, der Wadenbeinnerv. Die Quetschung der genannten 
Nerven war eine sehr schwere und hat zur Lähmung der von ihnen versorgten 
Muskeln, der tiefen Gesäßmuskulatur und der Streckmuskulatur am Unterschenkel, 
endlich zu gewissen Emplindungsstörungen an letzterem gefühlt. Im Anschluß 
an diesen Fall bespricht Verfasser dann noch das Krankheitsbild dieser Lähmung, das 
eine gewisse Analogie darbietet zu der Erbsehen Lähmung des Plexus brachialis, 


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Referate. 


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bei welcher ja auch die aus den höchsten Wurzeln stammenden Fasern sieh &k 
die am meisten vulnerablen erweisen. Auch insofern besteht eine Aehnlichkeit 
mit den Lähmungen im Gebiet des Plexus brachialis, als auch dort gerade die ?.u> 
den hinteren Anteilen hervorgehenden Nervenstämme, einzeln genommen, der 
Gefahr der Lähmung durch Verletzungen besonders ausgesetzt sind. 

Bl e n c k e - Magdeburg. 

Sigmund Erben, Differentialdiagnose der Schmerzen im Bein. Wiener 
klin. Wochenschr. 1912, Nr. 17. 

Der interessante Artikel, der sich hauptsächlich mit der Besprechung de: 
Diagnose in Differentialdiagnose der Ischias befaßt, ist dem im Druck befindliche 
Lehrbuche des Verfassers „Diagnose der Simulation nervöser Störungen “ ent¬ 
nommen. Die Arbeit, die auch für den Fachorthopäden zahlreiche wichtige Hin¬ 
weise enthält, entzieht sich der eingehenden Besprechung. Haudek - Wien. 

W. Alexander, Fehldiagnosen bei Ischias. Vortrag in der Berliner ortho¬ 
pädischen Gesellschalt. Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 18. 

Alexander teilt die Fehldiagnosen ein in vermeidliche und unver¬ 
meidliche und versteht unter den vermeidlichen teils solche, die gar nichts mit 
dem Ischiadicus zu tun haben, teils solche, die sich im Ischiadicusgebiet abspiekn. 
aber keine echte Ischias sind. Zu den unvermeidlichen gehören die erheblich 
selteneren, bei denen eine anscheinend echte Ischias das erste Symptom eine: 
anderen Krankheit ist. An der Hand selbstbeobachteter Fälle zeigt Alexander, 
daß die Diagnose Ischias viel zu häufig in der Praxis gestellt wird, und erläutert im 
.einzelnen die obengenannte Einteilung. Den breitesten Raum nehmen jene Fälle 
ein, welche mit dem Ischiadicus überhaupt nichts zu tun haben. Nur wiederholte 
und genaue Untersuchung schützt vor schweren Irrtümem. Maier- Aussig. 

Kleinschmidt, Zur Aetiologie der Ischias. (Freie Vereinigung der Chirurgie 
Berlins, 11. März 1912.) ZentralbL f. Chir. 1912, Nr. 19. 

Eine * angeborene Knochenanomalie am V. Lendenwirbel in Gestalt 
einer 4 cm langen und 2—3 cm breiten, flügelförmigen Knochenspange war at? 
Ursache einer hartnäckigen Ischias anzusehen, die allen Behandlungsmethoden 
bisher getrotzt hatte. Das Knochenstück hatte einen Druck auf den hier entlang 
ziehenden Nervus lumbalis V. ausgeübt und dadurch neuralgische Erscheinung 
im Gebiet des Plexus sacralis ausgelöst. Die operative Entfernung, die sich &U 
nicht ganz leicht erwies, brachte endgültige Besserung. B 1 e n c k e-Magdeburg. 

B a s t i a n e 11 i, Ematoma iliaco ed emartro del ginocchio in emofilico. (Rivisti 
Ospedalicra. A. II, Nr. 2). 

Bastianclli gibt die Geschichte von zwei Eingriffen an einem Blute: 
und weist nach, daß auch das Hämatom des M. iliacus auf der Hämophilk 
beruhte. Die wenigen bisher veröffentlichten klinischen Fälle sind bis auf Auf¬ 
nahmen, bei denen anamnestisch familiäre oder individuelle Hämophilie festste- 
stellt war, auf Muskelzerreißung zurückgeführt worden. Daraufhin sucht Verfasser 
zu ergründen, ob die Zerreißung des M. iliacus oder ileopsoas mit nachfolgendem 
traumatischem Hämatom Vorkommen kann. Die Ruptur des Ileopsoas ist nicht 


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•Referate. 


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auf sichere Beweise gestützt und kann nur als außerordentliche Ausnahme bei 
ganz enormen Anstrengungen betrachtet werden. 

In einem Drittel der Kranken mit Hämatom läßt sich die traumatische 
Aetiologic diskutieren, und das angezogene Trauma ist immer inadäquat, so daß 
auch diese Fälle nicht zu den Hämatomen infolge Zerreißung, den echt trau¬ 
matischen, gerechnet werden können; ohne die Hämophilie hätte das Trauma 
keinen so bedeutenden Erguß hervorgerufen. Ros. Buccheri- Palermo. 


E. Schwarz, Hat die Prüfung der Roser-N61atonschen Linie diagnostischen 
Wert? Beitr. z. klin. Chir. Bd. 78, Heft 2, S. 256. 

Schwarz hat 250 zweifellos gesunde Hüftgelenke von männlichen 
Individuen und ebensoviele von weiblichen in Bezug auf die Lage der Trochanter- 
spitze zur Roser-N61aton sehen Linie untersucht und dabei die überraschende 
Tatsache gefunden, daß nur 70 unter ihnen die Trochanterspitze genau in die 
Roser*N61aton sehe Linie fallen ließen. Alle anderen zeigten einen größeren 
oder geringeren Hochstand des Trochanter. Und zwar war dieser bei 74 Gelenken 
bis zu 2 cm über die Sitzdarmbeinlinie hinaufgerückt. Ein Hochstand des Tro¬ 
chanter über der Roser-N61aton sehen Linie, mag er auch 6 und 8 cm er¬ 
reichen, berechtigt also noch nicht ohne weiteres dazu, krankhafte Veränderungen 
an dem fraglichen Gelenke anzunehmen. Diagnostische Schlüsse sind unter allen 
Umständen nur aus dem Vergleiche der gesunden Seite zulässig. 
Ist diese aber ebenfalls pathologisch verändert, so verliert die Linie ihre dia¬ 
gnostische Bedeutung. 

Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die anderen Untersuchungs- 
methoden, so besonders für die Schömaker sehe Linie. Schömaker 
suchte sich in gewöhnlicher Rückenlage des Kranken bei gleich hohem Stand 
der Spinae und genau derselben Rotationsstellung der Beine den höchsten Punkt 
des Trochanter. Von diesem aus zog er eine Linie zur Spina und verlängerte diese 
über das Abdomen bis zur Mittellinie des Körpers. Bei normalem Trochanter¬ 
stand sollten sich dann die beiderseitigen Linien in der Linea alba schneiden und 
zwar innerhalb einer Strecke, die vom Nabel bis zu einem 5 cm oberhalb gelegenen 
Punkte zieht. Die Schömaker sehe Linie bringt mit ihrer einfachen Technik 
sowie durch ihren außerordentlich deutlichen Ausschlag einige Vorteile, die aller¬ 
dings durch die beträchtliche Vergrößerung der Fehlerquellen zum Teil wieder 
aufgew r ogen werden. 

Die geringste Zuverlässigkeit verdient das B r y a n t sehe Dreieck. Die 
Methode ist nicht ganz leicht ausführbar, bietet sehr beträchtliche Fehlerquellen 
und stimmt nur in wenigen Fällen. 

■ Die Methoden lassen infolge ihrer Fehlerquellen alle nur gröbere Verände¬ 
rungen in der Stellung des Trochanter mit Sicherheit erkennen. Es verdient 
demnach diejenigeunter ihnen die verbreitetste Anwendung, die sieh durch größte 
Einfachheit auszeichnet. Dieses nimmt Sch w a r z von dem T r e n d e len- 
bürg sehen Handgriff an. Derselbe besteht darin, daß der Untersucher bei 
gewöhnlicher Rückenlage des Kranken die Daumen auf die Spinae aufsetzt, 
während die Mittelfinger die Trochanterspitze zu markieren suchen. Da das 
(lefühl der Spannungsw r cite der Hand sehr fein entwickelt ist und sich durch 
Uebung zweifellos noch mehr verfeinern läßt, so kann der Untersucher leicht 


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Referate. 


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beurteilen, ob der eine Trochanter wesentlich höher steht als der andere und ob 
die Strecke zwischen Spina und Trochanterspitze auf beiden Seiten Differenzen 
in ihrer Länge auf weist. Diese Feststellung genügt zunächst für die Diagnose 
vollständig, die Einzelheiten wird uns erst das Röntgenbild lehren. 

JoachimsthaL 

G o 1 d b e r g, Ueber Beckenbrüche unter Berücksichtigung ihres Einflusses auf 
die Erwerbsfähigkeit. In.-Diss. Leipzig. 1912. 

Unter 7583 in etwa 8 Jahren in der Klinik von G a u g e 1 e begutachtete 
Verletzungen fand Goldberg 24 Beckenbrüche = 0,3 Proz. 20 dieser Fälle mach: 
Verfasser zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit und berichtet über dk? Erwerbs¬ 
fähigkeit der Verletzten. Bei 6 Fällen von Bruch einer Beckenschaufel schwankt 
die völlige Erwerbsunfähigkeit zwischen 1 und 4 Monaten, die Erstrente zwischen 
20 und 60 Proz. Die Dauer des Eintritts völliger Erwerbsfähigkeit betrug 
l 1 /*—IOV 2 Jahre. Den Beckenbrüchen mit Beteiligung der Hliftpfanne (6 Falle* 
folgen oft dauernde Störungen in der Beweglichkeit der betroffenen Extremität. 
Bei den 6 isolierten Pfannenbrüchen schwankt die Dauer der völligen Erwerbs¬ 
unfähigkeit zwischen 4—8 Monaten, die Anfangsrente beträgt 80—50 Proz. Auch 
bei den sogenannten Malgaigne sehen Brüchen spielt die Bewegungsbeschrän- 
kung des Beines die Hauptrolle bei der Rentenfestsetzung. In 3 Fällen handelte 
es sich um eine Lockerung oder Verschiebung einer oder beider Articulationos 
sacroiliacae. Die richtige Diagnose der Beokenbrüche war in mehreren Fallen 
erst durch die Radiographie in verschiedenen Positionen möglich. 

Peltesohn - Berlin 

S i d n e y M. C o n e, An unusual pathological condition of the sacroiliac je int 
causing sciatica. American joumal of crthopedic surgery, Volume IX. 
Number 3, Februar 1912. 

Bericht über 2 Fälle von Ischias, die bedingt waren durch Druck des Nerven - 
Stammes durch Osteophyten, die vom Acetabulum ausgingen. Im zweiten Falle 
lag eine gleichzeitige Syphilis vor, die das Krankheitsbild komplizierte; im ersten 
Falle waren die Osteophyten auf der Basis einer Osteoperiostitis entstanden. Beide 
Patienten wurden durch blutigen Eingriff von ihren Leiden befreit. 

Bibergeil- Berlin. 

VV. 8. A. G r i f f i t h, A rachitic assimilation pelvis. Proceedings, Vol. V, 
Nr. 5, März 1912, Obstetricai and gynaecological section, p. 205. 

G r i f f i t h zeigt das Becken einer rachitischen Zwergin, die mittels 
Kaiserschnitts entbunden worden war. Es zeigt außer den typischen rachitischen 
Veränderungen eine Anomalie des ersten Sakralwirbels, dessen linke Hälfte die 
Gestalt eines Lendenwirbels besitzt und schmäler als die rechte Hälfte ist. Im 
Anschluß an die Demonstration wird die Literatur über Assimilationswirbel 
besprochen. F. Wohlauer - Charlotten bürg. 

\V i 11 i a m F u k e r, Further observations on acetabular fracture witk intrapelvic 
or central dislocation of the femoral liead. American joumal of med. Science?. 
März 1912. 

Isolierte Frakturen des Acctabuluins mit Eindringen des Femurkopfrs 
in die Bcekcidiöhle sind sehr selten, schwer zu diagnostizieren und oft selbst 


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Referate. 


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lebensgefährlich. Was die Diagnose betrifft, so brauchen die Symptome einer 
zentralen Dislokation des Femurkopfes nicht vorhanden zu sein; doch sprechen 
Zeichen von tief gesunkenem Trochanter, leichte Verkürzung des Beines mit 
Umdrehung des Fußes, Fehlen von Krepitation bei Vorhandensein aller Bewegungs¬ 
möglichkeiten, die jedoch schmerzhaft und begrenzt sind, für das Vorhandensein 
der Affektion, die natürlich am ehesten durch das Röntgenbild festzustellen ist. 
Als ursächliches Moment der Fraktur des Acetabulums kommt eine Gewalt, 
die durch den Femur oder seinen Trochanter wirkt, in Betracht. Verfasser 
gibt 2 Fälle eigener Beobachtung. Im ersten Falle fand sich außer der Hüftaffektion 
eine Ruptur der Urethra; da die gewöhnliche Art der Einrenkung erfolglos war, 
wurde Patient auf den Boden gestellt, eine Bandage um die Hüfte gelegt, das Bein 
in rechtwinklige Stellung zum Körper gebracht und mittels Zuges der Femurkopf 
reponiert. Im zweiten Falle war die richtige Diagnose erst 11 Monate nach dem 
Unfall gestellt worden, so daß Patient jetzt Flexion, Abduktion und Außenrotation 
des Beines mit Ankylose und Atrophie der Beinmuskulatur aufweist. Die Mor¬ 
talität bei der Affektion ist sehr groß, doch ist sie nicht auf die Fraktur oder die 
Dislokation direkt, sondern auf die begleitenden Neben Verletzungen zurückzu¬ 
führen. Bibergeil- Berlin. 

Ad. Ebener, Ueber den heutigen Stand der Lehre von der schnellenden Hüfte. 

Zeit sehr. f. Chir. Bd. 117, Heft 1 u. 2, S. 63. 

Hinsichtlich der Aetiologie der schnellenden Hüfte kommt nach 
Ebener a) vom pathologisch-anatomischen Standpunkt aus eine bisweilen 
kongenital vorhandene, meist aber auf traumatischer oder entzündlicher Grund¬ 
lage erw’orbene Verdickung der gleichen Teile, d. h. des Trochanter einerseits, des 
Tractus bzw\ der vorderen Muskelbiindel des Glutaeus max. anderseits neben 
einer vielfach gleichzeitig vorhandenen Ausschaltung der Bursa trochanterica 
bzw. deren Ersatz durch ein auffallend weiches und nachgiebiges Bindegewebe, 
b) vom neurogenen Standpunkt aus eine entweder kongenital vorhandene, meist 
aber wohl-ebenfalls erworbene bzw\ erlernte Fähigkeit zur isolierten Innervation 
des M. glutaeus max., insbesondere seiner vorderen bzw. oberen Muskelbündel in 
Betracht. Und zwar trifft ersteres vorwiegend für die unwillkürliche bzw\ habi¬ 
tuelle Form, letzteres vorwiegend für die willkürliche Form der schnellenden 
Hüfte zu. 

Hinsichtlich der Genese der schnellenden Hüfte ist völlig analog dem 
ältesten und ersten Ergebnis von L a v a 11 e e auch heute noch in erster Linie, 
wenn nicht ausschließlich, der Glutaeus maximus, insbesondere in seinen oberen 
Muskelbündeln, als derjenige Faktor zu bezeiehnen. durch dessen Tätigkeit unter 
"Voraussetzung entsprechender Stclliingsverändcrungrii des Trochanter (Adduktion 
und Flexion einerseits, Extension anderseits) das Schnappen zustande kommt, 
und zwar gleichmäßig für alle Fälle von willkürlichem und unwillkürlichem bzw r . 
habituellem Schnappen überhaupt. Dem Tensor fase. lat. ist dabei lediglich eine 
gänzlich untergeordnete, höchstens bis zu einem gewiss m (bade unterstützende 
Rolle beizumessen. 

Hinsichtlich der klinischen I) i a g n o s e ist für das Ohr das mehr oder 
minder deutliche, schnappende Geräusch, für das Auge eine zeitlich damit zu- 
simmenfallende, schnell vorübergehende Vorwölbung in der Trochantergegend 


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Referate, 


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und für die Palpation ein deutlich über den Trochanter hinwegschnellender. dicker, 
bindegewebiger Strang als untrügliches Kriterium des Vorganges zu bezeichnen. 
Gegen die einzig mögliche Fehldiagnose einer Luxation oder Subluxation sichen 
die unveränderte Stellung des Trochanter zu der Roscr-Nelitonschcn Linie einer¬ 
seits, wie der von vorn meist deutlich an normaler Stelle nachweisbare Feinur* 
köpf anderseits, abgesehen von dem Befund einer möglichst im Stehen nach ein- 
bzw. erstmaligem Knacken der Hüfte vorgenommenen Röntgenaufnahme. 

Die Prognose des Leidens ist stets und unter allen Umständen unter 
Voraussetzung der richtigen Therapie als eine günstige zu bezeichnen. 

Als einzig zuverlässige Therapie der schnellenden Hüfte muß heute 
nach den völlig übereinstimmenden Erfahrungen sämtlicher Autoren lediglich 
der chirurgische Eingriff bezeichnet werden, welcher durchaus gefahrlos — wenn 
möglich in Lokalanästhesie vorgenommen — dem Patienten die sichere Aussicht 
auf ein glattes, schnelles und dauerndes Heilungsergebnis zu bieten vermag. 

Als die zweckmäßigste Art des Eingriffes darf man wohl hinsicht¬ 
lich der Einfachheit der Technik, wie auch hinsichtlich der größten Sicherheit 
gegen Rezidivbildung die von Völker vorgeschlagene Myotomie der vorderen 
Bündel des Glutaeus maximus und Fixation der gleitenden Teile auf der Unter¬ 
lage zur weiteren Nachprüfung dringend empfehlen. Joachimsthal. 

Mouch et et S e g a r d, La coxa vara congenitale, Paris medical 1912, p, 421. 

Die Coxa vara congenita der kleinen Kinder, die die Verfasser nur einmal 
gesehen haben, ist stets schwer zu diagnostizieren, weil die Adduktion in der 
Hüfte meist nur geringgradig, die Palpation des Kopfes schwierig und der 
Hochstand des Trochanters schlecht abzuschätzen ist. Die Kongenitalität der 
Coxa vara im Kindesalter ist nur durch die Frühzeitigkeit der Diagnose, das 
gleichzeitige Vorhandensein anderer unzweifelhaft angeborener Mißbildungen 
und durch das Röntgenbild zu beweisen. Die Verfasser glauben, daß, wenn H e 1 bi n g 
unter 77 Fällen von Coxa vara 20 kongenitale gefunden hat, diese Häufung eine 
zufällige ist und nicht das richtige Verhältnis darstellt, Peltesohn - Berlin. 

M e n d 1 e r. Was kann man bei angeborener Coxa vara auf blutig operativem 
Wege erreichen? Münchner med. Wochenschr. 1912, 20. 

M endler hat bei einem 4 l jährigen Mädchen mit Coxa vara con gen. 
beiderseits eine schräge Osteotomie zwischen großem und kleinem Rollhügel und 
Tenetomie der Adduktoren ausgeführt, dann maschinell extendiert und in starker 
Abduktion eingegipst. Das funktionelle Resultat war sehr gut und die 5 Jahre- 
nach der Operation angefertigten Röntgenhilder zeigen nur geringe Abweichungen 
vom Normalen. Scharff* Flensburg. 

B a r r i n g t o n - W a r d, Double coxa vara with otlier deformities occuring 
in brother and sister. Lancet, 20. Januar 1912. 

Zwei Fälle von Coxa vara bei Bruder und Schwester. Das 9jährige Mädchen 
zeigte außer der Hüftatfektion abnorm kurze Arme, eine Anzahl vergrößerter 
und knackender Gelenke und Eversion der Füße. Röntgenbilder zeigten mangel¬ 
hafte. ungleiche Entwicklung der Epiphysen. Der 6jährige Bruder wies eine 
schwächere Form von Coxa vara auf und eine Luxation beider Radiusköpfchen 


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nach vorn. Auf Röntgenbildem zeigte sich, daß die Ossifikation fast aller Knochen 
für das Alter der Kinder sehr vorgeschritten war. Die doppelseitige Radiusluxation 
ist nach Annahme des Verfassers kongenital. Die sonstige Aetiologie erscheint 
unklar. Bibergeil- Berlin. 

C. L. de J o n g h, Coxa vara adolescentium. Xederl. Tydschr. voor Geneesk. 

30. März 1912. 

Ein Fall von doppelseitiger Coxa vara bei einem 18jährigen Schmied. 
Patient hat infantilen Habitus, trockene, an Ichthyosis erinnernde Haut, keine 
Spur von Bart-, Scham- oder Achselbehaarung, wenig entwickelte Testikcl, eine 
kleine Schilddrüse. Die Epiphy^enfugen der Finger- und Mittelhandknochen sind 
deutlich knorplig. Verfasser nimmt hier eine durch verminderte Schilddrüsen¬ 
funktion verursachte pathologische Veränderung des Epiphysenknorpels an, 
wodurch der Patient eine Disposition zur Bildung von Coxa vara erlangte. Ob 
hier eine zu große statische Inanspruchnahme oder eine mit Dislokation geheilte 
Epiphyseolyse zugrunde liegt, ist nicht zu entscheiden. Man soll bei Patienten 
mit Coxa vara auf die Funktion der Drüsen mit innerer Sekretion achten. 

van Assen - Rotterdam. 

Sprengel, Zur Behandlung der Coxa vara traumatica mittels Reposition und 

Extension. Arch. f. klin. Chir. Bd. 98, Heft 3, S. 685. 

Sprengel hat dem reinen Redressement der Coxa vara traumatica 
in neuerer Zeit ein weiteres mechanisches Moment in der Extension hinzugefügt. 
Da die Stellungsanomalie fast ausnahmslos in starker Außenrotation und mehr 
oder weniger hochgradiger Adduktion besteht, so sucht er das Bein, soweit wie 
möglich, in Abduktion und Innenrotation zu bringen. Dazu bedarf es ziemlich 
kräftiger Gewaltanwendung, die natürlich ein verständiges Maß nicht überschreiten 
darf, aber doch so groß sein kann, daß man unter deutlichem Krachen das Nach- 
geben des fehlerhaft verwachsenen Bruches wahmimmt. Einer maschinellen 
Hilfe hat Sprengel nie bedurft. Um bei den Repositionsmanövern das Becken 
in Ruhe zu stellen, kann man das gesunde Bein in stark flektierter Stellung fixiert 
halten; störende Mitbewegungen des Beckens sind dadurch ausgeschlossen. Das 
Hindernis braucht man nicht notwendig in der ersten Sitzung voll zu überwinden. 
Sprengel war mehrfach am Schluß der ersten Repositionsversuche mit dem 
erzielten Resultat unzufrieden und später überrascht gewesen, wie leicht die Hinder¬ 
nisse in den folgenden Sitzungen nachgaben. Es ist nach Sprengels Ansicht 
mindestens so viel Gewicht darauf zu legen, daß die Außenrotation, als daß die 
Adduktion bekämpft wird. Das Bein muß am Schluß der Repositionsmanöver 
stark abduziert und stark innenrotiert stehen. Während dieses Resultat früher 
durch einen gut sitzenden, das Becken und den Fuß mit einsehließenden Gips¬ 
verband erhalten wurde, benutzte Sprengel in letzter Zeit zu diesem Zwecke 
die Xagelextension in mittlerer Stellung des Hilft- und Kniegelenks. Das Bein 
wurde auf einem Planum inclinatum durch Anbandagierung des Unterschenkels 
leicht fixiert und der Zug an einem durch die Kondvlen des Femur getriebenen 
Stahlnagel angebracht. Das Zugseil wurde über einen Galgen geleitet und je nach 
Bedarf so stark belastet, daß das in der Hüfte flektierte Bein zugleich ziemlich 
kräitig abduziert wurde. Dafür war bei den von Sprengel behandelten jugend¬ 
lichen nicht sehr schweren Individuen ein Gewicht von 8-10 kg ausreichend. 

Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 45 


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Sprengel hat bisher 4 frische Fälle von Coxa vara traumatica eingerichtet 
und nach behandelt. 3 Fälle mit definitivem, in einem Fall mit sicher zu erwarten¬ 
dem tadellosem Resultat. J o a c h i m s t h a L 

Ombredanne, Coxa vara et fracture du col fömoral. Rev. d'orthop. 1012, 
Nr. 2, p. 163. 

Es handelt sich um ein 7 l / 2 jähriges Mädchen, welches seit einiger Z<-it 
links hinkt. Es hat Zeichen früherer Rachitis, nämlich u. a. Rosenkranz, Genu 
valgum, Cubitus valgus. Der rechtseitige Schenkelhalswinkcl ist auf 110° ver¬ 
kleinert. —* Der linke Schenkelhals zeigt einen Neigungswinkel von 80°; auf 
dem Röntgenbild sieht man deutlich folgendes: Die Epiphysenfuge ist gut sichtbar. 
Nach außen von ihr verläuft schräg von oben außen nach unten innen eine Fraktur¬ 
linie. Die Fraktur liegt intrakapsulär. — Eine Verletzung ist nicht bekannt. 

Die Entstehung dieser linkseitigen Coxa vara denkt sich Ombred a nn•• 
folgendermaßen: Auf Grund der Rachitis ist es zu einer Spontanfraktur 
Schenkelhalses nahe der Epiphysenfuge gekommen. Dieser Bruch hat zu lokaler 
Erweichung des benachbarten proximalen Femurendes geführt, woraus inf< •Igc 
der Belastung die Coxa vara, die also sekundärer Natur ist, resultierte. 

Peltcsohn- Berlin. 

Gat-cllier, Embolie de 1’artere pulmonaire dans une fracture du col du femur. 
Soc. anatom. de Paris, Dezember 1911, p. 717. 

Eine 44jährige Frau mit extrakapsulärer Schenkelhalsfraktur stirbt plötz¬ 
lich 11 Tage nach dem Trauma bei einer Bewegung im Bett. Im rechten Ventrikel 
findet sich bei der Sektion ein bis 7 cm in die Arteria pulmonalis hineinreichender 
Thrombus. Der Zusammenhang mit dem Schenkelhalsbruch steht außer Zweifel. 

Peltcsohn - Berlin. 

Kienböck, lieber die mit Protrusion des Pfannenbodens einhergehenden Er¬ 
krankungen des Hüftgelenkes und ihre Beziehungen zur Arthritis gonorrhoica 
und Arthropathie bei Tabes. Fortschritte a. d. Geb. d. Röntgenstr. XVIII, 
Heit 4. 

Auf Grund seiner an mehreren Fällen gemachten Beobachtungen und Er¬ 
fahrungen kommtVerfasserzu folgenden Schlußfolgerungen: Es gibt Becken, welche 
eine eigentümliche ein- oder doppelseitige Erkrankung des Hüftgelenkes in Form 
einer Protrusion des Bodens des Acetabulums zeigen. Der Pfannenboden springt 
gegen die Beckenhöhle mehr oder weniger stark vor, er besteht in toto aus ver¬ 
hältnismäßig solidem oder porösem, brüchigem Knochen von verschiedener Dicke, 
oder er ist an der Kuppe perforiert, d. h. nur aus Bindegewebe gebildet. Femurkopf 
und -hals sind entweder nur wenig deformiert oder, offenbar erst nach Entstehung 
der Protrusion, frakturiert oder zum großen Teile manchmal vollkommen resorbiert. 
Die Beckenteile können auch an anderen Stellen in ihrer Struktur stark verändert 
und frakturiert sein. Männer und Frauen werden von dem Leiden gleich häufig 
betroffen. Eine beiderseitige hochgradige Pfannenprotrusion gibt ein absolutes 
Geburtshindernis. Die Beweglichkeit des Gelenkes bleibt sehr lange oder dauernd 
erhalten; das Bein steht meist in etwas abnormer Stellung, es ist stets verkürzt, 
und der große Trochanter steht zu hoch und springt seitlich zu wenig vor. Im 
Hypogastrium ist in der Tiefe eine harte Prominenz zu fühlen, auch vom 


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Rectum und von der Scheide aus. Die Details zeigen sieh erst bei der Röntgen¬ 
untersuchung. 

Diese eigentümliche Deformität kommt namentlich bei gonorrhoischor 
Arthritis und bei Tabes vor, sie wird wohl am besten auf Läsion trophischer Nerven 
im peripheren Teile oder im Rückenmark zurückgeführt. Bei gonorrhoischer 
Arthritis ist der Beginn in Form einer akut entzündlichen Gelenkerkrankung mit 
Fieber, heftigen Schmerzen und Bettruhe von mehreren Wochen oder Monaten 
vorhanden, bei Tabes entsteht das Leiden schleichend. Durch die Kombination 
von schweren trophischen Störungen der Gewebe, tiefer Analgesie und rück¬ 
sichtslosem Gebrauch des Beines kommen bei Tabes besonders hochgradige De¬ 
formitäten zustande. Die Veränderung kann demnach als akut oder chronisch 
entstehende zentrale Verschiebung der zentralen Teile des Gelenkes charakterisiert 
werden, sie stellt also eine „Pfannenwanderung in seltener Richtung u , nämlich 
beckenwärts, dar, für die dem Verfasser der von B r e u s und K o 1 i s k o gebrauchte 
Ausdruck „kuppelförmige Protrusion des Pfannenbodens nach innen“ der beste 
zu sein scheint. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

E. H. Bradford, Treatment of hip disease. American joumal of erthopedic 
surgery, Volume IX, Number 3, Februar 1912. 

Bradford redet der Thomasschiene bei der Behandlung der Hüftgelenk¬ 
entzündung das Wort. Es ist bei der Therapie der coxitischen Deformität auf 
die Flexion, Adduktion und Verkürzung und Subluxation zu achten. Die Thomas- 
schiene mindert nach Verfassers Meinung die Gefahr der Knochenatrophie, ihre 
Anw endung gestattet unbedingte Sauberkeit, und sie ist angenehmer für den 
Patienten als Gipsbehandlung. Verfasser hat eine größere Reihe der seit vielen 
Jahren im Kinderhospital zu Boston wegen tuberkulöser Coxitis behandelten 
Patienten nachuntersuchen können und festgestellt, daß die Endresultate 
entschieden bessere waren als diejenigen, die in Berc-sur-Mer mit der Gips¬ 
verbandmethode erzielt worden sind. Bradford verwendet nicht die ur¬ 
sprünglich von T h o m a s angegebene Schiene, sondern eine Modifikation der¬ 
selben. Bibergeil- Berlin. 

J a m e s K. Y o u n g, (konservative treatment of hip joint disease. American 
joumal of erthopedic surgery, Volume IX, Number 3, Februar 1912. 

Verfasser beschreibt einen Schienenhülsenapparat für die Behandlung der 
Hüftgelenkentzündung, bei dem mit Hilfe zweier Perinealbänder eine Distraktion 
der Gelenkteile bewirkt wird. Eine Abbildung veranschaulicht die Form des 
Apparates (der von dem bei uns üblichen Schienenhülsenapparat nicht wesentlich 
abweicht. Referent). B i b e r g e i 1 - Berlin. 

V. Gordon W a t s o n, Painfull osteoarthritie hip. Proceedings of the Royal 
society of medicine, Vol. V, Nr. 3, Januar 1912, t'linical section p. 94. 

64jähriger Mann, der vor 3 Jahren von einem Gerüst gefallen war und sich 
einen Schenkelhalsbruch zugezogen hatte. Behandlung im Hospital. Seitdem 
andauernde Schmerzen in der Hüfte. Röntgenaufnahme zeigt alte Schenkelfraktur 
und Arthritis deformans coxae. Beträchtliche Adduktionsstellung, scheinbare 
und reelle Verkürzung. W a t s o n machte vor einem Jahre die subtrochantere 


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Osteotomie, beseitigte die Adduktionsstellung. .Der Mann ist seitdem Beschwerde- 
frei und arbeitsfällig. Watson hat in gleicher Weise und mit gleichem Erfulge 
eine 62jährige Frau operiert, bei der die Adduktion noch bet rächt licher war. 

Mr. R o w 1 a n d 8 hat eine Frau behandelt, die seit ihrer Kindheit infokr 
einer Arthritis eine Flexions- und Adduktionsankylose in der Hüfte hatte. Ne 
stürzte eines Tages die Treppe herunter, brach den Oberschenkel und wurde 
so geheilt. 

Auf eine Diskussionsbemerkung erwidert Watson, daß nach seiner 
Ansicht die Beschwerden in seinen Fällen durch die ungleiche Gewicht sverteiluns 
auf der adduzierten Seite bedingt waren. F. Wohlauer - Charlotten bürg. 

K u n i a j e w\ Ein Fall von beiderseitiger Hüftgelenksankylose. Chirurgia Xr. 2, 
1912. 

Patient, ein 27jähriger Bauer, ist seit 10 Jahren krank. Anfangs bestanden 
leichte Schmerzen in den Hüftgelenken, die sich von Jahr zu Jahr steigerten. 
Besonders schmerzhaft war die Extension im Hüftgelenk; um die Schmerzen zu 
lindern, saß Patient binnen 3 Jahren (!) mit bis an den Bauch flektierten Beinen. 
Allmählich verschwanden die Schmerzen, alw?r nach diesen 3 Jahren konnte 
Patient selbstverständlich die Beine nicht mehr strecken, und so lebt er seit 
7 Jahren. Die Beine sind in den Hüftgelenken hochgradig flektiert; die Feiminu’h* 
bildet mit der vertikalen Körperachse einen Winkel von.50°. Im Hüftgelenk 
sind keine Bewegungen möglich, das Becken ist anormal beweglich. Zwischen 
den Knien ist ein Abstand von 12 cm vorhanden, der nicht geändert werden kann. 
Die Trochanteren stehen in der Roser-Xelatonschen Linie. Die Oberschenkel- 
lind Glutaalmuskulatur ist hochgradig atrophisch. Dennoch geht Patient ziemlich 
leicht mit Hilfe eines Stocks; er beugt die Beine in Kniegelenk und bewegt die 
Unterschenkel nach vorne wie beim normalen Gange. 

Patient kann ganz gut sitzen. Am wohlsten fühlt er sich in Rückenlage. 
Verfasser meint, daß in seinem Falle die Ankylose rheumatischen Ursprung» >ei. 
was die Behauptung Hof fas bestätigen soll, die beiderseitige Ankylose sei 
gewöhnlich rheumatischen oder infektiösen Ursprungs. 

E< wird zunächst link< die Resektion vorgenommen. Schnitt naec 
Kocher. Mit dem Meißel wird der Oberschenkelknochen 3 cm unterhalb de? 
Troch. maj. durchschlagen. Die Entfernung des oberen Femurteiles ist >eür 
schwierig, weil er mit dem Aeetabulum ganz innig verwachsen ist. Es wird 
eine Art Aeetabulum gebildet, der proximale Teil des Oberschenkels abgcrumlet. 
Extensionsverband. 

Am 16. Tage nach der Operation konnte Patient sitzen; 1 Monat nach 
der Ojvration war da- IV in gut beweglich. Nach 3 l 2 Monaten konnte Patient 
das linke Rem vollkommen stnvken und bi- zu 13ö° beugen. Die Bewegung^ 
im Hüftgelenke sind nicht schmerzhaft. Am 22. Januar 1910 wird die Resektion 
recht- \ oixrenonmen und am 23. Februar Patient entlassen. 

Beide Beine sind gut Ivweglieh. die oberen Enden der Feinora stehen abr 
nicht im Acetabulnm. somit r:i an; Os lieh Patient kann ziemlich gut sitzen. Xaeti* 
untcr-uchung am ö. Juli: Reine stellen symmetrisch am Os ilei. Patient kann deb 
in aufrechter Stellung leicht bis rum Winkel von 13ö ö . Ivi Anstrengung bi' 5)1,1 
Innigen. Ihc Oivmrhcv.k. huuskuhitur gut entwickelt. Patient geht mit Hilfe eint? 


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Stockes in der rechten Hand. Gang* wie bei angeborener Hüftgelenkluxation. 
Zweite Nachuntersuchung im Januar 1911: Patient kann ohne Stock gehen, ist 
selbständig zwei Treppen hoch gestiegen. Beweglichkeit in den Hüftgelenken ist 
gut. Patient erledigt selbständig alle Hausarbeiten; da er am besten das Sitzen 
verträgt, hat er den Beruf eines Dorf Schneiders gewählt und fühlt sich nicht mehr 
als Krüppel. Frumin - Kiew. 

V i g n a r d, Resultats eloignes de cinq cas de plombage pour coxalgie avec absc£s. 
Soc. de chir. de Lyon 7. Dez. 1911 (Rev. de chir. XLV, p. 509). 

V i g n a r d hat 5 Fälle von Coxitis nach Jahren nachuntersucht, bei denen 
er Excochleationen am Schenkelhals mit folgender Plombierung ausgeführt hatte. 
Das Ergebnis ist sehr günstig; alle gehen ohne Stock mit geringer Bein Verkürzung. 

Peltesohn- Berlin. 

K ü ttne r, Dauerresultate einer Leichentransplantation. (Breslauer Chirurg. 
Gesellsch., 22. Januar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 12. 

Die Transplantation des oberen Femurdrittels mit Hüftgelenkskopf liegt 
\ 1 / 2 Jahre zurück. Trotz mehrfacher Rczidivoperationen und Fraktur des Femurs 
an der Vereinigungsstelle läuft Patient jetzt ohne Prothese und mit beweglichem 
Hüftgelenk. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

T r i d o n, Luxation de la hauche au d6but de la coxalgie. Rev. d’orthop. 1912, 
Nr. 2, p. 189. 

Fall von Spontanluxation der rechten Hüfte bei einer etwa y 2 Jahr be¬ 
stehenden Coxitis tuberculosa eines 8jährigen Mädchens. Die Röntgenographie 
zeigt, daß an Kopf und Pfanne keine wesentlichen Deformierungen bestehen. 
Einrenkung in Narkose vollzieht sich leicht unter typischem Geräusch. Nach¬ 
behandlung erfolgt im Gipsverband mit Abduktion des Beines. 

Peltesohn - Berlin. 

L a n c e, Les luxations pr6coces vraies et les pseudoluxations pr6coces de la 
coxalgie. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 2, p. 175. 

Lance teilt ausführlich einen Fall von frühzeitig aufgetretener Luxatio 
coxae bei Coxitis tuberculosa mit. Bei dem betreffenden 5jährigen Knaben wurde 
bereits 12 Tage nach Beginn der ersten Erscheinungen einer Coxitis tuberculosa 
eme typische Luxation der Hüfte radiologisch und klinisch festgestellt; die Ein¬ 
renkung war sehr leicht. Als nach etwa 1 Monat auf Wunsch der Eltern der Ver¬ 
band entfernt und fort gelassen wurde, rezidi vierte die Verrenkung sofort wieder. 
Es trat später Abszeßbildung und Destruktion am unteren Ende des Collum 
fcuioris auf. Die Luxation blieb reponiert. Hier handelt es sich also um eine 
echte, plötzlich frühzeitig aufgetretene Verrenkung; solche seltenen Fälle bieten 
zunächst kaum nennenswerte Knochenzerstörungen dar, es handelt sich dabei 
vielmehr um Läsionen der Kapselbänder. Die Einrenkung einer solchen Luxation 
ist leicht und sie bleibt bestehen. Der spätere Verlauf gestaltet sich sehr ver¬ 
schieden, neigt aber zu schweren Läsionen, insbesondere kann auch später noch 
eine Destruktionsluxation eintreten. 

Neben diesem Typus kommt dann bei Coxitis eine frühzeitige Pseudoluxation 
vor, die klinisch durch ihre allmähliche Entstehung in wenigen Monaten charak¬ 
terisiert ist. In solchen Füllen ist die Knochendestruktion, besonders am oberen 


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Pfannenrand, schon von vornherein sehr ausgesprochen. Die Retention nach d?r 
Einrenkung ist nicht von Dauer, da die Knochenzerstorung schnell fortschreitet. 

Als dritte Gruppe von Luxationen bei Coxitis sind diejenigen Fälle anzu¬ 
sprechen, wo die Luxation erst lange Zeit nach Beginn der Entzündung infolge 
Destruktion der Pfanne und des Kopfes eintritt. Peltesohn- Berlin. 

S c h w a n e b e c k, Ueber die blutige Reposition einer veralteten spontanen 
Hüftluxation. Diss. Greifswald 1911. 

In dem vorliegenden Falle handelte es sich um ein junges Mädchen mit 
einer veralteten spontanen Hüftluxation mit unbekannter Entstehungsursache, 
die von Payr operiert wurde. Bei der unblutigen Behandlung zeigte es sich, 
daß es wohl gelang, die Verkürzung der Muskeln auszugleichen, daß es aber nicht 
möglich war, den Kopf in der Pfanne zu halten. Die Ursache hierfür ergab sich hei 
der Operation. Die unbenutzt gebliebene Pfanne war erstens zu klein und zweitens 
hatte sie sich mit derben, fibrösen Massen gefüllt und bot nun kein Lager mehr 
für den Schenkelkopf. Dieses mußte vielmehr erst wieder geschallen werden 
durch Entfernung der festen Massen und Vergrößerung der Pfanne mit Hammer 
und Meißel. Um eine Verwachsung der so angefrischten Pfanne mit dem Schenkel* 
köpf zu verhüten, wurde von der Tibia entnommenes Periost in die Pfanncnhöhlung 
transplantiert. Nach 6 Tagen wurde der in Adduktions- und Innenrota ti >ns- 
Stellung angelegte Gipsstreck verband verändert und das Bein in Abduktion 
gebracht. Nach weiteren 9 Tagen wurde der Verband entfernt und sogleich mit 
Bewegungsübungen begonnen. Der Entlassungsbefund war vollauf befriedigend. 
Die Patientin war beschwerdefrei. Eine Verwachsung im Gelenk bestand nicht. 
Der Kopf stand gut in seiner alten Pfanne, und der Gang im Schienenhülsenappa mt 
war gleichfalls gut. Daß die Verhältnisse sich verschlechterten und daß das End¬ 
ergebnis ein Mißerfolg wurde, sieht Verfasser als ein Verschulden der Patientin 
selbst oder ihrer Eltern an. 

Verfasser stellt sich auf die Seite derer, die für die blutige Rcjk sition ver¬ 
alteter traumatischer oder spontaner Distentionsluxationen eintreten, wenn die 
Unmöglichkeit ihrer unblutigen Reduktion sich herausgestellt hat. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

W i s c h n c w s k i, Resektion des Hüftgelenks wegen Luxatio femoris inveter.ua. 
Chirurgia Nr. 2, 1912. 

Patient, 24 Jahre alt, erlitt vor 6 Monaten eine Verletzung des Beines 
Das rechte Bein war im Hüftgelenke flektiert, adduziert und nach innen rotiert. 
Keine aktive Bewegung möglich, passive sehr beschränkt. Trochanter niajor 
5 cm oberhalb der Roser-Nelatonschen Linie. Unter Chloroformnarkose ist die 
Einrenkung nicht gelungen. Verfasser hat sich zum blutigen Eingriff ent¬ 
schlossen. Zuerst wird die blutige Einrenkung versucht, die mißlingt, deswegen 
Resektion der Femurkopfes lind Femurhalses. Das Acetabulum wird vertieft 
und der Trochanter major in das Acetabulum eingeführt. Gipsverband in ob¬ 
duzierter »Stellung. Nach 4 Wochen geht Patient mit Hilfe von Krücken, nfutf 
das kranke Bein zu belasten. Nach 2 Monaten wird Patient entlassen. Flexi' 111 
bis zu 90°, Extension bis zu 20°, Ab- und Adduktion bis zu 45° möglich. L*r- 
kürzung um 4 cm. Eit e Nachfrage nach 2 Jahren ergibt, daß Patient selbständig 


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ohne Stock geht, bei leichter Spitzfußstellung; er arbeitet selbständig auf dem 
Felde. Verfasser glaubt, daß das gute funktionelle Resultat dadurch sich er¬ 
klärt, daß er sich viel Mühe gegeben hat, um den Trochanter im Acctabulum 
festzuhalten. Frumin* Kiew. 


S a v a r i a u d, Diagnostic de la luxation congenitale unilaterale chez le jeunc 
enfant. Description d’un Symptome nouveau. Soc. de chir. de Paris 20. Dez. 
1911 (Rev. de chir. XLV, p. 350). 

Als brauchbares Zeichen der einseitigen Luxatio coxae congenita der kleinen 
Kinder erwies sich die Längendifferenz der Beine, die noch akzentuiert wird, 
wenn man das ausgestreckt liegende Kind seinen Oberkörper aufrichten läßt, 
während die Knie auf der Unterlage fest angedrückt werden. 

Peltesohn- Berlin. 

S t u rn m e, Kongenitale Hüftgelenksluxationen. (Med. Gescllsch. zu Leipzig, 
23. Januar 1912.) Münch, med. Wochensehr. 1912, Nr. 13. 

Vorstellung einer Anzahl von reponierten Fällen, darunter befinden sich 
ein jetzt 21jähriges junges Mädchen, das vor 2 Jahren eingerenkt und jetzt seit 
über 1 Jahr ohne Verband und geheilt ist, sowie ein 11 jähriges Mädchen, das 
seit 9 Jahren behandelt, 4mal ohne Erfolg eingerenkt war; erst die fünfte Ein¬ 
renkung führte zum Ziel. Stumme hat bei 21 einseitigen Luxationen 
19 Heilungen ( — 90 Proz.), bei 15 doppelseitigen 12 Heilungen (= 80 Proz.) er¬ 
reicht. Scharff - Flensburg. 


G a 1 e a z z i, Contributo alla cura incruenta dclla lussazione congenita dell'anca 
(con presentazione di operati e con proiezioni). Societä Lombarda di Scienze 
mcdiche e biologiche di Milano 15. febbraio 1912. 

Nach einem Ueberbliek über den gegenwärtigen Stand der Frage nach der 
Pathogenese der angeborenen Luxation des Hüftgelenkes hebt Redner die Be¬ 
deutung der von Le Damany begründeten anthropologischen Theorie hervor. 
Im Anschluß daran bespricht er die von ihm in 25 Fällen zur Behandlung dieser 
Deformität angewandte Methode, mit der er Heilung durch einfache Detorsion des 
Femur erzielte. Die Indikationen und Grenzen dieses neuen Verfahrens der Repo¬ 
sition werden erläutert und die Bedeutung nachgewiesen, die nach den erzielten 
Erfolgen die Theorie von Le Damany erlangen würde. Schließlich werden 
die erzielten Heilungen durch Projektion der Röntgenaufnahmen vor und nach 
dem Eingriff beleuchtet und zahlreiche Operierte zur Demonstration der er¬ 
reichten anatomischen und funktionellen Heilung vorgestellt. 

Ros. B u c c h c r i - Palermo. 

S. F. A. Charles, Traumatic ossificution of tendon. British medical journal, 
Nr. 2678, 27. April 1912, p. 949. 

Im Anschluß an eine Fraktur des Os ilei hatten sich große (allusmassen 
gebildet, die den Nervus cutancus femoris lateralis einbetteten und starke Neuralgien 
veranlaßten. Bei der Operation, die zur Freilegung des Nerven ausgeführt wurde, 
fand sich völlig getrennt von diesen Calluswucherungen eine isolierte Knochen- 
platte, die in der Sehne des M. obliquus abdominis externus eingebettet war, 
und mit den Muskelfasern in engster Verbindung stand. Charles nimmt 
an, daß diese Knochenspange infolge des Traumas sieh gebildet hat; sie ist von 


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der Sehne ausgegangen und ersetzt stellenweise ihre Fasern. Es handelt sich 
um das seltene Vorkommen einer traumatischen Ossifikation von Schnenfasern. 

F. Wohlauer- Charlotten bürg. 

P o u e e 1, Oe la troehanteralgie. Soc. de chir. de Marseille 15. Jan. 1912 iRcv. 
de chir. XLV, p. 364. 

Poucel berichtet über 4 Fälle, bei denen die Kranken über heftig-t» 
Schmerzen in der Gegend des Trochanter klagten, ohne daß objektiv eine Vit 
änderung nachweisbar war. Bei einer der Kranken trat Heilung nach Trepa¬ 
nation des Trochanters ein; auch hier bestanden keine merklichen Veränderungen. 
— Es handelt sich um abgeschwächte Formen einer Trochanteritis, die den Namen 
Troehanteralgie verdienen. Es scheint nur eine Infiltration des Knochenmarks 
zu bestehen, Eiterung jedenfalls nicht. Differentialdiagnostisch kommt Ischias 
in Frage. Peltesohn- Berlin. 

Vorschüt z, Die isolierte Abrißfraktur des Trochanter minor. Zeitschr. f. C. ir. 
Bd. 117. Heft 3 4. S. 242. 

Die isolierte Abrißfraktur des Trochanter minor entstand bei dem 14jültri u 
Patienten, über den Vorschütz berichtet, beim Abspringen vom Rade in 
schneller Fahrt. Das rechte Bein stand in leichter Beugestellung von etwa l.V> 8 . 
war nach außen rotiert, war federnd in geringem Maße in der Hüfte noch be\v«-c- 
lich, schnellte jedoch jedesmal blitzschnell unter starken Schmerzen Ix-im ^ er¬ 
such. es zu strecken, nach öl en zurück. Der Trochanter major stand in der Ros* r- 
Xelatonschen Linie; in der Gegend des Trochanter minor war ein leichter Druck¬ 
schmerz vorhanden. Anhebon des Beines war unmöglich. Das Röntgenbild lh ß 
eine typische Abrißfraktur erkennen, wobei das abgerissene Stück um seine Breite 
nach oben disloziert war. Die Therapie bestand in Anlegung einer Längsstrvcke 
mit 5 Pfund Belastung ohne Querzüge. Nach 12 Tagen wurde die Strecke ent¬ 
fernt. Nach 14 Tagen stand Patient auf und wurde nach 19 Tagen ohne jegliche 
Störung nach Hause entlassen. J o a c h i m s t ha 1. 

M a r t i u s, Abrißfraktur des Trochanter minor femoris. (Freie Vereinigung der 
Chirurgen Berlins. 13. November 1911.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 3. 

Die Fraktur war durch einen Ruck mit dem Oberkörper bei einem Fall 
nach hinten über entstanden. Das Bein konnte im Hüftgelenk nicht gebeugt 
werden, außerdem bestand Schwellung und Druckschmerz in der Fossa ileo- 
pectinea. Das Röntgenbild klärte den Fall auf. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

C o u r d o n. Di torsion de la partie su perieure de la diapliyse femorale caus-e 
dinsuftisaneo de la hauche. Rev. d'orthop. 1912, Nr. 3, p. 207. 

G ourdon berichtet über 2 Fälle von eigenartiger Schwäche eines Hüft¬ 
gelenks bei einem 10jährigen Knaben und einer in den Dreißigern stehenden Frau. 
Bei orsterom wann die Beschwerden mit 3, bei letzterer mit 5 Jahren aufgetreteru 
Die Röntgenaufnahmen des Knaben zeigten eine starke Anteversion des Schenkel¬ 
halses. Die Frau starb an einer interkurrenten Krankheit: das präparierte Skelett 
ergab Torsion des rechten Femursehaftes. so daß die Achse des Schenkelhalses 
zu der tpieren Knieachse einen Winkel von 4**° .gegen 17° der Norm) bildete. 1 >rr 
Sohenkrlhal>w inkel. ebenso Femur und Hüftgelenk der anderen Seite waren normal. 


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Diese Befunde sind typisch. Die Anteversion des Schenkelhalses kann 
verschiedene Störungen bedingen: Gangarythmie, verminderte Resistenz gegen 
Anstrengungen, dumpfe Schmerzen und Krampfzustände, einen Symptomen- 
komplex, der die Bezeichnung „Insufficientia coxae“ verdient. Manche jener 
zweifelhaften Fälle von Wachstumsschmerzen, rachitischer Schwäche usw. der 
Hüfte dürften so zu erklären sein. 

Bei dem Knaben trat erhebliche Besserung der Beschwerden unter Gym¬ 
nastik und Massage der pelvitrochanteren Muskeln, Einüben eines Ganges mit 
ahduziertem Bein usw. ein. 

Aus seinen Beobachtungen zieht G o u r d o n weiterhin den Schluß, daß 
die Anteversion des oberen Femurendes allein nicht genügt, um eine Luxatio 
coxae herbeizuführen, wie LeDamany annimmt. Es bedürfe dazu noch einer 
Kapazitätsverringerung und abnormen Richtung der Hüftpfanne. Auch gehe 
aus seinen Fällen hervor, wie illusorisch bei der Behandlung der Luxatio coxae 
congenita die Fixation des Oberschenkels in Einwärtsrotation zur Verringerung 
der Antetorsion sei. Hier könne nur eine Osteotomie korrigierend einwirken. 

Peltesohn - Berlin. 

P. Loockhart Mummery, Shortening of the left femur. Proceedings 
of the Royal society of medicine, Vol. V, Nr. 4, Februar 1912, Section for 
the study of disease in children. 

7 Jahre altes Kind mit einer Verkürzung des linken Femur um ca. 4 1 / 2 cm. 
Geringe Coxa vara. Mummery nimmt an, daß ein Geburtstrauma vorliegt, 
das die proximale Femurepiphyse geschädigt hat. Da der Unterschied in beiden 
Beinen in den letzten 2 Jahren nicht wesentlich größer geworden ist und das 
Längenwachstum von der distalen Epiphyse in der Hauptsache ausgeht, beab¬ 
sichtigt Mummery, ein Stück aus der gesunden Diaphyse herauszunehmen, 
um den Längenunterschied auszugleichen. F. Wohlauer - Charlottenburg. 

Creite, Ueber angeborenen Femurdefekt. Zeitschr. f. Chir. Bd. 114, Heft 5/(5, 
S. 511. 

Ea handelt sich bei einem 8jährigen Mädchen um einen fast totalen Defekt 
des linken Femurknochens, bei dem der Oberschenkel ganz erheblich verkürzt 
ist und eine Weichteilmasse bildet, in der nur Knochenrudimente nachweisbar sind. 

Joachimsthal. 

F. S m o 1 e r, Ueber Spiralfrakturen des Oberschenkels. Beitr. z. klin. Chir. 
Bd. 78, Heft 3. 

Ein 27jähriger Beamter hatte ein mit fester Ankylose nach tuberkulöser 
Entzündung in guter Stellung ausgeheiltes linkes Kniegelenk, mit dem er nicht nur 
seinen Beruf ausüben, sondern auch Spiel und Sport aller Art, insbesondere Turnen 
und Fechten betreiben konnte. Beim Kegelschieben zog er sich eine linkseitige 
Oberschenkelfraktur zu. Er hatte gerade eine schwere Kugel abgestoßen und 
wollte nun mit kräftigem Schwünge auf dem linken Beine stehend ,,links kehrt“ 
machen; dabei hob er das rechte Bein fast bis zur Horizontalen, um sich einen 
kräftigen Schwang zu geben. Während des Ablaufens dieses Schwunges stieß die 
äußere Kante seines linken Fußes mit großer Gewalt an eine vorstehende Leiste 
im Kegelauflegebrett und verhinderte die Vollendung des Schwunges. In diesem 


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Moment fühlte der Mann einen starken Krach im linken Oberschenkel und stiirzte 
zusammen. Im Röntgenbilde erwies sich die Fraktur als Spiral bruch im unteren 
Drittel. Der Knochen zeigte keinerlei Zeichen von Krankheit oder Struktur- 
Anomalie. Der Bruch heilte glatt unter Behandlung mit Zuppinger-Lin- 
h a r d t schiene und Gipsverband. 

Der Gegensatz der Lokalisation dieser Fraktur mit derjenigen des Ski¬ 
läufers beim Telemarkschwung, bei dem es zu einer Spiralfraktur des Oberschenkel¬ 
knochens im oberen Drittel kommt, veranlaßt^ Smoler zur Anstellung von 
Versuchen, die dasjenige bestätigen, was die Beobachtungen der Frakturen am 
Lebenden angedeutet hatten: wenn ein langer Röhrenknochen über die Grenze 
seiner Torsionselastizität hinaus auf Drehung in Anspruch genommen wird, dann 
bricht er stets in der Nähe desjenigen Endes, welches das besser fixierte ist. Gerade 
der Unterschied in der Telemarkfraktur einerseits und des Kegelschiebebrucl> 
anderseits spricht für die Richtigkeit dieses Satzes; denn beim Telemark ist in 
«lern Moment, in dem der Knochen bricht, die best fixierte Stelle die obere, bei dem 
im Knie ankylotisehen Kegelschieber war es die untere. 

J o a c h i m s t h a 1 

K ii t t n e r. Hin Fall einer Femurfraktur. (Breslauer Chirurg. Gesellseh.. 11. De¬ 
zember lüll.) Zentralbl. f. Uhir. 1912, Nr. 7. 

Fs handelte sieh um eine seltene subtrochantere, bis in den Trochanter 
minor hineinreichende Doppelfraktur, bei der durch zwei Torsionsbrüche ein 
14 ein langes Stück aus der ganzen Dicke des Femur vollkommen ausgesprengt 
war. Durch Reposition in Narkose gelang es. die drei Fragmente in eine günstige 
l-ago zu bringen, die auch durch Bardenheu ersehe Züge aufrecht erhalten wurde. 
Leider traten als Komplikationen Diabetes und eine primäre traumatische 
Peroneuslähmung hinzu. Blencke - Magdeburg. 

Ci a u g e 1 e, Ueher eine nach Knie- und Hüftgelenk fixierenden Verbänden häutiger 
verkommende Ol>ersehenkelfraktur. Zentralbl. f. chir. u. meclian. Orthop. 
1kl. K Heft 2. 

G angele beobachtete 2 Fälle von Oberschenkelfraktur dicht über den 
Koiuhlen, die bei Kindern mit angeborener Hilft Verrenkung nach längerer Fixation 
im t'uvsverbande eingetreten war. Die Art der Verletzung entsprach den von 
F h ring Ii a u s und H a g e m a n n mitgeteilten Fällen, bei denen es sich 
zumeist um Uoxitis handelte. G a u gele sieht die Ursache seiner Frakturen in 
einer Inaktivitatsatrophie. obwohl er nur 10 respektive 15 Wochen fixiert hatte: 
für die Frakturen Ki Uoxitis K'sehuldigt er ätiologisch die l>ei Gelenktul>erkulosen 
bekannte „sekundäre" Kuoehenativphie eventuell plus Inaktivitatsatrophie. 
AN unterst ut.vndes Moment sieht er die langen Beugekontrakturen im Kniegelenk 
an. ferner allgemeine Schwache und Mo hi lisiemngs versuche des Knies sowie 
YerhaltniMualMg scliweiv Kerivrlast. Ais Biegungsbrüche möchte er im Gegensätze 
:u U a c e m a n n diese Frakturen nietu Ivzeiehnen. — Referent sah einen solchen 
Kvaeku'.-.c'-bruch, dessen IN utgenbud genau Gaugeles Fig. 2 entspricht, 
K i einem >chwucV.!v ; '.cu, 5 ahrtgen. einseitigen Luxationskinde nach Fall im 
/immer, Das hrv, war 4 Monate im Uipsverbunde gewesen, aber zur Zeit des 
liautuas schon b \\ ocNm aus dem Verban.de. Damals bestanden noch starke 


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Kontrakturen in Hüft- und Kniegelenk. Das Redressement der Deformität, die 
schon 14 Tage bestand, gelang leicht in Narkose. Fixationsdauer 4 Wochen, glatte 
Heilung ohne jede Deformität. Pfeiffer - Frankfurt a. M. 


Albert Fromme, Ein weiterer Fall von Spontanfraktur des Oberschenkels 
an typischer Stelle bei Knochenatrophie. Beitr. z. klin. Chir. Bd. 78, Heft 3, 
S. 496. 

Fromme berichtet über einen weiteren Fall der zuerst von E h r i n g- 
h a u s aus der Universitätspoliklinik für orthopädische Chirurgie und später von 
Hagemann beschriebenen Spontanfraktur des Oberschenkels dicht oberhalb 
der Kondylen. 

Die Fraktur war bei dem 472 jährigen Knaben, der seit einem halben Jahr 
zuerst mit Jodoform-Glyzerininjektionen und Gipsverbänden behandelt und bei 
dein vor etwa einem Vierteljahr die Knieresektion ausgeführt worden war, im 
Gipsverband eingetreten und wurde bei einem Verbandwechsel durch eine Röntgen¬ 
aufnahme festgestellt, als sie schon wieder fest konsolidiert war. 

Fromme schließt sich Ehringhaus an, der diese Spontanfrakturen 
lediglich als Folge von Knochenatrophie auf faßt. Joachimsthal. 


Vorschütz, Zur Behandlung schwieriger Oberschenkelbrüche. Zeit sehr. f. Chir. 
Bd. 117, Heft 3/4, S. 231. 

Vorschütz empfiehlt für schwierige Obcrschenkelbrüche ein Verfahren, 
welches die Bardenheuer sehe Methode mit der Semitlexionslage der Gelenke 
kombiniert. Das Bein wird auf eine hölzerne Schiene gelagert, die, aus zwei Seiten- 
und einem Grundbrett bestehend, einer Volk mann sehen Schiene gleicht, 
aber in der Kniegelenksgegend ein Scharniergelenk trägt, welches durch zwei in 
das Holz getriebene gewöhnliche eiserne Schrauben in jeder beliebigen Stellung 
fixiert werden kann. Das Grundbrett des Oberschenkel teils ist ausziehbar, je 
nach der Größe des Patienten, ebenso läßt sich der Unterschenkelteil je nach der 
Größe des Unterschenkels beliebig verlängern oder verkürzen, indem das Fu߬ 
brett nach oben oder unten verschoben werden kann. Die Seitenbretter tragen 
Fenster, die dazu dienen, eventuell nötige Querzüge hindurchzuleiten; um die 
Querzüge in einer gewissen Lage zu halten, sind in die Seitenbretter Metallstäbe 
senkrecht eingelassen. In der Kniegelenksgegend ist sowohl das Grundbrett des 
Oberschenkels wie dasjenige des Unterschenkels weit konkav bogenförmig aus¬ 
geschnitten, um hier jeden Druck zu vermeiden. Nach guter Polsterung der 
Schiene wird in einer stumpfwinkeligen Stellung von etwa 110 bis 120° das Bein 
auf dieselbe gelagert, nachdem vorher am Oberschenkel die Bardenhe u e r- 
s?hen Heftpflasterzüge angelegt worden sind. Die Züge, in der Verlängerung der 
Oberschenkel-achse weitergeführt-, münden in eine Leine aus. die fußwärts über 
eine Rolle am Galgen verläuft. Zugleich legt man um den Unterschenkelteil der 
Schiene dicht am Kniegelenk eine zweite Heftptlasterschlinge mit Heft zwecken 
befestigt, die wiederum leicht schräg nach oben in paralleler Richtung des Ober¬ 
schenkels fußwärts über eine zweite Rolle desselben Galgens geleitet wird. Sind 
beide Strecken mit entsprechenden Gewichten versehen, so hat V or sch ü t z 
die Schiene auf seinen gebeugten Arm geladen und die Wirkung der Gewichte 


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durch einen längs im einsetzenden kräftigen Zug noch verstärkt. Der Kranke 
muß mit dem Gesäß der entsprechenden Seite leicht schweben, so daß der ol>ere 
Teil des Obersehenkels und das Gesäß gleichsam auf einer schiefen Ebene nach 
abwärts gleiten. 

Der Vorteil dieser Methode liegt nach Vorschütz einmal in der Er¬ 
reichung vorzüglicher Resultate bei weit weniger Gewichten, als es bei der sonstigen 
Extension nötig ist, außerdem in der außerordentlich kurzen Heilungsdauer, ln 
dem ersten Fall, über den Vorschütz berichtet, war die Fraktur nach sechs 
Woehen, in dem zweiten nach vier Wochen absolut fest. Vorschütz wird in 
Zukunft sämtliche Oberschenkelbrüche mit der beschriebenen Methode behandeln. 

Joachimsthal. 

Land ois, Totale Zerreißung des Muse, quadriceps femoris auf der einen Seite 
und partieller Einriß auf der anderen Seite. (Breslauer chirurg. Gesellsch-, 
22. Januar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 12. 

Ungefähr 5 Wochen nach dem Unfall wurde die Naht ausgeführt und der 
Patient 3 Wochen mit Gipsverband, später mit Massage und Bewegungen be¬ 
handelt. Das funktionelle Resultat war nach 7 Monaten ein sehr gutes. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Brandes, Sehnentransplantation bei Quadricepslähmung. (Med. Gesellseh. 
zu Kiel, 29. Februar 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 18. 

Vorstellung mehrerer Kinder, bei denen durch Sehnenüberpflanzung nach 
der Langeschen Methode ein gutes Resultat bei Quadricepslähmung erreicht 
wurde. Scharff - Flensburg. 

L c w y, EtappenkoiTcktur nach Osteotomie. Zentralbl. f. chir. u. meehan. Ort hop. 
ßd. 6, Heft 2. 

L e w y zieht die Operation des Genu valgum mittels Osteotomie den 
adressierenden Verbänden und Schienenapparaten wohl mit gewissem Recht vor. 
Er vollzieht die Korrektur indessen, wenn es sich um eine Abknickung der Unter- 
schcnkelknochen handelt, in Etappen, wie dies vor langer Zeit schon von Julius 
W o 1 f f ausgefiihrt und genau beschrieben wurde. Die Fibula wird in solchen 
Fällen nicht durchgemeißelt; aus der Tibia wird ein Keil entfernt, die volle Kor¬ 
rektur wird einige Tage später vorgenommen. Der längsverstärkte Verband wird 
h erzu in der Höhe der Eingriffsstelle außen quer durchtrennt, in seiner Innenseite 
wird ein elliptisches Stück herausgeschnitten und sodann der Unterschenkel 
adduziert. Dabei schließt sich der elliptische Spalt, der strichförmige klafft und 
wird mit Holzstückchen und Gipsbrei ausgefüllt. Das Ganze wird dann mit einer 
zirkulären Gipsbinde gesichert. Bei Genu varurn werden die Spalten natürlich 
umgekehrt angelegt. Nachträgliche Verunreinigung und Reizung der Wunde 
sind selbstverständlich zu vermeiden. Lewy verwendet dazu viel Jodtinktur: 
die Wundhühle wird mit Jodtinktur ausgewischt und die Nahtstelle vor der Ver- 
bandanlegung nochmals mit Jodtinktur bestrichen. (Uebrigens verwendet Referent 
zum gleichmäßigen und allmählichen Auseinanderdrängen des Spaltes im Gijfr- 
verbande einen H e i s t e r sehen Mundsperrer mit Fallknebel, wie dies J. W o 1 f f 
schon empfohlen hat.) P f e i f f e r - Frankfurt a. M. 


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fesare Stabilini, Sulla correzione del ginocchio valgo delP adolescente, 
mediante l’apparecchio di Mikulicz. Archivio di ortopedia Anno XXIX, 1912, 
Fascicolo 1. 

Verfasser berichtet aus der chirurgischen Klinik in Pa via über die unblutige 
Behandlung des Genu valgum adoleseentium, die in einer Anzahl von Fällen 
mittels des Redressements und Verwendung der von Mikulicz angegebenen 
Schienen mit gutem Erfolg durchgeführt wurde. Die durchschnittliche Behand¬ 
lungsdauer betrug 44 Tage. Nach erfolgter Heilung wurde, um das erreichte 
Resultat zu erhalten, noch für einige Zeit eine Bandage getragen. 

Bibergeil - Berlin. 

Fra n c k e, Das Gesetz von der Umformung der Beine und die X-Beine unserer 
Frauen. Münch, med. Wochen sehr. 1912, Nr. 17. 

Franc ke hat an 1099 Menschen der verschiedensten Altersklassen 
Untersuchungen angestellt, die zu folgenden Ergebnissen führten: 

1. Die Form der Beine ändert sich in seitlicher Verschiebung mannigfach 
während des Lebens, besonders in der frühen Jugend. 

2. Diese Veränderung vollzieht sich gewöhnlich in ganz bestimmtem 
Sinn: Die gewöhnlich O-, seltener parallelbeinig geborenen Menschen werden 
in der Zeit des Gehenlernens X-beinig. Die Männer verlieren diese X-Beinigkeit 
bis zum 23. Jahr wieder. Nur vorübergehend zeigte sie sich bei einem Viertel 
der Männer um das 38. Jahr wieder. Bei Frauen bleibt die X-Beinigkeit meist 
während des ganzen Lebens; besonders häufig tritt sie um das 48. Jahr auf. 
Starke O-Beine der ersten Jugend werden oft allmählich zu Gradbeinen, ohne 
daß sie durch eine X-Beinigkeit gehen. 

3. Die Gestaltung der Beine ist durch die Lage des Körpers in der Gebär¬ 
mutter, dann beim Gehenlemen durch die verhältnismäßig große Schwere des 
Körpers, im späteren Leben aber hauptsächlich durch die Lebensweise bedingt, 
und zwar erzeugt Rührigkeit die Gradbeinigkeit, ruhiges Leben die X-Beinigkeit. 

4. Gesundheit und gute hygienische Verhältnisse befördern die Gradbeinig¬ 
keit, Schwäche, Leiden und schlechte hygienische Verhältnisse — ganz besonders 
aber die Röcke unserer Frauen — befördern die X-Beinigkeit. 

Schar, ff - Flensburg. 

F o ß 1 e r. Lieber die primäre Tuberkulose der knöchernen Gelenkenden des 
Kniegelenks mit besonderer Berücksichtigung ihrer Diagnose mittels Röntgen¬ 
strahlen. Diss. Freiburg 1911. 

Fo ßler gibt zunächst eüien Ueberblick über den augenblicklichen Stand 
der Frage der Kniegelenkstuberkulose, um hieran anschließend dann über 8 Fälle 
von primärer Knochentuberkulose an den das Kniegelenk konstituierenden Knochen¬ 
teilen zu berichten unter genauer Beschreibung der jeweiligen Röntgenbefunde. 
Es fand sich ein bedeutendes Ueberwiegen der Tibiaerkrankungen, und unter den 
fi Fällen letzterer Art sind 5 metaphysäre Prozesse, davon 2 mit Beteiligung der 
Epiphyse; die 3 Fälle mit epiphysären Veränderungen betrafen 2mal den medialen 
Condylus tibiae und emmal den lateralen. Bei den zwei patcllaren Erkrankungen 
saß bei der einen der Krankheitsherd in dem bevorzugten unteren medialen 
Quadranten. Wenn auch das Röntgenverfahren allein nicht in jedem Falle von 
Knochentuberkulose den gewünschten Aufschluß gibt bezüglich Diagnose, Lokali- 


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sation, Ausdehnung usw. der Krankheit im Knochen und eventuell auch üU*r 
ihre Prognose, so soll man doch nie die Anwendung dieser Untersuchungsineth»d? 
unterlassen; denn meist wird man aus dem Röntgenbilde unter Zuhilfenahme 
der klinischen Symptome doch wichtige Schlüsse für die Therapie ziehen können. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Paul E w a 1 d, Kniegelenksverstauchung und Abriß des medialen Suter.- 
bundcs. Zeitschr. f. Clür. Bd. 117, Heft 3/4, S. 321. 

Ewald betrachtet den vielumstrittenen Knochenschatten am medialer. 
Femurkondvlus, den man im Röntgenbild nach Knie Verletzungen auf treten sh h% 
als periostale Wucherung infolge teil weisen Band- bzw. Sehnenausrisses. Berich: 
über 19 eigene Beobachtungen. Joachim sthaL 

B u m, Abreißung des Ligament, cruciat. post, vom Femur. (K. k. Gesellseh. cL 
Aerzte in Wien, 14. Juni 1912.) Münchner med. Wochensehr. 1912. 20. 

Vorstellung eines 17jährigen Patienten, der durch Fall auf das Knie eine 
Abreißung des Lig. cruc. post, erlitten hatte. Die subjektiven Beschwerden wann 
nur gering, im Röntgenbild zeigte sich ein bohnengroßer Knochensplitter iiWr 
der Eminentia intercondyloidea medialis der Tibia, diesem Splitter entsprechend 
ein Defekt an der Innenseite des Condylus medialis femoris. 

Scharff- Flensbun:. 

B o c k c n h e i in e r, Ueber Meniskusverletzungen. Med. Klinik 1912, Xr. 22. 

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine Ver¬ 
letzung des Meniscus medialis. Auf hundert Verletzungen dieses Semiluna rknorp-b 
zählt man etwa 6 — 8 des lateralen Meniskus. Die Verletzungen des medialen Menis¬ 
kus kommen durch eine Außenrotation des Unterschenkels, die des äußeren durch 
eine Innenrotation zustande. Da nun das Kniegelenk häufig schon in einer Valgus- 
stellung und leichten Beugestellung steht, so kann durch selbst unbedeutende 
Gewalten der Unterschenkel weiter nach außen rotiert und damit der inmn 
Meniskus abgerissen werden. Wichtig ist, daß nach so unbedeutenden Kraft- 
anstrengungen eine Verletzung des inneren Meniskus entstehen kann, daß der 
Patient selbst sich später, wenn seine Beschwerden größer geworden sind, gar 
nicht mehr auf ein Trauma besinnen kann. Das wichtigste Symptom ist der lokair 
Druckschmerz an der Stelle des inneren Meniskus. Die operative Therapie suII 
man in allen Fällen von frischen Meniskusverletzungen an wenden, wo die sozialen 
Verhältnisse eine rasche Wiederherstellung nötig machen und später an das Gelenk 
große Anforderungen gestellt werden. Bei den chronischen Fällen kann nur noch 
eine operative Behandlung Heilung bringen, sofern nicht durch hochgradige Zer¬ 
störung des Gelenks die Operation zu spät kommt. Die Freilegung des Meniskus 
erfolgt durch einen Hautbogenschnitt und Kapselquerschnitt. Ist der Meni>ku> 
abgerissen, so wird er exzidiert. Ob eine partielle oder totale Exzision vorgenomnu-n 
werden soll, hängt von der Veränderung des Knorpels und der Verletzung ab. 
Nach der Operation wird für 8 Tage ein Gipsverband angelegt, in welchem aber 
der Quadriceps geübt werden soll. In der 2. Woche kommt ein Extensionsverband 
mit durchgreifenden, das Gelenk komprimierenden Zügen. Gleichzeitig erfolgt 
Massage, mit Ausnahme des Gelenks; aktive Bewegungen werden im Bett aus¬ 
geführt. Von der 3. Woche ab bleibt der Kranke ohne Verband. Von der 4. Woche 


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Referate. 


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ab kann er das Bein belasten, welches dann mit einem hohen Schnürstiefel mit 
Plattfußeinlagen versehen ist, während außerdem noch ein Kniegummistrumpf 
mit Spiralfedereinlage getragen wird. Bibergeil- Berlin. 

Kon jetzny, Zur Frage der Pathogenese und des Mechanismus der Meniskus¬ 
verletzungen. Münchner med. Wochenschr. 1912, 22. 

Die Meniskusverletzungen kommen meist durch starke Außenrotation mit 
nachfolgender rascher Streckung des Beines im Kniegelenk zustande. Die Be¬ 
vorzugung des medialen Meniskus (in 23 in der Kieler Klinik in letzter Zeit ope¬ 
rierten Fällen war immer der mediale Meniskus verletzt) erklärt sich aus dem 
anatomischen Verhalten der Gelenkflächen von Tibia und Femur und der Zwischen¬ 
knorpel. Die anatomischen Verhältnisse und der Mechanismus der Verletzung 
werden eingehend beschrieben. S c h a r f f - Flensburg. 

M. Katzenstein, Ueber Gelenkeinklemmungen und ihre Behandlung mit 
besonderer Berücksichtigung des interponierten Meniskus im Kniegelenk. 
Archiv f. klin. Chir. Bd. 98, Heft 4, S. 843. 

Die Symptome der frischen Meniskusverletzung sind, wie Katzenstein 
ausführt, ein Bluterguß im Kniegelenk, sowie unter Umständen eine akute Ein¬ 
klemmung des abgerissenen Meniskus. Meist tritt dieses Symptom oder auch 
die chronische Gelenkeinklemmung erst später auf. Die akute Gelenkeinklemmung 
wird dadurch charakterisiert, daß plötzlich durch das Zwischentreten des lockeren 
Meniskus zwischen die Gelenkflächen ein heftiger Schmerz im Gelenk hervorgerufen 
wird. Zuweilen wird das Gelenk hierbei in Beugestellung fixiert. Die chronische 
Gelenkeinklemmung fet bedingt durch die dauernde Verlagerung des Meniskus 
an der Gelenkkapsel oder beider Bestandteile zwischen die Gelenkflächen. Sie 
äußert sich im Auftreten von Schmerzen im Unterschenkel bei längerem Gehen 
und Stehen. Die pathologischen Befunde waren: Abriß des Meniskus am Vorder- 
hom, Verschiebung des Meniskus in das Gelenk mit oder ohne Abriß von der 
Gelenkkapsel, Einklemmung des Meniskus nach oben in die Fossx intercondylica, 
Kombination des Abrisses des Knorpels mit Substanzverlusten oder Verletzung 
des Lig. cruciatum anterius oder Verletzung des Tibiaknorpels. 

Die konservative Behandlung der frischen Meniskusverletzung ergibt gute 
Resultate und bezweckt durch Bettruhe, Vermeidung der Flexion und Belastung 
des Gelenkes das Wiederanwachsen des Knorpels an normaler Stelle. Besteht seit 
längerer Zeit das Symptom der akuten oder chronischen Gelenkeinklemmung, so 
kommt nur die Operation in Frage. Ist der Knorpel stark deformiert, so muß er 
exstirpiert werden. Die Resultate sind wegen der dadurch entstehenden In¬ 
kongruenz im Gelenk zweifelhaft. Ist seine Form erhalten, so empfiehlt sich die 
Naht des Meniskus. Die Resultate, die Katzcnstein bei 23 Fällen erzielte, 
sind bei längerer Beobachtung äußerst zufriedenstellende gewesen. 

J o a c h i m s t h a 1. 

Nathaniel Allison, The operative treatment of knee derangement. 
American joumal of orthopedic surgery, Volume IX, Number 3, Februar 1912. 

Zweck dieser Arbeit ist es, die Arthrotomie bei Kniederangement als das 
wirksamste Mittel hinzustellen, und zwar nicht nur bezüglich der Behandlung, 


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sondern auch zur richtigen Diagnosestellung. Sorgsamste operative Techr.ik 
versteht sich infolge der anatomischen Schwierigkeiten von selbst. 

Bibergeil - Berlin. 

Morris ton Davics, Long-standing dislocation of the patella (traumatic?! 
and osteo-arthritis of the knee-joint treated by Operation eighton months ag *. 
Proceedings of the Royal society of medieine, Vol. V, Nr. 3, Januar 1912, 
Clinical section, p. 86 ff. 

Bei einer 55jährigen Frau bestand eine Dislokation der Patella nach der 
Außenseite des Knies, die im Alter von 7 Jahren durch einen Fall entstanden s^n 
sollte. Es fanden sich keine Zeichen einer Poliomyelitis, die elektrische Erregbaren; 
war normal. Die Patientin hatte Schmerzen und konnte sich nur mittels einer be¬ 
sonderen Schiene und mit Krücken vorwärts bewegen. Beiderseitiges hochgradige 
Genu valgum. Die rechte Patella lag an der Außenseite des Gelenks, ihre Vorder- 
fiäche sah direkt nach außen. Es bestanden beträchtliche osteoarthritische Ver¬ 
änderungen. Bei völlig gestrecktem Bein ließ sich die Patella nur teilweise rep> 
nieren. Die Patientin konnte ihr Bein nicht vom Bette erheben und nicht gegen 
Widerstand strecken. Starke Atrophie des Quadriceps, besonders des Vastus 
internus. Patellarreflex vorhanden. Davies operierte folgendermaßen: Eröffnung 
des Kniegelenks und Entfernung eines großen Stücks von der Vorder- und Inm c- 
fläche des lateralen Condylus, Durchtrennung der Sehne des Quadriceps an der 
Außenseite, Ablösung der Sehnen des Gracilis und Semitendinosus von ihrem 
Ansatz an der Tibia und Annähen derselben an der inneren Seite der Patella; 
die Sehnen wurden unter dem Sartorius hindurchgezogen und in Falten der Kapsel 
eingeschlossen. Längsfaltung der Kapsel und Vemähung mit der medialen Seite 
des Gelenks. Massage und passive Bewegungen wurden 4 Tage nach der Operation 
begonnen. Nach 3 Wochen konnte die Patientin das Bein bis zum rechten Winkel 
beugen und gestreckt vom Bett erheben. Entlassung mit einer einfachen Bandage. 
Nach einem Jahr konnte die Patientin ausdauernd tanzen. Sie steigt Treppen 
und arbeitet ohne Schmerzen und Ermüdung. Das Aussehen könnte durch eine 
Genu-valgum-Operation noch verbessert werden; im Hinblick auf das Alter 
verzichtet Redner darauf. 

Davies hat in ähnlicher Weise einen 12jährigen Knaben, der gleichfalls 
eine Luxation der Patella hatte, die im Anschluß an eine Poliomyelitis im Alter 
von 6 Jahren entstanden war, operiert, nur hatte er hier den Semitendino>u> 
allein verpflanzt. Auch hier vorzüglicher Erfolg. 

Diskussion: Maynard Smith hat wegen eines ähnlichen Leidens — 
hier war die Tibia außerdem stark nach außen gedreht — die Tuberositas tibnse 
abgemeißelt und an die Innenseite der Tibia — in ein dort gemachtes Loch - 
angenagelt. Um die Patella in die richtige Lage zu bringen, mußte außerdem 
eine Kapselplastik gemacht werden. Erfolg sehr gut. 

Gordon Watson hat von W a r i n g einen doppelseitigen Fall 
operieren lassen. Transplantation der Tuberositas tibiae auf die Innenseite dr> 
Femur. Auf einer Seite leidlicher Erfolg, auf der anderen Mißerfolg; suprakondylare 
Osteotomie und Erzeugung eines Genu varum brachten Heilung zustande. 

I) o u g 1 a s D r e w hat eine kongenitale Dislokation der Patella operiert; 
Osteotomie des Femur und Korrektur des Genu valgum reichten nicht aus 
ebensowenig eine Kapselplastik, da bei Beugung des Knies die Patella wieder 


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über den äußeren Condylus hinüberglitt. Ueberpflanzung der Tuberositas tibiae 
mit dem Ligamentum patellae auf die Innenseite der Tibia führte den gewünschten 
Effekt herbei. 

Morriston Davies hält die Entfernung eines Stücks des Femur- 
condylus außer der Ueberpflanzung der Tuberositas tibiae für richtig, um die Patella 
in die richtige Lage bringen zu können. F. Wohlauer - Charlottenburg. 

A. Pignatti, Sulla guarizione delle fratture transversali della rotula. 11 Poli- 
clinico, Sez. chir. 1912, Nr. 2. 

l)ie offenen wie geschlossenen Querfrakturen der Patella heilen in der großen 
Mehrzahl der Fälle durch fibröse Callusbildung. Die histologische Entwicklung 
der Reparationsprozesse erfolgt in den ersten Phasen in ähnlicher Weise wie bei 
den übrigen Knochen. Später bleibt dann nach Bildung des knorpeligen Callus 
die progressive Entwicklung zum großen Teil stehen. Eine knöcherne Umbildung 
des fibrös-knorpeligen Callus erfolgt in sehr beschränktem Grade. Die Entwicklung 
der Heilungsvorgänge weicht um so weniger von der Norm ab, je vollkommener 
die Frakturstücke aneinander gebracht sind und je geringer die mechanischen 
Reize sind, denen sie unterstehen. Als praktische Schlußfolgerung für die Behand¬ 
lung der Patellarfrakturen ergibt sich die Notwendigkeit einer möglichst exakten 
Vereinigung der Knochenfragmente (Apparate und direkte Naht). 

Ros. Buccheri - Palermo. 

G i u 1 i o C a u 1 i, Due casi di osteosintesi. Rivista ospedaliera Vol. II, N. 6, 
15. März 1912. 

. Kasuistische Mitteilung. Knochennaht bei je einem Fall von Patella- und 
Olecranonfraktur. Bibergeil- Berlin. 

O. F ö d e r 1, Ueber Kniescheibenbrüche und ihre Behandlung mit Schwamm¬ 
kompression. Wiener med. W r ochenschr. 1912, Nr. 24. 

Für die Behandlung der frischen Patellarfrakturen empfiehlt Verfasser 
für die ersten 8 Tage die Anwendung unblutiger Verfahren, ehe die Entscheidung 
getroffen wird, ob der betreffende Fall der Knochennaht zuzuführen ist. F ö d e r 1 
verwendet hierfür die Schwammkonipression, die sich als einfaches Verfahren für 
den praktischen Arzt als sehr brauchbar erweisen wird. Die Resorption erfolgt bei 
Patellarfrakturen oft schon in 48 Stunden, indem der Gelenks- und Bluterguß 
in die Maschen und parartikulären Gewebe gepreßt wird, wo dann die 
Resorption schnell erfolgen kann. Weiterhin werden aber nach der Resorption 
des Blutergusses bei der durch die Kompression auf gespeicherten Kraft des elasti¬ 
schen Schwammes durch den allseitigen Druck die Knochenfragmentc in ihre 
physiologische Lage gebracht, der Retraktion der Gewebe in der Kontraktion des 
Quadriceps entgegengearbeitet. 

Die Technik ist eine sehr einfache: Bei der frischen Fraktur wird um das 
Gelenk ein feuchter Verband gelegt , darüber Billmthbatist, auf die Beuge¬ 
seite kommt eine gut gepolsterte Volkmannsche Schiene, auf die Streckseite 
ober- und unterhalb der frakturierten Patella ein großer, elastischer gut getrock¬ 
neter Badeschwamm, der nebst der Schiene durch einige Bindcntouren befestigt 
wird. Die Extremität wird vom Fuß aufwärts mit Flanell- oder stark gewebter 
Trikotschlauchbinde eingewickelt und die über dem Kniegelenk befindlichen 
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 4fi 


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Schwämme mit Testudotouren kräftig komprimiert; die Einwicklung reicht hi- 
über die Mitte des Oberschenkels. Der Verband wird täglich erneuert, die kompri¬ 
mierten Schwämme — die durch Einlegen in Wasser wieder brauchbar werden 
“ durch neue ersetzt; tägliche Streichmassage der Muskeln des Ober- und Unter¬ 
schenkels. Nach Resorption des Ergusses besorgen die Schwämme das Herunter* 
drücken des oberen Fragmentes; dadurch wird einer Retraktion des Quadricvis 
und einer Schrumpfung der Kapsel entgegengearbeitet. In der 2. Woche könn« u 
die Patienten im Verband mit Hilfe einer Krücke herumgehen, in der 3. Woche- 
Beginn der Muskelmassage und der passiven, später der aktiven Bewegung«, i. 
Nach 6 Wochen ist die Behandlung abgeschlossen. 

Föderl hat die Schwammkompression mit gutem Erfolge auch bi 
Oberarmfrakturen und bei einer Schrägfraktur des Malleolus externus angewend» t. 

H a u d e k • W ien. 

G h i 11 i n i, Arto inferiore ciondolante. Artrodesi del ginocchio e del pivd»*. 
(Societä medico-chirurgica di Bologna, 7. Juli 1911.) 

G h i 11 i n i stellt einen 26jährigen Mann vor, den er wegen SchlotterU-ims 
infolge einer im Alter von 7 Monaten erlittenen Lähmung mit Arthrodese d*-? 
Knie- und Fußgelenkes operiert hat. Endresultat vorzüglich. 

Ros. Buceheri - Palermo. 

E n d e r 1 e n, Gelenkmobilisation. (Würzburger Aerzteabend, 20. März 1912.) 
Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 18. 

Demonstration von 3 Fällen knöcherner Ankylose des Kniegelenks, von 
denen zwei durch Fascientransplantation, einer mittels Gelenktransplantation 
mit gutem Erfolg behandelt worden sind. S c h a r f f - Flensburg. 

T e s k e, Genu recurvatum nicht als Belastungs-, sondern als Kompensations- 
deformität nach Unterschenkelbrueh. Monatsschr. f. Unfallheilk. 1912, 
Nr. 1. 

Es handelte sich um einen Unterschenkelbruch, bei dem die Durchleuchtung 
des ganzen Unterschenkels ergab, daß dieser zwei Krümmungen aufwies. Die erste 
befand sich an der Bruchstelle, an der Grenze d^s unteren und mittleren Drittels 
und war dorsalwärts gerichtet, d. h. nach hinten. An der Grenze vom mittleren 
und oberen Drittel etwa fand sich die zweite der ersten entgegengesetzt liegende 
Krümmung, so daß das obere Drittel des Schienbeins nach hinten abgeb«on 
schien. Für die Aetiologie spricht auch der Umstand, daß sich diese Krümmung 
erst allmählich ausgebildet hat und erst etwa 16 Monate nach dem Unfall als 
„Hohlknie“ festgestellt wurde. Blencke - Magdeburg. 

C. L i c i n i. Untersuchungen über die Verknöcherung der Tuberositis anten- r 
tibiae mittels Röntgenstrahlen, in bezug auf einige Krankheiten der Jugend. 
Beitr. z. klin. Uhir. Bd. 78, Heft 2, S. 394. 

L i c i n i hat bei 55 Kindern im Alter von 7 — 17 Jahren beide Kniegelenke 
mit Röntgenstrahlcn untersucht und dabei gefunden, daß die Entwicklung und di^ 
Form der Spina von Individuum zu Individuum schwankt und nicht selten sieh an 
den Kniegelenken desselben Individuums verschieden zeigt. Nach seinen Beobach¬ 
tungen beginnt die Ossifikation der Tuberositas tibiae mit 9 Jahren und zwar \ on 
drei verschiedenen Ossilikaf ionsherden aus. Zwei liegen an der äußeren und inneren 


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Fläche des Schnabels, eine an dem peripheren Teile desselben. Fiese drei Ausgangs¬ 
punkte sind früher oder später in allen Fällen zu sehen und in manchen Fällen, 
in denen die Verknöcherung schon vorgeschritten ist, an der Form und Intensität 
des Knochenschattens zu erraten. Fas Wachstum geht so vor sich, daß der Kern 
sich aufwärts ausdehnt und daß die äußere und innere Fläche gegeneinander 
zunehmend von dem Kern erreicht werden. Von diesem normalen Ossitikations- 
vorgang der Spina gibt es zahlreiche Abweichungen, die fälschlich zu der Annahme 
von Frakturen führen können. Brüche der Spina sind unwahrscheinlich, wenn 
man bedenkt, daß die Knochen teile in Knorpel eingebettet sind. Eine Unter¬ 
brechung derselben ohne gleichzeitige Unterbrechung des Knorpels ist nicht 
möglich. Außerdem setzt sich das Ligamentum patellae an der ganzen Spina- 
oherfläche an; eine Zerrung desselben wird auf die ganze Spina verteilt, nicht auf 
einzelne Teile. Die Frakturen der Spina im jugendlichen Alter gehören jedenfalls 
zu den größten Seltenheiten. Joachimsthal. 

G i n o Pier i, Sulla malattia di Osgood-Schiatter. Rivista ospedaliera, Vol. II, 
Nr. 6, 15. März 1912. 

Verfasser teilt die unter dem Namen „Osgood-Schlattersche Krankheit“ 
bekannte Affektion in zwei Arten ein; in eine Gruppe rein traumatischen Ursprungs 
(partielle oder totale Abreißung der Tuberositas tibiac), die er Fraktur der Tubero- 
sitas tibiae genannt wissen will, und in die Gruppe derjenigen Fälle, bei denen als 
ursächliches Moment Störungen in der Ossifikation in Frage kommen. Für diese 
soll der Name Osgood-Schlattersche Krankheit beibehalten werden. Pieri 
vertritt die Ansicht, daß es sich in denjenigen Fällen, bei denen Anamnese, 
klinische und radiologische Untersuchung ein Trauma ausschließen, stets um eine 
Entwicklungsanomalie im Bereiche der Verknöcherung handelt, und nicht, wie 
einige Autoren annehmen, um entzündliche Prozesse oder um das Auftreten 
von Spätrachitis. Was die Behandlungsmethode betrifft, so ist in Fällen trau¬ 
matischen Ursprungs der blutige Eingriff mit Fixierung der losgelösten Fragmente 
indiziert; sind in Fällen dystrophischen Ursprungs Ruhigstellung, Massage usw. 
wirkungslos, so kann durch subperiostale Entfernung des betroffenen Knochens 
die Funktion üi einigen Wochen wiederhergestellt werden. Die Beschreibung 
eines auf Verknöcherungsanomalien zurückzuführenden Falles bei einem 15jährigen 
Knaben geht der Arbeit voraus. Bibergeil- Berlin. 

J oh n 1) u n 1 o p, The adolescent tihial tubercle. An anatomical and patholugical 
study. American journal of < rthopedie surgerv, Volume IX, Number 5, 
Februar 1912. 

Die Erkrankungen an der Tuberositas tibiae treten meist im Adoleszenten¬ 
alter auf, zu der Zeit, in der der knorpelige Zwischenraum zwischen der Tuberosität 
und der Epiphyse am kleinsten ist. also gerade bevor die definitive Vereinigung 
auftritt. Die Affektion betrifft meistens nur eine Seite, und zwar vorzugsweise 
die rechte, die sich infolge der stärkeren Inanspruchnahme schneller entwickelt. 
Entgegen der Ansicht anderer Autoren hat Verfasser die Affektion auch bei Mädchen 
beobachtet, und zwar trat sie hier bedeutend früher auf, in 2 Fällen mit dem 
10. Lebensjahr, während sie Knaben gewöhnlich zwischen dem Lb und 15. Lebens¬ 
jahre betrifft. Am häutigsten wird die Erkrankung bei besonders kräftig ent- 


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wickelten Kindern gefunden. Als ätiologisches Moment kommt nach Verfass* r 
die Bewegung der an der Vorderfläche des Unterschenkels verlaufenden Musku¬ 
latur in Betracht. Hierher gehören nur die durch mechanische Irritationen be¬ 
dingten Störungen an der Tuberosität, nicht die durch Infektion bedingten. Ist 
die richtige Diagnose gestellt — durch Radiographie —, so ist die Prognose hei 
Behandlung mit Ruhigsteilung gut. Verfasser bespricht 6 einschlägige Falle. 

Bibergeil- Berlin. 

N. E. Aldridge, Demonstrations. Proceedings, Vol. V, Nr. 3, Januar 1912. 
Electro-therapeutical section, p. 49. 

Aldridge zeigt mehrere Aufnahmen von Abtrennungen des Kernes 
der Tuberositas tibiae. Die Bilder zeigen einen zungenförmigen Fortsatz, der 
vom Schaft getrennt ist. Diese Erscheinungen wurden für pathologisch gehalten 
— Schlattersche Krankheit. In vielen seiner Fälle hatte kein Trauma stattgefunden, 
und es bestanden keine Beschwerden. Auch fand sich der gleiche Zustand 
doppelseitig. Aldridge hält diese Verhältnisse für normal. Im gleichen Sinne 
sprechen sich A. D. R e i d, der den Fortsatz auch zweigeteilt auf beiden Seiten 
gefunden hat, und O r t o n aus. Dieser Befund komme in 70 Proz. aller 
Fälle bei jungen Leuten vor. F. Wohlauer - Charlotten bürg. 

Engel, Hygroma chronique de la bourse ptetibiale superficielle. Sarcoma fuso- 
cellulaire d’origine tecente. Soc. anatom. de Paris, Januar 1912, p. 34. 

Präparat einer Bursa praetibialis, die von einem 67jährigen Manne stammt 
und seit der Geburt vorhanden war. Seit 7 Jahren Wachstum des mandarinen¬ 
großen Tumors am Tibiakopf. Vorübergehend bestand eine Fistelöffnung, au> 
der sich gelbliche Massen entleerten. Vor 1 Monat Fall auf das Knie und im An¬ 
schluß daran Aufbruch und Entleerung von reichlichen Blutmengen. Die Exstir¬ 
pation des Tumors ergibt ein Spindelzellensarkom. Peltesohn - Berlin. 

P u 11 i. Eine Methode, um die Verkürzung der Extremität bei ausgedehnter 
Resektion des oberen Endes des Schienbeines zu verringern. Zentral bl. 
f. chir. u. mechan. Orthop. Bd. 6, Heft 5. 

Putti hat nach Resektion von 12 cm des oberen Tibiaendes die Ver¬ 
kürzung des Unterschenkels dadurch auf ein Minimum reduziert, daß er die 
Fibula derselben Seite in ein 4 cm tief gebohrtes Loch in der Regio intercondvlica 
einpflanzte. Der Knochen heilte in leichter Valgussteilung fest. Verkürzung 7 cm. 

Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

H a r d o u i n, Resection subtotale de la diaphyse tibiale, dans un cas d’ostco- 
myelitc aigue. Resultat au bout de sept ans. Soc. de chir. de Paris 22. nuv 
1911. Rev. de chir. XLV, p. 98. 

Bei einem 14jährigen Mädchen schritt Hardouin wegen Osteomyelitis 
gravis tibiae mit totaler Abhebung des ganzen Periosts zur primären Resektion 
der Diaphyse fast in ihrer ganzen Länge. Die Wachstumszonen blieben erhalten. 
Die Heilung war nach 3 Jahren beendet. Weitere 3 Jahre später zeigt sich klinisch 
nichts Abnormes mehr, die Radiographie ergibt, daß die Tibia sich vollständig 
regeneriert hat. Peltesohn- Berlin. 


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13 randenberg, Das postoperative Längenwachstum osteotomierter rachitischer 
Knochen. Zentralbl. f. chir. u. mechan. Orthop. Bd. 6, Heft 2. 

Brandenberg konnte bei einer Reihe von Osteotomien infolge von 
rachitischen Unterschenkelverlängerungen 2—3 Monate nach der Operation eine 
L.ängenzunahme der Knochen von 2 — 8 cm konstatieren. Er schließt daraus, daß 
<lie Osteotomie in manchen Fällen als artifizieller Wachstumsreiz betrachtet 
werden dürfe. Im übrigen empfiehlt er im Gegensätze zu A b e r 1 e bei winkliger 
Knickung der noch unbelasteten Unterschenkelknochen nicht bis zum 4.-5. Jahre 
zu warten, sondern sofort zu osteotomieren. Diese Fälle heilen nämlich nicht 
Bpontan aus, die Knickung verschlimmert sich durch die Belastung beim Stehen 
und Gehen, zumal bei weniger Bemittelten, bei denen das Verbot der Belastung 
doch nicht durchgeführt werden kann. Pfeiffer- Frankfurt a. M. 


Anse h ü t z, Ueber vermehrtes Wachstum der Fibula bei Tibiadefekt. (Med. 
Gesellsch. zu Kiel, 29. Februar 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 18. 

Vorstellung von 4 Fällen von Osteomyelitis, bei denen nach ausgedehnter Se¬ 
il uestration der Tibia die Fibula hypertrophierte und zu einer Deformierung des 
Unterschenkels führte. Die Therapie bestand in einer Implantation der Fibula 
in den Tibiakopf hinein. Das untere Fibulaende konnte dann teilweise oder ganz 
in das untere Tibiaende implantiert werden. S c h a r f f - Flensburg. 

Peltesohn, Ueber einen Fall von Peroneuslähmung durch eine amniotische 
Schnürfurche. Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 13. 

Peltesohn bespricht einen Fall — 8 Monate altes Kind — von Mikro- 
und Klinodaktylie infolge von amniotischen Abschnürungen. Außerdem zeigt das 
Kind, was bisher in der Literatur sich noch nicht beschrieben findet, eine Peroneus¬ 
lähmung infolge einer amniotischen Schnürfurche am Unterschenkel in der Höhe des 
proximalen Fibulaköpfchens. Das Kind ist ferner noch mit kongenitalen Klump¬ 
füßen behaftet. Verfasser will nach Redressement des Klumpfußes für den Fall, daß 
ein Rezidiv desselben eintritt, den amniotischen Ring beseitigen, und schlägt, 
falls diese zu keinem Endziele führt, eine Nerven-, eventuell eine Sehnen¬ 
plastik vor. Maier- Aussig. 


R e n d u, Absence congenitale du perone. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 2, p. 169. 

Mitteilung eines typischen Falles von kongenitalem Fibuladefekt bei einem 
jetzt 2jährigen Knaben. — Die einzuschlagende Therapie muß von folgenden 
Ueberlegungen geleitet werden: Es stehen die Arthrodesenoperationen von F r a n k e 
und Barden heuer zur Verfügung, um den Fuß in möglichster Streckstellung 
mit der Tibia zu vereinigen. Diese Operationen kommen erst nach vollendetem 
W achstum in Frage. Bis dahin muß die Therapie dahin zielen, den Fuß in mög¬ 
lichster Spitzfußstellung und ferner so zu fixieren, daß die bekannte Tendenz 
des Fußes zur Valgusdeviation hintangehalten wird. Das soll in der W eise geschehen, 
daß in Gipsverbänden der Fuß dauernd in maximaler Hquinu>stellung redressiert ge¬ 
halten wird. Dadurch erübrigen sich dann später die von Franke für erforderlich 
gehaltenen Durchschneidungen aller den Fuß bewegenden Sehnen. — Von einer 
Korrektur der auch hier vorhandenen Tibiakrümmung nach vorn soll wegen der 
Gefahr der Pseudarthrose stets abgesehen werden. Pe 1 t e s o h n - Berlin. 


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August Lin dcmann, Zur Behandlung der Unterschenkelgeschwüre. Zeitsehr. 
f. (iiir. Bd. 114, Heft 5—6, S. 563. 

Linde mann empfiehlt für kleinere Ulcera cruris Salbenverbände nach 
Abschaben des Geschwürp, für mittelschwere Fälle die Transplantation 
nach Thierse h nach eventueller Exzision des Ulcus und unter gleichzeitiger 
Behandlung etwa sonst bestehender Schädlichkeiten* Sind starke Varicen eia. 
so empfiehlt sich ihre Entfernung von möglichst vielen kleineren Inzisionen aus 
unter Schonung der Haut. Solange außerdem die Ulcera eich nicht völlig ge¬ 
schlossen haben, sind Wattekompressionsverbände anzuwenden. Umschneidungen 
des Ulcus oder gar solche des ganzen Unterschenkels nach der Rindtleischsehen 
Methode kann Lindeman n auf Grund von Nachprüfungen derselben in der 
chirurgischen Abteilung der Huyssenstiftung in Essen (leitender Arzt Dr. M o r i an) 
keineswegs empfehlen. Für die ganz schweren Fälle von Ulcus cruris, die ins¬ 
besondere ihit schweren Veränderungen des befallenen Beines sonstiger Natur ein¬ 
hergehen (Elephantiasis), empfiehlt es sich, dem Gedanken einer Amputation 
näher zu treten, da man auf diese Weise Arbeitern, die jahrelang erwerbs¬ 
unfähig gewesen sind, wenigstens den größeren Teil ihrer Erwerbsfähigkeit zu- 
rückgeben kann. J o a c h i m s t h a 1. 

Paul Ewald, Ueber einen Röntgenbefund bei Knöchelbruch und Fußver¬ 
stauchung. Arch. f. klm. Chir. Bd. 98, Heft 1, S. 274. 

Das schlimmste beim Knöchelbruch oder bei der Distorsion ist nach 
Ewald immer das Ausemanderweichen der Malleolengabel, die sich durch 
einen im Röntgenbilde häufig fest zu stellenden Ausriß eines Stückes der lateralen 
Tibiagelenkfläche zu erkennen gibt. Man muß daher in frischen Fällen von Mal- 
leolenbrüchen ebensosehr für genaue Adaptierung der Bruchstücke, für Beseitigung 
der Spitzfußstellung, für Erhaltung der vollen Beweglichkeit sorgen wie auf 
sofortige Festigung der Malleolengabel achten. Das von E i c h 1 e r beschriebene 
Vorgehen des Eppendorf er Krankenhauses, bei dem die seitlichen Hcftptlaster- 
extensionsstreifen unter der Sohle miteinander verklebt werden und beim Zug 
einen Druck auf die Malleolen ausüben, um einem Auseinander weichen der Fu߬ 
gabel vorzubeugen, ist daher unbedingt als ein Fortschritt zu begrüßen. Vielleicht 
wäre die zirkuläre Fixation der Malleolengegend mittels Heftpflasters oder fester 
Binden noch besser. Ob dabei das sofortige oder baldige Gehen, also Belasten 
der gesprengten Knöchelpartie zu empfehlen ist, scheint Ewald sehr die 
Frage und bei aller Wertschätzung der funktionellen Therapie von Knochenbrüclun 
für diesen speziellen Fall sehr zu überlegen. Weder der entlastende Gipsverlmnd 
noch die Flanellbinde noch Heftpflaster können einen sicheren Zusammenhalt 
der Untersehenkelknochen während der Belastung gewährleisten. 

JoachimsthaL 

Q ii e li u, Etüde critique sur les fraetures du cou-de-pied. Rev. de chir. XLV, 
Nr. 1, 2, 3. 

Monographische Darstellung unserer Kenntnisse über die Malleolarbrmhe 
und die Erweiterung der Malleolengahel. 

D e s t o t, A propos des fraetures du cou-de-pied. Rev. de chir. XLV, Nr. 3. 

Erwiderung auf die obige Arbeit. P e 11 e s o h n - Berlin. 


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W e g n e r, Die typische Abrißfraktur am hinteren MaUeolus lateralis tibiae. 
Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 18. 

Mitteilung eines Falles, bei dem ein kleines Knochenstück vom Malleolus 
lateralis tibiae durch Zug des Ligamen 1 um malleoli lateralis posterius abgerissen 
■war. S c h a r f f - Flensburg. 

Bischer, Abrißfraktur am Malleolus lateralis tibiae posterior. Zentralbl. 
f. Chir. 1912, Nr. 6. 

Bischer konnte in 8 Fällen am Röntgenbilde hinten am distalen Ende 
der Tibia eine mehr oder minder große schalenförmige Knochenabsprengung 
beobachten (eine keineswegs seltene Verletzung, Referent), und in 2 Fällen eine 
typische Fraktur an dieser Stelle, während in einem Falle sich nur ein ganz kleiner, 
2 mm langer Einriß ca. 1 1 / 2 cm oberhalb des distalen Tibiaendes vorfand. — In beiden 
Typen handelt es sich unzweifelhaft um eine Abrißfraktur am unteren Tibiaende, 
welche durch das Lig. malleoli lateralis posterius zustande kommt. In den Fällen, 
bei denen das Röntgenbild einen schalenförmigen Schatten aufweist, kann nicht 
von einem direkten Abriß einer Knochenpartie gesprochen werden, sondern es 
dürfte sich hierbei unzweifelhaft nur um den Abriß des Ligaments mit Periost 
handeln, das dann zu einer frakturlosen Callusbildung geführt hat. In 
2 Fällen konnte am Röntgenbilde nicht sofort nach dem Unfall dieser 
Schatten beobachtet werden, sondern trat erst 10 bzw. 14 Tage später auf. 
In den übrigen 3 Fällen war eine Zeit von 8—14 Tagen verstrichen, ehe sie 
in Spitalbehandlung kamen. Der Entstehungsmechanismus dürfte der sein, daß 
der Fuß, in starke Supinationsstellung gebracht, eine starke Anspannung des Lig. 
malleoli lateralis hervorruft und damit ein Einreißen am Periost. Wird die Gewalt¬ 
ein Wirkung noch größer oder ist die Ansatzstelle des Ligaments fester als der 
Knochen selbst, dann kommt es zu einem Abriß eines ganzen Knochenstückes. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

E d e n, Zur Behandlung der Luxatio peroneorum. Münch, med. Wochenschr, 
1912, Nr. 12. 

Eden berichtet aus der Jenaer Klinik über einen Fall von habitueller 
Luxation der Peronealsehnen, bei dem Lexer durch freie Sehnentransplantation 
Heilung erzielt hat. Lexer vertiefte die Malleolenrinne und bohrte einen Kanal 
durch den Malleolus. Durch diesen Kanal wurde ein 15 cm langes Stück der 
von demselben Patienten entnommenen Sehne des Palmaris longus gezogen, um 
die Peroneen geschlungen und befestigt. Sorgfältige Naht der durchtrennten 
Fascie, Hautnaht. Kein fixierender Verband, sondern frühzeitige Bewegungs- 
Übungen. Voller Erfolg. S c h a r f f - Flensburg. 

R. G a 1 e a z z i, Sulla protesi cinematica. Rivista ospcdaliera Vol. II, Nr. G, 
15. März 1912. 

Galeazzi hat das bisher von Codivilla geübte Verfahren, zum 
Beispiel nach Fußamputationen eine feste Verbindung zwischen den Weichteilen 
des Stumpfes und den vorderen und hinteren Sehnen zu bilden, wodurch die 
Antagonisten eng vereinigt werden, in der Weise geändert, daß er die Beweger 
des Fußes von den den Knochenstumpf bedeckenden Weichteilen isoliert, um die 
Bewegungsmöglichkeit der mit den Sehnen verbundenen Prothese zu steigern. 


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Dabei bleibt er aber bemüht, die Verbindung der Sehnen mit den Zügeln der Pro¬ 
these in möglichster Nähe des Stumpfes zu erhalten. Bibergeil- Berlin. 

Ginn Pieri, Grave frattura totale esporta della tibia trattata colP estensioae 
al chiodo ui Uodivilla. Rivista ospedaliera Vol. II, Nr. 6, 15. Marz 191:1 
Mit Erfolg nach Uodivilla behandelter Fall von totaler Querfraktur der 
Tibia. Die Nagelextension vermag in ungleich besserer Weise als alle anderen 
Methoden Verkürzungen und Knochen Verschiebungen auszugleichen. Verfasser 
stellt fest, daß die Methode der Nagelextension, obgleich sie italienischen Urspmnjs 
ist, bisher nur einmal in der italienischen Literatur an einem Fall beschrieben ist. 
und zwar von R. B a s t i a n e 1 1 i. Bibergeil- Berlin. 

r u r c i o, Piede valgo per assenza congenita del perone. Osteotomia e correziore. 
Focolaio tubercolare osteomielitico e recidiva della deformitä. Asportazion»' 
del focolaio, convzione e guarigione per prima. Policlinico Sez. prat 19lö. 
Der Titel besagt das Wesentliche des Falles. 

Ros. Buccheri- Palermo. 

S o n n e n b u r g, Untersehenkel- und Fußplastik. (Freie Vereinigung der Cliinimen 
Berlins, 8. Januar 1912.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 9. 

Sonnenburg hat bei einem Patienten wegen komplizierter Unter¬ 
sehenkel- und Fußfraktur, wobei sich nach Abstoßung großer Knochenstücke 
eine so ausgeprägte Pseudarthrose gebildet hatte, daß der Fuß eigentlich nur 
noch an einer Hautbrücke hing, eine fast knöchern gewordene Ueberpfianzung 
des Fußes auf den Unterschenkelrest mit bestem Erfolg gemacht. 

Sonnenburg demonstriert dann noch einen Patienten, bei dem er 
vor 18 Jahren wegen Erfrierung beider Füße beide Unterschenkel nach der osteo¬ 
plastischen Biersehen Methode amputiert hat. Er hat gute brauchbare breite 
Stümpfe, auf die er sich gut stützen kann. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Le riebe, Plombage jodoforme dans la d6sarticulation de Syme. Soe. des 
Sciences medie. de Lyon. Rev. de chir. XLV, p. 257. 

Bei der sonst so vortrefflichen Syme sehen Exarticulatio tibiotarsca wird 
der Umstand der Nachblutung aus der Malleolengabel häufig störend empfunden. 
L e r i c h e füllt diese Höhle einfach mit M o s e t i g scher Jodoformplombe au>. 
In einem operierten Fall war 2 Jahre nach der Operation kaum noch etwas von 
dein Jodoform röntgenologisch nachweisbar. Peltesohn- Berlin. 

L o u g e, Osteoarthrite tuberculeuse du pied gauche trait^e par Penfumage iode. 
Soc. de chir. de Marseille 15. Jan. 1912. Rev. de chir. XLV, p. 365. 

L o u g e berichtet über eine Frau mit fistulöser Fußgelenkstuberkulose. 
Er hat hier mit bestem Erfolg die Ausdampfung mit Jod angewendet. 5 Wochen 
später war völlige Ausheilung eingetreten. Im Joddampf besitzen wir ein vor¬ 
zügliches Mittel gegen die Knochen tuberkulöse. P e 1 t e s o h n - Berlin. 

M ii 1 1 e r. Die Luxation im ( hopartgelenk. Fortschritte a. d. Geb. d. Röntgenstr. 
XVIIL Heft 3. 

M üllcr bringt die Krankengeschichten der bisher veröffentlichten ein 


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wandfreien Luxationen im Chopartgelenk; es sind im ganzen elf, denen Müller 
noch einen sei bst beobachteten Fall aus der Tübinger chirurgischen Klinik anreiht. 

B 1 e n c k e - Magdeburg. 

M a r t i u s, Luxation des Os naviculare pedis nach oben. (Freie Vereinigung 
der Chirurgen Berlins, 13. November 1911.) Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 3. 

Die Verletzung war bei einem Fall auf die Füße entstanden, wobei ein 
hervorstehender Stein den Knochen aus seinen Verbindungen herausdrängte. 
Die Reposition gelang, jedoch zeigte die nach einem Jahr vorgenommene Nach¬ 
untersuchung, daß der Knochen wieder etwas nach oben aus seinem Lager heraus¬ 
getreten war. Blencke - Magdeburg. 

Kat zenst ein, Bildung eines Gelenkbandes durch freien Periostlappen. 
Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 6. 

Fine junge Dame hatte sich eine Luxation im Calcaneo-Naviculargelenk 
infolge von Zerreißung des Ligamentum tibio-naviculare zugezogen. Da auch 
noch lange Zeit nach der Verletzung erhebliche Beschwerden bestanden, 
nahm Katzenstein den plastischen Ersatz dieses Bandes durch einen 
Periost lappen vor, den er, um eine Knochcnneubildung zu verhüten, längs 
faltete und so zusammennähte, daß seine ossifizierenden Flächen aufeinander 
lagen. Nur oben und unten wurden diese Flächen frei gemacht und an einer Knochen¬ 
wundfläche des Malleolus bzw\ des Os naviculare durch einige Nähte befestigt. 
Der Fuß bekam seinen normalen Halt und seine normale Stellung wieder. Der 
Erfolg war nicht nur anatomisch, sondern auch funktionell ein vollkommener. 

Nach des Verfassers Ansicht dürfte diese Beobachtung in doppelter Be¬ 
ziehung eine prinzipielle Bedeutung haben: 

1. Die Gelenkbänder sind von großer Bedeutung für den normalen Ablauf 
der Gelenkbewegungen. Ihre Verletzung bzw. ihre Ueberdehnung kann zu den 
schwersten funktionellen Störungen führen. 

2. Wir sind in der Lage, fehlende oder überdehnte Gelenkbänder durch 

eine freie Plastik mit gedoppeltem Periost lappen zu ersetzen und sowohl anatomisch 
w ie funktionell eine Heilung zu erzielen. Blencke- Magdeburg. 

N a t z 1 e r, Ueber Brüche des Sprungbeines. Arch. f. Orthop. Bd. 11, Heft 2—3. 

Nach N.atzler sind Talusbrüche häufiger, als man früher glaubte. Dabei 
ist ihre Diagnose auch ohne Röntgenbild nicht einmal schwer. Die Hauptsymptome 
der frischen Verletzung sind Schwellung und Bluterguß an der Vorderseite des 
Sprungbeinunterschenkelgelenks, zirkumskripte Druckempfindlichkeit des Sprung¬ 
beines, Schmerzen bei allen Fußbcwegungen, besonders bei Dorsalflexion; Gehen 
und Stehen unmöglich. Aber auch in veralteten Fällen kann die Diagnose ohne 
Röntgenbild gestellt werden. Dann ist die Knöchel- und Fußgelenksgegend, oft 
die Gegend des Taluskopfes allein, ödematös. Die Beweglichkeit im Taloeruralgelenk 
ist eingeschränkt, zumeist wieder die Dorsalßexion; das Sprungbein ist druck¬ 
empfindlich, besonders die Kopfgegend und bei Seitendruck die Gegend dicht unter¬ 
halb der Knöchel. Die Entstehungsweise und die Art der Brüche sind sehr verschieden. 
Die häufigste „regelmäßige“ Bruchform ist der Bruch im Sprungbeinhals; der 
Körper kann schräg, horizontal oder sagittal in zwei oft gleiche Stucke geteilt 
werden; auch T- und V-förmige Brüche kommen vor. Die beste Therapie ist die 


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Reposition und 3 — 4 wöchige Fixation im Gips verbände mit nachfolgender Massage, 
Bädern und aktiven Uebungen. Eventuell muß offen reponiert und teilweise 
exstirpiert werden; dieses Verfahren empfiehlt sich bei allen schwereren Spriins:- 
beinbrüchen, bei denen es ja immer zu starken Dislokationen kommt. Veraltete 
Brüche werden mediko-mechanisch behandelt und, wenn man auf diese Weise nicht 
zum Ziele kommt, operativ (Talusosteotomie, eventuell Exstirpation). Spater Ein¬ 
lage oder entlastender Apparat. Die Prognose ist recht verschieden zu stellen. Die 
Brüche mit Dislokation haben eine ernstere Prognose, zumal oft Nekrose eintritt. 
Sie ist auch viel von dem guten Willen der Patienten abhängig. Erwähnt sei noch, 
daß das Röntgenbild zuweilen versagt-, indem Fissuren und Infraktionen unerkannt 
bleiben können. P f e i f f e r - Frankfurt a. M. 

G. C. A n der son, A rare case of fracture of the astragalus. Edinburgh Jour¬ 
nal, November 1911. 

Das Röntgenbild des Fußes eines von einer Leiter gefallenen Manne» 
ergab eine völlige Fraktur des Sprungbeins mit weiter Trennung der beiden 
Fragmente. Verfasser entfernte das obere Fragment. Obwohl die Heilung durch 
eine virulente Staphylokokkeninfektion verzögert wurde, hat Patient jetzt ein 
fest ankylosiertes Gelenk. Die Funktion des Gliedes ist vollkommen wieder¬ 
hergestellt. Bibergeil - Berlin. 

J o u o n, Un cas de fracture de l’astragalc chez l’enfant. Rev. d’orthop. 1912. 
Nr. 2, p. 185. 

Es handelt sich um einen 9 l / 2 Jahre alten Knaben, der von einer hohen 
Mauer fällt und sich als wesentliche Verletzung einen Bruch des rechten Talus 
zuzieht. Eine Woche später kommt er zur Behandlung. Klinisch findet sich 
ausgesprochene Varität des Fußes, röntgenologisch ein Bruch des Talushalses. 
Die Behandlung besteht in 4 Wochen langer Fixation in einer Metallschiene und 
4 Wochen hindurch in Bettruhe. Nach etwa einem halben Jahre findet eine Nach¬ 
untersuchung statt. Die Bewegungen sind sehr eingeschränkt; der Fuß steht in 
starker Varität, die Malleolengabel ist mächtig verbreitert. Wegen des schlechten 
orthopädischen Resultats schreitet Verfasser zur Exstirpatio tali. Bei der Opera¬ 
tion zeigt sich, daß der vordere Teil des Taluskörpers total zertrümmert ist. Die 
hier vorhandenen Knorpelflächen sind aufgefasert und rauh. Die Malleolen und 
der Calcaneus werden intakt befunden. — Talusbrüche im Kindesalter sind 
außerordentlich selten. Peltesohn - Berlin. 

B 1 a n c, Fracture du calcaneum par arrachement. Soc. des Sciences med. de 
Saint-Etienne. (Rev. de chir. XLV, p. 515.) 

Abrißfraktur des Processus posterior calcanei beim Herabsteigen von 
einer Stufe. Sofort heftige Schmerzen. Definitive Heilung nach Entfernung 
von c illusartigen Wucherungen am Ansatz der Achillessehne. 

Peltesohn - Berlin. 

W o r in s et H a m a n t, Fracture horizontale du calcaneum. Soc. anatom. 
de Paris, Februar 1912, p. 97. 

Ein 43jahriger Streckenarbeiter will, da plötzlich ein Zug ungefähren 
kommt, zur Seite springen, bleibt aber mit dem rechten Fuß an der Schiene hängen. 


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Referate. 


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Die Räder erfassen einen Teil des Schuhwerks. Er selbst erleidet einen Bruch 
des Calcaneus. Die Bruchlinie verläuft genau horizontal, so daß der Knochen 
in eine obere und eine untere Hälfte geteilt ist. Peltesohn- Berlin. 

W o r m s et H a m a n t, Ost£osarcome du calcaneum. Soc. anatom. de Paris, 
Februar 1912, p. 104. 

Fall von Sarkom des Calcaneus bei einem 17jährigen Mädchen im Anschluß 
an einen Fall von der Leiter. Erst die Radiographie klärte das Leiden auf, 
welches für Distorsion, für entzündlichen Plattfuß und Calcaneusbruch gehalten 
worden war. 1 ie Exstirpation des Calcaneus führte zur Heilung. 

Peltesohn - Berlin. 

Bonn e t, Sporotrichose osseuse. (Soc. de chir. de Lyon 14. Dez. 1911.) Rev. de 
chir. XLV, p. 510. 

Bonnet demonstriert das Stück eines Calcaneus mit Sporotrichosis; 
cs war anderweitig eine tuberkulöse Osteoarthritis diagnostiziert worden. Auf 
dem Röntgenbilde sieht man einen aufgehellten Fleck mit scharfer Begrenzung, 
die weder der Tuberkulose, noch der Lues, noch der gewöhnlichen Osteomyelitis 
glich. Peltesohn- Berlin. 


S c h a a 1, Ueber Exostosen an der oberen Fläche des Calcaneus. Münch, med. 
Wochensehr. 1912, Xr. 17. 

Beschreibung und Röntgenbilder vcn 5 Fällen mit Exostosen an der oberen 
Fläche des Calcaneus. 

S c h a r f f - Flensburg. 

S c h a r f f. Ueber Exostosen an der oberen Fläche des Calcaneus. (Bemerkungen 
zu dem oben genannten Aufsatz von 1). Sch aal in Xr. 17 der Münchner 
med. Wochenschr.) Münchner med. Wochensehr. 1912, 22. 

S c h a r f f w arnt vor Verwechslungen mit dem Os trigonum tarsi und vor 
unnötigen Operationen. S c h a r f f - Flensburg. 


Mohr, Ueber Exostosen an der oberen Fläche des Calcaneus. (Erwiderung auf 
die Bemerkungen von S c h a r f f in Xr. 22 der Münchner med. Wochensehr.) 
Münchner med. Wochenschr. 1912, 24. 

M o h r hält an der Diagnose einer echten Exostose fest. 

S c h a r f f - Flensburg. 

R o 1 a n d O. M e i s e n b a c h, Pathogenesis of spur formation on the os ealeis. 
American Journal of orthopcdic surgery, Volume IX, Xuinber 3, Fe¬ 
bruar 1912. 

Verfasser berichtet über 22 Fälle von .Spornbildung am Calcaneus. Aetio- 
logisch kommen Trauma, Infektion, Osteoarthritis und Syphilis in Betracht. 
Da die Symptome meist nicht lokalisiert sind, ist die richtige Diagnosenstelhing 
nur röntgenologisch möglich. Die Spornbildung scheint eine Knochenbildung, 
keine Periostitis zu sein. Die Größe des Sporns steht in keinem Verhältnis zu den 
Symptomen; so verursacht ein Sporn oft in späteren Stadien weniger Beschwerden 
als in der Zeit der Entstehung. Eine operative Entfernung des Sporns ist nur in 
schweren Fällen indiziert, wenn die Neubildung so fortgeschritten ist, daß sie 


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Referate. 


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lokale Symptome verursacht. Von den 22 vom Verfasser beobachteten Fällen 
wurden nur 2 operiert, die anderen mit Einlagen behandelt. In einem Fall 
mußte der Fuß durch einen Gipsverband ruhiggestellt werden. Eine größere 
Anzahl guter Radiogramme läßt die verschiedenen Formen und Größen Verhält¬ 
nisse der vom Verfasser beobachteten Spombildungen am Calcaneus erkennen. 

Bibergeil - Berlin. 

Joseph Ritter v. Wini warter, Ueber Luxationen im talo-navikul uen 
und im Lisfrancsohen Gelenk. Zeitschr. f. Chir. Bd. 115, Heft 3 4. S. 

Bericht über 2 Fälle von Luxation im Talo-Navikulargelenke. In d m 
ersten Falle, in dem die Luxation nach unten seit iy a Jahren bestand, kam 
nach Exstirpation des Talus zur vollständigen Heilung. Bei der zweiten Patientin, 
bei der die Luxation im Talo-Navikulargelenk nach oben, daneben eine Fraktur 
am Proc. anterior calcanei zustande gekommen war, fand sich gleichzeitig enu 
Rißquets?hwunde in der Nähe des inneren Knöchels, derentwegen von einer so¬ 
fortigen Reposition abgesehen wurde. Ein nach einigen Tagen vollführter R - 
positionsversuch blieb erfolglos, die beabsichtigte blutige Reposition ließ Patientin 
nicht ausführen. 

In den beiden weiteren Fällen, über die v. W i n i w a r t e r berichtet, 
handelte es sich um Luxationen im Lisfranc sehen Gelenke, im ersten Falle 
um eine inkomplette, indem nur der II. bis V. Metatarsus nach außen verschoU-n 
waren, im zweiten Falle um eine offene komplette Luxation nach außen. Die erste 
Patientin wurde ohne Reposition mit guter Funktion entlassen. Bei der zweiten 
Kranken führte die blutige Reposition zur Heilung. 

Joachim sthal. 

W o r m s et Hamant, Luxation totale dorsale externe de rarticulation tarso- 
mötatarsienne. Soc. anatom. de Paris, Februar 1912, p. 99. 

Fall von Luxation im Lisfrancschen Gelenk nach außen mit Fraktur des 
II. und III. Cuneiforme durch Ueberfahren. Der Mechanismus ist so zu denken, 
daß der Metatarsus durch das Wagenrad, durch dessen Druck auch die Frakturen 
zustande kamen, fixiert wurde, und daß die Luxation im unmittelbaren Anschluß 
durch das unwillkürliche Zurückziehen mit Rotation des Fußes hervorgebracht 
wurde. Di? Reposition war nicht völlig möglich; mit Rücksicht auf die hi 
solchen Verletzungen stets eintretende Gewöhnung w r urde auf einen operativen 
Eingriff verzichtet. Peltesohn - Berlin. 

W i n t e r n i t z, Ueber intermittierendes Hinken. Münch, med. Wochcnschr. 
1912, Nr. 18. 

Winternitz weist darauf hin, daß das „intermittierende Hinken” 
auch ohne vasomotorische Störungen in den Füßen und Beinen, ohne Verengerung 
und Pulslosigkeit in den Gefäßen des Unterschenkels auftreten kann. Er teil? 
die Krankengeschichte eines lange von ihm beobachteten 70jährigen Patienten 
mit, bei dem die Gehstörung auf Pseudoangina pectoris zurückzuführen war. 
Was die Behandlung betrifft, so empfiehlt er konsequent fortgesetzte Uebunger.. 
besonders Bergsteigen und thermische Reize, vor allem kalte und Wechsel wanne 
Bäder, durch die zugleich der Indieatio causalis der Arteriosklerose Rechnung 
getragen werden kann. S c h a r f f - Flensburg. 


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Referate. 


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Robert B. Osgood, Pathologie and symptomatic weight-bearing. A con- 
sideration of the prevention and eure of foot-strain. American Jour¬ 
nal of orthopedic surgery, Volume IX, Number 3, Februar 1912. 

Allgemeinen Fußbeschwerden können äußere und innere Ursachen zugrunde 
liegen. Zu den äußeren rechnet Osgood großes Körpergewicht, Berufsschäd¬ 
lichkeiten (langes Stehen), akute schwächende Krankheiten, Schw'ächezustände 
nach chronischen Krankheiten, nervöse Uebermüdung. Zu den inneren Ursachen 
gehören dauernde Dehnung des Bandapparates, hervorgerufen durch schlechten 
Gang, falsche Belastung und deformierendes Schuhwerk. Bezüglich der Behandlung 
ist die soziale Stellung (Beruf) des Patienten zu beachten. Stiefel mit beweglichem 
Schaft sind besonders empfehlenswert. Von Einlagen rät er zu den von W h i t- 
man empfohlenen; Heftpflasterverbände und Uebungen sollten versucht 
werden. In schweren Fällen ist Bettruhe angezeigt. 

Bibergeil - Berlin. 

M u s k a t, Die Verhütung des Plattfußes im kindlichen Alter. Archiv f. Kinder¬ 
heilkunde Bd. 57, Heft 1—3. 

Das Wesentliche bei der Verhütung des Plattfußes darf nie die Plattfu߬ 
einlage sein, sondern die Behandlung und die Unterweisung über die richtige 
Benutzung des Fußes. Die Sogenannten Babyschuhe mit glatter, dem Boden 
anliegender Sohle sind als völlig unbrauchbar und schädlich zu beseitigen und 
durch Schuhe mit Absatz, welche durch Abschrägung von innen nach außen 
den Fuß in eine leichte Supinationsstellung bringen, zu ersetzen. Zeigt der Fuß 
Neigung, in Plattfußstellung überzugehen oder darin zu beharren, so ist eine 
zeitweise Fixierung durch Verbände angezeigt. Am zweckmäßigsten dürften nach 
Ansicht des Verfassers die von ihm angegebenen Mast ix verbände sein. 

Bibergeil- Berlin. 

H. A. L a a n, „Was sind und wie entstehen Plattfüße?* 1 Nederl. Tytlschr. voor 
Geneesk. 1. Juni 1912. 

La an betont, daß der Plattfuß in den ersten Lebensjahren als Knickfuß 
oder als kompletter Plattfuß auf dem Boden von allgemeiner Schwäche entsteht. 
Plattfüße und Fußbeschwerden stehen nicht in einem bestimmten Verhältnis. 
Die Fußbesch werden der Erwachsenen sind meist Schuhbeschwerden. 

van Assen- Rotterdam. 

Hübscher, Ueber den Pes valgus militaris. Militärärztliche Beilage Nr. 3 
zum Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte 1911. 

Nach des Verfassers Anschauungen führt im allgemeinen jeder Zustand, 
welcher den Menschen zwingt oder verleitet, mit auswärts gedrehten Pußspitzen 
aufzutreten und über den innerem Fußrand zu gehen, allmählich zu Knickfuß, 
der, bis dahin latent und schmerzfrei, durch die Anforderungen des Militärdienstes 
allmählich oder plötzlich sich zu einem schmerzhaften Leiden umwandeln kann. 
Am schädlichsten wirkt das lange Stehen mit ermüdeten Muskeln, und allmählich 
geht dann das Vermögen, den Fuß aus der Pronationslage in die Supination ge¬ 
nügend oft und genügend kräftig hinüberzuheben, verloren. Der zu dieser Punktion 
bestimmte Muskel ist der Flexor lmllucis longus. der sich bei jedem ausgebildeten 
Valgus und bei jedem statischen Plattfuß in einem Zustande der Inaktivitäts- 


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atrophic befindet, da er beim Gang überden inneren Fußrand seit Jahren nichts mehr 
zu arbeiten hatte, Pie Insuffizienz dieses Muskels erkennt man auf den ersten Bl k 
an einer eigentümlichen I)< rsaltiexion der Endphalanx der großen Zehe und an 
dem Pn vermögen, das Endglied aktiv zu beugen. Will man die Valgusbeschw erden 
beeinflussen, so muß man zunächst die statischen Verhältnisse der Extremität 
untersuchen, und das geschieht in allereinfachster Weise mit Hübsch r> 
Senkelmethode. Der angesenkelte Fuß muß dann genau um so viel Winkel¬ 
grade su|>inicrt werden, als er vorher habituell proniert war, am einfachsten dadurch, 
daß der Absatz auf der inneren Seite höher gearbeitet wird. Den Grad dieser 
Krhöhung ersieht man aus dem bei der Senkelmethode gewonnenen Papierzwickel 
der mathematiseh genau den Korrekt ionswinkel wiedergibt. l)a mit dieser Wieder- 
herstellung der normalen statischen Verhältnisse die Besc hwerden meist sofort 
und bleibend aufhören, sollte man mit solch einfachen Maßnahmen, die jede: 
Sanitätssoldat anwenden kann, helfend wirken und derartige Fußknmke dienst¬ 
tauglich erhalten. B 1 e n c k e • Magdeburg. 

M ft r ({ u a r t, Der spastische neurogene Plattfuß. Diss. Leipzig 1912. 

Der spastische neurogene Plattfuß wird hervorgerufen durch Kontrakturen 
bestimmter Muskelgruppen des Fußes infolge abnormer Innervation oder patho¬ 
logischer Heizung motorischer Nervenfasern, und zwar handelt es sich liier um die 
Pronatoren des Fußes, die über die Supinatoren überwiegen, und somit also den 
Fuß auch schon beim Nichtgebrauch der Extremität in Plattfußstellung bringen. 
Versucht man solche Füße zu korrigieren, so federn sie sofort beim Nachlaß des 
korrigierenden Momentes wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück. Wir finden 
derartige Füße im Gefolge von cerebralen Erkrankungen, seltener im Anschluß 
an spinale. Die Therapie ist bei diesen Fällen nicht die sonst übliche des Platt¬ 
fußes, sondern sie kann nur in Sehnen Verkürzungen und -Verlängerungen oder 
in Sehneiüiberpllanzung liest eben. Namentlich die letztere soll eine überaus 
dankbare Operation bei schworen Fällen sein. Sie hat darin zu bestehen, daß 
man den Peroneus longus auf den Tibialis anticus oder den Peroneus brevis auf 
den Tibialis anticus und den Peroneus longus auf den Tibialis posticus über¬ 
pflanzt. Bei der Schnenverkürzung und -Verlängerung handelt es sich um die 
Kürzung des Tibialis antiius und eine dementsprechende Verlängerung der 
Perunei. Zum Schluß berichtet der Verfasser noch über drei nach diesen Me¬ 
thoden operierte Fälle. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

T r i (1 o n, Attitüde vicieuso du pied consecutive ü la reseetion de la nialleok 
externe. Kcv. (Porthop. 1912, Nr. 3, p. 285. 

Bei einem fd/ojährigen Mädchen batte sich infolge Arthrotomie des TaK>- 
cruralgclcnks mit Resektion des Malleolus externus wegen Tuberkulose eiw 
schwere Deformität des Fußes ausgebildet. Sie bestand in starker Valgität d« 
Sprunggelenks, mächtiger Prominenz des als Stützpunkt verwendeten Mallc-cdus 
internus. Kcdression war nicht möglich; Gang zurzeit nur wenig hinkend. Mit 
den Jahren durfte die Deformität und damit die Funktionsstörung viel ans* 
gesprochener werden, da die Tibia viel stärker wachsen wird als die Fibula. 

Peltesohn - Berlin. 


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Q rigimal frum 

UMIVERSITY OF CALIFORNIi 



Referate. 


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B a i s c h, Das Redressement des kontrakten Plattfußes in Lokalanästhesie. 

Zentralbl. f. chir. u. mechan. Orthop. Bd. 6, Heft 6. 

B a i s c h empfiehlt für diejenigen Fälle von kontraktem Plattfuß, die 
durch Ruhe, Wärme und Hübscher sehe Schiene nicht heilbar sind, das nötige 
Redressement statt in der stets gefährlichen Allgemeinrtarkose in Leitungs¬ 
anästhesie vorzunehmen. Die perkutane Umspritzung der in Betracht kommenden 
Nerven (Tibialis und Peroneus) erfolgt am besten in der Kniekehle. Geht man 
hoch genug an der Spitze des vom Musculus biceps und semimembranosus ge¬ 
bildeten Dreiecks ein, so können beide Nerven gleichzeitig getroffen werden ohne 
Gefahr einer Gefäßverletzung. Das Redressement läßt sich dann leicht und 
schmerzlos durchführen. Gipsverband für 8 Tage (!), dann Heißluft, Diathermie, 
Massage, Schiene. Pfeiffer - Frankfurt a. M. 


v. Baeycr, Zur Plattfußfrage. Münch, med. Wochensehr. 1912, Nr. 23. 

v. Baeyer bespricht zunächst die Diagnose der Plattfußbeschwerden 
und die Untersuchungsmethoden. Zur Messung der Beweglichkeit des Fußes 
hat v. Baeyer einen besonderen Apparat (Podometer) konstruiert, mittels 
dessen der Fuß seine Bewegungskurve selbst aufzeichnen kann. Zur Behandlung 
verwendet v. Baeyer Einlagen, die den Lange sehen ähnlich sind, aber meist 
aus mit Stahlblanchetten und Zelluloid verstärktem Walkleder hergestellt werden. 
Um den Stahl vor Rost zu schützen, werden an den gefährdeten Stellen kleine 
Zinkbleche in Berührung mit dem Stahl eingearbeitet. Für die Herstellung des 
Gipsabgusses gibt v. Baeyer genaue Anweisungen, besonders soll durch Auf¬ 
treten auf eine schiefe Ebene die Ferse supiniert, der Vorfuß adduziert werden. 
Zur Behandlung des Metatarsalschmerzes empfiehlt v. Baeyer die bereits 
früher von ihm angegebene Methode und gibt auch Vorschriften für die Gym¬ 
nastik der Unterschenkelmuskulatur und die Behandlung der entzündlichen Er¬ 
scheinungen. Scharff - Flensburg. 


Nebel, Der Federschuh für den Plattfuß. Arch. f. Orthop. Bd. 11, Heft 2—3. 

Nebel empfiehlt als angeblich feste Stütze für den Plattfuß eine Stahl¬ 
feder, die er nach dem „genügend“ hohl gefeilten Leisten bringen und innen auf 
die Sohle aufnieten läßt. Darüber kommt wieder Leder. Der Absatz wird schräg 
gestellt. Damit sollen in 15 Jahren der Anwendung alle Plattfußpatienten zu¬ 
frieden gewesen sein. Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

B ä hr, Ueber Plattfußeinlagen. Arch. f. Orthop. Bd. 11, Heft 2—3. 

Den Bäh rsehen Ausführungen wird jeder, der sich viel mit Plattfußtherapic 
beschäftigt hat, Wort für Wort zustimmen können. Bahr verwirft, weil schematisch 
wenig haltbar und darum unwirtschaftlich, alle fertig käuflichen Einlagen und 
verwendet ausschließlich Duranaeinlagcn, die nach Gipsabguß getrieben und 
mit 3 oder 4 Schrauben im Stiefel befestigt werden. Darüber wird Lammfell 
geklebt; manchmal wird die Einlage auch auf einer gut verpaßten Einschub¬ 
sohle montiert. Während die Krankenkassen (so neuerdings auch in Frankfurt a.M.) 
die Vorteile dieser Einlagen trotz des scheinbar höheren Preises erkannt haben, 
nimmt das bessere Publikum noch viel zu oft zu Surrogaten seine Zuflucht. Den 


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Referate. 


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(.«rund dafür sieht ß ä h r mit Recht darin, daß in ärztlichen Kreisen der Wert 
einer rationellen Plattfußtherapie noch lange nicht genug gewürdigt wird. 

Pfeiffer - Frankfurt a. M. 

Preise r, Plattfußeinlagen. (Aerztl. Verein in Hamburg. 12. März 1912.) Münch, 
med. Wochenschr. 1912, Nr. 13. 

P r e i s e r zeigt an Präparaten und Röntgenbildem von Patienten, die 
lange Jahre Plattfußeinlagen getragen haben, daß das Tragen von richtig gear¬ 
beiteten Plattfußeinlagen den Füßen nicht schadet, sondern die normale Knochen- 
Struktur erhält, und widerlegt die Behauptung von sogenannten „Spezialärzt^ 
für Beinleiden “, daß das Tragen von Plattfußeinlagen schädlich auf die Knochen- 
Struktur des Fußes w irke. S c h a r f f - Flensburg. 

Mo m bürg, Die Bildung eines Lig. tibio-naviculare durch freie Fa seien trai.s- 
plantation bei Plattfuß. Zentralbl. f. Chir. 1912, Nr. 11. 

M omburg empfiehlt bei stark ausgebildeten Plattfüßen das Os naviculare 
durch ein künstliches Band in stärkster Supination des Fußes am Malleolus internus 
gewissermaßen aufzuhängen und dadurch das Seitwärts- und Niedersinken cks 
Fußgewölbes zu verhüten. Er benutzte zur Bildung des Bandes nicht, wie K a t z e n- 
stein (vgl. das Referat S. 723) angegeben hat, einen Periost lappen, sondern 
einen Streifen der Fascia lata des Oberschenkels, den er doppelt legte. Im übrigen 
ging er genau wie genannter Autor vor. In 3 Fällen hat Momburg dieses 
Verfahren, das in den beiden ersten Fällen ein sehr gutes Resultat ergab, be¬ 
reits angewandt. Beim dritten Patienten schien das Resultat dadurch schlecht 
zu werden, daß er schon nach 14 Tagen den Gipsverband durchgetreten hatte 
und mit diesem Verbände umhergelaufen war, so daß der Fuß wieder in seiner 
alten Valgusstellung auftrat. Der ganze Eingriff ist nach dem Verfasser einfac h 
und unbedeutend; etwas Schwierigkeit macht nur die Befestigung der Fa sei eil¬ 
st reifen durch Knopfnähte an der Tibia und dem Os naviculare, weil der Streifen 
sich äußerst leicht verschiebt. B 1 e n c k e - Magdeburg. 

Douglas Drew, Gases illustrating the late results of muscle transplantation 
for the relief of talipes valgus (paralytic). Proeeedings of the Royal society 
of medicine, Vol. V, Nr. 4, Februar 1912, Section for the study of disease 
in children, p. 121. 

Drew hat eine Anzahl von Patienten mit paralytischem Pes valgu>. 
equino- und calcaneo-valgus operiert, indem er den M. peroneus brevis auf 
den M. tibialis posticus überpflanzte. Die Valgusstellung wurde geheilt — es trat 
jedoch in allen Fällen ein leichter Grad von Pes varus auf, und zwar ca. 2 Jahre 
nach der Operation. Drew nimmt an, daß diese Varität durch ein Ueberwiegen des 
Tibialis posticus bedingt war, der sich wieder restituiert hatte; denn die Stellung 
verschwand nicht, wenn er den Peroneus brevis wieder von dem Tibialis gelost 
hatte. Die Operation war 1 l /» bis 3V 2 Jahre nach dem Beginn der Lähmung vor- 
genommen worden. 

W. S. M i d e 11 o n empfiehlt zur schnelleren Wiederherstellung der Nerven* 
funktion Reizungen, die ähnlich der alten Akupunktur eine lokale Hyp raiuu 
erzeugen und so die Ernährung der Nerven bessern sollen. 

F. Wohlauer - Charlottenburg. 


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Referate. 


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F r i t z G e i g e s, Ein Beitrag zur Aetiologie des Klauenhohlfußes. Beitr. z. klin. 

( hir. Bd. 78, Heft 1, 8. 125. 

In 4 Fällen, über die G e i g e s berichtet, war ein typischer Klauenhohlfuß 
kompliziert mit einem Befunde an der Wirbelsäule, der als Spina bifida occulta 
zu deuten war. Bei den beiden genau untersuchten Fällen fand sich außerdem 
ein Befund am Nervensystem, der es als absolut sicher erscheinen ließ, daß es 
sich in diesen Fällen um eine Erkrankung am zentralen Nervensystem handelte 
oder aber wenigstens um eine Erkrankung der aus dem Mark austretenden Nerven 
im Rückenmarkskanal. Es war nichts näherliegend, als den Befund der Fu߬ 
deformität mit dem an der Wirbelsäule in Verbindung zu bringen. 

Joachimsthal. 

Otto v. Frisch, Ueber Metatarsus varus congenitus. Wiener klin. Wochen¬ 
schrift 1912, Nr. 22. 

Bei dem vorliegenden Falle fand v. Frisch die typischen Symptome, 
starke Adduktion des Vorfußes mit Bildung einer winkligen Konvexität am 
inneren Fußrande, entsprechend dem Lisfrancschcn Gelenk, ferner abnorme 
Wölbting des Mittelfußes nach oben und außen. Dabei befanden sieh Talus und 
Calcaneus in ausgeprägter Plattfußstellung; es bestanden in diesem Falle sogar 
echte Plattfußschmerzen. Aus den Röntgcnbildern, die Verfasser so anfertigte, 
daß insbesondere die drei Keilbeine deutlich zu sehen waren, war die Ursache für 
diese Deformität nicht zu ersehen. Dies war erst möglich, als der Fuß in 
starker Plantarflexion von oben außen nach innen unten photographiert wurde. 
Es zeigte sich, daß die Abnormität an der vorderen Gelenkfläche des Cuboides 
und des Naviculare begann und in einer ganz irregulären Stellung der Ossa 
cuneiformia und in einer Deformierung der Metatarsalknochen bestand. 

Nach der Ansicht v. Frisch8 handelt es sich bei der Deformität wahr¬ 
scheinlich um eine fehlerhafte Anlage im Fußskelett, was er aus der eigentüm¬ 
lichen von der Norm abweichenden Form und Lage der Keilbeine und dem von 
Gramer zitierten zweimaligen Zusammentreffen von Polydathylie mit Meta¬ 
tarsus varus congenitus schließt. H a u d e k - Wien. 

Froelich, Traitement du pied bot varus equin congenital. Rev. d’orthop. 
1912, Nr. 2, p. 115. 

Froelich präzisiert seinen in der Frage der Klumpfußbehandlung 
ei ngenommenen Standpu nkt. 

Er beginnt die Behandlung bereits beim Neugeborenen. Hier ist tägliches 
Redressement und jedesmaliges Anlegen eines Leukoplast .verbände« nach Art des 
v. Oettingenschen Vorgehens am zweckmäßigsten, w obei Gew icht darauf 
zu legen ist, daß der Verband bis über das flektierte Knie reicht. Vom 3. bis 
4. Monat ab wird ein elast ischer Zug eingeschaltet. — Wird die Behandlung erst mit 
5 oder 6 Monaten begonnen, dann redressiert F r o c 1 i c h forciert über dem Keil. 
Von hierbei eintretenden unangenehmen Komplikationen ist die supramalleoläre 
Fibulafraktur zu nennen. Nach dem Redressement hängt die weitere Behandlung 
davon ab, ob man es mit einem mageren oder fetten Klumpfuß zu tun hat. Bei 
ersterem wird ein Leukoplastverband mit Einschaltung eines elastischen Zuges, 
bei letzterem sofort ein Gipsverband angelegt, der nach 3 Wochen durch einen 
Apparat oder Verband mit elastischem Zuge ersetzt wird. Von Operationen bei 
Zeitschrift fiir orthopädische Chirurgie. XXX. Bd. 47 


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Referate. 


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derartigen Klumpfüßen erkennt Froelich nur der Achillotenotomie und (kr 
Tenotomie des Tibialis anticus eine Berechtigung zu. — Froelich legt Wärt 
darauf, daß man die Kinder nach Beendigung der Verbandbehandlurig von Al* 
beginn an ohne Schuhe oder Stiefel auftreten läßt. Das Gehen beendet die Heilung. 
—* Bei rebellischen Klumpfüßen in den ersten zwei Lebensjahren können operative 
Eingriffein Frage kommen und zwarTenotomien, aber niemals KnochcnoperationviL 

Bei den Klumpfußpatienten, die bereits gehen können, unterscheidet 
Froelich ebenfalls magere und fettreiche. Erstere werden in Narkose for¬ 
ciert redressiert und eingegipst, bei letzteren führt Froelich die Tarsectomu 
cuneiformis posterior aus, die in totaler Entfernung des Talus und Resektion 
des vorderen Teils des Caicaneus besteht. Unter 47 Fällen von Klumpfuß, 
bereits gehfähig waren, hat er 6mal diese Operation mit bestem Erfolge vor- 
genommen; er sah danach niemals Hohlfuß. Nach der Operation wird der redres- 
sierte Fuß auf 2 Monate eingegipst. Nachbehandlung mit Apparaten ist kaum 
jemals erforderlich, Peltesohn- Berlin. 

V u 1 p i u s, Ueber die Behandlung des Klumpfußes. Klinisch-therapeutische 
Wochenschrift 1911, Nr, 48. 

Mit der Darstellung der Klumpfußbehandlung in dieser Arbeit will Yul- 
p i u s dem praktischen Arzt vor allem eine Orientierung geben, welche ihn au> 
dem „Wirrwarr der Meinungen“ heraus zu einer klaren Anschauung und zu zid- 
bewußter Handlungsweise führen kann. Er beginnt zunächst mit dem angeborenen 
Klumpfuß und verlangt, daß die Therapie sofort einsetzen soll, wenn die äußeren 
Umstände es gestatten, sobald das Kind sich als lebenskräftig erwiesen hat und 
die Ernährung richtig im Gange ist; er wählt als Termin längstens den 3.—4.Leberj>- 
monat. In jedem Fall soll man mit dem unblutigen modellierenden Redressement 
unter Umständen unter Hinzufügung der Achillotenotomie beginnen und es so 
weit durchführen, als es ohne übermäßige Gewaltanwendung möglich und im 
Hinblick auf die vorliegenden anatomischen Verhältnisse aussichtsvoll erscheint. 
Es ergibt sieh aber auch nach des Verfassers Meinung die weitere Forderung mit 
der gleichen Berechtigung und Notwendigkeit, einen chirurgischen Eingriff dem 
Redressement hinzuzufügen, wenn er auf leichterem, angenehmerem und sicherem 
W ege zu einem vollen und dauernden Resultat zu führen verspricht. Eine Früh- 
Operation am Skelett ist also ebenso zu verwerfen wie eine bedingungslose, um 
nicht zu sagen, rücksichtslose Ablehnung der Operation, Vulpius bespricht 
in Kürze die einzelnen Operationsmethoden, und steht auf dem Standpunkt, 
daß künftighin die Exstirpation und Resektion einzelner Knochen so gut wie gänz¬ 
lich vermieden werden kann, wenn die Exkochleation rechtzeitig und gründln h 
vorgenommen wird. 

Im zweiten Teil seiner Arbeit beschäftigt sich dann Vulpius mit der 
Behandlung des ebenfalls sehr häufigen paralytischen Equinovarus und präzisiert 
auch seinen Standpunkt nach dieser Richtung hin, der ja wohl allen Orthopäden 
bekannt sein dürfte, so daß es sieh wohl erübrigt, auf Einzelheiten hier noch näher 
einzugehen. Seine Ausführungen beschließt er mit dem spastischen Klumpfuß, 
bei dessen Behandlung er als einzig richtiges Verfahren die offene plastische Teno¬ 
tomie empfiehlt. Handelt es sich um stärker ausgebildete Formen, so kommt 
die Sehneniiborpflanzung in Frage, die gute Resultate liefert, oder auch die St«>ifel- 


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sehe Operation, bei der allerdings erst die Erfahrung lehren muß, inwieweit sie die 
Eingriffe am Muskel zu ersetzen imstande sein wird, und wie die Indikationen 
beider Verfahren gegeneinander abzugrenzen sein werden. 

B1 e n c k e - Magdeburg. 

NT ov£-Josserand, Nouvelle mithode pour le traitement op^ratoire du pied 
bot congenital dans le premier äge. Revue de m£d. 1911, p. 571. Festschrift 
für Lupine. 

In der Hospital- und Armenpraxis läßt sich die Finck-Oettingensche 
Methode zur Behandlung der Säuglingsklumpfüße leider nicht durchführen, ob¬ 
gleich sie ganz ausgezeichnete Resultate bei richtiger Ausführung und sorgfältiger 
Ueberwachung gibt. Als ein schnell zum Ziele führendes Verfahren hat sich dem 
Verfasser sowohl bei Neugeborenen wie bei Kindern von 1—3 Jahren folgende 
Methode bewährt: Zuerst wird die Adduktion und Supination des Vorfußes 
mi ttels des manuellen Redressement forc6 in Abduktion und Pronation überkorrigiert. 
Der Tarsus läßt sich in der Regel durch das Redressement gar nicht beeinflussen. 
Dazu führt No v6 -Josserand die offene schräge Durchschneidung der 
Achillessehne mitsamt dem Peritenonium aus; ja mitunter werden sogar die 
gelegentlich geschrumpften Teile der Kapsel des oberen Sprunggelenks durch¬ 
schnitten. Es folgt nun die offene Durchschneidung des deltaförmigen Ligamentum 
talo-calcaneo-tibiale von einem 2—3 cm langen Bogenschnitt um den Malleolus 
internus aus; dabei wird gleichzeitig die Sehne des M. tibialis posticus durchtrennt. 
Die Wunden werden nicht genäht. Der Fuß läßt sich jetzt mühelos überkorrigieren 
und bleibt in einem Finckschen, durch übergelegte Gipsbinden verstärkten Verband 
einen Monat lang. — Die Nachbehandlung besteht im Tragenlassen eines Finck¬ 
schen Gummizugapparates, mit einer Modifikation von R e n d u. Er besteht aus 
einer Sandale mit Aluminiumsohle, die drei Knöpfe zum Befestigen der nach oben 
gehenden Gummizüge hat. Ein Zug geht von der medialen Seite, die beiden 
anderen vorn und hinten von der lateralen Seite nach oben; sie vereinigen sich 
oben und außen vom Kniegelenk, um welches ein Gummiband zirkulär geht, 
und gehen als ein dickes Gummiband an der Außenseite des Oberschenkels 
nach aufwärts. Dieses Gummiband ist an einem Leibgürtel befestigt. Dieser 
Apparat wird einen Monat lang dauernd, später mehrere Monate lang nur noch 
nacht« getragen. 

Diese Methode hat Verfasser an 23 Kindern mit teilweise doppelseitigen 
Klumpfüßen angewandt. 15 waren unter 1 Jahre alt, 8 zwischen 1 und 3 Jahren. 
Die Operation selbst hatte keine üblen Wirkungen. Ein sehr elendes 8monatiges 
Kind starb an einer Bronchopneumonie. 

Von den erstgenannten 15 Fällen, von denen einer starb, waren 2 noch 
frisch in Behandlung, 10 hatten anatomisch und funktionell vollkommene Resti¬ 
tution zur Folge, 2 wiesen weniger guten Erfolg auf, insofern leichte Adduktion 
des hängenden Fußes fortbestand; doch ließ sich der Fuß mühelos durch Finger¬ 
druck in Ueberkorrektur stellen. In diesen Fällen war die Nachbehandlung nicht 
regulär durchgeführt worden. 

Unter den 8 älteren Fällen befinden sich noch 2 in Behandlung; einer, 
der ein gutes unmittelbares Resultat aufwies, ist nicht mehr auffindbar; 3 sind 
anatomisch und funktionell geheilt; bei 2 findet sich, wie oben, eine leichte Ad- 
duktions- und »Supinationsneigung, die auf Schlaffheit des Lig. talofibulare zu 


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Referate. 


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beziehen ist. — Narbenschrumpfung und Valgität, die theoretisch möglich und 
zu fürchten wären, kommen nach diesem Verfahren nicht vor. 

Peltesohn - Berlin. 

Lamy, Traitement pratique du picd bot varus 6quin congenital irreductibk 
chez l’enfant. Evidement dit sous-cutan6 des os du tarse. Gaz. des höp. 
Mai 1911, p. 809 und 824. 

Lamy empfiehlt bei rebellischen Kinderklumpfüßen die Exkochleation 
des Talus, wenn nötig auch des Calcaneus und des Cuboideum, nach Ogst on und 
M e n c i 6 r e mit einigen kleinen Modifikationen. Der scharfe Löffel wird durch 
einen nur l / 2 cm langen Schnitt eingeführt und räumt die Knochenkerne au*. 
Nach Bedeckung der kleinen Wunde, die nicht genäht wird, folgt das Redressement 
force über dem Handgriff eines Bügeleisens bis zur Ueberkorrektur, dann wird 
eine Gipsschiene (kein zirkulärer Gipsverband) angelegt, die nach 3 Wochen 
durch einen Gips verband, welcher wiederum nur 3 Wochen liegen bleibt, ersetzt 
wird. Nach der Exkochleation und dem Redressement muß der Fuß so weich wie 
ein paralytischer Schlotterfuß sein. Die Exkochleation des Talus muß vollständig. 
aWr ohne Verletzung der Gelenke ausgeführt werden, weshalb die Kenntnis der 
Größe der Knochenkerne in den verschiedenen Lebensjahren erforderlich ist. - 
Die Resultate sollen gut sein; über Dauerresultate wird nicht berichtet. 

Peltesohn- Berlin. 

M i c h a e 1 H o k e, An operative plan for the correction of relapsed and untreated 
talipes equinovarus. American journal of orthopedic surgery, Volume TX. 
Number 3, Februar 1912. 

Verfasser gibt einen genauen Operationsplan zur Behandlung des rvzi ii- 
vierenden angeborenen Pes equinovarus an. Er steht auf dem Standpunkt, die 
Deformität auf blutigem Wege zu beseitigen. Er scheut keine Maßnahme, um 
eventuell in drei Sitzungen die verschiedenen Stellungsanomalien blutig zu kor¬ 
rigieren. So verwendet er gegebenenfalls die Osteotomie der Metatarsalk noeheii. 
diejenige der Cuneiformia und schließlich des Kopfes und des Halses des Cal¬ 
caneus und fügt die Tenotomie der Achillessehne und Plantarfascie hinzu. Ver¬ 
fasser empfiehlt sein Verfahren, das in zwei bis drei Sitzungen die Deformität 
völlig beseitigt. Er warnt vor Ueberkorrektur. 

Bibergeil- Berlin. 

S t e r n, Etüde sur la circulation apres la reduction forcee pour la eure du pioi 
bot congenital. Annales de chir. et d'orthop. 1912, p. 24. 

Bei den nach Redressement forc6 des kongenitalen Klumpfußes und Ein¬ 
gipsen in Hyperkorrektion beobachteten Oedemen des Fußes spielt die Kompression 
der Gefäße eine bedeutende Rolle. 

Stern hat die Gefäße zweier Kinder mit Klumpfüßen injiziert; die eine 
Seite war korrigiert worden, die andere nicht. Durch Präparation und im Röntgen¬ 
bilde zeigte sich folgendes: Auf der überkorrigierten Seite drang die Injektions¬ 
masse nur in die Tibialis postica und ihre Aeste für die beiden medialen Zellen; ein 
Pediaea blieb leer. Auch mit dem Sphvgmometer ließ sich dieses Verhalten fest¬ 
stellen. Der Druck am Dorsum pedis ist weniger hoch am überkorrigierten Klump¬ 
fuß als auf der gesunden Seite. An den geschwollenen Zehen ist der Blutdruck 


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durch venöse Stauung gesteigert. — Daraus ergibt sich, daß die allmähliche 
Korrektur der Ueberkorrektion in einer Sitzung vorzuziehen ist. 

Peltesohn - Berlin. 

Röpke, Behandlung des paralytischen Klumpfußes. (Naturwissenschaftl.-med. 
Gesellsch. zu Jena, 15. Februar 1912.) Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 15. 
Vorstellung eines jungen Mädchens, bei dem mit Ausnahme des Tibialis 
anticus und des Extensor hallucis longus sämtliche Strecker gelähmt waren. 
Röpke redressierte zuerst den Fuß und ließ Patientin 4 Wochen im Gipsver¬ 
band umhergehen. Dann verlagerte er den Extensor hallucis longus auf den äußeren 
Fußrand und verpflanzte den Extensor digitor. aufsteigend auf den Tibialis anticus. 
Die verloren gegangene Sehne des Extensor hallucis wurde durch ein Stück 
des Palmaris longus ersetzt. Erfolg ausgezeichnet. S c h a r f f - Flensburg. 

M o r i, Deila frattura isolata del 2° metatarso e del suo valore medico-legale in 
rapporto alla legge degli infortuni sul lavoro. Ramazzini 1911, fase. 12. 
Mori berichtet über einen Fall von direkter isolierter Fraktur des 2. Meta¬ 
tarsus mit bleibender Luxation seines distalen Endes. Er erörtert die funktionellen 
Störungen, welche diese Verletzungen am Fuße bedingen und stellt einige Betrach¬ 
tungen gerichtsärztlichen Charakters in Bezug auf die Unfallversicherung an. 

Ros. Buccheri - Palermo. 

K o 1 c z i n. Komplizierte Luxation des Os metatarsi I mit Fraktur der Capitula 
oss. metatars. II, III und IV. Chirurgia Nr. 2, 1912. 

Ein Kavallerist ist zusammen mit dem Pferde auf die linke Seite gefallen, 
der linke Unterschenkel w r ar dabei durch den Rumpf des Pferdes komprimiert. 
Während des Sturzes hatte der Reiter den Fuß aus dem Steigbügel herausgezogen, 
der Steigbügel hat aber die Verletzung zustande gebracht. Das linke Fußgelenk 
war stark aufgetrieben, an der Basis des Metatarsus I fand sUh ein quer ver¬ 
laufender blauroter Streifen. Die große Zehe war geschwollen und etwas zur Seite 
geschoben. Das Köpfchen des Metatarsus I war aus dem Gelenke herausluxiert 
und unter der Haut fühlbar. Auf der Plantarseite entsprechend dem Capitulum 
fanden sich zwei kleine Wunden. Die Basis des Metatarsus I war, zur Seite und 
nach unten verschoben, an der Plantarseite fühlbar. An den Köpfchen der Oss. 
metatarsi II, III und IV bestand Krepitation und abnorme Beweglichkeit. Auf 
dem Röntgenbilde ergab sich eine Luxation des Metatarsus I, Abbruch der 
Capitula der Oss. metatarsi II, III und IV. Durch Zug an der großen Zehe und 
Druck auf das Köpfchen des Os metatarsi I wurde dasselbe leicht eingerenkt; 
es gelang nicht, die Basis genau an ihre Stelle zu bringen. Stärkegaze verband. 
Vom 16. Tage an Massage und Gymnastik. Nach 2 Monaten hat sich die Beweg¬ 
lichkeit der Zehen und des Fußgelenks restituiert. 

Verfasser glaubt, daß die Verletzung beim Sturz durch Kompression der 
Basis des Os metatarsi I durch den Steigbügel, während der Fuß summiert war, 
erklärt werden kann. Frumin - Kiew. 

P h i 1. H o f f man n. An Operation for severe grades of contracted or clawed toes. 
American journal of orthopedic surgery, Volume IX, Number 3, Februar 191*2. 
Die häufigste Ursache für Krallenzehenbildung ist das Tragen von zu engem 
oder zu kurzem Schuhzeug, in selteneren Fällen ist die Deformität eine Folge von 


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Paralyse. In ersterem Falle befindet sich die große Zehe gewöhnlich in ausgespro¬ 
chener Hallux-valgus-Stellung, in letzterem ist diese Anomalie kombiniert mit einem 
Hohlfuß. Verfasser bespricht eine Operation, die er bei diesen schweren, zu steter 
Verschlechterung neigenden Fällen vomimmt. Sie besteht in Exzision der Meta¬ 
tarsalk öpfchen und, wenn nötig, auch von Teilender Hälse der Metatarsalknoch«; 
der affixierten Zehen mittels einer einzigen schräg verlaufenden Plantarinzi^i n 
gerade unter dem Zehenansatz. Es muß so viel Knochen entfernt werden. cLü | 
die kontrahierten Gewebe sich entspannen, und eine freie Beweglichkeit zwischen ^ 
den Basen der Phalangen und den Stümpfen der Metatarsalknochen eint ritt. 

Eine Tenotomie erübrigt sich dann von selbst. In einigen Fällen waren die Sehnen 
im Gegenteil so schlaff, daß es 6—8 Wochen dauerte, bis sie wieder ihre richtig 
Funktion ausüben konnten. Es muß bei der Operation besonders darauf geachtet 
werden, daß die Beugesehnen, die mitunter nicht in ihrer normalen Lage ru 
finden sind, sondern statt auf den Metatarsalköpfen in den Zwischenräumen 
zwischen den Hälsen liegen, nicht verletzt werden. Bibergeil - Berlin. 

Wilhelm Wolf, Zur Frage der Großzehensesambeinfrakturen. Deutsche 
militärärztl. Zeitschr. 1912, Nr. 5. 

Die Teilung der Großzehensesambeine in 2—4 Teile ist nichts Seltenes. 

Sie wird in 5,9 Proz. der Fälle von Röntgenfußaufnahmen gefunden. Frakturen 
der Sesambeine sind sehr selten. Beim Militär, das im Dienst so außerordentlich 
häufig Fußtraumen jeglicher Art ausgesetzt ist, ist eine solche in den letzten 10 Jahrvn 
überhaupt nicht vorgekommen. Die Diagnose einer Sesambeinfraktur ist ohne 
Röntgenaufnahme nicht möglich. Bei der Beurteilung von angeblichen Frakturen 
ist große Vorsicht am Platze, um nicht angeborene Teilungen der Sesambeine 
für Frakturen zu erklären. Einseitiges Vorkommen der Teilung als beweisend für 
Fraktur anzusehen, ist unzulässig. Die angeborene Teilung ist in 50 Proz. der jj 

Fälle einseitig. Die Teilung betrifft in 94,4 Proz. der Fälle das mediale, nur ir. * 

5,6 Proz. der Fälle das laterale Sesambein, die Teilung beider Sesambeine einer j 
Großzehc kommt in 5,5 Proz. der Fälle von Sesambeinteilung vor. 

Bibergeil - Berlin. 

Cottc et Pillon, Hallux valgus et tuberculose. Rev. d’orthop. 1912, Nr. 1, 
p. 63. 

Die beiden Schüler Poncets deduzieren aus folgenden beiden Fällen den 
tuberkulösen Charakter doppelseitiger Hallux valgus-Bildung. 1. Ein 62jähriger 
Arbeiter litt in den vorauf gegangenen 20 Jahren an subakutem Rheumatis¬ 
mus, doppelseitigem Hallux valgus, Fistula ani, Hydrocele vaginalis und Em¬ 
physem. 2. Ein lojähriger Bäcker ohne Rachitis, der niemals zu enges Schuh* 
w r erk getragen haben will und bis dahin stets gesund war, auch nicht hereditär 
belastet ist, zeigt seit 4—5 Jahren Hallux valgus duplex mit Schmerzen beim 
Gehen. Beidemal war die Tuberkulinprobe positiv. Im zweiten Fall wird die se:> 
Exostose unter Eröffnung des Gelenks abgemeißelt und danach mit gutem Re¬ 
sultat eine Keilresektion aus dem Metatarsus primus gemacht. Bei der Operation 
findet sich eine „schwache“ Menge Flüssigkeit, ferner auffallende Weichheit 
und Brüchigkeit der Knochensubstanz in Höhe des Gelenks, während höher oben 
der Metatarsus jederseits normale Konsistenz und regelrechtes Aussehen Lat. 


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Mikroskopische und Impfungsuntersuchung waren nicht möglich, resp. wurden 
unterlassen. Die genannten Fälle sind nach den Verfassern auf entzündliche 
Tuberkulose zurückzuführen. (!) Peltesohn- Berlin. 


Berliner orthopädische Gesellschaft. 

Sitzung vom 4. März 1912. — Berliner klin. Wochenschr, 1912, Nr. 23. 

H. Virchow, Ueber Skelett und Weichteile des Chinesinnen* 
f u ßes; 

Virchow hat 2 Füße einer 60jährigen Chinesin aufs genaueste unter¬ 
sucht und gefunden, daß an allen Erscheinungen nichts Pathologisches war, aus¬ 
genommen knollige Wucherungen an den Knorpeln der Köpfchen des II. und IV. 
Metatarsale; alle übrigen Veränderungen stellen nur Abweichungen von der 
Norm dar, hervorgerufen durch äußere mechanische Einwirkung. Die zahlreichen 
Einzelbefunde müssen im Original nachgelesen werden. 

Wollenberg, Defekte der Vorderarmknochen: 

Wollenberg zeigt je einen Fall von Radius- und Ulnadefekt, die beide 
von ihm operativ mit gutem Erfolge angegangen worden waren. 

Disk ussion: Joachimsthal berichtet über 2 Kinder, bei 
welchen durch Ausstoßung oder operative Entfernung tuberkulös erkrankter 
Abschnitte der Vorderarmknochen dem angeborenen Radius- und Ulnadefekt 
analoge Krankheitsbilder entstanden. 

Peltesohn, Zwei Fälle von hochgradiger Wachstum¬ 
störung nach K n i e o p e r a t i o n e n im Kindesalter: 

Ein Fall, in welchem nach operierter skarlatinöser Gonitis, und ein Fall, 
in welchem nach Kniegelenksresektion wegen Fungus genus ganz enorme Wachs¬ 
tumsstörungen und Verkürzungen eintraten. Beide Fälle waren in demselben 
Kxankenhause in frühester Jugend operiert worden. 

Schienenhülsenapparate mit künstlicher Verlängerung des Beines ermög¬ 
lichten einen beschwerdefreien Gang. O’Cornor sehe Verlängerungsstiefel, 
wie sie der erste Kranke getragen hatte, können schwere Schädigungen zur Folge 
haben, z. B. Frakturen, Distorsion fibrösankylotischer Kniegelenke. Die Ent¬ 
scheidung darüber, wie der Verlängerungsapparat beschaffen sein muß, ist Sache 
des orthopädischen Spezialarztes. Maier-Aussig. 

Niederländischer Yerein für Heilkunde. 

Versammlung 15. Oktober 1911. — Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 24. Febr. 1912. 

L a m e r i s stellt eine 14jährige Patientin vor, bei der in einem Zwischen¬ 
raum von 3 Tagen zur Feststellung der Ausbreitung einer Osteomyelitis der 
Wirbelsäule zweimal 35 g Bismuth. subnitric. elut. in 75 g Vaselin eingespritzt 
wurde, und im Anschluß hieran eine schwere Wismutintoxikation 
entstand. Die Patientin ist genesen. 

Disk ussion: van 0 a m p e n teilt einen Fall von Intoxikation nach 
Bestreuung einer frischen Wunde nach Mammaamputation mit ungefähr 1,5 g 
Wismut mit. 


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Referate. 


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L a m e r i s zeigt Röntgenogramme und Bilder von Patienten einige Jahn- 
nach Knochenbolzung der Talo-calcaneo-crural-Gelenke mit Hilfe von Filmli- 
stücken. Die Fibula ist in den Gelenken resorbiert, die Tibia ist verkrümmt. d±? 
Epiphysärlinie der letzteren ist sehr verändert. 

Timmer demonstriert einen billigen Apparat zur Anwendung bei P-- 
varo-equinus paralyticus, bestehend aus einer »Stützsohle mit 
zwei seitlichen Schienen, oben durch einen Halbzirkel mit Riemen verbunden. 
Fuß mitsamt Apparat gehen in den Schuh. Auf die Sohle kann bei Verkürzung 
des Beines eine Korksohle gelegt werden. 

Niederländische Vereinigung für orthopädische Chirurgie. 

Versammlung 29. Nov. 1911. — Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 10. Febr. 1012. 

T i 1 a n u s stellt zwei Mädchen (von 9 und 12 Jahren) mit hysterisch m 
Schulterblatthochstand vor. Durch Suggestion verschwindet der Hoch* 
stand zeitweise. Andauernde Besserung konnte noch nicht erreicht werden. 

v. Breemen stellt zwei Patienten mit ischämischer Paralyse 
vor, von weichender eine genesen ist; nur eine Herabsetzung der Kraft ist übrig¬ 
geblieben; der andere ist nicht oder wenig gebessert. Vortragender meint, daß 
vielleicht beim ersten Fall das schnelle Einsetzen einer Behandlung mit EffleunuK', 
Heißluft, später Elektrizität und Uebungen den sekundären Kontrakturen vor¬ 
gebeugt und die Heilung begünstigt hat. 

Diskussion: Laan meint, daß der geheilte Fall keine ischämische Läh¬ 
mung gewesen sein kann. Bei Ischämie entsteht Muskelnekrose; diese ist unheilbar. 
Man kann auch an Nervenlähmung durch Druck der Esmarehschen Binde denken. 

v. Breemen meint auf Grund des Muskelinfiltrates auf ischämische 
Lähmung schließen zu müssen. 

Alrarez Correa zeigt einen Patienten, der nach einer mit gutem 
Erfolg abgeschlossenen Behandlung wegen Epiphyseolysis femoris mit Geh¬ 
gipsverbänden bei einem Wettlauf plötzlich Schmerzen in der linken Hüfte bekam- 
Das Röntgenbild zeigte, als der Kranke 3 Monate nachher in Behandlung kam. eine 
schlecht geheilte Epiphyseolysis. Es wairde in Narkose unter hörbarem Knacken 
reponiert. Nach dreimonatlichem Gehgipsverband in Abduktion und Innen- 
rotation durch Röntgenaufnahme kontrolliertes gutes Resultat. 

Derselbe zeigt das sehr gute Resultat der Gleichschen Plattfu߬ 
operation an einer etwa 50jährigen Frau. 

Laan empfiehlt bei Plattfüßen das Navicularc durch Wegnahme einer Schuld 
aus der Mitte und eventuell auch dem Talushals schmäler zu machen. In einem 
Fall mußte er die Sehnen beider Peronei und aller Extensoren verlängern. 

J a n s e n redet über F u ß g e s c h w u 1 s t. Er hält dieselbe nicht f ür eine ein¬ 
fache Metatarsalaft’ektion, sondern findet eine Aehnlichkeit mit dem harten Hand¬ 
ödem und sieht einen Krampf der Mm. interossei als die primäre Ursache an. 
Druck auf die Mm. interossei und das Ab wickeln der Zehen im Gehen verursachen 
den Krampf; hierdurch entsteht Lymphstauung, deren Folge das weiße Oedem und 
die Rarefaktion der Metatarsalia sind. Er gibt Stützsohlen, durch welche der 
Fuß wieder seinen normalen Stand erhält und die Interossei ihre Funktion ak 
Stabilisatoren der Zehen ausüben können. 


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Diskussion: Laan sah eine Dame mit Metatarsalfraktur und 
Knochensklerose. 

M i 1 a t z gibt Stützsohlen, welche er mit einer Feder unter den Zehen 
verlängert. 

T i 1 a n u s redet über Krampfanfälle bei orthopädischen 
Operationen. Er meint, daß sowohl reflektorische Vorgänge als Fettembolien 
die Ursache sein können. Er selber sah beim Verbandwechsel nach ange¬ 
borener Hüftgelenksverrenkung einen kurzen Anfall. 

Diskussion: de Smitt sah einen Tag nach der Streckung einer 
Kniekontraktur in Narkose mit folgendem Gipsverband Krämpfe auftreten; 
am 2. Tag starb der Patient. Hier war wohl eine Embolie aufgetreten. 

C o r r e a sah Konvulsionen einige Stunden nach einer Redression eines 
Fußes. Mit dem Abnehmen des Verbandes hörten die Krämpfe auf. Hier also 
keine Embolie. 

van Assen sah bei einem Knaben, bei dem wegen schlaffer Lähmung 
beider Beine vor einigen Wochen die Arthrodese eines Fuß- und Kniegelenks 
gemacht, und um den Patienten schon etwas gehen zu lassen, das andere 
Bein einfach eingegipst worden war, Krämpfe auftreten, die nach Abnahme des 
Verbandes auf hörten. 

Laan entfernte operativ aus einem Kniegelenk einer 40jährigen Frau eine 
6 cm lange, 4 cm breite Geschwulst von 3 cm Dicke, die der Innenseite der Kapsel 
mit breiter Basis aufsaß. Auf der Außenseite des Gelenkes wurde ein kleines 
polypenförmiges Gebilde entfernt. Es war viel klare Flüssigkeit im Gelenk. Mikro¬ 
skopisch fand man Tuberkulose. Es handelt sich hier um das von König be¬ 
schriebene seltene tuberkulöse Fibrom. 

Versammlung, 25. Febr. 1912. — Xederl. Tijdschr. voor Geneesk., 18. Mai 1912. 

Jansen demonstriert einen orthopädischen Operations¬ 
tisch, an dem nach allen Richtungen hin rhythmische und kontinuierliche 
Traktionen möglich sind. 

Schultze-Duisburg (als Gast) zeigt an Lichtbildern seine aus¬ 
gezeichneten Resultate der Klump- und Plattfußbehandlung mittels 
Etappenredressements in seinem Osteoklasten. 

Diskussion: Laan zieht die blutige Operation vor, wenn er mit 
den Händen und dem Keil nicht auskommt. Er fürchtet die Fettembolie. 

Schultze sah nie Fettembolie. 

M i 1 a t z zeigt das Röntgenogramm eines Plattfußes, bei dem vor 
vielen Jahren von einem anderen Operateur eine Güssenbauersche Klammer auf 
der dorsomedialen Seite zur Fixierung des Chopartschen Gelenks eingeschlagen 
worden war. Der Fuß war nicht geheilt. 

Jansen redet über das Verhältnis zwischen der Länge der Bündel 
der Gliedmaßenmuskeln und dem Stand bei s p a s t i s c h e n K o n t r a k- 
turen. Bei hypertonischen Zuständen ist der Gleichgewichtsstand der Glied¬ 
maßen nach dem Zustand der Biegung, Einwärtsrotation (Pronation) und 
Adduktion, kurz in proximaler Richtung verschoben. Bei hypertonischen Zu¬ 
ständen sieht man Hyperextension, Abduktion und Auswärtsrotation. 

Jansen fand bei anatomischer Untersuchung die Bündel (d. h. rnakro- 


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Referate. 


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skopisehe Muskel fasergrupj>cn) an den proximierenden Muskeln länger, an den 
distierenden dagegen kürzer. Es ist wahrscheinlich, daß die langbündligen Muskeln 
bei Tonuserhöhung einer größeren Verkürzung nachstreben als die kurzbündligt-n 
und bei Tonuserniedrigung einer stärkeren Verlängerung. Es ist also möglich, 
daß die größere Länge der Muskelbündel einen Anteil an den Proximatmns- 
kontrakturcn bei hypertonischen Zuständen hat. Jedenfalls soll man bei diesen 
Kontrakturen nicht nur auf die Nerven, sondern auch auf die Muskeln selber achten. 

Versammlung 19. Mai 1912, 

Haukes Drielsma stellt ein 4jährigcs Mädchen mit angeborener 
Pseudarthrose des linken 8 c h ü s s e 1 b e i n e s vor. Er hat in der 
Literatur nichts derartiges gefunden. Merkwürdig ist, wenn man annimmt, daß 
hier die Folge einer intrauterinen Fraktur vorliegt, daß dieselbe nicht geheilt ist. 
weil sonst Clavicularbrüehe eine große Heilungstendenz zeigen. 

Derselbe stellt Vater und Sohn vor, bei denen beiderseits das E n d* 
g 1 i e d der vierten Zehe eine Varusstellung zeigen. 

Diskussion: L a a n hat in einem derartigen Fall die Endpluilanx 
entfernt; jetzt wendet er einen adressierenden Heftpflasterverband an. 

van Assen hat gerade einen Patienten in Behandlung bekommen, bei dem 
eine schmerzhafte Exostose an der zweiten Phalanx mit entzündetem Schleimbeutd 
wie beim Hallux valgus ihn veranlaßt hat, zur Wegnahme der Exostose zu raten. 

J ansen betont, daß bei dem Knaben auch die Endphalanx der fünften 
Zehe beiderseits im Varusstand steht. Er findet eine Analogie mit dem ange¬ 
borenen Klumpfuß. 

M i 1 a t z macht eine Infraktion und erzielt die Redression durch ein 
Blei band. 

T i 1 a n u s weist auf die Divergenz der ersten und zweiten Zehe im 
Stehen hi:i. 

Haukes Drielsma zeigt einen jungen Mann von 17 Jahren mit 
progressiver Muskelatrophie (Er b). 

Keys zeigt das Röntgenogramm eines Keil Wirbels mit rechtzeitiger 
Rippe zwischen Hals- und Brust teil. Es inserieren rechts sieben, links sechs Rippen 
am Sternum. Links sind elf Rippen zu fühlen. Durch eine vorsichtige Suspen- 
sionsbehandlung sind die Parästhesien, an denen Patient litt, verschwunden. 

Diskussion: Laan sah in einem Fall rechts 2 Rippen, links 1 Ripp 0 
am ersten Wirbel des ripjxmtragenden Wirbelsäulenabschnittes. 

M i 1 a t z sah einen Keilwirbel im Lenden teil. 

Jansen meint, daß Amniondruek die Ursache dieser Wirbelanomalien 
sein dürfte. 

v a n A s s e n redet unter Demonstration von Röntgenbildern über 
traumatische S c h u 1 t e r a f f e k t i o n e n. Er bespricht die Bursitis 
subacromialis. Diese kann serös, adhäsiv oder mit Kalkablagerungen verbunden 
sein. Letztere geben Schatten im Röntgenbilde. Die Fraktur (Kompression oder 
Abriß) des Tuberculum maius gibt oft zu langdauemden Beschwerden Anlaß. 
Wenn die Fraktur älter ist, ist sie im Röntgenbild oft kaum oder nicht mehr 
zu sehen, also eine DitTerentialdiagnose mit der Bursitis unmöglich. Die klinischen 
Symptome sind dieselben. Er hebt ein noch nicht beschriebenes, auch in den 


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leichtesten Fällen immer vorhandenes Symptom hervor, die starken Schmerzen 
bei Rollung des horizontal abduzierten Armes. Er weist auf die mit und ohne 
Knochenläsionen, z. B. Fissuren des Humeruskopfes, bestehende reflektorische 
Deltoideslähmung hin. Vortragender zeigt das Röntgenogramm einer Myositis ossi- 
ficans, wahrscheinlich des M. teres maior und M. subscapularis, ähnlich einem von 
G o e b e 1 beschriebenen Fall. Alle diese Erkrankungen sollen mit Heißluft und 
(mit Ausnahme der akuten Bursitis) mit Bewegungsübungen behandelt werden. 
Vortragender hat in einem Fall von Bursitis mit Kalkablagerungen dieselben 
entfernt, wonach eine Vertiefung im Humerus hinterblieb. Das funktionelle 
Resultat war nicht sehr zufriedenstellend. Mit konservativer Behandlung 
(Uebungen) hat er bei allen obengenannten Erkrankungen, auch bei der Myositis 
ossificans, gute Resultate erzielt. Wenn die Patienten nur an die Arbeit gehen, 
werden sie weiter durch diese kuriert. Die verschiedenen Resultate bei der 
Nachuntersuchung von Schulterluxierten rühren daher, daß die einen relativ kurz, 
die anderen länger nach der Luxation untersucht wurden. 

Diskussion: Hankes Drielsma will auch die Myositis ossificans 
mit Uebungen behandeln. 

Jansen empfiehlt bei leichteren Fällen von Bursitis subacromialis, die 
er auf Erkältung in der Nacht zurückführt, ein Katzenfell über die Schulter zu 
binden. 

T i 1 a n u s empfiehlt Massage. 

L a a n zeigt das Röntgenogramm eines Patienten, der mit steifgehaltenem 
Kopf und Hals in seine Sprechstunde kam. Kopfnicken war möglich, Drehen 
nicht. Im Rachen war ein hervorspringendes Knochenstück zu fühlen, im Nacken 
ein loses Knochenstück. Auf dem Röntgenogramm sieht man eine Fraktur des 
Epistropheus; der Atlas ist auf den dritten Halswirbel heruntergesunken; an der 
Vorderseite liegt eine Knochenmasse. Patient arbeitet jetzt wieder und kann 
radfahren. van Assen - Rotterdam. 

Bericht Ober die Jubtläumssitznng anläßlich des 25. Kongresses 
der Amerikanischen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie. 

(Atlantic City 30. Mai bis 1. Juni 1912.) 

Von Dr. C. H. Painter. — Uebermittelt von Dr. M. Böhm-Berlin. 

Am 29. Mai veranstalteten die New Yorker Mitglieder der Gesellschaft einen 
klinischen Tag in New York. Es fanden Demonstrationen von Patienten, Opera¬ 
tionen usw. in dem Hospital for Ruptured and Crippled, ferner im St. Lukes, im 
Mount Sinai und Postgraduate Hospital statt, ebenso im Rockefeller Institute. 

Am nächsten Tag begannen die regulären Sitzungen der Gesellschaft in 
Atlantic City. Mit einem Rückblick auf die Entwicklung der amerikanischen 
orthopädIschen Chirurgie in den vergangenen 25 Jahren erölYnete der Präsident 
die Jubiläumssitzung. Danach folgte der erste Vortrag von J. E. G o 1 d t h- 
wait über „Einige anatomische Grundlagen für isehiadische Beschwerden“. 
Goldthwait demonstrierte die zahllosen Anomalien des letzten Lenden- 
und ernten Kreuzbeinwirbels, die Variationen in der Entwicklung der Quer- 
und Gelenkfortsätze und der Sakralflügel und zeigte, wie hierdurch in einzelnen 
Fällen ein Druck auf die austretenden Nerven entstehen kann. — In der Abcnd- 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



742 


Referate. 


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Sitzung hielten die zur Aufnahme in die Gesellschaft vorgeschlagenen Mitglieder 
ihre obligatorischen Probevorträge. 

Am Morgen des 31. Mai fand im Anschluß an die Vorträge von Frei borg- 
Cincinnati, L o r d * Omaha und Mc. K e n z i e - Toronto (Kanada) eine ausgiebige 
Aussprache über die Skoliosenbehandlung statt. Hierbei stand im Mittelpunkt 
des Interesses die von Abbott in Portland ausgearbeitete Methode der forcierten 
Skoliosenredression. Die Meinungen der Diskussionsredner gingen zwar ziemlich 
auseinander, indessen war es bemerkenswert, daß alle diejenigen, welche persönlich 
Abbott s Methode in Portland gesehen hatten, sich zu aufrichtigen Bewunderern 
derselben bekannten (cf. das Re brat in diesem Heft). 

Die Nachmittagssitzung des zweiten Tages brachte eine angeregte Dis¬ 
kussion über die Behandlung der tuberkulösen Coxitis. Die Vorträge von Pack a r d- 
Dcnver und H. L. Taylor - New York rollten eine alte Streitfrage auf. die schon 
öfters die vergangenen Kongresse beschäftigt hatte, nämlich die. ob Distraktion 
oder Fixation das wesentliche Moment in der Coxitisbehandlung bilden solle. 
Der Kongreß stellte sich entschieden auf die Seite der Anhänger der Fixation und 
beschränkte das Anwendungsgebiet der Extension nur auf wenige Fälle. — Äußerst 
instruktiv waren auch die folgenden Vorträge von Bartow und Plum in e r 
über Seidenbänder, die intraartikulär zur Behandlung von schlotterigen Gelenken 
eingepHanzt werden, und der A 11 i s o n s über Verwendung von Seiden bä ndeni 
und -sehnen bei Poliomyelitis. 

Die rege und wachsende Anteilnahme der Kongreßmitglieder an den viel¬ 
fachen Problemen, welche die chronischen nichttuberkulösen Gelenkerkrankuncen 
darbieten, bewiesen die Vorträge von Nathan, Peckham. Elliott. 
E 1 y und H o k e und die an diese sich anknüpfende Diskussion. Die neueren 
Theorien über die Aetiologie dieser Erkrankungen, insbesondere die ätiologische 
Rolle der viszeralen Ptosis und gewisser anderer Darmaffektionen, ferner der 
inneren Sekretion usw. standen im Mittelpunkt der Aussprache. 

Schließlich sind noch zwei Vorträge zu erwähnen: der Goldthwaits 
über die Bedeutung der Handwurzclknochen für die Funktion der Hand und der 
A1 b c c s über Knochentransplantation bei der Behandlung der S|*>ndyliii$. 
Albee zeigte eine große Anzahl von Röntgenbildem von operierten Patienten 
und experimentell an Hunden gewonnenen Resultaten; der Autor konnte den 
unwiderlegbaren Beweis erbringen, daß das transplantierte Knochenstück ein 
integrierender Bestandteil der Wirbelsäule wird und eine bedeutende fixierende 
W irkung ausübt. Die Untersuchungen A 1 b e e s wurden von dem anwesenden 
Chirurgen Murphy aus Chicago ausführlich diskutiert und gewannen durch 
dessen Demonstrationen über Knochenplastik bei verschiedenen Defekten noch 
an Uchcrzeugungskraft. 

Professor i)r. Georg Joachimsthal* Berlin wurde zum korre¬ 
spondierenden Mitglied d^r Gesellschaft erwählt. 


Das Jubiläum der amerikanischen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie 
sollte auch für uns deutsche Orthopäden ein Anlaß sein, dankbar dessen zu ge¬ 
denken, was die Gesellschaft in den 25 Jahren ihres Bestehens geleistet hat. 

N e w t o n M. S baffer war es, der im Jahre 1887 mit 14 Kollegen 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


Referate. 


743 


die Amerikanische orthopädische Gesellschaft begründete, die im Juni 1887 bereits 
mit 35 Mitgliedern in New York ihren ersten Kongreß abhielt. Nur an zwei Stätten 
Amerikas wurde damals im wesentlichen Orthopädie getrieben, in New York und 
Boston. In New York hatte Dr. James Knight im Jahre 1863 das Hospital 
for Rupturei andCrippled gegründet, und aus dieser Anstalt gingen Männer hervor 
wie Gibney, Iudson, Ketch, Ridlon, Sayre, Taylor, Still¬ 
mann u. a., die als Pioniere der neuen Wissenschaft wirkten. In Boston hatte 
Buckminster Brown, ein Schüler von G u 6 r i n und Stromeyer, 
am Samaritan und Childrens Hospital die Orthopädie eingeführt, und sein fähiger 
Schüler Bradford gründete die Bostoner Schule, die so manchen tüchtigen 
Orthopäden ins Land schickte, wie Lovett, Brackett, Goldthwait, 
Dane, Osgood, F e i ß u. a. m. Unter der Leitung dieser jetzt wirkenden 
Generation sehen wir — nicht ohne gewissen Neid — in allen größeren Plätzen 
der Vereinigten Staaten entweder selbständige orthopädische Krankenhäuser 
oder orthopädische Abteilungen an den Allgemeinhospitälern entstehen. Es scheint 
eine selbstverständliche Forderung in arüerikanischen Krankenhäusern zu sein, 
daß in .voller Gleichberechtigung mit den übrigen Diszplinen der Medizin auch 
der Orthopädie eine Stätte der Wirksamkeit entsteht, ebenso wie an den Uni¬ 
versitäten der orthopädische Lehrstuhl eine selbstverständliche Institution bildet, 
die den anderen Disziplinen nicht nachsteht. Eine kurze Notiz, die vor einigen 
Wochen erst.wenig beachtet durch die medizinischen Blätter ging, spreche hier 
als Zeuge: Dr. Bradford, Professor der orthopädischen Chirurgie in Boston, 
ist zum Dekan der medizinischen Fakultät ernannt worden. *— 

Die amerikanische Orthopädengesellsch if t kann stolz auf diese äußeren 
Errungenschaften nach dem ersten Vierteljahrhundert ihres Bestehens sein, 
um so mehr, da auch ihre wissenschaftlichen Leistungen nicht nur von 
rastloser Energie zeugen, sondern auch den Stempel ernsten Schaffens tragen. Leider 
sind die Früchte dieser wissenschaftlichen Tätigkeit dem Gros der deutschen Ortho¬ 
päden immer noch zu wenig bekannt, wie ja auch umgekehrt den amerikanischen 
Fachkollegen notorisch verhältnismäßig viel von den Fortschritten der deutschen 
Orthopädie entgeht — das Hemmnis der unbekannten Sprache steht im Wege! 

Aus diesem Grund, um die Erträgnisse der orthopädischen Forschung 
und praktischen Arbeit hier und dort für beide Länder nutzbar zu gestalten, 
hat der Unterzeichnete gemeinsam mit Dr. Charles F. P a i n t e r in Boston 
eine Austauschserie von Arbeiten auf orthopädischem Gebiet 
in die W r ege geleitet, deren erste Artikel in kurzer Zeit erscheinen 
werden, und zwar im American Journal of orthopedie surgery 
sowohl wie — mit gütiger Erlaubnis des Herausgebers — auch in 
dieser Zeitschrift. Es ist geplant, daß deutsche Autoren, die 
über ein Spezialgebiet unseres Faches arbeiten, die Ergebnisse ihrer Forschungen 
hinübersenden und umgekehrt amerikanische Kollegen aufgefordert werden sollen, 
über die Resultate ihrer Arbeiten in ausführlichen Arbeiten hierher zu berichten. 
Das Amerikainstitut der K. Universität Berlin, das bekanntlich speziell dem 
kulturellen Austausch der beiden Länder — Amerika und Deutschland — dient, 
hat die gütige Zusage gemacht, das Unternehmen in jeder Weise zu fördern. 

M. Bö h m - Berlin. 


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Autorenregister. 


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Originalarbeiten sind mit * versehen. 


A. 

Abadie 090 
Abbot 30:1. 070. 

Addison 330 . 

Albertin 6 V S. 

Aldridge 718. 

Alessandri 334. 688. 
Alexander 094. 
Alexandrid»*s 272. 

Allisun 713. 

— and Schwab 292. 
Aniaudrut 310. 319. 
Anibrosini 078. 

Anderson 724. 

Andrien 077. 

Angelom 081. 

Anschütz 719. 

Anzilotti 310. 

Ascoli und Legnani 620. 

Ashley 070. 

van Assen 739. 740. 

B. 

Badin 074. 
v. Baeyer 729. 

Biihr 092. 729. 

Bail leid 299. 334. 
Bainbridgc 010. 

Baiseh 729. 

Baravalle 004. 

Barbet 2*5. 

Bardenheuer 6*7. 

Bardon 075. 

B a rrin gt on - \Va rd 098. 
Basel]knze\v und Petrow 
028 . 

Bastianelli 094. 

Bat ledernv 091. 

Bauer 27*. 

Beek 002. 


! Becker 692. 

Beitzke 041. 

Bellini 602. 

Bennecke 319. 

Berger 291. 

i Bering 2*2. I 

| Bernhard 008. 

I Bibergeil 103*. 346. 

Bienvenue 319. 

| Bier 002. 

! Binet 6*7. 

Bischer 721- 
Blanc 724. 

Blanc-Perdusset et Gayet 
300. 

Blank 340. 

I Blutei 039. 

1 Bockenheimer 312. 712. 
Böhm 611. 

Du Bois-Reymond 272. 
Bolten 687. 

Bonnet 725. 

Bornstein und Plate 642. i 
Bouchacourt. 322. 617. i 
Boursau et Tillaye 335. 
Bosquette 690. 

Bowlby 057. 

Boy er 309. 

| Braekett and Osgood 331. 
Bradford 701. 

Brändle 043. 

Briiunig 337. 

Brandenburg 719. 

Brandes 077. 710. j 

* v. Breemen 738. ! 

1 le Bretin 309. | 

| Brüning 290. 331. 655. 

| Büdinger 019. : 

Bum 295. 712. 1 

Bungart 297. 

Burianek 054. 

Burk 089. I 


C. 

Calamida 627. 

Camera 035. 
van Campen 737. 
Canessa 056. 

Casagli 090. 

Catbeart 035. 

Cauli 715. 

Clialier 338. 

Charles 705. 

Chlumsky 323. 64-. 675. 
Christopherson 343. 
Chrvsospathes 301. 
Claeys 328. 

Cohn 345. 

Cone 090. 

Cope 6‘2o. 

Correa 738. 

Cotte et Pillon 736. 
Cramer 315. 339. 653. 
Creite 707. 

Curcio 722. 

Curtillet 026. 

Curtis 605. 

Cyriax 075. 


D. 

Dalla Vodova 278. 313. 
085. 

Davies 714. 

Dencks 021. 

Denuce 072. 

Deroide et Vanvert? 343. 
Derscheid*Deleourt 62h 
Dessauer undWiesner2»b 
Deutsch Kinder 317. 3*>> 
048. 091. 

Dibbelt 270. 

Donati 080. 

Dörr 293. 


Gck 'gle 


Original frorn 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 

1 



Doumer 6C4. 
Dresel 298. 

Drew 780. 
Drielsjna 739. 740. 
Duncker 447*. 
Dunlop 717. 
Duran 299. 


E. 

Ebener 697. 

Ebstein 281. 673. 
Eckstein 324. 333. 
Eden 721. 
Ehringhaus 346. 
Elliott 281. 

Enderlen 287. 716. 
Engel 718. 
Engelhard 333. 
Engelmann 679. 

Erb 842. 

Erben 694. 

Erdheim 663. 

Erkes 666. 

Esau 314. 684. 
Etienne 625. 

Evans 329. 

Ewald 8 6*72. 712. 720. 
Exner 294. 

Eykel 689. 


F. 

Felten und Stoltzenberg 
430*. 

Fitzwilliams 317. 
Flörcken 689. 

Föderl 715. 

Foerster 649. 

Fontan 679. 

Foßler 711. 
de Francesco 686. 
Frankel 277. 624. 
Francini 685. 

Franck 666. 

Francke 711. 
Frankenhäuser 610. 
Franzoni 658. 

Fraser und Pherson 305. 
Freund 273. 

Friediger 296. 
v. Frisch 615. 618. 731. 
Fritzsche 273. 274. 
Frölich 731, 

Fromme 709. 

Fuchs 274. 

Fujii 334. 


Digitized by Gougle 


Autorenregister. 

Fuker 696. 

Fürnrohr 315. 


G. 

Galeazzi 602*. 705. 721. 
Garrod 280. 

Gasne 316. 

Gateliier 700. 

Gaugele 375*. 708. 
Gauvain 303. 

Gayet 310. 

— etBlanc-Perdusset300. 
Gebele 611. 

Geiges 731. 

Ghillini 327. 716. 
Gläßner 318. 

Gocht 653. 

Godder and Marshall 332. 
Göbel 342. 692. 

— und Görke 321. 

— und Mann 296. 
Goldberg 696. 

Goldstein 652. 
Gontermann 296. 
Gourdet 615. 

Gourdon 671. 706. 
Gregor and Hopper 290. 
Greiffenhagen 637. 
Griffith 696. 

Groß 342. 

Grüne 91*. 

Grunewald 9*. 326. 551*. 
Guibe 679. 


H. 

Haberling 609. 

Hänisch 279. 645. 

Hagen 282. 

Hamant et Worms 724. 

725. 726. 

Hammer 296. 

Har ding 307. 

Hardouin 718. 

Harris 657. 

Hartmann 312. 
Hasebroek 674. 

Hühner 620. 

Hayashi und Matsuoka 
196*. 3*1*. 

Heath 337. 343. 

Heeger 626. 

Heidenhain 677. 

Heile 294. 

Heule 654. 

Heusner 246*. 641. 
Hirschberg 643. 


745 


Hirßchel 680. 

Hochhaus 280. 

Hoffmann 322. 735. 

Hoke 734. 

Holzknecht 279. 

Hönck 655. 

Hopper and Gregor 290. 
v. Hovosko 610. 
Hübscher 644. 727. 
Hutchison 670. 


I. 

Impallomeni 629. 
Ishimoto and Kaneko 327. 

J. 

Jacob 317. 

Jacobsobn 252*. 

Jansen 738. 739. 

Jenkel 623. 

Jerusalem 297. 298. 662. 
687. 

Jewesbury 648. 671. 
Joachimsthal 345. 619. 
737. 

Johnson 328. 

Joneß 315. 
de Jongh 699. 

Joseph 271. 

Jottkowitz 636. 

Jouon 274. 

Judet 341. 

Jung 329. 

Jüngling 645. 


K. 

de Kamp 655. 

Kaneko and Ishimoto 327. 
Katzenstein 713- 723. 
Kawamusa 651. 
Kennerknecht 319. 
Kienböck 700. 

Kiliani 308. 

Kimma 294. 

Kim uni 688. 

Kirmisson 302. 326. 839. 
Klausel* 681. 
Kleinschmidt 694. 

Klose 647. 

Klotz 622. 

Koch 622. 

Kol liker 345. 

Kolczin 735. 

Konjetzny 713. 
Korntheuer 628. 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Digitized by 


746 

Kotzenberg 294. 

Krall 299. 322. 

Krawetz 665. 
lvroiss 32b. 

Krüger 651. 

Kuh 328. 

Kumajew 702. 

Könne 507*. 

Kiiß und Schwarz 6*3. 
Küttner 632. 703. 70S. 

L. 

Laan 300. 331. 727. 730. 
740. 

Lachowsky 201. 

Lumens 300. 737. 

Lamy 734. 

Lance 305. 703. 

Landois 693. 710. 
Landwehr 55*. 320. 
Lange 303. 340. 6S0. 681. 
Langhetti 603. 

Law 647. 

Lawrowa 632. 

Lebouc 317. 

Leflfi 640. 

Legnani und Ascoli 626. 
Lehmann 309. 

Leriche 328. 722. 

Lewy 710. 

Lexer 337. 630. 

Licini 716. 

Lindemann 720. 

Liniger 205. 

Lobligeois etMouchet 686. 
Lohfeldt 301. 

Lora me 1 276. 

Lorenz 341. 

Louge 722. 

Lubinus 649. 

Lucas and Osgood 289. 
Lusena 665. 

*. 

Magruder 284. 

Mandel 613. 

Mann und (loebel 206. 
M'Ardle 683. 

Markus 614. 

Marquart 728. 

Marques et Rives 300. 
Marshall 2^0. 

— and (lodder 332. 
Martins 76*;. 723. 
Massaimau 330. 

Massary et Vallery-Radot 
624. 


Autorenregister. 

Matsuoka und Havashi 
106*. 381*. 

Mathieu et Quenu 639. 
May 649. 

Meisenbach 725. 

Melchior 534°. 

— und WoltV 640. 
Meneiere 292. 308. 
Mendler 098. 

Menne 304. 

Meyer 292. 

Michaelis 192*. 639. 
Milatz 730. 

Milner 307. 

Mitchell 309. 

Miyauebi 678. 

Mohr 320. 725. 

Moni bürg 730. 

Morestin 310. 

Mori 735. 

Morton 636. 

Most 329. 

Moty 335. 

Mouchet etLobligeois 686. 

- Segard 698. 

Mouisset et Nove-Josse- 
rand 677. 

Müller 200. 320. 644. 678. 

682. 722. 

Mummery 707. 

Muskat 727. 

N. 

Natzler 344. 655. 723. 
Nebel 273. 614. 616. 729. 
Neustädter und Thro 647. 
Niemtzewa 691. 
Nove-Josseraml 733. 

-et Mouisset 677. 

ä Nyeholt 689. 

Nyrop 227*. 229*. 

O. 

Ombrcdanne 700. 

Orgler 277. 

Orr 272. 

Orsos 666. 

Osgood 727. 

— and Brackett 331. 

— — Lucas 289. 
Ottendorf 602. 

P. 

Painter 281. 

Barry 623. 

Pate! 312. 


Gck 'gle 


Payr 332. 

Peckham 682. 
Pels-Leusden 274. 
Peltesohn 345. 719. 737. 
Peraire 683. 

Perier 674. 

Peterka und Spitzmüller 
660 

Petrow und Baschkirzew 

628 . 

Phelip und Wiart 686. 
Pherson und Fraser S"5. 
Pieri 637. 717. 722. 
Pignatti 715. 

Pillon et Cotte 736. 
Plate und Bornstein 642. 

, Plehn 283. 
i Pollak 282. 
i Port 675. 

! Porta und Quinn 657. 
j Poucel 706. 

I Preiser 324. 617. 730. 
Pupovac 631. 

Pürckhauer 347*. 

Pussep 292. 

Putti 648. 668. 718. 

Q- 

Quensel 693. 

Quenu 720. 

— et Mathieu 639. 
de Quervain 314. 669. 
Quetsch 670. 

Quinn und Porta 657. 

R. 

Rausch 653. 

1 Redard 43*. 611. 

! Reece 646. 
j Regnaul t 620. 

Rehn und Wakabayasli 
286. 

Reich mann 279. 6*0. 
Rendu 719. 

Retzlaff 284. 

Ridion 321. 

Riehl 645. 

Rives et Marques 300. 
Robin 635. 

Rocher 324. 

Roctouil 6*1 
1 Rodon 656. 

Rogers 320. 

Rolleston 304. 

Römer 288. 

Rommel 670. 

Röpke 315. 686- 735. 


Original from 

UNIVERSUM OF CALIFORNIA 



Autorenregister. 


747 


Rosenbach 657. 

Rossi 49*. 639. 680. 
Roth 675. 

Roubier et Sarvonat 622. 
v. Ru eiliger-Rydygier 651. 
Rumpf 642. 

S. 

Salaghi 636. 

Saiger 313. 

Salle 692. 

Salomon 336. 656. 
Sarvonat et Roubier 622. 
Saunders 648. 

Savariaud 705. 

Saxi 158*. 

Schaal 725. 

Scharff 538*. 725. 
Schepelmann 1*. 280. 302. 
634. 

Scherb 32*. 

Schiff und Zak 644. 
Schmerz 661. 

Schmid 678. 

— und Schröter 266. 
Schoemaker 346. 

Schöne 629. 

Schroth 623. 

Schultheß 613. 

Schuster 624. 

Schwab und Allison 292. 
Schwanebeck 704. 
Schwartz und Küss 683. 
Schwarz 695. 

Sedan 322. 

Segard et Mouchet 698. 
Seldowitsch 322. 

Selig 307. 

Semeleder 274. 

Sever 324. 

Sgalitzer 663. 

Sick 278. 

Siebert und Simon 394*. 
Siegert 275. 

Simmonds 278. 

Smoler 707. 

Solieri 416*. 


Sonnenburg 722. 

Sourdat 627. 

Soutter 303. 

Spannaus 684. 
Spitzmüller und Peterka 
660. 

Sprengel 699. 

Springer 259*. 487*. 689. 
Stabilini 711. 

Stargardt 652. 

Stein 664. 

Steinmann 637. 693. 

Stern 734. 

van Stockum 346. 

Stoffel 293. 

Stoltzenberg und Felten 
430*. 

Streißler 671. 

Stumme 705. 

Sultan 615. 

Sumita 306- 
Süssenguth 638. 

T. 

Taendler 690. 

Tange 682. 

Tasknien 297. 

Teske 716. 

Thilo 340. 

Thorn 284. 

Thro und Neustädter 647. 
Tilanus 738. 739. 740. 
Timmer 738. 

Trcves 311. 671. 

Tridon 693. 703. 728. 
Trinci 69*. 811. 

Tubby 657. 

Tugendreich 299. 

V. 

Vallas 322. 

Vallery-Radot et Massary 
624. 

Vanverts et Deroide 343. 
Viannay 314. 

Vignard 703. 


Virchow 737. 

Vogel 341. 

Vorschütz 706. 709. 
Vulpius 86*. 295.323. 338. 
440. 732. 


W. 

Waegner 325- 
W agner-Hohenlobbese 
344. 614. 

Wakabayashi und Rehn 
286. 

Walter 289. 

Watson 701. 

Weber 624. 

Wegner 721. 

Weigert 345. 

Weil 625. 

Weintraud 283. 

Weiß 612. 652. 

Whipham 642. 

Wiart et Phelip 686. 
WiesnerundDessauer271. 
Wilma 314. 327. 
Winiwarter 726. 
Winternitz 726. 
Wischnewski 704. 

Witmer 658. 

Wittich 305. 

Wolf 653. 661. 736. 
Wolff und Melchior 640. 
Woilenberg 737. 

Worms und Hamant 724. 

725. 726. 

Wrede 319. 342. 


¥• 

Young 300. 701. 


Z. 

Zadro 660. 

Zak und Schiff 644. 
Zieler 283. 

Zondek 313. 


Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXX. ßd. 


48 


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748 


Sachregister. 


Sachregister. 

Originalarbeiten sind mit * versehen. 


A, 

Acetabulum, Frakturen des 696. 
Achondroplasie 620. 

Aktinium, perkutane Anwendung von 
664. 

Akromegalie 692. 

Alkoholeinspritzungen bei Littlescher 
Krankheit 292. 

Allgemeinerkrankungen, gonorrhoische 
283. 

Almateinknochenplombe 632. 
Amerikanische Gesellschaft für ortho¬ 
pädische Chirurgie 741. 

Amniotische Abschnürungen 692. 
Amputationen, Bewertung der Erwerbs¬ 
fähigkeit bei 295. 

— kineplastische 688. 

Anatomie der Lux, cox. cong., Beiträge 
zur 55*. 

Angiqfibrome der Muskeln, primäre, 
als Ursache von Deformitäten 416*. 
Ankylose des Ellbogens 685. 

— beider Hüftgelenke 702. 
Ankylosierter Gelenke, zur Mobilisie¬ 
rung 631. , 

Anteversion des Schenkelhalses 706. 
Aponeurosis plantaris, Erkrankung der, 
bei Brüchen 338. 

Arthritis chronica, Prognose der 281. 

-Röntgenologische U ntersuchungen 

bei 281. 

Arthritis deformans 686. 

-atrophica 641. 

-coxae 701. 

-juvenilis 642. 

— gonorrhoica 643. 700. 

— luetica 282. 

— sicca 642. 

— traumatica 309. 

— urica, Radiumemanation bei 643. 
Arthropathie, tabische 333. 651. 652. 
Articulatio scapulo-costalis 679. 
Assimilationswirbel 696. 

Atophan, Erfahrungen über 283. 284. 
Auskultation bei Gelenkerkrankungen 
280. 

Autoplastik bei Fußexartikulation 342. 

— — Verbrennungsnarben 690. 


B. 

Bandagebehandlung bei Gasteroptose 
273. 

Bandzerreißung im Kniegelenk 712. 

Becken, rachitisches, einer Zwergin 696. 

Beckenbrüche und Erwerbsunfähigkeit 
696. 

Begutachtungen, Umfangmessung bei 
296. 

Beinschmerzen, Differentialdiagnose 
694. 

Belastungsdeformitäten, zur Lehre von 
den 618. 

Benzinvergiftung, akute, beim Säug¬ 
ling 296. 

Berliner orthopädische Gesellschaft 737. 

Bewegungsapparates, traumatische Stö¬ 
rungen des 653. 

Bicepssehnenruptur 682. 

Brachydactylie 319. 693. 

— und Madelungsche Deformität 534*. 

Bruchbandage bei Hängebauch und 
Bauchbrüchen 615. 

Bursa praetibialis 718. 

Bursitis calcarea 279. 645. 


C. 

Calcaneus, Exostosen des 725. 

— Osteosarkom des 725. 

•— Spornbildung des 725. 

—- Sporotrichosis des 725. 
Calcaneusfraktur 724. 
Carpometacarpalgelenk, habituelle Sub¬ 
luxation im 689. 

Cervicodorsalskoliose, Rekurrenslähm¬ 
ung bei 300. 

Chariteärzte, Gesellschaft der 345. 
Chinesinnenfuß 735. 

Chirurgische Untersuchungsmethoden 

6H. 

Chondrodygtrophi8cher Zwergswuchs 
275. 

Chopartgelenk, Luxation im 772. 
Coccygodynie als Unfallfolge 320. 
Codivilla, Nachruf auf 602*. 

Coxa vara 321. 


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Sachregister, 


749 


Coxa vara adolescentium 699. 

-congenita 698. 

-operative Behandlung 698. 

— — nach Lux. cox. cong. 324. 

-- — Schenkelhalsfraktur 700. 

— — traumatica 320. 699. 

Coxitis, Knochenplomben bei 703. 

— Luxatio femoris bei 487*. 

— traumatica 320. 

— tuberculosa, Spontanfraktur bei 703. 
-Luxation bei 703. 

Cystitis als Folge unblutig eingerenkter 
Hüftluxation 259*. 

D. 

Daumen* überzähliger 319. 
Daumenendgliedes,. Abreißung des, 
u.8. w. 693. 

Defekt, angeborener, der Pektoral- 
muskeln 300. 

Deformitäten der Wirbelsäule, Behand¬ 
lung der 229*. 

Derangement des Kniegelenks 713. 
Destruktionsluxation 324. 

Diplegie, cerebraler, Förstersche Ope¬ 
ration bei 649. 

Distorsionen des Kniegelenks 330- 
Drahtnaht bei Patellarfraktur 328. 
Drucklähmung nachEsmarchscher Blut¬ 
leere 655. 

Dupuytrensche Kontraktur 691. 
Dystrophia musculor. progr., Schulter¬ 
lähmung bei 308. 

E. 

Echinokokkuscysten im Muskel 683. 
Ellbogenankylosen, chirurgische Be¬ 
handlung 685. 

Ellbogenfrakturen 311. 683. 
Ellbogengelenk, Gelenkkörper im 686. 
Ellbogenluxationen 686. 
Ellbogenverletzungen 684. 
Entbindungslahmungen des Armes 681. 
Epicondylusbrüche, Behandlung 312. 
Epiphyseolysis femoris 738. 
Epistropheus* Fraktur des 740. 
Erwerbsfähigkeit, Bewertung der, bei 
Arm- und Beinamputationen 295. 

— bei Beckenbrüchen usw. 696. 

— Erhaltung der, bei rheumatischen 
Erkrankungen 643. 

Esmarchseher Blutleere, Druckläh¬ 
mungen nach 296. 653. 654. 
Esmarchschen Gummibinde, Ersatz der 
654. 

Exarticulatio tibiotarsea 722. 

Exostosen des Calcaneus 725. 


Exostosen, multiple 626. 627, 

" und Enchondrome, multiple 278. 

Extensionsbehandlung bei Gelenkent¬ 
zündungen 280. 

Extensionsverband mit Zinkleim 639. 

F. 

Fascientransplantation, freie, bei Platt¬ 
fuß 730. 

Femur, Einfluß der Muskelarbeit auf 
die Form des 551*. 

— Verkürzung des 707. 

Femurdefekt, angeborener 158*. 707. 

Femurfraktur 708. 

Fibrom,tuberkulöses, im Kniegelenk739. 

Fibuladefekt, kongenitaler 719. 

— bei valgus 722. 

Finger- und Zehendeformitäten, Be¬ 
handlung 344. 

Fistelbehandlung mit Beckscher Wis¬ 
mutpaste 663. 

Fixationsapparat, automatischer, für 
das Kniegelenk 227*. 

Flexionskontrakturen, kongenitale, der 
Interphalangealgelenke 318. 

Foerstersche Operation 649. 651. 

-bei cerebraler Diplegie 649. 

— — bei Tabes 293. 294. 

— — und Stoffelsche Operation bei 
spastischen Lähmungen 649. 

Fractura acetabuli 696. 

— epicond. int. femor. 327. 

— femoris, kompliz. 326. 

— olecrani 314. 

— proc. styloid. ulnae, isol. 314. 

— radii 689. 

— subtrochanterica 322. 

— tuberosita tibiae, doppels. 334. 

Fragilitas ossium 621. 

Fraktur des Schädeldaches mit Ence- 
phalocele 664. 

— des IV. Halswirbels 301. 

— und Heißluft 1*. 

Frakturen, Behandlung, operative 284. 
637. 

- 635. 636. 

— — mit Stahldrahtgipsbinde 615. 

— der Handwurzelknochen 317. 

— multiple, der Extremitätenknochen 
621. 

Frakturenheilung, retardierte, bei einem 
Phthisiker 635. 

Fremdkörper im Knochen, Entfernung 
343. 

Freundsche primäre Thoraxanomalien, 
zur Lehre der 306. 

Friedreichsche Krankheit 653. 

Fuß- und Unterschenkelplastik 722. 


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750 


Sachregister. 


Fußheschwerden, Aetiologie der 727. 
Fußdeformitiit nach Artlirotomie des 
Taloeruralgelenkes 728. 
Fußexartikulation, Autoplastik bei 342. 
Fußgelenks, Arthrodese des 7Id. 
Fußgelenkstuberkulose, Joddampfbe¬ 
handlung der 722. 

Fußgeschwulst 738. 

— Bedeutung der, fürs Heer 304*. 
Fußverstauchung, Röntgenbefund bei 

720. 

tt. 

(iasteroptose, Bandagenbehandlung bei 
273. 

Geburtslähmung, Nervenhistologie bei 

309. 

Gelenkbandbildung durch freie Periost¬ 
lappen 723. 

Gelenke, ankylosierter, zur Mobilisie¬ 
rung mit ungest. Lappen aus der 
Facia lata 631. 

— — Mobilisierung 332. 

— Perimetrie der 273. 274. 
Gelenkentzündungen , Extensionsbe- 

Handlung bei 280. 

Gelenkergüssen,Heißluftbehandlung bei 
280. 

Gelenkerkrankungen, Auskultation bei 
280. 

— erworbene, bei Syphilis 282. 

— Diagnostik der, durch Messung der 
lokalen Hauttemperatur G40. 

— Physikalische Therapie der 612. 
Gelenkkapsel, Heilungsvorgänge der, 

bei traumatischen Luxationen 640. 
Gelenkkörper im Kllhogcngelenk 686. 
Gelenkmäuse im Kniegelenk 351. 

— Entstehung der 279. 

Gelenkmobilisation 716. 
Gelenkrheumatismus, chronischer, chi¬ 
rurgische Behandlung 641. 642. 

Gelenktransplantationen 629. 632. 
Gelenküberstreckung, klinische Ver¬ 
wertbarkeit der 281. 
Gelenkveränderungen durch Preßluft¬ 
erkrankung 642. 

Genu reeurvatum 716. 

— valgum 334. 

— — adolescentium 711. 

— — Knochentrausplantation bei 327. 

— — manuelle Korrektion des 327. 
Gicht, Atophanbehandlung bei 283. 284. 
Gipsverbandtechnik, praktische Winke 

zur 274. 

Gonokokkenvaccinel »ehand 1 ung 282. 

Gonorrhoische A11 gemeir i erkranktingen 
283. 


Gymnastique orthopedique 611. 
Gymnastische Systeme und Turnen 272. 
Gynäkologie und Orthopädie. Krank¬ 
heiten aus den Grenzgebieten von 617. 


H. 

Hämophilie, Operationen bei 694. 

Hackenbohlfuß, Pathologie und Thera¬ 
pie 347*. 

Hallux valgus und Tuberculose 736. 

Halsrippe 300. 671. 

— Resektion der 671. 

Halswirbelbruch 301. 

Halswirbelsäule, Luxation der 670. 

— Prädilektionsstellen der Erkran¬ 
kungen der 666. 

— zur Traumatologie der 668. 

Handentwicklung, mangelhafte 691. 

Handwurzelknochen, Frakturen der 317. 

Hängebauch, Bandage für 615. 

Hauttemperatur, lokale, bei der Dia¬ 
gnostik von Gelenkerkrankungen 640. 

Hebelwirkung, Behandlung von Kno¬ 
chenbrüchen mit 284. 

Heilmethoden, physikalische 610. 

Heilstättenbehandlung der chirurgi¬ 
schen Tuberkulose 297. 

Heißluftbehandlung bei Gelenkergüssen 
280. 

Heißluft und Fraktur 1*. 

Heliotherapie bei chirurgischer Tuber¬ 
kulose 608. 658. 660. 

Hemiplegie, cerebrale 648. 

— hysterische 291. 

Hemmungsmißbildung des rechten Ar¬ 
mes 315. 

Heusnerscher Osteoklast, verbesserter 
246*. 

Hinken, intermittierendes 726. 

Hirnhautentzündung, eitrige, nach Knie¬ 
quetschung 295. 

Hochfrequenzströme bei Knochentuber¬ 
kulose 664. 

Hohlfuß, Behandlung des 339. 

Homoplastische Transplantation des 
Intermediärknorpels 286. 

Hüfte, schnellende 324. 697. 

Hüftgelenke, Knochenuntersuehungen 
bei kongenital verrenkten 196*. 

Hüftgelenkankylose, beiderseitige 702. 

Hüftgelenkentzündung,Behandlung von 
701. 

Hüftgelenkerkrankungen usw. 700. 

Hüftgelenkluxation 322. 

— angeborene 705. 

— — Abkürzung der Gipsfixations¬ 
dauer bei 875*. 


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Sachregister. 


751 


Hüftgelenkluxation, angeborene, Cysti- 
tis als Folge nach unblutiger Ein¬ 
renkung bei 259*. 

--zur Aetiologie und Therapie 323. 

— Coxa vara nach Einrenkung von 324. 

— Präparat von reponierter 323. 

— Reposition, blutige, der 704. 

— Spätresultate unblutig behandelter 
43*. 163*. 

Hüftgelenkes, paralytische Luxation 
und Subluxation des 324. 

Hüftkontraktur und Kniegelenkschmerz, 
über, usw. 326. 

Hühnerbrust, Behandlung der 301. 

Humerusbrüche 309. 310. 311. 312. 682. 

Humerussarkom 310. 

Hyperämiebehandlung, Lehrbuch der 
27 L 

Hypertrichosis und Spina bifida occulta 
673. 

Hypertrophie, halbseitige, der Extremi¬ 
täten 299. 

Hypophysenmedikation bei Osteoma¬ 
lazie 622. 

— — Rachitis 622. 

Hypophysis, Folgen der Exstirpation 
der 626. 

I. 

Inaktivitätsatrophie, über 9*. 

Innenrotation der Füße, pathologische 
338. 

Insuffieientia vertebrae 675. 

Intermittierendes Hinken, zur Klinik 
des 342. 

Interphalangealgelenke, Flexionskon¬ 
trakturen, kongenitale, der 318. 

Intrauterine Knochenbrüche 337. 

Ischämische Kontrakturen, Entstehung 
687. 

— Lähmung 687. 738. 

Ischias 696. 

— Fehldiagnosen bei 694. 

Ischiasätiologie 694. 

J. 

Joddampfbehandlung der Fußgelenks¬ 
tuberkulose 722. 

Jodtinkturdesinfektion 655. 

K. 

Kalkstoffwechsel des gesunden und 
rachitischen Kindes 277. 

Keilwirbel 740. 

Kinderlähmung, epidemischen, bulbäre 
Form der 290. 


Kinderlähmung, epidemische, und 
Trauma 289. 

— Operation bei Schulterlähmung nach 
308. 

Klauenhohlfuß, zur Aetiologie 731. 
Klumpfuß, Behandlung 341. 731. 732. 
733. 734. 

— paralityscher 735. 

— und Plattfuß 340. 
Klumpfußredressement, Zirkulation 

nach 734. 

Kniebeugekontraktur, Behandlung der 
333. 

Kniegelenk, automatischer Fixations¬ 
apparat für 227*. 

— Bandzerreißung 712. 

— Derangement des 713. 

— Distorsionen des 330. 

— Gelenkmäuse des 331. 

— Luxation, kongenitale des 328. 

— Meniscusabreißung des 331. 

— Rotationsluxation des 329. 
Kniegelenkankylose, paraartikuläre 

Korrektur 333. 

Kniegelenkarthrodese 716. 
Kniegelenkoperationen 332. 
Kniegelenkschmerz und Hüftkontrak¬ 
tur usw. 326. 

Kniegelenktuberkulose, primäre, und 
ihre Diagnose mit Röntgenstrahlen 

711. 

— Behandlung 332. 

Kniequetschung, Hirnhautentzündung, 

eitrige, nach 295. 

Kniescheibenbrüche, Behandlung der 
715. 

Kniestrecksehnen, Ruptur der 326. 
Knochenatrophie, Spontanfraktur bei 
709. 

Knochenbildung, Störungen in der 
periostalen und endoehondra.len 619. 
Knochenbolzung 738. 

Knochenbruch, Behandlung mit Hebel¬ 
wirkung 284. 

Knochenbrüche, intrauterine 337. 
Knoehencyste und Ostitis fibrosa 623. 

— solitäre, Pathogenese 334. 

-traumatische 4)10*. 

Knochenerweichung, Kalktherapie und 

Röntgenkastration bei 623. 
Knochenimplantation 314. 
Knochennaht 715. 

Knochenstruktur, patholog. 619. 
Knochentransplantation bei Genu val- 
gum 327. 

— freie 668. 315. 

Knochentuberkulose, Hochfrequenz« 
ströme bei 664. 

Knochentumoren, über 627. 


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752 


Sachregister. 


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Knochenüberpflanzung, freie 628. 
Knochenuntersuchungen bei kongenital 
verrenkten Hüftgelenken 196*. 
Knochenwaeh8turas, künstliche Steige¬ 
rung des 626. 

Kolloidraetalle in der Behandlung der 
Arthritis gonorrhoica 648. 
Kongenitale Vorderarmknochendefekte, 
operative Behandlung 315. 
Konkrementbildung bei Bursitis 279. 
Krallenzehenbildung 735. 
Krampfanfälle bei orthopädischen Ope¬ 
rationen 739. 

Krüppelfürsorge 272. 613. 

L. 

Lähmung nach Esmarchscher Blutleere 
296. 

— spastische, der oberen Extremitäten, 
chirurgische Behandlung 292. 293. 

Laminektoraie in Lokalanästhesie 677. 

— bei Spondylitis tuberculosa 304. 
Längenwachstum, postoperatives, osteo- 

tomierter rachitischer Knochen 719. 
Leibesübungen in Schule und Heer 614. 
Leichentransplantation, Dauerresultate 
einer 713. 

Linkshändern, Verfahren zur Ermitt¬ 
lung von 296. 

Lisfrancsches Gelenk, Luxation im 726. 
Littlesche Krankheit 294. 

-Alkoholeinspritzungen bei 292. 

Luftembolie 655. 

Luxatio antibrachii divergens 312. 

— coxae eongen., Beiträge zur Ana¬ 
tomie der 55*. 

-bei Coxitis 703. 

-- eongen., zur Diagnose 705. 

— femoris bei Coxitis 487*. 

— — inveterata, Resektion bei 704. 

— genu congenita 828. 329. 

— humeri habitualis 309. 

-subcoraeoidea 681. 

— medio-tarsea 343. 

— ossis lunati raitNavicularebruch 317. 

— peroneorum, Behandlung 721. 
-habitual. 337. 

Luxation der Lendenwirbelsäule 678. 

— des Mittelfingers 319. 

— im Talonaviculargelenk 342. 

M. 

Madelungsche Deformität 316. 

— — und Brachydaktylie 534*. 

— — Operation der 689. 

Mal de Pott, Behandlung nach Calot 677. 
Malleolarbrüche 720. 721. 


Massage, Einfluß der, auf die Resorp¬ 
tion 297. 

— Leitfaden der 611. 
Meniskusabreißung im Kniegelenk 331. 
Meniskusverletzungen 712. 713. 
Meßapparat für Skoliose 674. 675. 
Metatarsus varus congenitus 731. 

— isolierte Fraktur eines 735. 

— Luxation und Fraktur eines 735. 
Mikromelie 275. 

Mißbildungen, angeborene 692. 

i — des Daumens 319. 

I — der Finger, symmetrische 538*. 

i-Handwurzel 692. 

-oberen Extremitäten, angeborene 

318. 

- der Zehen 252*. 

Mittelfingers, Luxation des 319. 
Musculus peroneus brevis, dorsal¬ 
flektierende Wirkung des, usw. 32*. 
Muskel, Untersuchungsbefund am rheu¬ 
matisch erkrankten 644, 
Muskelatrophie, progr. 740. 
Muskelatrophien, arthritische, zur Pa¬ 
thogenese der 644. 

Muskeldruckempfindlichkeit bei Tabes 
652. 

Muskelschwund nach Gelenkverletzun¬ 
gen, Verhütung von 644. 

Myelome, multiple 278. 

Myositis ossiticans 278. 

— — circumscripta 313. 

-Mißbildungen bei 645. 

— — progressiva 645. 

— — traumatica 313. 

N. 

Nageldefekt, angeborener, am Daumen 
693. 

Nagelextension der Knochenbrüche 637. 
638. 639. 

— Geschichte der 49*. 
Narkosehandgriff, neuer 296. 
Navicularebruch mit Lux.ossis lunat.317. 
Nerven, Chirurgie der peripheren 2^1. 
Nervenhistologie bei Geburtslähmung 

309. 

Nervus radialis, Topographie des 6S> 

— suprascapularis, Lähmung des 679. 
Niederländischer Verein für Chirurgie 

346. 

— -Heilkunde 737. 

-orthopädische Chirurgie 738. 

O . 

Oberschenkelbrüche, veraltete, Be¬ 
handlung 325. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 



Sachregister. 


753 


Oberschenkelfraktur nach Verbänden 

708. 

Oberschenkelfrakturen, Behandlung 

709. 

Oberschenkelhals- und -schaftbrüche, 
zur Kenntnis und Behandlung der 
91*. 

Oberschenkelspiralfrakturen 707, 

Oberschenkelspontanfraktur bei Kno- 
chenatrophie 709. 

Oedem des Handrückens, hartes, trau¬ 
matisches 690. 

Olekranonbruch 314. 

Olekranonquerbruch 687. 

Operationstisches, Entwicklung des 

616 . 

Operative Frakturenbehandlung 284. 

Orthopädie und Gynäkologie, Krank¬ 
heiten aus den Grenzgebieten von 617. 

Orthopädische Chirurgie, klinische Be¬ 
merkungen zur 299. 

— Fürsorge für Kinder 614. 

— Gesellschaft, Berliner 344. 345. 

— Operationen, Krampfanfälle bei 739. 

Orthopädischer Bericht a. d. Sana¬ 
torium von Hendaye 302. 

Orthopädisches Schulturnen usw. 266. 

Osgood-Schlattersche Krankheit 717. 

Os naviculare pedis, Luxation nach 
oben 723. 

— —• Tuberkulose des 317. 

Ossifikationen des Olekranon 686. 

— posttraumat. 685. 705. 

Osteoarthritis deformans coxae juve¬ 
nilis, über, usw. 163*. 

Osteoarthropathie, tabische 651. 

Osteochondritis dissecans, doppelseitige 
symmetrische 625. 

Osteogenesis imperfecta 274. 620. 

Osteoklast, Heusnerscher verbesserter 
246*. 

Osteomalacie, experimentelle 625. 

— senile 622. 

— Behandlung mit Hvpophysenextrakt 
622. 

Osteomyelitis 335. 

Osteomyelitis, akute, der Wirbelsäule 
305. 

— chronica, als Unfallfolge 322. 

-— ungewöhnliche Form der 321. 

— traumatische und Unfallgesetz¬ 
gebung 688. 

Osteoplastik bei Wirbelluxationen 669. 

Osteosarkom auf traumatischer Basis 
628. 

Osteotomie, Etappenkorrektur nach 710. 

Ostitis chronica luetica 624. 
deformans 322. 623. 624. 

— fibrosa und Knochencysten 623. 


P. 

Pagetsche Krankheit 624. 

Paraartikuläre Korrektur von Knie¬ 
gelenksankylosen 333. 

Paralytische Luxation und Snbluxation 
des Hüftgelenks 324. 

Patella, traumatische Dislokation d. 714. 

Patellarfrakturen 328. 715. 

—, Drahtnaht bei 328. 

Patellarluxation, kongenitale 328. 

Pektoralmuskeln, angeborener Defekt 
der 300. 

Periarthritis humero-scapularis 682. 

Perimetrie der Gelenke 273. 274. 

Periostüberpflanzungen, experimen¬ 
telle, Beitrag zum Studium der 69*. 

Periostitis der Rippen 665. 

Peronealsehnen, habituelle Luxationen 
der 337. 

Peroneuslähmung durch amniotische 
Schnürfurche 719. 

Pes adductus 447“. 

•— valgus bei Fibuladefekt 722. 

-militaris 727. 

— varo-equinus paralyticus, Stütz¬ 
apparat für 738. 

Physikalische Heilkunde 610. 

— Heilmethoden 610. 

Plattfußbeschwerden und Behandlung 

340. 

Plattfußeinlage, Heidelberger 340. 

Plattfußeinlagen 729. 730. 

Plattfuß, Federschuh für 729. 

— freie Fascientransplantation bei 730. 

— kontrakter, Behandlung 339. 

— Muskeltransplantation bei 730. 

— Operation bei 738. 

— Redressement in Lokalanästhesie 
729. 

— spastische neurogene, der 728. 

— und Klumpfuß 310. 

— Verhütung und Entstehung 727. 729. 

Plexus brachialis, Anästhesie des 680. 

— lumbo-sacralis, traumatische Läh¬ 
mung im 693. 

Plomben bei Ooxitis 703. 

Poliomyelitis, Beobachtungen über 290. 
646. 6)48. 670. 

— Erfolge der orthopädischen Behand¬ 
lung bei 647. 

— experimentelle 288. 289. 047. 

— Sehnentransplantation bei 292. 

Pr e ß l u ft e r k r a n k u n g, Gelenk v e r än d e- 

rungen, chronische, durch 642. 

Processus styloid. ulnae, isol. Fraktur 
des 314. 

— — radii, stenosierende Tendovagi- 
nitis aui 314. 


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754 


Sachregister. 


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Prothese, kinematische 721. 

— unauffällige 274. 

Pseudarthrosenbehandlung 285. 637. 

Pseudarthrose, angeborene, des Schlüs¬ 
selbeins 739. 

Psoasabszesse 320. 

Pyrogallolsalbenbehandluug der Spina 
ventosa 319. 

Quadricepslähniung, Sehnentransplan¬ 
tation bei 710. 

R. 

Rachitis, zur Aetiologie der 622. 

— experimentelle Untersuchungen über 
die Pathogenese der 276. 

Rachitischer Knochen, postoperatives 
Längenwachstum osteotomierter 719. 

Radialislähmung bei Humerusbruch, 
Operation bei 310. 

Radiumemanation bei Arthritis urica 
643. 

Rekurrenslähmung bei Cervicodorsal- 
skoliose 300. 

Rheumatische Erkrankungen, neue Be¬ 
handlungsweise 642. 

Riesenwuchs, partieller 843. 

Rippenbrüche in der Unfallbegutach¬ 
tung 666. 

Rippendeformitäten 671. 

Röntgendiagnose der Knochenbrüche 
636. 

Röntgenkastration und Kalktherapie 
bei Knochenerweichung 628. 

Röntgenlicht, Einwirkung auf chirur¬ 
gische Tuberkulose 661. 

Röntgenstrahlen, Durchlässigkeit bei 
Gips verbänden 617. 

— bei der Diagnose der Tuberkulose 
des Kniegelenks 711. 

Röntgenverfahren, Leitfaden 271. 

Röntgenologische Untersuchungen über 
chronische Arthritis 281. 

Roser-Nelatonsche Linie, Diagnostischer 
Wert der 695. 

Rotationsluxation des Kniegelenks usw. 
329. 

S. 

Sarkom des Humerus 310. 

— der Scapula 680. 

— der Tibia 835. 

Scapulahochstand, angeborener 307. 
678. 679. 

Schaltwirbel, keilförmige 302. 

Schenkelhalsbrüche, Behandlung 322. 


Schenkelhalsfraktur und Coxa vara 700. 
—, Embolie nach 700. 

Schenkelhalses, Anteversion des 706. 
Schiefhals, angeborener. Behandlung 
665. 

—, operative Behandlung 3C0. 
Schienbeinresektion, Verhütung der 
Verkürzung bei 718. 

Schlattersche Krankheit 718. 
Schlüsselbeine, kongenitaler DelVkt 
beider 680. 

Schlüsselbeines, angeborene Pseudar¬ 
throse des 739. 

Schnellende Hüfte 324. 697. 
Schulteratfektionen, traumatische 740. 
Schulterblatthochstand siehe auch 
Scapula. 

— hysterischer 738. 

Schultergelenks, Distorsionen des 680. 
Schultergürtels, Bedeutung des, für die 

Haltungsanomalien 674. 
Schulterlähmung nach Poliomyelitis 
3° 8 : 

— bei Muskeldystrophie 308. 
Schulterluxation, neue Methode der 

Einrenkung 681. 

— Trommelschlegelfinger, infolge 6*1. 
Schulturnen, orthopädisches 266. 
Schwerlinie des menschlichen Körpers 

| 272. 

Sehnen und Sehnennähte, über die 
Widerstandskraft von 8b*. 
Sehnenfixation, neue Methode der 648. 
Sehnennaht 294. 690. 

—, Zugfestigkeit und Resistenz der 688. 
Sehnenplastik, Beiträge zur 634. 690. 
Sehnenscheiden, Tuberkulose der 685. 
Sehnentransplantation 292. 630. 710. 
Sehnenverknöcherung bei Tabes 342. 
Silberdraht in der Chirurgie 615. 
Skelettveränderungen bei kongenitaler 
Syphilis 277. 

Skoliosenbehandlung 803. 675. 676. 

—, Extension bei 507*. 

Skoliose, angeborene 671. 

-mit Spina bifida 672. 

Skoliosenmeßapparat 674. 675. 
Sonnenbäder 609. 

Sonnenbehandlung der chirurgischen 
Tuberkulose 658. 

Sonnenstrahlen, Einfluß der, auf tuber¬ 
kulöse Sequester 658. 

Spenglers Serum, Tuberkulosebehand* 
lung mit 657. 

Spina bifida occulta und Hypertricho- 
sis 673. 

-Operation bei 674. 

— ventosa, Behandlung mit Pyr ö * 
gallolsalbe 319. 


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Sachregister. 


755 


Spinalfrakturen des Oberschenkels 707. 

Spondylitis, Behandlung im Kindes¬ 
alter 677. 

-— Laminektomie bei 304. 

— tuberculosa 381*. 

— typhosa 305. 

Spondyolisthesis traumatica 307. 

Spondylose rhizomelique 304. 678. 

Spontanfrakturen bei Coxitis 703. 

-Jugendlichen 621. 

-Tabes 307. 

Spornbildungen 684. 

Sporotrichosis des Calcaneus 725. 

Sprungbeines, Brüche des 723. 724. 

Stahldrahtgipsbinde, Frakturenbehand¬ 
lung mit 615. 

Stärkebindenkorsett 616. 

Sternumvorwöibungen, Behandlung der 
301. 

Stoffelsche Operation bei spastischen 
Lähmungen 649. 

Streckmuskulatur, über die spezifische 
Labilität der 9*. 

Subluxatio genu 329. 330. 

Syndaktylie des Daumens und der 
Großzehe 319. 

Syphilis, kongenitale 624. 

— erworbene, Gelenkerkrankungen bei 
282 . 

T. 

Tabes, Förstersche Operation bei 293. 
294. 

— Muskeldruckempfindlichkeit bei 652. 

— Sehnenverknöcherung bei 342. 

— Spontanfrakturen bei 307. 

Tabische Arthropathie 333. 700. 

Talo-naviculargelenk, Luxation im 

342. 726. 

Tendovaginitis, stenosierende, im Be¬ 
reiche des Processus styloid. radii 
192*. 314. 689. 

Thoraxanomalien, primäre, sog. 
Freundsc-he 306. 

Thoraxdeformitäten, kongenitale, sel¬ 
tene 666. 

Tibiadefekt, vermehrtes Wachstum der 
Fibula bei 719. 

Tibia, Querfraktur der 722. 

— Resektion der 718. 

Torticollis spastica 665. 

Transplantationen 287. 

— heteroplastische und homöoplasti- 
sche 629. 

— homoplastische, des Intermediär¬ 
knorpels 286. 

Trauma und epidemische Kinderläh¬ 
mung 289. 


Trauma, Störungen des Bewegungs¬ 
apparates nach 653. 

Traumatische solitäre Knochencysten 
430*. 

Trochanter minor, Abrißfraktur des 706. 

Trochanteritis 706. 

Trommelschlegelfingerbildung infolge 
Schulterluxation 681. 

Tuberkulin-Rosenbach, Erfahrungen 
mit 657. 

Tuberkulose, chirurgische 299. 662. 

— Heilstättenbihandlung der 297. 662. 

— Heliotherapie bei 298. 608. 658. 

— Einfluß der Röntgenstrahlen auf 661. 

— Jodtinktur bei der Behandlung der 
661. 

— Stauungshyperämie bei 662. 

— chirurgische Tuberkulinbehandlung 
bei 297. 298. 

— entzündliche 656. 

— der Gelenke 657. 

—* — — Behandlung mit Spenglers 
Serum 657. 

— und Hallux valgus 736. 

— des Os naviculare 317. 

--carpi, isol. 691. 

—der Röhrenknochen, kleinen 299. 

— — __ langen 656. 

— — Sehnenscheiden 635. 

— traumatische 656. 

Tuberkulosekongreß, internationaler, zu 

Rom 612. 

Tuberositas tibiae, doppelseitige Frak¬ 
tur der 334. 

— — Verknöcherung der 716. 717. 

Tumoren als Folge von Traumen 665. 

Turnen und gymnastische Systeme 272. 


U. 

Umfangmessungen bei Begutachtungen 
296. 

Umformung der Beine, Gesetz der 711. 
Unfallbegutachtung von Rippenbrüchen 
666 . 

Unfallgesetzgebung und traumatische 
Osteomyelitis 688. 

Unfall folgen, Anpassung und Gewöh¬ 
nung an 295. 

— Coecygodynie als 320. 

— Gewöhnung an 655. 

— Osteomyelitis chronica als 322. 
Unterschenkelhrüche über 335. 

U n t ersch en k e 1 ges eh w ü re, Bebau d 1 u ng 
720. 

— — und Fußplastik 722. 
Untersuchungsmethoden, chirurgische 

611. 


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750 


Sachregister. 


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V. 

Verknöcherung der Tuberositas tibiae 
716 . 

Verpflanzbarkeit, freit», der Finger und 
Zehen (»halangen 692. 

Verrenkung, angeborene, des unteren 
Ulnaendes 315. 

Vorderarm k n ochen defekte 737. 

Vorderarm knochendefekte, kongenitale, 
operative Behandlung 315. 

Vorderarmknochentuberkulose 737. 

Yi. 

Wachstumstörungen nach Knieopera¬ 
tionen im Kindesalter 737. 

Wirbelkaries, Behandlung der 303. 

— tumoröse 305. 

Wirbelluxationen, Behandlung mit 
Osteoplastik 609. 


Wirbelmißbildung, angeborene OTS. 

Wirbelsäule, akute Osteomyelitis der 
305. 

—, Deformitäten der, Behandlungs¬ 
methoden bei 229*. 

Wirbelverschiebungcn 670. 

Wismutpaste 662. 663. 737. 

— Beckscher, Fistelbehandlung mit 

Z. 

Zanderscher Heilgymnastik. Erfahrun¬ 
gen mit 273. 614. 

Zangenhände 693. 

Zehen- und Fingerdeformitäten, Be¬ 
handlung 344. 

Zehenmißbildungen 252*. 

Zerreißung des Musculus quadriceps 
femoris 710. 
i Zwergwuchs 276. 

| — chondrody.strophisch er 275. 


«HS* 


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Verlag von FERDINAND ENKE ln Stuttgart. 

Prof, Dr. H, GOCHT. 

Handbuch der Röntgen-Lehre. 

Zum Gebrauch für Mediziner. 

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Lex.-8°. 1911. geh. M. 13.—; in Leinw. geb. M. 14.20. 

Die Röntgen-Literatur. 

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Zugleich Anhang zu „Gochts Handbuch der Röntgen-Lehre“. 

Lex.-8°. 1911. geb. M. 12.—; in Leinw. geb. M. 13.20. 

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Mit 162 in den Text gedruckten Abbildungen. Lex.-8°. 1901. geh. M. 6.— 


Leitfaden der Röntgenphysik. 

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Von Oberstabsarzt Dr. J. Gillet. 

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Von Dr. P. Harraß. 

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Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. j 

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Von Geheimrat Prof. Dr. B. Bardenheuer. 

Mit 11 Tafeln und 39 Textabbildungen. 

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Von Geheimrat Prof. Dr. B. Bardenheuer und Prof. Dr. R. Graessner. 
Vierte, vollständig umgearbeitete Auflage, 

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Von Prof. Dr. Ph. Bocken heimer. 

Mit 280 Abbildungen. Lex.-8°. 1909. geh. M. 8.40; in Leinw. geb. M. 9.60. 

Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie. 

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Fünfte Auflage. Mit 870 in den Text gedruckten Abbildungen. 

Lex.-8°. 1905. geh. M. 21.— ; in Leinw. geb. M. 23.— 

Die orthopädische Literatur. 

Von Geheimrat Prof. Dr. A. Uoffa und Dr. A. Blencke. 

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Geheimrat Prof. Dr. A. Hofifft und Dr. med. L. Rauenbusch. 

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Lehrbuch der Frakturen und Luxationen 

für Ärzte und Studierende. 

Von Geheimrat Prof. Dr. A. Hoffa. 

Vierte vermehrte und verbesserte Auflage. 

Mit 554 Textabbildungen. Lex *8°. 1904. geh. M. 13.—; in Leinw geb. M. 14.40. 

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Von Geheimrat Prof. Dr. A. Hoffa. 

Sechste verbesserte Auflage. Herausgegeben von Prof. Dr. G. Joachimsthal. 

Mit 45 teilweise farbigen AbbildungenimText. Lex.*8°. 1912. geh. und in Leinw. s:eb, 

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Von Geheimrat Prof. Dr. A. Hoffa und Privatdoz. Dr. G. A. Wollenberg. 

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Von Privatdoz. Dr. G. A. Wollenberg. 

Mit 28 Abbildungen. Lex.*8°. 1910. geh. M. 4.— 1 

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